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Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1998
271 Gnutzmann Küster Schramm
FrellJdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben Von Gen IfenJici Und Ekkehard Zöfgen ---~=rp~unnlkk1tt: : h lehrern Themenschwe . Fremdsprac en . Theorien von ~~e~ft ~~~H_a_n_~_n ___ _ koordiniert von Inez ~ ~ Gunter Narr Verlag Tübingen Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen Herausgeber und Schriftleiter: Gert Henrici Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld Postfach 100131 33501 Bielefeld Ekkehard Zöfgen Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld Postfach 100131 33501 Bielefeld Redaktionsanschrift: siehe 3. Umschlagseite Beratende Mitarbeit: Rupprecht S. Baur (Essen)· Wolfgang Bömer (Hamburg) Dieter Götz (Augsburg) · Franz Josef Hausmann (Erlangen) Wolfgang Herrlitz (Utrecht) Fremdsprachen Lehren und Lernen erscheint einmal jährlich mit einem Umfang von ca. 240 Seiten. Das Jahresabonnement kostet DM 78,- (zuzügl. Postgebühren) . Vorzugspreis für private Leser DM 58,- (zuzügl. Postgebühren / Lieferung und Rechnung an Privatadresse), sofern sie dem Verlag schriftlich mitteilen , daß sie die Zeitschrift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch beziehen . Erfolgt keine Abbestellung bis zum 1. Dezember, so verlängert sich das Abonnement automatisch um ein Jahr. © 1998 · Gunter Narr Verlag · Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich gesc hützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vo rbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne sc hriftliche Genehmigung des Verlages in irgende iner Form durch Fotokopie , Mikrofilm oder andere Verfahren reproduziert oder in eine von Masc hinen , in s be sondere von Datenverarbeitungsanlage n, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, im Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persön lichen und sonsti gen eigenen Gebrauch dürfen nur von ein ze lnen Beiträge n oder Teilen darau s als Einzelkopien herge stellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benützte Kopie dient gewerblichen Zwecken gern. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abtei lun g Wissensc haft, Goethestraße 49, 8000 München 2, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind . Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Druck : Laupp & Göbel, Nehren Bindung: Nädele, Nehren Printed in Germany ISSN 0932-6936 ISBN 3-8233-4586-9 Gunter Narr Verlag• Postfach 25 67 • D-72015 Tübingen Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern Inez De Florio-Hansen Zur Einführung in den Themenschwerpunkt oder: Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 L METHODOLOGIE UND METHODEN DES PARADIGMAS 'SUBJEKTIVE THEORIEN' Brigitte Scheele, Norbert Groeben Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Theoretische und methodologische Grundzüge in ihrer Relevanz für den Fremdsprachenunterricht 12 Rüdiger Grotjahn Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung: Methodologische Grundlagen und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Hans-Wilhelm Decher! Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen bei Lernenden und Lehrenden im Lichte des Problemlösungsparadigmas 60 Willis J. Edmondson Subjective Parameters describing Teaching Roles. Towards a theory of tertiary foreign language instruction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. SUBJEKTIVE THEORIEN IN DER FREMDSPRACHENLEHRERAUSBILDUNG Jürgen Quetz Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht beginnen Studierende ihr Lehramtsstudium? ..................... 106 Daniela Caspari Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen für Studierende ein relevantes Thema? Überlegungen zum Gegenstand und seiner methodischen Umsetzung im Rahmen eines fachdidaktischen Hauptseminars ........ 122 (Fortsetzung umseitig) Liese[ Hermes Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen . . . . . . 146 Gilda Rippen Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz als Voraussetzung für fachsprachlichen Englischunterricht an Hochschulen und Fachhochschulen 163 III. SUBJEKTIVE THEORIEN BEIM FREMDSPRACHENLEHREN UND -LERNEN Claudia Finkbeiner Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? Was Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen darüber denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Heribert Rück Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlemen. Prä-Kognitionen und ihre Überprüfung in einem Lernprozeß Russisch . . . . . . . . . . . . . . . 204 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Marinette MATIHEY: Apprentissage d'une langue et interaction verbale. [....] Bern: Lang 1996 (Peter Scherfer) ............................... 222 Regina HESSKY, Stefan ETTINGER: Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene. Tübingen: Narr 1997 (lrmgard Honnef-Becker) 228 Hans-Werner HUNEKE, Wolfgang STEINIG: Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 1997 (Karin Aguado) ..................... 230 Gabriele KASPER, Brie KELLERMAN (eds.): Communication Strategies. [...] London: Longman 1997 (Karin Aguado, Torsten Schlak) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 George YULE: Referential Communication Tasks. Mahwah, N.J.: Erlbaum 1997 (Karin Aguado, Torsten Schlak) ................................ 240 PONS Daniel Jones English Pronouncing Dictionary. 15 th edition. Cambridge: University Press & Stuttgart: Klett 1997 (Käthe Henke-Brown) . . . . . . . . . . . . . 242 Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST, Klaus MUDERSBACH: Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens. Tübingen: Francke 1998 (Bernd Stefanink) . . . . . . . . . . . . . 245 Deutsch-polnische Nachwuchskonferenz „Fremdsprachenerwerb - Glottodidaktik" (Claudia Riemer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Eingegangene Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Informationen • Nachrichten • Vorschau auf 1999 252 Autoren und Autorinnen der Beiträge 254 FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern lnez De Florio-Hansen Zur Einführung in den Themenschwerpunkt oder: Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern wozu? „1. Keine Wissenschaft beginnt damit, zunächst ihre Grundlagen zu entwickeln. Erst wenn sich eine Wissenschaft eine Stück weit entfaltet hat, wird die Frage sinnvoll, auf welche Grundlagen sie sich eigentlich stützt [... ]. 2. [... ] Es ist zwar möglich, daß wir über Begriffe wie Wissen, Methode, Definition, Argumentation, Hypothese, Erklärung usw. philosophieren, aber dabei stützen wir uns weniger auf den Gebrauch dieser Begriffe in den verschiedenen Wissenschaften als auf unseren umgangssprachlichen Umgang mit diesen Begriffen (der zweifellos von den einzelnen Wissenschaften her geprägt ist, aber ebenso auch von unseren vorwissenschaftlichen Fragestellungen) [... ]" (Wunderlich 1976: 2). Anläßlich eines Symposiums zum Thema „Wissenschaftstheorie der Linguistik" brachte Wunderlich durch zehn Thesen, von denen ich die beiden ersten in verkürzter Form zitiert habe, seine Skepsis gegenüber der etablierten Wissenschaftstheorie zum Ausdruck, "die alle Wissenschaften mehr oder weniger über denselben Kamm schert" (1976: 2). Zwar bestreitet er nicht, daß die Linguistik permanenter wissenschaftstheoretischer Reflexion bedarf; "Fremdorientierungen" (a.a.O.: 4) an einer allgemeinen Wissenschaftstheorie und/ oder den Paradigmen anderer Disziplinen führten s.E. jedoch nicht zu relevanten Erkenntnissen in der Linguistik. Wunderlichs Überlegungen und Forderungen gelten mutatis mutandis auch für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen. Um sich gegen ältere und neuere Disziplinen abzugrenzen, ist die Diskussion über geeignete Methodologien und Methoden in der Fremdsprachenforschung bereits aufgenommen worden, als nur wenige (empirische) Untersuchungen vorlagen. Daher gibt es inzwischen eine Reihe programmatischer Darstellungen zu forschungsmethodologischen Ansätzen (vgl. u.a. Bausch 1977, Vollmer 1985, Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld 1995a, 1995b, Grotjahn 1998), die von explorativen Designs hermeneutischer Ausrichtung über die strenge Prüfung von Hypothesen bis hin zur Handlungsforschung reichen (vgl. Grotjahn 3 1995). Und es wird immer wieder betont, daß die mit der Erforschung des Fremdsprachenlehrens und -lernens befaßten Disziplinen keinen Wissenschaftsbereich „mit einheitlicher Fragestellung und einheitlichem Forschungsparadigma" darstellen (TimmNollmer 1993: 13). Mit der Zeit hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß Designs mit weitgehend kontrollierten Experimenten, wie sie vielen Psychologen als Königsweg empirischer Forschung gelten, für die Untersuchung des gesteuerten Fremdsprachenlernens aufgrund der Faktorenkomplexion nur bedingt geeignet sind (vgl. Grotjahn 3 1995). FLuL 27 (1998) 4 Inez De Florio-Hansen Aus Sorge, andere Forschungsansätze könnten als Defizitärformen des scientific paradigm abqualifiziert werden, haben jedoch viele Forscher nur Gegenstände aufgegriffen, die eine Untersuchung mit „naturwissenschaftlichen" Methoden gestatten (vgl. Müller 1985). Nicht zuletzt aus diesem Grund sind empirische Arbeiten, "die sich explizit auf die Beschreibung und Analyse von real durchgeführtem Fremdsprachenunterricht richten", bisher die Ausnahme geblieben (vgl. die entsprechende Forderung von TimmNollmer 1993: 36 sowie das Bochumer Tertiärsprachenprojekt Bausch [et al.] 1986 und De Florio-Hansen 1994). In den letzten Jahren hat die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen eine „subjektive Wende" genommen. Während intro- und retrospektive Daten in früheren Untersuchungen eine untergeordnete Rolle spielten (vgl. jedoch Krings 1986, Börner 1989, Haastrup 1989), stehen die Kognitionen von Fremdsprachenlernern und -lehrern 1 inzwischen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Das Paradigma 'Subjektive Theorien' soll zu einer stärkeren Integration von quantitativer und qualitativer bzw. analytisch-nomologischer und explorativ-interpretativer Forschung beitragen (vgl. dazu Scheele/ Groeben und Grotjahn in diesem Band). Schon Ende der 80er Jahre hat Börsch (1987: 220 ff) den soziologischen Bedeutungsbegriff und den der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik in die Diskussion eingeführt: Da soziale Realität dem Menschen etwas bedeutet, gesellschaftliche Wirklichkeit nicht „objektiv" vorgegeben ist, sind die individuellen Bedeutungszuschreibungen der interaktiv Handelnden zu berücksichtigen. Dabei ist es nur konsequent, daß in Einklang mit der Lernerorientierung das vorrangige Interesse den Alltagstheorien von Fremdsprachenlernern gilt. Aber schon in der Arbeit von Kallenbach (1996), die in Anlehung an das Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) von Groeben [et al.] (1988) systematisch untersucht, "was Schülerinnen und Schüler über Fremdsprachenlernen denken", wird die Interdependenz von Schüler- und Lehrertheorien deutlich. Lehrer haben in der Regel Vorstellungen davon, was ihre Schüler über die Fremdsprache, das Fremdsprachenlernen und den (von ihnen erteilten) Fremdsprachenunterricht denken. Da diese Annahmen einen Teil ihres beruflichen Selbstverständnisses ausmachen und in ihr konkretes Handeln einfließen, sind subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern vermutlich vielschichtiger als diejenigen der Lernenden (zu den zahlreichen „Einschließungsverhältnissen" vgl. Scheele/ Groeben in diesem Band [S. 14]). Das belegt die Lehrerforschung, die in den Erziehungswissenschaften eine lange Tradition hat (vgl. u.a. Bachmair 1969, Gemer 1976, Dieterich 1983, Mandl/ Huber 1983, Hofer 1986, 1987, Hirsch 1990, Bromme [et al.] 1992, Kelchtermans 1992, Terhart [et al.] 1994, Bauer [et al.] 1996). Während die Didaktisierung von Lernertheorien vor allem im Zusammenhang mit der Vermittlung von Lernstrategien dis- Selbstverständlich umfaßt diese generische Verwendung weibliche und männliche Lerriende und Lehrende. FLuL 27 (] 998) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 kutiert wird, können die bisher von Erziehungs- und Sozialwissenschaften vernachlässigten Alltagstheorien von Fremdsprachenlehrern (vgl. jedoch Hart 1992 zu den Wertesystemen von Englischlehrern) der Lehreraus- und -fortbildung wichtige Impulse geben (vgl. die Beiträge von Quetz, Caspari, Hermes, Rippen). Was sind eigentlich subjektive Theorien? Zwar lehnen sich die meisten Forscher an die weite Definition von Groeben [et al.] (1988) an, die darunter ein komplexes Aggregat von Kognitionen der Selbst- und Weltsicht verstehen, welches eine (zumindest implizite} Argumentationsstruktur aufweist und „auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose, Technologie erfüllt" (Scheele/ Groeben in diesem Band [S. 16]). Sie erheben dann freilich Kognitionen jeder Art, wie z.B. subjektive Daten oder subjektive Hypothesen zu Einzelaspekten des Fremdsprachenlehrens und -lernens. Selbst wenn man die Kritik von Knapp-Potthoff (1997: 18) an der Vagheit des Begriffs Language Awareness teilt, kann man ihrem Vorschlag nur bedingt folgen, „einen empirischen Zugang zum Konzept 'Language Awareness' über das Konzept 'subjektive Lemertheorien' zu versuchen". Denn die gleichen Fragen, die sie im Zusammenhang mit Language Awareness aufwirft, gelten auch für subjektive Theorien: Handelt es sich dabei um dauerhaft repräsentierte Kognitionsaggregate oder temporäre und somit instabile Kognitionen? Welche Rolle spielt die Dichotomie 'explizit vs. implizit' im Hinblick auf diese Gedächtnisinhalte? Inwieweit sind solche Kognitionen handlungsleitend? Nicht nur die Klärung des Terminus 'subjektive Theorie' wirft Probleme auf, auch der forschungsmethodische Zugriff auf Kognitionen ist nach wie vor umstritten. Im Zusammenhang mit der Erhebung intro-/ retrospektiver Daten bei der Sprachrezeption und -produktion hat sich herausgestellt, daß das Erinnerungsvermögen der Probanden selbst bei bewußten bzw. bewußtseinsfähigen mentalen Vorgängen sehr unterschiedlich ist. Bereitschaft und Fähigkeit zur Verbalisierung mentaler Prozesse variieren von Individuum zu Individuum beträchtlich. Huber/ Mandl (1982: passim) geben außerdem zu bedenken, daß der Wahrheitsgehalt und die Handlungsrelevanz von Kognitionen, d.h. in diesem Fall den durch (nachträgliches) Lautes Denken ermittelten Epi-Kognitionen, nicht mit Sicherheit bestimmt werden können. Bei Verbalisierungen kommt es zu bewußten und unbewußten Verzerrungen, die auch durch das Verhältnis zwischen Forscher und Erforschtem bedingt sind (vgl. De Florio-Hansen 1994). Während ad hoc-Kognitionen sich unmittelbar auf konkrete Problemlösungsaufgaben und/ oder aktuelle Situationen beziehen, sind subjektive Theorien aus vielfältigen Erfahrungen „aggregiert" und gestatten dem 'Subjektiven Theoretiker' nicht zuletzt aufgrund ihrer (relativen) Stabilität eine gewisse reflexive Distanz. Das kann den Zugriff eine entspannte und doch anregende Erhebungssituation vorausgesetzt erleichtern. Da subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung nicht journalistischen, sondern wissenschaftlichen Zielen dienen sollen, hält die Forschergruppe um Groeben die schon von Huber/ Mandl (1982: passim) geforderten Verfahren der kommunikativen und der explanativen Validierung für unabdingbar (zu Einzelheiten vgl. FLuL 27 (1998) 6 Inez De Florio-Hansen Grotjahn 1991 sowie den Beitrag von Scheele/ Groeben). Selbst wenn man dem FST nicht in allen Einzelheiten folgen will, ist durch einen mehrstufigen Validierungsprozeß eine Überprüfung der Handlungsrelevanz und vor allem eine Gegenüberstellung von subjektiven Theorien und „objektiven" (wissenschaftlichen) Theorien anzustreben. Daß dies nur möglich ist, wenn subjektive Theorien zu einer überindividuellen Theorie zusammengefaßt werden, unterstreicht Grotjahn (in diesem Band [S. 43]). Auf das FST greifen die bisher im Bereich der Fremdsprachenforschung vorgelegten Untersuchungen zu Alltagstheorien von Fremdsprachenlernern und -lehrern nur zum Teil zurück (vgl. die Diskussion des Ansatzes von Groeben [et al.] bei Kallenbach 1996 und bei Edmondson 1996 sowie in diesem Band). Wie bei der von Wunderlich angedeuteten Entwicklung in der Linguistik konzentrieren sich die Untersuchungen, die dem „neuen" Forschungsparadigma in irgendeiner Form folgen, auf heuristisch-deskriptive Analysen. Welche Einblicke diese explorativen Studien gestatten, zeigen die Beiträge in diesem Themenheft. Wenn das Paradigma 'Subjektive Theorien' für die Fremdsprachenforschung nutzbar gemacht werden soll, müssen Alltagstheorien sofern sie Einblicke und Erkenntnisse hinsichtlich des Lernens und Lehrens fremder Sprachen versprechen mit Methoden erhoben und dargestellt werden, die wissenschaftlichen Gütekriterien entsprechen. Das Unbehagen, das die Rationalität, der Reduktionismus, die Akribie „naturwissenschaftlicher" Methoden bei Fremdsprachenforschern hervorrufen mag, darf nicht dazu führen, daß der Anspruch auf Objektivität aufgegeben wird. Subjektive Theorien, in diesem Fall „aggregierte" Hypothesen von Fremdsprachenlernern und -lehrern, sind nicht Selbstzweck, sondern Ausgangspunkt wissenschaftlicher Forschung. Sie stellen eine Art Induktionsbasis dar, um zu Generalisierungen zu kommen. Wie Grotjahn (in diesem Band) gehe ich davon aus, daß es unabhängig von allen menschlichen Konstruktionen und Repräsentationen eine Wirklichkeit gibt, die dem rationalen Denken (zumindest partiell) zugänglich ist. Das scientific paradigm, über dessen Ausformungen man trefflich streiten kann,··ist der Versuch, die Subjektivität des Meinens bis zu einem gewissen Grad zu überwinden und die Natur - und dazu gehört auch das lernende Individuum in einem Zustand zu ergründen, in dem sie noch nicht zum geistigen Konstrukt geworden ist (vgl. Zimmer 1998). Kulturen sind nach Searle (1997) iterative kollektive Symbolisierungen, aber neben und vor ihnen existieren sogenannte 'rohe' Gegebenheiten, die unabhängig vom menschlichen Denken bestehen. Wer sich einem relativistischen Perspektivismus hingibt, muß auch die Position des Perspektivismus selbst relativieren! Insbesondere die Sprachlehrforschung hat ähnlich wie Wunderlich immer wieder vor „Fremdorientierungen" an den Paradigmen anderer Disziplinen gewarnt (vgl. Bausch/ Raabe 1978). Betrachtet man die Forschungslandschaft, hat man den Eindruck, daß lediglich ein „Rollentausch" stattgefunden hat: An die Stelle der geschmähten Linguistik sind Psychologie und Kognitionswissenschaften getreten. Damit soll die Bedeutung von Erkenntnissen dieser Disziplinen für die Erforschung FLuL 27 (1998) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 des Fremdsprachenlernens nicht in Zweifel gezogen werden. Bisweilen scheint jedoch die Wahl einer „attraktiven" Methodologie der des Forschungsgegenstands vorgeordnet zu sein. Wenn Fremdsprachenforschung zu praxisrelevanten Ergebnissen führen soll, darf der Primat des Forschungsgegenstands nicht zur Disposition stehen. Und dieser Primat könnte auch dazu führen, daß die mit der Erforschung des Lehrens und Lernens befaßten Disziplinen feststellen, daß sie eigene Forschungsmethodologien entwickeln müssen. Nach Groeben [et al.] (vgl. auch in diesem Band) liegen dem FST veränderte Menschenbildannahmen zugrunde: An die Stelle des behavioralen menschlichen "Forschungsobjekts" ist das epistemologische Subjektmodell getreten. Rationalität, Selbstreflexivität und Kommunikationsfähigkeit des Menschen verbieten es, seine Kognitionen im Rahmen der wissenschaftlichen Erforschung eines ihn betreffenden Phänomens oder Problems als irrelevant abzutun. Der Wechsel von der Außensicht des Forschers zur Innensicht des Erforschten ist jedoch auch bei diesen Menschenbildannahmen vom Forscher gelenkt. Bei allen Bekenntnissen zur Offenheit des Designs sind die Fragen bei den Interviews, der gängigsten Methode zur Erhebung subjektiver Theorien, weitgehend vorstrukturiert (vgl. z.B. Kallenbach 1996: 82- 85). Man müßte prüfen, ob größere Offenheit bei der Erhebungssituation nicht bessere Einblicke in Denkinhalte und -strukturen der Betroffenen gestattet. Ob sich Probanden im Rahmen eines Forschungsprojekts ernstgenommen oder „beforscht" fühlen, hängt nicht allein davon ab, welches Gewicht der Forscher ihren Alltagstheorien beimißt. Zum „Forschungssubjekt" werden Probanden m.E. vor allem dann, wenn ihre Beobachtungen und Probleme beim Fremdsprachenlernen und -lehren zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Analysen gemacht und relevante Einzelprobleme in enger Zusammenarbeit von Forscher und Praktiker aufgearbeitet werden (vgl. Königs 1996). Einern so verstandenen „Subjektmodell", das die Betroffenen als Experten akzeptiert, kommt m.E. Handlungsforschung am nächsten (vgl. Altrichter/ Posch 1990 sowie Hermes in diesem Band). Action Research und Reflective Teaching greifen jedoch zu kurz, wenn kein Bezug zu (einigermaßen) gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wenn keine Verbindung von praktischem Handeln und wissenschaftlicher Rationalität hergestellt wird. Dabei ist zu bedenken, daß das Lehren fremder Sprachen (wie pädagogisches Handeln überhaupt) nicht einfach als angewandte Wissenschaft betrachtet werden kann, sondern ein Arbeitsfeld mit eigener Rationalität darstellt. Wissenschaftliche Theorien sind daher zwangsläufig mannigfaltigen Transformationsprozessen unterworfen, bevor sie von Praktikern, die ihr Tun nicht am wissenschaftlichen Wahrheitskriterium, sondern an der Brauchbarkeit und am Erfolg messen, in ihren Unterricht integriert werden können. Wenn die Akzeptanz wissenschaftlicher Theorien in der Praxis des Fremdsprachenlehrens und -lernens erhöht werden soll, müssen Fremdsprachenforscher für Lehrende und Lernende erfahrbar machen, daß und wie ihre Ergebnisse positive praktische Folgen haben (vgl. Kommission zur Neuordnung der Lehrerausbildung an Hessischen Hochschulen 1997: 44). FLuL 27 (1998) 8 Inez De Florio-Hansen Die weitgehend subjektive Zuordnung der einzelnen Beiträge zu drei Themenblöcken bedarf der Begründung: In Themenblock I "Methodologie und Methoden des Paradigmas 'Subjektive Theorien"') stellen Brigitte Scheele und Norbert Groeben (Köln) das FST noch einmal in seinen Grundzügen dar und gehen auf die Möglichkeiten seiner Umsetzung bei der Erforschung des Lernens und Lehrens fremder Sprachen ein. Da sie Lernen im Fremdsprachenunterricht als willkürlich, d.h. willentlich, und bewußt ansehen, wird der Rahmen angedeutet, in dem der Einsatz des Paradigmas Sinn macht. Rüdiger Grotjahn (Bochum) ergänzt und erweitert in seinem Beitrag nicht nur die Ausführungen von Scheele/ Groeben; er geht auch über seine eigenen früheren Arbeiten zum FST hinaus, indem er sich mit anderen Zugriffen auf Denkinhalte und -strukturen von Fremdsprachenlernern und -lehrern auseinandersetzt. Dabei wird deutlich, daß ad hoc-Kognitionen aufgrund ihrer fuzziness und Instabilität nur selten der Ausgangspunkt für begründete Veränderungen beim Fremdsprachenlernen und -lehren sein können. Deutlich wird das im Aufsatz von Hans- Wilhelm Dechert (Kassel), der nicht zuletzt aufgrund der Zitate im Anhang und der umfänglichen Bibliographie - Möglichkeiten und Grenzen von Mental Folk Models aufzeigt. Neuere Untersuchungen zum Selbstbild und dem beruflichen Selbstverständnis von Lehrern lassen im Gegensatz zur Darstellung bei Dechert hoffen: Das Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) hat bei einer Befragung von 1123 Lehrern ermittelt, daß sich 79% der Sekundarschullehrer und sogar 85% der Grundschullehrer noch einmal für denselben Beruf entscheiden würden (vgl. Die Zeit Nr. 12 vom 15. März 1996). Und: Auch bei Studienrat G., dessen Leiden an seinen unzureichenden Englischkenntnissen Dechert uns in einer Anekdote näherbringt, haben die Schüler Englisch gelernt! Den Beitrag von Willis J. Edmondson (Hamburg) habe ich im Theorie-Teil plaziert, weil der Autor sich kritisch-konstruktiv mit dem FST auseinandersetzt. Sein Ziel - und damit folgt er dem FST nicht besteht darin, "to set up perceptual parameters, along which belief-systems, goals and practices reported on by different individuals can be located". Eine Alternative zeigt er beim Datenerhebungsverfahren auf: An die Stelle der Befragung ist die small group discussion getreten, in der sich vier Fremdsprachenlektoren (Englisch) u.a. über das Verhältnis Lektor/ Studierende sowie Aspekte der Lehrerrolle unterhalten. Die Themenblock II "Subjektive Theorien in der Fremdsprachenlehrerausbildung") zugeordneten Beiträge lassen auf unterschiedliche Art erkennen, daß dem Überzeugungswissen von Lehrern große Bedeutung für ihr Handeln im Unterricht beigemessen wird. Deshalb soll eine Sensibilisierung und gegebenenfalls eine Veränderung von subjektiven Theorien möglichst schon während der 1. Ausbildungsphase angebahnt werden. Da ist es nur konsequent, wenn Jürgen Quetz (Frankfurt) darauf hinweist, daß man eine Modifikation von Denken und Handeln überhaupt nur dann erreichen kann, wenn man die subjektiven Theorien der Studierenden kennt. Anhand eines Beispiels zeigt er, wie bereits im 1. Semester subjektive Daten der Studierenden zum Fremdsprachenlehren und -lernen erhoben und zur Diskus- FLuL 27 (1998) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 sion gestellt werden können. Daniela Caspari (Gießen) versucht, Studierende auf ihr „Französischlehrerdasein" vorzubereiten, indem sie sie in einem fachdidaktischen Seminar mit subjektiven Theorien von Lehrern zu deren beruflichem Selbstverständnis konfrontiert und zu eigenen kleineren empirischen Untersuchungen anregt. Liese/ Hermes (Koblenz) legt in einem literaturwissenschaftlichen Seminar das Schwergewicht auf die Aktivierung der Studierenden durch Selbstreflexion, die auch die Dozentin einschließt. Mit Rückgriff auf Action Research die Autorin sieht Parallelen zum Paradigma 'Subjektive Theorien' möchte sie die Eigenverantwortung der Studierenden fördern, in der Annahme, daß eine Übertragung autonomen Lern- und Lehrverhaltens auf den Unterricht im Rahmen einer späteren Berufstätigkeit erfolgt. Gilda Rippen (Berlin) setzt sich zum Ziel, durch ihre Analyse subjektiver Konstrukte zum fachlichen Hintergrundwissen von Lehrkräften, die an Hochschulen und Fachhochschulen fachsprachlichen Englischunterricht erteilen, die Aus-/ Fortbzw. Weiterbildung dieser Lehrergruppe voranzubringen. Daß Themenblock III "Subjektive Theorien beim Fremdsprachenlehren und -lernen") lediglich zwei Beiträge umfaßt, macht deutlich, daß die vorliegenden Untersuchungen hauptsächlich auf das berufliche Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrern und weniger auf ihre subjektiven Theorien zum Fremdsprachenlehren und -lernen fokussieren (vgl. die Spekulationen von Matz 1989 zur Verbindung von Zweitsprachenerwerbshypothesen und daraus resultierenden Lehrerauffassungen). Claudia Finkbeiner (Kassel) stellt subjektive Lehrerdaten und -hypothesen zum Verhältnis von fremdsprachlicher Lesekompetenz und der (möglichen) Verwendung von Lernstrategien durch die Schüler vor. Obgleich Heribert Rück (Landau) von Anfang an deutlich macht, daß es in seinem Beitrag nicht um subjektive Theorien, sondern um Prä-Kognitionen geht, sind seine Ausführungen von großem Interesse: Seine Fremdsprachenlern-Biographie und die Selbstbeobachtungen beim autodidaktischen Erlernen des Russischen geben Anlaß, einige als weitgehend gesichert geltende Hypothesen hinsichtlich der Dichotomie 'intuitives vs. bewußtes Lernen' zu überdenken. Das „biographisch begründete Wissenskonstrukt" von Rück unterstreicht darüber hinaus die Bedeutung subjektiver Annahmen und Überzeugungen für das Fremdsprachenlernen ein Grund mehr für Lehrer, sich mit den subjektiven Theorien ihrer Lernenden auseinanderzusetzen. [Zitierte Literatur] ALTRICHTER, Herbert/ POSCH, Peter (1990): Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Heilbronn: Klinkhardt. ARBEITSGRUPPE FREMDSPRACHENERWERB BIELEFELD (1995a): "Fremdsprachenerwerbsspezifische Forschung. Aber wie? 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Accordingly, the concept 'Subjective Theory' can function as a frame capable of integrating classic theories from within the psychology of cognition, such as research on metacognition and theories of attribution especially regarding their relevance for processes of leaming and teaching. Within the RPST, individual reflections (here: of both teachers and students on language(s), learning, and teaching) are collected in two steps of so-called communicative validation: a first step consists of collecting the content of the individual cognitions; in a second step, the structure of the individual subjective theory is reconstructed under recourse to the dialogue-consensus criterion of truth. This communicative validation of what students and teachers think in the course of and about FLT needs to be supplemented by explanative validation, i.e. an observation from a third person perspective (under recourse to the falsificationist criterion of truth): it is to be tested whether and to what extent the individual reflections are adequate to reality, i.e. do in fact constitute the basis for the subjective theorists' actions. 1. Das willkürliche, bewußte Lernen als Zentrum des Fremdsprachenunterrichts Es ist ein gut bewährtes Ergebnis der sprachpsychologischen Bilingualismus- Forschung, daß bis zum Alter von 6 Lebensjahren die Kompetenz in einer zweiten Sprache genauso unwillkürlich, "natürlich" erworben wird wie die Muttersprache (vgl. Taylor 1990: 331 ff). Dagegen muß mindestens ab dem 14. Lebensjahr eine zweite Sprache ganz explizit, und das heißt mit willentlicher Anstrengung, bewußt gelernt werden (a.a.O.: 338 ff); in diesem Fall handelt es sich dann bei der zweiten Sprache auch eindeutig um eine Fremdsprache (und zwar auch im Gefühl der Lernenden). Im Lebensalter zwischen dem 7. und dem 14. Jahr kommen eventuell Mischformen vor, der Fremdsprachenunterricht ist aber zumeist und notwendigerweise auf das willkürliche, bewußte Lernen ausgerichtet (a.a.O.). Lerntheoretisch kann man daher den Fremdsprachenunterricht als einen prototypischen Fall für reflexives, bewußtes Lernen ansehen (vgl. zur grundsätzlichen Relation von Refle- FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 13 xivität und Lernen Christmann/ Groeben 1996). Das impliziert nicht, daß jeder einzelne Lernschritt reflexiv ablaufen muß, vielmehr kann und wird es notwendigerweise auch eine nicht zu unterschätzende Menge von Automatisierungsprozessen geben, um die Sprachbeherrschung zu optimieren. Aber die Relevanz von Reflexionen (über Sprache/ n, Lernen und Lehren) im Femdsprachenunterricht ist nicht zu unterschätzen, weswegen das Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) bei Anwendung auf den Fremdsprachenunterricht u.U. einen wertvollen Beitrag zu dessen theoretischer Modellierung und praktischer Verbesserung leisten kann (vgl. Grotjahn 1991). Denn das FST stellt die menschliche Reflexivität in den Mittelpunkt seines Menschenbildes. Dabei wird diese Reflexivität als zentrales Merkmal des bewußten, geplanten, willkürlichen Handelns angesetzt im Gegensatz zum unwillkürlichen, a-reflexiven, von der Umwelt kontrollierten Verhalten (so schon Groeben/ Scheele 1977). Die Handlungsfähigkeit des Menschen steht also beim FST im Mittelpunkt des Subjektmodells, wobei mit dieser Handlungsfähigkeit natürlich auch die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit verbunden ist (vgl. Groeben [et al.] 1988: 210 ff). Das hat weitreichende Konsequenzen für die in diesem Forschungsprogramm angesetzte empirische Methodologie, weil es aufgrund der Sprach-, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit des menschlichen Subjekts sinnvoll, ja geradezu zwingend erscheint, den Menschen nicht nur von außen zu beobachten, sondern auch die Innensicht des reflexiven Subjekts mit einzubeziehen, indem rµan es z.B. einfach nach dem Sinn, den es mit seinen Handlungen verbindet, fragt (vgl. u. Punkt 3.). Damit gibt es nicht mehr die prinzipiellen Unterschiede im Menschenbild zwischen Forschenden (Erkenntnissubjekten) und Erforschten (Erkenntnisobjekten), die vor allem für mechanistische und organismuszentrierte Subjektmodelle symptomatisch sind (vgl. Erb 1997; Groeben/ Erb 1997). Denn das Selbstbild der Forschenden ist traditionell eben gerade das des handlungs-, sprach- und kommunikations-, ja rationalitätsfähigen Subjekts, obwohl zugleich in den mechanistischen und organismuszentrierten Theoriemodellen dem Erkenntnisobjekt diese Merkmale abgesprochen werden: indem sie vernachlässigt werden, von ihnen abgesehen wird (vgl. Herrmann 1979). Die Asymmetrie zwischen den Menschenbildern des Erkenntnissubjekts und -objekts führt zu der pragmatischen Widersprüchlichkeit, daß mit den resultierenden Theorien die Erkenntnistätigkeit des Menschen selbst nicht bzw. nicht zureichend erklärbar ist (Groeben/ Scheele 1977: 15). Nicht zuletzt unter ethischen Gesichtspunkten läßt sich im Gegensatz dazu die Forderung aufstellen und rechtfertigen, daß so lange wie eben möglich - und das heißt so lange, wie es empirisch begründbar ist von den gleichen Menschenbildannahmen bei Erkenntnisobjekt und -subjekt ausgegangen werden sollte (vgl. im einzelnen Groeben 1979, 1991). Diese strukturelle Parallelität der Menschenbildannahmen zwischen wissenschaftlich forschendem Subjekt und erforschtem 'Objekt' ist historisch zum ersten Mal ganz programmatisch von Kelly in seiner "Theorie der persönlichen Konstrukte" (1955) postuliert worden, und zwar kompri- FLuL 27 (1998) 14 Brigitte Scheele, Norbert Groeben miert in dem Schlagwort vom „man the scientist" (heute würde man vielleicht eher sagen: "person the scientist"). Das heißt, das Menschenbild des Erkenntnisobjekts wird modelliert nach dem Selbstbild des Erkenntnissubjekts, das in bezug auf die Sprach-, Kommunikations-, Reflexions- und Rationalitätsfähigkeit nicht zuletzt durch wissenschaftstheoretische Analysen außerordentlich differenziert ausgearbeitet worden ist (vgl. Groeben/ Westmeyer 1981; Groeben 1986). Im Mittelpunkt dieser wissenschaftstheoretischen Elaborationen steht das Theoriekonzept mit all seinen Ausdifferenzierungen von der Begriffsbildung über die Hypothesengenerierung bis zur empirischen Testung (vgl. u. Punkt 2.). Das FST stellt dementsprechend diese Fähigkeit des Theoretisierens auch in den Mittelpunkt der Menschenbildmodellierung des Erkenntnisobjekts. Dabei ist zugleich dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die intersubjektive Generierung und Überprüfung von Theorien in der Wissenschaft natürlich in einer Systematik erfolgt und erfolgen soll, die von den parallelen Prozessen im Alltagsleben - und das heißt beim Alltagshandeln unter Zeit- und Situationsdruck nicht verlangt werden kann (vgl. Groeben [et al.] 1988: 221 ff). Deswegen haben wir in Abgrenzung zu den 'objektiven' (d.h. intersubjektiven) wissenschaftlichen Theorien die im FST gemeinten Alltagstheorien 'subjektive' genannt (als Oberbegriff für Bezeichnungen wie 'implizite', 'intuitive', 'naive' etc. Theorien). Dabei wird eine Strukturparallelität zwischen Subjektiven und 'objektiven' Theorien angesetzt, insbesondere in bezug auf die Funktionen dieser Theorien für das Denken und Handeln der Menschen, wobei allerdings die Anforderungen an die Systematik der Explikation und Überprüfung dieser Theorien nicht (völlig) identisch sind (vgl. im einzelnen u. Punkt 4.). Dadurch wird auch deutlich, daß das Menschenbild des reflexiven Subjekts nicht unterstellt, dieses Subjekt sei oder handle immer und überall rational; die Rede von der Rationalitätsfähigkeit bedeutet lediglich, daß die grundsätzliche Kompetenz zum rationalen Denken und Handeln als Gegenstandsmerkmal angesetzt wird; ob sich diese Kompetenz in konkreten Situationen aber in der Tat auch realisiert/ manifestiert, wird innerhalb des FST (durch eine zweiphasige Forschungsstruktur: s.u. Punkt 4.) empirisch geprüft. Übertragen auf den Fremdsprachenunterricht folgt aus diesem Menschenbild, daß die Reflexionen der Lernenden und Lehrenden zur Erklärung und Verbesserung des Fremdsprachenlernens (mit) zu berücksichtigen sind. Dabei lassen sich vor allem drei Gegenstandsbereiche dieser subjektiv-theoretischen Reflexionen unterscheiden: einmal Reflexionen über die Sprache/ n, dann über das Lernen und nicht zuletzt auch über das Lehren bzw. den Unterricht (so schon Grotjahn 1991). Und diese subjektiv-theoretischen Reflexionen liegen grundsätzlich wenn auch sicher in unterschiedlichem Differenzierungsgrad sowohl bei Lernenden wie Lehrenden vor. Da Reflexivität immer wieder auch auf sich selbst angewendet werden kann (also rekursiv ist), sind komplexe Einschließungsverhältnisse der subjektiv-theoretischen Reflexionen über die verschiedenen Gegenstandsbereiche möglich. So werden die Subjektiven Theorien über das Lernen sowohl auf seiten der Lernenden wie der Lehrenden die· Reflexionen über den Gegenstandsbereich der (jeweiligen) FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 15 Sprache sicherlich als Ausgangspunkt mit einschließen. In bezug auf die Relation der Reflexionen zu Lernen und Lehren dürften die Verhältnisse allerdings komplizierter sein, und zwar vor allem, wenn man die beteiligten Personengruppen mitberücksichtigt: Es ist kaum anzunehmen, daß z.B. alle Lernenden neben den eigenen Reflexionen über ihr Lernen und das Lehren der Unterrichtspersonen auch die Subjektiven Theorien der Lehrenden zum Lernen und Unterrichten mitreflektieren. Im Gegensatz dazu dürfte es aber zumindest vom prinzipiellen Anspruch her so sein, daß die Reflexionen der Lehrenden auch das mitberücksichtigen sollten, was die Lernenden über ihr Lernen und den Unterricht denken. Insofern impliziert die Thematisierung der Subjektiven Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen indirekt auch immer die Berücksichtigung der Subjektiven Theorien der Lernenden zur Sprache, zum Lernen und zum Unterricht. Deshalb wird im folgenden sowohl von den Subjektiven Theorien auf seiten der Lernenden als auch der Lehrenden die Rede sein, und zwar auch hier unter der Annahme der Strukturparallelität zunächst einmal in bezug auf die grundsätzlichen Prozesse, Produkte etc.; die Ausdifferenzierung aller möglichen Inklusionsverhältnisse kann in diesem Überblicksbeitrag nicht geleistet werden, sondern bleibt der zukünftigen (vor allem auch empirischen) Forschung überlassen. 2. Das Konzept der Subjektiven Theorie: ein Rahmenmodell für diverse kognitionspsychologische Forschungsprogramme Seit der sogenannten kognitiven Wende in der Psychologie (Anfang der 70er Jahre) ist der Kognitionsbegriff zunehmend inflationär verwendet worden (vgl. Graumann 1988), und zwar praktisch für alle nicht direkt von außen beobachtbaren, intern ablaufenden Prozesse und Strukturen. Letztendlich resultiert daraus eine unpraktikable Überziehung des Kognitionsbegriffs, der auf diese Weise von einfachen Begriffsbildungen bis hin zu höchst komplexen Denkstrukturen beim Problemlösen reicht (vgl. Wessells 1990). Das Konzept der Subjektiven Theorie kann hier zu einer Präzisierung beitragen, indem es bestimmte hochkomplexe Kognitionsstrukturen in den Mittelpunkt stellt und weiter spezifiziert. Zu dieser Spezifizierung gehört, daß es sich bei Subjektiven Theorien um Kognitionen der Selbst- und Weltsicht handeln soll, also Denkinhalte und -strukturen, die sich auf die eigene Person, auf andere Personen sowie auf alle übrigen belebten und unbelebten Objekte unserer Welt beziehen. Nun gibt es auch in der klassischen Kognitionspsychologie durchaus Konstrukte, die solche komplexeren Denkstrukturen bezeichnen wie etwa scripts, plans oder frames (vgl. Waldmann 1990). Das sind auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen kognitive Strukturen über Geschehensabläufe, Handlungsweisen, Gegenstandsrelationen etc., in denen sogenannte Leerstellen vorgegeben sind, die bei der Verarbeitung eines je spezifischen Weltausschnitts mit konkreten Beispielen ausgefüllt werden (z.B. beim Restaurant-Script die Leerstellen der Speisekarte, der Bedienung, der Speisenabfolge, etc.; vgl. Schank/ Abelson 1977). FLuL 27 (1998) 16 Brigitte Scheele, Norbert Groeben Auch bei diesen Konstrukten liegt also (z.T.) ein komplexes Aggregat von (Einzel-)Kognitionen vor, bezüglich dessen allerdings das FST noch als weiteres Merkmal die Anforderung einer zumindest impliziten Argumentationsstruktur einführt, um ein solches komplexes Kognitionsaggregat 'Subjektive Theorie' nennen zu können. Dieses Merkmal der zumindest impliziten Argumentationsstruktur hängt mit der oben angesprochenen Parallelitätsannahme von wissenschaftlichem und Alltags-Theoretisieren zusammen, d.h. mit dem Postulat, daß die Subjektiven Theorien parallele Funktionen wie die wissenschaftlichen erfüllen: nämlich die der Erklärung, Prognose und Technologie. Dabei wird unter 'Technologie' im wissenschaftstheoretischen Zusammenhang die Ableitung von Handlungsanweisungen zur Beeinflussung (das heißt Veränderung, z.T. aber auch Konstanthaltung) der Umwelt verstanden (vgl. Breuer 1991: 147 ff; Groeben/ Westmeyer 1981: 157 ff). Unter 'Erklärung' wird in der Regel eine Antwort auf Warum-Fragen (in erster Linie in bezug auf konkrete Sachverhalte, u.U. aber auch auf Gesetzmäßigkeiten etc.) verstanden, unter 'Prognose' die Vorhersage von Ereignissen unter Rückgriff auf theoretische Annahmen (a.a.O.). Letzlich stellen diese Funktionen des wissenschaftlichen Theoretisierens nur eine präzisierte Ausarbeitung derjenigen Funktionen dar, die das menschliche Denken und Reflektieren auch im Alltag und für das Alltagsleben erfüllt. Daher ist es unverzichtbar, für das Konzept der Subjektiven Theorie entsprechend parallele (Erkenntnis-)Funktionen wie für wissenschaftliche Theorien anzusetzen, und dies wiederum erfordert die konstitutive Annahme einer (zumindest impliziten) Argumentationsstruktur, weil diese Funktionen nur auf der Grundlage einer argumentativen Relation von Kognitionen (bzw. Sätzen) erreichbar sind. Damit liegt der unverzichtbare Minimalsatz der definierenden Merkmale für das Konzept der Subjektiven Theorie vor. Diese unverzichtbaren Merkmale stellen die weite Definition des Konstrukts 'Subjektive Theorie' dar, weil unter ein Konzept um so mehr Phänomene fallen, je weniger definierende Merkmale es aufweist (zu der Ergänzung um zwei weitere Merkmale und damit zur engeren Definition des Konzepts 'Subjektive Theorie' vgl. u. Punkt 3.). Diese weite Variante des Konstrukts 'Subjektive Theorie' ist daher innerhalb des FST definiert worden als: - Kognitionen der Selbst- und Weitsicht, als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur, das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose, Technologie erfüllt" (Groeben 1988a: 19). Dieses weite Konzept von Subjektiver Theorie ist nun als Rahmenmodell für verschiedene kognitionspsychologische Forschungsprogramme einsetzbar, die z.T. von einzelnen der oben angeführten Funktionen ausgegangen sind und deshalb auch (Selbst-)Benennungen ohne Rückgriff auf das Konstrukt des (subjektiven) Theoretisierens gewählt haben, die aber durch einen solchen Rückgriff elegant und konstruktiv integriert werden können. Dazu gehört zunächst einmal die bereits erwähnte Theorie der persönlichen Konstrukte (Kelly 1955), in der die Strukturparal- FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 17 lelität der Erkenntnisfunktionen von Wissenschaft und Alltagsdenken zum ersten Mal programmatisch behauptet und ausgearbeitet worden ist (s.o.). Kelly geht dabei dezidiert von der Prognosefunktion aus, indem sein grundlegendes Postulat lautete: „Die Prozesse eines Menschen werden psychologisch durch die Mittel und Wege kanalisiert, mit deren Hilfe er Ereignisse antizipiert" (1986: 59; vgl. auch Bannister/ Fransella 1981: 9). Dieses Grundpostulat ist von Kelly durch 11 zugehörige Korrolarien ausdifferenziert worden, wobei sein theoretischerAnsatz allerdings von Anfang an im Dienst einer klinisch-psychologischen Anwendung stand. Insofern bietet die Theorie der persönlichen Konstrukte kaum direkte Ansatzpunkte für eine Anwendung im Bereich des Fremdsprachenunterrichts. Diese Ansatzpunkte sind nun aber in zwei neueren kognitionspsychologischen Theorieansätzen, nämlich der Metakognitionsforschung und der Attributionstheorie, auf jeden Fall enthalten, insofern als sich diese Theorien ganz prinzipiell für lernpsychologische Probleme nutzbar machen lassen (vgl. Christmann/ Groeben 1996), was sich wiederum spezifizierend auf den Fremdsprachenunterricht übertragen läßt. Die Metakognitionsforschung hat sich aus dem Ansatz des sogenannten Metagedächtnisses (Flavel/ Wellman 1977) entwickelt, in dem schon die wichtigsten Gegenstandsperspektiven expliziert waren, die auch für den Fremdsprachenunterricht als relevant angesetzt werden dürften. Dabei handelt es sich um verschiedene Inhaltsbereiche des Reflektierens über das eigene Denken (Metakognition: Kognition über Kognition bzw. Wissen über Wissen etc.). Bereits Flavel/ Wellman führen zunächst die Sensitivität als Wissen über die Notwendigkeit ein, in bestimmten (Lern-)Situationen in einer bestimmten Art und Weise zu agieren (z.B. durch spezifische Lern- oder Behaltensstrategien etc.). Diese Sensitivität bezieht sich dann auf verschiedene Variablen des sogenannten deklarativen Wissens (d.h. des Wissens über die Welt als Wissen-daß: vgl. Herrmann/ Grabowski 1994: 292); also Wissen zur Personvariable (z.B. hinsichtlich der eigenen Gedächtniskompetenzen, der bisherigen Lernerfolge und -probleme etc.), zur Aufgabenvariable (hinsichtlich der Aufgabenschwierigkeit, -komplexität etc.) und zur Strategienvariable (von kognitiven bis metakognitiven Lern- und Behaltensstrategien) sowie zur Interaktion dieser Variablen (Metcalfe/ Schimamura 1994; vgl. auch Grotjahn 1997). Diese deklarativen Aspekte der Metakognition sind von Brown (1978) ergänzt worden um die prozeduralen und damit exekutiven Perspektiven des Metawissens, die sich vor allem auf die Vorhersage, das Planen, das Beobachten, Überprüfen und Bewerten von Lernprozessen beziehen. Dieser Theorieansatz hat seit Ende der 70er Jahre zu einer Fülle von empirischen Untersuchungen geführt, in denen vor allem der Einfluß von Metakognitionen auf das Lernen und Behalten von Kindern nachgewiesen werden konnte (vgl. Schneider 1985; 1989). Dabei scheint es so zu sein, daß die exekutiven Aspekte der Metakognition in der Regel einen höheren Einfluß auf das Lernen und Behalten aufweisen als das rein deklarative Metawissen (Christmann/ Groeben 1996: 54 f). Das dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die exekutiven Aspekte sozusagen näher an der 'Handlungsleitung' der Metakognitionen liegen als das rein deklarative Wissen über FLuL 27 (1998) 18 Brigitte Scheele, Norbert Groeben Personen-, Aufgaben- und Strategievariablen, das u.U. differenziert ausgeprägt sein kann, aber für die eigenen Lernprozesse nichts nutzt, wenn es nicht in Handeln umgesetzt wird (wir werden darauf später unter dem Aspekt der Handlungsleitung zurückkommen: Punkt 4.). Auf jeden Fall lassen sich aus der Metakognitionsforschung wichtige inhaltliche Kategorien ableiten, die bei der Analyse von (subjektivtheoretischen) Reflexionen auf seiten der Lernenden wie der Lehrenden (bei letzteren vermutlich insbesondere in der metareflexiven Perspektive der Lehrenden über die Kognitionen der Lernenden) berücksichtigt werden sollten (auch und gerade als Ausdifferenzierung des Konzepts 'Language Awareness'; vgl. Knapp-Potthoff 1997). Die Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Lernergebnisse (in Interaktion mit der Aufgabenschwierigkeit, den Lernstrategien etc.) dürfte dabei zumeist auch die Perspektive der (subjektiven) Erklärung solcher Lernvoraussetzungen, -prozesse und -ergebnisse mitenthalten, jene Perspektive also, die im Mittelpunkt der Attributionstheorie steht (vgl. Harvey [et al.] 1981; Heider 1958; Jones [et al.] 1971; Kelley 1967; Weiner 1974). Es handelt sich dabei in erster Linie um die alltagspsychologische Rückführung eigener oder fremder Handlungsergebnisse auf die dafür möglichen Erklärungsursachen. Als relevante Dimensionen dieser Ursachenattribution sind in der mittlerweile jahrzehntelangen Forschung immer wieder die Pole 'internal vs. external', 'stabil vs. variabel' und 'spezifisch vs. generell' gesichert worden (vgl. Heckhausen 1989: 387 ff). Nicht zuletzt in der für das Lernen und Lehren relevanten Leistungsmotivationsforschung konnte dabei überzeugend nachgewiesen werden, daß diese (subjektiven) Ursachenattributionen bedeutsame Auswirkungen auf Erfolgserwartungen für zukünftige Problemlöseprozesse, Anstrengungsbereitschaft etc. besitzen (a.a.O.: 423 ff). So resultiert aus der Rückführung eines Leistungsmißerfolgs auf eine stabile, internale, generelle Ursache (wie Intelligenzmangel) z.B. eine geringe Leistungserwartung und Anstrengungsbereitschaft für zukünftige Problemlösungsaufgaben, aus einer internalen, variablen, spezifischen Attribution (wie etwa mangelnde Anstrengung in der konkreten Problemlösesituation) durchaus eine erhöhte Anstrengungsbereitschaft für zukünftige Problemstellungen (a.a.O.); komplementäre Abhängigkeiten sind entsprechend für den Erfolgsfall anzusetzen (a.a.O.). Derartige Attributionsprozesse dürften auf jeden Fall auch für das Lernen wie Lehren im Fremdsprachenunterricht (mit-)entscheidend sein. Allerdings sollten dabei die Interaktionen mit z.B. dem (deklarativen wie prozeduralen) metakognitiven Wissen über Lernstrategien etc. nicht vernachlässigt werden; das heißt, es muß für eine differenzierte Berücksichtigung der reflexiven Kognitionskomponenten innerhalb der Lern- und Lehrprozesse die Verbindung von metakognitiver und attributionstheoretischer Perspektive geleistet werden. Diese Verbindung herzustellen, erlaubt nun aber gerade das übergreifende Konstrukt der Subjektiven Theorie und damit das FST (vgl. Christrnann/ Groeben 1996: 57 ff). Allerdings erfordert eine solche umfassendere Rekonstruktion der komplexen, reflexiven Kognitionen von Lernenden und Lehrenden sicherlich, daß mehr als nur die genannten drei zentralen FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 19 attributionstheoretischen Dimensionen berücksichtigt werden .. Aus der Perspektive des FST besteht daher die wichtigste inhaltliche und methodologische Beschränkung z.B. der Attributionstheorie darin, daß sie in aller Regel bei der Erhebung solcher subjektiven Attributionen die genannten drei Dimensionen (z.B. mit Hilfe von Fragebögen) vorgibt und nur die jeweiligen Ausprägungen auf den Dimensionen abfragt. Es ist dies ein Vorgehen, in dem (in der Terminologie von Gigerenzer 1981) sowohl die Bedeutungsträger (welche Ursachen kommen in Frage? ) als auch die Bedeutungskomponenten (welche Ausprägungen dieser Ursachen sind wählbar? ) vom Erkenntnissubjekt vorgegeben werden. Und attributionstheoretische Untersuchungen, die nicht mit solchen Vorgaben (per Fragebogen) operieren, sondern zunächst einmal deskriptiver z.B. per Interview die relevanten Kognitionen der Untersuchungsteilnehmer/ innen erheben, kommen denn auch zu einer deutlich größeren Anzahl relevanter Attributionsdimensionen (vgl. Hofer 1986: 206 ff). Besonders wenn sehr individuelle Sichtweisen vorliegen, ist für deren differenzierte Erhebung und Rekonstruktion daher sicherlich ein Vorgehen sinnvoller, das dem 'Erkenntnisobjekt' die Auswahl der Bedeutungsträger und -komponenten selbst überläßt. Dies leistet die kommunikative Validierung innerhalb des FST (vgl. nächster Punkt). Außerdem muß für diese u.U. höchst individuellen komplexen Kognitionssysteme ,selbstverständlich auch die Wirksamkeit für die eigenen und/ oder fremden Handlungen systematisch empirisch überprüft werden (vgl. Punkt 4.). 3. Kommunikative Validierung als (explizierende) Rekonstruktion von Subjektiven Theorien Wenn man die Menschenbildannahme der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, der Reflexivität und potentiellen Rationalität konsequent ernst nimmt, ist also mit hochkomplexen und sehr individuellen Kognitionssystemen als Sinndimensionen des Handelns (vgl. Groeben 1986: 145 ff) zu rechnen. Wegen der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen sind diese potentiell hochkomplexen Sinndimensionen trotz ihrer Individualität allerdings eben durchaus (vom Erkenntnisobjekt) mitteilbar und (vom Erkenntnissubjekt) verstehbar. Ein solcher kommunikativer Verständigungsprozeß zwischen Erkenntnissubjekt und -objekt über die Subjektiven Theorien des Erkenntnisöbjekts bedeutet allerdings immer eine explizierende Rekonstruktion, deren Gelingen wegen der Komplexität der individuellen Bedeutungs- und Sinndimensionen nicht von vornherein gesichert ist. Vielmehr bedarf es besonderer Bemühungen um die Aktualisierung und Rekonstruktion der subjektiv-theoretischen Reflexionen, wobei über das Gelingen dieser Bemühungen, das heißt über die Frage, ob das Erkenntnissubjekt auch wirklich das vom Erkenntnisobjekt Gemeinte adäquat verstanden hat, nur die Zustimmung des Erkenntnisobjekts entscheiden kann. Beides, das Bemühen um möglichst konstruktive Bedingungen für die Aktualisierung und Rekonstruktion der Selbst- und Weltsichtkognitionen als auch die Zustimmung des Erkenntnisobjekts zu dem vom -subjekt FLuL 27 (1998) 20 Brigitte Scheele, Norbert Groeben Verstandenen, ist enthalten in dem Konzept des Dialog-Konsenses (vgl. Habermas 1973; 1981). Mit diesem Dialog-Konsens wird also die sogenannte Rekonstruktionsadäquanz der Subjektiven Theorien gesichert, d.h. die Anforderung, daß das im Erkenntnisprozeß als jeweilige Subjektive Theorie des Erkenntnisobjekts beschriebene Kognitionssystem auch in der Tat dem vom Untersuchungsgegenüber Gedachten/ Gemeinten entspricht (Scheele/ Groeben 1984; 1988). Davon abzugrenzen ist die Realitätsadäquanz der Subjektiven Theorie, d.h. die Frage, inwiefern dieses (adäquat rekonstruierte) Kognitionssystem auch in der Tat empirisch valide, das heißt z.B. als 'objektive' Erkenntnis akzeptierbar ist (vgl. auch Sehlee 1988; Wahl 1988). Damit sind zwei weitere Merkmale spezifiziert, die man der eingangs angeführten weiten Definition von Subjektiver Theorie hinzufügen kann, woraus der engere (prototypische) Kern des Konzepts 'Subjektive Theorie' resultiert: - Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, die im Dialog-Konsens aktualisier- und rekonstruierbar sind als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur, das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose, Technologie erfüllt, deren Akzeptierbarkeit als 'objektive' Erkenntnis zu prüfen ist" (Groeben 1988a: 22). In diesem Abschnitt befassen wir uns zunächst vorrangig mit der (methodologischen) Struktur dieses Dialog-Konsenses, durch den die je individuellen Subjektiven Theorien aktualisier- und rekonstruierbar sein sollen. Die Rede von der Aktualisierbarkeit unterstellt dabei, daß solche individuellen hochkomplexen Kognitionsinhalte und -strukturen nicht unbedingt vollständig unmittelbar verfügbar sind. Deshalb geht es im Prozeß des Dialog-Konsenses auch darum, eventuell implizite Wissensinhalte soweit wie möglich zu explizieren, um zu einer möglichst vollständigen Beschreibung der je individuellen Bedeutungs- und Sinndimensionen zu kommen (Scheele 1988: 131 ff). Das unterstellt natürlich, daß die jeweiligen impliziten Wissensinhalte nur aktuell nicht verfügbar sind, d.h. strukturell durchaus zugänglich sind. Diese Unterscheidung zwischen aktueller und struktureller Implizitheit ist schon deshalb wichtig, weil in der neueren Lern- und Gedächtnisforschung Implizitheit zumeist mit struktureller Unzugänglichkeit gleichgesetzt wird. Wenn z.B. Schacter für das implizite Gedächtnis die beiden Varianten ansetzt, daß das Lernen und Behalten entweder unbewußt "unconscious Inemory") oder unbemerkt "unaware memory") sind (1987: 501 f), dann soll damit zwar offenbleiben, ob die implizite Information explizit zugänglich ist oder nicht (a.a.O.: 510), die empirischen Überprüfungsprozeduren versuchen aber zumeist, einen Einfluß des impliziten Wissens in solchen Situationen nachzuweisen, in denen eine Zugänglichkeit dieses Wissens gerade nicht besteht (a.a.O.: 505 ff: Effekte unterschwelliger Reize, unbemerktes Lernen, sogenannte Priming-Effekte, implizites Erinnern bei Amnesie etc.; vgl. auch Richardson-Klavehn/ Bjork 1988; Hoffmann 1993; Engelkamp/ Wippich 1995). FLuL 27 (1998) · Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 21 Nicht zuletzt sind unter das implizite Wissen auch Phänomene des impliziten (Regel-)Lernens zu subsumieren (vgl. Perrig 1996). Gerade beim Spracherwerb gibt es sicherlich eine Fülle solcher impliziten Wissensteilmengen, d.h. Wissen, das man hat und benutzt, von dem man aber nicht weiß, daß man es hat. Ein prototypischer Fall dafür sind die Sprachregeln, die z.B. ein Kind beim Erlernen der Muttersprache benutzt, ohne sie aber explizit angeben zu können. Wenn etwa ein Dreijähriger nicht in die Badewanne steigt, weil das Wasser zu heiß ist, und dies mit denWorten begründet: "Das ist ja eisheiß! ", dann hat er ersichtlich aus der Steigerung von 'kalt' durch 'eiskalt' die (implizite) Regel abgeleitet, daß bei Temperaturen eine Form von Superlativ durch das Präfix 'eis' gebildet wird ohne daß er diese Regel allerdings explizit würde angeben können. Welche impliziten kognitiven Leistungen beim Erlernen von Sprachen gang und gäbe sind, wird wie in dem vorliegenden Beispiel zumeist erst deutlich, wenn es sich um eine inadäquate Regel(-anwendung) handelt. Die strukturelle Unzugänglichkeit solcher Wissensteilmengen wird in diesem Beispielfall vor allem daran deutlich, daß die entsprechenden Sprachregeln der Muttersprache z.B. zumeist erst im Schulunterricht explizit gelernt werden. Insofern wird man u.U. auch beim Fremdsprachenlernen im Gegenstandsbereich der Subjektiven Theorien über Sprache/ n von impliziten Kognitionen in diesem Sinne der strukturellen Unzugänglichkeit ausgehen müssen. Diese strukturelle Unzugänglichkeit läßt sich im Bereich der Sprachverwendung (mit Hemnann/ Grabowski 1994: 291 f) identifizieren als ein Auseinanderfallen von Wissen-wie (Fertigkeiten bzw. Können im Bereich der grammatischen Regeln) und Wissen-daß (deklaratives Wissen über Sachverhalte, hier eben die Grammatik einer Sprache). Anhand dieser Unterscheidung ist dann eine konzeptuelle und terminologische Präzisierung des impliziten im Sinne des strukturell unzugänglichen Wissens (über Sprache) möglich: nämlich durch die Feststellung, daß in einem solchen Fall die "deklarative Dekomposition" des Sprachkönnens (z.B. der grammatischen Fertigkeiten) nicht möglich ist (a.a.O.: 293). Strukturell implizites Wissen ist also in bezug auf Sprache/ n als „nicht-dekomponierbares Können" (a.a.O.) rekonstruierbar; dagegen würde dekomponierbares Können "Können, welches als Wissen vergegenwärtigt werden kann" [a.a.O.]) gegebenenfalls unter das nur aktuell implizite Wissen subsumiert werden (vgl. auch Grotjahn 1997: 43 ff). Der prototypische Gegenpol der nur aktuellen Implizitheit, die bei der explizierenden Rekonstruktion von Subjektiven Theorien im Mittelpunkt steht, tritt vor allem im Bereich der Subjektiven Lehr-Theorien (aufseiten der Lehrenden) auf. Und zwar handelt es sich dabei gegebenenfalls um subjektiv-theoretische Reflexionen des didaktischen Vorgehens, die einmal am Anfang der eigenen Lehrtätigkeit explizit und differenziert vorgelegen haben mögen, die aber durch die Automatisierung des täglichen didaktischen Handelns unter die Verfügbarkeitsschwelle des unmittelbar expliziten Wissens abgesunken sind (Scheele/ Groeben 1988b: 37 f; Wahl [et al.] 1983). Solche durch Automatisierung 'abgesunkene' Wissensteilmengen sind bei entsprechender Problematisierung, z.B. im Interview, durchaus wieder FLuL 27 (1998) 22 Brigitte Scheele, Norbert Groeben vollständig aktualisierbar. Und auf diese Aktualisierung von (aktuell) impliziten Wissensteilmengen beziehen sich vor allem die Explizierungshilfen, die im Rahmen der dialog-konsensualen Erhebung und Rekonstruktion Subjektiver Theorien von seiten des Erkenntnissubjekts gegeben werden sollen. Im Prinzip handelt es sich bei diesen Explizierungshilfen in erster Linie um eine Ausformulierung und Ausdifferenzierung des Konzepts der idealen Sprechsituation, wie es von Habermas (1981) entwickelt worden ist einer Sprechsituation, die von allen sachfremden Strukturen und Dynamiken befreit ist. Zur Annäherung an dieses nie vollständig erreichbare Ziel hat Scheele (1988: 144 ff) eine Hierarchie von diesbezüglichen sprechakttheroetischen Zielen und den für diese Ziele relevanten motivationalen und kognitiven Voraussetzungen ausdifferenziert (vgl. Abb. 1): Sprechakttheoretische Ziele VI. Einsichtsvolles Übernehmen von Argumenten V. Auseinandersetzen IV. Argumentatives Verständigen III. Gleichberechtigt-Sein II. Kommunizieren I. Aktualisieren Motivationale u. kognitive Voraussetzungen Sinn-Motivation Explikationsvertrauen (Selbst-)Erkenntnis-Motivation Argumentations-Fähigkeit Verbalisierungs-Motivation Verbalisierungs-Fähigkeit Explizierungs-Motivation Aktualisierbarkeit der Kognitionen Abb. 1: Ziel-Hierarchie zur Generierung von Technologien für die dialog-konsensuale Erhebung und Rekonstruktion Subjektiver Theorien (Scheele 1988: 144) Dabei stellen diese Ziele und zugeordneten Voraussetzungen selbstverständlich ihrerseits Oberkategorien für konkrete Hilfen dar, die auch als Quintessenz der einschlägigen qualitativen Forschungsmethodologie angesehen werden können (vgl. im einzelnen Scheele 1988: 146 ff). Auf höchstem Abstraktionsniveau dient diesem Ziel der möglichst optimalen Aktualisierung und Rekonstruktion der Kognitionsinhalte und -strukturen die Sequenzierung des Dialog-Konsens-Prozesses in zwei Teilschritte: nämlich zum einen die Erhebung der Kognitionsinhalte, zum anderen die Rekonstruktion der 'Subjektiven Theorie' -Struktur/ en (vgl. Scheele/ Groeben 1984; 1988; Groeben 1992). Für die Erhebung der Kognitionsinhalte sind im Prinzip alle in der qualitativen Sozialforschung einschlägigen Erhebungsverfahren (Flick [et al.] 1991) brauchbar; im FST ist allerdings besonders das halb-standardisierte Interview eingesetzt und konzeptuell weiterentwickelt worden (mit einer Kombination von hypothesen-ungerichteten, ...: gerichteten und sogenannten Stör-Fragen: vgl. Scheele/ Groeben 1988: 35 ff; Wahl 1976). Noch typischer für das FST aber sind die für den zweiten Teilschritt entwickelten Struktur-Lege-Verfahren, deren historisch erstes Beispiel die sogenannte Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) darstellt (Scheele/ Groeben 1984; 1988). Die SLT differenziert im Prinzip die wichtigsten in der Wissenschaft üblichen definitorischen und empirischen Relatio- FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 23 nen aus, die auf sogenannten Formal-Kärtchen bildlich symbolisiert werden, mit denen die inhaltlichen Konzeptkärtchen zu einer 'Subjektiven Theorie' -Struktur verbunden werden können (vgl. als Anwendungsbeispiel im Bereich des Fremdsprachenlernens: Kallenbach 1996). Zwischenzeitlich gibt es eine Fülle weiterer Lege- Varianten (vgl. den Überblick bei Dann 1992), wie etwa die Weingartener Appraisal Legetechnik (WAL), die Interview- und Legetechnik zur Rekonstruktion kognitiver Handlungsstrukturen (ILKHA), die Flußdiagramm-Darstellung zur Beschreibung von Handlungsabläufen, die Ziel-Mittel-Argumentation (ZMA) und nicht zuletzt das alltagssprachliche Struktur-Lege-Spiel (Scheele [et al.] 1992), das es nach dem Baukastenprinzip erlaubt, für die jeweilige Frage- und Problemstellung spezifische Relationen definitorischer, explanatorischer, prozessualer, deskriptiver und präskriptiver Art etc. auszuwählen und zu kombinieren. Die Abfolge der zwei Teilschritte zur (explizierenden) Rekonstruktion der Subjektiven Theorien sieht dann im Optimalfall so aus (vgl. Groeben 1992), daß im ersten Teilschritt die Kognitionsinhalte z.B. mittels des halbstandardisierten Interviews erhoben werden; auf der Grundlage des (möglichst transkribierten) Interviews extrahiert das Erkenntnissubjekt die wichtigsten Konzepte und schreibt diese auf sogenannte Konzeptkärtchen. Am Ende der ersten Sitzung hat das Untersuchungsgegenüber den jeweiligen Struktur-Lege-Leitfaden mit den relevanten Relationserläuterungen erhalten, den es bis zur zweiten Sitzung, der Dialog-Konsens-Sitzung, studieren soll, um damit auch selbst, eigenaktiv ein Strukturbild der (eigenen) Subjektiven Theorie legen zu können. Am Anfang dieser zweiten Sitzung erhält das Erkenntnisobjekt die extrahierten Konzeptkärtchen mit der Bitte um Zustimmung bzw. Modifikation, Ergänzung etc. Auf der Grundlage dieses in erster Linie vom Erkenntnisobjekt festgelegten Pools von Konzeptkärtchen wird dann sowohl vom Erkenntnissubjekt wie -objekt ein Strukturbild (der Subjektiven Theorie des Erkenntnisobjekts) gelegt. Den Schluß. bildet der Vergleich dieser beiden Strukturbilder, die in der Regel durchaus substantielle Unterschiede aufweisen, und die konsensuale Diskussion und Entscheidung, welche Konzept-Relations-Kombinationen das vom Erkenntnisobjekt Gemeinte am besten repräsentieren. Dieses abschließende (dritte) Strukturbild ist dann die Konsensversion der jeweiligen Subjektiven Theorie, die in weitere Auswertungsbzw. Aufarbeitungsschritte eingeht (vgl. als differenziertere Darstellung dieses Zwei-Schritt-Ablaufs z.B. Scheele/ Groeben 1988: 35 ff; Groeben 1992: 52 ff). Diese Optimalversion der kommunikativen Validierung von Subjektiven Theorien ist nicht in allen Fällen möglich oder nötig, weswegen es Komprimierungsvarianten gibt, bei denen einzelne Teilaspekte miteinander verschmolzen werden (so z.B. das Einüben des Umgangs mit den Relationen zugleich mit der Erstellung der endgültigen Konsensvariante des Strukturbildes; vgl. Groeben 1992). Andererseits gibt es auch situative und personale Bedingungen, die eventuell zur ausdifferenzierenden „Dehnung" einzelner Schritte oder Teilaspekte zwingen, wenn z.B. motivationale oder sprachliche Beschränkungen auf seiten der Untersuchungsteilnehmer/ -innen vorliegen, die eine ausführlichere Beispielgebung für Struktur-Rela- FLuL 27 (1998) 24 Brigitte Scheele, Norbert Groeben tionen erfordern oder einen eigenen Teilschritt der Konzeptextraktion bzw. -veränderung (a.a.O.; Burgert 1992). Hier gilt wie generell bei sogenannter qualitativer, vom idiographischen (Einzel-)Fall ausgehender Forschungsmethodik, daß die konkrete Realisierung der Teilschritte an die Gegebenheiten des Einzelfalls adaptiert werden kann und sollte (so z.B. auch bei Kallenbach 1996). Denn gerade dadurch wird eine möglichst gegenstandsadäquate Annäherung an die ideale Sprechsituation (s.o.) erreicht. Und diese Annäherung ist notwendig, um von einer (approximativen) Erfüllung des dialog-konsens-theoretischen Wahrheitskriteriums auszugehen. Das dialog-konsens-theoretische Wahrheitskriterium besteht, wie es in den beiden Teilschritten der kommunikativen Validierung zum Ausdruck kommt, in der Zustimmung (Konsens) des Erkenntnisobjekts zu der verstehenden Rekonstruktion des Erkenntnissubjekts, wobei sich diese Rekonstruktion auf Inhalt und Struktur des thematischen Kognitionssystems auf seiten des Erkenntnisobjekts bezieht. Der Dialog-Konsens ist, wie die Frankfurter Schule an der Rekonstruktion des psychoanalytischen Verstehensprozesses verdeutlicht hat (vgl. Habermas 1973; 1981), das konzeptuell zentrale (wenn nicht einzige) Wahrheitskriterium für die Beschreibung von komplexen internen kognitiven Inhalten und Strukturen des Gegenübers, die eben nicht von außen beobachtbar sind, sondern über die einzig und allein das Gegenüber (als Erkenntnisobjekt) Auskunft geben kann. Die Wahrheit dieser beschreibenden Auskunft hängt von der Wahrhaftigkeit der Auskunft gebenden Person ab, die wiederum durch die ideale Sprechsituation soweit wie möglich gewährleistet werden kann. Die Adäquatheit der wissenschaftlichen Beschreibung dieser Kognitionsinhalte und -Strukturen des Erkenntnisobjekts durch das verstehende Erkenntnissubjekt wird dann eben durch die Zustimmung des Erkenntnisobjekts zu dieser verstehend-rekonstruierenden Beschreibung des Erkenntnissubjekts gesichert (vgl. Scheele 1988: 135 ff). Da die ideale Sprechsituation eine "kontrafaktische Situation" (Groeben 1988c: 239 ff) darstellt, kann folglich auch das dialogkonsens-theoretische Wahrheitskriterium nie vollständig, sondern nur approximativ erreicht werden. Dies allerdings stellt keine suboptimale Beschränkung oder Begrenzung dieses Wahrheitskriteriums dar, weil sich die Wissenschaftstheorie heute darüber im klaren ist, daß auch alle beobachtungsorientierten empirischen Wahrheitskriterien (einschließlich des zentralen Falsifikationskriteriums) nur approximativ erreichbar sind (vgl. Groeben/ Westrneyer 1981: 31 ff). Insofern darf man wohl mit Fug und Recht festhalten, daß die kommunikative Validierung innerhalb des FST als systematische Ausarbeitung des dialog-konsens-theoretischen Wahrheitskriteriums die bislang differenzierteste und sicherste Vorgehensweise zur rekonstruktiven Erhebung komplexer individueller Kognitionssysteme darstellt. 