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Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau
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Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze – Herausforderungen und innovative Lösungen

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Andreas Möller
Johanna Höb
Die Heini-Klopfer-Skiflugschanze in Oberstdorf ist die einzige Skiflugschanze Deutschlands und eine von nur vier Anlagen weltweit, welche die aktuellen Standards der FIS erfüllen. Ursprünglich im Jahr 1949 erbaut und mehrfach modernisiert, wurde sie 1973 durch ein Bauwerk aus vorgespanntem Leichtbeton ersetzt. Dieses Bestandsbauwerk ist eine weit auskragende, vorgespannte Hohlkastenkonstruktion auf einer massiven Bodenplatte, die mittels Felsanker rückverankert ist. Im Rahmen der Generalsanierung 2016 wurde die Skiflugschanze an die neuen FIS-Anforderungen angepasst, darunter eine Neugestaltung des Schanzenaufbaus, des Schanzentischs und des Aufsprunghangs sowie eine Einhausung der Plattformen am Schanzenkopf. Die detaillierte Nachrechnung des Bestandsbauwerks auf Basis aktueller Normen war aufgrund der Komplexität eine besondere Herausforderung. Trotz höherer Lasten konnte die Standsicherheit und damit die Zukunftsfähigkeit des Schanzenbauwerks nachgewiesen werden. Die Befestigung von Spurunterkonstruktion und Brüstungen auf der Leichtbetonunterkonstruktion erfolgte unter Berücksichtigung der Spannglieder mittels einer sorgfältigen Spanngliedortung. Die Funktionalität und Praxistauglichkeit der Skiflugschanze wurde durch erfolgreiche Veranstaltungen wie die Vor-WM 2017 und die Skiflug-WM 2018 unter Beweis gestellt. Die Anlage ist als „schiefer Turm“ ein bedeutendes Symbol für Oberstdorf und ermöglicht neben der sportlichen Nutzung im Winter eine ganzjährige touristische Nutzung.
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Bauen im Bestand, Zirkuläres Bauen 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 207 Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze - Herausforderungen und innovative Lösungen Dipl.-Ing. Andreas Möller Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Johanna Höb, M. Sc. Konstruktionsgruppe Bauen AG, Stuttgart Zusammenfassung Die Heini-Klopfer-Skiflugschanze in Oberstdorf ist die einzige Skiflugschanze Deutschlands und eine von nur vier Anlagen weltweit, welche die aktuellen Standards der FIS erfüllen. Ursprünglich im Jahr 1949 erbaut und mehrfach modernisiert, wurde sie 1973 durch ein Bauwerk aus vorgespanntem Leichtbeton ersetzt. Dieses Bestandsbauwerk ist eine weit auskragende, vorgespannte Hohlkastenkonstruktion auf einer massiven Bodenplatte, die mittels Felsanker rückverankert ist. Im Rahmen der Generalsanierung 2016 wurde die Skiflugschanze an die neuen FIS-Anforderungen angepasst, darunter eine Neugestaltung des Schanzenauf baus, des Schanzentischs und des Aufsprunghangs sowie eine Einhausung der Plattformen am Schanzenkopf. Die detaillierte Nachrechnung des Bestandsbauwerks auf Basis aktueller Normen war aufgrund der Komplexität eine besondere Herausforderung. Trotz höherer Lasten konnte die Standsicherheit und damit die Zukunftsfähigkeit des Schanzenbauwerks nachgewiesen werden. Die Befestigung von Spurunterkonstruktion und Brüstungen auf der Leichtbetonunterkonstruktion erfolgte unter Berücksichtigung der Spannglieder mittels einer sorgfältigen Spanngliedortung. Die Funktionalität und Praxistauglichkeit der Skiflugschanze wurde durch erfolgreiche Veranstaltungen wie die Vor-WM 2017 und die Skiflug-WM 2018 unter Beweis gestellt. Die Anlage ist als „schiefer Turm“ ein bedeutendes Symbol für Oberstdorf und ermöglicht neben der sportlichen Nutzung im Winter eine ganzjährige touristische Nutzung. 