4. Explanative Validierung zur Sicherung der Handlungsleitung Wie bei der Explikation der engeren Konzeptvariante von 'Subjektiver Theorie' bereits eingeführt, impliziert die Rekonstruktionsadäquanz allerdings nicht, daß die FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 25 entsprechenden Kognitionssysteme auch empirisch valide sind. Die potentielle Rationalität des reflexiven Subjekts Mensch bedeutet nicht, daß seine Reflexionen immer und überall auch realitätsadäquat sind. Das gilt bekanntlich bereits für wissenschaftliche, systematisch abgleitete Hypothesen und um so mehr auch für das weniger systematische subjektive Alltags-Theoretisieren. Man kann sich mit seinen Reflexionen über die Welt und sich selbst (s.o. 'Kognitionen der Selbst- und Weltsicht') irren. Insofern ist die Frage nach der Realitätsadäquanz (der Subjektiven Theorien) separat und über die Phase der kommunikativen Validierung hinaus zu stellen und zu beantworten; dies geschieht in der Phase der sogenannten explanativen Validierung. Damit wird im FST übergreifend (im Optimalfall) eine Zwei- Phasen-Struktur des Forschungsprozesses generell angesetzt: nämlich die kommunikative Validierung zur Feststellung der Rekonstruktionsadäquanz (der vom Erkenntnissubjekt verstandenen Subjektiven Theorien des Erkenntisobjekts) und die explanative Validierung zur Feststellung der Realitätsadäquanz dieser Subjektiven Theorien, d.h. zur Beantwortung der Frage, ob sie auch empirisch valide sind. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Phase der kommunikativen Validierung vor-, aber untergeordnet, die der explanativen Validierung nach-, aber übergeordnet ist (vgl. Abb. 2). 1 Explanative Validierung Realitäts-Adäquanz des explanativen Konstrukts Ursache und Wirkungen von Handlungen Kommunikative Validierung Rekonstruktions-Adäquanz des deskriptiven Konstrukts: Beobachtendes Erklären unter falsifikationstheoretischem Wahrheitskriterium Gründe, Intentionen, Ziele des Handelnden Verstehendes Beschreiben unter dialog-konsens-theoretischem Wahrheitskriterium vorgeordnet nachgeordnet Abb. 2: Integrationsmodell der methodologischen Forschungsstruktur zur Verbindung von Innen- und Außensicht, Sinnkonstituierung und Geltungsprüfung, kommunikativer und explanativer Validierung (Groeben 1986: 326) FLuL 27 (1998) 26 Brigitte Scheele, Norbert Groeben Inhaltlich beschreibt die kommunikative Validierung also die Gründe, Intentionen, Ziele von Handelnden, während die explanative Validierung überprüft, ob diese Gründe und Ziele auch als Ursachen und Wirkungen der entsprechenden Handlungen aus der Beobachtungsperspektive der dritten Person 'objektiv', d.h. intersubjektiv, akzeptierbar sind. Dabei muß die Phase der kommunikativen Validierung vorgeordnet sein, weil die Sinndimension von Handlungen, d.h. diejenige Bedeutung, die die handelnde Person mit ihrem Handeln verbindet, überhaupt erst festgestellt sein muß, um von Handlungen sprechen und sie erklären zu können; zugleich ist die explanative Validierung übergeordnet, weil eben nur aus der Beobachtungsperspektive der dritten Person die Frage der Ursachen und Wirkungen adäquat zu beantworten ist. Selbstverständlich gibt es auch in bezug auf diese Zwei-Phasen-Struktur des Forschungsprozesses, die von der Erforschung von Handlungseinheiten ausgeht, Komprimierungs- und Reduktionsformen, wenn z.B. reflexhafte Verhaltensreaktionen vorliegen, für die entweder gar keine kognitive Bedeutungskonstituierung oder aber eine für den Reflexablauf irrelevante existiert (vgl. im einzelnen zu Reduktionsformen Groeben 1986: 336 ff). Im Bereich des Fremdsprachenunterrichts ist die vollständige Zwei-Phasen- Struktur mit kommunikativer und explanativer Validierung nicht zuletzt deshalb angemessen, weil es sich wie eingangs betont beim Fremdsprachenlernen (im Unterricht) um den Prototyp eines willkürlichen, bewußten Lernens handelt; und für das Lehren sollte diese Qualität des bewußten, geplanten Handelns idealtypisch natürlich allemal gelten. Dabei ist neben der Realitätsadäquanz von Subjektiven Theorien über andere (z.B. von Lehrenden über Lernende wie von Lernenden über Lehrende) vor allem auch der spezielle Fall der Validität bzw. Veridikalität der Subjektiven Theorien über eigenes Handeln von Bedeutung, der innerhalb des FST mit dem Terminus technicus 'Handlungsleitung' der (selbstbezogenen) Subjektiven Theorien belegt ist (Wahl 1979). Und dieses Problem der Handlungsleitung ist sowohl auf seiten der Lernenden wie der Lehrenden von besonderer Relevanz. Für die Seite der Lernenden hat sich z.B. schon in der Metakognitionsforschung (s.o.) erwiesen, daß etwa die Kenntnis von Lernstrategien nicht automatisch bedeutet, daß diese Strategien auch im eigenen (Lern-)Handeln eingesetzt werden; vielmehr ist meistens empirisch eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Strategienwissen und der Strategienanwendung festzustellen (Baumert 1993; Krapp 1993). Und auch auf seiten der Lehrenden sind didaktische Kenntnisse gerade nicht automatisch mit entsprechenden Handlungskompetenzen und -realisierungen gleichzusetzen (vgl. Wahl [et al.] 1983; Mutzek 1988); in der Schließung dieser Wissens- und Könnens- Diskrepanz besteht schließlich ein Großteil der einschlägigen Referendariatsausbildung. Ein Einsatz des FST innerhalb des Fremdsprachenunterrichts sollte also auf jeden Fall auch die Realitätsadäquanz der erhobenen (kommunikativ validierten) Subjektiven Theorien über Lernen und Lehren mit thematisieren und überprüfen. Denn diese Überprüfung ist nicht nur für die Entscheidung relevant, ob und gegebenenfalls welche Innensicht-Gründe von Handelnden auch aus der Außensicht FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 27 als Ursache dieses Handelns akzeptierbar sind; vielmehr sind auch (partiell) inadäquate Subjektive Theorien für die Erklärung menschlicher Aktivitäten wichtig, z.T. sogar unverzichtbar. Im klassischen Beispiel, das in der analytischen Handlungstheorie erarbeitet und diskutiert worden ist, geht es um eine Person, die ein kupfernes Amulett trägt. Eine adäquate Erklärung dieses Sachverhalts ist nur möglich, wenn man auf die Überzeugung der entsprechenden Person zurückgreift, daß ein solches Amulett vor Krankheit schützt (Groeben 1986: 281 f). Groeben hat (1988b: 70 ff) solche (wissenschaftlichen) Erklärungen, die auf subjektive Reflexionen/ Erklärungen zurückgreifen, 'epistemologische Erklärungen' genannt. Hinsichtlich der Bewertung dieser subjektiven Reflexionen als realitätsadäquat oder -inadäquat (valide bzw. veridikal oder nicht-valide bzw. nicht-veridikal) kann man zwischen dem Motivsystem der subjektiven Erklärung, das sich auf die Gründe des Handelns bezieht, und dem Überzeugungssystem, das sich auf die Ziele bzw. Wirkungen bezieht, unterscheiden. Unter Rückgriff auf diese Unterscheidung ergeben sich unter der Perspektive der Realitätsadäquanz oder -inadäquanz von Motivbzw. Überzeugungssystem vier grundsätzliche Typen von epistemologischen Erklärungen, die Grotjahn (1991; nach Groeben 1988b: 78) in einer Abbildung zusammengefaßt hat (vgl. Abb. 3). Type Designation (1) Fully rational (2) Belief-irrational (3) Motive-irrational (4) Fully irrational v = veridical or valid Adequacy to Reality Motive System V V n-v n-v Belief System V n-v V n-v n-v = non-veridical or non-valid Abb. 3: Basic types of subjective theories used in epistemological explanations (nach Grotjahn 1991) Beim ersten Fall handelt es sich um die vollständig (d.h. motiv- und wissens-)rationale Subjektive Theorie, die als 'objektive' wissenschaftliche Erklärung übernommen werden kann (Groeben 1988b: 79 ff); im zweiten Fall liegt eine motivrationale (aber wissensirrationale) Subjektive Theorie vor, in der lediglich die erwarteten Wirkeffekte des Handelns in der Realität nicht eintreten (a.a.O.: 81 ff). Der dritte Fall der wissensrationalen, aber motivirrationalen Subjektiven Theorie fällt nach Groeben (1986: 163 ff) unter die Gegenstandskategorie des 'Tuns', weil die handelnde Person eben nicht weiß, was und warum sie etwas tut (vgl. auch Groeben 1988b: 83 ff); im (vierten) Fall einer motiv- und wissensirrationalen Subjektiven Theorie ist die Vernachlässigung dieser Subjektiven Theorie für die 'objektive' wissenschaftliche Erklärung gerechtfertigt (und damit u.U. eine verhaltenstheoreti- FLuL 27 (1998) 28 Brigitte Scheele, Norbert Groeben sehe Modellierung (Groeben 1988b: 85 ff). Auch in diesem Fall ist aber im praktischen Lernkontext das Wissen darum, welche realitätsinadäquaten Gedanken u.U. bei Lernenden oder Lehrenden interferieren, nicht unwichtig. Diese epistemologischen Erklärungsstrukturen sind daher gerade auch im Hinblick auf die zweiphasige Überprüfung der kommunikativen wie explanativen Validierung nicht unkomplex, zugleich aber von erheblicher Praxisrelevanz. Diese Praxisrelevanz zeigt sich auch in den methodologischen Varianten der Überprüfung der Realitätsadäquanz. Diesbezüglich sind im FST drei prototypische Zugangsweisen unterschieden worden: Korrelations-, Prognose- und Modifikationsstudien (vgl. Wahl 1988: 180 ff). Modifikationsstudien stellen dabei mit Sicherheit die höchsten methodologischen Anforderungen, insofern als hier die Handlungsleitung der jeweiligen Subjektiven Theorien dadurch geprüft wird, daß das Kognitionssystem verändert wird, um dann zu überprüfen, ob sich auch die beobachtbaren Aktivitäten des jeweiligen Individuums ändern. Eine solche potentielle Modifikation von Subjektiven Theorien dürfte letztlich auch eins der praktischen Ziele bei der Anwendung des FST im Fremdsprachenunterricht sein, indem suboptimale Kognitionsstrukturen auf seiten der Lernenden wie der Lehrenden im Sinne einer Verbesserung verändert werden. Dem liegt eine mit der Parallelität der Menschenbildannahmen (zwischen Erkenntnissubjekt und -objekt) begründete Austauschperspektive zwischen Subjektiven und 'objektiven' Theorien zugrunde (vgl. schon Groeben/ Scheele 1977: 176 ff): Das FST ist wie kein anderes Forschungsprogramm wegen der strukturellen und funktionalen Parallelitäten der Kognitionssysteme (von Wissenschaft und Alltags-Theoretisieren) dazu geeignet, eine Annäherung von wissenschaftlicher und Alltags-Rationalität zu erreichen. Dabei ist mit Nachdruck zu betonen, daß diese Annäherung in beide Richtungen gehen kann und soll, das heißt nicht nur von den Subjektiven zu den intersubjektiven Theorien, sondern auch umgekehrt (wo dies sinnvoll und nötig ist; vgl. Groeben [et al.] 1988: 121 ff, 292 ff, 306 ff). In der Regel wird es sich gerade auch bei der Optimierung des Fremdsprachenunterrichts sicherlich um eine Verbesserung der Subjektiven Theorien durch Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse handeln; das entspricht ja durchaus dem prinzipiellen Ziel des FST, die Alltags-Rationalität so weit wie möglich zu verbessern (und sie der wissenschaftlichen anzunähern, dort wo dies effektiv und sinnvoll ist). Wegen dieser anthropologisch-utopischen Wertungsperspektive wird im FST auch die Veränderung des Erkenntnis'gegenstands' nicht nur toleriert, sondern aktiv angestrebt. Das beginnt bei dem Explizitheits- und Präzisionsgewinn für die subjektiven Kognitionssysteme in der Phase der kommunikativen Validierung und endet bei dem Austausch von Subjektiven und 'objektiven' Theorien zur Verbesserung der Handlungsleitung dieser Kognitionssysteme (wobei auch Zwischenschritte wie der Austausch zwischen verschiedenen Subjektiven Theorien, sei es von Lernenden oder Lehrenden, durchaus konstruktiv sein können: vgl. z.B. Kallenbach 1996: 229 ff). Zugleich aber, wie gesagt, wird auch hier die wissenschaftliche Rationalität nicht um jeden Preis dem subjektiven Theoretisieren übergeordnet. Ein klassisches Bei- FLuL 27 (1998) Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ... 29 spiel dürfte das Problem der (subjektiven) Attribution von Lernerfolgen bzw. -mißerfolgen der Lernenden durch die Lehrenden sein: Hier hat die Attributionsforschung immer wieder nachgewiesen, daß die Lehrenden aus psychohygienischen Gründen den Lernerfolg der Schüler/ -innen mehr als dies realitätsadäquat ist auf sich selbst zurückführen, den Mißerfolg der Lernenden allerdings ebenfalls mehr als berechtigt auf deren Unvermögen oder mangelnde Anstrengung (Beckman 1970/ 73). Unter ethischer Perspektive würden wir hier eine Grenze für die 'Verbesserung' der Subjektiven Theorien ansetzen, weil die psychohygienische Funktion dieser 'Fehlattribution' für die Lehrenden und deren motivational-existentielle Situation u.U. entscheidend wichtig ist. Daran zeigt sich, daß das FST letztendlich auch mit einer Erweiterung der wissenschaftstheoretischen Kriterien über das in der szientifischen Forschung zentrale bzw. fast ausschließliche Zielkriterium des empirischen Erklärungswerts hinaus verbunden ist (vgl. Obliers 1992). Die nicht nur darin liegende Praxisrelevanz kann und wird so hoffen wir auf die Dauer auch dem Fremdsprachenunterricht zugute kommen. Bibliographische Angaben BANNISTER, Don/ FRANSELLA, Fay (1981): lnquiring Man. Harmondsworth: Penguin [Dt.: Der Mensch als Forscher. Münster: Aschendorff]. BAUMERT, Jürgen (1993): "Lernstrategien, motivationale Orientierung und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Kontext schulischen Lernens". In: Unterrichtswissenschaft 21.1, 327-354. BECKMAN, Linda (1970/ 73): "Effects of Students' Performance on Teachers' and Obervers' Attributions of Causality". In: Journal of Educational Psychology, 61 (1970), 76-82 [Dt. in: H0FER, Manfred/ WEINERT, Franz Emanuel (Hrsg.) 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In psychology and educational science since the end of the seventies, the Research Programme Subjective Theories has been established and a special methodology for the analysis of subjective theories has been developed. This methodology is based on both hermeneutics and empiricism, which are integrated into a coherent framework. In the present article it is argued that the concept of subjective theory and the corresponding methodology has a considerable potential for foreign language research. The use of the term "subjective theory" and the application of the methodology in the field of language teaching and learning is exarnined and critically assessed, and perspectives for further research are outlined. 1. Einleitung Lange Zeit erfolgte die wissenschaftliche Untersuchung des Lehrens und Lernens von Sprachen vor allem aus der Außensicht, d.h. aus der Perspektive eines externen Beobachters, der versucht, Realität „objektiv" zu erfassen. In jüngerer Zeit findet jedoch verstärkt auch die Innensicht (Binnensicht) von Lehrenden und Lernenden Berücksichtigung, d.h. die Perspektive des sich selbst introspektiv ergründenden Lehrers und Lerners. 1 Es wird u.a. argumentiert, daß erst die Erforschung der Innensicht der an Lehr- und Lernprozessen beteiligten Aktanten tiefergehende Einsichten in den Gegenstand „Lehren und Lernen von Sprachen" ermöglicht. 2 Zur Erforschung der Innensicht unterschiedlichster Aktanten ist in der deutschen Psychologie insbesondere von Norbert Groeben und Brigitte Scheele Ende der 70er Jahre das „Forschungsprogramm Subjektive Theorien" im folgenden als FST bezeichnet initiiert und danach kontinuierlich weiterentwickelt worden. Im Rahmen des FST ist „Subjektive Theorie" ein Oberbegriff zu Konzepten wie Alltagstheorie, Laien-Theorie und naive, implizite oder intuitive Theorie. Auch in Personenbezeichnungen wie Lehrer und Lerner sind stets im generischen Sinne zu verstehen. 2 Anstelle von Innensicht und Außensicht wird auch von ernischer und etischer Perspektive gesprochen (vgl. Headland/ Pike/ Harris 1990 sowie in bezug auf den Fremdsprachenunterricht Borg 1998). Die Bedeutung der Innensicht wird mittlerweile von Vertretern unterschiedlichster Disziplinen betont (vgl. Atmanspacher/ Dalenoort 1994). FLuL 27 (1998) 34 Rüdiger Grotjahn der deutschen Fremdsprachenforschung (unter Einschluß von Sprachlehrforschung und Fremdsprachendidaktik) gewinnt das Konstrukt „Subjektive Theorie" in jüngerer Zeit immer mehr an Bedeutung. Kennzeichnend ist in diesem Zusammenhang allerdings, daß der Begriff „Subjektive Theorie" das gleiche gilt in bezug auf die anderen genannten Begriffe in der Fremdsprachenforschung häufig in einer sehr vagen und allgemeinen Bedeutung sowie ohne eine hinreichende theoretische Verankerung verwendet wird. Im Rahmen des FST hat das Konstrukt „Subjektive Theorie" dagegen eine relativ präzise Bedeutung: Es wird als strukturell und funktional analog zum Begriff der objektiv-wissenschaftlichen Theorie expliziert. Zudem hat das Konstrukt eine mehrfache theoretische Verankerung. Sowohl die Explikation des Konzepts „Subjektive Theorie" im FST sowie auch dessen theoretische Einbettung ist jedoch von der Mehrzahl der Fremdsprachenforscher bisher entweder gar nicht oder nur unzureichend zur Kenntnis genommen worden. Weiterhin ist im Rahmen des FST eine spezifische Forschungsmethodologie zur Erhebung von Subjektiven Theorien entwickelt worden die sog. Dialog-Konsens- Methodik (vgl. Scheele 1992). Die entsprechenden forschungsmethodologischen Arbeiten sind jedoch in der Fremdsprachenforschung bisher erst in Ansätzen rezipiert. Aus den genannten Gründen scheint mir sowohl eine tiefergehende Beschäftigung mit den konzeptuellen Grundlagen des Konstrukts „Subjektive Theorie" als auch mit der Dialog-Konsens-Methodik dringend geboten. Man sollte sich m.E. aber auch aus allgemeineren Gründen mit dem FST beschäftigen. So vermag das FST zum einen in ganz spezifischer Weise zur Überwindung des unfruchtbaren Gegensatzes von sog. qualitativer und quantitativer Forschung beizutragen. Zum anderen haben Forschungsergebnisse auf der Basis des FST eine hohe potentielle Praxisrelevanz. Im folgenden werde ich zunächst einmal relativ ausführlich auf das FST, so wie es vor allem in der deutschen Psychologie etabliert ist, eingehen. Darauf aufbauend sollen die Rezeption des FST in der Fremdsprachenforschung einer kritischen Analyse unterzogen sowie Perspektiven für eine am FST orientierte fremdsprachenspezifische Forschungsmethodologie aufgezeigt werden. 2. Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien 2.1 Begriffsexplikation des Konstrukts „Subjektive Theorie" Dann (1994: 166 f) nennt unter Bezug auf diverse Vertreter des FST „in weitgehender, wenn auch nicht völliger Übereinstimmung zwischen verschiedenen Autoren" fünf zentrale Definitionsmerkmale Subjektiver Theorien. Leicht abgewandelt und erweitert lauten diese folgendermaßen (vgl. auch Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft sowie Kallenbach 1996: 34 f): FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 35 1. Subjektive Theorien sind relativ stabile kognitive Strukturen (mentale Repräsentationen). 3 2. Subjektive Theorien können sowohl aus bewußten, der Person zugänglichen Kognitionen als auch aus impliziten, nicht-bewußtseinsfähigen Kognitionen bestehen und sich sowohl auf die Welt als auch auf die eigene Person beziehen. 3. Subjektive Theorien weisen zu wissenschaftlichen Theorien analoge Struktureigenschaften auf - und zwar insbesondere eine zumindest implizite Argumentationsstruktur. Diese ermöglicht, z.B. über Wenn-dann-Beziehungen, logische Schlüsse zu ziehen und neues Wissen zu generieren. 4. In Analogie zu wissenschaftlichen Theorien erfüllen Subjektive Theorien folgende Funktionen: (a) Realitätskonstituierung in Form von Situationsdefinitionen; (b) Erklärung (und auch Rechtfertigung) von Sachverhalten; (c) Vorhersage von Sachverhalten; (d) Konstruktion von Handlungsentwürfen (Technologien) zur Ht; rbeiführung von Sachverhalten. 5. Subjektive Theorien beeinflussen im Zusammenspiel mit anderen Faktoren (z.B. Persönlichkeitsmerkmalen, Emotionen) beobachtbares Verhalten/ Handeln und haben damit eine verhaltensbzw. handlungsleitende Funktion. Das Merkmal (1) grenzt Subjektive Theorien von momentanen, auf einen aktuellen Sachverhalt bezogenen Kognitionen ab. Das Merkmal (3) ermöglicht eine Abgrenzung sowohl gegen Einzelkognitionen als auch gegen komplexere Wissensstrukturen, die nicht das Merkmal "(implizite) Argumentationsstruktur" aufweisen, wie z.B. Schemata, Skripts, Frames oder auch konzeptuelle Netzwerke. Analog zu wissenschaftlichen Theorien enthalten nach Groeben/ Wahl/ Schlee/ Scheele (1988: 54 ff) Subjektive Theorien u.a. Subjektive Konstrukte, Subjektive Daten und Subjektive Hypothesen bzw. Gesetzmäßigkeiten. Bei den Subjektiven Konstrukten als zentralem Bestandteil Subjektiver Hypothesen bzw. Subjektiver Gesetzmäßigkeiten handelt es sich um relativ abstrakte Begriffe, die über das unmittelbar Beobachtbare hinausgehen. So können z.B. die Begriffe „Lemerautonomie" und „kommunikative Kompetenz" zentrale Subjektive Konstrukte der fremdsprachenunterrichtlichen Vermittlungstheorie eines bestimmten Lehrers sein, wobei in diesem Fall die Subjektiven Konstrukte zwar sprachlichformal, in der Regel jedoch nur partiell auch inhaltlich mit den objektiven Konstrukten einer bestimmten fachwissenschaftlichen Theorie übereinstimmen. Subjektive Daten sind dagegen konkrete Belege für Subjektive Konstrukte und können sich auf Ereignisse und Zustände sowohl in der Außenwelt als auch in der Innenwelt des Subjektiven Theoretikers beziehen. Ein Subjektives Datum für das lehrerseitige Subjektive Konstrukt „Kommunikative Kompetenz" könnte z.B. folgende lehrerseitige Beobachtung sein: Der Lerner Fritz wählt bei der Formulierung von Aufforderungen einen der Zielsprache angemessenen Grad der Direktheit. Ver- 3 Hinsichtlich der Stabilität Subjektiver Theorien spielt natürlich insbesondere das Alter der Personen und z.T. hiermit verbunden der Umfang bestätigender Erfahrungen eine Rolle. So dürften unter der Voraussetzung, daß spätere Erfahrungen frühere Erfahrungen bestätigen die Subjektiven Sprachlerntheorien jüngerer Fremdsprachenlerner mit wenig Fremdsprachenlernerfahrung tendenziell instabiler sein als die entsprechenden Theorien älterer Fremdsprachenlerner mit umfangreicher Fremdsprachenlernerfahrung. FLuL 27 (1998) 36 Rüdiger Grotjahn bindet ein Lehrer dagegen mit dem Konstrukt „kommunikative Kompetenz" in erster Linie lexikalische und. grammatische Korrektheit, dann würde dieser Lehrer vermutlich eher lexikalische und grammatische Fehler in den Äußerungen von Fritz als Subjektive Daten für das Konstrukt „kommunikative Kompetenz" interpretieren. Unter Subjektiven Hypothesen bzw. Gesetzmäßigkeiten ist nach Groeben [et al.] (1988: 61) "die Kombination von Subjektiven Konstrukten (bzw. Daten) zu mehr oder minder generellen Sätzen zu verstehen, die an zentraler Stelle der (zumindest impliziten) Argumentationsstruktur Subjektiver Theorien stehen". Subjektive Hypothesen und Subjektive Gesetzmäßigkeiten sind in Analogie zu objektiv-wissenschaftlichen Hypothesen und Gesetzmäßigkeiten häufig in Form von Wenn-dann-Aussagen formuliert. Subjektive Gesetzmäßigkeiten müssen zudem einen Bezug zur Erfahrung des Subjektiven Theoretikers aufweisen. Eine weitere Analogie zu objektiven Theorien ergibt sich über die Formulierung von Bewertungskriterien für Subjektive Theorien. Groeben [et al.] (1988: 100 ff) nennen eine Reihe von Analoga zu den klassischen metatheoretischen Bewertungskriterien. So entspricht z.B. der im Kontext objektiv-wissenschaftlicher Theorien zentralen Forderung nach Validität im Kontext Subjektiver Theorien die abgeschwächte Forderung nach Veridikalität (vgl. 1988: 107 ff). Der aus der Attributionstheorie stammende Begriff der Veridikalität (Glaubwürdigkeit) bezieht sich u.a. auf die Realitätsadäquanz der vom Subjektiven Theoretiker vorgenommenen Operationalisierungen Subjektiver Konstrukte (deskriptive Veridikalität) sowie auf die Realitätsadäquanz z.B. von Subjektiven Hypothesen und Gesetzmäßigkeiten (explanative Veridikalität). 4 Eine weitere Präzisierung des Konstrukts „Subjektive Theorie" findet sich bei Alisch (1982; 1991). Nach Alisch läßt sich eine Subjektive Theorie folgendermaßen charakterisieren: (1) Es handelt sich um eine Struktur, die aus einer Basismenge von Konzepten besteht und aus auf die Basismenge anwendbaren Relationen und Operationen. (2) Bei den Elementen der Basismenge handelt es sich um Fuzzy- Konzepte, d.h. um vage (unscharfe) Begriffe, die mental in unterschiedlichen Modalitäten und auch mehrmodal repräsentiert sein können. (3) Neben Definitionen und verwandten psycholinguistischen Relationen, die auch z.B. für Schemata und semantische Netzwerke gelten, enthalten Subjektive Theorien typische, sie auszeichnende Beziehungen und Operationen. Dabei handelt es sich insbesondere um Kausalrelationen und Inferenzoperationen zum Aufbau von Argumentationsstrukturen. Eine mögliche Präzisierung des Verhältnisses von Subjektiven Theorien und situationsspezifischen Kognitionen findet sich bei Alisch (1996) im Kontext einer 4 Hiervon m.E. abweichend bezieht Alisch (1991: 450) Veridikalität auf subjektiv angenommene Grade der Glaubwürdigkeit (der Subjektive Theoretiker hält seine Subjektive Theorie oder auch einzelne Bestandteile der Theorie für mehr oder minder glaubwürdig). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 37 Auseinandersetzung mit dem Konstrukt „Mentales Modell". 5 Nach Alisch (1996: 94) verfügt der Mensch als kognitives System „einerseits über abstrakte Kategorien (Theorien), die den Organisationsprinzipien des gedächtnismäßig Gespeicherten entsprechen [sie! ] und andererseits über die Fähigkeit, via Hardware-Berechnungsvorgängen situative Mentale Modelle dieser Kategorien zu erzeugen, die modalitäts- und merkmalsspezifisch beliebig angereichert werden können. Diese Anreicherungen stellen meist keinen Gedächtnisbesitz dar; sie werden überwiegend auch nicht in einen solchen umgeformt und spiegeln nur das Vermögen des kognitiven Systems wider, höchst flüchtige und instabile Konkretisierungen für Gedächtniseinträge zu generieren." In Übereinstimmung mit der üblichen Definition im Rahmen des FST weist Alisch darauf hin, daß Subjektive Theorien „eher allgemeingültiges und kontextfreies, abstraktes Wissen" beinhalten. Mentale Modelle sind dagegen nach Alisch „qualitative, dynamische Situationsunikate" (1996: 93), die in ihrer Rolle als „Funktoren zwischen einer abstrakten Kategorie und einer konkretere Objekte beinhaltenden, ggf. kontrafaktischen Kategorie dafür sorgen, daß kognitive Funktionen des Verstehens, Erklärens, Diagnostizierens und Prognostizierens erfüllt werden können" (1996: 94). Sie geben den in Form von Subjektiven Theorien gespeicherten Wissensbeständen „Kontextanknüpfung und singuläre Relevanz" (1995: 95) und sind damit die Grundlage für (erfolgreiches) Handeln. Folgt man dieser Argumentation, dann kann dies u.a. bedeuten, daß man bei der Erhebung z.B. der Kognitionen eines Lehrers in einer spezifischen Unterrichtssituation zwar relativ direkte Hinweise in bezug auf das aktuelle mentale Modell erhält, daß diese situationsspezifischen Kognitionen jedoch möglicherweise· nur einen sehr indirekten Zugang zu den zugrundeliegenden Subjektiven Theorien ermöglichen. Nach Groeben [et al.] (1988) charakterisieren die genannten fünf Definitionsmerkmale die sog. weite Begriffsvariante von „Subjektiver Theorie", der ein hohes Integrations- und Rekonstruktionspotential zukommt. Sie weisen darauf hin, daß sich allein in bezug auf den Problembereich „unterrichtliche Lern-Lehr-Prozesse" 13 verschiedene Ansätze unter dem Konstrukt „Subjektive Theorie" rekonstruieren lassen (vgl. 1988: 20 f). Zur Charakterisierung der engen Variante nennen Groeben [et al.] (1988: 22) die beiden folgenden zusätzlichen Merkmale (vgl. auch Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft): 6. Subjektive Theorien müssen im Dialog-Konsens aktualisier- und rekonstruierbar sein. 7. Die Akzeptabilität von Subjektiven Theorien als „objektive" Erkenntnis ist zu prüfen. Subjektive Theorien im Sinne der engen Variante sind häufig vor allem mit dem Ziel einer Heuristik für die „objektive" Theoriebildung in Gegenstandsbereichen 5 Für Alisch sind Mentale Modelle nicht wie z.B. bei Johnson-Laird (1989) Repräsentationen, sondern Funktoren. FLuL 27 (1998) 38 Rüdiger Grotjahn erhoben worden, in denen die wissenschaftliche Theoriebildung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Ein Beispiel ist die Untersuchung des Transfers von lehrerseitigen Handlungsabsichten in den Schulalltag. Mutzeck (1992) kommt hier zu dem Schluß, daß die von ihm rekonstruierten Subjektiven Theorien die fachwissenschaftlichen Theorien in inhaltlicher Differenziertheit und Komplexität überträfen und deshalb heuristisch äußerst fruchtbar seien. Die Forderung nach Aktualisierbzw. Rekonstruierbarkeit im Dialog-Konsens steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem von Groeben/ Scheele und anderen Repräsentanten des FST vertretenen epistemologischen Subjektmodells. Das Modell geht von folgenden spezifischen Menschenbildannahmen aus: Der Mensch wird gesehen als handelndes Subjekt mit den Merkmalen (1) Intentionalität, (2) Reflexivität, (3) potentielle Rationalität, (4) sprachliche Kommunikationsfähigkeit. Die positiven Menschenbildannahmen des epistemologischen Subjektmodells stehen im fundamentalen Gegensatz zu dem sog. behavioralen Subjektmodell, das den Menschen als ahistorisches, naturwissenschaftlich zu erforschendes, mechanistisch unter der Kontrolle der Umwelt funktionierendes Erkenntnisobjekt ansieht und das nach Groeben/ Scheele und anderen Vertretern des FST charakteristisch für weite Teile der Psychologie ist. Nur unter der Annahme des epistemologischen Subjektmodells macht die Forderung nach Aktualisierbzw. Rekonstruierbarkeit im Dialog-Konsens im übrigen überhaupt Sinn (vgl. Groeben [et al.] 1988: 11-17 sowie die weiterführende Diskussion bei Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft). Akzeptiert man die Forderung, daß Subjektive Theorien im Dialog-Konsens aktualisier- und rekonstruierbar sein müssen, dann entfallen die von Dann genannten impliziten, nicht-bewußtseinsfähigen Kognitionen (Definitionsmerkmal 2) als Merkmal des Konstrukts „Subjektive Theorie", da diese wegen ihrer Implizitheit nicht im Dialog-Konsens aktualisier- und rekonstruierbar sind. 6 Die Folge ist eine erhebliche Einschränkung der Anwendungsbreite der Kategorie Subjektive Theorie. Akzeptiert man darüber hinaus auch das methodische Postulat nach Prüfung von Subjektiven Theorien als „objektive" Erkenntnis (Definitionsmerkmal 7), wird der Forschung ebenfalls eine wesentliche Einschränkung auferlegt, da z.B. rein deskriptive Forschung zu Subjektiven Theorien verstanden im Sinne der Merkmale (1) bis (5) oder auch (1) bis (6) ausgeschlossen wird. Neben den aufgezeigten strukturellen und funktionalen Parallelen zwischen Subjektiven und objektiv-wissenschaftlichen Theorien gibt es natürlich auch potentiell differierende Merkmale. Mit Fumham (1988: 2 ff) und Groeben [et al.] (1988: 22- 24) lassen sich u.a. folgende mögliche Unterschiede zwischen Subjektiven und wissenschaftlich-objektiven Theorien nennen 7 : (1) Subjektive Theorien sind selten 6 Bromme (1992) geht davon aus, daß das Expertenwissen des Lehrers notwendigerweise in beträchtlichem Ausmaß implizit ist. 7 Fumham selbst spricht nicht von Subjektiven Theorien, sondern von Laien-Theorien (lay theories). Vgl. auch Kallenbach (1996: 34ft). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 39 explizit und praktisch niemals formalisiert. (2) Subjektive Theorien können widersprüchlich sein, ohne daß dies den Subjektiven Theoretiker (bei Fumham: lay person/ lay people) stört. (3) Subjektive Theorien müssen lediglich aktualisierbar, objektive Theorien dagegen möglichst präzis (fach-)sprachlich aktualisiert sein. 2.2 Zwei-Phasen-Konzeption empirischer Forschung Die Definitionsmerkmale (6) und (7) implizieren nach Groeben (1986) sowie Groeben [et al.] (1988) zugleich eine Zwei-Phasen-Konzeption empirischer Forschung zu Subjektiven Theorien (vgl. auch den Beitrag von Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft sowie Grotjahn 1991). In der 1. Phase wird in einem ersten Teilschritt der Inhalt der Subjektiven Theorie erhoben und in einem zweiten Teilschritt deren Struktur rekonstruiert (vgl. Groeben 1992). Für die Inhaltsrekonstruktion sind zunächst einmal prinzipiell alle qualitativen Verfahren der Inhaltserhebung einsetzbar. Für die Strukturrekonstruktion kann auf diverse Struktur-Lege-Verfahren zurückgegriffen werden, wie z.B. die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) zur Darstellung definitorischen und empirischen Wissens, die Interview- und Legetechnik zur Rekonstruktion kognitiver Handlungsstrukturen (ILKHA) oder die Ziel-Mittel-Argumentation (ZMA) zur Rechtfertigung präskriptiver Inhalte (vgl. Dann 1992b, Dann/ Barth 1995, König 1995, Marsal 1997 sowie auch den Beitrag von Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft). Ziel der 1. Phase ist einzig und allein die Rekonstruktion der Innensicht des Subjektiven Theoretikers in Form einer verstehenden Beschreibung der Gründe, Intentionen und Ziele des Handelnden. Sowohl bei der Rekonstruktion des Inhalts als auch der Struktur von Subjektiven Theorien ist darauf zu achten, daß der untersuchten Person soweit wie möglich Gelegenheit gegeben wird, die Bedeutung von Konzepten und Relationen selbst festzulegen. Der Methodik der engen Variante des FST liegt damit ein dreigliedriges Meßkonzept in Form einer triadischen Grundeinheit ,Jndividuum X Objekt X Merkmal" im Sinne von Gigerenzer (1981: 63) zugrunde. Das dreigliedrige Meßkonzept erfordert den Einsatz von (relativ) offenen Erhebungsformen, wie teilstrukturierten oder offenen Interviews oder auch von autobiographischen Erzählungen. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu Verfahren auf der Basis eines zweigliedrigen Meßkonzepts „Objekt X Merkmal", wie z.B. standardisierten Fragebögen mit geschlossenen Antworten oder standardisierten Tests. Im Fall von standardisierten Fragebögen kann der Befragte in der Regel nur zwischen mehreren Alternativen wählen oder muß ein mehrstufiges Rating abgeben, dessen Differenziertheitsgrad vorgegeben ist. Dadurch erlauben entsprechende Instrumente lediglich eine Reaktion auf vom Forscher vorgegebene Bedeutungen. Die Folge ist ein stark eingeschränkter Zugang zur Innensicht des Individuums (vgl. auch Grotjahn 1997a sowie Hofer 1985: 133). Allerdings können auch in der engen Variante des FST geschlossene Verfahren im Rahmen eines Mehr-Methoden-Ansatzes zusätzlich eingesetzt werden (vgl. z.B. den Ansatz von FLuL 27 (1998) 40 Rüdiger Grotjahn Wagner 1995 sowie die Triangulation Subjektiver Theorien mit Hilfe unterschiedlicher qualitativer Verfahren bei Flick 1992). 8 Zur Sicherung der Rekonstruktionsadäquanz ist die Subjektive Theorie im Dialog-Konsens kommunikativ zu validieren. Die 1. Phase ist abgeschlossen, wenn der Untersuchungspartner und der Forscher übereinkommen, daß die Rekonstruktion die Subjektive Theorie adäquat wiedergibt. Um als kommunikative Validierung zu gelten, muß allerdings der Dialog soweit wie möglich die Bedingungen einer idealen, herrschaftsfreien Sprechsituation erfüllen (vgl. Obliers 1992). Methodologisch ist damit für die 1. Phase eine Dialog-Hermeneutik konstitutiv, die dem Untersuchungspartner die letztendliche Entscheidungskompetenz über die Adäquatheit der rekonstruierten Subjektiven Theorie zugesteht. Erkenntnistheoretisch begründet werden kann dieses Vorgehen mit der für die cartesianische Philosophie des Geistes zentralen Annahme, daß „jedes Individuum im Vergleich zu einem außenstehenden Beobachter über einen privilegierten Zugriff zum Inhalt seiner bewußt ablaufenden mentalen Vorgänge" verfügt (Alisch 1991: 453). Die dialog-hermeneutische Methodik der 1. Phase steht im klaren Gegensatz zu einer ausschließlich monologisch-hermeneutischen Vorgehensweise, wie z.B. der objektiven Hermeneutik Oevermanns (vgl. z.B. Reichertz 1995), bei der allein die Forscher über die Gültigkeit von Interpretationen und Rekonstruktionen befinden (zum Unterschied zwischen dialogischer und monologischer Hermeneutik vgl. auch Sommer 1987: 165 ff). Wie u.a. Groeben [et al.] (1988: 65 f) deutlich machen, geht es bei der Rekonstruktion von Subjektiven Theorien nicht nur um eine bloße Abbildung von subjektiven Reflexionen und Kognitionen, sondern vielmehr um eine elaborative Re- Konstruktion unter dem Aspekt der Strukturparallelität zu wissenschaftlich-objektiven Theorien. Im Zuge dieser Re-Konstruktion werden Reflexionen und Kognitionen des Subjektiven Theoretikers (d.h. des Erkenntnisobjekts) "in einen expliziteren und präziseren Zustand überführt" (Groeben [et al.] 1988: 66). Man kann deswegen die durch den Wissenschaftler rekonstruierte Subjektive Theorie nach einem Vorschlag von Groeben/ Scheele (1982: 27 f) auch als Epi-Konstrukt bezeichnen in Abhebung vom Konstrukt „Subjektive Theorie" als mental repräsentierter Struktur. Wagner (1995: 185) kommt bei einem empirischen Vergleich zwischen der FST-Methodik und der Fragebogenmethodik zu folgender Wertung: "Die differenzierten Analysen [...] zeigen, daß durch ein FST-geleitetes Vorgehen die Präzision der Erhebung verbessert und weiterführendere Erkenntnisse gefunden werden können (im Vergleich zur reinen Fragebogenforschung). [...] Das FST-Vorgehen erweist sich somit unter quantitativen (differenziertere Erfassung) wie unter qualitativen Aspekten (neue, individuelle Konstrukte werden erfaßt) als alltagsnäheres und valideres Verfahren". Wagner verweist in diesem Zusammenhang auf Lohaus (1983), der ebenfalls gezeigt hat, daß über eine Steigerung der Freiräume des Untersuchten die Qualität der erhobenen Daten verbessert werden kann. FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 41 Berücksichtigt man zusätzlich, daß bereits die Kognitionen des Subjektiven Theoretikers eine gesellschaftlich vermittelte Konstruktion der Wirklichkeit 9 beinhalten und daß das Sprechen des Subjektiven Theoretikers über die eigenen Kognitionen eine erneute, möglicherweise in erheblichem Maße kontextabhängige Konstruktion darstellt, dann gehen in eine rekonstruierte Subjektive Theorie letztendlich mehrfache, aufeinander aufbauende Konstruktionen ein. Dieser Sachverhalt wird m.E. nicht immer deutlich genug gesehen. Nach Groeben (1992: 72) ist mit der Dialog-Konsens-Methodik der 1. Phase nur "das rekonstruktive Verstehen der selbst-interpretativen Beschreibung von Handelnden erreichbar". In der 2. Phase sind die rekonstruierten Subjektiven Theorien empirisch hinsichtlich ihrer Realitätsadäquanz und handlungsleitenden Funktion zu überprüfen, d.h., es ist festzustellen, inwieweit die Inhalte und Strukturen der rekonstruierten Subjektiven Theorie mit entsprechenden Einheiten fachwissenschaftlicher Theorien übereinstimmen 10 und in welchem Ausmaß die Subjektive Theorie tatsächlich das Handeln des jeweiligen Subjektiven Theoretikers leitet (explanative Validierung aus der Außensichtperspektive auf der Basis eines falsifikationistischen Wahrheitskriteriums zur Ermittlung von objektiven Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen). Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, daß auch völlig realitätsinadäquate Subjektive Theorien handlungsleitend sein können z.B. wenn ein Lehrer eine bestimmte unterrichtliche Maßnahme aufgrund von völlig falschen subjektiven Annahmen über das Lehren und Lernen von Fremdsprachen ergreift. Das Beispiel macht erneut deutlich, daß zur Erklärung menschlichen Handelns die Einbeziehung der Innenperspektive unverzichtbar ist. 11 Die explanative Validierung in der 2. Phase kann u.a. über Korrelationsanalysen, Prognosen und Retrognosen sowie Modifikationsstudien erfolgen (vgl. auch die weiterführenden Hinweise in Grotjahn 1991). In Korrelationsstudien steht der berechnete Korrelationskoeffizient für den meßbaren Zusammenhang zwischen der 9 Ich gehe allerdings davon aus, daß Realität nicht allein in Form subjektiver oder sozial geteilter Sichtweisen existiert, sondern zugleich auch unabhängig vom erkennenden Subjekt. Zu Varianten des Konstruktivismus vgl. z.B. Knorr-Cetina (1989); zum interpretativen Charakter jeglicher Welterfassung vgl. Lenk/ Maring (1997). Vgl. auch die Diskussion von Konstruktionen erster und zweiter Ordnung sowie der Rolle von Texten als Mittel der Welterzeugung bei Flick (1996: 44 ff). 10 Existieren zu einem Realitätsausschnitt noch keine gut bestätigten fachwissenschaftlichen Theorien, müssen aus der zu überprüfenden Subjektiven Theorie testbare Hypothesen abgeleitet und empirisch überprüft werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Diskussion zur „Austauschperspektive von Subjektiven und objektiven Theorien" bei Groeben [et al.] 1988). 11 Daß „Menschen ,Dingen' gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen handeln, die diese Dinge für sie besitzen" (Blumer 1969/ 1973: 81), ist im übrigen eine zentrale Prämisse der Methodologie des Symbolischen Interaktionismus. Besonders prägnant hat diesen Sachverhalt bereits in den 20er Jahren der Soziologe William I. Thomas in Form seines bekannten Thomas-Theorem formuliert: "If men define situations as real, they are real in their consequences" (vgl. Flick 1996: 29 ff). FLuL 27 (1998) 42 Rüdiger Grotjahn z.B. in Form von Inhaltskategorien repräsentierten Innensicht und der z.B. in Form von Beobachtungskategorien repräsentierten Außensicht (vgl. Groeben [et al.] 1988: 185 ff und die dort diskutierten Probleme von Korrelationsstudien). Nach Groeben [et al.] ist die 2. Phase zwar der 1. Phase zeitlich nachgeordnet, jedoch gleichzeitig übergeordnet, weil nur ein externer Beobachter die Frage nach der handlungsleitenden Funktion von Subjektiven Theorien valide beantworten kann. Dies bedeutet nach Groeben [et al.] (1988: 72) zugleich auch, daß durch die 2. Phase lediglich die Realgeltung der Subjektiven Theorie falsifiziert werden kann, nicht jedoch auch die in Phase 1 erfolgte Rekonstruktion. Hier ist allerdings kritisch anzumerken, daß eine Falsifikation in Phase 2 nichtsdestoweniger ein Indiz für eine inadäquate Rekonstruktion in Phase 1 (z.B. aufgrund einer absichtlichen Täuschung des Forschers durch den Untersuchungspartner) sein kann. Im Gegensatz zu Groeben geht Alisch (1994; 1995) nicht von einer Überordnung der 2. Phase, sondern von einer Komplementarität beider Phasen aus, und zwar vor allem deswegen, weil es seiner Ansicht nach Fälle gibt, die nur der qualitativen Methodik der 1. Phase zugänglich sind. Diese Phänomene seien allerdings zur Zeit noch nicht eindeutig klassifizierbar (vgl. Alisch 1995: 157 f). Unabhängig davon, ob man die zwei Phasen als komplementär oder einander übergeordnet ansieht, handelt es sich m.E. bei der Zwei-Phasen-Konzeption um einen grundlegenden Beitrag zu einer partiellen Überwindung des unfruchtbaren Gegensatzes zwischen hermeneutischer und empiristischer bzw. qualitativer und quantitativer Methodologie. 12 2.3 Idiographische vs. nomothetische Forschung Zumindest für die enge Variante des FST ist der Ausgangspunkt der Forschung stets der Einzelfall. Die Perspektive ist damit zunächst einmal idiographisch. Die enge Variante des FST erhebt jedoch zugleich den Anspruch, im Zuge der Zwei- Phasen-Konzeption die hermeneutische und die empiristische Tradition zu integrieren. Dies impliziert neben der idiographischen Perspektive auch eine nomothetische oder zumindest nomothetikorientierte Perspektive im Sinne einer Formulierung von über das einzelne Individuum hinausgehenden Gesetzmäßigkeiten. Nach Groeben, Scheele und anderen Vertretern des FST ist die nomothetische Perspektive auch unter dem Gesichtspunkt der Praxisrelevanz unverzichtbar. So sei es z.B. wichtig zu ermitteln, ob Teilgruppen von Lehrern partiell vergleichbare Subjektive Theorien 12 Die Begriffe „qualitativ" und „quantitativ" weisen leider ein beträchtliches Maß an interpersonaler Unschärfe auf (vgl. Grotjahn 1993). Groeben selbst (z.B. 1986: 322ff) spricht in bezug auf die Zwei-Phasen-Konzeption präziser von einer Integration hermeneutischer und empiristischer Methodologie. Bei Alisch scheint dagegen die Dichotomie „qualitativ" vs. "quantitativ" in erster Linie für den mathematisch exakt explizierbaren Unterschied zwischen qualitativen und quantitativen Strukturen (im Sinne Bourbakis) zu stehen. Es ist zu fragen, ob Alisch damit nicht eine von der Position Groebens partiell abweichende Explikation der Zwei-Phasen-Konzeption vornimmt. FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 43 und hierdurch bedingt bestimmte unterrichtliche Schwierigkeiten aufweisen, die über eine Modifikation der übereinstimmenden Subjektiveri Theorieanteile möglicherweise zu beheben sind (vgl. StösseVScheele 1992: 336). Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer methodischen Integration von Idiographik und Nomothetik stellt die Zusammenfassung der in der 1. Phase rekonstruierten individuellen Subjektiven Theorien zu einer überindividuellen Subjektiven Theorie dar, die die gemeinsamen Anteile der Kognitionsstrukturen mehrerer Personen abbildet, wobei diese Anteile für das einzelne Individuum nicht mehr notwendigerweise zustimmungsfähig sind (vgl. Schreier 1997: 48). In einem weiteren Schritt kann dann die handlungsleitende Funktion der rekonstruierten überindividuellen Subjektiven Theorie falsifikationstheoretisch überprüft werden. Bei der Aggregierung von Subjektiven Theorien stellt sich als zentrales Problem, daß diese sowohl einen Inhaltsals auch einen Strukturaspekt aufweisen. Eine Aggregierung allein auf der Inhaltsebene z.B. mit Hilfe inhaltsanalytischer Verfahren greift deshalb zu kurz: Zusätzlich muß auch eine Integration auf der Ebene der Struktur stattfinden. 13 Es liegen mittlerweile eine Reihe von Vorschlägen zur Methodik der Aggregierung vor (vgl. den Forschungsüberblick von Schreier 1997 sowie z.B. Birkhan 1987; Mischo/ Groeben 1995; Scheele 1992; Schründer-Lenzen 1997). Auch entsprechende Software ist inzwischen verfügbar (vgl. Oldenbürger 1992, 1994 sowie auch Kuckartz 1997). Allerdings gibt es noch eine Vielzahl von unzureichend gelösten Problemen u.a. hinsichtlich der Festlegung von Äquivalenzkriterien. Ein interessantes Beispiel für die Aggregierung von Subjektiven Theorien ist die Arbeit von Mischo/ Groeben (1995) zur „Bezugsnormorientierung von Lehrerinnen". Zwecks Gewinnung einer überindividuellen Theoriestruktur haben die Autoren u.a. alle individuellen subjektiven Konzepte durch (überindividuelle) inhaltsanalytische Konzepte unter Berücksichtigung der Kodiererübereinstimmung ersetzt, Distanzmaße zwischen einzelnen Personen hinsichtlich der Ähnlichkeit ihrer Ziel-Mittel- Argumentationen sowie kophenetische Korrelationen zwischen Distanzmatrizen berechnet. Die Autoren stellen in bezug auf ihre Arbeit abschließend m.E. zu Recht fest: "Für die nomothetische Orientierung des Forschungsprogramms Subjektive Theorien stellt das hier dargestellte innovative Vorgehen [...] eine erfolgversprechende qualitativ-quantitative Strategie mit methodologischem Integrationspotential dar" (1995: 452). 13 Schreier (1997: 41) weist zu Recht darauf hin, daß sich die charakteristischen Schwierigkeiten einer Aggregierung erst dann ergeben, wenn man von dem engen Verständnis von Subjektiver Theorie ausgeht. FLuL 27 (1998) 44 Rüdiger Grotjahn 3. Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung: Eine kritische Bestandsaufnahme 3.1 Arbeiten zu „Überzeugungen", "Alltagswissen" und analogen Konzepten Es gibt mittlerweile eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten im Bereich des Lehrens und Lernens von Sprache, die der weiten Variante des FST zugeordnet werden können. Bis zum Ende der 80er Jahre fehlt allerdings ein expliziter Bezug auf das FST, und es werden anstelle von „Subjektiver Theorie" diverse andere Begriffe verwendet. Grotjahn (1991: 189) nennt als Beispiele für entsprechende Arbeiten und für die jeweils verwendete Begrifflichkeit: "students' mini-theories of second language learning" (Hosenfeld 1978), Überzeugungen ("beliefs") von Lehrern und Lernern hinsichtlich Sprache, Lehren und Lernen (Horwitz 1987; 1988; Wenden 1986a; 1986b; 1987), "leamers' representations of the leaming process" (Holec 1987), "learners' philosophy of language leaming" (Abraham/ Vann 1987) und "learners' foreign language self-concepts" (Laine 1988). Entsprechende Arbeiten aus den 90er Jahren sind u.a. 14 • Barkhuizen (1998): "learners' perceptions of ESL classroom teaching/ learning activities"; • Borg (1998): "teachers' personal pedagogical systems stores of beliefs, knowledge, theories, assumptions, and attitudes"; • Dufva/ Lähteenmäki (1996): "everyday knowledge of language"; • Elbaum/ Berg/ Dodd (1993): "strategy beliefs"; • Kinginger (1997): "conceptual metaphors and folklinguistic theories in teachers' philosophies"; • Kühler (1990): "Leamers' conceptualisations of learning"; • Littlewood (1991): "foreign language teachers' classroom schemata"; • Markee (1997): "teachers' methodological beliefs"; • Mauranen (1996): "notions of language" und "lay concepts" von Austauschstudenten; • Miller/ Ginsberg (1995): "folklinguistic theories of language learning"; • Mitchell/ Brumfit/ Hooper (1994): "Perceptions of language and language learning"; • Murray (1990): EFL teacher trainees' "beliefs and concepts about language and language teaching"; • Richards/ Lockhart (1994: Kap. 2): "teachers' belief systems"; • Ridley (1997): "learners' conceptions about themselves as language leamers part of the self-concept"; • Woods (1996): "beliefs and assumptions about language learning and language teaching". Für alle bisher genannten Arbeiten ist zwar kennzeichnend, daß die Autoren von der Innensicht des Lehrers bzw. Lerners ausgehen und die jeweiligen individuellen Kognitionen als potentielle explanative Konstrukte im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen ansehen. Die Arbeiten fokussieren dainit eine bisher vernachlässigte Perspektive sowie einen bisher vernachlässigten Erklärungszusam- 14 In alphabetischer Reihenfolge! Die jeweils verwendete Begrifflichkeit findet sich nach dem Doppelpunkt. FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 45 menhang. Gleichzeitig ist jedoch kritisch anzumerken, daß der Mehrzahl der Arbeiten eine kohärente theoretische und methodologische Basis fehlt zumindest im Vergleich zur Forschung auf der Basis des FST. Zudem wird zumeist das Potential an Kommunikativität und potentieller Rationalität der Untersuchungspersonen nicht voll ausgeschöpft. So verwenden einige Autoren als Hauptforschungsinstrument das "Beliefs About Language Learning Inventory" von Horwitz (vgl. z.B. Horwitz 1987 sowie auch Richards/ Lockbart 1994: Kap 2: "Exploring teachers' beliefs"). Dieses enthält Aussagen folgender Art: "lt is easier for children than adults to learn a foreign language" oder 'The most important part of learning a foreign language is learning vocabulary words". Der Grad der Zustimmung wird anhand einer fünfstufigen Likert-Skala mit den Polen "strongly agree" und "strongly disagree" gemessen. Die Untersuchungspersonen haben damit keine Möglichkeit, ihre häufig sehr komplexen, idiosynkratischen Vorstellungen vom Sprachenlernen in einer über die fünf Stufen der Likert-Skala hinausgehenden Differenziertheit mitzuteilen (vgl. die Kritik an der Fragebogenforschung in Abschnitt 2.2 oben). Die gleiche Kritik gilt im übrigen auch in bezug auf den außerhalb der Fremdsprachenforschung relativ häufig eingesetzten Schommer Epistemological Questionnaire (vgl. Schommer 1994). 3.2 Zur Verwendung des Konstrukts „Subjektive Theorie" Die erste Publikation im Bereich der Fremdsprachenforschung, in der ein expliziter Bezug zum FST hergestellt wird, ist meines Wissens die Arbeit von Matz (1989) "Zum Zusammenhang zwischen subjektiven Lehrertheorien und den ,großen' Hypothesen des Fremdsprachenerwerbs". Die erste umfassendere Aufarbeitung des FST im Bereich des Lehrens und Lernens von Sprachen findet sich in Grotjahn (1991). Die zur Zeit weitestgehende theoretische Aufarbeitung und empirische Umsetzung des FST hat Kallenbach (1996) in ihrer Monographie Subjektzve Theorien: Was Schüler und Schülerinnen über Fremdsprachenlernen denken vorgenommen (vgl. auch die Einleitung im vorliegenden Heft). Die Arbeit von Kallenbach gehört zudem zu den wenigen Arbeiten in der Fremdsprachenforschung, in denen die für die engere Variante des FST charakteristische Dialog-Konsens-Methodik unter Einschluß von Struktur-Lege-Verfahren eingesetzt wird. Neben den wenigen Publikationen in der Fremdsprachenforschung, die sich explizit am FST orientieren und auch weitergehend mit dem FST auseinandersetzen, gibt es eine Reihe von Arbeiten, in denen zwar der Begriff „Subjektive Theorie" zugrunde gelegt wird, allerdings in einer mehr oder minder vagen oder auch von der Verwendung im Rahmen des FST abweichenden Bedeutung. Zugleich fehlt in diesen Arbeiten in der Regel ein weitergehender Bezug auf das FST. Es werden u.a. Einzelkognitionen oder auch Kognitionsaggregate ohne das Merkmal einer (impliziten) Argumentationsstruktur als Subjektive Theorien bezeichnet. Zudem wird z.T. nicht hinreichend getrennt zwischen den Konstrukten (a) Subjektive Theorie im Sinne von im Gedächtnis gespeichertem Wissen, (b) Aktualisierung FLuL 27 (1998) 46 Rüdiger Grotjahn der Subjektiven Theorie in Form von verbalen Daten und (c) Rekonstruktion der Subjektiven Theorie durch den Forscher. Ich beschränke mich auf zwei aktuelle Belege für den beschriebenen Typ von Arbeit - und zwar auf Edmondson (1996) und Knapp-Potthoff (1997). Daran anschließend werde ich kurz auf die Verwendungsweise des Begriffs „Subjektive Theorie" bei Kallenbach (1996) eingehen. Die geäußerte Detailkritik bedeutet natürlich kein Infragestellen des Gesamtwerts der genannten Publikationen. Edmondson (1996) spricht zwar von "Subjective theories of second language acquisition"; bei den erhobenen autobiographischen Lernerdaten handelt es sich jedoch lediglich um Subjektive Daten• oder auch um Subjektive Hypothesen im Sinne des FST. Eine Rekonstruktion von Subjektiven Theorien im Sinne des FST, d.h. von komplexen Kognitionsaggregaten mit einer zumindest impliziten Argumentationsstruktur, findet ebensowenig statt wie eine Auseinandersetzung mit dem FST. Knapp-Potthoff (1997) setzt sich zwar im Rahmen ihrer interessanten Diskussion von "Language Awareness im Kontext subjektiver Lerntheorien" ausführlicher mit dem Konstrukt „Subjektive Theorie" auseinander, kommt allerdings ohne weitere Begründung zu folgender vom FST abweichenden Annahme hinsichtlich der mentalen Repräsentation Subjektiver Theorien: "Modellhaft können subjektive Lernertheorien als in Form kognitiver Schemata hierarchisch organisierte individuelle Wissensbestände aufgefaßt werden" (1997: 19 [Hervorhebung R.G.]). Kallenbach (1996: 22) kommt in ihrer grundlegenden und verdienstvollen Arbeit nach einer Diskussion verschiedener Wissenskonstrukte u.a. zu folgender Feststellung: "Hervorzuheben ist also, daß subjektive Theorien nicht im Bereich der Wissensrepräsentation angesiedelt sind. Sie stellen vielmehr ein Konzept dar, das sich auf Wissen bezieht. Dieses Wissen läßt sich in seiner deklarativen (d.h. reproduzierbaren) Form erfassen." 15 Nachfolgend stellt die Autorin dann fest, daß nach Groeben [et al.] (1988) "das subjektive Wissen grundsätzlich Theoriecharakter hat" (Kallenbach 1996: 39) und merkt sodann kritisch an (1996: 39): „Ihm [dem subjektiven Wissen] wird damit psychomentale Realität zugeschrieben. Ich unterstelle dem subjektiven Wissen zwar auch, daß es Sachverhalte erklären, strukturieren und prognostizieren können muß, also Funktionen erfüllt, die auch von wissenschaftlichen Theorien erwartet werden. Im Gegensatz zu Groeben et al. 1988 unterstelle ich den subjektiven Theorien jedoch keine psychomentale Realität. Der Theoriestatus wird dem subjektiven Wissen in meiner Konzeption erst im Zug ihrer [sie! ] Verbalisierung und Interpretation zugesprochen." 15 Hiermit übereinstimmend sagt Kallenbach (1996) an anderer Stelle, daß „es bei subjektiven Theorien um Wissen und damit verbundene Einstellungen geht und nicht um Fragen der Repräsentation [...]" (1996: 19). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 47 Ich halte diese Ausführungen aus mehreren Gründen für problematisch. Zum einen ist die Aussage, daß nach Groeben [et al.] (1988) "das subjektive Wissen grundsätzlich Theoriecharakter hat" (1996: 39), m.E. falsch. Wie bereits bei Groeben/ Scheele (1982) hat nach Groeben [et al.] (1988: 19) subjektives Wissen, das z.B. nicht das Merkmal einer (zumindest impliziten) Argumentationsstruktur aufweist, eindeutig keinen Theoriecharakter. 16 Zum anderen hat Kallenbachs Einschränkung des Konstrukts „Subjektive Theorie" auf bereits verbalisierte und interpretierte Kognitionsaggregate u.a. folgende Implikation: Wir können nicht mehr von der Subjektiven Theorie einer bestimmten Person x z.B. zum Fremdsprachenunterricht sprechen; vielmehr kann es in Abhängigkeit von der Zahl der Rekonstruktionsversuche und der Art des methodischen Zugangs eine Vielzahl mehr oder minder unterschiedlicher Subjektiver Theorien ein und derselben Person zu ein und demselben Gegenstand geben. Kallenbachs Festlegung führt damit zu einer Proliferation Subjektiver Theorien zu ein und demselben Gegenstand und widerspricht zugleich dem üblichen wissenschaftstheoretischen Verständnis von „Theorie". 17 3.3 Umsetzung der Zwei-Phasen-Konzeption der engen Variante des FST Wie bereits angedeutet, gibt es in der Fremdsprachenforschung bisher erst wenige Versuche, Subjektive Theorien im Sinne eines komplexen Aggregats mit einer (zumindest impliziten) Argumentationsstruktur auf der Basis der Dialog-Konsens- Methodik des FST zu rekonstruieren. Auf eine Umsetzung der Phase 2 des FST in Form einer explanativen Validierung der handlungsleitenden Funktion von Subjektiven Theorien wird in der Regel sogar gänzlich verzichtet. Bei Edmondson (1996) z.B. findet sich weder der Versuch einer kommunikativen noch einer explanativen Validierung der erhobenen Daten. Der Autor stellt vielmehr fest (1996: 456): "[...] for the purposes of the research project we are concerned with here, the issue of data validity seems to me relatively insignificanf The primary goal of the project is to arrive at a plausible descriptive account of learners' subjective theories. [... ] Let us therefore first take the data at its face value, and simply describe it" [Hervorhebungen R.G.]. Auch die vom FST - und zwar vor allem bei der Begründung der Notwendigkeit eines hermeneutische und empiristische Traditionen integrierenden Zwei-Phasen- Modells der Forschungsstruktur vorgebrachten Argumente hinsichtlich der jeweiligen Spezifik von Subjektiven Theorien/ Konstrukten/ Daten und „objektiven" Theo- 16 Ich sehe deshalb auch im Gegensatz zu Kallenbach (1996: 39), die sich wiederum auf Flick (1989: 109 ff) bezieht, keine „wesentliche Akzentverschiebung" in der Definition von Subjektiver Theorie bei Groeben [et al.] (1988: 19) gegenüber Groeben/ Scheele (1982: 16). 17 Sieht man von der geäußerten Kritik ab, dann ist es natürlich prinzipiell legitim, wenn Kai- Jenbach hinsichtlich der mentalen Repräsentation Subjektiver Theorien eine von Groeben [et al.] sowie auch anderen Vertretern des FST abweichende Position einnimmt. FLuL 27 (] 998) 48 Rüdiger Grotjahn rien/ Konstrukten/ Daten wird von Edmondson (1996) nicht hinreichend zur Kenntnis genommen. Der Autor räumt zwar u.a. ein, daß subjektive und objektive Daten auseinanderfallen können und sieht entsprechende Fälle auch als hoch interessant und fruchtbar an (vgl. 1996: 457), meint jedoch gleichzeitig (1996: 456): "Clearly, subjective data is not to be seen as replacing or invalidating carefully collected experimental data. A basic hypothesis underpinning the collection of data of both kinds must be that there has to be some parallelism or compatibility between subjective and so-called objective findings" [Hervorhebung R.G.]. Den meines Wissens bisher weitestgehenden Versuch einer Rekonstruktion von Subjektiven Theorien auf der Basis der Dialog-Konsens-Methodik hat Kallenbach (1996) unternommen - und zwar mit Hilfe von „halbstrukturierten-leitfadenorientierten Tiefeninterviews", Fragebögen sowie der Heidelberger Struktur-Lege-Technik von Scheele/ Groeben (1988). 18 Allerdings haben die verwendeten Instrumente bei Kallenbach z.T. einen anderen Stellenwert als im FST. In bezug auf die Struktur-Lege-Technik z.B. heißt es bei ihr (1996: 90): „Die Struktur-Lege-Technik erfüllt eine doppelte Funktion: Während der Erstellung der Strukturbilder bietet sie Anlaß, bestimmte Aspekte erneut zu thematisieren in der visuellen Darstellung und in der mündlichen Diskussion. Die fertigen Strukturbilder werden später den in den Interviews entwickelten Argumentationslinien gegenübergestellt und können insofern Aufschluß geben über die Konsistenz der subjektiven Theorien. Dadurch haben die Strukturbilder gegenüber den Interviews eine eindeutig untergeordnete Stellung: Sie dienen im Sinne der kommunikativen Validierung der Verstehenssicherung." Wie in Abschnitt 2.2 ausgeführt, sind im FST Struktur-Lege-Verfahren ein methodisches Mittel, um Subjektive Theorien im Rahmen eines dialog-hermeneutischen Vorgehens zu rekonstruieren und darzustellen. Nach Groeben (1992) ist die Erhebung der Inhalte von der Ermittlung der Struktur zu trennen. Die Erhebung der inhaltlichen Konzepte einer Subjektiven Theorie erfolgt zumeist über Interviews, die Ermittlung der Struktur über Struktur-Lege-Verfahren. Nach Dann (1992b) und anderen Autoren bildet die Strukturrekonstruktion mit Hilfe von Struktur-Lege- Verfahren den eigentlichen Kern der Methodik, da hierüber der Dialog-Konsens zwischen Forscher und Untersuchungspartner hergestellt wird. Kommen der Untersuchungspartner und der Forscher überein, daß die Rekonstruktion die Subjektive Theorie adäquat wiedergibt, ist die 1. Phase der Zwei-Phasen-Konzeption abgeschlossen (vgl. Abschnitt 2.2). Bei Kallenbach wird dagegen das Interview nicht in erster Linie als Mittel zur Erhebung des Inhaltsaspekts der jeweiligen Subjektiven Theorie gesehen, sondern bildet den Kern des Verfahrens. Den Strukturbildern wird lediglich eine Hilfsfunk- 18 Mit einer ähnlichen Methodik arbeitet auch Caspari in ihrem Habilitationsprojekt zum beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrern/ -innen (vgl. die Projektskizze in Caspari 1997). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 49 tion bei der Validierung der Interviewdaten zugewiesen. Ich halte diese Umgewichtung für methodisch nicht hinreichend begründet und auch für problematisch. 19 Weiterhin wertet Kallenbach die Interviewdaten zusätzlich zu den Einzelfallanalysen auch auf der Gruppenebene in Form einer vergleichenden „Zusammenschau" aus. Damit geht sie zwar über die Ebene des einzelnen Individuums hinaus; sie nimmt jedoch keine systematische Aggregierung der erhobenen Subjektiven Theorien vor. Zudem betont die Autorin an mehreren Stellen, daß ihr gruppenorientiertes Vorgehen nicht auf eine Verallgemeinerung der Inhalte der Subjektiven Theorien abziele (vgl. z.B. 1996: 14). Auch auf eine Überprüfung der potentiell handlungsleitenden Funktion der erhobenen Subjektiven Theorien wird explizit verzichtet. Als Begründung führt Kallenbach (1996: 91) u.a. an: „Die subjektiven Theorien in meiner Studie werden nicht als potentiell handlungsleitende Kognitionen erhoben, sondern als gedankliche Konstrukte, bei denen es gerade darum geht, verschiedene Handlungsfelder und Erfahrungen, Einstellungen und Überzeugungen in einen Handlungszusammenhang zu bringen." Kallenbachs Arbeit ist damit eindeutig idiographischer Natur, wobei diese Aussage nicht negativ zu interpretieren ist. Die Autorin selbst charakterisiert die Zielsetzung ihrer Arbeit genauer als phänomenographisch im Sinne von Marton (1981). Allgemein gilt in bezug auf die Umsetzung der Zwei-Phasen-Konzeption des FST in der Fremdsprachenforschung, daß bisher sowohl auf eine systematische Aggregierung als auch auf eine Überprüfung der potentiell handlungsleitenden Funktion Subjektiver Theorien und damit zugleich auch auf eine nomothetische Zielsetzung verzichtet wird. Ein entsprechendes Vorgehenist m.E. auch prinzipiell legitim, z.B. wenn die Forschung in einem bestimmten Bereich relativ am Anfang steht. Nichtsdestoweniger sollte in der Fremdsprachenforschung in Zukunft auch nomothetisch orientierte Forschung zu Subjektiven Theorien auf der Basis der engen Variante des Konstrukts „Subjektive Theorie" durchgeführt werden trotz des beträchtlichen zusätzlichen Aufwandes. Forschungsmethodologisch innovative Arbeiten wie Mischo/ Groeben (1995) können hier wichtige Anregungen liefern. 4. Forschungsmethodologische Perspektiven Nachdem ich relativ ausführlich auf die Verwendung des Konstrukts „Subjektive Theorie" und die Umsetzung des Zwei-Phasen-Modells der Forschungsstruktur in 19 Vgl. die Argumente von Groeben (1992) für eine „Inhalts-Struktur-Trennung als konstantes Dialog-Konsens-Prinzip". Die geäußerte Kritik bedeutet jedoch nicht, daß man sich m.E. bei der letztendlichen Dateninterpretation ausschließlich auf die rekonstruierten Subjektiven Theorien beschränken sollte. Gerade im Fall von Untersuchungspartnern, die relativ große Probleme beim Umgang mit abstrakten Strukturen zeigen, ist ein extensiver Rückgriff auf im Interview bzw. Dialog geäußerte Informationen angezeigt. FLuL 27 (1998) 50 Rüdiger Grotjahn der Fremdsprachenforschung eingegangen bin, möchte ich im Hinblick auf die zukünftige Beschäftigung mit dem FST noch kurz auf folgende Themen eingehen: (1) Menschenbildannahmen; (2) lntrospektive Zugänglichkeit von Subjektiven Theorien; (3) Subjektive Theorien und soziale Repräsentationen. Einige Aspekte habe ich bereits in den vorangehenden Abschnitten angesprochen. 4.1 Menschenbildannahmen Es wird in jüngerer Zeit immer häufiger gefordert, z.B. vön Grotjahn (1998) in bezug auf die Fremdsprachenforschung, das einer bestimmten Forschungsrichtung zugrunde liegende Menschenbild in seinen anthropologischen Kernannahmen zu explizieren. So hat es sowohl konzeptuelle als auch untersuchungsmethodische Auswirkungen, ob Fremdsprachenlerner oder auch Fremdsprachenlehrer z.B. neoneobehavioristisch als primär reaktive informationsverarbeitende Systeme oder aber als reflexive und intentionale (soziale) Aktanten gesehen werden (vgl. Grotjahn 1997b sowie z.B. Breen 1996; Schwerdtfeger 1996). Kaum eine andere psychologische Forschungsrichtung hat ihre (positiven) Menschenbildannahmen so weit ausgearbeitet und so explizit formuliert wie das FST (vgl. dazu Abschnitt 2.1 oben). Das FST kann deshalb der Fremdsprachenforschung auch bei der dringend erforderlichen Explikation der anthropologischen Kernannahmen wertvolle Anregungen liefern. Folgt man dem FST, dann sind Lerner und Lehrer zunächst einmal als reflexive, (potentiell) rationale und kommunikationsfähige Aktanten zu betrachten, die selbst am besten über ihre Kognitionsinhalte (unter Einschluß von Intentionen und Gründen) Auskunft geben können. Erst wenn sich diese Annahme als empirisch nicht angemessen erweist, wie z.B. im Fall von hoch automatisierten Prozessen oder auch im Fall von Verhalten 20, das weder auf eine bewußte Intention noch auf ein unbewußtes Motiv zurückgeht, sollten Erklärungsmodelle gesucht werden, die allein auf der Beobachtungsebene ansetzen (vgl. Groeben 1986: 347 ff; Groeben [et al.] 1988: 35 ff sowie auch Barthels 1992). Bezogen auf die Fremdsprachenforschung bedeutet dies u.a., daß bei einer Modellierung des Lehrers und Lerners als informationsverarbeitende Systeme im Sinne der Computer-Metapher des Informationsverarbeitungsparadigmas der Kognitionspsychologie jeweils kritisch zu fragen ist, ob nicht die Menschenbildannahmen des FST und die hiermit verbundene Methodik eine adäquatere Zugangsmöglichkeit eröffnet (vgl. auch Christmann/ Groeben 1996 sowie Grotjahn 1997b). 21 20 „Verhalten" ist hier zu verstehen als Teil der Trias „Handeln, Tun, Verhalten" im Sinne von Groeben (1986). 21 Dies gilt m.E. in besonderem Maßeinbezug auf aktuelle Versuche, Teilbereiche des Fremdsprachenlernens auf der Basis konnektionistischer Ansätze im Sinne impliziten Lernens zu modellieren (vgl. z.B. Broeder/ Plunkett 1994). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 51 4.2 Introspektive Zugänglichkeit von Subjektiven Theorien Eine Diskussion der introspektiven Zugänglichkeit von Subjektiven Theorien im Bereich des Lehrens und Lernens von Sprachen hat bisher erst in Ansätzen stattgefunden. Es gibt zwar eine Reihe von Arbeiten zu introspektiven Methoden (vgl. Cohen 1998; Frerch/ Kasper 1987; Green 1998). Allerdings wird unter Bezug auf Ericsson/ Simon (1987; 1984/ 1993) und neuerdings auch auf Pressley/ Afflerbach (1995) zumeist das Laute Denken als Datenerhebungsmethode favorisiert - und zwar ein Lautes Denken, das an eine Problemlösungsaufgabe gebunden ist und gleichzeitig zu dieser oder nur wenig verzögert stattfindet. Die für das FST charakteristischen retrospektiven Interviews oder auch retrospektiven Selbstberichte finden dagegen mit einem oft beträchtlichen zeitlichen Abstand zu den interessierenden Handlungen statt oder haben sogar überhaupt keinen unmittelbaren Handlungsbezug. Folgt man den auf dem Informationsverarbeitungsparadigma basierenden Argumenten von Ericsson und Simon, dann ist dieses Vorgehen u.a. wegen der Möglichkeit der nachträglichen Rechtfertigung von Handlungen eher problematisch (vgl. hierzu auch Grotjahn 1987; 1991). Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß mit dem Lauten Denken im Sinne des Informationsverarbeitungsansatzes von Ericsson/ Simon und den Selbstberichten im Rahmen des FST (partiell) unterschiedliche Zielsetzungen verbunden sind. Ziel des Lauten Denkens ist zumeist, Aufschluß über die mit dem Lösen einer Aufgabe verbundenen aufgabenspezifischen kognitiven Prozesse zu erhalten. Die Methodik des FST zielt dagegen auf die Rekonstruktion weit komplexerer und zugleich auch deutlich abstrakterer mentaler Strukturen, ohne daß diese in (unmittelbarem) Bezug zu einer bestimmten Handlung stehen müssen (vgl. auch die Aussagen zu mentalen Modellen im Sinne von Alisch 1996 in Abschnitt 2.1). Für diese Zielsetzung hat das FST eine innovative Methodik entwickelt. Im Rahmen einer breiteren Diskussion der Frage der introspektiven Zugänglichkeit von Subjektiven Theorien im Bereich des Lehrens und Lernens von Sprachen ist es m.E. unabdingbar, sich auch explizit mit Konzepten wie Wissensprozeduralisierung, Automatisierung, aktuelle und strukturelle Implizitheit von Wissen und Lernen (im Sinne von Scheele/ Groeben im vorliegenden Heft), Aufmerksamkeit und Bewußtsein (unter Einschluß von "awareness" im Sinne von Schmidt 1995), Intentionalität, Erwerb vs. Lernen (im Sinne von Krashen) auseinanderzusetzen. Je nachdem, welche Position man in bezug auf diese Konzepte einnimmt, wird man das Ausmaß an introspektiver Zugänglichkeit unterschiedlich einschätzen (vgl. auch die Diskussion in Grotjahn 1996). 4.3 Subjektive Theorien und soziale Repräsentationen Es ist m.E. zu diskutieren, ob das Konzept „Subjektive Theorie" im Sinne eines individuellen Kognitionsaggregats nicht zu kurz greift. Das Lehren und Lernen von Fremdsprachen ist nicht nur individuelles Handeln, sondern zugleich auch soziales FLuL 27 (] 998) 52 Rüdiger Grotjahn Handeln in Institutionen und Kulturen mit einer jeweils spezifischen Geschichte. 22 Soziale Systeme sind jedoch mehr als die Summe der Eigenschaften der einzelnen Elemente: Sie haben zusätzlich emergente Eigenschaften, die sich erst aus dem Zusammenwirken der Einzelelemente ergeben. So ist z.B. bei der Untersuchung eines Subjektiven Konzepts wie „Lernerautonomie" u.a. zu berücksichtigen, welche gruppenspezifischen Vorstellungen von Autonomie und persönlicher Freiheit z.B. im jeweiligen Lehrerkollegium oder auch in der Gesamtgesellschaft dominieren. Die sozialpsychologische Theorie der sozialen Repräsentationen (vgl. z.B. Flick 1995b und Moscovici 1995) setzt genau hier an: Ihr Forschungsgegenstand ist wie im FST komplexes und strukturiertes Alltagswissen. Der Bezugspunkt ist jedoch die soziale Gruppe und der Schwerpunkt der Forschung liegt bei der sozialen Verteilung des Wissens und nicht wie im FST bei der internen Struktur individuellen subjektiven Wissens (vgl. Flick 1995a: 77). Geht man mit von Cranach (1995) von einem mehrstufigen Modell sozialer Systeme aus, dann können Subjektive Theorien „als soziale Repräsentationen auf individueller Stufe" (1995: 48) aufgefaßt werden. Die Theorie der sozialen Repräsentationen liefert damit ein interessantes Rahmenmodell für künftige, stärker sozialpsychologisch orientierte Forschung zu Subjektiven Theorien beim Lehren und Lernen von Sprachen. 23 5. Ausblick Eine zentrale Prämisse des FST ist, daß die Erforschung von Subjektiven Theorien zu Ergebnissen mit hoher potentieller Relevanz für die Praxis führt. Als Begründung für die potentielle Relevanz des FST im Bereich des Lernens von Sprachen führen Scheele/ Groeben (im vorliegenden Heft) u.a. an, daß Fremdsprachenunterricht „einen prototypischen Fall für reflexives, bewußtes Lernen'' darstelle. Diese Bewertung ist sicherlich im Hinblick auf bestimmte Fremdsprachenvermittlungs- 22 Vgl. die analoge Kritik am Verständnis von Subjektiver Theorie als individuelles Kognitionsaggregat bei Kallenbach (1996) u.a. im Kontext ihrer Diskussion von. "cultural models" ( 1996: 24) im Sinne von Holland/ Quinn (1987). Vgl. auch die Arbeit von Hu (1996), in der der Zugang zu den „subjektiven Lenikonzepten im Fremdsprachenunterricht" über das Konstrukt „Kulturelles Symbol" erfolgt. Vgl. ferner die Diskussion von Fremdsprachenunterricht als sozialer Institution bei Kinginger (1997). 23 Dann (1992a) argumentiert, daß im Fall von Subjektiven Theorien der Ausgangspunkt zwar individuelle Theorien seien, daß jedoch "[...] generalizations across several persons are possible through aggregative procedures, which may lead to overindividual social representations" (1992a: 162). Wegen ihrer emergenten Eigenschaften und der sozialen Verteilung des Wissens lassen sich m.E. soziale Repräsentationen jedoch nur sehr eingeschränkt über eine Aggregierung individueller Subjektiver Theorien (re)konstruieren. Die meines Wissens erste fremdsprachenspezifische Arbeit, in der explizit vom Konzept der sozialen Repräsentation ausgegangen wird, ist Berger ( 1997). FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung ... 53 methoden, wie z.B. den natural approach, zu differenzieren. 24 Nichtsdestoweniger gilt, daß reflexives; bewußtes Lernen und ein auf Reflexion und Bewußtmachung abzielendes Lehren in den meisten Fremdsprachenvermittlungskonzepten eine wichtige Rolle spielt und daß deshalb das FST auch im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen einen wichtigen Beitrag sowohl zur theoretischen Modellierung als auch zur Verbesserung der Praxis leisten kann (vgl. hierzu auch Grotjahn 1991, 1996). Ich selbst sehe einen zentralen Anwendungsbereich des FST in der Lehrerausbildung. Geht man von dem Modell des "reflective practioner" aus, dann ist die Reflexion unter Einschluß der Reflexion auch der eigenen Subjektiven Theorien ein zentrales Merkmal des professionellen Lehrers. Schon Littlewood (1991) weist darauf hin, daß Innovation im Fremdsprachenunterricht eine Veränderung der zumeist sehr stabilen und tief verwurzelten Subjektiven Theorien der Fremdsprachenlehrer voraussetzt. 25 Eine Modifikation inadäquater Subjektiver Theorien wird damit zu einer zentralen Aufgabe von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen (vgl. auch Ehlers/ Legutke 1998: 20~22 und Duxa 1999). Die Lehreraus- und -fortbildung darf jedoch nicht bei dem Versuch einer Modifikation inadäquater Subjektiver Theorien stehen bleiben. Da der Weg vom Wissen zum Handeln nicht selten sehr weit ist (vgl. Wahl 1991), ist zusätzlich ein geeignetes Handlungstraining durchzuführen. Am FST ausgerichtete fremdsprachenlehrerspezifische Konzeptionen der Aus- und Fortbildung existieren allerdings bisher erst in Ansätzen. Auch hier ist weitere Forschung angesagt. Bibliographische Angaben ABRAHAM, Roberta G./ V ANN, Roberta J. (1987): "Strategies of two language learners: A case study". 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The corpus, this paper is based on, corttains a ! arge variety of such model constructions, relating to linguistic interaction, components of FL processing, and degrees of learned helplessness. As to the professionalisation problem of FL teachers, their utterances, due to a Jack of an Interpretationsgemeinschaft in the traditional architecture of communication in schools, disclose symptoms of offended imperativs and of frustration and depression. 1. Voraussetzungen Der folgende Beitrag intendiert, das Konstrukt Mentales Modell, im allgemeinen, und das Konstrukt Mentales Alltagsmodell (Jolk model), im besonderen, in der Diskussion über Subjektive Theorien von Fremdsprachenproduktion zur Sprache zu bringen und auf diese Weise eine Expansion der Theorie des reflexiven Subjekts, bezogen auf Lehrende von. Fremdsprachen, anzuregen. Diesem im Vordergrund stehenden Ziel der Anregung sollen auch die Texte im Anhang, die Grundpositionen selektiv dokumentieren, und das umfangreiche Literaturverzeichnis dienen. Mentale Modelle basieren implizit auf biographisch und kulturell determinierten schematisch organisierten Beständen von Weltwissen, das reflexive Subjekte aktivieren und konstruieren, um analogisch Probleme in ihrer Umwelt, vor die sie sich gestellt sehen, zu identifizieren, zu verstehen und zu lösen. Mentale Alltagsmodelle (folk models) von Nicht-Experten sind charakterisiert durch mangelnde Komplexitätstiefe (Craik/ Lockhart 1972; Dömer 1979b), durch ihre "sloppiness" (Norman 1983): Unvollständigkeit, Instabilität und Begrenztheit. Sie erfüllen gleichwohl die Funktion eines Problemlösungsinventars mittlerer Reichweite. Bei der Verfolgung unseres Erkenntnisinteresses an Mentalen Modellen haben wir uns von der Einsicht leiten lassen, daß die mentale Modellierung technischer Systeme und naturwissenschaftlicher Phänomene einen erfolgversprechenden ersten Zugang zu dem Thema und reiches Anschauungsmaterial für die Unterscheidung FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 61 zwischen Expertenmodellen und Novizenmodellen liefert (Stevens/ Gentner 1983). So verdanken wir unseren Daten. zur Modellierung der Funktion von Thermostaten bei der partiellen informellen Replikation der Studie von Kempton (1987), den Daten zur Lösung von Problemen der Dysfunktion von automobilelektrischen Systemen und Kopiermaschinen (Dechert 1989, 1992) wichtige Einblicke in die außerordentliche Varianz und Vielfalt der von unseren Informanten konstruierten Alltagsmodelle. Die Lösung der folgenden Problemstellung setzt die Konstruktion eines technischen Modells (physical model) (Johnson-Laird 1983: 422) der Funktionen automobilelektrischer Systeme voraus: "Sie sind mit Ihrem Auto auf dem Weg nach Hause. Sie haben noch ungefähr 10 km zu fahren. Plötzlich leuchtet auf Ihrem Armaturenbrett ein rotes Licht mit dem Batteriesymbol auf. Was machen Sie jetzt? Und warum machen Sie das? " Die Reaktion einer unserer lnformantinnen1, einer Philologiestudentin, gipfelt, wie eine Reihe anderer Antworten, in dem Eingeständnis unzureichenden Wissens durch Rückgriff auf das Argument erlernter Hilflosigkeit (Seligman 1975/ 1986; Norman 1990). ( 1) "Ich würde wahrscheinlich überhaupt nichts machen, da ich weiß, daß das ein technisches Problem ist, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe. Deshalb würde ich so lang wie möglich weiter fahren. Ich könnte mir vorstellen, was ich tun würde, wenn ich irgendwo im Wald anhalten müßte. Hoffentlich hätte ich dann eine warme Jacke dabei" (Dechert 1992: 11). Diese Äußerung macht aber auch deutlich, daß dem Sachproblem aus unzureichendem Wissen nicht gewachsene Novizenmodelle der erlernten Hilflosigkeit keineswegs notwendigerweise zu. fatalen Folgen führen müssen. Offensichtlich gibt es in modernen komplexen Gesellschaften hochentwickelte Vorkehrungen möglicher Inanspruchnahme der Unterstützung durch Experten, Engel der Landstraße, ebenso wie in technische Systeme eingebettete Toleranzen, die bei möglicher Dysfunktion Schlimmes verhindern und nicht spontane Expertise erfordern. Die rote Kontrollleuchte zeigt an, daß das elektrische System nicht angemessen funktioniert, daß etwa der Keilriemen gerissen ist und daß das System nun vom Menschen kontrolliert und das Problem gelöst werden muß. Dieses Beispiel macht die Bedeutung von KontroHe auf der Meta-Ebene mentaler Modellierung deutlich. Daraus ergibt sich für uns die Frage, auf welche Weise Fremdsprachenproduktion von Lernenden der kontrollierenden mentalen Modellierung durch die Lernenden selber bedarf, ebenso wie die Fremdsprachenproduktion von Lernenden durch die mentale Model- W. Levelts geistreiche Anregung aufgreifend lösen wir das Sexismusproblem dergestalt, daß wir allen Lernerdaten weibliches Geschlecht attribuieren (Schülerin, Studentin), allen Lehrerdaten männliches Geschlecht. Daß damit die interessante Frage möglicher geschlechtsspezifischer Unterschiede in den Subjektiven Theorien oder Mentalen Modellen von Fremdsprachenproduktion unbeachtet bleibt und als Forschungsproblem vertagt wird, ist gewiß ein Ärgernis. FLuL 27 (1998) 62 Hans-Wilhelm Dechert lierung von Lehrenden, und zuletzt die eigene Fremdsprachenproduktion von Lehrenden selber, die im institutionellen Kontext von Schule Fremdsprachenproduktion initiieren und vermitteln. Dies ist die zentrale Frage dieser Überlegungen. Oder anders formuliert: Welches implizite oder explizite minimale Novizenmodell brauchen Novizen, um in Schule Fremdsprachen zu lernen, ohne in erlernte Hilflosigkeit zu verfallen? Und wie entwickelt muß das implizite oder explizite mentale Expertenmodell von Lehrenden sein, um angemessen Fremdsprachen zu lehren, ohne bei der eigenen Fremdsprachenproduktion erlernter Hilflosigkeit ausgesetzt zu sein? Beispiele für die konzeptionelle Modellierung (conceptual models) (Johnson- Laird 1983: 422) naturwissenschaftlich-physikalischer Problemlösungsaufgaben hat uns die informelle partielle Replikation (N=lO) der Untersuchung von Collins/ Gentner (1987) geliefert. Auf die Frage „Warum kannst du an einem kalten Tag deinen Atem sehen? " antwortete eine unserer Studentinnen: (2) "Weil sich offensichtlich gasförmige Stoffe in einer kälteren Umgebung visuell von den anderen gasförmigen Stoffen unterscheiden. Der Dampf des kochenden Wassers ist z. B. ebenfalls bei Zimmertemperatur sichtbar. Es könnte sein (reine Vermutung! ), daß sich die Größe der Moleküle bei Temperaturveränderung ebenfalls verändert, was schließlich sichtbar wird. Wasser friert analog bei Temperaturen unter O Grad. - Salze, kristaline Struktur - ... ähnlicherVorgang? Zumindest bei einer Sauerstoff-Stickstoff-Kombination wird der Vorgang sichtbar, die Zusammensetzung der Moleküle ändert sich in ihrer Struktur, sobald das 'Umfeld' eine temperaturveränderte Form annimmt. Ob das stimmt? Mißtrauen gegen dieses mentale Modell scheint mir durchaus berechtigt! " Den Novizenstatus dieses Modells kann man aus der sehr umfangreichen physikalischen Diskussion des Evaporationsphänomens und seiner Modellierung bei Collins/ Gentner leicht erschließen. Für unseren Zusammenhang wichtig ist das an dieser Stelle deutlich in Erscheinung tretende analogische Ve,fahren (Gick/ Holyoak 1985) und die metakognitive Kontrolle bei der Modellierung nach diesem Verfahren, die in dem Mißtrauen und den Zweifeln an der Erfüllung des der Konstruktion des Mentalen Modells impliziten Imperativs sichtbar wird. In einer Reihe verschiedener Studien, teilweise in Kooperation mit G. Bartelt (1997), haben wir Schülerinnen mit verschiedenen Ausgangssprachen in verschiedenen Schulstufen und -formen, Studentinnen der Anglistik verschiedener Semester und Englischlehrer mit der Frage konfrontiert: "Was geht in meinem Kopf vor, wenn ich Englisch lerne? " oder, in einer späteren Phase des Projekts, "Was geht in meinem Kopf vor, wenn ich Englisch spreche und höre? " Diese Fragen intendierten die Aktivierung introbzw. retrospektiver Erfahrungen. Ihre Ambiguität, die von uns zunächst nicht beabsichtigt war immerhin handelt es sich ja dabei um einen häufig in der Literatur verwandten Topos (cf. hierzu etwa Mandl/ Huber 1983; Wagner [et al.] 1984; Krings 1986) erkannten wir in einer frühen Pilotstudie und achteten von da an auf die jeweilige Wahrnehmung der Fragestellung. Das entstandene umfangreiche Corpus enthält eine Fülle formal und inhaltlich varianter Reaktionen auf die Fragestellung. FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 63 Vereinzelte Informanten verweigern eine Aussage im Zustand völliger Unkenntnis oder Hilflosigkeit: (3) "Was für eine blöde Frage! " (4) "Ich weiß nicht, was ich hinschreiben soll." (Dechert 1992: 14) Es ist das Verdienst G. Bartels, auf die zentrale Bedeutung der Translation-Metapher in seinen Daten hingewiesen und an vielfältigen Beispielen demonstriert zu haben: (5) "First I think in Japanese, and then I translate to English." (6) "First, I think the sentence that I try to speak or write in Japanese. Second, I search English words that have some meaning of Japanese in my head, and I check grarnmar and words in that sentence. Finally I will began to say." (Bartelt 1997: 26 f) In solche Modellierungen nach der Translation-Metapher gehen auch sprach- und kulturspezifische Erfahrungen ein: (7) "Arabic is opposite to English, so sometimes I translate the words using the opposite." (Bartelt 1997: 27) (8) "When I speak or write a second language I need 4 translations. First, I think the idea that I want to express in my native language. Second, I translate it to English, and I speak. Third I hear the answer the American speaks. At last, I translate it to my native tongue." (Bartelt 1997: 30) In den Mentalen Modellen anderer, wohl fortgeschrittener Lerner wird die Interaktion der Sprachen, wie sie Grundlage des Translation-Modells ist, als mögliche interferierende Störung gesehen und deren allmähliche Vermeidung und Überwindung gefordert. Entwicklung und Fortschritt bei dem Erwerb einer Fremdsprache wird darin gesehen, daß sich diese von der Primärsprache verselbständigt und zuletzt als. eigenständiges System· zur Verfügung steht. Als Beispiel für. die von uns in einer früheren Studie im Detail analysierte und diskutierte Modellierung von Fremdsprachenproduktion durch Rückgriff auf theoretisches deklaratives Wissen, deren zentrale Metaphern das Link-Schema, die Interaktion von LI und L2, und das Path-Schema, die graduelle Loslösung von solcher Interaktion zugunsten einer intendierten Independenz von LI und L2 sind, möge das folgende Beispiel einer Philologiestudentin dienen: (9) "Zweitsprachenerwerb ist ein kontinuierlicher unbewußter Prozeß des Vergleichs von L2- Strukturen und Regeln. Während (a) einer ersten Anfangsstufe beruht der L2-Erwerb auf der Entdeckung von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen der L1 und der L2. Diese LI-Abhängigkeit verringert sich (b) während der folgenden Fortgeschrittenenstufe des Erwerbs, wenn sich ein spezifisches L2-System von Strukturen und Regeln entwickelt. Während dieser Stufe lernt man, in der L2 zu 'denken'. Aber noch auf dieser Stufe gibt es Interaktionen zwischen der Ll und der L2. Die beiden Systeme sind nie vollständig voneinander getrennt." (Dechert 1989: 220) FLuL 27 (1998) 64 Hans-Wilhelm Dechert Der an dieser Stelle· thematisierte "Language of thought"-Topos ist ohne Frage ein weit verbreiteter kanonischer Imperativ der Fremdsprachenerwerbsdiskussion, wie z.B. in der folgenden Äußerung einer spanisch-deutschen bilingualen Schülerin: (10) "Eigentlich ist Deutsch meine Muttersprache. Ich denke auf Deutsch und ich träume auf Deutsch. Trotzdem bin ich nicht eine Deutsche." (Dechert 1992: 15) Andrew Cohen widmet diesem Thema einen Abschnitt in seinem neuesten Buch: "Many language educators would maintain that the best way for leamers to achieve native-like control of an LT[= target language] is to make an effort to think in that language rather than to translate or reprocess the material into their LI or into some other language which they have learned (...)" (Cohen 1998, 160). Es ist hier nicht der Ort, dieses Thema in extenso kritisch zu diskutieren. Festzuhalten bleibt nur, daß „denken in der Fremdsprache" immer wieder als Kriterium der Erlangung einer bestimmten Expertise sekundärsprachlicher Kompetenz und als Indikator der vollzogenen Verselbständigung eines intakten L2-Systems und damit der Überwindung fehlerträchtiger LI-Interferenz angesehen wird. Und festzuhalten bleibt, ohne Einschränkung, auch Cohens eigenes Resümee, den Stand der Diskussion über dieses umstrittene Thema betreffend: "The issue at hand is what 'thinking in the LT' really means and how to do it most effectively. Just as Kern questioned the extent to which the LT is actually a language of thought as opposed to a language of reference, so Lantolf (Personal Communication, May 13, 1994) has contended that when non-natives plan and rehearse what they want to say subvocally in an LT (...), this does not really constitute thinking in the LT; likewise, Lantolf sees this activity more as thinking about the LT. In other words, the fact that the speakers have to engage in such activity might suggest that they cannot think in the LT" (Cohen 1998, 173). Wir können dem nur zustimmen, auch wenn wir wissen, daß der "Language of thought"-Topos in zahlreichen Varianten eine zentrale Komponente intro- oder retrospektiver (Alltags-)Modellierung ist. Die intelligenteste Konstruktion eines Mentalen Modells von Fremdsprachenproduktion in unserem Corpus (unter Einschluß der Lehrer-Daten) fanden wir in der Äußerung einer 1ljährigen Schülerin auf die Frage „Was geht in meinem Kopf vor, wenn ich Englisch spreche oder schreibe? ": (11) "Ich glaube das es in meinen Kopf genau so geht wie bei einem computer. In meinem Kopf müßte es einen Speicher geben, wo alles was ich lerne gelagert und beim sprechen oder schrei.ben wieder herausgeholt wird. Und dann verarbeitet egal ob Deutsch oder English. In diesem Speicher müßte es dann für verschiedene Sprachen platz sein. Wenn ich jetzt Englisch lerne werden alle gespeicherten Sachen herausgehollt und verarbeitet. Bei Deutsch oder eine andere Sprache ist es genauso. Und wenn die Stunde vorbei ist wird das was ich davor rausgeholt habe wieder gespeichert (sie! )." Unnütz zu sagen, daß dies eine durchaus angemessene Fassung der lnformationsverarbeitungs- oder Computations-Metapher ist, wie sie in der Cognitive-Science- FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 65 Literatur in extenso thematisiert und als zentrales Paradigma der Fremdsprachenerwerbsforschung zur Diskussion gestellt worden ist (cf. hierzu Grotjahn 1997). In keiner Äußerung der befragten Lehrer in unserem Corpus finden sich auch nur Ansätze eines solchen Modells. Den zuvor diskutierten Aussagen von Lernern, die die Fragestellung „Was geht in meinem Kopf vor ... ? " als Aufforderung zur Reaktivierung introspektiv erfahrener Prozesse der Produktion begreifen und diese Prozesse verbal zu modellieren versuchen oder zum Anlaß nehmen, deklarativ erworbenes Wissen zu demonstrieren, stehen solche Aussagen gegenüber, die die Frage als Synonym zu „Was geht mir durch den Kopf? " sprich: "Welche Gedanken, welche Probleme habe ich? " interpretieren und Fremdsprachenerwerb als mentalen Problembereich (mental space) im Lichte subjektiver und objektiver Umstände verstehen. Diesen Aussagen gilt im folgenden unser besonderes Interesse. Sie haben uns veranlaßt, Fremdsprachenproduktion in den größeren Zusammenhang des Problemlösungsparadigmas zu stellen. 2. Die Fallensituation isolierter Architektur Im Zentrum der Kritik der amerikanischen Team-Teaching~Bewegung der 60er Jahre (sie! ) an tradierten Formen der Organisation (und Architektur) von Schule steht das isolierte Klassenzimmer, das 'self-contained classroom', in dem ein einzelner Lehrer in seiner Klasse isoliert von allen anderen Lehrern über seine Schülerinnen verfügt. „Wir gehen von der Hypothese aus, daß die Lehrer die Autorität, die sie besitzen, aus der Raumverteilung beziehen, so wie sie in den meisten Schulen als Rahmen .ihrer Arbeit vorzufinden ist, und aus informellen Gesetzen, die mit diesen Anordnungen zusammenhängen. Der self-contained-classroom stellt in dieser Sicht mehr als eine physische Realität dar, denn er verweist in gleichem Maß auf ein soziales Muster, ein System von periodischen und mehr oder weniger permanenten sozialen Beziehungen" (Dechert 1972: 42). An späterer Stelle vergleicht der Autor (D. C. Lortie) die auf normierter Isolierung aufbauende Autorität von Lehrern im tradierten Klassenzimmer mit der Autorität anderer akademischer Berufe mit größerem Sozialprestige und verweist damit auf ein Kernproblem der Professionalisierung von Lehrern. Dies gilt nicht nur in den Vereinigten Staaten übrigens, sondern auch hierzulande: „Es gibt Hinweise darauf, daß sich der Lehrerberuf, so wie er sich entwickelt hat, auf einer Struktur isolierter Arbeit aufbaut. Kurz gesagt, das Autonomie- und Paritätsmuster [in tradierter Schulorganisation] verschafft den Lehrern jene individuelle und spontane Freiheit der Selektion, die sie hätten, wenn sie die Privilegien besäßen, die man Leuten in hochbezahlten Berufen mit großem Sozialprestige einräumt. In soziologischer Terminologie ausgedrückt heißt das: Das Autonomie- und Paritätsmuster, mit der Isolierung als Grundstruktur, ist das funktionale Äquivalent der klar definierten Privilegien eines Arztes, Architekten oder erfolgreichen Künstlers" (Dechert 1972: 47). FLuL 27 (1998) 66 Hans- Wilhelm Dechert Solcher Organisation von Schule und der mit dieser einhergehenden Beschränkung der Rolle von Lehrern stellt die Team-Teaching-Bewegung argumentativ und in vielen Projekten offenere Formen gegenüber, in denen an die Stelle unhinterfragter Dominanz des einzelnen Lehrers in Isolierung die relativierte Autonomie und gemeinsam verantwortete Entscheidung des Teams tritt. Das Scheitern der amerikanischen Team-Teaching-Bewegung und ihrer europäischen Nachfolger, das sich in dem Festhalten an Formen geschlossener Schulorganisation manifestiert, mag auch dadurch begründet sein, daß die Professionalisierung von Lehrern und ihre Befreiung aus ihrer institutionell erzwungenen Isolierung die Voraussetzung, nicht die Folge von Team-Teaching-Organisation ist. 3. Zur Architektur von lntersubjektivität Das zentrale Kapitel "On the architecture of intersubjectivity" in Ragnar Rommetveits wegweisendem Buch On message structure: A framework for the study of language and communication endet mit dem Satz "Meaning is attained only by transcedence of the individual mind; (...) intersubjectivity has in some very important sense tobe taken for granted in order tobe achieved" (Rommetveit 1974: 86). Sprachliche Kommunikation kann nur wirklich stattfinden in einer anteilig akzeptierten Welt des Hier und Jetzt, in der Sprecher und Hörer in Interpretationsgemeinschaft agieren. Interpretationsgemeinschaft bedeutet die Annahme der Perspektive des anderen, die Konstruktion einer Architektur von Intersubjektivität im Akt der Kommunikation. Die Frage, wie in einem total asymmetrisch konstruierten Klassenzimmer, in dem kommunikative Kompetenz in der für Lehrer und Schülerinnen gleichermaßen fremden Sprache intersubjektiv durch Annahme der Perspektive des oder der anderen verwirklicht werden kann, ist eine Frage, die sich aus Rommetveits Argumentation ergibt. Die andere Frage, wie denn lntersubjektivität zwischen Lehrenden in Anbetracht tradierter isolierender Architektur möglich sei, ist in unserem Kontext ebenso von Bedeutung. "The generalized capacity to adopt the perspective of different 'others' (...) appears tobe a sine qua non in institutionalized settings involving asymmetries of various kinds, such as, for example, that between (...) the lecturer and his students. Different subsets of meaning potentials are then brought into action, depending on what is tacitly and reciprocally taken for granted as a shared social reality in each particular situation" (Rommetveit 1974: 59). Eine der möglichen "subsets of meaning potentials" einer zukünftigen Schule wäre in der Tat die Lehre im Team, in dem Intersubjektivität zwischen dem einen und (dem) anderen Lehrenden als soziale Realität konstruiert ist. Mit dieser Konstruktion wäre die totale Isolation getrennter sozialer Welten in traditioneller Schularchitektur aufgehoben. Bezogen auf Fremdsprachenunterricht hieße das wohl FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 67 auf Seiten der Lehrenden der Verzicht auf eine normensetzende Expertenrolle und Akzeptanz einer aufgeklärten Lernerrolle im Maße der ohne Frage erreichten fortgeschrittenen interimsprachlichen Kompetenz, verbunden mit der Bereitschaft zur kontinuierlichen Expansion dieser Kompetenz; auf Seiten der Lernenden bedeutete dies Einsicht in einen gemeinsamen interimsprachlichen Status bei gleichzeitiger Akzeptanz einer expandierten interimsprachlichen Expertise der Lehrenden. Der symbolische Bezugsrahmen eines solchen "subsets of meaning potential" wäre die Fremdsprache selber und das gemeinsame Bemühen um deren Erwerb im Lichte eines gemeinsamen Unterfangens um ihre mentale Modellierung. Innerhalb eines solchen Rahmens müßte auch intersubjektiv akzeptable Kontrolle und Kritik möglich sein, in dem es keine Ängste vor Fehlern und auf diese Weise Imperativverletzungen mehr geben dürfte, weil „Fehler" als nichts anderes verstanden würden als Merkmale eines transitorischen Zustandes von Expertise, der intersubjektiv besprochen und bewertet werden sollte. 4. Imperativkonflikte Im Mittelpunkt der zweiten Phase des Reutlinger DFG-Projekts von A. Wagner [et al.] (1976-1982) steht die Analyse und Beschreibung von inneren subjektiven Imperativen und Imperativverletzungen von Schülerinnen und Lehrern. Subjektive Imperative nennen die Autorinnen solche Kognitionen, die „für das Individuum den Charakter eines verbindlichen 'Muß' bzw. 'Darf nicht' haben" (Wagner [et al.] 1984: 36). Kollisionen zwischen der subjektiven Antizipation sekundärsprachlicher Äußerungen und deren vergeblicher normgerechter Realisierung bedingen Imperativkonflikte und lmperativverletzungen. Die angemessene Wahrnehmung, mentale Modellierung und Lösung dieses Problems ist die Aufgabe, vor die Lerner von Fremdsprachen, so auch Schülerinnen und Lehrer, unentwegt gestellt sind. Eines der Ergebnisse des Proj~kts im Bezug auf die untersuchten Lehrer (N=7) war, daß diese viel häufiger als die Schülerinnen Anlässe für Imperativkonflikte sich selber attribuierten. Nun ging es in diesem Abschnitt des Projekts ausschließlich um die Analyse der inneren subjektiven Konflikte der Informanten, nicht aber um die Untersuchung der äußeren institutionellen Bedingungen für Imperativkonflikte oder die Ableitung individueller Imperative aus kulturell tradierten kanonischen Imperativen. Natüdich sind aber solche Konflikte und Verletzungen, die ja in Konfrontation mit der Realität entstehen, auch durch diese Realität bedingt, und natürlich haben kulturelle Modelle einen prägenden Charakter für die Konstruktion subjektiver Imperative, so wie wir dies zuvor skizziert haben. Wenngleich nach J. Anderson (1983: 267) Sprachproduktion wie andere kognitive Aktivitäten prinzipiell als Problemlösungsvorgang modelliert werden kann und ebenso virtuell jede mögliche mentale Aktivität überhaupt (VanLehn 1990: 527), legen die folgenden Daten auf besondere Weise das Problemlösungsparadigma nahe. Jedweder Problernlösungsvorgang bedarf der Aktivierung von Suchprozedu- FLuL 27 (1998) 68 Hans- Wilhelm Dechert ren "over time", der Erfolg oder Mißerfolg solcher Suchprozeduren der Kontrolle. Problemlösen ist ein linearisiert oder parallel verlaufender Vorgang, der der Kontrolle unterliegt. Das gilt auch für Fremdsprachenproduktion als Problemlösungsvorgang. Die folgenden Passagen aus unserem Corpus beinhalten solche Äußerungen von Englischlehrern (N=7), die Probleme der eigenen sekundärsprachlichen Perzeption und Produktion in der Zielsprache Englisch zum Gegenstand haben. Was an diesen Äußerungen vor allem auffällt, ist das Bemühen der konsequenten Aufschichtung frustrierender Erfahrungen, die sich notwendigerweise aus den Paradoxien professioneller Anforderungen an Fremdsprachenlehrer ergeben und ihren Niederschlag in Imperativkonflikten finden. Diese Passagen betreffen, gemäß den involvierten Problemlösungsmechanismen und der "awareness that something is amiss", Teilkomponenten (z .. B. mangelnde Automatisierung), die von den betreffenden Informanten als nicht realisiert und damit als Verletzungen empfunden wurden. Sie waren der Anlaß zum Eingeständnis erlernter Hilflosigkeit. Als Teilkomponenten einer übergreifenden imperativen sekundärsprachlichen Kompetenz gehen sie in deren mentale Modellierung ein, ohne daß versucht wurde oder daß es gelungen wäre, diese übergreifende Kompetenz, etwa mit Hilfe des Translation-Schemas, als ein Ganzes zu antizipieren. Als isolierte aus einer übergreifenden Kompetenz dekomponierte Elemente bezeichnen sie partielle Defizite. 4.1 Imperativ: Ich muß lernen, sekundärsprachliche Äußerungen flüssiger zu perzipieren, um diese zu verstehen (12) "f: rustration kommt auf, wenn ich dem schnellen Sprechen (von Engländern) nicht folgen kann." (13) "Hoffentlich sprechen die (im Radio) nicht so schnell (...), damit ich etwas verstehen kann (...). Ich müßte unbedingt mal nach England fahren, damit ich mich an das Sprechtempo gewöhne." 4.2 Imperativ: Ich muß lernen, meine perzeptiven Fähigkeiten in der Sekundärsprache stärker zu automatisieren, um von ständiger Kontrolle entlastet zu werden (14) "Ich bin oft unzufrieden, weil ich mich so konzentrieren muß, um den Sinn des.Gehörten mitzubekommen. Ich wünschte mir, daß alles viel selbstverständlicher abliefe." (15) "Ich inuß mich beim Zuhören stark konzentrieren. Beim Lesen muß ich mich bei schwierigen Texten ebenfalls stark konzentrieren, was ich anstrengend finde." (16) "Da ich häufig Englisch höre und lese, finde ich (was den Grad der Automatisierung anbetrifft) kaum einen Unterschied zu (meiner Primärsprache) Deutsch." FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 69 4.3 Imperativ: Ich soll in der Sekundärsprache denken und träumen, ohne ständige Interaktion mit meiner Primärsprache und ohne bewußten Rekurs auf deklaratives Regelwissen ( 17) "Ich denke in Englisch, und so spreche oder schreibe ich auch." (18) "Wenn ich Englisch spreche oder schreibe, schalte ich eigentlich meine Muttersprache ab." Und dann noch stärker einschränkend: "(jedenfalls größtenteils) und ich fange an auch in Englisch zu denken und zu träumen." Das Argument des „Abschaltens" der Primärsprache und damit der Verselbständigung des Systems der Zielsprache, mit der jede Interaktion zwischen Ll und L2 und die Gefahr der Interferenz, wenn auch nicht ganz und gar, so doch „jedenfalls größtenteils" aufgehoben ist, findet sich auch in dem folgenden „tabula-rasa"-Topos wieder: (19) "Ich schalte (wenn ich Englisch perzipiere) um auf 'Neues' (... ); mein Kopf ist in dem Moment wie ein unbeschriebenes Blatt." Bezogen auf aktive Fertigkeiten im Vergleich mit den sogenannten passiven Fertigkeiten schließt ein anderer Informant die Möglichkeit der Interferenz nicht aus: (20) "Sprechen und Schreiben unterscheiden sich sehr stark bei mir (vom Hören und Lesen), als ich beim Schreiben länger nachdenke, mir Regeln bewußt werden, insgesamt stärker Interferenzen bewußt werden." Diese Passage, so scheint mir, macht deutlich, daß der kulturell vorgegebene implizite Imperativ des sekundärsprachlichen "Language of thought"-Topos als tradiertes Kriterium für die Erreichung eines unabhängigen Status der lernersprachlichen Entwicklung der L2 (beim Hören und Lesen) mit der introspektiven Erfahrung multilingualer Interaktion (Sprechen und Schreiben) kollidiert. In solchen Äußerungen ist das Link-Schema der Translation zugunsten eines monolingualen Modells (bezogen auf Hören und Lesen) aufgegeben, wird aber zur Erklärung von Interferenzen zwischen L2 und LI in Anspruch genommen. In der Äußerung eines anderen Informanten wird es in der Entgegensetzung von Emotion und Kognition aufgegriffen, aber zugleich verworfen: (21) "Ich fühle mich 'englisch' - Bilder von England und Engländern tauchen in mir auf, ich höre die Sprache ihre Intonation innerlich. Das Faiblefür alles Englische überdeckt den Denkvorgang. Es findet keirie Übersetzung statt zumindest empfinde ich das emotional so." 4.4 Imperativ: Ich muß mein sekundärsprachliches mentales.Lexikon erweitern und vertiefen, um Wörter und Idiome uneingeschränkt abrufen zu können Wortfindungsprobleme haben einen hohen Anteil an der Aufschichtung interimsprachlicher Erfahrungen unserer Informanten und spielen, häufig implizit auf das Translation-Schema verweisend, eine zentrale Rolle in ihrer mentalen Modellierung. FLuL 27 (1998) 70 Hans-Wilhelm Dechert (22) "Sehr oft suche ich beim Sprechen nach Wörtern, das ist dann frustrierend." (23) "Ich verstehe die meisten Wörter, aber der Sinn kommt doch nicht näher." (24) "Worte, die ich nicht weiß, muß ich umschreiben. Vokabeln und Idiome fehlen. Komplizierte Sachverhalte lassen sich schwer ausdrücken." (25) "(...) das Wort, was hieß das noch? Ich müßte es eigentlich im Wörterbuch mal nachschlagen, ich wußte es schon mal, habe es aber immer wieder vergessen. Aber bis ich zu Hause bin, weiß ich (es) auch schon nicht mehr, (um es im Wörterbuch nachzuschlagen und mir dann einzuprägen)." Der aus der dem Fremdsprachenlehrer übertragenen Experten-Rolle abgeleitete implizite Imperativ des authentischen Verfügens über die Zielsprache erscheint im Lichte seiner nie an ein Ende kommenden interimsprachlichen Entwicklung als die eigentliche Paradoxie seines professionellen Handelns. Er soll als Experte agieren und weiß, daß er Fehler macht, machen muß, obwohl er keine Fehler machen darf. 4.5 Imperativ: Ich darf unter gar keinen Umständen Interaktionen mit dem System meiner Zielsprache zulassen. Diese sind die Ursache von Fehlern. Ich darf aber keine Fehler machen (26) "Hoffentlich versteht der andere, was ich sagen will, und ich muß Fehler vermeiden und kein zu 'deutsches Englisch' sprechen. Wie drücke ich mich am besten aus, was ich sagen will? Ich darf keine Fehler machen! " Fehler, so gesehen, sind das Ergebnis multilingualer Interaktion, bedingt durch die Mehrsprachigkeit des Menschen. Mir scheint, daß es dringend der Diskussion über einen dieser Mehrsprachigkeit gerecht werdenden Fehler-Begriff bedarf, um Fremdsprachenlehrer auf die möglichen positiven Implikationen solcher Interaktion zu verweisen. 5. Zu den Paradoxien professionellen Handelns von Fremdsprachenlehrern Die in den Daten der von uns befragten Fremdsprachenlehrer aufgeschichteten und dokumentierten Teilkomponenten defizienter passiver und aktiver Fremdsprachenkompetenz lassen die Stringenz und das Verletzungspotential paradoxen Handelns von Fremdsprachenlehrern erahnen. Es wird ein eklatantes Forschungsdefizitsichtbar. Wie für alle Lehrer, so gelten auch für Fremdsprachenlehrer die allgemeinen paradoxen Rahmenbedingungen schulorganisatorischer Natur: Isoliert von seinen Kollegen agiert jeder Lehrer in dem institutionell ausschließlich zum Zwecke der Belehrung hergestellten Klassenzimmer, isoliert von seinen Kollegen, isoliert von aller Lebenswelt draußen; dies in einem doppelten Sinn, isoliert von der Lebenswelt der Öffentlichkeit draußen und isoliert von der Lebenswelt der Schule, die nur FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 71 in periodisch terminierten Zeitabschnitten und Räumen - · in den Pausen zum Schulhof und in den Ferien für die Welt geöffnet wird. Hochritualisierte Veranstaltungen der ganzen Schule stellen eine feierliche Art dieser Öffnung dar. In dieser Situation der Isolation soll der Lehrer belehren, nicht für die Schule, sondern für das Leben! Wie wir zu zeigen versucht haben, sind diese äußeren Rahmenbedingungen der Reflex einer defizitären inneren Architektur gestörter Kommunikation zwischen Lehrenden und den ihnen anvertrauten Lernenden. Das professionelle Handeln von Fremdsprachenlehrern im besonderen ist durch zusätzliche Paradoxien belastet. In dem zum Zwecke des Fremdsprachenerwerbs institutionell hergestellten, von aller authentischen primärsprachlichen Welt draußen ausschließlich zum Erwerb der fremden Sprache isolierten Klassenzimmer drinnen steht der im Idealfall höchstens bilinguale - Lehrer und soll mit seiner Klasse in der Fremdsprache kompetent kommunizieren. Diese Sprache ist zugleich Mittel .und Gegenstand dieser Kommunikation. Im Normalfall hat er, wie seine Schülerinnen, wenngleich auf höherem Niveau, nur interimsprachliche Kompetenz. Er kann nicht umhin, Fehler zu machen. Aber er darf keine Fehler machen! Ihm obliegt zugleich die Bewertung und Beurteilung der lernersprachlichen Kompetenz seiner Schülerinnen. Selbst wenn es so etwas wie intuitive Grammatikalitätsurteile geben sollte jahrzehntelanger Umgang mit Korrekturen und Bewertungen von Klausuren durch hochkompetente Experten lassen mich daran zweifeln -, ist der nicht-bilinguale Fremdsprachenlehrer unentwegtzumindest auchauf schriftlich fixierte Normen verschriftlichter Sprache bei der Rechtfertigung seines Urteils über die Akzeptanz von Lerneräußerungen angewiesen welch ein Paradox! Die in der interimsprachlichen Fremdsprachenkompetenz von Fremdsprachenlehrern angelegten Imperativkonflikte und Imperativverletzungen sind die subjektiven Korrelate der Paradoxien ihres professionellen Handelns. Deren objektive Bedingungen liegen in dem der Lebenswelt gänzlich zuwiderlaufenden Zwang zur nichtauthentischen Kommunikation von Lehrenden und Lernenden über die Fremdsprache in dem Medium der Fremdsprache. 6. Der Fall des Studienrat G. Im Zusammenhang mit meiner über einen längeren Zeitraum sich erstreckenden Lektüre und der Beschäftigung mit den diesem Text zugrunde liegenden Daten haben sich mir, zunächst nur andeutungsweise und schemenhaft, dann immer deutlicher werdend, Reminiszenzen an eine über vier Jahrzehnte zurückliegende Episode aufgedrängt, die einen• übergreifenden Kontext für mein Verständnis der diesen Daten zugrunde liegenden biographischen Erfahrungen hergestellt haben .. Aus Gründen der Anonymisierung muß ich auf die Nennung von Einzelheiten verzichten. Ich versichere, daß diese Anekdote, so ungewöhnlich sie auch erscheinen mag, sich so zugetragen hat. Dies ist die Geschichte eines Studienrates am Goethe- Gymnasium einer westdeutschen Kleinstadt. Ich nenne ihn StR G. Zu dem damali- FLuL 27 (I 998) 72 Hans- Wilhelm Dechert gen Zeitpunkt des Geschehens war er wohl Mitte 30, Anfang 40 Jahre alt. Er hatte sein Studium während des zweiten Weltkrieges absolviert und auf diese Weise nicht, wie heute mehr oder weniger selbstverständlich, die Gelegenheit gehabt, seine Fremdsprachenkompetenz in einem englischsprachigen Land zu vertiefen. Sein zweites Fach war Sport. Und da muß ihn wohl, als er dieses Fach wählte, der Teufel geritten haben. Er verkörperte alles andere als einen sportlichen Typ. Zu sagen, er sei körperbehindert gewesen, wäre sicher übertrieben. Aber gewisse Koordinierungsprobleme, wenngleich kaum sichtbar, hielten ihn davon ab, sich außerhalb der Schule, etwa in einem Verein als Trainer, sportlich zu betätigen, wie es für Sportlehrer üblich sein mag. Er war mithin kaum in der Lage, seinen Schülern exemplarisch sportliche Übungen mit einem gewissen Schwierigkeitsgrad vorzuführen, was im übrigen kaum einen Sinn gehabt hätte, als mancher von ihnen in seiner Freizeit Leistungssport in den verschiedensten Disziplinen trieb. So war es denn eigentlich ganz konsequent, wenn sich zwischen StR G. und seinen Schülern im Laufe der Zeit eine stille solidarische Übereinkunft entwickelte, dergestalt, daß die Schüler kreativ die Planung und Organisation ihres Sportunterrichts übernahmen, nicht regelmäßig, wohlverstanden, sondern bei passender Gelegenheit. Was dann dazu führte, daß ihr Sportlehrer, dann und wann, die Stunde schwänzte. Diese bemerkenswerte Form von Schüleraktivierung ging so lange gut, bis sich eines Tages in StR G.'s Abwesenheit ein unvorhergesehener Unfall ereignete, mit Gottes Beistand nur ein geringfügiger ohne gesundheitliche Folgen, aber einer, der die ganze Sache auffliegen ließ. Was den Unterricht in seinem ersten Fach Englisch angeht, so ist etwas Derartiges nicht bekannt geworden. Wie konnte es auch, da er wohl aus gutem Grund nur in der Unter- und Mittelstufe unterrichtete, was ihm zwar Disziplinschwierigkeiten einbrachte, aber nicht vor allzu große philologische Probleme stellte. Nur gelegentlich wurde der eine oder andere seiner anglistischen Kollegen auf solche Probleme aufmerksam, wenn er in der Pause kurz vor der folgenden Stunde geflissentlich um die Lösung von linguistischen Fragen gebeten wurde, die gleichwohl Zweifel an der Qualität des geplanten Unterrichts aufkommen ließen. Aber, wie gesagt, das spielte sich nur hinter vorgehaltener Hand ab, und ohne Frage haben seine Schüler/ -innen auch Englisch gelernt. Einen tiefen Einblick in die Paradoxie seiner professionellen Identität aber lieferte die folgende Gewohnheit, von der nur ganz wenige an seiner Schule wußten. Ab und zu versuchte er seiner Fallensituation dadurch zu entgehen, daß er ein in der Nähe des Bahnhofs gelegenes Cafe aufsuchte, um dort, wie er selber gestand, den vorbeirauschenden Zügen zu lauschen, die ihn, virtuell würde man heute sagen, aus der konkreten Situation entführten. Da der Schulort nicht an einer der führenden Haupttrassen der Bahn gelegen war, waren solche Fluchtmöglichkeiten zeitlich außerordentlich begrenzt. Wenn ich mich recht erinnere, hat StR G, nicht sein Pensionierungsalter erreicht, was wohl eine gütige Fügung des Schicksals genannt werden darf, wenn man unterstellt, daß sich die geschilderten depressiven Symptome mit zunehmendem Alter kaum verringert hätten oder gar verschwunden wären. · In einer 1982 veröffentlichten empirischen Untersuchung (Hamman/ de Mayo) an 75 Sekundarschullehrem (38 weibliche, 37 männliche) verschiedener Fächerkombinationen an drei die ethnische Zusammensetzung der Schülerpopulation im Schuldistrikt von Los Angeles repräsentierenden Schulen kommen die Autoren unter anderem zu dem Ergebnis, daß mindestens 15 dieser Lehrer klinisch signifikante Depressionssymptome zeigten. Die mit der Erfahrung von Schulstreß in Zusammenhang gebrachten Begründungen für die Abwesenheit der Lehrer vom Unterricht machten zwei Drittel aller angegebenen Gründe für ihr Fehlen aus. Kognitive FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 73 Korrelate des in der Schule erfahrenen Stresses und der mit diesem einhergehenden Depressionssymptome waren nicht so sehr, wie zu erwarten, Kausalattributionen, die die Arbeitssituation als solche betrafen, als vielmehr die Vermutung der Lehrer, ihnen stehe nur eine zu geringe Kontrolle über die ihren Streß verursachenden Umstände zur Verfügung. Zu den mannigfaltigen kontextuellen Bedingungen für diese Erfahrung rechnen die Autoren Problemschüler, administrative Entscheidungen, unzureichende Unterstützung durch die Öffentlichkeit und durch die Eltern und ungenügende Aus~ und Weiterbildungsmöglichkeiten. Als entscheidenden Faktor für die mangelnde Lösung der genannten Probleme sahen die Befragten ein eklatantes Defizit an Kontrolle. Natürlich können die Ergebnissse dieser in einem anderen sozialen, pädagogischen und lingualen Kontext vor mehr als 15 Jahren gewonnenen Ergebnisse nicht auf heutige europäische Verhältnisse übertragen werden oder von uns als Erklärung für die von uns erörterten Probleme deuscher Fremdsprachenlehrer herhalten. Aber sie werfen Fragen auf, die im Kontext der von uns erörterten Thematik einer Beantwortung harren. Was nötig ist, ist die Untersuchung der Bedingungen und der Genese professioneller Paradoxien und Verlaufskurvenpoteniale in biographieanalytisch erschlossenen Mentalen Modellen von Lehrern im allgemeinen und von Fremdsprachenlehrern im besonderen, wenn deren Hilflosigkeit und Imperativverletzungen an ein Ende kommen sollen. 