1. Einführung Die Geschichte der Heini-Klopfer-Skiflugschanze reicht bis ins Jahr 1949 zurück. Im Jahr 2016 wurde die Leichtbetonkonstruktion aus dem Jahr 1973 umfassend saniert und an die aktuellen Anforderungen der FIS angepasst. Dabei war die Generalsanierung und Instandsetzung der Skiflugschanze ein äußerst anspruchsvolles Projekt, das nur in enger Zusammenarbeit zwischen Objektplanung und interdisziplinärer Tragwerksplanung aus einer Hand-- von der Bestandserkundung über die Neu- und Umbauplanung, die Bestandsnachrechnung, die Betonsanierung, bis hin zur Berechnung geotechnischer Sondermaßnahmen - realisiert werden konnte. Im Folgenden sollen ein Überblick über die Herausforderungen des Projektes gegeben und innovative Lösungsansätze bei der Planung und Umsetzung vorgestellt werden. Von der Bestandsanalyse über die Nachrechnung bis zur Ausführung werden die technischen Aspekte der Sanierungsmaßnahme erläutert. 2. Historie der Bestandsbauwerke Schon die ursprüngliche Schanze, die als Holzkonstruktion in nur 5 Monaten erbaut wurde, stellte bei ihrer Fertigstellung im Jahr 1950 einen Meilenstein auf dem Weg zum Skifliegen dar. Vorangetrieben wurde das damals visionäre Projekt von dem berühmten Trio aus Oberstdorfer Springern - Toni Brutscher, Sepp Weiler und Heini Klopfer. Deren Anspruch war kein geringerer, als eine Anlage zu schaffen, die alles Bisherige übertreffen sollte. [1] 1971 wurde von der FIS (Fédération Internationale de Ski) das Skifliegen anerkannt. Für die Skiflug-weltmeisterschaft 1973 in Oberstdorf wurde die bestehende Schanzenanlage durch ein neues Bauwerk in Leichtbetonbauweise ersetzt. In einer Bauzeit von nur 6 Monaten entstand die neue Skiflugschanze mit ihrer 145 m langen Anlauf bahn bis zum Schanzentisch und einem Höhenunterschied vom höchsten Anlaufpunkt bis zum Auslauf von 189 m. [1] Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Verbesserungen und Modernisierungen am Schanzenbauwerk vorgenommen, um die Sicherheitsstandards zu erfüllen und die Schanze auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. [1] Mit dem großen Umbau und der Generalsanierung im Jahr 2016 wurde die Schanze weiter optimiert und an die aktuellen Anforderungen der FIS angepasst. Insbesondere der gesamte Schanzenauf bau, der Schanzentisch und der Aufsprunghang einschließlich des Auslaufs wurden neu gestaltet, um den Bedürfnissen des modernen Skifliegens gerecht zu werden. [1] 208 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze - Herausforderungen und innovative Lösungen Abbildung 1: Ansicht Anlauf bauwerk mit Unterteilung der Vorbauabschnitte 3. Beschreibung des Bestandsbauwerks Bei dem bestehenden Schanzenbauwerk aus dem Jahre 1973 handelt es sich um eine weit auskragende, im Freivorbau hergestellte, vorgespannten und felsverankerten Leichtbetonkonstruktion. [2] Der Schanzenturm wurde als Kragträger mit einer geneigten Länge des gesamten Obergurtes von 95 m ausgeführt. Die mittlere Neigung des Kragarmes beträgt 39°. Der Schanzenkopf liegt ca. 60 m über dem Gelände. Bei dem Turmbauwerk handelt es sich um einen einzelligen Hohlkastenquerschnitt mit beidseitigen Kragarmen am Obergurt. Der Querschnitt des Hohlkastens ist durch die gegensätzlichen Radien über die Höhe veränderlich und weitet sich vom Schanzenkopf zum Schanzenfuß auf. Im Schanzenkopf bereich wandelt sich, aufgrund der dort angeordneten Plattformen und deren Zugänglichkeit, der geschlossene Hohlkasten in einen offenen U-förmigen Querschnitt. Die Dicke des Obergurtes, welcher durch den Spurauf bau als Anlauf bahn fungiert, beträgt konstant 24 cm, die Untergurtdicke beträgt bei Oberkante der Gründungsplatte 2,56 m, ab dem ersten Vorbauabschnitt 60 cm und verjüngt sich zum Schanzenkopf hin weiter auf 20 cm. [2] Der Obergurt ist in Längsrichtung zusätzlich zu einer schlaffen Längs- und Querbewehrung mit insgesamt 80 Einzelspanngliedern Ø32, St 85/ 105 von unten nach oben abnehmend vorgespannt. Die Spannanker sind im vorderen Massivbereich des Schanzenfußes angeordnet. Zur Endverankerung im Turmbereich mittels Plattenverankerung wurden die Spannglieder jeweils kurz vor der Ankerstelle in Richtung Steg geführt. Aufgrund der abschnittsweisen Herstellung sind die Spannglieder nach jedem Bauabschnitt durch Muffenstöße gekoppelt. Die seitlichen Stege sowie der Untergurt wurden mit einer schlaffen Längs- und Querbewehrung ausgeführt. Letztere wurde zur Schubsicherung der Arbeitsfugen orthogonal zur Längsbewehrung angeordnet. [2] Der Spannleichtbeton, die Verankerung im Felsen sowie der freie Vorbau schräg nach oben in Verbindung mit der äußerst kurzen Bauzeit von 6 Monaten machen den Kragarm zu einem bemerkenswerten Bauwerk. [2] Durch die Ausführung des Turmbauwerkes mit hochfestem Leichtbeton und dem damit verbundenen geringeren Eigengewicht konnten Konstruktionsvorteile erzielt werden, die sich insbesondere in Einsparungen bei den Spannstählen und Ankern bemerkbar machten. Die wirt- 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 209 Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze - Herausforderungen und innovative Lösungen schaftlichen Vorteile infolge der Verwendung von Leichtbeton waren mit 3 % der Bausumme überraschenderweise sehr gering. Die Einsparungen bei Spannstählen und Ankern wurden durch die Mehrkosten des Leichtbetons vermindert. [2] Abbildung 2: Querschnitt des Hohlkastens Die Gründungsplatte und das erste Taktelement (Eingangsebene) wurden in Normalbeton, die weiteren Taktelemente bzw. Vorbauabschnitte 1 bis 11 wurden in Leichtbeton erstellt. Die Zielgröße für den Leichtbeton entsprach einem LBn 400, wie es in der damals gültigen Richtlinie für Leichtbeton und Spannbeton festgelegt war. Das Gewicht des bewehrten Leichtbetons wurde mit 1,8 Mp/ m³ (in etwa 18 kN/ m³) angesetzt. Da zum Zeitpunkt der Herstellung im Jahr 1973 keine Ausführungserfahrung mit einem Leichtbeton dieser Güte vorlag, wurden 25 Eignungsprüfungen mit 12 verschiedenen Betonmischungen und den entsprechenden Baustellenversuchen durchgeführt. Schließlich wurde noch eine Probewand unter den Herstellbedingungen auf der Baustelle erstellt. [2] Am oberen Ende des Kragarmes sind zwei horizontal nach hinten auskragende Plattformen angeordnet. Diese wurden parallel zu den Vorbauarbeiten des Turmbauwerks als Fertigteile am Boden übereinander hergestellt und anschließend mit Winden nach oben gezogen und am Kragträger mit Betonplomben und jeweils vier Spannstäben St 85/ 105 befestigt. [2] Aufgrund der kurzen Bauzeit von 6 Monaten wurde die Konstruktion im Freivorbau erstellt. Für den freien Vorbau schräg nach oben wurde ein besonderer Vorbauwagen konzipiert, welcher die Arbeitsbühnen und im Betonierzustand die auskragende Betonlast abzutragen hatte. Auf dem Vorbauwagen war die Bodenschalung des Untergurtes fest montiert. Alle weiteren Schalelemente wurden jeweils mit dem Kran umgesetzt. Das Vorfahren zum nächsten Betonierabschnitt konnte innerhalb weniger Stunden realisiert werden. Die Einbringung und Verdichtung des Leichtbetons mit