7. Anhang Mentale Modelle "If the organism carries a 'small-scale model' of external reality and of its own possible actions within its head, it is able to try out various alternatives, conclude which is the best of them, react to future situations before they arise, uitilize the knowledge of past events in dealing with the present and future, and in every way to react in a much fuller, safer, and more competent manner to the emergencies which face it" (Craik 1943, zit. nach Johnson-Laird 1983: 3). "lt is now possible to suppose that mental models play a central und unifying role in representing objects, states of affairs, sequences of events, the way the world is, and the social and psychological actions of daily life. They enable individuals to make inferences and predictions, to understand phenomena, to decide what action to take and to control its execution, and above all to experience events by proxy; they allow language to be used to create representations comparable to those deriving from direct acquaintance with the world; and they relate words to the world by way of conception and perception" (Johnson-Laird 1983: 397). "You may say that you perceive the world directly, but in fact what you experience depends on a model of the world. (...) The nature of the mind and its perceptual system exert a decisive effect on the world we perceive. On the other hand, if there ceased to be any objects emitting or reflecting light, the world we experienced would again be very different. In short, our view of the world is causally dependent both on the way the world is and on the way we are. There is an obvious but important corollary: all our knowledge of the world depends on our ability to construct models of it. Since this ability is a product of natural selection, our knowledge indeed depends on our biological make-up as weil as on things-inthemselves. I take this to be the essential moral of Kant' s philosophy" (Johnson-Laird 1983: 402 f). FLuL 27 (1998) 74 Hans-Wilhelm Dechert "It is typical of mental models that they are incomplete and approximate, rather than being true scientific theories, though this is not a necessary property, because a mental model that was complete and accurate would not be a contradiction. They also have a semantic component, and they reflect the knowledge, experience, and goals of the individual, even though not all this information is actively represented at any time. This means that mental models can reflect multiple constraints, not all of which are incorporated into the mental model itself. Mental models can be retrieved from memory, where a particular representation has been associated with that situation in the past, they can be transferred from another situation and used by analogy, or they can be constructed out of components obtained from both of these sources. Analogies are mappings from one representation to another, so the fact that mental models comprise representations means they can be used in analogies. Therefore Johnson-Laird' s idea that mental models are structural analogies is preserved in this definition" (Halford 1993: 23f). Kulturelle Modelle "Cultural models are presupposed, taken-for-granted models of the world that are widely shared (although not necessarily to the exclusion of other, alternative models) by the members of a society and that play an enormous role in their understanding of that world and their behavior in it" (Quinn/ Holland 1987: 4). "In either proposition-schematic or image-schematic form, by way of metaphor or not, cultural models draw on a variety of types of idealized events, actors and other physical entities in these events, and relations among these, all of which are available to our understanding of ordinary experience: the typical, the stereotypical, the salient in memory, the mythic, the ideal successful, the ideal happy, and so on" (Quinn/ Holland 1987: 31). Mentale Alltagsmodelle "Human beings strive to connect related phenomena and make sense of the world. In so doing, they create what I call folk theory. The ward folk signifies both that these theories are shared by a social group and that they are acquired from everyday ecxperience or social interaction. To call them theories is to assert that they use abstractions that apply to many analogous situations, enable predictions, and guide behavior. I contrast folk theories with institutionalized theories, which are used by specialists and acquired from scientific literature or controlled experiments. Thus, a folk theory is one type of cultural model (Kempton 1983: 222). "l. Mental models are incomplete. 2. People's abilities to 'run' their models are severely limited. 3. Mental models are unstable. (...) 4. Mental models do not have firm boundaries. (...) 5. Mental models are 'unscientific'. 6. Mental models are parsimonious. (...) People' s mental models are apt to be deficient in a number of ways. (...) As scientists who are interested in studying people's mental models we must (...) learn to understand the messy, sloppy, incomplete, and indistinct structures that people actually have" (Norman 1983: 8/ 14). Problemlösungsparadigma "Language generation is similar in character to other cognitive activities, and its structure is basically a problem-solving one. (...) We tend to associate slow, conscious, and effortful processing with problem solving and automatic processing with language generation. However, there are many problem-solving situations where behavior is automatic (...) and situations where language generation is effortful, as in speaking a foreign language. The issue of conscious effort versus automaticity is one of practice, not one of problem solving versus language" (Anderson 1983: 267). "Although virtually any human activity can be viewed as the solving of a problem, throughout the history of the study of problem solving, most research has concerned tasks that take minutes or hours to perform. FLuL 27 (1998) Mentale Modelle der Perzeption und Produktion von Fremdsprachen ... 75 Typically subjects make many observable actions during this period, and these actions are interpreted as the extemally visible part of the solution process. Even if subjects are required to solve problems in their heads ( ...), they are asked to talk aloud as they work, and the resulting verbal protocol is interpreted as a sequence of actions ( ...). Thus the tasks studied are not only long tasks but also multistep tasks" (Van Lehn 1990: 527). "Problem solving, as I will use the term, involves recognizing that a problem exists, forming some initial mental representation (model) of it, transforming an initially vague model into one that is better specified, and eventually, if all goes weil, using the model to plan and execute a concrete solution This extended process of problem finding, defining, and refining, which I call model construction, provides ample opportunity for the exercise of imagination. ( ... ) A problem arises with the perception of a 'problematic situation' (...) This essential perception has two aspects: (1) awareness that something is amiss and (2) awareness of one's inability to directly resolve the difficulty by immediate action. The range of circumstances in which something can be perceived as being 'amiss' is, of course, enormous. ( ... ) As the term is meant to suggest, a problematic situation is not yet a problem; rather it is the precursor of a problem. The problem solver must now begin to analyze the circumstances of the situation in order to form an initial problem model a symbolic intemal description of the problematic situation that can then be manipulated by problem-solving methods" (Holyoak 1984: 194--198). "( ... ) metacognitive or managerial skills are of paramount importance in human problem solving. (...) A related finding is that experts are able to estimate the difficulty of a task with higher accuracy than novice.s. ( ... ) The hypothesis that experts have more schemas than do novices is consistent with their superior self-monitoring ability. Suppose that subjects estimate the difficulty of a subproblem by first finding the best-fitting schema, then combining its known difficulty with an estimate of the quality of the fit. The estimated quality of fit is needed because a poorly fitting schema means some extra work may be required to derive the information the schema needs from the problem. If this is how subjects estimate difficulty, then experts should be better at it because their schemas are more plentiful and more specialized so the fits are better. Thus their estimates of difficulty are dominated by the known difficulties of the schema, which is presumably more accurate than the process that estimates the quality of the fit" (Van Lehn 1990: 562 f). "Basically, two points are apparent. First, the use of schemata is an important means by which knowledge can be organized. A schema, for our purposes, is a set of assumptions and rules for interpreting new information that is triggered when certain conditions are satisfied. A likely trigger is the presence of information that confirms a threshold number of the schema' s assumptions, but more refined trigger mechanisms are probably learned with practice.- The second conclusion drawn from our studies of experienced experts ( ... ) is that there have to be ways of which a schema can spawn an offspring that is a more specific and detailed version of the original. In this 'clone-and-refine' process, the initial ( ... ) schema is retained, but a specialized schema also develops as an expansion of the initial one" (Lesgold 1984: 43). Bibliographische Angaben AITKINHEAD, A. M./ SLACK, J. M. (eds.) (1985): lssues in cognitive modeling. London [usw.]: Erlbaum. ANDERSON, John R. (1983): The architecture of cognition. Cambridge, MA: Harvard University Press. ANDERSON, John R. / KüSSLYN, Stephen M. (eds.) 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Edmondson Subjective Parameters describing Teaching Roles Towards a theory of tertiary foreign language instruction Abstract. lt is argued that teachers' perceptions of their role(s) in foreign language teaching have a .dedsive influence on teaching effectiveness. The nature of these perceptions is investigated via an applied discourse-analytic treatment of .a recorded group discussion held by four university teachers of English in Germany. Two major parameters are proposed to capture performance variables. They are the role of theory in teaching practice, and the influence of the context of communication. Three perceptually distinct, but in practice co-present teaching roles are then developed according to these three perceptions, teaching is at the same time an institutional, a professional, and a personal activity. Differences in the weightings given these three roles lead to radically different views regarding appropriate teacher-pupil role relationships. 1. lntroduction "There is a quaint, old-fashioned und ultimately highly damaging British view that teaching . is an art. Higher education carries much of the blame for this view. lt is responsible also for the second factor that prevents an applied science of teaching the low status of applied and practical work in educational research" (David Reynolds, reported in the Times Higher Educational Supplement, May 22, 1998) In this article I wish to investigate the teaching of English as a Foreign Language at tertiary level. In particular, the question as to the teacher' s role will be explored. Tue exploration will be based on subjective data, in two senses. Firstly, the question will be investigated via the perceptions, insights, claims, boasts, theories and reported practices of experts, namely a highly experienced group of language teachers. Secondly, such subjective data will be filtered through the author's own cognitive/ affective perceptions. Tue goal is to reveal what appear as critical parameters, along which individual experiences, beliefs or proclivities are presented and/ or perceived. Tue article is structured as follows: firstly, the focus taken in this investigation will be described and argued for. Secondly, the methodology adopted will be elaborated, reference being made thereby to a preliminary investigation into teacher attitudes and beliefs, which can be seen as a precursor to the present study. The core of the paper consists of the analysis of a group discussion between university teachers of English. The analyis will be conducted on two levels in sections 4 and 5, focussing respectively on parameters of performance, and parameters of perception. A brief summary concludes the paper. FLuL 27 (1998) 82 Willis J. Edmondson 2. The Role Relationship Teacher-Learner The general assumption in. the paper is that the nature of the working relationship between teacher and leamer, between Lektor 1 and student, is of central importance in terms of leaming outcomes, i.e. the success of the language course concemed. This assumption can be supported on theoretical, observational, and pedagogic grounds. In supporting it, I shall then in turn refer to foreign language classroom leaming theory (2.1), the motives and goals operating for the special case of univetsity courses for students of English (2.2), and views of language teaching currently promulgated inside pedagogic theory (2.3). 2.1 The Interaction Hypothesis for FL teaching Consider the view of classroom learning developed by Allwright, and in particular the 'interaction hypothesis' he proposes (Allwright 1984). The starting-point for this hypothesis is the observation that leamers do not necessarily leam what teachers teach, and that, moreover, different leamers leam different things from the same lessons. This leads to a view of the classroom as a social event offering different kinds of leaming opportunities, which will be exploited, ignored, expanded upon or rejected in different ways by different leamers. lt is inside such a view of classroom leaming that the central role of classroom interaction becomes crucial, as, in Allwright' s formulation: "the processes of classroom interaction determine what leaming opportunites become available to be learned from" (Allwright 1984). Allwright further claims that inside the foreign language classroom the interactional process constitutes the process of language leaming/ acquisition. 2 If this second claim is accepted, it follows that the term 'interaction' now covers not only observable interactional structures and discourse pattems ('extemal interaction'), but also the cognitive processes underpinning and triggered by such discourse ('intemal interaction'). In other words, attention-focussing, noticing, awareness, restructuring, and affective dimensions of behaviour, which influence energy investment, depth of processing, and so on, are also to be captured in the term 'interaction'. On this view, then, language acquisition is to be located in the interaction between extemal and internal factors inside the learner, and this interaction is extemally stimulated by the interactional processes by means of which lessons are realized. I have decided to write this paper in English because the data on which it is based is in English, and will be cited extensively. As, however, the context and provenance of both data and paper are totally German, I shall, on occasion, indulge in code-switching, especially when using terms relevant to the German educational system, for which a translation would be both inadequate and possibly misleading. 2 In what follows, I shall use the terms 'leaming' and 'acquisition' in free variation. FLuL 27 (] 998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 83 The argument is, then, not only that student/ lecturer role relationships in large part determine patterns of interaction, and therefore the provision of learning opportunities, but that they will also impact on what use is made of such opportunities for purposes of learning. 2.2 The case of university language classes for students of English My concern will be the teaching of English to advanced, adult students of English, as opposed to learners of English (students of physics attending ESP-courses, for example, are for my purposes here learners, not students). For main-stream students of English, there is, I suggest, in the normal case no dear-cut professional purpose inherent in such a course of studies. This means inter alia that the goals of the language learning/ teaching component of such a course of studies cannot be readily defined externally, i.e. in terms of real-world knowledge, skills, domains, or purposes 3 ( on the distinction between external and internal language teaching goals, see for example Edmondson & House 1993, 278-281). External syllabus specifications tend, then, to be rather general, referring perhaps to such things as degree of grammatical control, near-native pronunciation, active and passive control of a variety of different types of text, and suchlike. There is, then, I suggest, considerable scope for interpretation concerning how such broad syllabus specifications are to be implemented in practice. One procedure is to re-define the syllabus specifications internally, referring maybe to some testing procedure such as a translation, or to some activity such as the stylistic analysis of a piece of English literature (either or both may further be enthroned in a Staatsexam, for example). The syllabus becomes, in consequence, arbitrary, in that it is determined by the internal goals of the curriculum. Backlash and vicious circling result. In practice, then, syllabus specifications for university English courses for students of English are likely to be either rather open to interpretation, or determined by chance and/ or tradition. This is not to say, of course, that individual lecturers might not well have their own totally clear notions as to what the goals are for the course or courses they teach. Similarly, it is totally plausible to assume that some students especially, perhaps, if English is studied as a minor and not a major study option also have quite clear goals underpinning their participation in English language classes, goals which, however, may have little or nothing to do with the study of English in a traditional philological sense. As regards the effectiveness. of professional encounters between teachers and students, the question now arises whether and to what 3 This is not true for students aspiring to become secondary school teachers inside the German education system (Staatsexarnkandidaten/ -innen). However, specific-purpose language courses focussing on L2 classroom discourse, and, for example, various modalities of assessing leamer interlanguage performance are not, to the best of my knowledge, seen as an inherent part of the education of students of English aspiring to teach, though it seems rather obvious that they should be. FLuL 27 (] 998) 84 Willis J. Edmondson extent there is common ground between the specified (albeit, I have suggested, somewhat nebulous) goals laid down for the course of studies, the teaching goals set up for specific courses, the goals set up by different teachers, possibly teaching the same course or courses, and the personal goals and/ or motives underlying the attendance of the individual students, which, again, are likely to differ from one student to another.. My argument is, then, that this issue of mapping such "personal agendas" (in the sense of Schumann/ Schumann 1977) onto group encounters is particularly problematical for university language courses for students of English. lf personal agendas differ, then clearly some interactional work is necessary, if the encounter is to offer relevant leaming/ teaching opportunities for afl participants. The thrust of the argumentation is therefore to support the contention that the working relationship between teacher and leamer, between Lektor and student, is of central importance in terms of leaming outcomes, i.e. the success of the language course concemed, as perceived role relations to a large extent determine the nature and role of interaction and negotiation in classroom encounters. 2.3 The View from foreign Ianguage teaching theory This view is further consistent with various trends inside foreign language pedagogy and in teacher training (inside Fremdsprachendidaktik), which are covered by terms such as 'experiential learning', 'leamer autonomy', 'process-teaching', and doubtless others. Thus Kokonen (1992) distinguishes between "traditional" and "experiential" models of education, invoking various dichotomies, including: the nature of the power relationship holding in the classroom (emphasis on teacher' s authority versus viewing the teacher as a 'leamer among leamers') the nature of the teacher's role (frontal instruction versus leaming facilitation) the concept of a syllabus (static versus dynamic/ ptedefined versus open) view of leaming control (teacher-structured versus self-directed) Motivation (extrinsic versus intrinsic). 4 There is some overlap between the distinctions set up in comparing these two 'models' and the paradigm shifts inside language education and foreign language teacher training postulated in Legutke 1993, 307. Legutke characterises the new paradigm shift via, for example: a focus · on tasks and meaningful activities, inside which the leamer is not a passive recipient of language form, but an active and creative language user 4 a shift from the leamer as individual to the leamer as member of the social group actively involved in co-managing the leaming process Adapted from Kohonen (1992: 31). FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 85 a view of the course syllabus as something to be negotiated, rather than something to 'get through' or tobe 'complied with' new definitions of the roles of teachers and learners a theoretical focus on the learning process itself (rather than teacher input and/ or learner output). This focus leads to the view that much of the responsibility for successful language learning rests with individual learners and with their ability to take füll advantage of opportunities to learn. Both Kohonen and Legutke claim tobe simply describing, though in both articles the distinction between description and advocacy becomes blurred. 5 However, it is not my purpose to evaluate the accuracy or appropriacy of these distinctions, nor is it to be assumed that that which is set up in opposition to 'traditional' practices is thereby preferable, and more effective. My purpose is not to use these categories as yardsticks, against which the sulJjective accounts in my data are to be measured. My purpose is simply to show that the focus on the role. relationship between teacher and student s.eems to be of critical moment inside some current pedagogic views on teacher training and teaching practice. In fact, it will become clear that issues raised by Kokonen and Legutke map directly onto the topics discussed in my data. 3. Data and Methodology: subjective theories Tue use of group discussions as a source of evidence for the construction of theories of social behaviour is well-established, and is fairly common in some fields of enquiry (Dreher/ Dreher 1982). To the best of my knowledge, however, this elicitation procedure has not been adopted inside research into foreign language teaching and learning. The resultant data is clearly subjective, in the technical sense that an extemal validation of the truth value of its propositional content can only be carried out, if at all, by highly indirect means, which allow, at best, a probabilistic deduction. In other words, only the subject producing such data is really in a position to evaluate its truth-value. This means that the researcher is faced with a dual problem, as it is necessary to distinguish between objective and subjective validation, given that it is possible to topicalise one's own belief systems. Thus, given an utterance of the kind "I don't think I'm an authoritative teacher at all actually", we can ask whether the speaker is in fact an 'authoritarian teacher', a proposition that is in principle empirically testable, despite problems regarding the operationalisation of the key term 'authorative'; but we can also ask whether or not the speaker really thinks this is the case, and this second issue is much more 5 Blurring is in fact often built into such oppositions via the terms used. Who, for example, can be against active language use in the classroom, against co-management, negotiaiton, or a focus on the learning process? FLuL 27 (1998) 86 Willis J. Edmondson difficult to assess, being a subjective claim. Note, too, that the subjective claim may be true, although the objective one is not, and vice versa. This issue of Fremdsprachen Lehren und Lernen is devoted to teachers' subjective theories. The question as to what conditions need to hold, before a set of subjective data (a teacher's report on personal practices and beliefs, for example) can be construed as a subjective theory (of language teaching and/ or of language leaming) is subject to debate (see for example Groeben [et al.] 1988, Grotjahn 1991, Edmondson 1996, and cf. the Introduction to the thematic section of this issue). The theory developed by Groeben [et al.] 1988 invokes different types of subjective theory (using this term in a broad, non-technical sense), which can be constructed for different explanatory purposes. lt is important to realise that the notion of 'subjective theory' involves more than simply recording what subjects report about themselves. Inside Groeben [et al.]'s theory, they recomrnend first of all investigating the rationality and completeness of subjects' theories via 'communicative validation'. Via talk, therefore, subjects may be encouraged to explore things like the internal consistency of the views they put forward. Tue procedure raises critical issues, it seems to me. Although it is clear that humans may be viewed as 'rational' agents, it is by no means clear that our belief-systems and/ or motives are logically consistent. lt seems to me that the claim that they are should be the outcome of empirical validation, and not its premiss. Further, of course, this first validatory phase communicative validation is open to the objection that what is said in conversational behaviour is often determined by the demands of the communicative situation, rather than the dictates of one's beliefs or goals (this issue is raised once more in section 4 following). This truism is built into Groeben et al' s research programme, in that it is accepted that such validatory procedures may actually affect not only what subjects report about their beliefs and motives, but thöse beliefs and motives themselves. Communicative validation, we might say, thus becomes a form of communicative action research. We are now faced with an infinite regress, however, since if a validation procedure may actually change that which it seeks to validate, one presumably needs to go on to communicatively validate the effects of the initial communicative validation. Groeben et al recognise this, too, and therefore go further than communicative validation, and require 'explanatory validation', i.e. empirical verification. Exactly how such procedures might be operationalised in a concrete case remains, however, open. A major problem for such empirical observation is the initial recognition that there often is in fact no one-to-one correspondence between subjective theory and practical action. 6 Tlie claim that there is such a correspondence is in danger of making 6 That discrepancies may arise between what teachers say they believe, what they say they do, and what actually happens in their lessons is well-documented (e.g. Dinsmore 1985, Winkler 1988, Zimmermann 1984; 1990, Savignon 1991). Cases in which teachers appear to operate with mutually-incompatible goals and/ or belief systems - 'irrational subjective theories', perhaps are also well-documented (see e.g. Wagner 1987). FLuL 27 (] 998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 87 subjective theory construction an exercise in reconstructivist psycho-analysis, it seems to me. There are therefore, in my opinion, serious problems with the ·research programme, and I do not wish, inside this paper, to operate inside the programme set up by Groeben and co-workers, and laid out in Grotjahn (1991). lt will be preferable, therefore, to avoid the term 'subjective theory' in what follows. My purpose, then, is not to characterise subjective theories of teaching, but, more modestly, to set up perceptual parameters, along which belief-systems, goals and practices reported on by different individuals can be located. 3.1 Individual Scripted Interviews (Student/ Lecturer) Before detailing the methodology of the present study, I wish to report briefly on an earlier piece of work, carried out by a group of students as part of their M.A. course of studies in Sprachlehrforschung. This early study is relevant in terms of giving further substance to the 'Critical Role-Relationship-Hypothesis' developed in 2. above, and is also relevant to the following discussion of subjective data collection procedures. Inside· a seminar entitled "Fremdsprachenlernen an der Universität: Ziele, Probleme, Lösungen", a project was conceived and carried out involving interviewing members of the language teaching staff at .the University of Hamburg. The interviews were structured, a wide range of different issues having been decided upon by the dass. Each interview was conducted individually between student and member of teaching staff, the majority being tape-recorded. Tue students simply approached different members of staff, and interviewed those willing to cooperate. Some participating teachers were willing to be interviewed, but not willing to have their comments taped. In such cases, two students took part in the interview, and together reconstructed the content afterwards. Tue data was analysed on a topicbasis only. In other words, profiles of individual participating teachers were not established or compared. Of specific relevance in the context of the present study was the following sequence of questions: TOPIC 8. Inwiefern stimmt es Ihrer Meinung nach, daß die Studierenden selbst die Verantwortung für ihren Lernerfolg übernehmen müssen? TOPIC 9. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, die Studierenden zu motivieren? TOPIC 10. Selbstverständlich sollten Lehrlp-äfte eine gewisse Autorität haben. Was verstehen Sie darunter? Nineteen interviews were carried out and documented, covering a wide range of languages and several different types of courses, with both contract teachers and full-time members of staff. In documenting this project, the participating students classified the answers they received to different questions, thus enabling a simplistic statistical resumee, before going on to more qualitative interpretation. As regards the question as to who, ultimately, bears responsibility for learning FLuL 27 (1998) 88 Willis J. Edmondson success, or the lack thereof (topic 8), nine answers from the interviews could be classified as saying that this responsibility was shared between student and teacher, seven claimed that the student (but not the teacher) bare this responsibility, while just one person claimed that the inverse holds (the answers given in two interviews could not be slotted into these categories). As regards motivation (topic 9), thirteen answers viewed motivating the students as a major concem of the teacher, three responses focussed more on not diminishing the students' motivation, and just two responses claimed, essentially, that a concem with motivation on the part of the teacher was unnecessary. Interestingly, the answers to topic 7 and to topic 8 appear to be independent, in that a belief that it is the student who bears responsibility for leaming is totally consistent with a belief that it is the teacher' s job to motivate. The opinions on the issue of authority (topic 10) are both varied and cautious. The clearest views refer to the professional competence of the teachers (five responses), their responsibility for the teaching programme "die Verantwortung, die sie für den Fremdsprachenunterricht übernehmen"), or that they be shown respect ,as teachers. These three views did not overlap. A complete lack of interest in the notion of 'authority' was voiced three times, while the view that a non-intimate relationship between student and teacher "nicht-kumpelhafte Beziehung") is desirable was expressed by two interviewees. Of particular interest inside this configuration of views is that the teacher' s responsibility for the teaching programme is seen as a major source of his or her authority, while at the sarne time the responsibility for leaming was seen to lie either wholly or equally with the student. The students conducting the interviews did so in the context of a seminar on Sprachlehrforschung 7, and reported that six of the teachers interviewed were critical of research in general, and of Sprachlehrforschung in particular, when answering the last scheduled question, which was simply an invitation to add any points not raised so far in the interview. This figure assumes even more significance when one considers that the teachers interviewed were self 0 selected in terms of their willingness to cooperate with the students on a project inside Sprachlehrforschung, and when we further consider that at least four of the teachers interviewed would have had no contact with Sprachlehrforschung whatsoever, as teachers of languages such as Chinese are not engaged by the university department in which Sprachlehrforschung is also taught. This is interesting in that a distrust of or indeed open hostility towards - 'theory' and 'research', towards what is perceived as ivorytower academical posturing is attested in the literature. Such attitudes are apparently widespread among teachers, and are not restricted to the case of the foreign language teacher (cf. for example Schlotthaus/ Noelle 1984, who report on interviews 7 In Hamburg the language teaching programmes for the more commonly-taught languages and the programme for students of Sprachlehrforschung are organised and located inside one department. FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 89 with teachers of German regarding their opinion of and approach to the communicative teaching of German). Tue results of this student project raise relevant issues, and demonstrate that a wide range of different opinions appear to hold inside the group of teachers interviewed. Clearly, however, the general pröcedure is open to criticism, as pointed out by the students themselves in their documentation. For example: Tue interviews were conducted in German, and the questions posed by the students were often differently interpreted by different subjects, and, indeed, in some cases ignored. Over half the students reported some tension before and/ or during the interview, possibly resulting from the duality of the role relationship in the elicitation context (roughly: A investigates B for research purposes, and A attends classes given by B for educational purposes). 8 Tue elicitation technique meant that very many different topics. were addressed, many of which may have .been of no importance whatsoever to the interviewees. 3.2 Small Group Discussion (Four lecturers, one researcher) Such problems are to some extent inherent in any form of subjective data elicitation. lt seemed appropriate, however, when planning a follow-up study, to use a different data-elicitation technique. The data for the following exercise in applied discourse analysis consists of a minimally-steered recorded discussion held between four university teachers of English, in the presence of the author, who sought to focus, re-direct, or summarise the topic(s) raised on four occasions, and who also participated on the content level during the later stages of the recording. Each of the four teachers of English has a füll-time university teaching post and a minimum of fifteen years experience in teaching English inside the German university system. All four are further known to each other personally via professional and private contacts, being employed in the same institute. The author is known to them also, but does not teach English, and has no direct responsibility for the English language teaching programme. All five particpants were bom in English-speaking countries, and English was the language of discussion. 8 The students reported, fo rexample, as follows: "Andere fühlten sich in eine Prüfungssituation versetzt und versuchten, die 'richtige' Antwort zu geben. Bei vielen Interviews hatten wir das Gefühl, daß durch die Präsenz des Kassettenrecorders die Dozenten nicht ganz frei redeten. Mögliche imaginäre Repressionen am Arbeitsplatz durch zu offene Meinungskundgabe beeinträchtigten unserer Meinung nach die Spontanität und Unbefangenheit der Probanden, was sich auf die Klarheit der Daten auswirkte... Unsicherheit ist sicherlich ein Stichwort in diesem Zusammenhang. Ein klar formuliertes didaktisches Credo konnte man nur bei ganz wenigen Personen ausmachen. Einige schienen die Fragen als Angriff auf ihre Person zu verstehen und antworteten dementsprechend leicht aggressiv oder begaben sich in eine Verteidigungsposition." FLuL 27 (1998) 90 Willis J. Edmondson An invitation to join in such a discussion was issued by the author via a telephone call, during which the following points were made: - The invitation was issued on a private basis, there being therefore no obligation to participate. - The talk would be recorded, and the author made it clear that he intended to use the recording as the basis for a publication, which would then contain transcribed excerpts. - Assuming this took place, the identity of the individual speakers would not be revealed (unless individuals wished tobe named). - The general focus would be on the role of the teacher in tertiary foreign language teaching, embracing issues such as authority, responsibility, and motivation. A time-slot of ca. 90 minutes was suggested, agreed to by' the participants, and fully used. 4. Parameters of Performance This discussion of research methodology, and issues of content validation will now be made more concrete via an attempted systematic treatment of performance parameters in the recorded data. The question to be handled here on a theoretical level is where, so to speak, the expressed opinions have their source. Why do the speakers say what they say? Two parameters will be proposed. Tue first concems the relationship between 'theory' and 'practice'. At issue here is how far in discussion reference is made to pedagogic edict or theory, and teaching practice explicitly based thereon, and how far practice is simply presented as theory, or indeed as self-justificatory. How far, we might ask, is speakers' pedagogic practice presented as the consequence of pedagogic persuasion, and how far is pedagogic persuasion simply a reflex of teaching experience? Along this parameter, different positions can be distinguished. In Diagram 1, foHowing the top-down versus bottom-up metaphor, whereby concepts are imposed upon or derived from behaviours, we may represent this parameter on a vertical scale. The second parameter concerns one aspect of the issue of validation, as raised in 2 above in the discussion of subjective theory research program. This parameter may be presented horizontally. What emerges then is as in Diagram 1: . Context of Cornmunication Beliefs/ Principles ['theory'] Memories/ Episodes ['practice'] Diagram 1: Where does what is said come from? FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 91 The vertical scale concerns then different weightings, according as what is said refers more to what is done than to what is believed, is more derived from practice than from principle, while on the horizontal scale the issue is how far what is said is a function of the situation of saying, and how far it is a function of the preexisting representations of belief systems/ recorded behavioural practice represented inside the speaker. lt is important to realise that both parameters are descriptive, and represent clines. As Diagram 1 (page 90) attempts to show, there is always a mix. For example, only a fool or a bigot holds on to belief systems that are contradicted in experience, and all communicative behaviour is conditioned by contextual constraints to a greater or lesser extent. I wish now to illustrate these two parameters in operation. 4.1 Principles and Practice The total discussion is clearly weighted towards behavioural practice, as opposed to pedagogic principle, or language learning theory. In fact, leaming is not a central issue in the data, although presumably the main point of giving English classes is clearly that learning of some kind takes place, and whether this happens is the main yardstick for evaluating pedagogic practice. There are in fact six references to students' learning in the discussion, and four of these are very general (e.g. "it is part of our task to give them something / \ to set up a learning .. procedure and .. " [Davies 9 ], or "they are / \ very interested in trying to learn that, and improving .. " [Bailey]. In just two further cases (DI and D2)1°, teaching behaviour and/ or teaching content is related to aspects of learning: Dl: ... and I think it's quite important for language learning that they have tobe relaxed [Corder). D2: ... it had to do with aktives Lesen .. with learning strategies / \ reading strategies and so on .. [Bailey) However, there are clear individual differences on this parameter, in that, for example, Austin's contributions are practically confined to descriptions of this person's own classes. Tue following extracts illustrate this tendency: 9 The four participants will be named Austin, Bailey, Corder, and Davies, these names being culled from the bibliography in Ellis 1994, chosen in terms of comparability and familiarity, and assigned rather arbitrarily. To assure syllabic conformity, and alphabetic continuity, the author will be identified as Edmond. 10 Data excerpts will be numbered sequentially throughout (DI - Dn) for ease of reference. When single tums are cited, or extracts therefrom, the source will be given afterwards in square brackets: in dialogic extracts, however, the speakers will be named before their tums. All elements enclosed in square brackets are comments: pausology is indicated (minimally) by arrowheads, heavy stress by italics. FLuL 27 (1998) 92 Willis J. Edmondson D3: Edmond: No. I mean is it that the language goals are non-negotiable / \ but the content you use or work with in order to reach them may be / \/ \ is that the difference? [Two or three turn claims] Austin: .. weil for example erm I assign them oral presentations / \ we can call them oral reports whatever you wantA but they often have then the chance to choose the topic it has tobe approved by me but that's basically to see that there's no repetition in the class we ... (followed by a further 80 words of descriptive exposition). Here the answer offered to the elicitation by Edmond is a further exemplification, In another extensive sequence, focussed on the topic of authority, Bailey and Corder discuss individual cases in which students directly challenged them for different reasons. Austin' s first contribution to this discussion essentially leads to a change of focus, and is as follows: D4: I think the Eingang especially you might say in this regard is probably the most difficult / \ [AGREES] all these people come in from different places from different schools... [Austin]. Note that the issue is seen as one of practical difficulty, for which structural/ institutional reasons are given. This topic of homogeneous learner groups is then pursued, and Bailey suggests that incoming students are now less diverse than previously. Austin then picks up this topic again: D5: The numbersAA the numbers have changed but I've still got some very weak people there in that course and I can only say that last semester the course I hadA I had a number of almost native speakers who had spent time in foreign countriesA and erA they were doing all kinds of things .... [Austin] My somewhat subjective assessment of the locations of the discussants along the vertical parameter represented in Diagram 1 (page 90), from more to less exclusively oriented to issues arising from practical experience is as follows: Austin, Davies, Bailey and Corder. 11 4.2 Individual versus Group Identity Because of its importance for the issue of role relationships, the horizontal scale in Diagram 1 (page 90) will be exemplified here by reference to issues of group iden- 11 Some simple statistics concerning the frequency and distribution of tums, derived from the transcription, are given in the Appendix (p. 103), together with frequencies of usage of modal expressions of obligation. At this point we can see that the rough order just suggested on the vertical sca1e in diagram 1 (p. 90) globally matches tum-length positively, while there is a tendency towards a negative correlation conceming tum-frequency, back-channel activity, and the expression of teacher-oriented obligation. lt so happens, too, that the remarks concerning learning mentioned above were produced by Bailey and Corder. These remarks are not put forward as evidence for the ordering suggested, but as correlational tendencies. FLuL 27 (] 998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 93 tity. The relevance is clear when we consider the make-up of the discussion group. Given that the whole discussion was designed to .focus on the role relationship between student and teacher, and given that all participants are teachers, and not students, there is interactional pressure towards consensus or solidarity, I suggest. lt is further likely that the presence of the author might have affected the expression of group solidarity. How then do the speakers (from now on, the author' s participation will be largely ignored) perceive and present themselves? How far is there a collective identity inside this group, and how is it to be characterised? Amongst colleagues, differences of opinion and of practice may presumably be expected, and are, moreover, likely to be known to operate,. such that the issue of group identity may conflict with the nature of the individual speaker's identity. Role structuring parameters operate therefore as in Diagram 2 the dimension ME versus US is located inside the opposition between US and THEM. 12 + ME US THEM Diagram 2: Group relationship parameters The use of personal pronouns is a major indication of how group relations are perceived. A first and obvious point is that first person plural pronouns are seldom used to refer to teacher and taught. ME and THEM are rarely referred to as "us". Descriptions of classroom ·practice are more öften presented as what 1/ WE do, and/ or what THEY do; but not as what 'we' in the sense of ME/ US-and-THEM do. Such an inclusive use of the first person plural pronoun occurs on four occasions. For example, Corder describes a strategy for handling disputes with students, which occur in class time, as follows: D6: no / \ we go outside while the others are busy doing something else .. Two further instances simply refer to class activities, necessarily involving both US and THEM: D7: Last week in course X we were Jooking at the artistic use of language... [Corder] D8: I give them one every week and we discuss it the week after [Davies] 12 Conceptual categories ·will be given in CAPITALS, in order to distinguish them from linguistic tokens that may be used to express such categories, although there will often be a direct matching, of course. In other words, 'we' will be used to refer to US. FLuL 27 (1998) 94 Willis J. Edmondson In these three instances, I suggest, the avoidance of an inclusive "we" would in fact be marked, such that it is merely the scarcity of such usages that is of interest (note for example that in D8, 'our' discussion is premissed on 'my' giving 'them' something). In a fourth instance, however, Corder refers to "we" in a context where "they" could equally well have occurred: D9: we're not here to have a good time, / \ though it's nice if we can .. [Corder]. Inside the context of this discussion, then, the US/ fHEM teacher/ pupil relationship is, rather predictably, in fact encoded as 'us' as distinct from 'them'. lt is, however, not always clear who WE are. Group characterisations embracing the speaker include the four teachers of English present, the five persons present during the discussion, native-speakers of English, all English language teachers in the institution concemed, all foreign language teachers in this establishment, and lecturers/ Lehrkräfte für besondere Aufgaben (as opposed to other professional groups, specifically professors). Shifts occur between these first person plural identifications, which are not always distinguishable, as inclusive and subset relations clearly hold. lt is of importance however to recognise that speaker group-identity fluctuates, as it influences the nature of the role relationship with THEM, i.e. with learners. Against this background let us turn then to the ME versus US parameter, where, I have suggested, the context of communication would seem likely to exert some influence on what is said in group discussion. At issue is how far individual opinions and/ or practices are compatible with a group identity. Thus, although individual differences of opinion occur, they are seldom articulated directly ("I dunno / \ I don't agree exactly with you/ \ at least in my experience / \ it seems to me that.." [Bailey] is a typically-hedged disagreement), and are seen as totally compatible with a collective group identity. Thus, it commonly occurs that an individual both claims group membership, and topicalises personal preferences or practices, which in fact distinguish him or her from that group. In theory, an utterance of the form [WE DO X, BUT I DO Y], where X and Y are possibly incompatible, and certainly not easily reconciled, should be logically outrageous. lt is not, of course. This is amongst other things a reflex of the influence of the context of cominunication, as suggested in Diagram 1 (page 90). Individual speakers try, on the whole, to steer their presentations away from ME towards US. lt is noticeable, for example, that back-channel activity becomes very marked, when a generic claim regarding US is made, even though or indeed especially when the individual voicing the opinion may do so with reduced modal force. Consider D 10: FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 95 D10: Yeah I think that is a point too to bring out A in fact that whether it's fifteen pages or three five-page papers is [AGREEMENT NOISES] A doesn't matter and I have a feeling that we all do A er have certain a certain level of similar requirements and I think what is important is A it isn't a low level A er because basically these kids these young adults have had nine years of English, and they have to do something otherwise they're bored they're passive otherwise it's uninteresting for them [AGREE] so the requirement can 't be that low and it isn't that low among any of us I think [AGREEMENT NOISES] [Davies] · In this turn differences in terms of work-requirements for different courses are smoothed over, and receive emphatic back-channel support. Note too the hedged expressions: "I have a feeling", "to a certain extent", "any of us I think", which, together with the stress strategies employed, function as appeals for confirmation, and as such are successful. In D 11, Bailey brings up a point raised three times, but only by this participant. Again, the agreement is triggered by a rising intonation on 'abilities': D11: ... we could say something about their personalities and about A their academic abilitiesA [AGREES] that we're able to do that.[Bailey] A further example of a willingness to provide back-channel support for any claim referring to the group is D12: D12: and that is negotiable [Mmm from Corder] A that's where the variation comes in A for exarnple what kind of medium they choose [Hm] and also within my final project they can either work from a tape they've collected themselves A a tape that I've .collected or they can use a video-tape and the speakers can be a combination of non-native-speakers A or native-speakers with non-native-speakers or native speakers A so there's lotsa of variation I think within this frarnework that A we set up and I think that's true for all of us [BACK-CHANNEL AGREES] no matter what it is A the course. [Bailey] Such behaviours contrast markedly with occasional, noticeable silences, following the expression of individual opinions. In D13, Davies describes the group collectively (it is a claim about US), the characterisation is positive ("we're just not like that"), and the speaker moreover sets the group off from other groups (not German, not school teachers). In principle, then, we should expect enormous solidarity, which, however, is not clearly given. Instead, Corder's reaction flouts this expectation, and is accorded a quite different reception. D13: Davies: they're interested A we don't represent the German authoritarian teacher figure to them A because we're just not that at all. [Back channel confusion] Corder: I don't think the German teachers are authoritative any more. I think that is one problem for some of our students when they first come here A it can sometimes take two or three weeks A especially some of the better students, to get warmed up, before they get to the point where they realise they can learn something from you and they want to A in the Eingang. [Silence] Edmond: Hmm FLuL 27 (1998) 96 Willis J. Edmondson Corder: I think sometimes their exposure to us A erm some of the more.liberalteachers in the German school system A especially here in Hamburg, haven't been beneficial to some of the better students [Pause] Austin: I support that At times, too, voiced claims of common goals and strategies seem less than transparent, which may, of course, lead to them being emphatically reinforced. Consider D14. The context for this contribution is the remark "if they get the chance", which might be interpreted as hinting that sometimes students do not get such a chance. At this point, Davies assumes the speaking-role: D14: Corder: ... I think it is [pleasant? ] when you get input from the students they decide they want to do something and that isn't actually so rare. that they really are prepared to take an active part in shaping the content AAi\ if they get the chance Davies: Yeah I would agree with that erm approach basically A in my classes I begin the classes with a program and it's clear what my plan A you know what my input is going to be A you know in terms of providing material and it's clear er what my expectation is from them A what will they be doing but I agree with you it's negotiable and the more transparent it is in terms of what I want from them and what I expect from them A it's negotiable in finding tasks which maybe you know force them to do the same type of work but allow them different er topics to do it in [AGREE- MENT noises] A so our approaches seem to be similar in fact Here, back-channel agreement confirms the speaker's intention of expressing solidarity. On a content level, it is not at all clear how the approach described is compatible with the previous one, as requirements, contents and goals are apparently laid out clearly beforehand. This is, on my interpretation, precisely why agreement is voiced at the relevant point in time. The context of communication thus affects what is said, how it is said, and how it is responded to. This conclusion has been arrived at by looking at the ME versus US group identity parameter set up in Diagram 2. In this way, the two performance parameters proposed in Diagram 1 (page 90) have been examined, and the different effects of both on individual behaviours have been suggested. We may now turn to our central concern: teacher-student role relationships, the US versus THEM parameter inside Diagram 2. 