Außenrüttlern musste innerhalb von 3 Stunden abgeschlossen sein, da der Beton dann zu erhärten begann. Für das Vorfahren des Vorbauwagens war eine Betonfestigkeit von 25 MN/ m² erforderlich. Dies war im Regelfall in 2 bis 2,5 Tagen erreicht. An Frosttagen - die Vorbauarbeiten waren Ende November 1972 abgeschlossen - wurde von unten Warmluft in den Hohlkasten eingeblasen. Für die Vorbauarbeiten konnte nach einer Anlaufzeit bei den ersten Abschnitten eine Taktung von jeweils einer Woche für die Vorbauschritte erzielt werden. [2] Aufgrund der sehr guten Baugrundverhältnisse konnte das Schanzenbauwerk als Kragträger realisiert werden. Das Fundament des Anlaufturmes ist 22 m lang, 5-m breit und 3 m hoch. Es ist im Felsen aus Kalksandstein und Quarzit gegründet und greift in der bergseitigen Hälfte bis zu 3 m in den Felsen ein. Der Fels wurde dafür schichtweise im Sprengvortrieb ausgebrochen. Im Einbindungsbereich wurde das Fundament vollflächig auf den Felsen betoniert. Die Rückverankerung des Fundaments erfolgt über 40 Felsanker aus St 85/ 105, Durchmesser 32 mm. Die Anker sind am luftseitigen Ende des Fundaments in einem Bereich von 5 m x 3 m angeordnet. Sie sind als Freispielanker mit einer freien Ankerlänge von 8,90 m sowie einer Verpresslänge von 4,90 m ausgebildet und mit einer Vorspannung von 600 N/ mm² versehen. Die Neigungswinkel der Anker gegenüber der Lotrechten betragen 0° bis 20°. Durch diese fächerförmige Anordnung soll ein möglichst großer Gebirgskörper zur Lastabtragung herangezogen werden. Bei der Bemessung wurde ein Vorspannkraftverlust von 15 % durch Kriechen und Schwinden berücksichtigt. Unter ständiger Last stellt sich keine klaffende Fuge ein. Die Sohldruckspannung beträgt in diesem Lastfall ca. 600 kN/ m². Für den Lastfall Gesamtlast liegt die berechnete maximale Sohldruckspannung mit 1330 kN/ m² noch unter dem für den Baugrund empfohlenen Richtwert von 1500 kN/ m². Der in der luftseitigen Fundamenthälfte in Achslängsrichtung angeordnete Sporn von 5 m Länge, 1,7-m Tiefe und 1,5 m Breite nimmt in der Gründungssohle zusammen mit den Reibungskräften in der Druckzone das um die Senkrechte zur Gründungsebene drehende Moment aus Windlast auf. [3] 210 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze - Herausforderungen und innovative Lösungen Abbildung 3: Gründungskörper mit Felsankern Um ein unangekündigtes Versagen der Tragfähigkeit des Sprungturmkragarms durch den Ausfall von Felsankern auszuschließen, wurden von den 40 Felsankern 5 als Prüfanker ausgebildet. Durch ein Monitoringkonzept bestehend aus einer wieder-kehrenden Kraftmessung der Prüfanker und dem daraus resultierenden Rückschluss auf die Kräfte der übrigen Anker sowie einer wiederkehrenden Höhenmessung des Fundamentkörpers soll ein Versagen der Anker rechtzeitig erkannt werden. [3] 4. Generalsanierung und Revitalisierung Die Konzeption und Umsetzung der Generalsanierung orientierte sich an den gegebenen Randbedingungen der bestehenden Schanzenanlage und deren Anpassung an die neuen Anforderungen der FIS hinsichtlich Anlaufgeometrie, Komfort und Sicherheit. Die Erfüllung der FIS-Regularien erforderte eine komplette Neugestaltung des Aufsprunghangs, des Schanzentisches, der Anlaufspur und des Wärmeraumes am Schanzenkopf sowie die Neugestaltung der Infrastruktur im Auslauf bereich mit den dazugehörigen Stadion- und Geländeflächen im Sinne einer langfristigen Zukunftsfähigkeit. Der bestehende Schanzentisch wurde vollständig rückgebaut und durch eine Brückenkonstruktion als oberstes Ende des Aufsprunghangs mit aufgeständertem neuem Schanzentisch