5. Parameters of Perception We shall pröceed in three steps. Firstly, some descriptive metaphors will be derived from the data, descriptions which are presented as both appropriate and problematical, in that qualification is imrnediately offered. Such metaphors seem, then, to suggest certain tensions, or incompatible attitudes towards the teaching task. Secondly, some perceived sources of 'authority' which operate inside the working relationship between students and teachers will be listed. Finally, an attempt will be made to parameterize these differences along three basic dimensions. FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 97 5.1 Defining the Relationship In the following three selected data segments the relationship between US and THEM is viewed in three different ways, each of which is qualified: METAPHOR 1: Tue students are clients, but quality control is carried out by teachers D15: Corder: Weil I think actually at the moment our role is changing. It's certainly changing on the British scene / \ it's probably going to change in the near future here as weil because students are being seen much more as clients. You can see that in the way universities approach potential students / \ they're really selling themse! ves / \ and I think that's changing staff attitudes as weil Edmond: yeah .. has that already wom off on you, as it were .. Corder: Definitely, yes Edmond: How Corder: trying to be reader/ user-friendly / \ [Laughter] I don't think we have a very authoritarian attitude anyway / \ erm / \ very many of us are on first-name terms with students in our courses / \ but that can also lead to some problems because there are some points at which you have to assert authority in order to make sure that work gets done. METAPHOR 2: Teacher is an Organiser/ Manager but at times an Autocrat D16: Bailey: I think if you do group work and if you're sort of the / \ a Jot, which I do / \ erm that you're the organiser or the manager basically of setting up the groups / \ and I sometimes ask students erm .. [omission] / \ or I say find three other people to work with and they have to find their own group. They're. I find that most of my students are pretty erm what shall I say ( .. ) lazy isn't quite the right word .. Edmond: [interrupting] passive Bailey: passive er yeah, and if I don't assign them to a group then they don't get up and go and find their own group / \ so it just goes faster if I assign them groups .. METAPHOR 3: Teachers offer their wares, and students choose their purchases, but teachers are also taskmasters D17: .. most of those people know what they're getting into ... [OMISSION] In the Haupstudium, they've been here long enough / \ they've experienced some of us / \ they know who they can get along with / \ who they can't get along with / \ and they usually go to those people ... [OMISSION] .. we are basically also taskmasters / \ because we are exposing them to / \ causing them to do things that they might not otherwise have done... [Austin] D18: .. and erm I think that's important that it is part of our task to give them something / \ to set up a leaming .. procedure and to make sure it happens actually [Davies] 5.2 Aspects of the Working Relationship Tue positions sketched in 5.1 all implicitly raise the issue of 'authority', as caveats added to the three metaphors employed. In other words, something is needed if the teacher' s perceived or assumed responsibility for 'quality control', for autocracy in FLuL 27 (1998) 98 Willis J. Edmondson the interests of efficiency, or for ensuring that the work gets done, is to work. This something I term authority. I therefore use the term 'authority' to mean whatever teachers possess as individuals or as a category (as ME or as one of US), which enables them to be accepted by students in their professional role or roles. The definition is necessarily loose, as the nature of the professional role is intimately bound up with the concept of authority operating. The question can, however, now be paraphrased as follows: how do teachers require/ hope / wish that THEY view US? The term 'authority' is therefore being used in a broad sense, and may embrace everyday concepts such as 'respect', or 'liking' or indeed, in principle, notions such as 'obligation', or 'anxiety'. Where might it come from? 5.2.1 Language Expertise lt may be assumed or claimed that teachers' expertise in English language issues is the basis of their authority: Cl9: .. I demand respect as the erm the expert in EnglishA in the classroom... I don't like I don't like to see myself as an authoritarian teacherA and I don't think my courses are set up that way .. but I do find myself feeling a bit irritated or even more than just a bit irritated with students who challenge my methodology or my criteria and .. [OMISSION] I don't like being challenged by by students about topics of exercises .. [Bailey] 5.2.2 Native Speakerhood A further source of authority in the broad sense intended here is seen to derive from the fact that the teachers to some extent embody that which they teach: C20: Davies: I think we have a plus too because we're native speakers and they deal with us in a different way than they might erm with a German English teacher don't you think Bailey: [NOISE] authority A Davies: well I wouldn't even put it as authority. I think it somehow has A a plus in terms of aura or appeal. [silence] .... [OMISSION] Corder: you gain an aura Bailey: right Davies: well to a certain extent A er this er zu viel gesagt A aber we are what they are aspiring to become in a senseA in a sense... in terms of the language A it's too much I understand but erm I do think they bring something positive 5.2.3 Work Ethic C21: I wanted to come back to one thing you said A you said the authority the respect you have as a teacher. I don't ! hink a teacher has from the start respect A respect has to be earned A which means basically you set goals for them but they have to see that these goals are possible A and the same things that you demand of them A you demand of yourself A for example that you also get things back punctually A that you are on time yourself A more or less A you are some kind of a role model A and you can't start FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 99 expecting things from them if you can't do them yourself... and that's when the respect thing actually starts / \ .when they see that you actually / \ are doing the same thing yourself that you expect from them [BACK-CHANNEL NOISE, mostly positive] [Austin] 5.2.4 Personalised Contact Another issue, topicalised implicitly via the issue of appropriate forms of address when addressing students in German, is how far the teacher/ student relationship is a 'personal' one, even one of friendship. In this respect, language teaching is 'different', and this is a source of authority, too: C22: I find a difference to other subjects / \ this is what my students have said in many cases / \ is that we get to know them better as people because there is more give and take... it's less a lecturing situation and so we know them and many of them come to us for letters of reference for scholarships and when we say / \ oh it would be better if you had a professor do it for you and they say weil the professors don't know me... [Bailey] 5.2.5 Institutionalised Role Language teachers also have, of course, institutionalised roles, whereby they are assigned authority inside an educational institution. The most tangible evidence for this is that teachers distribute or withhold course credits: C23: .. and I sometimes get students coming up and .. erm and saying [rising inton] / \/ \ things like erm I don't really want to do this or I don't have time to do this / \ and I just look at them and I say 'weil that's your decision' and they look at me like they're expecting me to get mad with them / \ and I er/ \ say but I'm afraid that is one of the requirements for getting a Schein so if you don 't do it then I can't give you a Schein and you will have to repeat the course. [Bailey] C24: . .1 find though that now that we have registration / \ and students sign up for courses that the ones who do sign up / \ do er wanna get the Scheine and therefore do the work. I haven't really noticed that they don't do it [Davies] 5.3 Role Parameters Widdowson 1987 distinguishes between two roles bound up in the term 'teacher': a social role, and a professional role. Thus a person with the relevant qualification is a teacher (professeur), even if he or she has never carried out the profossional activity normally associated with this title, while other persons can carry out the professional activity (einseignant), without 'really' being teachers, i.e. without having been institutionally labelled. Widdowson goes on to point out that the meaning of 'leamer' is not so complex, possible matching social roles for this activity role being for example those of 'schoolgirl' or 'student'. We should, I suggest, accept this distinction, whereby the social role is to be equated with an institutional role, the professional role with a set of activities. FLuL 27 (1998) 100 Willis J. Edmondson Thus the role relationship we are investigating is a dual one: it is a teacher/ leamer relationship, and also a teacher/ student relationship (1 have in fact switched between these two formulations throughout this paper so far). Additionally, I propose, we may use the ME versus YOU parameter invoked in Diagram 2, and refer rather simplistically to a teaching individual, with his or her personalised agenda, as opposed to his or her categorial roles, be they institutional or professional. In setting up this additional parameter, I do not mean to suggest that behind a professional role such as 'teacher' a bland uniformity exists, but that individual persons can and do perceive their personalities as eo-existent with their professional and/ or institutional roles to noticeably different degrees. If this is acceptable, we have then a three'-way distinction between individual person, socio-institutional role, and professional domain role. The sources of 'authority' listed in 5.2 appear to be associated with these different roles to different degrees. The 'institutionalised' authority referred to in 5.2.5, for example, is clearly inherent in the institutional role of teacher. As nativespeakerhood is in some German universities a prerequisite for appointment as foreign language instructor, this feature can also be seen as institutional. One might, however, wish to argue that it is part of a professional role, not an institutional one. My response to this view would be that native-speakerhood of itself can scarcely count as a professional qualification, though possibly you might wish to say that it is a prerequisite for acquiring certain kinds of professional qualification. However, the dispute is of no matter for my purposes in this paper. We may simply accept, I suggest, that the five different ways of viewing the teaching role in 5.2 above relate to different role categories as I have just developed them. Thus the issue of language expertise is clearly professional (cf. 5.2.1), and the issue raised in 5.2.2 (setting up a role-model/ work ethos) can be seen as professional, too or conceivably-institutional. The notion of personalised contact may be perceived as inherent in the language teaching profession, but is more plausibly interpreted, it seems to me, as a function of personality. I want to suggest, then, that in establishing role relations in their classrooms, individual teachers rely to different extents on the three 'roles' that make up their teaching persona: the institutional, the professional, and the personal. I would argue that this is a fruitful way, in fact, of conceptualising different kinds of tensions established in the literature (cf. footnote 6 above ), and referred to in the metaphors explored in 5.1. A focus by the individual teacher on one of these three facets of the teaching role does not imply a total neglect of the others. lt is not the case that persons who largely adopt and assume an institutional role relationship with their students are thereby to be deemed 'non-professional', but that their concept of professionalism will in large part be determined by their perceived institutional role. Similarly, a person who seeks to teach 'professionally' may to a certain degree disregard institutional constraints, but will normally have to function inside the given syllabus and examination requirements (or else lose his or her position). Finally, the 'individualist' may well be aware of both professional and institutional FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 101 aspects of teaching as restrictions. One way of describing the challenge presented by the teaching task is then to point to the need to give priorities inside these eoexistent three roles, and the further need to reconcile all three in teaching practice. Additional to the combinatorial priorities given to these three roles by the individual teacher, there is, I suggest, a further variable, or parameter, to be invoked. I shall name the poles of this parameter 'presentation' versus 'accommodation' (cf. the distinctions of Legutke and Kokonen reported on in 3.2 above). By 'presentation' is meant presentation of self, of one's own perceived role or roles as teacher. Via the term 'accommodation' I wish to suggest the possibility of redefining one's own role (within perceived professional, institutional and personal constraints), in the light of the situation in which this role is intended tobe effective. Clearly, this parameter represents a cline. By definition, every teacher 'presents' in the intended sense: at issue is perhaps the possibility of negotiation, the possibility of change, and inside what frameworks either or both may operate. Tue result of this welding of variables is suggested by Diagram 3, which, however, clearly fails to present four dimensions of difference in a graphically unambiguous fashion: PRESENTATION + professional - -/ personal +/ -------,' . +_ i. 1 mst1tut1ona ACCOMMODATION Diagram 3: Three teaching roles along a presentation/ accommodation axis 6. Summary I would wish to claim that in principle all differences of attitude, perception, and reported behaviour in the data available can be accounted for in terms of the parameters delineated in Diagram 3 (see above), taking additionally the variables suggested in Diagrams 1 and 2 into account. One issue which requires further investigation and a different research methodology, involving possibly in-depth interviews, and reconstructive data from such discussions concerns the presentation/ accommodation parameter. lt is not clear to me how far the adopted identity FLuL 27 (1998) 102 Willis J. Edmondson configuration (the relative weightings of professional, personal and institutional persona) is in fact independent of a location on the presentation/ accommodation parameter. If the teacher role configuration in large part determines locations along this axis, then clearly the parameter can be removed from the model. lt would seem a priori logical to suggest for example that a professional weighting of one's perception of the teaching task would imply a weighting towards accommodation on the presentation/ accommodation parameter, while heavy institutional weighting might go together with a presentational stance. The logic behind such a view would simply be that institutions, and the edicts goveming them, tend not to be flexible, while some form of accommodation is probably contained in most if not all theories of language teaching (cf. section 2.3 above). Same evidence that is compatible with this stance is given in the appendix of this paper (see page 103). A large range of possible role conceptions can clearly arise inside the complex of parameters I have developed. This seems to require no apology. Indeed, the data has led the author to propose this complexity, even though the data consists of just ninety minutes' sampled talk from only four language teachers, all of them operating inside one and the same institutional setting, What, then, can be said in terms of language teaching policy, when one is faced by such a variety of role conceptions within such a theoretically homogeneous group of teachers? C25 suggests an answer: C25: Bailey: But that's different according to the class type and also the teachers/ \ [AGREE- MENT NOISES] ... No. I think they have stereotypes like we all have/ \ and whether they're confirmed or not depends on the person / \ and that's the process they go through here / \ and I know that they do to a certain extent self-select Edmond: yeah Bailey: In other words they choose certain teachers that they know and keep going back to them and there are others that they know that they don 't go back to and I think that we represent a wide enough spectrum of er [types Corder: options Edmond: choices] to satisfy all prejudices Davies: huhum Bailey: so we all have followings / \ I think. Davies: weil it has to do with their interests, too/ \ I mean we have the division between British and American / \ [AGREE noises] and amongst the Americans there are different subject / \ linguistic orientation [or the cultural Corder: same with the brits] Davies: so there is variety in the program and the students go to the interests that they have .. This answer is voiced in different guises by all four participants, and constitutes a rather neat argument to the effect that the variety of teacher concepts available, the variety of teacher roles on offer, .is itself accommodating in the sense of Diagram 3 (page ). At the same time, of course, consensus on this issue is consistent with FLuL 27 (1998) Subjective Parameters describing Teaching Roles ... 103 the horizontal parameter in Diagram 1 (page 90), and with the data discussed in 4.2 above, to which, finally, C26 offers a postscript: C26: Bailey: look how compatible we are [laughs] Corder: that's cos we're all lying [laughs].13 Appendix Austin A: Total turns 57 B: Back channel turns 10 C: Content turns 1 (= A-B) 47 D: Interspersals 14 6 E: Content turns 2 15 38 F: Words used in E 16 2432 G: Turn length (= F/ E) 64 Bailey Corder Davies 140 118 66 24 17 12 116 101 54 10 12 14 96 75 43 3912 2017 1805 41 28 42 Table 1: Some Distributive Data derived from a transcribed Group Discussion 13 I am extremely grateful to the colleagues who shared their views with me, and have Jet me use the resulting tape. Such permission does not, of course, imply •any agreement with my interpretation of the data. 14 The term is meant to cover turns which are interspersed between two segments of speech by some other speaker, dealing with roughly the same topic. Sometimes these 'interspersals' may be viewed as ignored interruptions, and also as floor-gaining attempts. Interspersals cover both supportive and repair work, whereby for example an utterance by the previous/ ongoing speaker is checked on, paraphrased, clarified, or rephrased. The whole point is that the notion of 'turn' is radically affected by such behaviours, as three interspersals may be viewed as comments on ONE turn, or as separators for FOUR turns. lt is conceded that the identification of interspersals is somewhat subjective, and that the distinction between back-channel behaviours and interspersals is not clear-cut. 15 Here the figures in row C are adjusted downwards, inthe light of how often interspersals occur in the individual speaker's turns. This is of course independent of how often individual speakers themselves intersperse. However, clearly we may roughly expect that across the board L D + IE = IC, i.e. the number of interspersals made should match the number of turnreductions caused thereby. 16 Including false starts, articulated hesitations, and word repetitions. FLuL 27 (1998) f04 Willis J. Edmondson WE THEY Corder 10 1 Bailey 6 2 Austin 2 3 Davies 2 3 Table 2: Distribution of Expressions of Obligation 17 referring to Teachers (WE) or Students (THEY) References ALLWRIGHT, Richard (1984): "Why don't learners learn what teachers teach? The Interaction Hypothesis". In: SINGLETON, D.M./ LITTLE, D.G. (eds.) Language Leaming in Formal and Informal Contexts. Dublin: IRAAL, 3-18. DINSMORE, David (1985): "Waiting for Godot in the EFL Classroom". In: English Language Teaching Journal 39, 225-234. DREHER, Michael/ DREHER, Eva (1982): "Gruppendiskussion". In: HUBER/ MANDEL (eds.) 1982, 141-165. EDMONDSON, Willis/ HOUSE, Juliane (1993): Einführung in die Sprachlehrforschung. Tübingen: Francke. EDMONDSON, Willis (1996): "Subjective Theories of Second Language Acquisition". In: KLEIN, Jürgen/ VANDERBEKE, Dirk (eds.): Anglistentag 1995 Greifswald. Proceedings. Tübingen: Niemeyer, 453-464. ELLIS, Rod (1994): The Study of Second Language Acquisition. Oxford: Oxford University Press. 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During and after the film they were asked to make notes of whatever came to their mind about the lesson. Their spontaneous reactions to the recording were also recorded. An analysis of both the notes and the oral comments showed a strong interest in general pedagogical topics like discipline, motivation and teacher-pupil relations, including the personality and teaching style of the teacher. There were considerably fewer comments on aspects of language teaching methodology, but surprisingly enough, quite a few students criticised the drill method because of its lack of cognitive instruction. They seemed to be in favour of grammar instruction and explicit error correction. Some students also questioned the communicative value of the language taught. lt is suggested that the non-scientific theories first semester students have developed during their school time should be taken into consideration when planning teacher training syllabuses, since they do not in every case conform with the current mainstream of approaches to TEFL. 1. Erkenntnisinteresse Wie weit sind die Auffassungen von gutem Fremdsprachenunterricht, die Studienanfänger1 aus ihrer Schulzeit mitbringen, von den Vorstellungen entfernt, die in der Fachdidaktik aktuell sind? Woran könnte man bei der Konzeption einer fachdidaktischen Ausbildung anknüpfen? Mit welchen Widerständen gegen aktuelle wissenschaftliche und didaktische Theorien muß man rechnen? Antworten auf diese Fragen könnten curriculare Planungen erleichtern. Seit vielen Jahren werden Studienanfänger in der Frankfurter Einführung in die Fachdidaktik Englisch mit einem Unterrichtsmitschnitt 2 aus den frühen siebziger Jahren konfrontiert, zu dem sie sich spontan äußern sollen. Die Aufnahme in Schwarzweiß zeigt eine kurze Strukturmusterübung gemäß der audiolingualen Methode. Der Lehrer stellt (Entscheidungs-)Fragen mit do oder does, die jeweils nach dem gleichen Muster schnell beantwortet werden müssen. Die Antwort des ersten Schülers wird in der Regel zwei- oder dreimal von anderen wiederholt. Nach Bei der Datenerhebung und bei der Transkription der Daten hat Frau Marion Zeise geholfen. ... und -anfängerinnen: Die generische (hier: männliche) Form umfaßt in der deutschen Sprache natürlich auch immer Frauen; im Lehramtstudium sind sie ohnehin in der Mehrzahl. 2 Eine Transkription des Ausschnitts und eine Beschreibung der Unterrichtssituation findet sich im Anhang (S. 119 ff). FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 107 seiner Frage zeigt der Lehrer auf denjenigen Schüler, der sie beantworten soll. Der Unterricht ist einsprachig. Ziel dieser Seminarsitzung ist, den Studierenden den Unterschied zwischen Beobachtungen, Interpretationen .und Beurteilungen vor Augen zu führen 3 , weil vorschnelles Beurteilen, zu dem nicht nur Studierende oft neigen, den Blick verstellt für Analysen auf der Basis sachlicher Deskription. Aus den oben erwähnten Gründen wollte ich untersuchen, welche generellen Vorstellungen von Englischunterricht sich hinter den Äußerungen der Studierenden über den gezeigten Stundenausschnitt verbergen. 2. Forschungslage Der Erwerb von Wissen wird ganz erheblich von Einstellungen beeinflußt. Alltagstheorien über Fremdsprachenunterricht setzen sich m. E. vor allem zusammen aus Wissen, das aus Beobachtungslernen resultiert, und Einstellungen, die aus vorangegangenen Sprachlernerfahrungen und einer nicht-wissenschaftlichen Reflexion dieser Erfahrungen stammen. Dabei erklärt sich die reduzierte Natur dieser Theorien so: "[ ...] die Auslegung einer Situation bzw. Erfahrung wird im allgemeinen dann abgebrochen, wenn das in der Auslegung konstituierte Wissen zur Bewältigung der Situation ausreicht" (Schütz/ Luckmann 1979: 178). Subjektive Theorien von Schülern über den Fremdsprachenunterricht hat Kallenbach (1996) untersucht. Meine Untersuchung dokumentiert einen Schnittpunkt in der Biographie angehender Lehrer, an dem sie gewissermaßen „die Fronten zu wechseln" beginnen und aus dem erworbenen Wissen Konsequenzen ziehen. Daß aus Beobachtungslernen resultierendes fachdidaktisches Wissen wiederum nur durch weiteres Beobachtungslernen modifiziert werden kann, hat Gabel (1997) argumentativ untermauert. Sie fordert, in der Lehrerausbildung methodisch so vorzugehen, daß die Ausbildungsveranstaltungen wichtige Prinzipien des schulischen Fremdsprachenunterrichts, wie Handlungsorientierung und kommunikative Ausrichtung, widerspiegeln. "Deklaratives" Wissen aus Seminaren hingegen bleibe weitgehend folgenlos, wie ihre Untersuchungen zum Schulpraktikum zeigten. Es ist also wichtig, die Meinungen und Einstellungen der Studierenden zu kennen, deren Modifikation man unter Umständen in Angriff nehmen möchte. 3. Untersuchungsdesign Ich wollte ein Untersuchungsdesign erproben, das mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit Informationen liefern kann, die vor allem für Seminarplanungen zu 3 Vgl. Quetz/ Solmecke (1981): Unterrichtsbeobaclitung und Mitarbeiterberatung. Studieneinheit 4 im Kurs 3421 „Lernbereichsdidaktik Fremdsprachen". Hagen: Fernuniversität. FLuL 27 (1998) 108 Jürgen Quetz nutzen sind. Dabei ging es mir nicht darum, "subjektive Theorien" im Sinne von Groeben [et al.] (1988) zu ermitteln, sondern darum, Meinungen und Einstellungen einer genau definierten Gruppe zu ermitteln. Es handelt sich also um eine Querschnittstudie zu den „Alltagstheorien" über Englischunterricht von Studienanfängern, die auf der Basis von „subjektiven Daten" rekonstruiert werden sollen. Die Studienanfänger für die Lehrämter an Grundschulen und an Sonderschulen mit Wahlfach Englisch sowie an Realschulen mit Hauptfach Englisch des Wintersemesters 1996/ 97 (N = 80) sahen den oben umrissenen Unterrichtsmitschnitt von 4: 36 Minuten Dauer. Im ersten Schritt sollten die VPn während des Films in Stichworten festhalten, was ihnen spontan dazu einfiel. Diese ersten Eindrücke sollten durch einen Strich von den folgenden getrennt werden. Im zweiten Schritt sollten die VPn in ca. zehn Minuten ihre Eindrücke in Ruhe ergänzen. Im dritten Schritt konnten die VPn ca. fünf Minuten lang ihre Beobachtungen und Meinungen mit ihren Nachbarn diskutieren. Was ihnen dabei (oder in den ein bis zwei Minuten danach) einfiel, konnte ebenfalls noch notiert werden. Im vierten Schritt sollten die VPn sich mündlich zu dem Gesehenen äußern. Es gab keine Frage des Veranstaltungsleiters, sondern nur eine allgemeine Aufforderung zu sagen, was einem während des Films durch den Kopf gegangen war. Diese Phase wurde auf Video aufgezeichnet und später transkribiert. 4 Der Einfluß des Studiums auf die Äußerungen zum gleichen Film könnte in einer Folgestudie ermittelt werden, wenn die Studierenden, die am ersten Schritt teilgenommen haben, ins Examen gehen. Dies möchte ich in den kommenden Semestern versuchen. 4. Ergebnisse 4.1 Inhalt und Tenor der schriftlichen und mündlichen Äußerungen 48 VPn äußerten sich auf den Antwortzetteln (sehr) negativ zum Unterrichtsgeschehen, 13 VPn eher positiv, 19 VPn brachten keine Wertung zum Ausdruck. Es wurden 730 Äußerungen zum Unterricht gemacht, wobei sich die Zahl der Äußerungen pro VP zwischen 4 und 20 bewegte. Diese Äußerungen bezogen sich in 400 Fällen auf allgemein pädagogische, in 330 Fällen auf fachdidaktische Aspekte. Es ist zwar eine Interpretationsfrage, ob man eine Formulierung wie „stures Wiederholen gleicher Sätze" der einen oder der anderen Gruppe zuschlägt, es ändert aber nichts am Gesamteindruck, daß die allgemein pädagogisch orientierten Äußerungen im schriftlichen Teil leicht dominieren. Solche Fälle habe ich übrigens doppelt gezählt, 4 Die im Rahmen des Seminars übliche Analyse der Äußerungen unter dem oben erwähnten Aspekt, Beschreibungen von Interpretationen und Bewertungen zu unterscheiden, erfolgte in verkürzter Form im Anschluß an die Datenerhebung. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 109 "stur" bei 'pädagogisch' (weil es quasi synonym zu Wörtern wie „langweilig" benutzt wurde und somit eher auf den Komplex Motivation zielt), und „Wiederholen gleicher Sätze" bei 'fachdidaktisch' (weil es den Drill-Charakter der Übung zu fassen versucht), um beiden Aspekten gerecht zu werden. 4.2 Allgemein pädagogische Kommentare zum Unterrichtsmitschnitt 4.2.1 Disziplin Nur eine der 80 VPn schätzte die Disziplin der gefilmten Schüler als „gut" ein (VP78), eine bemerkte eine „relativ lockere Atmosphäre" (VP36), eine dritte fand, die „Schüler sitzen relativ ruhig" (VP77). 29 VPn hingegen kommentierten das Verhalten der Schüler als „zappelig" und das Unterrichtsgeschehen als „laut" oder "chaotisch" oder notierten „Geräuschkulisse stark", "Hektik" oder ähnliches. Mangelnde Konzentration wurde von weiteren 10 VPn registriert, zwei davon schrieben dies der Anwesenheit einer Videokamera zu. Als Grund für die Unruhe wurde zweimal die rege Beteiligung genannt (VP30, VP54). Nur eine VP beobachtete, daß die Schüler „nicht in die Klasse hinein schreien" (VP39); eine andere allerdings merkte an, daß das „Durcheinanderrufen" störe (VP55). Auch das „Schnipsen" oder „Schnalzen" wurde von 5 VPn als Störung empfunden. 5 Interessant ist, wie stark Fragen der Disziplin die Studierenden beschäftigen. Immerhin hat sich fast die Hälfte von ihnen zu diesem Komplex geäußert. 50 von 80 der VPn haben zwar den eigenen Anfangsunterricht an Förderstufen oder Gesamtschulen absolviert 6, das Abitur aber haben fast alle an regulären Gymnasien gemacht, so daß für sie wohl von allergrößtem Interesse ist, wie sie selbst später einmal mit Schülern in ganz anderen Schulformen zurechtkommen werden. Sieht man diese Äußerungen im Zusammenhang mit den Kommentaren zur Motivation der Schüler (vgl. 4.2.4), so fällt auf, daß es Studierenden offenbar noch schwerfällt, den Zusammenhang zwischen Unterricht und (unruhigem) Verhalten zu thematisieren. 7 27 VPn fanden, daß die Beteiligung der Schüler sehr rege war; 5 Weitere Beobachtungen betrafen das Drankommen: "Beteiligung nur 60 %, oft dieselben Schüler" (VP73, auch VP25); "nicht alle sind drangekommen" (VP08); "oft melden sich die gleichen Schüler" (VP38, VP58); ; ,der Lehrer beobachtet im allgemeinen nur sein vorderes Blickfeld und läßt nur diese Schüler antworten" (VP53). Dagegen: "alle Schüler wurden mit einbezogen" (VP71); "Die Beteiligung wird fast zum Wettkampf jeder will besser sein, sich öfters melden" (VP76). Und: "Wer sich nicht meldet, kommt auch nicht dran" (VP28, VP58, VP59). 6 Auf dem Antwortzettel sollten die VPn auch notieren, in welcher Schulform sie den Englischunterricht begonnen und beendet hatten und wie alt ihre Lehrer jeweils waren. 7 Langeweile produziert bekanntlich Unruhe ebenso wie Unterforderung. Auf letztere weisen 6 VPn hin. FLuL 27 (] 998) 110 Jürgen Quetz manchmal sind es aber die gleichen VPn, die gerade diese Beteiligung mit dem Parameter Unruhe in Verbindung bringen. 4.2.2 Lehrerzentriertheit 7 VPn fiel auf, daß der Unterricht lehrerzentriert bzw. Frontalunterricht ist. Insgesamt wird 12mal notiert, daß die Schüler nicht miteinander sprechen, sondern nur dem Lehrer antworten. Andere merkten an, daß keine Gruppenarbeit stattfindet und keine freieren Arbeitsformen gewählt werden (VP46), "die Schüler können sich nicht einbringen" (VP59), "die Schüler werden nicht in den Unterricht eingebaut" [sie! ] (VP33). Das Unterrichtsgeschehen wurde 55mal als „Frage-Antwort-Spiel" charakterisiert, 13 mal davon mit explizit negativer Qualifizierung "immer nach dem gleichen Schema, stereotyp, [...]"). Nur eine VP fand dieses Interaktionsmuster, den "Aufbau der Stunde als Lehrer-Schüler-Frage-Antwort-Spiel, interessant" (VP52). Viele VPn bewerteten die Strukturmusterübung, die sie gesehen hatten, als „veraltet" (VP20, VP33, VP48, VP52), "reformbedürftig" (VP22), "konservativ" (VP0I), "typisch für die 70er Jahre" (VP61), aber doch „besser als ein Lehrervortrag" (VP23). Eine andere VP kritisierte die „schlechte Organisation bzw. Gestaltung des Unterrichts seitens des Lehrers" (VP33), eine andere bemerkte: "Dieser Unterrichtsausschnitt erinnert an einen 'Maschinenablauf"' (VP08). Es zeigt sich, daß eine Reihe von Studierenden doch schon mit moderneren Unterrichtskonzeptionen vertraut sind. 4.2.3 Lehrerpersönlichkeit, Lehrer-Schüler-Verhältnis Von den 80 VPn äußerten sich 38 zur Persönlichkeit des Lehrers. 8 Zum Alter fanden sich 8 Kommentare, die neben dem neutralen „älter" (2) auch „alt" (3) "sehr bzw. ziemlich alt" (2) und „alter Lehrer" (1) umfaßten. 8 VPn charakterisierten den Lehrer sehr rigide als „phantasielos, peplos, inflexibel [sie! ]; dominant (2mal), Dompteur, Witzfigur, Komiker." 2 VPn bemerkten, er übe Autorität aus, sei autoritär, zwei andere aber befanden: "Lehrer greift nicht in störende Schüler ein" [sie! ] (VP40) und: "Unruhe, Lehrer schreitet nicht ein" (VP52). 9 Daß bei einem so charakterisierten Lehrer das Verhältnis zu den Schülern ebenfalls als problematisch wahrgenommen wird, ist zu erwarten. 20 VPn bezeichneten das „Lehrer-Schüler-Verhältnis" bzw. die Atmosphäre im Unterricht als „unpersönlich" oder „anonym", wozu vor allem beiträgt, daß der Lehrer die Schüler nicht mit Namen aufruft, sondern nur auf sie zeigt. 9 VPn fanden, der Lehrer „geht nicht auf die Schüler ein". Weiterhin fiel 5 Studierenden auf, daß der Lehrer nicht lobt und 8 9 Doppelnennungen waren möglich, so daß die Zahl der Äußerungen 38 übersteigt. Eine VPn bemerkte den Anzug. 2 VPn stuften das Englisch des Lehrers als schlecht ein. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 111 keine Rückmeldung gibt (vgl. unter 4.3.3), was sie ebenfalls als Indiz für ein gestörtes Verhältnis zu den Schülern werteten. Diese Beobachtung resultiert allerdings aus der Kameraführung in dieser Phase; der Lehrer benutzt recht lebhafte Mimik und Gestik als Lob (vgl. auch unter 4.3.3). Auch in diesem Punkt entwerfen die Studierenden wohl schon ein Bild von sich selbst in der Rolle des Lehrers: So wie dieser Kollege wollen die meisten wohl sicher nicht werden. Interessant ist dabei, daß negative Urteile über die Unterrichtsgestaltung immer wieder mit Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht werden. 4.2.4 Motivation Die weitgehend negativen Beobachtungen in den drei Dimensionen „Disziplin", "Lehrerzentriertheit" und „Lehrerpersönlichkeit" werden ergänzt durch die Einschätzung der motivationalen Qualität des beobachteten Unterrichts. Eine erstaunlich hohe Zahl von 70 VPn äußerte sich wertend dazu, davon die allermeisten negativ. Nur 10 VPn haben keine Bemerkungen zu diesem Komplex gemacht. Als „langweilig, monoton, ohne Abwechslung, eintönig, stupide, trocken, nicht interessant, stereotyp, stumpfsinnig, einseitig, primitiv, stur" bezeichneten 56 VPn den Unterrichtsausschnitt. 10 Positiv oder neutral äußerten sich nur wenige VPn, z.B. VP02: "den Schülern scheint der Unterricht zu gefallen", oder VP08: "interessierte und begeisterte Schüler (wiederholte Meldungen); wißbegierig". Als Grund dafür nennt VP29: "keine Kritik, keine Korrektur", aber auch, wie VP30: "hohe Beteiligung wegen Kamera". 11 Bei solch negativem Gesamteindruck sollte man nun erwarten, daß sich die Schüler weitgehend aus dem Unterricht ausklinken. 27 VPn sahen allerdings das genaue Gegenteil, nämlich eine „rege" bzw. "starke Beteiligung"; 3 VPn merkten sogar explizit an, die Schüler seien sehr motiviert gewesen. Diesen Widerspruch thematisierte aber nur VP33: "langweilige und monotone Abfolge von Fragen und Antworten, die Schüler leiern ihre Antworten herunter; langweilige Gestaltung des Unterrichts; warum sind Schüler trotzdem motiviert? " Ein Gegenmodell zeichnet sich für manche VPn auch schon ab. VP42 plädiert für einen „Spiel-Englisch-Unterricht", VP61 für „einen spielerischen Aspekt"; VP80 meint, Sprache sei lebendig und müsse auch so gelehrt werden und nicht „wie Mathe-Formeln". Die Schüler sollten „sich einbringen können", was in dieser Stunde fehlte (VP59, VP79). 10 VP50 schreibt sogar: "wie mache ich Schülern eine Sprache schlecht [sie! ], bzw. wie verderbe ich Schülern die Freude am Lernen". Und VP48 erklärt: "Das Ansehen des Films langweilte schon nach einigen Minuten." 11 Ungewöhnlich sind folgende Wahrnehmungen: "ziemlich eintönig für den Lehrer" und "Lehrer legt in jede, für ihn einfache Frage unheimlich viel Motivation" (VP76) im Vergleich zu: "Lehrer zeigt nur halbes Interesse" (VP05). FLuL 27 (1998) 112 Jürgen Quetz Insgesamt widmen die VPn dem Aspekt der Motivation große Aufmerksamkeit. In ihrer Ausbildung werden sie vermutlich immer wieder nach Anregungen und Möglichkeiten suchen, einen motivierenden Unterricht zu gestalten. Der Komplex der affektiven Faktoren steht vermutlich generell im Mittelpunkt des didaktischen Interesses der Studierenden. 4.3 Fachdidaktische Konzeptionen 4.3.1 Zur Übungsform (pattem drill) 55 von 80 VPn erfaßten auf einer alltagssprachlich deskriptiven Ebene den Drillcharakter der Übung korrekt. 11 von diesen 55 VPn erkannten darüber hinaus, daß Sätze in Analogie zu vorgegebenen Sätzen gebildet werden sollen "ähnliche Sätze", "Schüler wiederholen die Antworten anderer Schüler", "Sätze nach dem gleichen Schema", "nachplappem", "nachkauen"). Immerhin 11 von 55 VPn äußerten sich zum Zweck solcher Übungen und formulierten „lemtheoretisch": VP0I „Schüler wiederholen ständig gleiche o. ähnliche Sätze ... Unterricht besteht hauptsächlich aus Wiederholung (wahrscheinlich, um sich z.B. den Satzbau einzuprägen)" (VP 02 ähnlich) VP04 Schüler sollen „ein Gefühl für die Sprache bekommen" VP29 „Unterricht nach dem Motto: je öfter ein Satz, desto eher prägt er sich ein" [sie! ] VP34 Frage-Antwort-Spiel: "Lernen durch ständiges Wiederholen von Standartsätzen [sie! ]" [ ... ] "Schüler sollen wahrscheinlich auch ein Gefühl für die Sprachmelodie bekommen" VP37 „Regelrechtes 'Einpauken' von Sätzen durch ständiges Wiederholen" VP48 „Über die ständige Wiederholung soll sich das 'Erlernte' bei den Kindern [ ... ] einprägen" VP54 „Durch häufiges Wiederholen und Üben soll sich eine Satzkonstruktion einprägen; [ .. .]" VP60 „Einprägen von Phrasen" VP68 „Es wird die englische Satzstellung geübt bzw. eher stur eingepaukt" VP76 „Einprägung der Frage u. Antwort mit 'do'" Fünf VPn bewerteten die Übung explizit negativ: VPSI „Lernen durch ewiges Wiederholen SINNVOLL ? ? " VP33 „sinnlose Fragen" [...] "fraglich, wie da ein Lernerfolg erzielt werden soll" VP20 „Scheint Praxis und Aktivität vorzutäuschen: Schüler beteiligen sich, aber dadurch, daß sie nachplappern [...] lernen sie nichts dazu. [ ... ] Es ist absolut blödsinnig, eine ganze Stunde lang Sätze von sich zu geben wie 'he goes to school every day', 'he goes to the baker every day"' VP0S „sinnlose ständige Wiederholungen" VPIS (fragt generell: ) "sinnvolle Unterrichtsgestaltung? " Es zeigt sich, daß die Studierenden durchaus eine kritische fachdidaktische Einstellung mitbringen, denn die Anlage der Übung wird insgesamt auch von denen nicht positiv eingeschätzt, die sie lediglich als „Wiederholung" bezeichnen. Deutlicher artikulieren kann sich aber nur eine Minderheit, die die lemtheoretische Basis solcher Übungen anspricht oder sich sogar kritisch dazu äußert. Ein explizites Fachwissen wird allerdings in diesen Äußerungen nicht benutzt. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 113 4.3.2 „ Sprachtheoretische" Kommentare zur Übung Interessant ist, daß immerhin 13 VPn eine negative Einschätzung der Übung unter dem Aspekt vorbringen, daß der kommunikative Nutzen der gelehrten Sprache fragwürdig sei und daß keine Kommunikation unter den Schülern entsteht. Beides sind wichtige Aspekte in den hessischen Rahmenplänen für den Englischunterricht der Sekundarstufe I, und es ist durchaus möglich, daß einige der VPn in ihrem eigenen Unterricht mit solchen Gedanken konfrontiert wurden. Einige der Studierenden erläuterten, warum sie den Drill unter sprachtheoretischen Aspekten kritisieren: VP3 l „Stures Abfragen der Grammatik durch sinnlose Sätze; sinnlos, da kein wirklicher Bezug der Schüler zu den: Sätzen, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen sind, es sind nur lose aufeinander folgende Sätze, nur Bruchstücke der Sprache. Eine Sprache ist dazu da, mit anderen zu kommunizieren, sich mitzuteilen, und nicht, um irgendeine Regel auf sie anzuwenden" VP43 „Sätze nicht gescheit anwendbar" VP46 „kein Bezug zur Lebenssituation, den man durch ein Spiel, Nachstellung von Lebenssituationen (z.B. Einkauf beim Metzger) erreichen könnte"; VP50 „der Inhalt der Sätze ist falsch [ ... ]" VP74 „kein einheitliches Thema (Gespräch, Text, ...) einzelne von einander unabhängige Sätze werden nachgesprochen (kein Zusammenhang)" VP80 „Sätze werden nur aufgesagt; wahrscheinlich denken die Schüler, daß es nur die Zeit gibt bzw. zu starke Benutzung im späteren Leben" Ein ebenfalls sprachtheoretisches Argument ist, daß diese Übungsform kreativen und spontanen (freien) Sprachgebrauch unterbindet. Darauf weisen 15 VPn hin. Exemplarisch seien hier einige der Kritikpunkte aufgeführt: VP14 Antworten kamen nicht spontan, waren „antrainiert", kein „Dialog" VP22 „wenige Schüler brechen aus dem Schema aus und ergänzen kleine Satzzusätze" VP35 „Schüler werden nicht dazu angeregt, kreativ mit der englischen Sprache umzugehen" VP45 „Kinder lernen vorgefertigte Sätze dann lernen sie diese zwar auswendig lernen aber nicht die Vielfältigkeit einer Sprache und nicht Freiheit, um sie zu gebrauchen" VP50 „ein Schüler ist über das Papageienstadium hinweg er wiederholt nicht nur, (sondern) verneint oder begründet Sätze" VP63 (Schüler) "haben keine Möglichkeit, kreativ eigene Antworten zu kreieren, sondern bewegen sich im vorgegebenen Rahmen" Erstaunlich ist, daß immerhin 10 VPn im Sprachhandeln von Lehrer und Schülern auch positive Aspekte entdeckten. Daß „alltägliche Themen" angesprochen werden, "mit denen sich die Schüler identifizieren können (church, breakfast, father-work, [...])" (VP77), beobachteten auch andere Studierende: "Die Fragen richten sich direkt an das Leben der Kinder, z.B. Was ißt Du jeden morgen? " (VP39, ähnlich VPl 1 und VP15), "Themen sind direkt an den Alltag geknüpft" (VP36, ähnlich VP72). Einige VPn registrierten auch durchaus korrekt, daß die Schüler „Nicht nur Nachsprechen, sondern [...] auf die Frage des Lehrers (antworten)" (VP12) und eigene Sätze bilden (VP04, VP25). FLuL 27 (1998) 114 Jürgen Quetz 4.3.3 Fehler, Fehlerkorrektur, grammatische Erklärungen Eine erstaunlich große Zahl, nämlich fast die Hälfte der Studierenden äußerte sich zu Fehlern und zur Fehlerkorrektur (N = 37). Dabei treten wegen der Tendenz der audiolingualen Methode zur Fehlerprophylaxe durch eng geführte Übungen keineswegs so viele Fehler auf, wie die VPn meinen. 12 Den Studierenden fallen offenbar eher Verstöße gegen die accuracy einer Äußerung auf als die kommunikative Angemessenheit einer Schülerantwort. Von den 37 Studierenden, die Fehler der Schüler erwähnten, meinten 12 VPn, eine Korrektur habe gar nicht oder kaum stattgefunden. 23 VPn kommentieren die Art der Fehlerkorrektur. 13 Dabei meinten 2 VPn, die Schüler hätten ihre Fehler selbst korrigiert. 2 weitere VPn bemerkten, daß der Lehrer korrigiert. Außerdem wurde Korrektur durch „stures Wiederholen" (VP61) bzw. Nachsprechen (VP60, VP72) oder durch Beenden einer Schüleräußerung (VP63), oft „während Schüler reden" (VP41), beobachtet. Die wichtigste Feststellung ist, daß der Lehrer keine expliziten Erklärungen benutzt. Dies bemängelten 15 VPn. Einige von ihnen sollen stellvertretend für die anderen zu Wort kommen: VPI 7 „Die Schüler wissen, wenn sie Fehler machen, gar nicht warum, sondern sprechen die richtigen Sätze, die ihnen der Lehrer vorsagt, nur nach." VP22 „Lehrer erklärt von den Schülern gemachte Fehler nicht, sondern macht sie zumeist nur mittels Handbewegung bzw. anderer Gestik darauf aufmerksam oder verbessert sie nur ohne Erklärung." VP42 „Fehler werden zwar verbessert, jedoch nicht erklärt, warum die so, z.B. Satzstellung, falsch bzw. richtig ist." VP52 „Kein genauer Beitrag zur Klärung der grammatischen Abfolge in der Fragestellung. Geht nicht auf Fehler ein." VP54 "[ ... ], ohne daß Fehler der Schüler besprochen werden. Der Lehrer ist alleine Instanz, der Fehler korrigiert [sie! ], die Schüler bilden wahrscheinlich kein 'eigenes Gehör' für Fehler aus." Verbirgt sich hinter dieser Kritik vielleicht ein Wunsch nach stärkerer kognitiver Ausrichtung des Unterrichts bei fast der Hälfte der Studierenden? Ein Blick auf die Äußerungen zu grammatischen Erklärungen könnte dies bestätigen. 14 Deren Fehlen registrierten immerhin 9 VPn; es finden sich Äußerungen wie diese: "kein Erklären/ Verstehen, kein Lernprozeß" (VP14), "Dritte Person Singular wird überhaupt nicht erklärt, sondern die Schüler werden nur mit Handbewegungen des Lehrers darauf aufmerksam gemacht, daß ein 's' z.B. an ihr gesprochenes Wort gehört" (VP 17), "die Veränderung des Verbs bei der dritten Person wird nicht bewußt gelernt darum wird es andauernd von den Schülern vergessen" (VP19), 12 Die Kameraführung läßt zudem nicht erkennen, daß der Lehrer die Schüler durch Heben der Hand darauf aufmerksam macht, daß sie einen Fehler gemacht haben. Er malt auch mit dem Finger ein 's' in die Luft, wenn es sich um einen Fehler bei der 3. Person Singular handelte. 13 2 VPn stellten nur fest, daß Fehler gemacht wurden. 14 Doppelnennungen waren hier möglich, traten aber nicht oft auf. FLuL 27 ( 1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 115 "kein anständiges erklären [sie! ]" (VP32), "der Lehrer spricht mit den Kindern nicht über die Regeln" (VP45). Auch eine Äußerung wie "kein eigenes Nachdenken" (VP22) geht in diese Richtung. Eine grammatikbetonte Sicht des Unterrichtsgeschehens zeigen auch Äußerungen, in denen der Lernstoff beschrieben wird "ja/ nein, every [...]" (VPl 1), "Satzstellung" (VP44), "Zeiten abgefragt" (VP52), "Satzstruktur 'Verneinung"' (VP78), „Sätze mit 'do' gebildet" (VP79)). Die Rolle der Kognition wird von all diesen Studierenden offenbar hoch veranschlagt. 4.3.4 Diverses 10 VPn erwähnten lobend, daß der Unterricht einsprachig verlaufen sei. 15 VPn erwähnen, daß der Unterricht sprechaktiv gewesen sei, was sie positiv bewerten, wie VP23: "Das ständige Sprechen in einer anderen Sprache fördert die Sprachfertigkeit und macht den.Kindern anscheinend Spaß." 5 VPn bemängeln aber auch, daß das Schreiben vernachlässigt werde. Einige Studierende geben grundsätzliche Empfehlungen zur Methodik 15 : "Unterricht fördert nicht gerade die Kreativität, [...]; es wäre gerade in der Anfangszeit des Fremdsprachenunterrichts angebrachter, auch mal den Unterricht etwas aufzulockern." (VPOl) "[...] nicht kindgerecht genug (auflockern durch Lieder, Spiele, [...])" (VP02) "Unterricht sollte durch bildliche Darstellungen oder Textarbeit oder Spiele verbessert werden" (VP06) 5. Die mündlichen Äußerungen zur Videoaufnahme Im Gespräch thematisierten die VPn eher fachdidaktische Aspekte. So· entspann sich eine längere Auseinandersetzung über dass in der 3. Person Singular und daß man es den Schülern erklären müsse, wenn man die Fehler, die man häufig gesehen zu haben meinte, vermeiden wolle. Die Beiträge der Studierenden bestanden allerdings meist aus Paraphrasen der schriftlichen Notizen. Es gab nur wenig Widerspruch, der sich auf abweichende Meinungen bezog. Da ich das Gespräch nicht strukturierte und durch Nachfragen konsistentere Formulierungen der subjektiven theoretischen Annahmen provozierte, kamen keine neuen Aspekte zur Sprache. 15 Eine stärkere visuelle Unterstützung der Übungen fordern 4 VPn. Ein zu schnelles Tempo registrieren 2 VPn. Zur (schlechten) Aussprache der Schüler äußert sich 1 VP, daß Ausspracheschulung ein Lehrziel sei, vermuten 2 VPn. FLuL 27 (1998) 116 Jürgen Quetz 6. Kritische Anmerkungen zum Design der Studie Es fällt auf, daß es viele Beobachtungen gibt, die einander ausschließen. Schon bei der Beschreibung der Sitzordnung zeigt sich, wie unzuverlässig die impressionistische und nicht fokussierte Wahrnehmung ist: VPIO: "in Reihen"; VP26: "Mädchen und Jungen getrennt"; VP28: "Halbkreis"; VP34: "jeder sieht jeden"; VP53: "die Schüler sind mehr mit ihrem Nachbarn beschäftigt als.mit dem Unterricht, was man ihnen nicht verübeln kann"; VP56 und VP75: "U-Form"; VP69: "unpraktisch, Sitzkreis wäre besser"; VP76: "Sitzordnung durcheinander, nicht steif hintereinander"; VP80 „nicht kommunikativ". Auch die Klassengröße wird einmal als „groß" (VP16), einmal als "klein" (VP30) bezeichnet, was bei relationalen Adjektiven allerdings nicht verwundern darf. 16 Weiterhin hat die Kameraführung offenbar bewirkt, daß der Eindruck eines unruhigen oder gar hektischen Unterrichts entstand. Die Transkription zeigt, daß der Unterricht zwar zügig, aber keineswegs unruhig verlaufen ist. Ganz im Gegenteil setzen die Äußerungen der Schüler immer erst dann ein, wenn sie drangenommen werden. Dabei entstehen zwar keine Pausen, aber objektiv gesehen ist der Unterricht sehr geordnet und keineswegs „chaotisch". 17 Weiterhin kann man aus der Numerierung der Beobachtungsbögen ersehen, daß nahe beieinander sitzende Studierende auch zu ähnlichen Beobachtungen und teilweise zu identischen Formulierungen kamen. Das zeigt, daß viele Studierende unsicher waren, wie sie sich äußern sollten, oder daß ihnen unter Umständen gar nichts einfiel. Da ich aber keine statistische Auswertung anstrebe, sondern einen Querschnitt einer Gruppe rekonstruieren möchte, fällt dieser Mangel nicht so sehr ins Gewicht. Die Notizen der dritten Phase der Auseinandersetzung mit dem Mitschnitt wurden allerdings nur im Ausnahmefall zitiert, da es sich zeigte, daß in der Regel nur Beobachtungen der Sitznachbarn übernommen wurden. 7. Was kann man aus den Äußerungen der Studierenden lernen? Die Studienanfänger dieses Jahrgangs bringen als Gruppe recht heterogene Alltagstheorien mit, die zudem unterschiedlich „deklarativ" sind. Auffällig ist die starke Aufmerksamkeit für allgemein pädagogische Fragen (vgl. 4.1 und 4.2). Fachdidaktische Überlegungen stehen ihnen gegenüber etwas zurück. Diese Tendenz bleibt 16 Aber auch andere Beobachtungen sind ja höchst widersprüchlich gewesen, etwa wann und wie Fehler korrigiert werden oder was genau Gegenstand der Übung war oder ob eine Lehrerfrage nachgesprochen oder beantwortet wurde und wie offen dabei die Antworten waren. 17 Daß sie hier offenbar einer Täuschung durch das vermittelnde Medium zum Opfer gefallen sind, haben die Studierenden im zweiten Teil der Seminarsitzung erörtert. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 117 meiner Beobachtung nach im ganzen weiteren Studium erhalten. Ein Teil der oft gehörten Kritik am mangelnden Praxisbezug des Lehramtsstudiums resultiert wohl daraus, daß man in der Fachdidaktik solchen Aspekten mittlerweile eher distanziert gegenübersteht, weil man sie bei anderen Bezugswissenschaften besser aufgehoben glaubt. Dabei gibt es gerade in bezug auf die angeschnittenen Aspekte (Disziplin, Motivation) durchaus eine fachdidaktische Perspektive. Unter den fachdidaktischen Aspekten, die die Studierenden ansprechen, fällt auf, daß 14 VPn explizit eine kommunikative oder kreative Ausrichtung des Englischunterrichts als Leitbild vor Augen haben (und im Unterrichtsmitschnitt vermissen), 17 VPn aber vor allem das Fehlen einer kognitiven Komponente monieren (und sich noch häufiger über Grammatikfehler auslassen! ), und nur 8 VPn Defizite in beiden Dimensionen registrieren. Das zeigt, daß die Studierenden ihr Lehramtsstudium mit recht gegensätzlichen subjektiven Theorien beginnen. 18 Die weitere Ausbildung wird also nicht stillschweigend voraussetzen können, daß sie alle Studierenden für ein zeitgemäßes fachdidaktisches Paradigma wird gewinnen können. Das starke Interesse vieler Studierender an Seminaren zum Grammatikunterricht zeigt, daß sie eher traditionellere Konzeptionen weiter verfolgen. Bestätigt wird dies indirekt auch dadurch, daß immerhin 13 Studierende den audiolingualen Unterricht positiv bewerteten und 19 ihn zumindest als nicht weiter kritikwürdig betrachteten. Daß fast die Hälfte der VPn den Unterricht unter dem Aspekt der Disziplin und der Konzentration als negativ einstuften, obgleich er, zieht man die Verfälschungen durch die Kameraführung ab, eigentlich ein zwar temporeicher, aber doch sehr disziplinierter Unterricht ist, zeigt, daß viele Studienanfänger eine eher traditionelle Vorstellung vom Fremdsprachenunterricht haben, obgleich sie einem lehrerzentrierten Unterricht eher kritisch gegenüberstehen. Sie sehen offenbar noch nicht, daß offenere, kommunikative Unterrichtsformen eine höhere Toleranz gegenüber acceptable working noise erfordern. Was kann man aus diesen Beobachtungen für die Planung von fachdidaktischen Lehrveranstaltungen in der ersten Ausbildungsphase lernen? Als Sprachlehr- und -lernforscher neigt man oft dazu, ein Seminar thematisch so einzugrenzen wie seine eigene wissenschaftliche Tätigkeit. Da die Studierenden aber ihre Seminare eigenverantwortlich zusammenstellen, werden sie wohl eher solche wählen, die ihren subjektiven Theorien von Fremdsprachenunterricht zu entsprechen scheinen. Deshalb wird es wohl oft passieren, daß sie bestimmten Fragestellungen im Studium gezielt aus dem Weg gehen und so ihre „einseitigen" Vorannahmen über Unterricht bestätigt finden. Seminare im Grundstudium sollten deshalb zu enge thematische 18 Da ich keine personalen Daten erhoben habe, kann ich nicht ausschließen, daß unter den 80 VPn ein kleiner Prozentsatz von Studienfach- oder Hochschulwechslern war, die bereits mit wissenschaftlichen Theorien in Kontakt gekommen waren. Da dieser Personenkreis aber in der Regel nicht an der Einführung für Erstsemester teilnimmt, ist diese Wahrscheinlichkeit gering. FLuL 27 (1998) 118 Jürgen Quetz Festlegungen vermeiden ·und sowohl Themen des Spracherwerbs und damit der Kognition, als auch Fragen einer kommunikativen Orientierung ansprechen, um die Koordination dieses Wissens zu einer aktuell akzeptablen Unterrichtsphilosophie nicht allein den Studierenden zu überlassen. Deren Alltagstheorien oder auch "subjektive Theorien" möchten wir ja weiterentwickeln zu einem Stand, der aktuellen „wissenschaftlichen Theorien" zumindest nicht diametral entgegengesetzt ist. Bibliographische Angaben EHLICH, Konrad/ REHBEIN, Jochen (1976): "Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT 1)". In: Linguistische Berichte 45, 21--41. GABEL, Petra (1997): Lehren und Lernen im Fachpraktikum Englisch. Wunsch und Wirklichkeit. Tübingen: Narr (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). GROEBEN, Norbert [et al.] (1988): Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke. KALLENBACH, Christiane (1996): Subjektive Theorien: Was Schüler und Schülerinnen über Fremdsprachenlernen denken. Tübingen: Narr (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). QUETZ, Jürgen/ SOLMECKE, Gert (1981): Unterrichtsbeobachtung und Mitarbeiterberatung. Studieneinheit 4 im Kurs 3421 „Lernbereichsdidaktik Fremdsprachen". Hagen: Fernuniversität. SCHÜTZ, Alfred/ LUCKMANN, Thomas (1979): Strukturen in der Lebenswelt. Bd. I. Frankfurt/ M.: Suhrkamp. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 119 Anhang: Transkription des Unterrichtsausschnitts Klasse: 8. Klasse Hauptschule in Hagen, 14 Jungen (rechts, in der Transkription 1-14) und 10 Mädchen (Mitte bis links, 15-24). Die Sitzordnung (Zweiertische in Hufeisenform mit einem kürzeren Schenkel in 2-3 Reihen hintereinander) ist wegen der Aufnahme so geändert, daß alle Schüler im Bild sind. Der Lehrer steht in der Mitte des Hufeisens vor Pult und Tafel. Lehrer: ca. 45, dunkle Hornbrille, Anzug mit Krawatte und gestreiftem Hemd. Der Lehrer, der auch als Fachleiter/ Ausbildungsleiter tätig war, unterrichtete nach der audiolingualen Methode. Stoff: In Anlehnung an das Lehrbuch Peter Pim and Billy Ball, Comelsen Verlag 1964 (11. Aufl.), Band 1, Chapter 18, p. 55; Übung offensichtlich vom Lehrer erstellt. 1. L Do you go to school every morning? .. Do you go to school Move 1 2. every morning? .. or every day? mehrere S melden sich, S 10 mit Su Yes, I go every day to school. beiden Armen; 1[ nach Antwort s, [Oh/ Äh] 1 von S 13 Aufstöhnen der S, J 3. L go to school L und mehrere S helfen ein s, go Sn Yes, I got . Yes, I go every day ... to school every day. 4 s, [(... )mach deinen Mund zu (? )] 2 2[ s. ruft dazwischen, unvq- Sb Yes, I go to school every day. ständlich]; mehrere S melden s, Y es, I go to school every day. sich; schnelle Wiederholung der Schülerantwort durch andere Schüler 5. Sd ' Yes, I go to school every day. 6. L Do you go to church every day? Move 2 7. s,. No, I do not go to church every day. s, Y es, I go to church every S, variiert Antwort von S 24 8. L Do you go to town every day? s, day. s, Y es, I go to church every day. S 1 wiederholt variierte Antwort 9. S11 No, I didn't wen! to town... s, Hier! L Do you gQ to town every day? 10. S11 [Yes, I go to town every day.J 3 3{ schnell J Sh Y es, I go to town every day. s, Yes, I 11. go to town every day. 12. L Does ~ go to town every day? ... Move 3 L zeigt vermutlich auf S22 Yes, he ein Haftelement an der Tafel 13. go to town ... Yes, he went .. [he goesJ 4 to town 4[ Selbstkorrektur nach fal- Si he went schem Einsagen J Sk he goes 14. S22 every day. s" Yes, he goes to town every day. s,. Yes, he goes to town 15. every day. S1 Yes, he goes to town every day. Sm Yes, he goes to town 16. every day. FLuL 27 (1998) 120 Jürgen Quetz 17. L ..... Does ... [Mr PimJ 5 go to High Street every day? Move 4 5[ zeigt auf Haftelement an der Tafel ] 18. s, No, Mr Pim goes .. No, Mr Pim doesn't goes to .. L does doesn't go 19. s, doesn't go to the Street to High Street . he goes L to High Street 20. s, to the school. L [ 1 6 6[ zeigt auf S 24 J s" I think Mr . Mr Pim fill§ to High Street 21. every day. s„ Mr Pim go . goes to his office every day. S1, I think 22. L [ to High Street J 7 7[ Antwort S 15 ist korrekt J S1, Mr Bim . Bim . Pim goes to the High Street every day .. to 23. High Street every day. 24. L [Where does your father go to every day? J 8 Move 5 8[ ohne Pause, betont J 25. S10 My father every day go .. My father goes every day .. My 26. father go .. to office .. goes . to his office every day. L goes to his office [ 1 9 9 [ zeigt auf S 22 J 27. s„ My father goes to his office every day. s, My father goes to his 28. office every day. L Your brother. My s, Yes, my brother go to his 29. L brother goes .. s, My brother goes to his office every day. 30. S10 My 31. brother goes to school every day. s,1 My brother goes to school 32. every day. 33. L [ J 10 Do . ! hn'. ... go .. to London Street every day? Move 6 10[ hängt zweiten Mann als Haftelement an die Tafel, zeigt bei they darauf, zeigt dann auf S, 1 34. so Yes, they go. to London Street every day. [ 1 JJ u [ zeigt auf SP J s, Yes, they go to 35. London Street every day. 36. L [ J 12 Do . they . go to the butcher's every day? Move 7 12 [ L zeigt auf [ 113 Wandbild, das eine Einkaufsstraße zeigt ] 13 [ schriller Schrei vom Schulhof J 37. s. I think the . they goes . go to the butcher's every day. [ j 14 " [ L nickt bestätigend J 38. L Do they go [ ] 15 to .. the grocer's every day? Move 8 15 [ L zeigt auf Wandbild, mit Einkaufsstraße, zeigt dann auf S, J 39. s, Yes, they go .. 40. to the grocer's every day. L [ j 16 16 [ L zeigt auf S, J s, Yes, they go to the grocer's every day. FLuL 27 ( 1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 121 41. L Do YQ! ! . go . to the baker's every day? 42. [S6] Yes, I. go to the 43. baker's every day because I will „ I want to L I want to buy „ 44. buy ... a bread. s, [ a bread / 18 45. L the baker's S1 Yes, I go to the baker every day. 46. S1, Yes, I go to the baker's every day. 47. L All right. .. Do you give your 48. teacher your exercise book every day? S" Yes, I give my teacher 49. my exercise book every day. s„ Yes, I give my teacher my 50. s. exercise book every day. [ j 19 s, Yes, I give my teachers „ my teacher 51. my exercise book every day. S1, Yes, I give (the) teacher my 52. exercise book every day. 53. L Do you give your teacher your 54. English book every day? s, Yes, I give my English book my 55. teacher every day. L „ give my teacher my English book every 56. day s. Yes, I give my teacher my English book every day. 57. Sw No, I don't give my teacher the English book every day. I 58 give him a workbook. Dauer des Mitschnitts: 4: 36 min Transkription: (vereinfachte) HIAT (Ehlich/ Rehbein 1985) S1 - 14 S15 - 24 Sn s._, L Ylli! Schüler Schülerin mehrere Schüler bzw. Schülerinnen nicht identifizierbare Schüler bzw. Schülerinnen Lehrer betontes Wort kurze Pause, Zögern längere Pause Stelle, auf die sich der Kommentar bezieht Move 9 17[ zu schließen aus Blickrichtung der anderen S J 18{ anderer S hilft ein J Move 10 19[ L schreibt I give my teacher ... an die Tafel J Move 11 vor Move 12 Ende des vorgespielten Filmausschnitts. [ 1 3 Move entspricht einem Übungsschritt mit Stimulus - Drannehmen durch Handzeichen - Schülerantwort (und eventuell Lehrereinhilfe/ Korrektur) - 2 - 3 Wiederholungen der ersten Antwort (eventuell mit Variation) FLuL 27 (1998) Daniela Caspari Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen für Studierende ein relevantes Thema? Überlegungen zum Gegenstand und seiner methodischen Umsetzung im Rahmen eines fachdidaktischen Hauptseminars Abstract. How can subjective theories be made the focus of university studies? The author describes and analyzes an upper level course in language teaching research in which students explored the professional self-image of teachers of French. Reflections on course results and students' utterances lead to the conclusion that subjective theories should be dealt with already during university education. Teaching experience suggests to combine research of others with the exploration of one's own theories on a scientific basis. 1. Die Berücksichtigung subjektiver Sichtweisen in der Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrern/ -innen Nachdem Fremdsprachenlehrer/ -innen als Folge der Betonung der Lernerorientierung lange Zeit „als entscheidende Größe institutionalisierten Fremdsprachenlernens kaum im Zentrum größerer Untersuchungen" (Krumm 1995: 475) standen, zeigt nicht zuletzt dieses Themenheft, daß sich die Situation in jüngster Zeit erfreulich verändert hat. Seit kurzem ist auch im deutschsprachigen Raum ein verstärktes Interesse an der empirischen Erforschung dieses Berufsstandes und seiner Vertreter/ -innen zu konstatieren, wobei ein Schwerpunkt auf der Erforschung subjektiver Sichtweisen liegt (vgl. u.a. Appel 1996, Caspari 1997a, Christ 1990, Dirks 1997, Hart 1992, Rippen 1997). Zur gleichen Zeit gewannen, nicht nur angesichts der Altersstruktur der an Schulen tätigen Lehrer/ -innen, Fragen der Lehreraus- und -fortbildung zunehmend an Gewicht (vgl. u.a. Bausch [et al.] 1991, Schröder [et al.] 1995, Zydatiß 1998 sowie das Thema des DGFF-Kongresses 1997 „Fremdsprachen lehren lernen - Lehrerausbildung in der Diskussion"). Auch die derzeitige Debatte um Schulentwicklung (vgl. z.B. Bildungskommission NRW 1995, Schratz 1996) geht davon aus, daß Veränderungen von Schule und Unterricht in erster Linie von den Lehrern/ -innen selbst ausgehen und getragen werden müssen, denn: "lt can perhaps be said that the most important pedagogical innovation is the teacher with his or her pedagogical thinking and personal qualities" (Kohonen [zit. nach Legutke 1995: l]). Berücksichtigt man ferner, daß die Wahrnehmung von Unterrichtsprozessen und das Lehrerhandeln in hohem Maße wenn auch oft unbewußt von den persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen der Lehrkräfte getragen ist (vgl. Johnson 1995: 33), so erscheint es nur folgerichtig, den subjekti- FLuL 27 (] 998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 123 ven Sichtweisen von Fremdsprachenlehrern/ -innen nicht nur für die Forschung, sondern auch in der Aus- und Fortbildung die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Für die Berücksichtigung und den konstruktiven Umgang mit diesen, von den Teilnehmern/ -innen „mitgebrachten" subjektiven Sichtweisen sind in der Aus- und Fortbildung bereits überzeugende methodische Ansätze im Sinne eines handlungs- und erfahrungsorientierten Lernens entwickelt worden (für die Fortbildung vgl. die Übersicht in Legutke 1995: 7-11; für die Ausbildung den Ansatz von Schocker-V. Ditfurth 1997). Diese Ansätze beruhen darauf, den (zukünftigen) Lehrern/ -innen ihre eigenen Meinungen, Vorstellungen und Erfahrungen zu einem bestimmten didaktischen oder methodischen Thema bewußtzumachen und diese durch die Konfrontation mit anderen Sichtweisen aus der Theorie und/ oder der Praxis sowie durch neue Erfahrungen zu verändern. Subjektive Sichtweisen nicht als methodischen Ansatz für ein beliebiges anderes Thema zu nutzen, sondern als selbständiges Thema in Aus- und Fortbildungsveranstaltungen von Fremdsprachenlehrern/ -innen einzubringen, ist meines Wissens dagegen bis jetzt nur in Ausnahmefällen erprobt worden (vgl. die in Bremen von Klaus Schüle veranstaltete Seminarreihe, die von Böttcher [et al.] 1996 dokumentiert wurde). Die sehr positiven Reaktionen von Lehrern/ -innen auf die im Rahmen meines Habilitationsprojektes durchgeführten Interviews zu ihrem beruflichen Selbstverständnis (vgl. Caspari 1997) sowie die Vorstellung meiner ersten Forschungsergebnisse auf Kongressen und einer Lehrerfortbildungsveranstaltung haben gezeigt, daß subjektive Sichtweisen nicht nur als Methode, sondern auch als Thema von Fortbildungsveranstaltungen auf Interesse stoßen. Ob auch in der ersten Phase der Ausbildung die Beschäftigung mit subjektiven Sichtweisen von Fremdsprachenlehrern/ -innen sil}nvoll ist, an welcher Stelle und auf welche Art und Weise dieses Thema in die fremdsprachendidaktische Ausbildung der Studierenden integriert werden kann, werde ich im folgenden anhand der Auswertung eines im Sommersemester 1997 an der Berliner Humboldt-Universität durchgeführten Hauptseminars in Fachdidaktik Französisch darstellen. 2. Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen als fachdidaktisches Seminarthema Welches sind die Aufgaben der fachdidaktischen Lehre in der ersten Phase der Lehrerausbildung? Kurz und knapp formuliert sollten fachdidaktische Veranstaltungen den Lehramtsstudierenden Gelegenheit geben, "im Hinblick auf ihren zukünftigen Tätigkeitsbereich [...] vor allem das Lehren und Lernen einer Fremdsprache, ihrer Fremdsprache in Theorie und Praxis kennen[zu]lernen" (Wendt 1996: 55). Einer universitären Fremdsprachendidaktik, die wissenschaftsfundiert und berufsbezogen qualifizieren will, kommt somit die Aufgabe zu, den Lehramtsstudierenden in dem komplexen Bereich des Lehrens und Lernens einer fremden Sprache Wissen FLuL 27 (1998) 124 Daniela Caspari zu vermitteln und ihnen den Anstoß zu theoretischen Einsichten sowie die Gelegenheit zu ersten Praxiserfahrungen zu geben (vgl. a.a.O.). Ist es bei dieser umfassenden und anspruchsvollen Aufgabe überhaupt sinnvoll, eine der wenigen fachdidaktischen Pflichtveranstaltungen des Studiums darauf zu verwenden, sich mit den subjektiven Sichtweisen von Fremdsprachenlehrern/ -innen zu beschäftigen? Diese Frage stellt sich auch deswegen, weil die Studierenden selbst immer wieder direkt in die Praxis umsetzbares, vor allem methodisches Wissen einfordern. Hierzu zwei Stimmen aus der Abschlußreflexion des Seminars: „J'avais [...] l'espoir que ce HS m'apporterait des connaissances profitables a mon cours de frarn; ais et au futur travail a l'ecole. J'entends par 1a des impulsions concretes pour mes cours, des methodes de travail, une approche de nouveau materiel de cours, etc." und"[...] Methodik gehört in ein Didaktik-Seminar einfach mit hinein". Eine direkt anwendbare „Methoden-Meisterlehre" ist heutzutage angesichts der noch nicht absehbaren Anforderungen, die die zunehmenden Veränderungen des schulischen wie außerschulischen Fremdsprachenunterrichts und seiner Bedingungen an die zukünftigen Lehrer/ -innen stellen werden, jedoch nicht die geeignete Ausbildungsform (vgl. hierzu auch die These 9 in Wolff 1998). Angesichts der zu erwartenden gravierenden Veränderungen der Lehrerrolle und damit auch des persönlichen Lehrerseins der Studierenden, erscheint es vielmehr notwendig, sie durch den Gewinn grundsätzlicher Einsichten auf ihren zukünftigen Beruf vorzubereiten. Das Nachdenken über ihre Rolle und Funktion sollte hier einen prominenten Platz einnehmen, denn „Lehrer gelten nach wie vor als zentrale, vielfach sogar als entscheidende Variable des Unterrichts" (Krumm 1995: 475). Dieses Nachdenken sollte auch nicht in die zweite Phase verschoben werden, weil sich „bereits in der mehrjährigen Sozialisation im Rahmen des Studiums (und nicht erst später im Referendariat) entscheidet [...], wie offen ein zukünftiger Fremdsprachenlehrer im Hinblick auf die o.g. veränderten und erweiterten Rollenerwartungen ist" (Vollmer 1995: 674). Für eine solche grundlegende Beschäftigung mit dem Thema „Französischlehrer/ -in werden und Französischlehrer/ -in sein" schien mir ein möglichst breit gefächerter Zugang sinnvoll. Daher bot sich das Konstrukt „berufliches Selbstverständnis" als übergreifendes Seminarthema an, in dessen Rahmen sich die Studierenden mit verschiedenen Teilaspekten des „Französischlehrerseins" auseinandersetzen konnten, ohne dabei das Zusammenwirken der verschiedenen Komponenten aus dem Auge zu verlieren. Unter „beruflichem Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrern/ -innen" verstehe ich in Anlehnung an Drewes (1993: 72), der „Identität" als den „paradigmatischen Fall einer 'Subjektiven Theorie' eines Individuums" bestimmt, subjektive Theorien von Angehörigen dieser Berufsgruppe über sich selbst in bezug auf ihre berufliche Tätigkeit. Bei diesen Theorien handelt es sich um Konstrukte aus Wissen, Einstellungen, Gefühlen, Absichten usw., die die Personen aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrungen im ausgeübten Beruf und aufgrund der Bewertung ihrer Erfahrungen FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 125 gebildet haben. Das „berufliche Selbstverständnis" ist somit als komplexe, relativ stabile subjektive Konstruktion eines Individuums über die eigene Person zu verstehen, die für die Handlungsorientierung, -planung und -ausführung im alltäglichen Kontext des Individuums relevant ist. Aufgrund dieser Eigenschaften entspricht das „berufliche Selbstverständnis" der weiten Explikation des Konzepts Subjektiver Theorien von Groeben [et al.] (vgl. 1988: 19). Gemäß dem Prinzip handlungs- und erfahrungsorientierter Ansätze der Lehreraus- und -fortbildung sollten die Studierenden durch die Beschäftigung mit dem theoretischen Konstrukt des „beruflichen Selbstverständnisses" sowie mit praktischen Beispielen dazu angeregt werden, sich ihrer eigenen Vorstellungen vom Französischlehrersein bewußt zu werden, sie zu fundieren, zu differenzieren und ggf. zu modifizieren. Als Teilziele des Seminars wurden bestimmt: 1. Die Studierenden sollen als theoretische Grundlage das psychologische Konstrukt „berufliches Selbstverständnis" kennenlernen. 2. Sie sollen sich ihres eigenen beruflichen Selbstverständnisses als zukünftige Französischlehrer/ -innen besser bewußt werden. Das bedeutet: - Sie sollen sich mit eigenen Haltungen und Überzeugungen zu zentralen Komponenten des beruflichen Selbstverständnisses beschäftigen und sie darstellen können. - Sie sollen erkennen, wodurch die eigenen Vorstellungen geprägt sein könnten. Dies beinhaltet u.a. eine Beschäftigung mit ihrem eigenen Werdegang. 3. Die Studierenden sollen sich mit dem beruflichen Selbstverständnis praxiserprobter Lehrerinnen und Lehrer auseinandersetzen. Dies beinhaltet: - Sie sollen das berufliche Selbstverständnis einzelner Personen rekonstruieren können. - Sie sollen dieses Selbstverständnis analysieren und interpretieren können. - Sie sollen dieses Selbstverständnis mit anderen Forschungsergebnissen zu einzelnen Aspekten des Lehrerseins in Beziehung setzen können und hierbei die biographische Dimension berücksichtigen. - Sie sollen in der Seminargruppe Gemeinsamkeiten und Unterschiede des beruflichen Selbstverständnisses verschiedener Lehrer/ -innen herausarbeiten können. Die (selbst)reflexive und theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit fremden Vorstellungen zum Französischlehrersein sollte die Studierenden nicht nur zum Be- und Überdenken ihrer eigenen Vorstellungen anregen, sondern sie gleichzeitig offener machen für ganz unterschiedliche Vorstellungen, Bedingungen und Realisierungsmöglichkeiten ihres zukünftigen Berufes. Der Erwerb einer solchen Haltung sollte seminardidaktisch durch die Kombination aus Selbst- und Fremderforschung im Kontext wissenschaftlicher Diskussion unterstützt werden. Durch diese theoretische Fundierung geht dieser Ansatz über biographische Reflexionsarbeit, wie sie z.B. Dirks (1996) für die Lehreraus- und -fortbildung vorschlägt, hinaus. 1 Vgl. hierzu Schocker-v.Ditfurths Kritik (1997: 361-362) am Ansatz von Dirks sowie die generelle Forderung Legutkes (1995: 20) nach theoretischer Fundierung von Fortbildung. FLuL 27 (1998) 126 Daniela Caspari 3. Struktur, Inhalte und Methoden des Seminars Die Frage, ob auch in der ersten Phase der Ausbildung die Beschäftigung mit subjektiven Sichtweisen von Fremdsprachenlehrern/ -innen sinnvoll ist, kann keinesfalls losgelöst von der seminarmethodischen Umsetzung des Gegenstandes beantwortet werden. Gilt prinzipiell für alle Themen, daß fachdidaktische Veranstaltungen durch ihre Struktur sowie die verwandten Methoden und Arbeitsformen zur entsprechenden Kompetenzerweiterung der Lehramtsstudierenden beitragen sollten, so verlangt die Beschäftigung mit diesem so persönlichen Thema eine besonders sorgfältige Auswahl geeigneter Arbeitsformen. Angeregt durch die Aktionsforschung (vgl. Altrichter/ Posch 1990) habe ich mich für einen forschungsorientierten Ansatz entschieden. Dafür, die Studierenden selbst empirisch forschend tätig werden zu lassen, sprach zum einen, daß sie nicht nur Wissen erwerben, sondern auch eigene und fremde Einstellungen reflektieren sollten. Der Fremderforschung kam somit die Aufgabe zu, die Selbsterforschung nicht nur anzuregen und zu begleiten, sondern auch Impulse zum Gewinn neuer Sichtweisen zu geben. Zum anderen bot sich ein solcher Ansatz bei dem Thema „berufliches Selbstverständnis" bzw. "subjektive Theorien" an, weil zum Zeitpunkt des Seminars für den deutschsprachigen Raum nur wenige relevante fremdsprachendidaktische Forschungsergebnisse vorlagen, so daß keine ausreichende Grundlage für das Seminar bestanden hätte. Außerdem kann durch eigenes Forschen die Methodenkompetenz der Studierenden erweitert werden. Nicht zuletzt sollte durch die Kombination von Selbst- und Fremderforschung bereits im Studium eine bestimmte, unter dem Stichwort "teacher as researcher" (vgl. Edge/ Richards 1993) bekannte professionelle Haltung angebahnt werden, die Lehrer/ -innen als selbstbestimmt forschende Subjekte ihres eigenen, permanenten Fortbildungsprozesses versteht. Die Ziele des Seminars legten eine Dreiteilung nahe: (1) Im ersten Block, der drei Sitzungen umfaßte, stand noch unbeeinflußt von Forschungsliteratur oder eigenen Forschungsergebnissen die eigene Standortbestimmung als zukünftige/ -r Französischlehrer/ -in im Mittelpunkt. Dabei sollten die Studierenden sowohl ihre Vorstellungen artikulieren als auch sich der Tatsache bewußt werden, daß sie durch vielfältige Erfahrungen in den verschiedensten Lehr-/ Lernkontexten geprägt worden sind. Daher wurden zum einen die Berufswahlmotive, die Sprachlernbiographie und das persönliche Verhältnis zu den Fremdsprachen thematisiert. Zum anderen befaßten sich die Studierenden mit ihrem beruflichen Aufgabenverständnis, indem sie über ihre Begründungen für schulischen Französischunterricht diskutierten und die Merkmale und Eigenschaften einer aus ihrer Sicht idealen Lehrkraft für Französisch zusammenstellten. (2) In den folgenden drei Sitzungen wurde die empirische Untersuchung vorbereitet, indem sich die Studierenden anhand zweier Artikel mit dem psychologischen Konstrukt „berufliches Selbstverständnis" beschäftigten. Auf der Grundlage dieses Konstruktes und der Anstöße zur Selbstreflexion aus den ersten Sitzungen sammelten die Seminarteilnehmer/ -innen die Aspekte zum beruflichen Selbstver- FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 127 ständnis von Französischlehrern/ -innen, aus denen ein Interviewleitfaden erstellt wurde. Während einer feiertagsbedingten -'zweiwöchigen Seminarpause führten die Studierenden allein oder zu zweit mit einem/ -r Französischlehrer/ -in ihrer Wahl ein Interview und transkribierten es. Ebenfalls als Vorbereitung auf die Interviewauswertung setzten sich die Studierenden im Seminar mit den Strukturbildern zweier Lehrerinterviews aus meiner eigenen Forschung (vgl. Caspari 1997a) auseinander und erkannten, daß es sich beim „beruflichen Selbstverständnis" von Lehrern/ -innen nicht um eine Ansammlung disparater Einzelelemente, sondern um eine mehr oder weniger kohärente subjektive Theorie handelt (vgl. hierzu Caspari 1998). (3) Im dritten Block wurden die Studenteninterviews zum beruflichen Selbstverständnis einzelner Französischlehrer/ -innen unter bestimmten Fragestellungen ausgewertet, dabei wurden vor allem thematisiert: Berufswahlmotive, Schulerfahrungen als Schüler/ -in, Sprachlernerfahrungen, berufliche Entwicklung, persönliches Verhältnis zu den Unterrichtsfächern, unterrichtliche Zielsetzungen und Funktionsverständnis, Berufszufriedenheit, Lehrersein in der DDR und Erleben der Wende sowie Fremdsprachenstudium unter geschlechtsspezifischer Perspektive. Zu den einzelnen Themen wurde jeweils weitere Forschungsliteratur herangezogen; außerdem wurde versucht, Zusammenhänge zwischen einzelnen Aspekten aufzuzeigen (z.B. Berufswahlmotive und eigene Schulerfahrungen der Interviewpartner/ -innen). Insgesamt nahmen sieben Studenten und neun Studentinnen am Seminar teil; alle studierten Französisch für das Lehramt, der Großteil mit dem Ziel "Studienrat/ Studienrätin". Als zweites Fach hatten die meisten Studierenden Deutsch oder eine weitere Fremdsprache gewählt. Die Mehrzahl hatte ihr Schulpraktikum bereits absolviert und befand sich im letzten Studiendrittel. Fünf Studierende kamen aus den östlichen Bundesländern und hatten ihre Schulzeit während der DDRbzw. Wendezeit verbracht. Diese Studierenden zeichneten sich durch besonders großes Interesse und durchaus auch kritisches Engagement aus, vor allem diejenigen, die während der DDR-Zeit kein Lehramtsstudium beginnen konnten bzw. wollten und das Studium erst nach der Wende aufgenommen hatten. Nur zwei oder drei Studierende hatten das Seminar wegen des Themas gewählt, die meisten aus Neugier auf die Gastdozentin oder mangels anderer Alternativen. Trotz des Seminartitels „Französischlehrer/ -in werden und Französischlehrer/ -in sein" und einer entsprechenden Seminarbeschreibung erhofften sich fast alle Studierenden ein „praxisbezogenes" Seminar, das sie konkret auf ihre Unterrichtspraxis vorbereiten würde. 4. Ausgewählte Ergebnisse der Seminaranalyse Im folgenden werden die im Kontext dieses Themenheftes zentralen Aspekte des Seminargegenstandes und seiner seminardidaktischen wie -methodischen Umsetzung analysiert und diskutiert. Der Struktur des Seminars folgend stelle ich dar, welche Ergebnisse in den drei Blöcken erreicht wurden, was rückblickend als gelungen bzw. weniger gelungen bewertet werden kann und welche Alternativen in FLuL 27 (1998) 128 Daniela Caspari Frage kommen könnten. Da wie unter Punkt 2 dargelegt - Bewußtwerdungs- und Veränderungsprozesse der Studierenden in bezug auf die eigenen Vorstellungen vom Französischlehrersein Hauptziele des Seminars waren, wird den Eindrücken und Urteilen der Seminarteilnehmer/ -innen der größte Raum gegeben. Hierbei stütze ich mich auf die anhand von Leitfragen angefertigten schriftlichen Seminarreflexionen der Studierenden sowie die als eine Voraussetzung für den Seminarschein von ihnen geführten Seminartagebücher 2 . Als weitere Daten werden die Arbeitsergebnisse der einzelnen Sitzungen, die in Form von Hausarbeiten vorliegenden schriftlichen Interviewauswertungen und meine Seminartagebuchaufzeichnungen herangezogen. 3 In der folgenden Darstellung werden Seminarinhalte und -methoden gemeinsam betrachtet, weil das Thema und der fachdidaktische Charakter des Seminars den Einsatz von an der Universität sonst wenig gebräuchlichen Verfahren nahelegten. 4.1 Die erste Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstverständnis Gemäß den Prinzipien erfahrungsorientierten Lernens erfolgte vor der theoretischen und forschenden Auseinandersetzung mit dem beruflichen Selbstverständnis anderer Lehrer/ -innen zunächst die eigene Standortbestimmung als zukünftige Französischlehrer/ -innen. Grundsätzlich begrüßten fast alle Studierenden diese Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen und Vorstellungen bezüglich ihres zukünftigen Berufes. Es wurde durchweg als sehr sinnvoll erachtet, sich 2 Tagebücher gelten in der Lehrerfortbildung als besonders geeignetes Instrument der Selbstreflexion (vgl. Bailey 1990). Um festzustellen, wie Studierende mit diesem Anstoß zur regelmäßigen Selbst- und Seminarreflexion umgehen, machte ich das Führen eines Seminartagebuches für alle verpflichtend. Als Stimulus gab ich folgende Reflexionsfragen: Wie ist es mir ergangen? Was war neu für mich? Was fand ich überraschend? Was fand ich spannend? Was hat mich geärgert? Habe ich etwas gelernt? Hätte ich unter anderen Umständen vielleicht besser lernen können? Was möchte ich für mich weiterverfolgen? 3 Bezüglich der Aussagekraft der Datenquellen muß berücksichtigt werden, daß es sich bei den Tagebüchern und den Seminarreflexionen um subjektive Sichtweisen der Beteiligten handelt. Sowohl bei meinen Aufzeichnungen als Dozentin wie auch bei denen der Studierenden muß zusätzlich die Gefahr der „Beschönigung" bzw. der „vermuteten Erwünschtheit" in Betracht gezogen werden. Diese Gefahr habe ich wie folgt zu minimieren versucht: 1. Im Seminar herrschte eine partnerschaftliche Atmosphäre, so daß sich die Studierenden bereits während des Semesters immer wieder mit Kritik, Lob und Anregungen direkt an mich wandten. Diese mündliche Kritik entspricht ungefähr dem Tenor der Tagebuchaufzeichnungen und Abschlußreflexionen. 2. Für den „Schein" zählte vor allem die Interviewauswertung und die mündliche Mitarbeit im Seminar. Tagebuch und Abschlußreflexion mußten zwar vorliegen, beeinflußten die Note aber nicht negativ. Die Tatsache, daß einige Studierende dort heftige Kritik am Seminar übten, beweist, daß sie keine Angst vor negativen Sanktionen hatten. 3. Zur Verifizierung und Ergänzung meiner Aufzeichnungen habe ich die während der meisten Seminarsitzungen angefertigten Tonbandaufzeichnungen ausgewertet. FLuL 27 ( 1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 129 mitten im Studium wieder einmal Gedanken über „Grundsätzliches" machen zu müssen. Wie an den Rückmeldungen und der ungezwungenen Seminaratmosphäre erkennbar wurde, machte diese gemeinschaftliche Beschäftigung mit sich selbst bis auf einer Studentin allen Beteiligten Spaß. Als besonders wohltuend empfanden es viele Studierende dabei, endlich einmal persönlich bzw. als Individuen angesprochen zu werden, was sich in großem Engagement und einer hohen, auch inneren, Beteiligung am Seminar niederschlug: Auch die Frage „Warum möchte ich Lehrerin werden? " ist mir in diesem Studium (6. Semester) das 1. Mal gestellt worden. (TB) 4 Ich habe das Gefühl, das erste Mal in einen Kurs involviert zu sein. Endlich wird der Student mal gefragt, wie er Unterricht, Fremdsprachenlernen, Unialltag und 'Lehrer werden' empfindet. (TB) Das Seminarziel, zum Be- und Überdenken der eigenen Vorstellungen anzuregen, wurde durch den ersten Block in hohem Maße erreicht. Die Beschäftigung mit zentralen Aspekten des eigenen beruflichen Selbstverständnisses diente der Rückbesinnung, Standortbestimmung und Selbstvergewisserung jedes einzelnen: Die Reflexion, warum ich Französischlehrer werden will guter Aufhänger für das Seminar, daran dann die Wissenschaft spiegeln. Reflexion über das eigene Vorverständnis, das immanent da ist, aber eben noch nicht schwarz auf weiß, um es 'getrost nach Hause (zu) tragen'. (TB) Dieses Nachdenken darüber [= über den idealen Französischlehrer] war eine Rückbesinnung auf das, was man letztendlich erreichen will. (TB) Man kann nicht sagen, daß ich etwas gelernt habe im Sinne von Wissensaufnahme oder Aneignung theoretischer Inhalte, was ich allerdings als sehr entspannend empfunden habe. Vielmehr habe ich zwei sehr wichtige Aspekte erfahren: Zum einen war es für mich sehr beruhigend zu sehen, daß viele meiner Kommilitonen das Französischstudium ähnlich empfinden wie ich, nämlich als ziemlich schwer, nervenzerrend und anstrengend, zum anderen ist mir persönlich bewußt geworden, wie gern ich Sprachen lerne und daß mein Studium keine Fehlentscheidung war was man oft glauben kann, wenn man die Semester schwerfüßig durchwandert -, da ich mich auf meinen Beruf sehr freue. (TB) Manchen Studierenden wurde dabei ein Reflexionsdefizit bewußt, manche wurden dazu angeregt, einzelne Aspekte ihres Selbstverständnisses zu vertiefen: Ich .lernte, daß ich mir eigentlich noch nie richtige Gedanken darüber gemacht habe, weshalb ich eine Sprache mag oder auch nicht. (TB) Darüber hinaus gab die Selbstreflexion im ersten Block Anstöße zum Weiterlemen bzw. zur W~iterentwicklung, wobei z.T. ganz konkrete Ziele formuliert wurden: 4 Ich habe „gelernt", daß ich die französische Sprache für mich neu definieren muß, um meinen Schülern und deren Eltern "rüberzubringen", was an ihr ist, daß man sie lernen sollte. Genau das möchte ich weiterverfolgen. (TB) Die mit TB markierten Zitate stammen aus den Tagebüchern der Studierenden. FLuL 27 (1998) 130 Daniela Caspari Durch die eine oder andere Idee meiner Kommilitonen (ich denke speziell an die Funktion des Französischlehrers als Landeskundiger) ist mir auch klar geworden, was ich in den letzten Jahren etwas vernachlässigt habe, nämlich die aktuelle Landeskunde. Das nehme ich mir zu Herzen. (TB) Das letzte Zitat deutet bereits die wichtige Funktion der Gruppe an. Die Studierenden schätzten nicht nur die Gelegenheit, durch das Thema und die Arbeits- und Sozialformen ihre z.T. seit vielen Semestern vom Sehen bekannten Kommilitonen/ -innen endlich besser kennenzulernen, sondern nutzten die Meinungen der anderen ebenfalls als Anstoß für das eigene Nachdenken. Die für den ersten Block gewählten, auf Selbstreflexion zielenden Inhalte wurden von den Studierenden einhellig begrüßt. Lediglich eine Studentin schlug ein zusätzliches Thema "Ängste") vor, und ein Student bezweifelte den Nutzen der Erstellung des Phantombildes vom „idealen Französischlehrer". Als entscheidend für das gute Gelingen des ersten Blocks haben sich im Rückblick die gewählten Arbeitsformen erwiesen. Welche Bedeutung diese im universitären Kontext sonst eher unüblichen Arbeitsformen wie Assoziogramme und Collagen erstellen, Meinungen in Form einer Pyramidendiskussion austauschen, Symbole suchen und zeichnerisch umsetzen oder einen Fragebogen ausfüllen für die Studierenden hatten, wird nicht nur aus den zahlreichen Tagebucheinträgen zur Methodik deutlich, sondern auch daraus, daß sie in der offenen Eingangsfrage der Seminarreflexion am häufigsten auf diese „alternativen Methoden" eingingen. Als positiv bewerteten sie dabei: 1. daß sie neue Arbeitsformen ausprobieren konnten, die sie auch im Sprachunterricht einsetzen könnten, 2. daß durch die Arbeitsformen eine ungezwungene und vertraute Atmosphäre entstanden sei, 3. daß Abwechslung geherrscht habe, 4. daß sie durch diese Arbeitsformen für das Seminarthema motiviert worden seien, 5. daß sie auf spielerische Weise eine erste Orientierung gewonnen hätten, 6. daß sie sich mit den Themen besonders intensiv auseinandergesetzt hätten, 7. daß durch die Sozialformen Partner- und Gruppenarbeit alle Seminarteilnehmer/ -innen aktiviert worden seien, 8. daß sie ihre Kommilitonenl-innen von einer anderen Seite kennengelernt hätten. Ein Zitat mag belegen, daß es dank der Arbeitsformen gelungen ist, in einer Gruppe von sich teilweise unbekannten Studenten/ -innen sehr persönliche Themen anzusprechen, ohne daß sie sich dabei ausgefragt fühlten: Ich bin mal gespannt, ob das Seminar weiterhin so methodisch-didaktisch interessant sein wird und wieder jeder zum Reden gebracht wird, ohne sich dazu gezwungen zu fühlen. (TB) Allerdings wurde auch Kritik laut. Eine Studentin lehnte diese „alternativen" Arbeitsformen grundsätzlich ab: [...] je n'ai pas du tout accroche aux methodes employees dans ce bloc. Ces methodes m'ont repoussee car elles creaient une situation de „therapie de groupe" qui m' aga«; : ait. J' aurais de FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen im Studium relevant? 131 loin prefäre un mode de travail plus traditionnel, ce qui n'exclue pas obligatoirement Je travail en petits groupes ni ! es echanges de vues personnels. (In diesem Zusammenhang fällt mir die deutsche Wendung „zu nahe treten" ein.) (AR 5) Andere Studierende bemängelten den hohen Zeitaufwand, die Gefahr, daß die Methoden gegenüber den Inhalten zu sehr in den Vordergrund träten und daß man nicht immer die Bereitschaft zu einer solch „intimen Arbeitsweise" mitbringe. Bis auf die oben genannte Studentin stellte aber niemand den Wert dieser Arbeitsformen grundsätzlich in Frage. Schwerer wiegt der von drei Studierenden geäußerte Mangel an Abstraktion, theoretischem Gewinn und „Wissenschaftlichkeit". Die darin enthaltene, berechtigte Kritik, daß die in Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit gewonnenen Arbeitsergebnisse intensiver ausgewertet werden müssen, ließe sich durch eine bessere Zeit.einteilung vermeiden. Der Forderung nach stärkerer „wissenschaftlich-theoretischer Unterfütterung" (TB) könnte dadurch nachgekommen werden, daß zumindest einige der im dritten Block eingesetzten theoretischen Texte bereits an dieser Stelle eingebracht würden. Abzuwarten bliebe, ob dadurch auch die Erwartungen der einen Studentin besser erfüllt würden, der die im ersten Block angestrebten Lernziele nicht „ausreichten": [...] Doch zum wiederholten Mal stellt .sich mir die Frage, das kann es doch wohl nicht gewesen sein, worauf die Veranstaltung hinauslief? Oder? Was hat mir diese Veranstaltung gezeigt? Eigentlich neben dem kleinen „Methodentip" nur, daß es zum erfolgreichen Fremdsprachenlehrer einer bestimmten persönlichen Bindung bedarf, einer bestimmten inneren Motivation, die eigentlich außerhalb der Schule liegt, für die man als Lehrer eventuell den Grundstein legen kann durch die Herstellung persönlicher Kontakte zu Muttersprachlern. Daraus wächst dann natürlich die Verantwortung durch entsprechendes Unterrichten und Gestaltung des Lernens, diese Motivation zu halten und sie zu erreichen. Nur das Erleben der [Unterrichtssituation] gibt dem Schüler nicht unbedingt das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. (TB) Mit dieser grundsätzlichen Kritik werde ich mich im Abschnitt 5 auseinandersetzen. 4.2 Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema „berufliches Selbstverständnis" Um die Studierenden mit der dem Seminar zugrunde liegenden theoretischen Konzeption bekannt zu machen, wählte ich als einführende Literatur die Artikel von Elbing (1983) und Kelchtermans (1992), die Basiswissen über das „Selbstkonzept" bzw. "Selbstverständnis" von Lehrem/ -innen und dessen Bedeutung für die Berufs- 5 Die mit (AR) markierten Zitate stammen aus den dreizehn mir vorliegenden schriftlichen abschließenden Seminarreflexionen. Eine der Reflexionen wurde von zwei Studierenden gemeinsam verfaßt. FLuL 27 (] 998) 132 Daniela Caspari ausübung vermitteln. 6 Der Inhalt der Texte stieß durchweg auf großes Interesse und erfüllte auch nach Ansicht der Studierenden die Funktion, eine theoretische Grundlage für das Seminarthema zu liefern. Von den Studierenden, die dem ersten Block nicht soviel Interesse abgewinnen konnten, wurde diese Gelegenheit, sich mit dem Seminarthema auf theoretische Weise beschäftigen zu können, besonders begrüßt: Endlich Theorie! Die Texte hätte ich teilweise gerne schon früher gehabt, um mit meinen Überlegungen „nicht allein gelassen" zu sein bzw. diese schon früher einordnen zu können. (AR) Aus diesem Wunsch wird gleichzeitig ersichtlich, daß die Texte tatsächlich eine Hilfe dazu boten, die eigenen Aktivitäten des ersten Blocks im nachhinein zu bündeln und strukturieren. Außerdem wird deutlich, daß ein solch theoretischer Rahmen für die Auseinandersetzung mit sich selbst von vielen als hilfreich bzw. notwendig empfunden wird. So wurden von der Selbstkonzept-Theorie viele Studierende dazu angeregt, ihr eigenes Selbstverständnis als (zukünftige/ -r) Lehrer/ -in umfassender als im ersten Block zu reflektieren. Dies geschah z.T. während der Textarbeit in den Kleingruppen, zT. im Tagebuch: "Wie sehe ich mich als Französischlehrerin, oder sehe ich mich überhaupt schon als Lehrerin? [...] (TB)." Auch für die Vorbereitung des Interviews erwiesen sich die Texte als geeignet. Zum einen erhielten die Studierenden Anregungen für einzelne lnterviewthemen, wobei vor allem der Text von Kelchtermans in Form zahlreicher berufsbiographischer Aspekte sowie in Fragen zur beruflichen Rolle und zur Berufszufriedenheit Niederschlag fand. Zum anderen halfen die Texte, die zahlreichen Einzelthemen zu strukturieren und zu größeren Einheiten zu bündeln. Für den Interviewleitfaden einigten sich die Studierenden schließlich auf folgende Fragenkomplexe: 1. Berufswahlmotive incl. eigene Schulerfahrungen, eigene Sprachlernerfahrungen und das persönliche Verhältnis zu Sprachen 2. Ausbildung 3. Verhältnis zu den Unterrichtsfächern 4. Aufgaben- und Funktionsverständnis 5. gute Erfahrungen und Schwierigkeiten im Fach 6. Rahmenbedingungen: Kollegen/ -innen, Schüler/ -innen, Schule, Schulform, Schulsystem, Trennung von Berufs- und Privatleben 7. berufliche Entwicklung 8. Erleben der Wende 9. Fortbildung 10. Berufszufriedenheit 11. Zukunftsperspektive. 6 Die Begriffsverwendung in dieser Forschungsrichtung ist uneinheitlich. Ich bevorzuge den von Kelchtermans (1992) gewählten Begriff „Selbstverständnis", weil er den sozialen Konstruktionsprozeß mitschwingen läßt: "Um sowohl den Prozeßcharakter (die Tätigkeit des Verstehens) als auch den Produktcharakter (eine bestimmte Selbstauffassung) zu erfassen, wählen wir den Begriff 'Selbstverständnis'". FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen im Studium relevant? 133 Das Verfahren der „etappenweisen" Erstellung des lnterviewleitfadens (als Hausaufgabe Themen und Fragen sammeln, sie in der Seminarsitzung in Kleingruppenarbeit austauschen, ergänzen und sortieren und sich schließlich im Plenum auf Themen und Anordnung der Themen einigen) wurde kontrovers beurteilt. Einige Teilnehmer/ -innen waren sehr zufrieden, "etwas Gemeinsames erarbeitet zu haben" (AR) und betrachteten dieses Verfahren als „demokratischen Willensbildungsprozeß" (TB), weil „jeder seine Interessen mit einbringen" (AR) konnte und „so viele Meinungen mit einfließen und unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden" konnten (AR). Ein weiterer Vorteil des Verfahrens läge darin, eine „gewisse Sicherheit bezüglich der Interviewfragen" (AR) erlangt und „schon einen Einstieg in unser Thema geschafft" (TB) zu haben. Andere Teilnehmer/ -innen bewerteten das Verfahren jedoch als „zu unübersichtlich" (AR), "zu langatmig und zu wenig kommunikativ" (AR) sowie im Grunde „als von der Dozentin gesteuert" (AR). Ob die mehrfach genannte Alternative, die Ideen gemeinsam an der Tafel zu notieren, aber tatsächlich die genannten Nachteile vermeidet, bleibt auszuprobieren. Ich hatte den Eindruck, daß die praktizierte Verfahrensweise trotz der durch mich erfolgten endgültigen Erstellung und Schlußredaktion des Interviewleitfadens intensive Lernprozesse anstieß und dokumentierte, auch wenn dies den Studierenden selbst nicht unbedingt bewußt war. Der Interviewleitfaden selbst wurde von den Studierenden ohne Ausnahme als funktional und hilfreich sowohl für die Durchführung als auch für die Auswertung der Interviews betrachtet. Als Beispiel dafür, wie das berufliche Selbstverständnis von Französischlehrern/ -innen konkret beschaffen und wie es aufgrund eines Interviews ausgewertet werden kann, beschäftigten sich die Studierenden in der folgenden Sitzung mit zwei Strukturbildern 7 aus meiner eigenen Forschung. Das in den Strukturbildern graphisch dargestellte berufliche Selbstverständnis zweier sehr unterschiedlicher Lehrpersonen bot zum einen Anlaß zu lebhafter Diskussion mit engagierten persönlichen Stellungnahmen und Beurteilungen. Zum anderen wurde den Studierenden daran der Charakter einer„subjektiven Theorie" augenfällig: Nachdem sie mit meiner Hilfe die Reichweite der „Grundgedanken" beider Lehrkräfte in den verschiedenen Bereichen ihres jeweiligen beruflichen Selbstverständnisses erkannt bzw. nachvollzogen hatten, wurden beide Selbstverständnisse als „stimmig" beurteilt, weil sich die Einzelaussagen „zu einem Bild gefügt" hätten (TB). Daß die Strukturbilder ein hohes Anregungspotential zur Selbstreflexion besitzen, wird ebenfalls an den Tagebucheinträgen deutlich, denn mehrere Studenten/ -innen nutzen die Gelegenheit, sich intensiv mit den Aussagen der beiden Lehrper- 7 Die Strukturbilder enthalten zwischen 60 und 80 Statements, einer „Verdichtung" der in einem teilstrukturierten, problemzentrierten Einzelinterview gewonnenen Aussagen zu den einzelnen Bereichen des beruflichen Selbstverständnisses. Diese Statements werden in dem Strukturbild grafisch so dargestellt, daß die Zusammenhänge zwischen den Einzelaussagen deutlich werden. FLuL 27 (] 998) 134 Daniela Caspari sonen auseinanderzusetzen. Dies geschah entweder in Form persönlicher Kommentare zu einzelnen Statements oder in einer weitergefaßten Überlegung, was einen guten Lehrer ausmache. Die beiden Strukturbilder dienten in diesem Fall als Ausgangspunkt und Material zur Entwicklung der eigenen Gedanken, indem die Studierenden den Statements und den dahinter zu erkennenden persönlichen Haltungen zustimmten, sie ablehnten und/ oder erklärten und nuancierten. Auch die Frage, wie verschieden bzw. wie gleich Lehrer/ -innen doch seien, spielte hier eine Rolle: Kann man viele Lehrer tatsächlich zu einem „Klischeebild" zusammenfassen, oder sind die Unterschiede zwischen einzelnen Lehrern/ -innen bedeutender? Das Fazit bezüglich der Arbeit mit den Strukturbildern war denn auch einhellig positiv: Die Strukturbilder von Frau Borschel und Herrn Trossen [Pseudonyme] fand ich zwar unübersichtlich, aber aufschlußreich. Die Arbeit hiermit fand ich gut. (AR) Ich würde gerne noch mehr Strukturbilder ansehen und vergleichen. (TB) Aufgrund ihres großen didaktischen Potentials und der hohen Akzeptanz der Strukturbilder bei allen Studierenden schlage ich vor, der Arbeit mit Strukturbildern im Wiederholungsfall breiteren Raum zu geben bzw. sie zur Datenbasis einer Seminareinheit zum beruflichen Selbstverständnis zu erheben. Für den verstärkten Einsatz derart vorstrukturierter Fallbeispiele spricht außerdem, daß der Rückgriff auf vorliegende Forschungsergebnisse die Studierenden der Mühe und des hohen Zeitaufwandes der eigenen Datensammlung entheben würde. Er vermiede zudem den unten geschilderten Nachteil, daß die Ergebnisse von Forschungsnovizen qualitativ nicht so hochwertig sein können wie die erfahrenerer Forscher/ -innen. Anders als die Lektüre von schriftlich ausformulierten „Fallberichten", wie sie in der biographischen Forschung und der Selbstkonzeptforschung zumeist üblich sind, verlangt die Arbeit mit Strukturbildern von den Studierenden dabei nicht nur passives, sondern aktives Nachvollziehen und regt sie zum eigenen Entdecken an. Wie die Erfahrung zeigt, bieten die Strukturbilder vielfachen und vielfältigen Anlaß zur strukturierten - Selbstreflexion und zur gemeinschaftlichen Auseinandersetzung über die verschiedenen Aspekte des Lehrerseins. Als besonderen Vorteil erachte ich aufgrund der im Abschnitt 4.2 geäußerten Kritik an den „alternativen Methoden" dabei, daß die Studierenden im Schutzraum des „Über-eine-andere-Person-Sprechens" selbst entscheiden können, wieviel sie von sich selbst preisgeben wollen. 4.3 Die Auseinandersetzung mit dem beruflichen Selbstverständnis praxiserprobter Lehrer/ -innen In diesem Block und der anschließenden schriftlichen Hausarbeit galt es auf der Grundlage des zuvor Erarbeiteten die anspruchsvollste Aufgabe zu bewältigen: Die Studierenden sollten anhand des zwischenzeitlich geführten Interviews mit einem/ -r Französischlehrer/ -in dessen bzw. deren berufliches Selbstverständnis rekonstruieren und unter bestimmten Aspekten analysieren und interpretieren. Die Interviewaus- FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen im Studium relevant? 135 wertung erfolgte dergestalt, daß jedes Interviewerteam für die fünf letzten Seminarsitzungen 'sein' Interview zu jeweils bestimmten Themenkomplexen auswertete. In den Seminarsitzungen wurden diese Auswertungen dann vorgestellt und unter Heranziehung von je zwei bis drei Texten, die weitere Forschungsergebnisse oder theoretische Überlegungen zum Thema beinhalteten, diskutiert. Die Studierenden bewältigten die in diesen Sitzungen an sie gestellten Aufgaben gut bis zufriedenstellend. Obwohl zwischendurch gewisse Ermüdungserscheinungen nicht zu übersehen waren, verfolgten sie die einzelnen Interviewauswertungen mit Interesse, suchten mögliche Gründe für die Haltungen der einzelnen Lehrer/ -innen und zogen Vergleiche zwischen den Interviews sowie zwischen den in den Interviews geäußerten Haltungen und der Literatur. An einigen Stellen entspannen sich wieder lebhafte Diskussionen, vor allem wenn es um Aspekte ging, die die Studierenden unmittelbar betrafen. Durch das schrittweise Vorgehen bestand immer wieder neu Gelegenheit zum Vergleich der einzelnen Interviewpartner/ -innen, was auch von den Studierenden als Vorteil betrachtet wurde. Durch den Vergleich wurden ebenfalls zwei zentrale inhaltliche Lernziele des Seminars augenfällig und unmittelbar erfahrbar: zum einen die Bedeutung der biographischen Perspektive bei den einzelnen Fragestellungen, zum anderen die Tatsache, daß die im Interview und in der Rekonstruktion des beruflichen Selbstverständnisses in ihrer Individualität betrachteten Lehrer/ -innen als Angehörige einer Berufsgruppe z.T. verblüffende Ähnlichkeiten untereinander aufweisen: Verwundert haben mich die Ähnlichkeiten der Motive, eigentlich hatte ich den Eindruck, von einem einzigen Interview zu sprechen. (TB) Als Nachteil der gewählten Vorgehensweise wurde nicht nur der vergleichsweise hohe organisatorische Aufwand, sondern auch die Tatsache bemängelt, daß das berufliche Selbstverständnis „als Ganzes", als komplexe subjektive Theorie, erst in der Hausarbeit erstellt wurde und damit nicht Gegenstand der Seminarsitzungen werden konnte: Das Gliedern unserer Interviews in bestimmte Themenbereiche empfand ich als nicht besonders gelungen; die „Zerstückelung" der Interviews mißfiel mir. Ein Gesamteindruck der einzelnen Interviewpartner wurde somit nicht geschaffen. (AR) Auch das Fehlen einer „verallgemeinernden Form der Auswertung" (AR) bzw. eines „Gesamtüberblicks über alle geführten Interviews" (AR) wurde negativ vermerkt. Als Kompromiß böte es sich bei einer Wiederholung daher an, die themenorientierte Auswertung durch „eine Art Thesenpapier, auf dem die Eindrücke und Ergebnisse der einzelnen Interviews dargestellt" werden (AR), zu ergänzen. Ich hatte die Seminargruppe darüber abstimmen lassen, ob sie im Seminar lieber möglichst viele der im Interview angeschnittenen Themen (vgl. Abschnitt 4.2) besprechen oder sich lieber auf wenige Themen beschränken wollte. Da sich die FLuL 27 (1998) 136 Daniela Caspari große Mehrheit für eine möglichst große Bandbreite aussprach, wurden pro Seminarsitzung zwei bis drei Aspekte thematisiert. Besonderes Interesse weckten dabei sowohl in den Seminarsitzungen als auch in den Tagebuchreflexionen Aspekte, die die Studierenden selbst unmittelbar betrafen: "Berufswahlmotive", " 'krumme' vs. 'gerade' Berufsbiographien", die Frage, ob fachliche oder pädagogische Kompetenz für eine/ -n gute/ -n Lehrer/ -in wichtiger ist, der geschlechtsspezifische Aspekt beim Fremdsprachenstudium sowie Lehrersein in der DDR und „Erleben der Wende". Dabei dienten die Interviews und die Texte zur Information, sie provozierten Vergleiche der einzelnen Interviews, forderten zur differenzierten Auseinandersetzung heraus und animierten zum Rückbezug auf die eigene Person und damit zur Selbstvergewisserung: Die ersten vorgestellten Infos über die jeweiligen Lehrer waren interessant. Ich hätte nie gedacht, daß es dermaßen unterschiedliche Vorgeschichten geben könnte. Dabei spielt wahrscheinlich eine große Rolle, daß man als Ex-DDR-Bürger gebrochene Biographien letztlich nicht gewöhnt ist [...]. (TB) Die Themenschwerpunkte, die wir behandeln, finde ich immer gut. Ich vergleiche sie hinterher mit meinen bereits gesammelten Erfahrungen und Vorstellungen und stelle meist Gemeinsamkeiten, manchmal auch Unterschiede fest. (TB) Es macht mir richtig Spaß, mit den anderen Teilnehmern des Seminars über Berufswahlmotive zu diskutieren. Die Gedanken und Ideen der anderen regen mich dazu an, über meine eigene Stellung/ Meinung noch differenzierter nachzudenken und sie eventuell auch etwas abzuändern. (TB) Das Gespräch fand ich sehr interessant, weil ich in dessen Verlauf auch wieder einmal meine Motivation überdacht habe. Glücklicherweise mit dem Effekt, daß ich immer noch denke, endlich auf dem Weg zu meinem Beruf zu sein. Das Thema der „geraden" und "krummen" Berufsbiographien interessiert mich aus persönlichen Gründen besonders. [...] Nun bin ich vom Seminarthema etwas abgeschweift, aber genau diese Gedanken hatte ich bei der heutigen Diskussion, weil das Thema mich, wie gesagt, persönlich betrifft. (TB) Die Frage, ob die hohe Anzahl der gewählten Themen sinnvoll war oder ob es besser gewesen wäre, sich auf weniger Aspekte zu beschränken, diese aber gründlich.er zu besprechen, wurde von den Studierenden kontrovers beurteilt: Ich würde in einem Seminar (des gleichen Themas) wieder die ganze Bandbreite der Themen besprechen wollen, um so einen Gesamtüberblick über die einzelnen Interviews zu bekommen was wurde häufig geantwortet? Was sind die häufigsten Sprachlernerfahrungen, wie steht es mit Berufswahlmotiven und Berufszufriedenheit? Ich möchte lieber einen Gesamteindruck aus dem Serrnnar ziehen, als einzelne Themen bis ins kleinste Detail zu beleuchten. Das wird jeder für sich mit dem Thema machen, das ihn am meisten interessiert. (AR) Nicht so viele Themen, dafür ausführlicher! Ich habe mehr davon/ es bleibt besser in meinem Gedächtnis, und es ist für mich wirklichkeitsnäher, genauer, mich mit einem Aspekt intensiver zu beschäftigen, als alles nur kurz oberflächlich anzusprechen. (AR) FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 137 Im nachhinein würde ich die Anzahl der im Seminar behandelten Aspekte auf höchstens einen pro Sitzung beschränken oder der Gruppe für einen Aspekt sogar zwei Sitzungen Zeit lassen. Dies würde zwar die Bandbreite stark einschränken und auch die Vorbereitung auf die in der Hausarbeit zu untersuchenden Aspekte reduzieren, im Gegenzug wäre jedoch eine Verringerung des hohen und zeitraubenden organisatorischen Aufwandes zu erwarten. Außerdem müßten die sich im Seminar entspinnenden Diskussionen nicht so häufig stark gelenkt oder gar abgebrochen werden, und es bestünde mehr Gelegenheit, zu einem vertieften Verständnis von Interviews und Texten zu gelangen. Bei der gewählten Vorgehensweise hatte ich den Eindruck, daß zwar viele Lernprozesse angestoßen wurden, vieles aber auch an der Oberfläche blieb oder zumindest nicht explizit gemacht wurde bzw. werden konnte. Bei dieser alternativen Vorgehensweise käme dem selbständigen Literaturstudium eine noch größere Bedeutung zu. Obwohl einige Studierende über die Zahl der Texte klagten, fanden die Texte selbst großen Anklang und wurden als Hintergrundwissen, als Strukturierungs- und Einordnungshilfe für die Interviewergebnisse sowie als Ergänzung für die Seminardiskussion genutzt. Abschließend stellt sich die Frage, ob und wie es den Seminarteilnehmern/ -innen in den schriftlichen Hausarbeiten gelungen ist, das berufliche Selbstverständnis ihres Interviewpartners als „Ganzes" zu rekonstruieren. Vier der insgesamt zehn Hausarbeiten 8 konnte ich mit „gut" bis „sehr gut" bewerten. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß die Studierenden die von ihnen gewählten thematischen Aspekte des beruflichen Selbstverständnisses durch das ganze Interview hindurch verfolgen und aufgrund einer sorgfältigen Analyse zu fundierten und differenzierten Ergebnissen gelangen. Während die im unteren Leistungsniveau angesiedelten Arbeiten sich im Fazit auf eine Zusammenfassung der Einzelaspekte und/ oder einen allgemeinen Eindruck beschränken, überzeugen diese Arbeiten dadurch, daß sie die Analysen der Einzelaspekte zu einem Gesamtbild, des/ der Interviewpartners/ -in fügen. Die dabei nachgezeichneten Zusammenhänge sind so komplex, daß sie als gelungene Rekonstruktion des beruflichen Selbstverständnisses gewertet werden können. Außerdem setzen sich diese Arbeiten häufig persönlich wertend mit den untersuchten Aspekten auseinander. In vier anderen Arbeiten wurde demgegenüber deutlich, daß einige Studierende (trotz ihres langjährigen Philologie-Studiums) nicht in der Lage sind, das Interview als Text angemessen zu analysieren und zu interpretieren. Sie beschränken sich auf Textparaphrasen oder auf oberflächliche Zusammenfassungen der entsprechenden Interviewäußerungen und können daher nur zu verkürzten und unzulässig verallgemeinernden Schlußfolgerungen gelangen. Daß die notwendigerweise fehlende Professionalität beim erstmaligen Führen eines Interviews nicht als Entschuldigung für oberflächliches Auswerten herhalten kann, zeigt ein Interviewerpaar, das das Fünf Hausarbeiten wurden in Einzel-, fünf in Partnerarbeit erstellt. FLuL 27 (1998) 138 Daniela Caspari Interview unabhängig voneinander ausgewertet hat: Die eine Arbeit zählt zur Spitzen-, die andere zur Schlußgruppe der Seminararbeiten. Interessanterweise thematisieren gerade die „guten" Studenten/ -innen die Qualität und Reichweite ihrer Arbeiten: Jedoch bin ich der Meinung, daß man viel mehr Zeit aufbringen müßte, um ein Interview erst einmal professionell zu führen und schließlich bis ins Detail zu analysieren. [...] Daher ist das Ergebnis m.E. eher oberflächlich und reicht nicht so sehr in die Tiefe. (Zitat aus einer Seminararbeit) Diese Selbstkritik führt zu der Frage, welche Leistungen von in empirischer Arbeit ungeübten Studierenden überhaupt erwartet werden kann. Meines Erachtens erfüllen die vier „guten" Arbeiten die Ansprüche, die ich an eine erstmals erfolgende Interviewauswertung im Rahmen eines fachdidaktischen Hauptseminars stellen kann. Es hat sich für die Qualität der Arbeiten als günstig erwiesen, die Analyse auf .ca. fünf sorgfältig analysierte Aspekte zu beschränken dies scheint das Maximum an Einzelaspekten zu sein, das die Studierenden zu einem „Gesamtbild" zusammenfügen können. Da eine höhere Zahl an Einzelaspekten in den Arbeiten mehr oder weniger unverbunden blieb, sollte im Wiederholungsfall bereits bei der Wahl des Themas darauf geachtet werden, daß es mit fünf Teilthemen sinnvoll untersucht werden kann. Der Kritik einer Studentin, die von mir vorgeschlagene Arbeitsweise verführe zu einer leichtfertigen „psychologie de bas etage", kann ich nach Durchsicht der Seminararbeiten nicht zustimmen. Die Studierenden gingen mit dem Datenmaterial durchweg vorsichtig und verantwortungsvoll um und hüteten sich bis auf wenige Ausnahmen vor vorschnellen Schlußfolgerungen und Zuschreibungen. Daher kann ich zusammenfassend feststellen, daß die Studierenden auch im Vergleich zu sonst in Seminaren üblichen Leistungen überaus engagiert und ihren Möglichkeiten gemäß qualitätvoll gearbeitet haben. Daß die von ihnen vorgelegten Rekonstruktionen des beruflichen Selbstverständnisses nicht mit den in langjährigen Forschungsarbeiten erzielten verglichen werden können, versteht sich von selbst. Angesichts der Tatsache jedoch, daß es sich um eine Ausbildungssituation handelt, ist der Wert ihrer Arbeit weniger nach der Qualität der vorgelegten Produkte zu bemessen als danach, inwieweit dadurch für die berufliche Entwicklung der Studierenden wichtige Lernprozesse angestoßen und durchlaufen wurden. 5. Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen für Studierende ein relevantes Thema? Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten verschiedene inhaltliche und methodische Elemente des Seminars erörtert wurden, soll es zum Schluß unter übergreifenden Aspekten reflektiert werden. Hierfür ist vor allem zu fragen, ob sich die didaktisch-methodische Gestaltung des Seminars grundsätzlich bewährt hat, welche FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen im Studium relevant? 139 Bedeutung dem Seminar und seinen einzelnen Blöcken aus Sicht der Studierenden zukommt und wie das Seminar abschließend zu bewerten ist. Zunächst soll überprüft werden, ob sich die methodische Umsetzung des handlungs- und erfahrungsorientierten Ansatzes als geeignet erwiesen hat. Wie im Abschnitt 4 detailliert dargelegt wurde, haben alle Teilnehmer/ -innen die im Abschnitt 2 genannten Seminarziele grundsätzlich erreicht. Auch die Studierenden selbst beurteilen das Seminar rückblickend ganz überwiegend als gewinnbringend: Das Seminar hat Spaß geJ; I1acht, soviel kann ich abschließend sagen. Ich glaube schon, in erster Linie sehr viel liber mich erfahren zu haben. Das passiert selten in der Universität. (AR) Das Seminar hat meinen Horizont in. bezug auf das Berufsfeld Französischlehrer auf jeden Fall erweitert und Denkanstöße gegeben. Es wurde gemeinsam gearbeitet und oft mal gelacht das ist mehr, als ich von den meisten anderen Seminaren behaupten kann. (AR) Welchen Beitrag dazu die „alternativen Methoden" im ersten Block, die theoretischen Texte und die Strukturbilder geleistet haben, wurde weiter oben bereits dargestellt. An dieser Stelle wird analysiert, ob sich die beiden für die Studierenden neuen methodischen Instrumente „Seminartagebuch" und „Interview" zur Selbst- und Fremderforschung bewährt haben. Das Interview, das es in der Hausarbeit auszuwerten galt, erntete von den Studenten/ -innen sowohl höchste Zustimmung als auch heftigste Kritik. Positiv herausgehoben wurde die „interessante, neue" Erfahrung, ein Interview selbst geplant und durchgeführt zu haben. Dabei wurde das Gespräch mit dem/ der jeweiligen Lehrer/ -in durchweg als Anstoß zur Selbstreflexion genutzt und als persönlich bereichernd empfunden. Zudem wurde es innerhalb des Seminarverlaufes als Motivationsschub gewürdigt. Einige Studierende waren (zu Recht) stolz auf ihre Leistung, das berufliche Selbstverständnis ihres lnterviewpartners rekonstruiert zu haben: Das Interview zeigt in eindrucksvoller Art und Weise, wie vielgestaltig und abwechslungsreich die Beschäftigung mit der Problematik des Selbstverständnisses eines Lehrers und dessen praxisnahe Umsetzung sein kann. [...] Wir glauben, daß wir eindrucksvoll gezeigt haben, worum es in dem erstmalig in dieser Form geführten Interview ging und daß es eine Erfahrung darstellt, von der nicht nur wir, sondern auch andere profitieren konnten. (AR) Heftig kritisiert wurde dagegen der für die Transkription und Auswertung benötigte Zeitaufwand, vor allem wenn sich die Studierenden dafür entschieden hatten, das Interview alleine zu bearbeiten. Auch die Aufwand-Nutzen-Relation wurde von einigen Studierenden problematisiert. Aufgrund der oben genannten Vorteile, vor allem aufgrund des sehr positiven Effekts der persönlichen Begegnung mit einern/ -r Vertreter/ -in des zukünftigen Berufes und des konzentrierten Gesprächs über diesen Beruf, würde ich aus pädagogischen Gründen höchst ungern auf das Interview verzichten wollen. Um die aufgeführten Nachteile abzumildern, wäre eine zeitliche Streckung durch eine FLuL 27 ( 1998) 140 Daniela Caspari zweisemestrige Veranstaltung, wie Klaus Schüle sie durchgeführt hat (vgl. Böttcher [et al.] 1996), sicherlich hilfreich. Es könnte alternativ auch ausprobiert werden, ein Interview in Dreier- oder Vierergruppen bearbeiten zu lassen, oder es könnte ein auf Video aufgezeichnetes Interview von der gesamten Seminargruppe ausgewertet werden. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, die Anzahl der Gesprächsthemen im Interview von vornherein zu reduzieren. Vergleichbar unterschiedlich wurde von den Studierenden die Aufgabe zum Führen des Seminartagebuches gewertet. Während einige die nachträgliche Reflexion und Bewußtmachung des Seminars als für sich sinnvoll bewerteten und es für die persönliche Auseinandersetzung nutzten "Das Seminartagebuch war die Truhe, in die ich eigene Gedanken/ Überlegungen, die ich während und nach dem Seminar hatte, gepackt habe")9, empfanden genauso viele Teilnehmer/ -innen das Führen als überaus unnütze Pflicht "Das Tagebuch brachte mich keinen Schritt näher zu einer Selbst- oder Seminarreflexion. Das Seminar selbst hatte in dieser Hinsicht größeren Erfolg"). Die Auswertung der Tagebücher ergab, daß die meisten Studenten/ -innen es für das Notieren allgemeiner Eindrücke zur Seminarsitzung sowie zur seminarmethodischen Reflexion nutzten. Eine weiterführende Reflexion der Themen und Inhalte fand wesentlich seltener statt nach Meinung der Studierenden deshalb, weil dies sehr zeitaufwendig und zu privat für ein Dokument sei, das die Dozentin hinterher zu lesen bekommt. 10 Da die Studierenden beim schriftlichen Reflektieren über das eigene Tun aber ganz offensichtlich zu neuen Erkenntnissen gelangt sind, sollte darauf nicht grundsätzlich verzichtet werden. Rückblickend würde ich allerdings das Führen des Seminartagebuches und die ausführliche, schriftliche Seminarreflexion als Alternative anbieten. Nach diesen methodischen Erwägungen bleibt zu fragen, welche Bedeutung die Studierenden dem Seminar für ihr Studium bzw. für die Vorbereitung auf ihren Beruf zumessen. Im Rückblick beurteilten alle Teilnehmer/ -innen das Seminarthema als sinnvoll und wichtig. Im Studium mit seiner „theoretischen Ausrichtung" komme die "Reflexion auf den späteren Beruf zu kurz": Im Studium macht man sich normalerweise über alles Gedanken, nur nicht über das eigene Berufsbild. Die Beschäftigung mit dem Berufsbild „Französischlehrer" halte ich für sinnvoll, weil das Französischstudium eigentlich zum Romanisten führt und nicht zum Französischlehrer. Die Beschäftigung mit diesem Thema fordere „mitten im Studium" dazu auf, noch einmal „die Berufswahl in Frage zu stellen" bzw. "sich über sich und seinen Beruf 9 Falls nicht anders vermerkt, handelt es sich im folgenden bei allen in Anführungszeichen gesetzten Textteilen um wörtliche Zitate aus den Abschlußreflexionen. 10 Zum Unterschied zwischen dem privaten "diary" und dem Tagebuch zu Forschungszwecken ("logbook") vgl. Hermes (1998: 7). FLuL 27 (1998) S! ! bjektive Theorien von Fremdsprachenlehrernl-innen im Studium relevant? 141 klarer" zu werden. Sie eröffne damit den „Horizont, 'wo man hinwill"' und gebe somit „Motivation für's Studium". Außerdem diene sie der konkreten Vorbereitung auf den zweiten Ausbildungsabschnitt und die spätere Berufstätigkeit und helfe dabei, sowohl „spätere Irritationen zu vermeiden" als auch „Unsicherheiten und Gefahren aus dem Weg zu räumen". Je trouve interessant le fait de nous amener a reflechir sur l'apprentissage des langues etrangeres et le metier que nous voulons exercer. Cela doit faire partie de Ja formation des profs. II est important de cerner sa propre motivation et sa propre histoire par rapport a une formation. (TB) Grundsätzlich wurde auch die Anlage des Seminars in seiner Kombination von (selbst)reflexiver und theoretisch fundierter Selbst- und Fremderforschung begrüßt. Prinzipiell hielten die Studierenden alle Blöcke für wichtig: Alle drei Blöcke waren wichtig, der erste, damit ich mir über meine eigene Position klar werde, der zweite, um eine theoretische Grundlage zu bekommen und zu wissen, was für das Interview relevant ist, und der dritte, damit man einen Einblick erhält und Vergleiche anstellen kann. Ich halte im Rückblick alle drei Blöcke für wichtig, weil die Einteilung in Persönliches, Theoretisches und Praktisches letztendlich dazu geführt hat, daß wir ein Bild vom beruflichen Selbstverständnis einiger Fremdsprachenlehrer/ innen hatten und wußten, wie wir selber zu diesen Varianten stehen. Weiche Gewichtung die Studierenden dabei den einzelnen Lernzielbereichen und Zugriffsweisen zuerkannten, hängt nach meiner Beobachtung stark damit zusammen, ob sie eher analytisch orientiert und primär an Wissenszuwachs interessiert waren oder lieber assoziativ und erfahrungsorientiert lernten. Auch die Antwort auf die Frage, welchen Stellenwert die Auseinandersetzung mit dem Seminarthema im Rahmen des fachdidaktischen Studiums erhalten sollte, wird in erster Linie durch die generelle Erwartung der Studierenden an ihre fachdidaktische Ausbildung bestimmt. Hierzu zwei „Negativstimmen": Öfter war mir nicht ganz klar, was der höhere Zweck unseres Tuns war, ich meine konkret für uns Studenten und unsere spätere Aufgabe als Lehrer. Sicher kamen interessante Punkte zur Sprache und Bezüge zur eigenen Person bzw. ein Überdenken von eigenen Positionen kam zustande. Doch für mich hatte dieses alles den Status von Zusätzlichkeit und einem Informationswert. Als wirklich wichtig sehe ich das Thema für meine didaktische Ausbildung nicht an. Diese Kritik wirft die Frage nach Stellenwert und Wertschätzung von Selbstreflexion und Bewußtseinsbildung als Ziel universitärer Lehrveranstaltungen auf. Da nicht zuletzt die Forschung zu subjektiven Theorien auf eindrucksvolle Weise gezeigt hat, daß die Aufnahme, Bewertung und Umsetzung neuen Wissens, oft unbewußt, ganz entscheidend von den individuellen Vorerfahrungen und Vorannahmen der Menschen geprägt wird, betrachte ich im Gegensatz zum zweiten Zitat die FLuL 27 (1998) 142 Daniela Caspari Auseinandersetzung mit sich selbst und die daraus erwachsende Bewußtwerdung der eigenen Positionen als unumgängliche Bedingung für erfolgreiches Lernen im Studium. Die beiden „Negativstimmen" stammen übrigens von besonders engagierten und leistungsstarken Studierenden, während einige schwächere Studierende den Beitrag des Seminars zu ihrer Bewußtseinsbildung als besonders positiv bewerteten. Dies ist ein weiteres Beispiel für meine langjährige Beobachtung, daß aus Sicht gerade guter Studierender der Erwerb von Wissen das „eigentliche" bzw. höchste Ziel universitären Lernens darstellt. Daher sollte eine der zentralen Aufgaben der Fachdidaktik als Berufsvorbereitung m.E. darin bestehen, den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern in und durch fachdidaktische Lehrveranstaltungen erfahrbar zu machen, daß theoretischer wie praktischer Wissenserwerb sinnvollerweise nicht isoliert, sondern in steter Rückbindung an bereits vorhandene Strukturen erfolgen muß, um Erkenntnis anzubahnen. Wie oben ausführlich dargestellt wurde, gibt die Beschäftigung mit dem Konstrukt „subjektive Theorien" hierfür zahlreiche Anstöße: Die Beschäftigung mit dem Konstrukt „berufliches Selbstverständnis" gewährt oft tiefe Einblicke in die eigene Psyche, in die eigene Persönlichkeit. Fragen tauchen auf, mit denen man vorher in dieser intensiven Form nicht konfrontiert wurde. Daneben sollte mit den Studierenden über die verschiedenen Formen von „Lernen" gesprochen und über die verschiedenen Funktionen universitärer Lehrveranstaltungen diskutiert werden. Als „Aufuänger" könnte die folgende Äußerung einer Studentin dienen: Um zu lernen, gehe ich in den Lesesaal einer Bibliothek, Seminare finde ich eher für den Austausch, für Anregungen etc. wichtig. (TB) Daß Erkenntnisfortschritt oft mehr Zeit und Mühe als Wissenserwerb bedeutet, dafür aber auf einen nachhaltigen Effekt hoffen läßt, wird aus folgender Tagebuchnotiz eines der Studenten deutlich, die die Aufwand-Nutzen-Relation des Seminars kritisierten. Er erkannte im immerhin 12. Fachsemester durch das Seminar: Ich habe gelernt, daß man sich in erster Linie selbst einbringen muß, um etwas lernen zu können. (TB) Die im Seminartitel gestellte Frage, ob die Beschäftigung mit dem beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrern/ -innen bereits für Studierende sinnvoll sei, kann trotz der Kritik an zahlreichen Einzelaspekten aufgrund dieser Seminaranalyse abschließend nachdrücklich bejaht werden. Damit ein solches Seminar angesichts des geringen Fachdidaktik-Anteils im Studium noch breiter wirksam wird, wäre allerdings zu überlegen, ob die Untersuchung des beruflichen Selbstverständnisses nicht besser thematisch eingeengt würde. Während das vorgestellte Seminar unter dem Titel „Französischlehrer/ -in werden - Französischlehrer/ -in sein" sehr breit angelegt war, halte ich aufgrund der Beobachtung, daß nicht mehr als fünf inhaltliche Aspekte sinnvoll zu einem „Gesamtbild" verbunden werden konnten, für die Studierenden nun die Untersuchung von subjektiven Theorien geringerer Reich- FLuL 27 (1998) Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern/ -innen im Studium relevant? 