ersetzt. Die Brückenkonstruktion ist im hangseitigen Bereich auf Mikropfählen gegründet und wurde als Stahlkonstruktion mit einer oberseitigen, erdüberschütteten Stahlbeton-Verbundplatte hergestellt. Der neue Schanzentisch wurde als Stahl-Fachwerkkonstruktion ausgeführt. Charakteristisches Merkmal der Konstruktion sind die V-förmigen Rundstützen. Abbildung 4: Schanzentisch mit Brückenbauwerk ©-Eva Bartussek Die bestehende Anlaufspur- und Geländerkonstruktion auf dem Anlaufbauwerk wurde vollständig rückgebaut und durch eine neue, der gewünschten Gradiente folgenden, teils aufgeständerten Stahlkonstruktion ersetzt. Die Neukonstruktion im Bereich der Startstufen wurde beidseits verbreitert, die Brüstungshöhen in diesem Bereich wurden vergrößert. Der Wärmeraum am Schanzenkopf wurde erweitert und mit einer neuen Fassade versehen. Aufgrund der elementierten Montage vorgefertigter Bauteile konnte eine äußerst kurze Bauzeit ohne zusätzliche Montagegerüste realisiert werden. So konnte auch den hohen Anforderungen an die Präzision der Unterkonstruktion der schanzentechnischen Aufbauten Rechnung getragen werden. Das Profil des Aufsprunghanges präsentiert sich neu modelliert und an die Anforderungen einer hangnahen Flugkurve angepasst. Der Auslaufbereich wurde vergrößert und eine Tribünenanlage mit Geländestehplätzen errichtet. Mit der Generalsanierung der Skiflugschanze sollte in Anlehnung an die Einzigartigkeit des bestehenden Schanzenbauwerks ein weithin sichtbares Objekt geschaffen werden, das auch in den kommenden Jahrzehnten seinen Symbolcharakter für Oberstdorf behält. Die gestalterische Grundidee greift das Thema Fliegen auf. So entstand zum einen die abstrahierte Ausformulierung des Schanzenkopfes als „Adlerhorst“, zum anderen das rote Band, das dem Anlauf der Schanze folgt und den Flug eines Adlers zum Ausdruck bringen soll. 5. Nachrechnung Für das bestehende Anlauf bauwerk wurde aufgrund von Mehrflächen durch die geometrische Umgestaltung der Brüstungen sowie der Einhausung des Wärmeraumes und den daraus resultierenden höheren Lasten eine detaillierte Nachrechnung auf Basis der aktuell gültigen Normen erforderlich. 2. Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau - Juni 2024 211 Generalsanierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze - Herausforderungen und innovative Lösungen Beim Neubau der Schanze im Jahr 1973 wurde ein Sondervorschlag der ausführenden Firma umgesetzt, welcher eine optimale Ausnutzung der verwendeten Materialien als Zielsetzung hatte. Dementsprechend anspruchsvoll gestaltete sich die Nachrechnung des Anlauf bauwerkes und verlangte eine Vielzahl innovativer Ansätze. Hierfür wurde das Leichtbetonbauwerk durch ein gemischtes Modell mit Schalen-, Volumen- und Stabelementen abgebildet. Für die Vorspannung wurden alle 80 Spannstränge im Obergurt einschließlich deren Exzentrizitäten einzeln modelliert. Die Materialien wurden den Bestandsunterlagen entnommen und auf Basis des Gutachtens der TU München von 1972 über die materialbedingten Grundwerte des Leichtbetons LBn 400 für die statische Berechnung sowie in Anlehnung an die „Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand“ den Materialeigenschaften nach DIN EN 1992 zugeordnet. Für die Vorbauabschnitte VA1 bis VA11 wurde demnach ein LC50/ 60 zugrunde gelegt. Beim Hohlkasten oberhalb der Gründung (VA0) wurde ein C35/ 45 und für die Gründung ein C20/ 25 angesetzt. Die seinerzeit verwendeten Rundstähle entsprechen einem Stabstahl B420-B. Für die Spannstähle St 85/ 105 ergibt sich auf Basis der vorliegenden Zulassungen mittels Umrechnungsfaktor 