143 weite zu genau ausgewählten Themen für gewinnbringender. Die Untersuchung von subjektiven Theorien zu Themen wie Fehlerkorrektur, Schüleraustausch oder Einsatz bestimmter unterrichtlicher Arbeitsformen käme zudem dem Wunsch der Studierenden nach konkretem Wissenserwerb in bestimmten Gebieten des Fremdsprachenunterrichts, u.a. in den vielgewünschten „Methoden", entgegen. Dabei sollte die Anlage des Seminars jedoch nicht grundsätzlich verändert werden die Verbindung von Selbst- und Fremderforschung auf wissenschaftlicher Basis hat sich für den persönlichen Erkenntnisfortschritt der Studierenden als ausgesprochen sinnvoll erwiesen: [Besonders gut gefallen hat mir] die Tatsache, daß es gelungen ist, trotz der teilweise sehr persönlichen Fragestellungen zu Beginn des Seminars die Diskussion nicht in Befindlichkeitsgeplauder abgleiten zu lassen. Die z.T. kontroversen Meinungen zu den einzelnen Seminarbereichen, Themen und Arbeitsformen stellen dieses Prinzip nicht grundsätzlich in Frage. Sie bestärken vielmehr meine Auffassung, daß jedes Seminar eine Vielfalt an Zugängen anbieten muß. Damit kann es zwar nie jedem einzelnen ganz gerecht werden; es erhöht jedoch die Chance, daß jede/ r seinen bzw. ihren Interessenschwerpunkt und Lernweg findet, und es nutzt darüber hinaus das in der Gruppe enthaltene Potential. Bibliographische Angaben ALTRICHTER, Herbert/ PoscH, Peter (1990): Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Bad Heilbronn: Klinkhardt. APPEL, Joachim (1996): "Persönliches praktisches Wissen von Fremdsprachenlehrerinnen". Vortrag über Ergebnisse seines Dissertationsprojektes im Hessischen Institut für Lehrerfortbildung am 9.10.1996. BAILEY, Kathleen (1990): "The use of diary studies in teacher education prograrns". In: RICHARDS, Jack C. / NUNAN, David (Hrsg.): Second Language Teacher Education. Cambridge: Cambridge University Press, 215-226. 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The following article describes what students think of their participation in an English Literature class at university (advanced level), which is held in English, how they see their roles as more or less active participants. Also the university teacher's self-concept is described, how she tries to find a balance between the roles as instructor, facilitator, and mentor, who initiates student activities. These activities give the students füll scope in discussions. The respective self-concepts then result in Action Research, the data collected and analysed being students' diaries, student interviews and video documentations of some of the sessions. The students and the teacher try to redefine their roles and improve interaction. 1. Lehrveranstaltungen Für universitäre Lehrveranstaltungen im Bereich der Literaturwissenschaft gilt, daß sich Vorlesungen zumeist mit überblicksartigen Darstellungen allgemeinerer Art befassen, während in Seminaren spezielle Themen, Textsorten oder Autorinnen und Autoren behandelt und diskutiert werden. Literaturseminare sind daher idealiter der Ort, an dem Texthermeneutik praktisch erfahren und literaturwissenschaftlicher Diskurs geübt werden kann, die gemeinsame Annäherung von Studierenden an einen Text, die Bewußtmachung je unterschiedlicher Textrezeptionen, das argumentative Austauschen von individuellen Leseweisen, die Diskussion um die Auslegung bestimmter Textstellen, das Belegen von Argumenten im Text, das Finden eines Konsenses bzw. das Tolerieren unterschiedlicher Leseweisen, die jeweils ihre Berechtigung haben können. Die Realität sieht häufig jedoch anders aus. Viele Studierende kommen vom Gymnasium mit einer mehr oder minder festgefügten Vorstellung von „Literaturbehandlung". Sie haben im Oberstufenunterricht erlebt, daß die Lehrkraft ein festgefügtes Literaturkonzept, ein stringentes Unterrichtsziel und ein begrenztes Methodenrepertoire hat, in das jeder Text eingepaßt wird. Sie haben im negativen Fall erfahren, daß eine Diskussion nur schwer in Gang zu setzen ist, daß letzten Endes die Lehrkraft den Unterricht dominiert und daß sie vor allem weiß, was am Ende der Textinterpretation als gesichertes Ergebnis herauskommen muß, m.a.W.: daß sie die Ergebnisse sozusagen in der Tasche hat, die sie am Schluß herauszieht, in schriftlicher Form festhält und damit für die Schüler/ -innen verfügbar macht, die Ich danke Dr. Wolfgang Zuse, Göttingen, für die kritische Durchsicht des Manuskripts. FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 147 sich dem Lehrerziel beugen und wenn sie über sich reflektieren zu dem Schluß kommen müssen, daß ihre Rolle als Textinterpreten nicht ernst genommen wird (Hermes 1995: 86). Daß diese Charakterisierung des fremdsprachlichen literarischen Oberstufenunterrichts nicht allzu überzeichnet ist, läßt sich unschwer in Erfahrung bringen, wenn man Erstsemester nach ihren Erfahrungen und Erinnerungen befragt. Hinzu kommt ein weiteres: Wenn die Textdiskussion in der Fremdsprache abläuft, wird die Partizipation noch dadurch erschwert, daß häufig das Ausdruckswollen und das fremdsprachliche Ausdrucksvermögen auseinanderklaffen, d.h. daß man sich nur dann. beteiligt, wenn man seiner Sache sprachlich sicher ist und nicht gewärtig sein muß, daß zwar der Inhalt der Aussage akzeptabel ist, nicht aber die sprachliche Form, die dann von der Lehrkraft korrigiert wird und zum Stillschweigen auf Schülerseite führen kann. Aufgrund dieser schulischen Sozialisation in Richtung auf eine uniforme Literaturbehandlung, die dem Individuum kaum freien Spielraum läßt, müssen die Studierenden in der Universität meist erst lernen, Textdeutungen auszuhandeln und unterschiedliche Leseweisen zu tolerieren und zu akzeptieren. Sie dürfen also nicht mehr erwarten, mit einem eindeutigen Ergebnis (so und nicht anders muß der Text interpretiert werden) aus einer Lehrveranstaltung herauszgehen, sondern lernen, über ihre eigenen Textzugänge zu reflektieren. Und sie erfahren, daß man in Interaktionen nicht nur seine eigene Leseweise vorträgt, begründet und evtl. verteidigt, sondern auch andere Rezeptionen hört, sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzt, die eigene Leseweise evtl. modifiziert und möglicherweise mit den anderen zu einem Konsens findet. Zusammenfassend kann man feststellen, daß gerade Literaturseminare eine hermeneutische Lernsituation, ein gemeinschaftstiftendes Ereignis sind, die der wachsenden intellektuellen Selbständigkeit dienen und so auch der individuellen Persönlichkeitsentwicklung förderlich sein können. Das kann aber nur dann realisiert werden, wenn Studierende und Lehrkraft über ihre je eigenen Rollen reflektieren und sich dessen bewußt sind, daß die Ergebnisse solcher Lehrveranstaltungen von dem Einsatz aller Beteiligten abhängen. Hier besteht ein Forschungsdesiderat, daß nämlich Lehrveranstaltungen dieser Art mit verschiedenen Zielsetzungen empirisch untersucht, analysiert und evaluiert werden sollten. In ihrem Sammelband Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern: Gegenstand der Forschung haben Bausch/ Christ/ Krumm (1990) zahlreiche Stimmen aus unterschiedlichen Universitäten zu Wort kommen lassen, die über Möglichkeiten der Verbesserung der Ausbildung für Lehramtsstudiengänge und entsprechende Forschungsdesiderata reflektieren. So wird die „Evaluation effektiver Vermittlungsformen" gefordert (Baur 1990: 18). Es wird darauf verwiesen, wie wichtig die Selbstanalyse von Studierenden ist, die lernen sollten, "ihre Lern- und Verstehensprozesse zu beobachten" (Bredella 1990: 45). Und es wird herausgestellt, daß Literaturveranstaltungen in der Fremdsprache durchgeführt werden sollen, wenn die Texte in der Fremdsprache rezipiert werden und von den Studierenden in ihrer späteren Rolle als Lehrkräfte erwartet wird, daß sie wiederum ihren Unterricht in FLuL 27 (1998) 148 Liese[ Hermes der Fremdsprache abhalten (Schiffler 1990: 170). Außerdem können solche Veranstaltungen auch dazu dienen, die kommunikative Kompetenz der Studierenden zu schulen und zu verbessern (Freudenstein 1990: 80). Wenn mehr Forschung in dieser Richtung gefordert wird, so ist das nur allzu berechtigt, denn wissen wir wirklich, was sich in universitären Lehrveranstaltungen abspielt? Was geschieht in Seminaren, in denen über literarische Texte diskutiert wird? Wer interagiert mit wem? Wie verhalten sich die Redeanteile der einzelnen Studierenden zueinander und zu denen der Lehrkraft? Welche Sprache wird gesprochen, die Mutter- oder die Fremdsprache? Empirische Untersuchungen können hier nicht nur Aufschluß darüber geben, wie Studierende ihre eigene Rolle sehen, wie ernst sie ihre Funktion als unmittelbar Beteiligte nehmen, sondern auch darüber, welches Selbstkonzept die Lehrkraft hat, ob sie dem Input Priorität zuweist oder welchen Stellenwert sie der studentischen Interaktion in der Auseinandersetzung mit Texten beimißt. Im Sommersemester 1997 fand an der Universität in Koblenz ein Hauptseminar mit dem Thema "Theory and Practice of Feminist Literary Criticism" statt, in dem sich die 33 Studierenden und die Dozentin Gedanken machten über ihre jeweiligen Rollen in einer solchen Lehrveranstaltung, in dem sie über sich selbst reflektierten und allein sowie gemeinsam darüber nachdachten, wie man eine solche Veranstaltung zu einem Gemeinschaftsereignis machen könnte, in dem alle durch ihre aktive Teilnahme und Interaktion für das kommunikative Gelingen verantwortlich sind. Die theoretische Basis für die empirischen Untersuchungen sind Subjektive Theorien und Action Research, die Untersuchungsinstrumente: (1) Lernertagebücher, (2) Interviews, (3)Videodokumentationen einzelner Sitzungen. 2. Theoretische Überlegungen 2.1 Subjektive Theorien Das Konzept der Subjektiven Theorie, wie es im Forschungsprogramm Subjektive Theorien in Groeben [et al.] beschrieben wird, setzt voraus, das der Mensch ein aktives und rational handelndes Wesen ist. Es wird als „potentiell autonom, aktiv konstruierend und reflexiv" verstanden (Groeben 1988: 13). Menschen zeigen in ihren Handlungen Merkmale wie „Intentionalität, Entscheidungsfähigkeit zwischen Handlungsalternativen, Planung von Handlungsabläufen, Sprach- und Kommunikationsfähigkeit" (Groeben 1988: 15). Das reflexive Subjekt konstruiert seine Welt und vermag seine Handlungen zu beschreiben und zu erklären. Aus Erfahrung gewonnenes Wissen, Alltagswissen, kristallisiert sich zu subjektiven Theorien, die Intentionen, Einstellungen und Handlungsweisen leiten. Das aus der kognitiven Psychologie bekannte Schema-Modell findet auch hier seine Anwendung. Schemata, "die relevantes deklaratives und prozedurales Wissen in generalisierter Form repräsentieren" (Kallenbach 1996: 21), können durch neue Einsichten, durch Lernsituationen bestätigt, erweitert oder revidiert werden. FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 149 Alltagswissen ist sowohl gesellschaftliches als auch individuelles Wissen. Es hilft nicht nur, die Umgebung zu deuten und sich in ihr zurechtzufinden, sondern auch in ihr situationsadäquat zu handeln und sie zu interpretieren. Es ist jedoch nicht stabil, sondern „muß sich in immer neuen Herausforderungen bewähren und in jeder Interaktion Herausforderungen von anderer Seite begegnen" (Kallenbach 1996: 25). Es ist auch nicht völlig situationsunabhängig, sondern bezieht sich immer auf einen bestimmten Lebensbereich, für den subjektive Theorien entwickelt werden, die dann das Handeln und Urteilen leiten. Die Subjektivität führt jedoch nicht zu irgendeiner wie immer gearteten Willkür, sondern ist orientiert an den subjektiven Erfahrungen in bestimmten Lebenszusammenhängen, aus denen Wissen konstruiert wird. Das Wissen, das sich in subjektiven Theorien repräsentiert, betrifft also jeweils einen bestimmten Lebensbereich und ist damit konkretes Wissen, das „Erfahrungen strukturiert und bewertet" (Kallenbach 1996: 49). Dieses muß verbalisiert und damit bewußtgemacht werden können. Der Verbalisierung geht damit immer ein Akt der Selbstreflexion voraus, in der ein Individuum sich seiner selbst, seiner Rolle, der Funktion seines Handelns bewußt wird. Damit läßt sich das Konstrukt subjektive Theorien kreativ in der Unterrichtsforschung einsetzen. Es eröffnet Möglichkeiten, beim einzelnen Lernenden oder einer Lerngruppe die eigene Rolle, eigene Erfahrungen und Standpunkte bewußt zu machen und somit zu einem höheren Grad der Selbstreflexion und zur Sensibilisierung für das eigene Verhalten zu gelangen (vgl. Kallenbach 1996: 262 t). Die konstruktiven Einsatzmöglichkeiten des Forschungsprogramms Subjektive Theorien in der Unterrichtsforschung, insbesondere für "L2 classrooms", macht auch Grotjahn geltend (1991: 208). Dazu ist allerdings notwendig, daß das Forschungsobjekt „Schüler/ -in" nicht Objekt bleibt, wie bei Groeben [et al.] dargestellt. Wenn dieser zwei Arten der Datengewinnung beschreibt, nämlich die Beobachtung des Objektes durch den Forscher und die Selbstinterpretation des Objekts, das diese dem Forscher in einem Kommunikationsakt mitteilt, so ist die zweite Art der Datengewinnung die verläßlichere, weil sich der Forscher nicht auf seine Außensicht als Beobachter verläßt, sondern die Selbstsicht des „Forschungsobjektes" mit einbezieht. Groeben [et al.] (1988: 27) kommen zu dem Schluß: "Subjektive Theorien repräsentieren also Teile der Welt- und Selbstsicht eines Erkenntnis- Objekts, das verantwortlich in den Forschungsprozeß einbezogen und als Versuchspartner ernstgenommen wurde." Ein solches „Objekt" hat aber das Recht, sich zu verändern, also nicht sozusagen feste verläßliche Größe zu bleiben, sondern sich im Forschungsprozeß selbst weiterzuentwickeln in Richtung auf eine höhere Stufe der Reflexion und Selbsterkenntnis (vgl. Groeben 1988: 198). Hier ist genau der Punkt erreicht, wo Subjektive Theorien und das Forschungskonzept von Action Research einander berühren, was von Grotjahn deutlich formuliert wird, wenn er vom "research subject as a partner" spricht (1991: 208) und für Subjektive Theorien geltend macht, daß ihre Forschungsmethoden Innovationen im Unterricht bewirken können. FLuL 27 (1998) 150 Liese! Hermes 2.2 Action Research Action Research, in Ländern wie England, Österreich und Australien seit vielen Jahren in der Lehrerfortbildung als Instrumentarium praktischer Unterrichtsforschung eingesetzt, läßt sich allgemein mit Elliott definieren als "the Study of a social situation with a view to improving the quality of action within it" (1991: 69 [Hervorhebung im Original]) oder ausführlicher bei Carr/ Kemmis: "Action research is [...] a form of self-reflexive enquiry undertaken by participants in social situations in order to improve the rationality and justice of their own practices, their understanding of these practices, and the situations in which these practices are carried out." (1986: 162). Action Research dient nicht nur der Beschreibung einer Situation, sondern versucht, sie mit Hilfe verschiedener Methoden zu verändern. Eine jegliche Veränderung setzt voraus, daß die Ausgangssituation mit Hilfe verschiedener Daten analysiert wird, und läßt sich mit Hilfe eines Prozesses von Handlung und Reflexion realisieren. Insofern führt ein Action Research-Projekt immer zu höherer Selbstreflexion. Action Research unterscheidet sich von traditioneller Forschung insofern, als es keine unveränderlichen Forschungsobjekte voraussetzt, sondern von Forschungssubjekten ausgeht, die sich im Verlauf der Forschung selbst ändern. Sofern es um die soziale Situation des Unterrichts geht, plant eine Lehrkraft, aufgrund eines Reflexionsprozesses verschiedene Möglichkeiten, Änderungen in ihrem Unterricht herbeizuführen. Da dieses aber ohne die Beteiligung der Lerngruppe kaum funktioniert, arbeiten Lehrkraft und Gruppe idealiter gemeinsam an Veränderungen, über die dann wiederum reflektiert wird und die evaluiert werden. So sehen Carr/ Kemmis Action Research als "deliberate process for emancipating practitioners from the often unseen constraints of assumptions, habit, precedent, coercion and ideology" (1986: 192). Action Research ist damit im Idealfall ein Modell für lebenslanges Lernen, ein „Zirkel von Reflexion und Aktion" (Altrichter/ Posch 1994: 267; Hermes 1996: 17) bzw. eine Spirale von "plan, act & observe, reflect" (Nunan 1989: 13). Action Research läßt sich aber nicht nur mit erfahrenen Lehrkräften durchführen (vgl. Hermes 1996), sondern hat seine Berechtigung genauso in studentischen Lehrveranstaltungen, zumal dann, wenn die Studierenden selbst das Lehramt anstreben. Die Lehr-Lern-Situation in Universitäten ist durch ein Maximum an Freiheit gekennzeichnet, was hochschuldidaktische Innovationen eigentlich begünstigen sollte. Entsprechend definiert Zuber-Skerritt Action Research mit Blick auf Higher Education als 1 'collaborative, critical enquiry by the academics themselves (rather than expert educational researchers) into their own teaching practice, into problems of student leaming and into curriculum problems. lt is professional development through academic course development, group reflection, evaluation and improved practice" (1992: 1-2). Denn die Lernsituation von Erwachsenen sollte durch ein hohes Maß an Selbstbestimmung gekennzeichnet sein, durch Selbstverantwortung für die eigenen Lernbedürfnisse, die Lernziele, den Lernprozeß, das tatsächliche FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 151 unterrichtliche Lernprogramm sowie die anschließende Evaluation. Dieser Reflexionsprozeß schließt Selbstkorrekturen, Entwicklung bewußter Lerngewohnheiten und in der Gruppe die Förderung von kommunikativen Prozessen, gegenseitige Unterstützung und Vertrauen ein (vgl. Mezirow 1988: 154 t). Ein Action Research-Projekt, das auf beiden Seiten -'der Lehrkraft und der Studierenden zu mehr Professionalität und Selbst-Reflexivität führen soll, muß von beiden Seiten ausgehandelt werden, denn "a teacher cannot change his or her role (...) without corresponding changes being made in pupils' roles in the classroom" (Elliott 1991: 76). Es ist daher 'student-oriented' und schließt deren Bedürfnisse mit ein. Dann kann es für alle Beteiligten eine emanzipatorische Wirkung erlangen und zu dem Ziel führen, das Zuber-Skerritt folgendermaßen beschreibt: "Effective leaming and professional development clearly have important implications for effective student learning" (1992: 77). 2.3 Datenerhebung Interessanterweise gibt es Berührungspunkte zwischen Subjektiven Theorien und Action Research auch aufgrund der Möglichkeiten der Datenerhebung. Das Interview ist in beiden Forschungsbereichen ein zentrales Untersuchungsinstrument. Kallenbach beschreibt sehr ausführlich das Interview als Forschungsmethode zur Erhebung subjektiver Theorien (1996: 50 ff); Altrichter/ Pasch stellen verschiedene Verfahrensweisen beim Interview dar, das im Rahmen von Action Research als eine Datenerhebungsmethode eingesetzt wird (1994: 126 ff; vgl. Hermes 1996: 21). Das Interview, besonders wenn es fokussiert ist und ein halb gelenktes, halb freies Sprechen vorsieht, ermöglicht ein gezieltes retrospektives Nachdenken über die eigene Rolle (vgl. unten). Eine weitere Möglichkeit stellt das Tagebuch (diary, journal) dar, das in angelsächsischen Ländern in Form von Lernertagebüchern längst Eingang in den Universitätsalltag gefunden hat (vgl. Cross/ Angela 1988: 120 ff; Chaudron 1988: 46; Hermes 1995: 89 ff). In einem Lernertagebuch notieren die Studierenden nach Ende einer Lehrveranstaltung ihre persönliche Befindlichkeit, ihre positiven, kritischen oder negativen Eindrücke z.B. zu Inhalt und Struktur der Lehrveranstaltung, aber auch über sich selbst als Lernende, über ihre Interaktionen und deren Erfolg oder Mißerfolg. Insofern ist es eine retrospektive Methode, um über die Qualität und Wirkung von Lehrveranstaltungen Aufschluß zu erhalten. Es ist gleichzeitig introspektiv, weil die Studierenden über ihre eigene Rolle reflektieren. Eine Besonderheit des Lernertagebuchs ist, daß es nicht den absolut privaten Charakter eines „normalen" Tagebuchs besitzt, sondern daß die Studierenden von Anfang an wissen, daß sie es für die Dozentin verfassen, die es für ihre Auswertung der Lehrveranstaltungen nutzt. Und es versteht sich von selbst, daß das Auswirkungen auf den Grad der Offenheit hat, mit dem die Studierenden schreiben (vgl. Hermes 1996: 55). FLuL 27 (1998) 152 Liese! Hermes Die dritte Datenerhebungsmethode besteht schließlich in Videodokumentationen, die von einzelnen Seminarsitzungen gemacht werden. Diese sind insofern immer subjektiv gefärbt, als die Kamera immer nur einen Ausschnitt des Geschehens erfaßt. Sie können dennoch einen gewissen Grad an Objektivität erreichen, wenn sich dieser Ausschnitt grundsätzlich auf die interagierenden Personen bezieht, diese mit der Kamera einfängt und gleichzeitig die unmittelbare Umgebung und deren non-verbale wie verbale Reaktionen dokumentiert (vgl. dazu Altrichter/ Posch 1994: 124 ff; Hermes 1996: 24). Gerade die kommunikative Interaktion in einer typischen Seminarveranstaltung kann am besten mit Video dokumentiert werden, weil so der dialogische Charakter der Veranstaltung, die individuelle Beteiligung, die Verteilung der Redeanteile auf Studierende und Dozentin, der Diskursverlauf, kurz, die Prozeßhaftigkeit einer jeden Diskussion am besten erkennbar ist und analysiert und evaluiert werden kann (vgl. Henrici 1989: 224). Auf der Basis dieser Überlegungen wird im folgenden ein Projekt geschildert, bei dem Studierende und Dozentin im Verlauf eines Semesters im Rahmen des o.a. Literaturseminars versuchten, sich ihrer eigenen Rolle und Funktion im Seminar bewußt zu werden, diese immer wieder gemeinsam in den Veranstaltungen bzw. im Tagebuch zu reflektieren und auf der Basis gemeinsamer Überlegungen zu Lehr- und Lernformen zu finden, die der Dozentin erlaubten, von der dominanten Rolle des für möglichst umfassenden Input zuständigen „Instruktors" abzurücken und den Studierenden die Verantwortung für den Lernprozeß und die Kommunikation zu überantworten. 3. Selbstkonzepte 3.1 Selbstkonzepte der Studierenden Studierende erfahren sich in typischen Situationen in der Universität als erwachsene Lernende, deren Lernsituationen ebenso fremdwie selbstbestimmt sind. Sie entwickeln im Laufe ihres Studiums ein mehr oder minder bewußtes Selbstkonzept von sich. Mit Mummendey läßt sich der Begriff 'Selbstkonzept' definieren als „die Gesamtheit der auf die eigene Person bezagenen Beurteilungen", bzw. "die Gesamtheit(. .. ) der Einstellungen (attitudes) zur eigenen Person" (1990: 79 [Hervorhebung im Original]). Diese Kennzeichnung der eigenen Person muß einigermaßen stabil sein, d.h., es muß sich um Eigenschaften handeln, die als „überdauernde Merkmale" angesehen werden können (ibid.). Dieses Selbstkonzept gilt dabei für die Rolle, die man als Studierende/ r verkörpert, d.h., es kann „gegenstands- oder bereichsspezifisch" sein (Mummendey 1990: 83). Denn Studierende können sich z.B. inLehrveranstaltungen deutlich anders verhalten (zurückhaltend, schweigsam, etc.) als in anderen Situationen. Selbstkonzepte führen zu subjektiven Theorien, die die Einschätzung einer Situation sowie das Verhalten in ihr determinieren können. Eine Informationsquelle für diese Beobachtungen sind Tagebücher, die Studierende verfassen. Solche Tagebücher können inhaltlich sehr heterogen sein, von sehr FLuL 27 {1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 153 ausführlichen Darstellungen der eigenen Befindlichkeit und emotionalen „Ergüssen" über Phänomene in einer Veranstaltung, die subjektiv erfreulich oder ärgerlich waren, bis hin zu skizzenhaften Gedankenfetzen, die kaum auswertbar sind und vor allem die eigene Person zu verbergen suchen. Der Grad der Ausführlichkeit hängt wie nicht anders zu erwarten häufig mit dem je individuellen Temperament zusammen. Studierende nehmen sich als lebhaft"wahr und freuen sich entsprechend darüber, in eine Diskussion eingreifen und sie mitbestimmen zu können. Sie ärgern sich über ausufernde und vor allem irrelevante Beiträge anderer (wobei die Studentinnen seltsamerweise dieses Phänomen zwar im Tagebuch beklagen, nicht aber zum Zeitpunkt des Geschehens aktiv eingreifen, wenn sie die Redebeiträge anderer als belanglos und zu lang ablehnen; der Ärger wird zwar „von der Seele" geschrieben, nicht aber in der Veranstaltung thematisiert). Eine Studentin schreibt über sich: "Bei den Vorträgen [der Arbeitsergebnisse] der einzelnen Gruppen fielen mir oft spontan Zusätze ein, die ich einfach, ohne mich groß zu melden, einwarf. Mich stört es oft selbst, daß ich dann ,nicht warten kann, aber ich denke, wenn es zum Thema paßt, ist es noch akzeptabel." Eine andere nimmt sich selbst als sehr unruhig wahr: "Außerdem habe ich, wie so häufig, unruhig auf meinem Stuhl gesessen. [ ... ] Ich befürchte, daß ich von den anderen Seminarteilnehmerinnen als Unruhepol wahrgenommen werde. Ich freue mich aus diesem Grund immer über Gruppen- oder Partnerarbeit, weil die Atmosphäre dann aufgelockerter [...] ist." Die Selbstwahrnehmung anderer Studierender ist anders: Sie erfahren sich als ruhige zurückhaltende Menschen, sie beobachten zwar und· registrieren, scheuen aber davor zurück, aktiv in eine Diskussion einzugreifen. Diese „Stillen" sitzen zwar regelmäßig in den Veranstaltungen, wirken auch aufmerksam, tragen aber über Wochen nichts selbst zur Gestaltung einer Sitzung bei. Sie rezipieren, schreiben, reden vielleicht mit dem Nachbarn, sind aber nicht bereit, ihre Gedanken der Allgemeinheit preiszugeben. Ein Grund für ihre Schweigsamkeit könnte darin liegen, daß sie das Seminargeschehen als sehr komplex erfahren und sich aufgrund der zwangsläufigen „Unbestimmtheiten und Unwägbarkeiten" (Mummendey 1990: 267), die mit der Situation gegeben sind, nicht involvieren lassen wollen. Die Menge anderer Menschen macht ihnen, obwohl sie sie kennen, Angst, so daß ihr Selbstvertrauen sinkt und ihnen der Mut zu einem eigenen Beitrag fehlt (Cox 1994: 62). Das Urteil über die eigene Person hängt allerdings sehr stark vom Gesamtgeschehen einer Sitzung und von der Zusammensetzung der Großgruppe ab. Wird das Arbeitsklima im Seminar als angenehm, entspannt kooperativ empfunden (was nichts mit der Intensität der Arbeit zu tun hat), fällt es positiv aus, und solche Studierende sind dann eher bereit, sich selbst aktiv einzubringen. Entsprechend wird in allen Tagebüchern die Produktivität der Kleingruppenarbeit im Vergleich zur Plenumsarbeit als positiver hervorgehoben: "In der Gruppenarbeit können sich auch stillere Typen einbringen, außerdem ist mehr aus den Texten herauszuholen, wenn sich Kleingruppen mit verschiedenen Aufgaben befassen und anschließend ihre Ergebnisse vortragen, als wenn sich eine Großgruppe von ca. 40 FLuL 27 (1998) 154 Liese! Hermes Leuten um die Einigung in einem Punkt bemüht." Die Scheu, sich zu exponieren, ist in den Kleingruppen sehr viel geringer, vor allem wenn man mit den anderen Gruppenmitgliedern vertraut ist und sich sozusagen kommunikativ wohl fühlt. Dazu eine Studentin: "Ich muß mich dabei auch an die eigene Nase fassen, denn auch mir fällt es viel leichter, in der kleinen Gruppe zu diskutieren. Das liegt wahrscheinlich daran, daß ich in der kleinen Gruppe weniger Hemmungen habe, nicht voll ausgereifte Ideen oder halbe Sätze einzuwerfen. In der Plenumsdiskussion möchte ich dann doch lieber genau über das nachgedacht haben, was ich vortrage." Zu einem späteren Zeitpunkt im Semester schreibt sie: "Bei mir selbst kann ich auf jeden Fall feststellen, daß ich mich bemühe, meine eher passive Rolle bei der Sammlung [Vortrag der Ergebnisse vor dem Plenum] abzustreifen." Eine andere stellt fest: "Im Plenum sind meine Redezeiten kurz, in der Gruppe eher lang." Gruppenarbeit ist, wenn sie funktioniert, hermeneutische .Textarbeit und bringt zweifellos die intensivere Auseinandersetzung mit dem Text: "Das Arbeitsklima in unserer Gruppenarbeit war eifrig, in hitziger und vergnüglicher Diskussion bereiteten wir die Punkte [...] auf." Eine andere: "Die Diskussion in der Kleingruppe fand ich sehr ergiebig, denn wir waren nicht alle der gleichen Ansicht, wodurch ein interessanter Gedankenaustausch entstanden ist." Dieselbe Studentin stellt anschließend für sich fest: "In der heutigen Sitzung ist mir aufgefallen, daß mein eigener Redeanteil nach einer Gruppenarbeit um einiges größer ist als vorher." Der Prozeß der Selbstbeobachtung über einige Wochen führt bei ihr zu folgender Maxime: „Mir ist über die letzten Wochen aufgefallen, daß ich am besten direkt von Anfang an etwas zur Diskussion beitrage, damit ich im weiteren Verlauf des Seminars auch aktiv bleibe; dies gilt besonders für die Arbeit im Plenum. Höre ich von Anfang an eher zu, dann finde ich es schwieriger, in die Diskussion einzusteigen, d.h., die Größe meines Redeanteils während einer Sitzung hängt von den ersten paar Minuten ab." ► Exkurs: Plenumsdiskussionen Wenn die Selbstwahrnehmung von Studierenden in Gruppenarbeit durchweg positiver ist, wenn sich ihr Selbstkonzept als aktiv, motiviert. und gesprächsbereit charakterisieren läßt, wenn die subjektiven Theorien darin übereinstimmen, daß Plenumsarbeit kommunikativ eher Nachteile als Vorteile hat, dann lohnt eine kurze Überlegung, wie die Kommunikation im Plenum für gewöhnlich abläuft. Voraussetzung für die folgende Erörterung sind Seminare von mehr als 30 Teilnehmern/ -innen. Die Kommunikationssituation bei einer idealen Seminargröße von 10 bis 15 Teilnehmern/ -innen wird davon nicht berührt. Die Plenumsdiskussion in einem großen Seminar ist zumeist lehrerzentriert, auch wenn sich die Lehrkraft mit Input zurückhält und versucht, studentische Interaktionen nicht nur zu initiieren, sondern zu fördern und in Gang zu halten. Aber: • Beiträge bleiben oft im Raum stehen. • Beiträge richten sich nicht an die anderen Studierenden, sondern an die Lehrkraft. • Bei über 30 Teilnehmern bleibt für jeden einzelnen nur eine verschwindend geringe Redezeit. • Beiträge beziehen sich nicht genügend aufeinander (vgl. Nissen 1984: 393). • Folgt man, um allen gerecht zu werden, einer Rednerliste, so können die einzelnen Beiträge zusammenhanglos sein. Man kann nicht direkt aufeinander eingehen. FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 155 • Spontane Reaktionen auf einen vorangegangenen Beitrag sind problematisch. • Man zieht seinen Beitrag zurück, obwohl er vielleicht wichtig wäre, weil sich die Diskussion in eine andere Richtung bewegt hat. • Große Seminare erschweren den für eine gelingende Kommunikation notwendigen Blickkontakt. Den hält man zumeist nur mit der Dozentin. · • Im schlimmsten Fall entsteht gar keine Diskussion, sondern es bleibt bei einem Frage- Antwort-Ritual zwischen Lehrkraft und Studierenden. (Diese Charakteristika wurden zum großen Teil in gelenkten Interviews von Studierenden genannt. Die Interviews fanden nach Abschluß des Semesters statt.) 3.2 Selbstkonzept der Dozentin Jede Lehrkraft, ganz gleich, wie hoch ihr Grad der Selbstreflexion bei ihrer Arbeit und Lehre ist, kämpft gegen das Problem· ihrer Dominanz gegenüber der Lerngruppe, und Dominanz ist immer wieder Gegenstand der Unterrichtsforschung gewesen (vgl. Henrici 1989: 216). Chaudron schreibt: "Research in first language classrooms has established that teachers tend to do most of the talking (about 60% of the moves) [...]" (1988: 50). Da classroom management für gewöhnlich in ihrer Hand liegt, initiiert sie Diskussionen, gibt Themenstellungen vor, trägt selbst vor, organisiert Sozialformen, in denen gelernt wird, geht auf Fragen ein, kurz, hat die Fäden zumeist in der Hand und dominiert so auch im Redeanteil. Als subjektive Theorie läßt sich festmachen, daß man sich in der Regel einfach sicherer fühlt, wenn man das Heft in der Hand hat, sozusagen die letzte Kontrolle behält über das, was abläuft, sowohl inhaltlich und strukturell als auch im zeitlichen Management. Dieses Alltagswissen ist bei erfahrenen Lehrkräften vielfach erprobt, immer wieder bestätigt, und führt vielleicht deswegen dazu, daß man von der liebgewonnenen Kontrolle über seine Lerngruppe nicht ablassen will, weil das immer mit einem Gefühl der Unsicherheit einhergeht, daß man nämlich nicht „Herr" der Lage ist, was Arbeitsintensität der Gruppen in der Auseinandersetzung mit einem Text anbelangt. Dominanz abbauen heißt Macht abgeben. Andererseits bedarf jede Lerngruppe in irgendeiner Weise der kontrollierenden Instanz, will sie nicht in völliger Beliebigkeit der Lernsituation enden. Spinks und Clements nennen die zwei Extreme, zwischen denen sich die Lehre bewegen kann: Am "directive/ product-oriented extreme" bewegt sich eine Lehrkraft in ihrer Rolle als "facilitator knows best" und organisiert das Lernen straff, ohne auf individuelle Lernerwünsche und -bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Am "process-oriented/ syllabus-free extreme" wird der Gruppenprozeß selbst zum zentralen Verhandlungspunkt. "No links with real-world experience or real-world contexts are made [...]" (1993: 19). Aus einer solchen Darstellung wird deutlich, daß gute Lehre sich zwischen diesen beiden Extremen bewegt, daß ein Mindestmaß an Kontrolle notwendig ist, daß andererseits die Lernenden selbst über ihre Ziele und Wege mitentscheiden müssen. "The management of interaction in the classroom" (Allwright/ Bailey 1991: 19 f; vgl. Henrici 1989: 215 f) umfaßt Forschung über Redeanteile von Lernern und FLuL 27 (1998) 156 Liese[ Hermes Lehrer, Initiierung von Redeanlässen, Fragen, Antworten, Atmosphäre etc. und hat sehr differenzierte Beobachtungskriterien für "interaction analysis" hervorgebracht, die aufgrund der Verteilung von Kategorien für Lehrer und Lerner bereits erkennen lassen, daß der unterrichtliche Diskurs von vornherein als lehrerdominiert erachtet wird (vgl. Allwright/ Bailey 1991: 202 ff). Dasläßt sich für einen fremdsprachlichen Anfängerunterricht noch begründen, nicht aber für ein universitäres Literaturseminar, in dem Studierende im Hauptstudium weitgehend selbständig diskursiv Themen erarbeiten sollen. Andererseits finden sich Kategorien (siehe unten), die auf jede Lehrer-Lerner-Interaktion angewandt werden können. 4. Action Research in einer Seminarveranstaltung Im folgenden soll in aller Kürze dargestellt werden, wie die Dozentin und die Lerngruppe von 33 Studierenden über die Dauer eines Semesters versuchten, ihr Alltagswissen von normalen Seminarsituationen und -diskursen zum Ausgangspunkt zu nehmen, um in einem ständigen Reflexionsprozeß und mit Hilfe gemeinsam ausgehandelter methodischer Schritte zu erreichen, daß die Lehrerdominanz abgebaut wurde und gleichzeitig die Mitverantwortung aller Studierenden für kommunikative Interaktion und Lernerfolg stieg. Das setzt voraus, daß die Studierenden selbst in erheblich höherem Maße als üblich über ihre Funktion und Rolle in einem Seminar reflektieren. Ein Tagebuch, wie oben ausgeführt, kann dazu einen positiven Beitrag leisten. Es hilft, das Bewußtsein dafür zu schärfen, daß man überhaupt Mitverantwortung für das Gelingen einer Lehrveranstaltung trägt, daß man sich also nicht als "vessel" empfindet, in das das Wissen „eingetrichtert" wird, und gleichzeitig daß die Reflexion darüber und die Sensibilisierung für diese Verantwortung wertvoll für die Persönlichkeitsentwicklung sind. Dieser Prozeß vereint Lehrkraft und Studierende, denn "by investigating a situation they themselves are deeply implicated in, they also scrutinize their own contribution to this situation and, consequently, their own competency and self-concept" (Altrichter 1993: 50). Es versteht sich von selbst, daß dieser Prozeß der kontinuierlichen Reflexion und gemeinsamen Selbstreflexion selbst ein erzieherischer Prozeß ist: "By talking about collective experiences, the individual group members learn more about the others, themselves, and the workings of a group" (Schratz 1993: 68). Den Ausgangspunkt bildete zu Beginn des Semesters eine allgemeine Aussprache, in der die gruppendynamischen Prozesse in fremdsprachlich gehaltenen Literaturveranstaltungen problematisiert wurden. Ergebnis: Zumeist kristallisiert sich nach kurzer Zeit eine Gruppe aktiver Studierender heraus, die die Seminardiskussionen "tragen", während der größere Teil mehr oder minder in Stillschweigen verharrt. Gründe dafür sind zum einen Unsicherheit, was die inhaltliche Qualität des eigenen Beitrags anbelangt, zum anderen sprachliche Probleme dann, wenn man seinen Beitrag zunächst mental „zurechtlegt", um anschließend festzustellen, daß man sozusagen zu spät kommt und die Diskussion bereits fortgeschritten ist. Ein weite- FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 157 rer Grund für mangelnde Interaktion kann in den ausgewählten Texten liegen. "Ansprechende" Texte tragen in der Regel ein hohes Maß an emotionalem Potential, und je höher die individuelle Involviertheit ist, um so eher beteiligt man sich an einer Diskussion. Der Redeanteil ist also auch themenabhängig. Theoretische Basistexte (im Fall dieses Seminars Texte zu "feminist literary criticism") werden als für eine Diskussion problematisch empfunden, wobei studentische Begründungen weit auseinander liegen, von „worüber soll man diskutieren, es steht ja alles schon da''; über „in den Texten ist alles so verschlüsselt" bis hin zu „wir haben zu wenig Übung in der Erarbeitung solcher Texte". Ein Weg aus der Misere mangelnder studentischer Interaktion wird übereinstimmend in der Gruppenarbeit gesehen. Was in den Tagebüchern später festgehalten wurde, erscheint schon in der Diskussion zu Beginn des Semesters als Alltagswissen: Gruppenarbeit • erhöht den· individuellen Redeanteil, • hilft bei der Klärung eigener Gedanken, • ermöglicht den. Austausch über verschiedene Textrezeptionen und positive Auseinandersetzung, • macht den hermeneutischen Prozeß bewußt, • bringt neue Aspekte in die Textinterpretation, • schafft ein unbefangenes Klima, • resultiert in einer Gemeinschaftsleistung, die den Druck vom Individuum nimmt. Im Seminar wurde entsprechend vereinbart, Gruppenarbeit ins Zentrum zu stellen. Wichtig dabei ist, daß die Gruppe insgesamt für ihre Leistung und den Vortrag der Ergebnisse im Plenum verantwortlich ist und nicht ein einzelnes Gruppenmitglied. Die gemeinschaftliche Verantwortung für die Arbeitsergebnisse stärkt die Gruppe. Da jede Beschäftigung mit fremdsprachlicher Literatur im Medium der Fremdsprache implizit auch eine Sprachlernsituation ist, findet auch die Gruppenarbeit ausschließlich in der Fremdsprache statt. Ausgewählte Sitzungen werden auf Video dokumentiert, so daß die Seminarleiterin sich vom Fortschritt der Arbeit und der Wirkung der gemeinsam getroffenen Entscheidungen überzeugen kann. Im Verlauf des Semesters .wurden weitere vier Sitzungen auf Video aufgenommen, die eine deutliche Entwicklung auf Seiten der Dozentin wie der Studierenden aufzeigten. Die Gruppenarbeit der Studierenden erfolgt jeweils selbstbestimmt: die Studierenden erörtern und sammeln nach gründlicher häuslicher Vorbereitung der Texte (Short Stories von englischen und amerikanischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts) die Interpretationsaspekte, die ihnen für eine Diskussion relevant erscheinen. Die Gruppen konstituieren sich selbständig nach Interessenschwerpunkten. Die Arbeit am Text erfolgt ausschließlich in englischer Sprache. Die erste video-dokumentierte Sitzung (Text: Virginia Wolff: "The Man Who Loved His Kind") läßt sich wie folgt beschreiben: Die Plenumsarbeit vollzieht sich nach der Gruppenarbeit in der Weise, daß jeweils eine gesamte Gruppe ihre Arbeitsergebnisse vorstellt, die bei Bedarf diskutiert werden. Studentische Redebeiträge: FLuL 27 (1998) 158 Liesel Hermes erläutern, ergänzen, exemplifizieren, zitieren, führen fort, fassen die Arbeitsergebnisse zusammen. Auf diese Weise entsteht auch bei der Plenumsarbeit eine Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern. Interessant ist, daß anfangs der Rest der Teilnehmer/ -innen weitgehend zuhört, selten eingreift oder nachfragt. d.h., daß es zwar längere Redesequenzen der Studierenden gibt, die von der Dozentin selten unterbrochen werden, daß aber die Beteiligung der anderen zurückhaltend bleibt. Sie sind weitgehend damit beschäftigt, die vorgetragenen Ergebnisse schriftlich zu fixieren, was psychologisch verständlich ist, da zahlreiche Examenssemester das Seminar besuchen. Auffällig ist, daß die Ergebnisse sozusagen der Dozentin vorgetragen werden, daß mit ihr Blickkontakt besteht und gehalten wird, während der Rest der Teilnehmer/ -innen als eigentliche Adressaten weitgehend ausgeblendet bleibt. Die mangelnde Interaktion zwischen der vortragenden Gruppe und dem Rest der Teilnehmer/ -innen wird in der folgenden Sitzung diskutiert. Die Studierenden äußern sich positiv zum Grad der Selbstbestimmung in den Gruppen, sind überzeugt, daß Hemmschwellen abgebaut worden sind, und loben die kreative Arbeitsatmosphäre. Sie erkennen, daß nicht nur die Gruppe für ihre Ergebnisse verantwortlich ist, sondern daß das gesamte Seminar durch Nachfragen, Eingreifen etc. zum besseren Gelingen einer Interpretation beitragen kann. Die Wirkung dieser Selbstreflexion in der Gesamtgruppe läßt sich unmittelbar am nächsten Text (Fay Weldon, "Delights of France and Horrors of the Road") festmachen, der wiederum in Gruppen nach selbstgewählten Themen interpretiert wird. Es ist augenfällig, daß die studentischen Redesequenzen nicht nur länger werden, sondern daß die Studierenden bewußt aufeinander eingehen, nachfragen, Einwände machen, um Erläuterung bitten, Gegenpositionen vortragen, einander unterbrechen bis hin zu kurzen Wortwechseln zwischen jeweils zwei Studierenden, die sich nicht einigen können. Die Studierenden nehmen Blickkontakt auf, was einen Dialog erst ermöglicht. Die Dozentin tritt teilweise in den Hintergrund. Ihre Funktion beschränkt sich weitgehend auf Organisation und Klärung von Begriffen. Sie organisiert eine Rednerliste, wenn nötig, hilft in sprachlichen Zweifelsfällen, schreibt Fachtermini zum besseren Memorieren oder Wiederholen auf und bestätigt studentische Äußerungen durch Kopfnicken. Auf der Basis dieser ermutigenden Entwicklung wird in einer Sitzung ganz auf Gruppenarbeit verzichtet und im Plenum diskutiert, wobei vorher die Themen nach studentischen Vorschlägen festgelegt werden. Die Studierenden sind dafür sensibilisiert, daß bis auf die Organisation des Ablaufs die Diskussion in ihrer Hand liegt. Entsprechend folgen wieder lange studentische Sequenzen, die von der Dozentin in der Hauptsache aus den bereits genannten Gründen kurz unterbrochen FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbsterfahrung in Seminarveranstaltungen 159 werden. Die Videodokumentation zeigt nachträglich, daß sich von den ca. 30 anwesenden Studierenden 22 regelmäßig an der Diskussion beteiligt haben. Dennoch müssen die Grenzen einer solchen Veranstaltung gesehen werden. Die Studierenden kreisen in ihrer Diskussion (Sylvia Plath, "Day of Success") um inhaltliche Probleme. Sie nehmen kaum wahr, daß sie die mit diesen eng verknüpften Fragen der Struktur und vor allem des Stils völlig außer acht lassen. Ein Student, der die Diskussion iq diese Richtung lenken will, wird nicht gehört, sondern die Diskussion beginnt, sich im Kreis zu drehen. Bei zwei Gelegenheiten versucht daraufhin die Dozentin, der Diskussion durch einen Impuls eine andere Richtung zu geben, Automatisch wird hier wieder stärker gelenkt, und der Redeanteil· der Dozentin steigt. Dennoch ist in dieser Sitzung deutlich zu beobachten, daß die Studierenden nicht mehr zur Dozentin, sondern zu den Kommilitonen/ -innen reden, daß sie aufeinander eingehen, Argumente abwägen, verwerfen, aus dem Text zitieren, um ihre Leseweise zu untermauern. Die letzte Sitzung, die auf Video aufgenommen wird, ist stärker durch die Dominanz der Dozentin gekennzeichnet, der es vor allem um die Struktur einer Short Story geht (J. C. Oates, "Accomplished Desires"). Der Erfolg ist dennoch spürbar: Die Studierenden sind miteinander involviert, weniger „lehrerfixiert". Sie kommunizieren über einen Text, setzen sich mit ihm und miteinander auseinander. Fünf Studierende wurden zu einem späteren Zeitpunkt in einem gelenkten Interview nach ihren Erfahrungen mit dem Seminar befragt. Eine Studentin berichtet über ihre Selbsterfahrung, daß sie zu Beginn in Richtung Dozentin sprach, sich dann aber umorientierte: "Dann habe ich mich selbst beobachtet und habe gemerkt, ja, jetzt hast Du es richtig gemacht. Jetzt hast Du die anderen angeschaut [...]". Eine andere problematisiert nochmals eine zu starke Lenkung, die dadurch entsteht, "daß Sie [Dozentin] Fragen stellen und viele Leute dann nur diese Fragen beantworten und gar nicht dazu kommen, ihre eigenen Ideen zu formulieren, sondern sich immer nur stark auf diese Fragen ausrichten." Diese Überlegung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, daß die Studierenden ein Selbstkonzept verfolgen, das von der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ihrer Arbeit ausgeht. Eine andere weist darauf hin, daß man diesen Prozeß des selbstverantworteten Arbeitens lernen kann, „denn dann brauchten Sie [Dozentin] nichts mehr zu sagen, auch organisatorisch nicht, und es ist einfach gelaufen. Die Leute haben sich gefunden und haben dann auch miteinander gearbeitet." Wichtig ist andererseits das Feedback für die Dozentin, daß Lenkung z.B. dann vonnöten ist, wenn eine Diskussion ins Leere läuft oder in Oberflächenphänomenen befangen bleibt. Die Studierenden können ihr Unbehagen bisweilen nicht argumentativ festmachen, spüren aber, daß sich die Interpretation im Kreis dreht, und warten sozusagen auf den Impuls, der dem Geschehen eine neue Richtung gibt. Eine Studentin wünschte sich ab und an eine „Wertung" durch die Dozentin, eine andere fand es gut, daß ab und an eine „Einführung" gegeben wurde (studentische Kurzreferate zu den gelesenen Autorinnen). Schließlich meint eine Studentin, die als Lehrerin seit Jahren selbst unterrichtet, daß sie sich, wenn sich die „Diskussion FLuL 27 (1998) 160 Liesel Hermes im Kreis gedreht hat", manchmal wünschte, daß die Dozentin „eingegriffen oder mal zusammengefaßt hätte". Diese Kommentare zeigen, daß es keinen Königsweg gibt und daß jede Sitzung einer Balance aus Selbstbestimmung der Studierenden und Leitung durch die Dozentin bedarf. 5. Ausblick Der Beitrag hat zu zeigen versucht, daß Studierende in ihrer Rolle als Lernende ein Alltagswissen ihrer Situation an der Universität besitzen, das in ihr Selbstkonzept als Studierende eingeht. Auf dieser Basis läßt sich fruchtbar ein Action Research- Projekt realisieren, in dem Dozentin und Studierende über ihr Selbstbild und ihre Rollen in Lehrveranstaltungen reflektieren und gemeinsam daran gehen, Änderungen in dem zumeist methodisch festgefügten Ritual universitärer Lehrveranstaltungen herbeizuführen. Diese Änderungen wirken sich nicht nur positiv auf das Lernklima in einer Veranstaltung aus und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl in der Lernsituation. Sie führen auch zu einem erhöhten Bewußtsein für die Problematik einer jeden Lehr- und Lernsituation, auf die sich die Studierenden, soweit sie das Lehramt anstreben, ja selbst vorbereiten. Erst wenn sie erfahren haben, was es bedeutet, sich selbst Ziele zu setzen und die Wege dahin zu finden, wenn sie eigenverantwortlich in Gruppen arbeiten und selbstgesteuert lernen, werden sie in der Lage sein, diese Erfahrung auch auf ihre spätere Situation zu übertragen. Die Videodokumentationen sind entsprechend der Zielsetzung dieses Beitrags selektiv ausgewertet worden. Sie bieten allerdings Material für zahlreiche weitere Fragestellungen: • Sie könnten quantitativ auf die Länge der einzelnen Beiträge von Dozentin und Studierenden hin ausgewertet werden und damit Auskunft geben über das Verhältnis von „Lehrer- und Schülerrede". • Sie lassen sich diskursanalytisch untersuchen im Hinblick auf die verschiedenen Interaktionen zwischen den Studierenden sowie den Studierenden und der Dozentin (vgl. Allwright/ Bailey 1991: appendices). • Sie können desweiteren analysiert werden im Hinblick auf verschiedene Typen des sprachlichen Eingreifens seitens der Dozentin. • Es lassen sich auch die sprachlichen Fehler diagnostizieren und analysieren. • Schließlich lassen sich gemäß der symbolischen Interaktion auch die nichtsprachlichen _Zeichen untersuchen. Diese abschließenden Hinweise lassen andeutungsweise erkennen, welches Potential an empirischen Daten in Dokumentationen der beschriebenen Art steckt. Die Auswertung kann dazu beitragen, daß man die Studierenden ernst nimmt und mit ihnen gemeinsam nach Wegen hochschuldidaktischer Weiterentwicklung sucht. FLuL 27 (1998) Reden über Literatur: Selbste,fahrung in Seminarveranstaltungen 161 Bibliographische Angaben ALLWRIGHT, Dick/ BAILEY, Kathleen M. (1991): Focus on the Language Classroom. An introduction to classroom research for language teachers. Cambridge University Press. 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At universities and polytechnic colleges which offer specific Eng! ish courses to students of mechanical and electrical engineering and computer science teachers, who have been trained for General English teaching, find themselves confronted with the necessity of teaching English courses whose content they know little or nothing about. After a discussion of views on tbe subject matter of language courses, this article aims at clarifying the subjective theories of teachers on this issue on the basis of qualitative data. This entails an analysis of views on tbe content of ESP-courses [= English for Specific Purposes], strategies which teachers choose to cope with or to avoid ESP-subject matter, and finally the self-concept of ESP-teachers. 1. Zur Qualifikation von Lehrkräften im fachsprachlichen Englischunterricht an Hochschulen und Fachhochschulen Die Situation des universitären Fremdsprachenunterrichts wird von vielen Vertretern/ -innen als so defizitär und prekär bewertet, daß für den Dokumentationsband der 19. Arbeitstagung des Arbeitskreises der Sprachzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (AKS) 1996 der provokante Titel „Ende oder Wende? Universitärer Fremdsprachenunterricht an der Jahrtausendwende" gewählt wurde. Diese Wertung bezieht sich sowohl auf das allgemeinsprachliche als auch auf das fachsprachliche Kursangebot. Die Defizite in fachsprachlichen Fremdsprachenkursen führen Nehm/ Sprengel (1997: 79) entweder auf die unzureichende Qualifikation der Lehrkräfte im nicht-sprachlichen Sachfach oder im sprachdidaktischmethodischen Bereich zurück. Auch Buhlmann/ Fearns (1987: 18) setzen sich kritisch mit der Qualifikation von Sprachdozenten/ -innen auseinander und beschreiben die Ausgangssituation für viele mit dem Fachsprachenunterricht betraute Lehrkräfte folgendermaßen: "- Der Lehrer ist meist kein Fachmann auf dem Gebiet, dessen Sprache er gerade vermitteln soll. - Der Lehrer hat in der Regel keine Ausbildung als Fachsprachenlehrer erhalten. - Der Lehrer stößt bei dem Versuch, sich einzuarbeiten auf linguistische, methodische und didaktische Informationen und Ansätze, die für ihn in der Fülle schwer durchschaubar und in ihrer Bedeutung für den Unterricht nicht leicht zu beurteilen sind. - Der Lehrer sieht sich oft der Situation gegenüber, daß er einen Fachsprachenkurs geben muß, für den es kein, nicht ausreichendes oder nicht befriedigendes Material gibt." FLuL 27 (1998) 164 Gilda Rippen Im Gegensatz zu Nehm/ Sprengel (1997: 79) gehen die Autorinnen im Regelfall von Lehrkräften aus, die zwar über eine fundierte sprachdidaktische Ausbildung und im Bereich Deutsch als Fremdsprache über die erforderliche sprachliche Kompetenz, aber zumeist nicht über eine Qualifikation im Sachfach verfügen. Dieses Defizit wird von ihnen jedoch als nicht aussschlaggebend für einen erfolgreichen Fachsprachenunterricht angesehen. Fachsprachlicher Fremdsprachenunterricht erfordert ihrer Ansicht nach vor allem Kenntnisse der linguistischen fachsprachlichen Spezifika sowie die Kompetenz, fachsprachendidaktische Positionen zu rezipieren und im Unterricht umzusetzen. Noch weitreichender und differenzierter sind die Forderungen von Beier/ Möhn (1988: 61), die folgendes Anforderungsprofil für fachsprachliche Lehrkräfte entwerfen: „a) fremdsprachliche Kompetenz, die eine fachfremdsprachliche und möglichst eine fachtranslatorische Kompetenz einschließt (angesichts des Stellenwerts des Übersetzens/ Dolmetschens in der Praxis) b) linguistische Kompetenz, die eine fachsprachenlinguistische und eine translationswissenschaftliche (auf Fachtexte bezogen) einschließt c) pädagogische, didaktische und methodische Kompetenz, ebenfalls mit einem Schwerpunkt auf Voraussetzungen und Entscheidungen des FFU [Fachsprachlicher Fremdsprachenunterricht, G.R.] d) Fachkompetenz (außerhalb der bisher genannten Disziplinen)." Obgleich in der Diskussion über die Qualifikation von fachsprachlichen Lehrkräften auch fremd- und fachfremdsprachliche, linguistische und fachsprachenlinguistische sowie spezifische, didaktisch-methodische Kompetenzen gefordert werden, nimmt die Frage der für Lehrkräfte notwendigen Fachkompetenz, die auf ein Hintergrundwissen im Sachfach zielt, in der Fachsprachendidaktik besonders breiten Raum ein. Dies ist darauf zurückzuführen, daß viele der an Hochschulen und Fachhochschulen tätigen Lehrkräfte aufgrund ihrer primär philologischen Vorbildung vor dem Einsatz im Fachsprachenunterricht zurückschrecken. Gerade diese Berührungsängste haben trotz steigender Nachfrage durch die Studierenden die Einrichtung und langfristige Etablierung eines fachspezifischen Kursangebots erschwert, was sich in einer intensiven Kontroverse der Fachsprachendidaktiker/ -innen über die für den Fachsprachenunterricht erforderliche Fachkompetenz der Lehrkräfte niedergeschlagen hat (vgl. dazu Wieser 1986). Hutchinson/ Waters (1987: 162) weisen zwar auf die Bedeutung der Fachkompetenz für die Lehrkräfte hin, ziehen daraus jedoch die Schlußfolgerung, daß die Dozenten/ -innen lediglich Texte einsetzen sollten, die ihrem Kenntnisstand entsprechen. Buhlmann/ Fearns (1987: 115) vertreten eine noch weitergehende Position: "Ist der Lerner fachkompetent, so benötigt der Lehrer keine besondere Fachkompetenz [ ... ]; ist das Material angemessen, so ist es nicht nötig, daß der Lehrer Fachmann ist in diesem Fall übernimmt das Unterrichtsmaterial die Funktion des Trägers von Fachkompetenz." Von anderen Autoren (vgl. z.B. Beier 1980: 90; Beier/ Möhn: a.a.O.) wird hingegen eine fachliche Teilkompetenz im Sinne einer Grundbildung im Sachfach gefordert, weil sie das „fachliche Kompetenzgefälle zwischen Lehrer und Lerner zugun- FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 165 sten des Lerners" (Becker 1986: 224) als problematisch bewerten. Die noch immer geltende Aktualität dieser Forderung wird daran deutlich, daß Nehrn/ Sprengel (1997: 79) nach wie vor eine in diesem Sinne verstandene fachliche Kompetenz von Lehrkräften einfordern, weil diese ihrer Ansicht nach in Verbindung mit einer sprachdidaktisch-methodischen Kompetenz Voraussetzung für die Ausbildung einer „Sprachhandlungskompetenz" bei den Lernenden ist. Nach Buhlmann/ Fearns ist unter "sprachlicher Handlungsfähigkeit" "die Fähigkeit des Lerners" zu verstehen, "sich in der Zielsprache (L2) angemessen zu informieren und zu verständigen" (1987: 9) und „in seinem Fachbereich seiner Berufs- oder Ausbildungssituation entsprechend angemessen zu kommunizieren" (1987: 87). Da diese Kommunikationsfähigkeit keine absolute ist, sondern vielmehr durch die Bedürfnisse der Adressaten bestimmt wird, plädieren die Autorinnen im Fachsprachenunterricht für eine Bedarfsanalyse, auf deren Grundlage die zu schulenden sprachlichen Fertigkeiten, Inhalte und der fachsprachliche Spezialisierungsgrad auszuwählen sind. Ziel des fachsprachlichen Fremdsprachenunterrichts sollte ihrer Ansicht nach die systematische Vermittlung der im Fach charakteristischen Kommunikationsverfahren sein, was die zentralen Fachtermini, morphologische und syntaktische Kenntnisse sowie Strategien zur Textrezeption und -produktion beinhaltet (vgl. dazu Buhlmann 1986: 183-189; Buhlmann/ Fearns 1987: 87-90). 2. Zur Erforschung subjektiver Theorien von Dozenten/ -innen im fachsprachlichen Englischunterricht Die im Rahmen des kommunikativen Ansatzes vollzogene Hinwendung zum Lernenden hat in der Fremdsprachendidaktik zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Lerner geführt, während für Fremdsprachenlehrer/ -innen ein Forschungsdefizit vorliegt (vgl. Krumm 1995: 475). Diese Tendenz zeichnet sich ebenfalls für die Erforschung der Lehrperspektive von Dozenten/ -innen im fachsprachlichen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen und Fachhochschulen ab. Die Diskussion um die für den Fachsprachenunterricht erforderliche Lehrqualifikation wirft die Frage auf, welche Bedeutung die Betroffenen selbst diesem Gegenstand beimessen, der ein wesentlicher Teil ihres beruflichen Selbst- und Tätigkeitsverständnisses sein dürfte. Ansätze zur Erforschung des beruflichen Selbst- und Tätigkeitsverständnisses liefert das „Forschungsprogramm Subjektive Theorien" (Groeben, Wahl, Sehlee & Scheele 1988). In der als „weite Variante" bezeichneten Begriffsdefinition des „Forschungsprogramms Subjektive Theorien" werden subjektive Theorien definiert als: "Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, als komplexes Aggregat (mit zumindest impliziter Argumentationsstruktur), das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose, Technologie erfüllt" (Groeben et al. 1988: 19). FLuL 27 (1998) 166 Gilda Rippen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind in Anlehnung an Scheele/ Groeben (1988: 34 ff) subjektive Theorien mittlerer Reichweite. Diese umfassen Handlungstypen, wie z.B. die Aneignung fachlichen Hintergrundwissens, die Teil des komplexen Bedingungsfelds „fachsprachlicher Englischunterricht" sind. Das Fehlen einer allgemeinverbindlichen handlungsleitenden Theorie des Fremdsprachenunterrichts führt dazu, daß Lehrkräfte unter den Bedingungen, täglich pädagogisch handeln zu müssen, auf dem Hintergrund ihrer beruflichen Sozialisation und „aus Beständen ihres common sense und ihrer Alltagserfahrungen eigene Unterrichts~ theorien entwickeln" (Krumm 1986: 119). Konkrete Handlungen und Erfahrungen bilden den Ausgangspunkt für Verallgemeinerungen, welche auf handlungsleitende Prinzipien und Maßnahmehypothesen zu untersuchen sind. Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags stehen die subjektiven Konstrukte, die Lehrkräfte für fachsprachlichen Englischunterricht an Hochschulen und Fachhochschulen in bezug auf das fachliche Hintergrundwissen gebildet haben. Dieser Teilaspekt der Qualifikation hat aus der Sicht der Betroffenen im Gegensatz zu fremdsprachlichen, fachlinguistischen und sprachdidaktisch-methodischen Kenntnissen besondere Bedeutung, weil er von allen Befragten explizit thematisiert wird. Zunächst werden deshalb nachfolgend die fachlichen Anforderungen ermittelt, mit denen sich die Dozenten/ -innen im Fachsprachenunterricht tatsächlich konfrontiert sehen, anschließend werden die Strategien analysiert, die von den Lehrkräften im Hinblick auf die Aneignung von Fachwissen ergriffen werden. Fachliche Anforderungen und Bewältigungsstrategien sind abschließend in ihrer Auswirkung auf das individuelle Selbstverständnis als Fachsprachenlehrer/ -in zu analysieren. Die Grundlage der Untersuchung dieser Fragestellung, die Teil einer breit angelegten empirischen Studie ist (vgl. dazu Rippen 1997), bilden acht problemzentrierte, teilstrukturierte Einzelinterviews (vgl. zur Methode Witzel 1985), die mit Lehrkräften geführt wurden, die im Winterbzw. Sommersemester 1993/ 94 fachsprachliche Englischkurse an einer Universität bzw. Fachhochschule in Berlin leiteten (vgl. dazu die Übersicht im Anhang 2, S. 179). Die in Anlehnung an Kallenbach (1996) vorgenommene fallübergreifende Auswertung der Interviews dient nicht dazu, Quantifizierungen vorzunehmen bzw. repräsentative Ergebnisse hervorzubringen. Die Ergebnisse haben vielmehr explorativen Charakter; es soll die Bandbreite der vorgefundenen Konstrukte über das fachliche Hintergrundwissen aufgezeigt werden. Auf der Grundlage der vorgefundenen Ergebnisse können weiterführende Untersuchungen aufbauen. 