1 kp = 9,81 N eine Streckgrenze von 835 N/ mm² und eine Zugfestigkeit von 1030 N/ mm². Die abschnittsweise Herstellung des Kragarmes im Freivorbau wurde im Modell durch die Eingabe sukzessiv angebauter Vorbauabschnitte und der sich daraus ergebenden Kriechberechnungen berücksichtigt. Die Vorspannung wurde jeweils entsprechend den im Vorbauabschnitt verankerten Spanngliedern mit einer angenommenen Spannung der Vorspannkraft von 580 N/ mm² aufgebracht. Das Rechenmodell wurde zunächst unter Berücksichtigung der bisherigen Lasten sowie der Einflüsse aus Kriechen und Schwinden mit der vorliegenden Bestandsstatik abgeglichen und kalibriert und anschließend mit den neuen Lasten auf Basis der aktuellen Normung beaufschlagt. Zusätzliche Lasten ergaben sich insbesondere durch die Vergrößerung der Plattformen und die Anordnung einer geschlossenen Fassade zur Ausführung eines Wärmeraumes am Turmkopf, durch die beidseitige Verbreiterung der Startstufen sowie durch die Ausbildung höherer seitlicher Brüstungen mit geschlossener Blechverkleidung. Als besondere Herausforderung musste in diesem Prozess auch die Schwingungsanfälligkeit untersucht werden. Im Ergebnis gelang durch die detaillierte Modellbildung und Nachrechnung trotz oder gerade infolge des höheren Lastniveaus der Nachweis einer ausreichenden Standsicherheit. Auffällig war im Ergebnis, dass der ermittelte Ausnutzungsgrad bei der Bestandssituation höher als bei der Instandsetzungsmaßnahme ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die maximale Beanspruchung der schlaffen Bewehrung bei der Kombination Wind in Querrichtung im Untergurt und dem zugbeanspruchten benachbarten Steganteil auftritt. Durch die Instandsetzungsmaßnahme werden mehr Aufbaulasten aufgebracht und somit größere Druckbeanspruchungen am unteren Querschnittsrand erzeugt. Der Anteil der zu ersetzenden Zugbeanspruchung durch schlaffe Bewehrung wird dadurch geringer. Ertüchtigungsmaßnahmen wären, wenn überhaupt ausführbar, kosten- und zeitintensiv gewesen und hätten zusätzlich zu einer Reduzierung der Umgestaltungsmaßnahmen geführt. Der Erfolg der detaillierten Nachrechnung war somit ausschlaggebend für die Machbarkeit der Generalsanierung und damit für die Zukunftsfähigkeit der gesamten Sprunganlage. 6. Spanngliedortung und neue Spur Eine weitere Herausforderung stellte die Befestigung der Spurunterkonstruktion und der Brüstungen auf der Leichtbetonunterkonstruktion dar. Zum einen musste für die Befestigung der Stahlkonstruktion eine Zustimmung im Einzelfall für die Dübel erwirkt werden, zum anderen eine Beschädigung der sehr dicht liegenden Spannglieder ausgeschlossen werden. Es wurden Stahl-Auflagerschuhe geplant, die mit der erforderlichen Flexibilität eine Anpassung auf die örtlichen Gegebenheiten zulassen. Die Fußplatte dieser Stahl-Auflagerschuhe ist mit insgesamt 14 Bohrungen versehen, so dass flexibel auf die Bewehrungs- und insbesondere die Spanngliedlagen reagiert werden konnte. Nach der Einmessung der Achsen für die Auflagerschuhe auf dem Obergurt des Hohlkasten-querschnittes erfolgte vor Ort eine durch Seiltechnik gesicherte Spanngliedortung mittels Radargeräts. Die Achspunkte der Auflagerschuhe waren durchgängig der Bezugspunkt für die Aufnahmen, Auswertungen und für die Montage. Abbildung 5: Radarmessung zur Spanngliedortung Um die Spanngliedlagen von der schlaffen Bewehrung zweifelsfrei unterscheiden zu können, wurden die bei der Radarmessung vor Ort für jeden einzelnen Auflagerpunkt aufgenommenen Messergebnisse mit den maßstäblich in die Bestandspläne übertragenen Messbereichen verglichen.