3. Zum Kompetenzproblem im fachsprachlichen Englischunterricht 3.1 Zur Notwendigkeit von Fachkompetenz im Urteil von Lehrkräften Die von Buhlmann/ Fearns skizzierte, als defizitär beschriebende Qualifikation vieler Fachsprachenlehrer/ -innen (1987: 18) trifft auf die von mir Befragten zu. Keine der befragten Personen ist auf die Aufgabe als Fachsprachenlehrer/ -in durch FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 167 ein Studium der Ingenieurwissenschaften bzw. der Informatik vorbereitet worden. Auch außerhalb der Sprachlehre liegen nur punktuell berufliche Erfahrungen vor. Somit ist keine(r) der Befragten als Fachexpertin oder Fachexperte anzusehen. Darüber hinaus hat auch niemand eine spezielle Ausbildung als Fachsprachenlehrer/ -in erhalten. Im Hinblick auf die Aneignung des fachlichen Hintergrundwissens kann also davon ausgegangen werden, daß die Dozenten/ -innen ein hohes Maß an Eigeninitiative aufbringen müssen. Ausnahmslos alle Befragten weisen auf die große Bedeutung des fachlichen Hintergrundwissens hin. In Zusammenhang mit dem fachlichen Aspekt wird von "Sachkenntnis", "mitreden können", "Sicherheit" und „Beschlagenheit" gesprochen. Fachkompetenz wird somit als Voraussetzung für den fachsprachlichen Englischunterricht angesehen. In folgenden Bereichen sehen sich die Befragten im fachsprachlichen Englischunterricht mit den eigenen Defiziten konfrontiert: fachliche Abhängigkeit von den Studierenden, Abhängigkeit von einem Lehrbuch bzw. -werk als Leitmedium sowie Unsicherheit bei der Literaturrecherche und der Didaktisierung authentischer Fachtexte. Besonders negativ wird die fachliche Abhängigkeit von den Studierenden bei inhaltlichen Verständnisproblemen im Unterricht gewertet. Daraus kann die Angst entstehen, Unterrichtsprozesse nicht mehr steuern zu können, was eine Dozentin metaphorisch wie folgt ausdrückt: "Mein Gott, heute könnten sie mir aber den Boden unter den Füßen wegziehen, wenn sie nur wollten! " (Interview VII). Ein anderer Befragter weist darauf hin, daß fachliche Defizite seitens des Lehrers ein verändertes Rollenverständnis erfordern. <1>: Wenn sie das Fach ... nicht studiert haben, ist es bei Informatikstudenten schwer zu unterrichten. Ich ... bin kein Informatiker. Wir sind auf die Hilfe der Studenten angewiesen. Manchmal bin ich der, der sich was erklären läßt. Das liegt mir nicht so. (Interview V) 1 Die Zitate illustrieren die Schwierigkeit der Lehrkräfte, ihr Verständnis der Lehrerrolle zu revidieren. Entgegen der von Buhlmann/ Feams (1987: 118) vertretenen Auffassung betrachten beide Personen ihre fachlichen Defizite nicht als produktiv zu nutzenden Sprechanlaß, der den Weg zu einem partnerschaftlichen Umgang von Lehrkraft und Lernenden ebnet, indem fachkompetente Studierende zunehmend Lehrfunktionen übernehmen und den eigenen Lernprozeß selbstbestimmt kontrollieren können. Vielmehr werden die eigenen fachlichen Defizite als latente, potentielle Bedrohung gewertet, weil sie aus der Sicht dieser Dozenten/ -innen Autoritäts- und damit Gesichtsverlust gegenüber den Studierenden zur Folge haben könnten. Ohne Zweifel hat die Festlegung auf ein Lehrbuch bzw. Lehrwerk, d.h. ein um zusätzliche Medien (z.B. Foliensätze, Hörverstehenstexte) ergänztes Lehrbuch, für die Lehrkräfte eine entlastende Funktion. Auch wenn die damit verbundenen Vorteile überwiegen, weil es ihnen curriculare Entscheidungen im Hinblick auf die Zu den Transkriptionskonventionen vgl. Anhang 1 (S. 178). FLuL 27 (1998) 168 Gilda Rippen Auswahl der Inhalte, die sprachliche Progression und die Übungsgestaltung abnimmt, wird der Bezug auf ein Leitmedium nicht durchweg positiv bewertet. Kritik finden die Auswahl der Inhalte und die Übungsapparate. Inhalte werden teilweise als fachlich unangemessen eingeschätzt, weil sie weder aktuell sind noch für die Lernenden eine fachliche Herausforderung darstellen. Allerdings thematisiert der diese Kritik äußernde Dozent nicht, wie er den von ihm geforderten höheren fachlichen Anforderungen begegnen will. <2>: (. ..) die Lehrmaterialien sind langweilig. stupide aufbereitet, das sind nur Sammlungen von Texten, die auch nicht unbedingt interessant sind, die nicht stimulierend sind, auch fachlich gesehen, nicht ... neu sind. (Interview VI) In Verbindung mit dieser fehlenden fachlichen Herausforderung steht die Kritik des Dozenten an den sprachlichen Übungsapparaten. Statt inhaltsbezogener Anforderungen, die zu schließende „Informationslücken" voraussetzen, sind die Aufgabenstellungen nicht abwechslungsreich und motivierend gestaltet <2>, sondern zielen primär auf Habitualisierung. Er fordert deshalb Übungsformen, die auf Problemlösung und Eigentätigkeit der Lernenden ausgerichtet sind. <3>: Es wäre g]4 wenn man da Sachen entwickelt, die Probleme lösen, entwickeln und darstellen. Wo auch ... echte ... Informationslücken vorhanden sind. Meist sind es nur Einsetzübungen formaler Art. (Interview VI) Fehlt das fachliche know how, sind die Dozenten/ -innen auf die Lehrwerke angewiesen, die kommerziell angeboten werden. Alternative Wege, die die eigene Literaturrecherche sowie die Didaktisierung authentischer Fachtexte und die Entwicklung textspezifischer Übungsapparate einschließen, stehen diesen Lehrkräften nicht offen. Setzt doch beides Fachkompetenz voraus. <4>: Bei Maschinenbau/ es gibt, wie gesagt, vier verschiedene Richtungen ..... Ich kann mich unmöglich ... in alle einarbeiten! Das ... ist einfach ... zu zeitaufwendig! Deshalb konzentriere ich mich auf die Mechanik, die alle betrifft, und arbeite mit 'nem Lehrbuch. (Interview 1) <5>: Für i.f.dg_ ... Stunde mujJ man Übungen erfinden. Und das ... ist im technischen Bereich ja gar nicht so einfach. In der Allgemeinsprache geht das besser. (Interview VIII) Nur eine Minderheit der Lehrkräfte setzt authentische Fachtexte ein, die entweder aktuellen Fachzeitschriften (Interview I [Informatik], II) oder englischsprachigen Vorlesungsskripten entnommen sind (Interview IV). 3.2 Zur Verarbeitung fachlicher Wissensdefizite 3.2.1 Aneignungsstrategien Zur Bewältigung des Fachsprachenunterrichts machen sich die Lehrkräfte durch folgende Maßnahmen fachkundig: autodidaktische Aneignung des fachlichen Hintergrundwissens durch gründliche Erarbeitung der von ihnen ausgewählten FLuL 27 (] 998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 169 Lehrmaterialien und Gespräche mit Experten/ -innen. Nur einer der Dozenten/ -innen hat ein Grundstudium im nicht-sprachlichen Sachfach absolviert. Die Mehrzahl der Befragten nutzt das Lehrmaterial entsprechend der von Buhlmann/ Feams vorgeschlagenen Funktion als „Träger von Fachkompetenz" (1987: 115). Es dient ihnen als Grundlage, sich fachliche Inhalte anzueignen (Interview I [Maschinenbau], III [Maschinenbau], V, VI, VII, VIII). <6>: Ja da hab ich natürlich/ als ich das wußte, daß ich das [Kurse für Maschinenbau, G.R.] machen würde, ... da hab' ich mir also von meinem Kollegen (. .. ) Materialien geben lassen, und das hab' ich dann selbst ... praktisch daraus gelernt. (Interview III) <7>: (. .. ) da hab' ich eben die Unterrichtsbeihilfen benutzt und die Bücher von vorne bis hinten (. .. ) durchgearbeitet, erst 'mal für mich selber. (Interview VIII) Neben die Erarbeitung der Unterrichtsinhalte über das Lehrmaterial treten Gespräche mit Experten/ -innen (Studierende, Kollegen/ -innen, Bekannte etc.), um sich fachkundig zu machen. Vor allem wenn es gilt, Fachterminologie zu klären, greifen die Lehrkräfte auf die Lernenden als Experten/ -innen zurück. Dieses Verfahren ist jedoch nur praktikabel, wenn die Studierenden über die entsprechende Fachkompetenz verfügen (vgl. dazu Buhlmann/ Feams 1987: 89 f, 118 f). Ist der Fachsprachenunterricht im Grundstudium verortet (Interview I, II, III, V, VI, VII), läßt es sich nicht einsetzen. <8>: Und ... über die Studenten ... natürlich. Ich mach' es zum Teil so, daß ich bestimmte Termini mit den Studenten abkläre. Ich muß es einfach tun, und zum Teil ... kommen wir auch ... zu keinen Lösungen, die wissen zum Teil auch nicht, was das bedeutet. (Interview VI) Die Sprachlehre ist sowohl an der Hochschule als auch an der Fachhochschule durch isoliertes Arbeiten der Lehrkräfte gekennzeichnet; funktionierende kollegiale Arbeitszusammenhänge fehlen zumeist. Die Kontakte beschränken sich in der Regel auf den Materialaustausch, wenn eine Lehrkraft zum ersten Mal in einem· Fachsprachenkurs eingesetzt wird <6>. Nur eine Minderheit tauscht sich kontinuierlich mit erfahreneren Kollegen/ -innen aus (Interview VI, VIII). Vereinzelt werden auch fachlich versierte Bekannte zu Rate gezogen (Interview VII). Über die Aneignung der Fachinhalte durch gründliche Erarbeitung der Lehrmaterialien und Gespräche mit Experten/ -innen hinausgehend, ergreift die Mehrzahl der Befragten keine weiteren Maßnahmen, um sich fachkundig zu machen. Lediglich ein Dozent hat das Angebot seiner Universität genutzt und in den Fachrichtungen Elektrotechnik und Informatik das Grundstudium absolviert, um eine fachliche Teilkompetenz zu erlangen. <9>: Immer mehr kam ich zu der Überzeugung, entweder höre ich auf, oder ich bereite mich auf einen wichtigen Studiengang ... intensiv vor: E-Technik und Informatik. Und das habe ich dann auch gemacht, so daß ich nicht andauernd ... auf Sachen stoße, wo ich sagen muß: Das weiß ich nicht! (Interview IV). FLuL 27 (1998) 170 Gilda Rippen 3.2.2 Vermeidungsstrategien Parallel zu diesen Aneignungsstrategien versuchen einige der befragten Lehrkräfte, ihre fachspezifischen Defizite dadurch zu kaschieren, daß sie fachliche Inhalte vermeiden. Sie nennen folgende Maßnahmen: Bezug auf ein einzelnes Lehrbuch bzw. Lehrwerk, Betonung der Vermittlung sprachlicher Grundlagen (systematische Lexik- und Grammatikvermittlung) sowie Einbezug fachfremder Inhalte, in denen , sich die Betroffenen firm fühlen. Die Mehrzahl der Befragten arbeitet mit Lehrbüchern bzw. Lehrwerken. Im Umgang mit diesen Lehrmaterialien sind drei Strategien zu unterscheiden. Eine Befragte stellt aus verschiedenen Lehrwerken Texte zu Dossiers zusammen (Interview III [Informatik]); andere arbeiten schwerpunktmäßig mit einem Lehrbuch und ergänzen dieses durch zusätzliche Materialien (Interview V, VI); wieder andere konzentrieren sich auf ein Lehrbuch (Interview I [Maschinenbau], Interview III [Maschinenbau]) bzw. Lehrwerk (Interview VII, VIII). Vorzugsweise die Dozenten/ -innen entscheiden sich für ein Leitmedium, die sich in den Lehrstoff neu einarbeiten. Für diesen Personenkreis übernimmt das Lehrmaterial die von Buhlmann/ Feams vorgeschlagene Funktion als „Träger von Fachkompetenz" (1987: 115). <10>: Wir ... haben uns geeinigt, dieses Lehrbuch einzusetzen, und sind halt wirklich (... ) normal ... nach Vorgabe des Lehrbuches vorgegangen.(Interview VII) Auch wenn die Konzentration auf ein Lehrbuch bzw. Lehrwerk bei der Aneignung fachlichen Wissens ein erster Schritt sein kann, weil das Leitmedium notwendige didaktische Entscheidungen abnimmt, kann es langfristig nicht die eigenständige Auseinandersetzung mit dem fachlichen Hintergrundwissen ersetzen. Wird ein Lehrbuch bzw. -werk als thematischer und fachfremdsprachlicher Kanon unkritisch „abgearbeitet", kann dies als Vermeidungsstrategie beurteilt werden, weil dadurch außerhalb der Lehrmaterialien angesiedelte Fragestellungen ausgeblendet bleiben. Eine weitere Vermeidungsstrategie in bezug auf die fachspezifischen Inhalte liegt in der Betonung sprachlicher Grundlagen, d.h. der systematischen Lexik- und Grammatikvermittlung. Diese Gewichtung wird vor allem durch die Tradition der Sprachkundigenausbildung gefördert, an der einzelne Einrichtungen noch festhalten (Interview V, VI, VII, VIII). <11>: Von daher ... mache ich lieber ... einen allgemeinsprachlichen Teil. Das ... wird auch K1! 1. angenommen. Ich übe mit ihnen, einen Text zu verstehen, Wortschatz, Grammatik. Gerade ... bei Informatikstudenten, wenn es darum geht, ein Computerprogramm zu verstehen, ist das wichtig. (Interview V) Eine ähnliche Funktion wie die Betonung sprachlicher Grundlagen kann die Auswahl fachübergreifender Unterrichtsinhalte haben. Schwerpunkt fachübergreifender Konzepte sind entweder ein Grundlagenfach wie z.B. die Mechanik, die von verschiedenen Fachrichtungen im Studium abgedeckt werden muß (vgl. dazu <4> ), FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 171 oder die gemeinsamen sprachlichen Mittel in verwandten Fächern. Der letztgenannte Ansatz setzt die Existenz einer fächerübergreifenden Wissenschaftssprache voraus (vgl. dazu Fluck 1992: 75-87). Fachübergreifende Konzepte werden im allgemeinen von Einrichtungen gewählt, um bei schmaler Personaldecke Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen fachsprachliche Fremdsprachenkurse anzubieten. Jedoch greifen Lehrkräfte auch in fachspezifischen Kursen 2 auf dieses Konzept zurück, weil es ihnen erlaubt, fachunspezifische Texte auszuwählen, die keine spezielle fachliche Einarbeitung erfordern. <12>: Und da ich das ein bißchen weiterfasse (... ) als das die Informatiker machen, dann nehme ich auch breitgefächerte ... naturwissenschaftliche Themen. (Interview V) Außerdem wählen Lehrkräfte zur Vermeidung fachspezifischer Inhalte auch solche Themen aus, die im allgemeinsprachlichen Bereich angesiedelt sind. Die Auswahl erscheint beliebig und von den individuellen Interessen der Lehrkraft bestimmt zu sein. Ein Bezug zu studienbzw. berufsbezogenen Sprachverwendungszusammenhängen, die auf die Ausbildung „sprachlicher Handlungsfähigkeit im Fach" (Buhlmann/ Feams 1987: 87) zielen, wird dabei nicht hergestellt. <13>: Die Studenten sagen, sie möchten vornehmlich den Bereich der Alltagssprache lernen, (. .. ) die mündliche Kompetenz, die Kommunikation, und das ... geht gegenwärtig besser über die Alltagssprache. (... ) Da komme ich auf Themen zurück (.. .) was man auf Deutschland bezogene Themen nennen könnte. Da können sich die Studenten zu äußern. (. .. ) Gerade die sollen sich zu politisch brisanten Themen äußern, aber auch zu wirtschaftlichen Themen. (. ..) Ich versuche auch ... Kultur einzubeziehen. (Interview VI) 3.3 Zum Selbstverständnis von Dozenten/ -innen im fachsprachlichen Englischunterricht Von welchen Faktoren ist die Entwicklung eines positiven Selbst- und Tätigkeitsverständnisses abhängig? Bei der Bewertung der eigenen Person in bezug auf die berufliche Tätigkeit kommt der eigenen Fachkompetenz aus der Sicht der Befragten zweifellos eine Schlüsselposition zu. Es kann davon ausgegangen werden, daß die von den Lehrkräften gewählten Aneignungsstrategien entscheidend für ein positives Selbstverständnis sind. Allerdings läßt sich aus den gewählten Aneignungsstrategien nicht befriedigend erklären, warum Lehrkräfte mit vergleichbaren Teilnehmervoraussetzungen fachliche Anforderungen unterschiedlich bewerten. Die Mehrzahl der 2 Die Mehrzahl der Lehrkräfte unterrichtet in Englischkursen, die für Lerngruppen angeboten werden, die sich aus Angehörigen einer Studienrichtung zusammensetzen. Hieraus dürfte im Hinblick auf den fachlichen Aspekt eine relativ homogene Interessenlage der Teilnehmer/ -innen folgen. Lediglich zwei Dozenten (Interview 1, II U) leiten Kurse, deren Teilnehmer/ -innen sich aus unterschiedlichen Fachrichtungen im Maschinenbau rekrutieren, was divergierende fachliche Interessen impliziert. FLuL 27 (1998) 172 Gilda Rippen Befragten arbeitet mit Studienanfängern, deren Fachwissen begrenzt ist. Lediglich ein Kurs ist im Hauptstudium verortet (Interview IV), und zwei Befragte unterrichten im Hinblick auf das Fachsemester heterogene Lerngruppen (Interview I, II U). <14>: Ich hab' eigentlich vorwiegend ... Wirtschaftsenglisch gemacht. Aber dadurch, daß (... ) irgendjemand ja Technik machrm muß, hab' ich mich dazu bereit erklärt, auch ... weil ich gerne 'mal 'was Neues machen wollte, und dann habe ich mich vor Beginn des Semesters runderneuert und alle Lehrmaterialien durchgearbeitet. Jetzt läuft es ganz gut! (Interview VIII) <15>: Fachsprachliche Kurse ... liegen mir nicht so sehr. Wenn Sie das Fach nicht studiert haben, ist es bei Informatikstudenten ... schwer zu unterrichten. Ich bin kein Informatiker! (Interview V) Während an der Fachhochschule die Erarbeitung fachlicher Inhalte über das Lehrbuch für die Dozentin offenbar eine adäquate, weil zum Unterrichtserfolg führende Strategie zu sein scheint <7> <14>, genügt diese Maßnahme dem ebenfalls Englisch für Informatiker unterrichtenden Dozenten an der Hochschule offensichtlich nicht <15>, um seine fachlichen Versagensängste zu überwinden. Möglicherweise verfügen Studierende an der Hochschule im Vergleich zu denen der Fachhochschule über ein höheres fachliches Vorwissen, was höhere und komplexere Anforderungen an die Lehrkraft impliziert. Somit dürfte die Erarbeitung fachlicher Inhalte über das Lehrbuch an der Hochschule keine ausreichende und damit adäquate Strategie darstellen. Die Äußerung „Fachsprachliche Kurse ... liegen mir nicht so sehr" verweist auf erhebliche Vorbehalte gegenüber dem fachlichen Aspekt des Unterrichts. Die darin zum Ausdruck gebrachte Distanz gegenüber technischen Fragestellungen ist möglicherweise auf fehlendes Wissen und Übung zurückzuführen. Sie beinhaltet jedoch auch einen Argumentationszusammenhang, der sich teilweise der Rationalität entzieht, wenn damit eine für den Umgang mit fachsprachlichen Texten notwendige Begabung impliziert wird. Aus der Sicht des oben zitierten Betroffenen ist sein Defizit im Sachfach also das entscheidende Hindernis bei der erfolgreichen Didaktisierung fachspezifischer Texte. Demgegenüber greift sein Kollege auf einen Begründungszusammenhang zurück, der sich vollständig rationalen Zugriffen entzieht. Der Befragte bringt eine Abneigung gegenüber dem Fach Informatik und damit auch dieser Fachsprache zum Ausdruck, indem er die besondere Qualität des Lehrstoffs kritisiert. Er bezeichnet ihn als „trocken" und damit lebensfern, weil dieser aus seiner Sicht im Gegensatz zu Wirtschaftsenglisch weniger neu und zukunftsweisend ist und die individuelle pädagogische Entwicklung sowie den kreativen, subjektiven Ausdruck verhindert. <16>: Ich bin ja auch parallel ... im Business English drin. Ich würde mich eher von meinen Neigungen her/ Computing English halte ich für ein bißchen zu trocken/ ich fühle mich zum Business und Management Englisch hingezogen. Nicht, weil das so „in" ist, natürlich auch eine Modeerscheinung, sondern weil es für mich ..... innovativ ist. Naturwissenschaften sind das nicht, ist nicht meine Neigung! (Interview VI) FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 173 Beide Dozenten hegen also grundlegende, sich teilweise der Rationalität entziehende Vorbehalte gegenüber dem nicht-sprachlichen Sachfach. Dies führt wiederum dazu, daß sie im Umgang mit dem fachlichen Aspekt vorwiegend auf Vermeidungsstrategien setzen <11> <12> <13>, so daß letztlich keine Auseinandersetzung mit dem fachlichen Aspekt des Unterrichts stattfindet, was die ohnehin vorhandene Abwehrhaltung noch verstärken dürfte. Neben der Wahl adäquater Aneignungsstrategien hat die berufliche Perspektive an der jeweiligen Einrichtung wesentlichen Einfluß auf ein positives Selbst- und Tätigkeitsverständnis der Lehrkräfte. So stellt für zwei Dozentinnen der Fachsprachenunterricht das entscheidende Mittel dar, den eigenen Arbeitsplatz langfristig zu sichern (Interview VII, VIII). Beide bewerten deshalb die mit dieser Aufgabe verbundenen Herausforderungen positiv und betrachten den Fachsprachenunterricht als Chance, weil er für sie mit Kompetenzgewinn verbunden ist. Dies wird durch Hinweise auf die eigene Neugier erklärt und kommt sprachlich durch Metaphern wie „runderneuern", "etwas Neues erkunden" und „etwas Neues in Angriff nehmen" zum Ausdruck. Die Einarbeitung in den neuen Lehrstoff ist aus ihrer Sicht außerdem untrennbar mit ihrem Beruf als Lehrerin verbunden <14>. Allerdings birgt die Erkundung des bisher unbekannten Terrains auch die Gefahr des Scheiterns an institutionellen Zwängen. Dies thematisiert eine Dozentin, indem sie für sich die Metapher des „alien" wählt, um die eigene Situation an der Fachhochschule zu beschreiben (Interview VII). Ausgelöst durch die Reaktionen ihrer Studenten ist ihr bewußt geworden, daß sie sich im Bereich „Technisches Englisch" an einer Fachhochschule in der Studienrichtung Maschinenbau in einer Männerdomäne bewegt. Als Frau muß sie aus ihrer Sicht ungeachtet der eigenen Kompetenz erst die Vorbehalte ihrer Studenten überwinden. Darüber hinaus hat der berufliche Werdegang der Lehrkräfte einen bedeutenden Einfluß auf ein positives Selbst- und Tätigkeitsverständnis. Außerhalb der Fremdsprachenlehre gewonnene berufliche Erfahrungen stellen aus der Sicht der Lehrkräfte eine zusätzliche Qualifikation dar, aus der sie Fachkompetenz ableiten. <17>: Ich ... kann mich in ein Gebiet einarbeiten. Ich hab' mich ... in Informatik eingearbeitet. Ich hab' an der Uni in einem Projekt für KI mitgearbeitet(. .. ). (Interview I) <18>: Bei Informatik, da ist es so, daß ich durch meine eigenen beruflichen Erfahrungen ... da eigentlich genug weiß. (Interview III). Eine vergleichbare Funktion haben auch zusätzlich erworbene Fachkenntnisse im Hinblick auf das Fachstudium der Studierenden, die beispielsweise durch den Besuch von Vorlesungen an der eigenen Einrichtung gewonnen werden können. <19>: Die Einführung ... in die Elektrotechnik muß ieder Student in den ersten zwei Semestern belegen. Ich hab' mir die Skripte besorgt ... und sie auch selbst absolviert ...... Meine Unterrichtsmaterialien hab' ich inhaltlich sehr eng an diese Vorlesung angelegt. (Interview IV) FLuL 27 (1998) 174 Gilda Rippen Obgleich die Befragten übereinstimmend auf die Bedeutung des fachlichen Hintergrundwissens als Voraussetzung für den fachsprachlichen Englischunterricht hinweisen, versteht sich lediglich ein Dozent als Vermittler fachlicher Inhalte und bezieht daraus sein Selbstbewußtsein als Lehrer. <20>: Das ist so eine Art, Art eh ... Spezialität ... von mir, eh ... technische Entwicklungen, neueste Entwicklungen, den Studenten in Englisch zu präsentieren, die sie z.T. (in ihren Vorlesungen? ) noch gar nicht hatten. Und eh, wo sie dann also zu ihren Dozenten gehen und „Sagen Sie 'mal, was ist das eigentlich? " fragen, "Das ... hab' ich noch nie gehört! " Das ist natürlich immer sehr schön! (Interview II) Die Mehrzahl der Lehrkräfte versteht sich demgegenüber primär als Fremdsprachenvermittler/ -in, der/ die keinen Fachunterricht, geschweige denn fachwissenschaftliche Lehre erteilt. <21>: Ich würde nicht sagen, daß ich versuche, Fachunterricht auf Englisch zu machen. Nee ... ~ das wäre nicht mein Ding. (Interview I) <22>: Der Englischunterricht ... kann nicht den Unterricht ..... im Fach ersetzen. Er kann ihn nur ergänzen aber das eigentlich auch nicht er kann eigentlich nur die sprachlichen Mittel bereitstellen, damit die Studenten ~ was sie im Deutschen kennen, auch in der Fremdsprache beherrschen. (Interview VIII) Dies trifft selbst auf den Dozenten zu, der in Elektrotechnik und Informatik das Grundstudium absolviert hat. Bei allem Stolz auf die eigene Teilkompetenz in zwei nicht-sprachlichen Sachgebieten und auf den daraus resultierenden Achtungserfolg bei seinen Studierenden weist er entschieden Ansprüche zurück, ihn als Fachmann der Elektrotechnik zu betrachten. Trotz seines fundierten Hintergrundwissens betrachtet er sich primär als Fremdsprachenvermittler, dessen fachliches Wissen zwar für den Englischunterricht ausreichend, aber dennoch begrenzt ist und weit hinter dem der Studierenden zurückbleibt. <23>: (... ) Ich kenne den Grundwortschatz, den kenne ich in der Informatik und in E-Technik. Am Anfang sind da einige Studenten ein bißchen skeptisch, wenn ich sage, daß ich eine geisteswissenschaftliche Ausbildung habe. Aber dann merken sie, wenn sie fragen, da kommt eine gute und auch differenzierte Antwort, daß da Kompetenz dahintersteht. Ich will kein Elektrotechniker sein. Im Zweifelsfall wissen die halt yjd viel mehr als ich. Ich bin ... zufrieden, wenn ich die Vokabeln alle kenne. Es kommt auch immer wieder vor, wenn ich in einem Spezialgebiet die Vokabeln nicht kenne. Aber ... das ist nicht so schlimm, dann lerne ich auf diese Weise auch wieder ein Wort. (Interview VI) Diese Selbsteinschätzung erscheint angesichts des hohen fachlichen Spezialisierungsgrades von Studierenden im Hauptstudium realistisch. Der Befragte deutet darüber hinaus an, einen partnerschaftlichen Unterrichtsstil anzustreben, indem er sich bei fachlichen Fragen zurücknimmt, auf seine Rolle als Fremdsprachenvermittler beschränkt und die Studierenden als fachliche Experten/ -innen Unterrichtsprozesse steuern läßt. FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 175 4. Schiußfolgerungen Die Interviewergebnisse belegen, daß ein bestimmtes, auf Fachkompetenz basierendes Selbstbewußtsein erforderlich ist, um als Dozent/ -in ein partnerschaftliches Rollenverhalten ausbilden zu können und nicht Vermeidungsstrategien wählen zu müssen, damit die eigene Inkompetenz nicht deutlich wird. Der fachsprachliche Englischunterricht stellt an die Lehrkräfte, die sich primär als Fremdsprachenvermittler/ -innen verstehen, die Anforderung, Texte auf unterschiedlichem fachspezifischen Niveau zu didaktisieren. Dies setzt fachliches Hintergrundwissen voraus, wobei das für diese Aufgabe erforderliche Fachwissen keine absolute, sondern eine auf die Lerngruppe und den Lernstoff bezogene Größe darstellt. Für die Mehrzahl der an Fachhochschulen beschäftigten Lehrkräfte scheint die gründliche Erarbeitung des Lehrstoffs über die Lehrmaterialien eine geeignete Strategie zu sein, um aus ihrer Sicht erfolgreich fachsprachlichen Englischunterricht zu erteilen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß an diesen Fachhochschulen die Fachsprachenkurse im Grundstudium verankert sind, wo die Studierenden noch nicht über eine ausgebildete Fachkompetenz verfügen. Demgegenüber scheint diese Aneignungsstrategie an der Hochschule bei heterogeneren fachlichen Eingangsvoraussetzungen der Studierenden nicht grundsätzlich auszureichen. Es kann davon ausgegangen werden, daß auf die Dozenten/ -innen der Druck zur fachlichen Weiterqualifikation mit dem fachlichen Kenntnisstand der Studierenden wächst. Allerdings belegen die von den an Hochschulen angestellten Lehrkräften gewählten Aneignungs- und Vermeidungsstrategien, daß nur vereinzelt eine fachliche Teilkompetenz, im Sinne einer Grundbildung im Sachfach (vgl. Beier/ Möhn 1988), angestrebt wird. Die von der Mehrzahl der Lehrkräfte eingesetzten Aneignungsstrategien werfen allerdings grundsätzlich die Frage auf, inwieweit die an Hochschulen und Fachhochschulen eingerichteten fachsprachlichen Englischkurse dem Erwerb „sprachlicherHandlungsfähigkeit im Fach" (Buhlmann/ Fearns 1987: 87) dienen, zielen diese Strategien doch überwiegend auf die Bewältigung des konkreten Unterrichtsgeschäfts und weniger auf die Aneignung eines fundierten, fachlichen Hintergrund" wissens. Außerhalb des persönlichen Radius stehende Experten/ -innen (z.B. Fachwissenschaftler/ -innen) werden bei der Unterrichtsplanung nicht hinzugezogen. Dieses Verhalten der Lehrkräfte reflektiert die Entkoppelung des fachsprachlichen Englischunterrichts vom Fachstudium sowie die Isolation der Sprachlehrinstitute im Rahmen der jeweiligen Einrichtung. Diese unzureichende Einbindung des fachsprachlichen Unterrichts in das Fachstudium fördert den Einsatz von Aneignungsstrategien mit begrenzter Reichweite. Darüber hinaus leistet sie der Wahl von Vermeidungsstrategien Vorschub. Der mit dem übergeordneten Lernziel „sprachliche Handlungsfähigkeit im Fach" (a.a.O.) verbundene Anspruch, die Studierenden in die charakteristischen Kommunikationsverfahren ihres Fachs einzuführen, kann von der Mehrzahl der Lehrkräfte auf diese Weise nicht eingelöst werden. Somit entfällt de facto vielfach die eigentliche Legitimationsgrundlage für die Einrichtung FLuL 27 (1998) 176 Gilda Rippen fachspezifischer Englischkurse, die zum einen in der Unterstützung des Fachstudiums und zum anderen in der Anbahnung berufsrelevanter, fachfremdsprachlicher Fertigkeiten bestehen sollte. Das aufgezeigte Dilemma läßt sich nur durch ein Bündel von Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen lösen. Es gilt, die institutionellen Rahmenbedingungen der Fachsprachenausbildung zu verändern. Die Verortung des Fachsprachenunterrichts im Grundstudium ist problematisch, weil sie fachunspezifischen Unterrichts~ konzepten Vorschub leistet. Eine stärkere fachspezifische Ausrichtung des Unterrichts setzt dagegen Studierende im Hauptstudium sowie ein Konzept voraus, das sich stärker an den Anforderungen des Fachstudiums bzw. der Berufswelt orientiert. Deshalb sollte aus meiner Sicht die Kooperation mit den beteiligten Fachbereichen gesucht werden, indem beispielsweise studienrelevante fachsprachliche Texte in Zusammenarbeit mit Fachwissenschaftlern/ -innen ausgewählt werden. Den höheren fachspezifischen Anforderungen an die mit dem fachsprachlichen Englischunterricht betrauten Lehrkräfte sollte ebenfalls auf institutioneller Ebene Rechnung getragen werden. Wünschenswert wären sicherlich Dozenten/ -innen, die im Rahmen ihres Studiums eine Doppelqualifikation erworben haben. Dies setzt allerdings die Einrichtung von Spezialstudiengängen, wie z.B. den Studiengang Diplom-Sprachenlehrer an der Universität Gießen, voraus (vgl. dazu Christ 1985). Einen anderen Weg zeigt beispielsweise Krumm (1989) auf, der vorschlägt, fachsprachliche Anteile im Lehramtsstudium zu implementieren, um fachsprachliche Anteile im Fremdsprachenunterricht durchzusetzen. Für das Gros der Lehrkräfte gilt allerdings, daß es weder eine Doppelqualifikation noch eine Zusatzqualifikation erworben hat. Jedoch verfügen einzelne Lehrkräfte, wie die von mir durchgeführte Befragung zeigt, über außerhalb der Sprachlehre gewonnene berufliche Erfahrungen bzw. zusätzlich erworbene Fachkenntnisse. Diese beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse sollten bei der Einstellung von Dozenten/ -innen berücksichtigt werden. Außerdem sollte von den Einrichtungen ein Gratifikationssystem für bereits beschäftigte Dozenten/ -innen entwickelt werden, um zusätzliche Anreize für die fachspezifische Weiterbildung zu schaffen. Darüber hinaus sollten kollegiale Arbeitszusammenhänge gefördert werden, die sich der fachspezifischen Lehrmaterialentwicklung sowie der Erarbeitung institutionsspezifischer, wenn nicht institutionsübergreifender Rahmen- und Prüfungsordnungen widmen, um einen Referenzrahmen zu schaffen, der den Lehrkräften Entscheidungshilfen bietet. Zusätzlich wären von den Einrichtungen für den Personenkreis der Fachsprachenlehrer/ -innen Fortbildungsangebote in Kooperation mit Sprachwissenschaftlern/ -innen, Fremdsprachendidaktikern/ -innen und Fachwissenschaftlern/ -innen zu entwickeln, um die Erarbeitung fach" und zielgruppenspezifischer Unterrichtskonzepte zu fördern. FLuL 27 (1998) Subjektive Lehrtheorien über Fachkompetenz ... 177 Bibliographische Angaben BECKER, Norbert (1986): "Unterrichtliche Ansätze und Lehrwerkentwicklung m Deutsch als Fremdsprache". In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 12, 217-233. BEIER, Rudolf (1980): Englische Fachsprache. Stuttgart: Kohlhammer. 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Weinheim: Beltz, 227-255. kursiv (? ) Unterstreichung Schrägstrich Anhang 1 Transkriptionskonventionen interviewte Person kurze bis mittlere Pause im Gesprächsfluß längere Pause ab 15 Sekunden unsichere Transkription Betontes oder mit Nachdruck Gesprochenes Abbrüche in Wörtern und Satzkonstruktionen Verschleifungen: z.B. 'mal= einmal FLuL 27 (1998) ; ! l p N -.J ~ ~ Interview I II III IV V VI VII VIII Anhang 2 Übersicht: Die befragten Lehrkräfte (* U = Universität, FH = Fachhochschule) Institution* Status Deputat Lehrerfahrung Qualifikation beruft. Vorbildung a. d. Institution u Lehrbeauftragter 16 sws 3 Jahre Linguistik Wiss. Mitarbeiter, mit bes. Aufgaben (Promotion) Fremdsprachenlehrer U+FH Lehrbeauftragter 8 sws 25 Jahre Dolmetscher Dolmetscher, Englischlehrer Diplomübersetzerin, Fremdsprachenlehrerin, FH Professorin 18 sws 4,5 Jahre Linguistin (Promotion) Wissensch. Assistentin, Systemberaterin Germanist (Promotion), Referendar, u Akademischer Rat 16 sws 15 Jahre Gymnasisallehrer Wissensch. Assistent (Deutsch, Englisch) u Lehrbeauftragter 16 sws 9 Jahre Diplomlehrer Lehrer mit bes. Aufgaben (Deutsch, Englisch) (DaF, Englisch) u Lehrbeauftragter 16 sws 14 Jahre Diplomlehrer Lehrer mit bes. Aufgaben (Deutsch, Englisch) (DaF, Englisch) FH Lehrbeauftragte 16 sws 5 Jahre Diplomlehrerin f. Englischlehrerin mit bes. Aufgaben Erwachsenenbildg. (E) Lehrbeauftragte Diplomlehrerin für das FH mit bes. Aufgaben 16 sws 4 Jahre Lehramt an allgemeinb. Englischlehrerin Schulen (Englisch) Fachsprache Maschinenbau Informatik Maschinenbau Maschinenbau Informatik Elektrotechnik Informatik Informatik Maschinenbau Informatik ~ ~ "'. J ~ .., s. ~ §' ~ .., ~ i -§ ~ N ...... -...J "° Claudia Finkbeiner Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? Was Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen darüber denken Abstract. The article refers to an empirical study that aims to examine the subjective theories of foreign language teachers. Subjective theories are regarded as being rather complex, individual beliefs and cognitions about a particular subject matter, or person including oneself. The focus here is on teachers' beliefs and cognitions about foreign language reading, with. particular regard to the following reader profiles: what is a "good" versus a "bad" foreign language reader, a "strategic" versus a "non-strategic" foreign language reader and a "highly interested" versus a "non-interested" foreign language reader? The teacher study described here is a sub-study within the framework of a complex research project. The study triangulated data in order to discover the influences and effects of learning strategies and interests on the foreign language reading process. 1. Einleitung Take out your books and open them on page 59, please. Susan, start reading please. Who wants to go on? Now let's answer the questions, please. Würde man alle bei der Textarbeit im Englischunterricht geäußerten Sätze in einer repräsentativen Stichprobe sammeln und hierarchisch nach ihrer Häufigkeit ordnen, so würden obige Sätze wohl zu den Top Ten gehören. Was ist an diesen Äußerungen so bemerkenswert? Lehrende äußern sie ständig und erwarten, daß sie von Lernenden verstanden und befolgt werden. Analog zu den Lehrenden gehen Lehrwerksautorinnen1 davon aus, daß ihre Instruktionen zu bestimmten Aufgaben im Schulbuch allen Adressaten eines Schuljahrgangs verständlich sind und sie zu den intendierten Aktivitäten führen. 2 Die oben aufgeführten Instruktionen implizieren ein gemeinsames Vorverständnis zwischen Lehrenden und Lernenden bezüglich dessen, was sie bedeuten und welche Konsequenzen mit ihnen verbunden sind. Indem Lehrende solche Sätze äußern, unterstellen sie den Lernenden ihre eigene subjektive Sicht des Handlungsablaufes. Dies führt zu der Annahme eines potentiell vorhandenen, gemeinsamen Weltwissens und schließt mehrere handlungsleitende Aspekte mit ein: Lernende müssen Aus Gründen der political correctness werden im folgenden neutrale Begriffe wie Lehrende und Lernende gewählt; sind diese Substitutionen nicht möglich, werden Begriffe wie Autorinnen etc. im Sinne des incluierenden Femininum verwendet: dieses gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Dementsprechend erheben Unterrichtsforscherinnen mit ihren Fragebögen den Anspruch, daß ihre Fragen von einer bestimmten Population gleichermaßen verstanden und beantwortet werden können. FLuL 27 (1998) Sind gute Leserl-innen auch gute Strategen? ... 181 wissen, daß mit books die English textbooks gemeint sind. Darüber hinaus müssen sie wissen, daß sie die Bücher herausnehmen und an einer bestimmten Stelle aufgeschlagen sollen. Wenn Lehrende die bisherigen Sprachhandlungen dann durch die Aufforderung "Susan, start reading please" ergänzen, entspricht auch die durch diesen Satz ausgelöste Handlung den konventionalisierten Erwartungen von Lernenden im Fremdsprachenunterricht an einer Regelschule in Deutschland: Susan wird anfangen, den Text laut vorzulesen, und nach einem Absatz wird der Lehrende durch die Frage "Who wants to go on? " jemanden zum Weiterlesen motivieren, oder der nächste Lesende wird aufgerufen. Der Text wird nun proportioniert vorgelesen, und es schließt sich eine Texterarbeitungsphase an. 2. Subjektive Theorien als Forschungsgegenstand Welche Relevanz hat das oben genannte Beispiel für das Thema Subjektive Theorien von Fremdsprachlehrerinnen und -lehrern? Das in den oben zitierten Sätzen vorausgesetzte Hintergrundwissen wird aufgrund des als konventionalisiert geltenden Geschehens nicht thematisiert, sondern im Sinne des tacit contract zwischen Lernenden und Lehrenden als bekannt vorausgesetzt. Diesen Sätzen wiederum liegen jeweils individuelle, subjektive Theorien von Lehrenden zugrunde, wie Textarbeit und Lesen im Fremdsprachenunterricht initiiert, durchgeführt und die innerhalb dieses Kontextes geäußerten Instruktionen von Lernenden verstanden und umgesetzt werden können. Im folgenden soll aufgezeigt werden, innerhalb welchen Forschungsprogramms subjektive Theorien erforscht werden und was subjektive Theorien sind. 2.1 Zum Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) Die Erforschung subjektiver Theorien hat sich inzwischen als eigenes Forschungsprogramm etabliert und besticht nach Groeben/ Scheele (1995: 1) durch ihr „Innovationspotential gegenüber der herrschenden naturwissenschaftlich-experimentellen Psychologiekonzeption". Dieses Programm wurde in Deutschland in der Psychologie und in den Erziehungswissenschaften durch zahlreiche Untersuchungen seit Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre entwickelt und gilt inzwischen als etabliert. 3 Zu wichtigen Pionierarbeiten in den Erziehungswissenschaften zählen unter anderem: Dann [et al.] (1982), Hofer (1981), Huber/ Mandl (1979), Terhart (1983), Wahl (1979). Die Wichtigkeit der Berücksichtigung der subjektiven Sicht von Lemern/ -innen und Lehrenden in der sozialwissenschaftlichen Psychologie wird heute unter anderem von Groeben/ Wahl/ Schlee/ Scheele (1988), in der Pädagogik von Dann (1990) und in der Fremdsprachendidaktik von Grotjahn (1991) und Kallenbach (1996) unterstrichen. Alle diese Forschungsarbeiten folgen dem Ansatz des Forschungsprogramms „Subjektive Theorien" (FST). FLuL 27 (1998) 182 Claudia Finkbeiner „Der Begriff 'subjektive Theorie' ist ursprünglich in Anlehnung an 'objektive Theorie' gebildet und umfangreich diskutiert worden" (König 1995: 12). Subjektive Theorie kann im weiten Sinne als Theorierahmen aufgefaßt werden, der all die Ansätze der Kognitionspsychologie miteinander integriert, die von einem Bild vom Menschen als einem erkenntnisfähigen Subjekt ausgehen; er läßt sich durch folgende Merkmale näher charakterisieren (vgl. Groeben/ Scheele 1995: 1): Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, Reflexivität, potentielle Rationalität und Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. 2.2 Was sind subjektive Theorien? Subjektive Theorien sind komplexe kognitive Strukturen, die individuell geprägt und relativ stabil sind. Sie werden in der Literatur durch die Begriffe „naive", „implizite", "private" oder „Alltagstheorien" gekennzeichnet. Sie beziehen sich auf das Selbst in Relation zur Welt und konstituieren ein komplexes Aggregat mit einer argumentativen Struktur. Sie beinhalten Überzeugungen bezüglich dessen, was Sprache, Lehren und Lernen sind und, beeinflussen alle Denk- und Verstehensprozesse. Subjektive Theorien erfüllen erklärende, voraussagende und technische Funktionen und sind in dieser Hinsicht mit objektiven Theorien vergleichbar. Sie sollten zwischen Forschendem und Forschungssubjekt expliziert und rekonstruiert werden (vgl. Groeben/ Wahl/ Schlee/ Scheele 1988; Grotjahn 1991). Darüber hinaus ist die Akzeptabilität subjektiver Theorien als objektive Theorie zu prüfen (vgl. König 1995: 12). Die besondere Charakteristik der Methodologie des Forschungsprogramms Subjektive Theorien ist darin zu sehen, daß sie sowohl hermeneutische als auch empirische Ansätze in synergetischer Weise miteinander verbindet. 4 Nach Grotjahn (1991: 193) kann sich subjektive Theorie sowohl auf das eigene Ich als auch auf ein Du in der Welt beziehen: "A person's subjective theory may be about his or her actions, reactions, thoughts, emotions, or perceptions, or it may be about those of another person". In Kapitel 4 dieses Beitrags wird von einem Forschungsprojekt berichtet, das insbesondere Vorstellungen "about those of another person" in einer wichtigen Teiluntersuchung fokussiert. 3. Zur Genese subjektiver Theorien Subjektive Theorien entwickeln und verändern sich in starker Abhängigkeit vom sozio-kulturellen Rahmen. Die eingangs skizzierten Äußerungen und Instruktionen 4 Forschungsmethodisch können subjektive Theorien durch folgende Methoden untersucht werden: Methode der freien Beschreibung durch freies Assoziieren, narratives Interview sowie die schriftliche freie Beschreibung, Leitfaden-Interview, Grid-Verfahren, Selbstkonfrontations-Interview (Methode des Lauten Denkens), Struktur-Lege-Verfahren (vgl. König 1995: 14ff). FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 183 "funktionieren" nur so lange, wie sie innerhalb eines bestimmten institutionellen und soziokulturellen Rahmens immer wieder so geäußert werden, daß sie als konventionalisiert gelten können. 3.1 Zur Rolle kultureller Einflüsse auf die Genese subjektiver Theorien Die Annahme eines allgemein gültigen, gemeinsamen Vorverständnisses bezüglich der bei der Textarbeit im Englischunterricht als üblich geltenden Abläufe muß jedoch hinterfragt werden, da Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden ist und eine immer größere Zahl an Lernenden das Schulsystem nicht von Anfang an durchläuft. Ein implizit angenommenes gemeinsames Weltwissen kann nicht weiterhin vorausgesetzt werden. Ich möchte dies an einem Beispiel aus meiner Leseforschung zum Zusammenspiel von Strategien und Interessen belegen. Im Rahmen dieser Forschung wurden unter anderem Einzelinterviews mit Lernenden der zehnten Klasse durchgeführt. Einer Probandin gelang es während der Interviewsituation kaum, persönliche Elaborationen zu einem literarischen Text durchzuführen, in welchem es. um Fremdheitserlebnisse ging. Dies war um so erstaunlicher, als die Probandin zwei Jahre zuvor von den Philippinen nach Deutschland gekommen war und die im Text beschriebenen Fremdheitserlebnisse der Hauptcharaktere genauso erlebt hatte. Die Verknüpfung zwischen den eigenen und den im Text dargestellten Erlebnissen mit Fremdheit gelang ihr jedoch erst nach der offiziellen Beendigung des Interviews. Im Anschluß an das Interview fand eine kommunikative Validierung mit der Probandin statt. 5 Bei der kommunikativen ·Validierung wurden die Interviewten erneut befragt, die eigenen Ergebnisse und Interpretationen wurden den Teilnehmern rückvermittelt. 6 Die kommunikative Validierung ergab, daß die Probandin die Interviewsituation wie eine schulische Prüfungssituation empfunden hatte. Sie hatte dabei emotional-subjektiv eine solch starke Anspannung empfunden, daß die Bildung von Elaborationen verhindert worden war. Das Mädchen gab an, die schulische Fremdsprachensituation in Deutschland als künstlich und sehr belastend zu 5 Dies ist zum Beispiel möglich durch die Strukturlegetechnik (Scheele/ Groeben 1988). 6 Validität: Bei der Validität (Gültigkeit) wird die Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität und Kriteriumsvalidität unterschieden (vgl. Roth 1991b: 52). Damit wird festgestellt, ob ein Test auch wirklich die Variable mißt, die er zu messen vorgibt, beziehungsweise ob der vorgegebene theoretisch-begriffliche Sachverhalt genau erfaßt wird. In der empirischen Forschung qualitativer Ausrichtung werden neben der kommunikativen Validierung die ökologische und die argumentative Validierung als Gütekriterien zur Prüfung herangezogen (vgl. Köckeis-Stangel 1980; Lamnek 1988: 151 ff). Während das Kriterium der Ökologischen Validierung prüft, ob die Ergebnisse auch in der natürlichen Lebenssituation der Untersuchten Gültigkeit haben, besteht die Argumentative Validierung darin, daß der Forscher seine Vorannahmen mitteilt und seine forschungsrelevanten Gedankengänge offenlegt: Seine Argumentation wird in diesem Fall zum Vehikel der Validierung. FLuL 27 (1998) 184 Claudia Finkbeiner empfinden. Auf den Philippinen hatten sie immer ganze Romane im Englischunterricht gelesen, und man konnte sich wirklich in den Text hineindenken und einfühlen. Hier in Deutschland sei sie ständig mit unterschiedlichsten kurzen Texten und einem hohen Anteil formalen Grammatikunterrichts konfrontiert. Die im Englischunterricht gestellten Fragen würde sie oft nicht verstehen, es seien keine echten Fragen, sondern sie wirkten auf sie künstlich, formal und nicht funktional. Die Folge davon sei, daß sie es inzwischen vermeiden würde, die englische Sprache, die sie zuvor native-like eingesetzt hatte, im Kontext des Englischunterrichts an der deutschen Schule zu benutzen. 7 Hier stoßen also offensichtlich sozio-kulturell völlig unterschiedlich ausgeprägte subjektive Theorien der Schülerin und der Lehrerin aufeinander bezüglich der Frage, wie Textarbeit und Lesen im Fremdsprachenunterricht ablaufen soll. Diese offensichtliche Inkompatibilität der subjektiven Theorien der beiden Beteiligten wurde jedoch nie thematisiert und blieb bislang unaufgedeckt. Sie führte so zum stillschweigenden privaten Konflikt der Schülerin, der für sie Resignation und Rückzug auslöste. Dieses Beispiel zeigt, daß subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrenden in hohem Maße unterrichtliches Geschehen steuern. Konflikte treten dann auf, wenn subjektive Theorien von Lehrenden (Innensicht) und von Lernenden (Außensicht) an keiner Stelle mehr kompatibel sind. Für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht ist es wichtig, subjektive Theorien aller Beteiligten, d.h. sowohl von Lehrenden als auch von Lernenden, in bezug auf eine konkrete Fragestellung und innerhalb eines spezifischen Kontextes zu untersuchen, bewußtzumachen und einer vergleichenden Analyse zu unterziehen. Dabei ist der Frage nachzugehen, welcher Zusammenhang zwischen Innensicht und Außensicht besteht. 3.2 Zur Rolle institutioneller Einflüsse auf die Genese subjektiver Theorien Nehmen wir nochmals die Top Ten als Ausgangspunkt für eine wichtige theoretische Grundlegung. Wir haben es hier mit Aussagen zu tun, die als soziale Repräsentation, d.h. als Wissen der sozialen Systeme 'Fremdsprachenlehrende und -lernende, innerhalb des institutionalisierten Fremdsprachenunterrichts in Deutschland' im Sinne Cranachs (1993) beschrieben und manifestiert sowie zu einer überindividuellen Theoriestruktur aggregiert werden können (vgl. Schreier 1995: 1). Andererseits können jedoch die zugrunde liegenden subjektiven Theorien trotz offensichtlich ähnlicher Oberflächen- oder Modalstrukturen in bestimmten Äußerungen und Handlungsab-läufen unterschiedliche Tiefenstrukturen haben. Nach Dann/ Bart/ Lehmann-Grube (1995: 2) integrieren 7 Das Interview wurde in diesem Falle auf englisch durchgeführt, da sich die Probandin in dieser Sprache eher zu Hause fühlte und Aussagen zu ihren Denkprozessen besser verbalisieren konnte. FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 185 „die Individuen einer Gruppe [...] diese Sozialen Repräsentationen in ihr kognitives System und passen sie diesem in Form von Individuellen Repräsentationen an. Je nach dem Grad dieser Veränderung zeigen Individuelle Soziale Repräsentationen eine mehr konventionalisierte oder eine mehr privatisierte Form." Die Individualisierung und Manifestation von sozialen Repräsentationen in einerseits konventionalisierten und andererseits privatisierten Formen findet sich auch in den Unterrichtsbeobachtungen von Woods (1996: 1): "lt struck me that although the students were ostensibly doing the same things ... there seemed nonetheless to be basic differences in what they were doing these activities for, and therefore a difference in what they were doing". Aus dieser Beobachtung zieht Woods (1996: 13 f) die folgende Schlußfolgerung: "There is a sense in which what is happening in the classroom is what. the participants the leamers and the teachers perceive as happening in the ! arger context of the course and their intentions and goals. This perspective, which may be quite different from what an outside analyst concludes as happening, has not been taken into account in any systematic way in research related to second language leaming." Während sich also in einer Analyse von Textarbeit im Englischunterricht immer wiederkehrende Grundstrukturen und daran gekoppelte verbale Äußerungen in Form einer konventionalisierten sozialen Repräsentation erkennen lassen, finden sich bei einer die subjektive Sicht, d.h. Überzeugungen und persönliche Meinungen, berücksichtigenden Analyse individuelle Unterschiede, die sich in Form der privatisierten sozialen Repräsentation beschreiben lassen. Nach Dann/ Bart/ Lehmann- Grube (1995: 2) sind die hier indizierten kulturellen und institutionellen Einflüsse auf die Genese von subjektiven Theorien zwar noch kaum thematisiert worden, um so wichtiger erscheinen sie jedoch in ihrer Handlungsrelevanz. Dabei muß nach Laucken (1995: 32) von einer gemeinsamen Genese und somit von einer Koexistenz interindividueller sozio-kultureller Handlungssysteme einerseits und individueller Handlungssysteme andererseits ausgegangen werden. Die Einschätzung von Faktoren wie Erfolg und Nichterfolg im Fremdsprachenunterricht (vgl. Woods 1996: 13 f) kann sowohl interindividuell and als auch individuell beantwortet werden. Sie soll im Rahmen dieser Abhandlung am Beispiel des Lesens aus der subjektiven Sicht von Englischlehrern/ -innen thematisiert werden. Es wird von der Prämisse ausgegangen, daß das aufgrund der ähnlichen beruflichen Sozialisation zunächst angenommene, vergleichbare gemeinsame Vorverständnis von Fremdsprachenlehrenden zwar zu oberflächlich ähnlichen Verhaltensmustern und Äußerungsformen führt, die aber bei einer tiefgründigeren Betrachtung in dieser kongruenten Form nicht mehr existieren. Von individuell unterschiedlich ausgeprägten Denkmustern und Schemata muß auch dann ausgegangen werden, wenn man neuere Ansätze ernst nimmt, die nicht von einem linearen Verhältnis des Verstehens ausgehen und unterschiedliches Weltwissen sowie unterschiedliche subjektive Betrachtungen des Lernens berücksichtigen. FLuL 27 (1998) 186 Claudia Finkbeiner 4. Zum Forschungsprojekt „Zusammenspiel von Strategien und Interessen beim fremdsprachlichen Lesen" Um den Stellenwert der Teiluntersuchung zu den subjektiven Theorien von Fremdsprachenlehrenden innerhalb des spezifischen Forschungskontextes besser verstehen zu können, wird im folgenden das Forschungsinteresse und die Strukturierung des Gesamtforschungsprojektes in aller Kürze dargestellt (vgl. Finkbeiner 1995, 1996a, 1996b, 1997a, 1997b, 1998). 4.1 Forschungsinteresse In diesem Forschungsprojekt ging es um die kontextabhängige Interaktion von Lemstrategien 8 und Interessen 9 beim fremdsprachlichen Lesen. Der Untersuchung lag die Annahme zugrunde, daß Leserinnen in Abhängigkeit von der Textsorte einerseits und vom Inhalt und Kontext andererseits ganz unterschiedlich mit „Neuem" konfrontiert werden. Durch die Untersuchung sollten insbesondere die 8 Bei der Definition von „Strategien" als Untersuchungsgegenstand ergibt sich das forschungsmethodologische und didaktische Problem, daß in der Literatur über Strategien keine Einheitlichkeit hinsichtlich der Verwendung des Begriffes besteht (vgl. Finkbeiner 1998). Trotz unterschiedlicher Nuancierungen und Begriffsverwendungen im Bereich der pädagogisch-psychologischen und fremdsprachendidak: tischen Lernstrategienforschung kann man jedoch feststellen, daß alle neueren Forschungsarbeiten von einem Konzept ausgehen, welches das Lernen als selbstgesteuerten, intentionalen, motivationalen und selbst zu verantwortenden Prozeß des Individuums auffaßt. In der hier dargestellten Forschungsarbeit wurde insbesondere auf O'Malley/ Chamot (1990: 1) rekurriert. Diese bezeichnen learning strategies als "special ways ofprocessing information that enhance comprehension, learning, or retention of the information". Sie unterscheiden kognitive Strategien (Lernen, indem man Lernstoff manipuliert, z.B. durch highlighter, Lexikon, mind map) von metak: ognitiven (Lernen, indem man über das Lernen nachdenkt) und sozioaffektiven Strategien (Lernen mit Hilfe von Personen und Selbstverstärkung). 9 In meiner theoretischen Betrachtung von Interesse beziehe ich mich auf Arbeiten der Münchner (vgl. Krapp 1995), Kieler (vgl. Häußler/ Hoffmann 1995) und Berliner Interessenforschungsgruppen (Baumert 1993) sowie auf internationale empirische Interessenstudien (vgl. Csikszentmihalyi/ Schiefele 1993). Nach Krapp (1995) wird Interesse als ein relationales Konstrukt definiert, das die besondere Beziehung einer Person zu einem Gegenstand kennzeichnet. Dieser Gegenstand entspricht zum Beispiel dem in einem Text angesprochenen Inhalt, dem Themenbereich, dem Fachgebiet und dem Objektbereich (z.B. Humanversus Naturwissenschaften). Interessen können auf zwei verschiedenen Analyseebenen untersucht werden: diese definieren Interesse einerseits als persönlichkeitsspezifisches Merkmal des Lesers, d.h. als individuelle, relativ stabile Bevorzugung eines bestimmten Lerngegenstandes, andererseits als einen einmaligen, situationsspezifischen, motivationalen Zustand, der aus den besonderen Anreizbedingungen einer Lernsituation (Interessantheit) resultiert (vgl. Krapp). Hidi/ Baird (1988) sprechen im ersten Fall von individuellem, persönlichem Interesse und im zweiten Fall von situationalem Interesse oder Interessantheit; diese Unterscheidung zwischen Person- und Lernumgebungsmerkmalen gilt inzwischen als konventionalisiert. FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 187 Fragen b,eantwortet werden, ob in diesem Prozeß unterschiedliche Strategien bzw. eine unterschiedliche Kombination von Strategien eingesetzt werden, inwieweit der Einsatz dieser Strategien eher explizit und bewußt oder eher implizit und unbewußt vorgenommen wird 1°, welche Rolle das personenbezogene und gegenstandsbezogene Interesse und das Vorwissen in bezug auf die verschiedenen Textsorten spielen und welche Relevanz der gegenstandsspezifischen Interessantheit, d.h. den Themeninhalten und den Kontexten sowie dem Selbstkonzept zuzuschreiben ist. Es wurde von der Annahme ausgegangen, daß motiviertes, interessiertes fremdsprachliches Lesen im schulischen Kontext und bezogen auf das Fach Englisch möglicherweise ähnlichen Bedingungen unterliegt wie Lesen im Studium. So fanden Schiefele/ Winteler/ Krapp (1988) heraus, daß Leserinnen mit hohem Interesse für ihr Studienfach qualitativ höherwertige assoziative Strukturen im begrifflichen Umfeld ihres Studienfaches aufbauen; besser auf die Kernaussagen im Text achten (Schiefele 1990a, 1990b, 1991) und eher in der Lage sind, Elaborationen durchzuführen, d.h. gedankliche Relationen zwischen verschiedenen Textteilen herzustellen oder Beziehungen zu anderen Bereichen ihres Weltwissens zu erkennen. Darüber hinaus interessierte die Frage, welche Überzeugungen Fremdsprachenlehrerinnen bezüglich dieser Sachverhalte haben. 4.2 Strukturierung des Forschungsprojektes In dem Projekt wurden zwei Pilotstudien und eine Hauptstudie in insgesamt 14 neunten Klassen an Realschulen und Gymnasien in Baden-Württemberg durchgeführt. Die Hauptstudie umfaßte insgesamt zwei Phasen: In der ersten Phase wurden Daten zu Lesestrategien, zu Interessen, zum Leseverstehen und zum Selbstkonzept deklarativ und auf der Produktebene erhoben und ausgewertet (vgl. Finkbeiner 1995, 1996a, 1996b, 1997a, 1997b). Die Verfahren bestanden aus schriftlichen, teilstandardisieiten Befragungen und einem auf der Grundlage von IEA-Materialien (vgl. International Association for the Evaluation of Educational Achievement, 1990a, 1990b) entwickelten Verstehenstest. Anhand von Auswertungsergebnissen wurden Extremgruppen gebildet: Gruppen mit hohen versus solchen mit niedrigen Lernstrategienwerten sowie mit hohen versus niedrigen Leseinteressenwerten. In der zweiten Phase wurden auf der Grundlage der Ergebnisse der ersten Phase qualitative Verfahren mit dem Ziel eingesetzt, Prozesse zu erforschen, die mit dem Leseverstehen verbunden sind. Dazu wurden die Extremgruppen in einem qualitativen Verfahren mit verschiedenen Textsorten konfrontiert. Die prozeßorientierten Verfahren wurden mit introspektiven Verfahren gekoppelt: In diesen wurden die Probanden zu den in ihnen ablaufenden Prozessen, zu den eingesetzten Verarbeitungsstrategien und den involvierten Interessen befragt. 10 Eine detaillierte Darstellung zu explizitem und implizitem Lesen würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen; ich verweise jedoch auf meine Ausführungen in Finkbeiner (1998). FLuL 27 (1998) 188 Claudia Finkbeiner Zusätzlich wurde mittels geschlossener und offener Fragen die Innensicht der Fremdsprachenlehrenden bezüglich der hier fokussierten Fragestellung erhoben. 11 Ein wichtiges Teilziel lag darin, die Daten der Lernenden (Außensicht) in Beziehung zu setzen zu den Meinungen und Überzeugungen der Lehrenden (Innensicht). 4.3 Zur Befragung der Fremdsprachenlehrerinnen und -Iehrer Die Befragung wurde zum Abschluß der Untersuchungsreihe mit den Lehrenden durchgeführt, die in den befragten Klassen für den Englischunterricht eingesetzt waren. Sie erfolgte mittels eines Fragebogens, der sich eng an die Schülerbefragung zu Strategien und Interessen anlehnte. Dadurch sollten Innensicht (Lehrende) und Außensicht (Lernende) miteinander verglichen werden können. 12 Alle beteiligten Lehrenden gaben an, wenig über das Thema „Lesestrategien" zu wissen. Andererseits wurde jedoch aufgrund der langjährigen Berufspraxis der Lehrenden davon ausgegangen, daß diese implizit ein Handlungswissen bezogen auf Lesen und Textarbeit im Englischunterricht aufgebaut hatten. Darüber hinaus wurde angenommen, daß die Befragten zwar möglicherweise nicht explizit Auskunft geben können über gute Leserinnen und gute Lesestrategen im allgemeinen, daß sie aber entsprechend des Ansatzes der situated cognition bezogen auf die konkrete Klassensituation in der Lage sein würden, gute und schlechte Leserinnen zu identifizieren. Ein besonderes Forschungsinteresse lag in der Frage, ob die von den Lehrenden als gut oder schlecht identifizierten Lesenden gleichzeitig auch als gute und schlechte Strategen eingestuft werden würden. Darüber hinaus wurde untersucht, ob von den beteiligten Lehrerinnen ein Zusammenhang zwischen Strategien und Interessen angenommen werden würde, d.h., ob ganz konkret solche Lernende, die als gute Leserinnen und als gute Lesestrateginnen identifiziert worden waren, auch als besonders leseinteressiert eingestuft werden würden. 11 In dieser explorativen Studie wurden sowohl deskriptive und interpretative Verfahren als auch Verfahren zur Erfassung von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen und zum Überprüfen von Hypothesen eingesetzt. Das zentrale methodische Interesse an der Verknüpfung der hier beschriebenen Verfahren lag darin, innerhalb desselben samples zunächst Daten quantitativ zu erfassen, um Kategorien und neue Fragestellungen zu generieren, die so gewonnenen Ergebnisse zu den Beobachtungsdaten aus dem realen Leseprozeß in Bezug zu setzen und abschließend die quantitativ erhobenen Daten sowie die Beobachtungsdaten qualitativ in Interviews zu vertiefen. 12 Mit den Fremdsprachenlehrenden waren vor Beginn der über zwei Schuljahre laufenden Studie Gruppengespräche an den einzelnen Schulen durchgeführt worden. In diesen Gesprächen waren jedoch lediglich Informationen zum organisatorischen Ablauf des Forschungsprojektes gegeben worden, eine Beeinflussung war von daher weitgehend auszuschließen. Die Schülerbefragungen und die Interviews wurden von der Projektleiterin selbst durchgeführt; in der Regel waren die Fachlehrerinnen und -lehrer nicht anwesend. FLuL 27 (1998) Sind gute Leserl-innen auch gute Strategen? ... 189 4.3.1 Biographische Angaben Insgesamt 3 Lehrerinnen und 3 Lehrer unterrichteten die 6 Klassen an den Realschulen und 4 Lehrerinnen und 3 Lehrer die 8 Klassen an den Gymnasien (eine Kollegin war in zwei Klassen parallel eingesetzt). Das Gesamtsample aller Lernenden betrug n=330, davon hatten n=287 an allen Teilerhebungen teilgenommen. Die Lehrenden wurden gebeten, ihre Aussagen auf ihr jeweiliges Teilsample, d.h. auf ihre jeweilige Klasse innerhalb des Gesamtsamples von n=287 zu stützen. Alle eingesetzten Lehrenden hatten das schulartspezifische erste und zweite Staatsexamen. Der Rücklauf der bei den 13 Fremdsprachenlehrenden eingesetzten Fragebögen betrug n=l 1. Eine der an der Befragung beteiligten Personen machte keine biographische Angaben. Für die restlichen 10 Lehrenden konnte ein durchschnittliches Alter von 44 Jahren ermittelt werden. 13 4.3.2 Aufbau des Fragebogens, Forschungs/ ragen und Analyseschritte Bei der schriftlichen Befragung wurden die Kolleginnen darauf hingewiesen, daß ihre Meinungen und Einschätzungen sowie ihre Erfahrungen und Empfehlungen von großer Wichtigkeit wären und deshalb in dieser Form erhoben würden. Es wurde vereinbart, die Angaben anonym zu behandeln. Der Fragebogen bestand aus vier Teilen, wobei im zweiten Teil die subjektiven Theorien der Betroffenen über die Methode der schriftlichen freien Beschreibung erhoben wurden. Die Beschreibungen galten den Bereichen gutes Lesen, Lesestrategien und Leseinteressen. Mittels dieses Teils des Fragebogens sollte die Innensicht der Lehrenden insbesondere im Hinblick auf die folgenden Fragen erforscht werden: • Welche Vorstellungen, Meinungen und Überzeugungen haben Fremdsprachenlehrende bezüglich der Existenz von guter/ schlechter Leserin, Lesestrntegin/ Nichtstrategin sowie hoch interessierte und interessierte bzw. kaum und nicht interessierte Schülerin (differenziert nach Interesse am Englischunterricht im allgemeinen, Interesse an literarischen Texten sowie an Sach-/ Gebrauchstexten)? • Können Lehrende spontan und unabhängig von einer konkreten µnterrichtlichen .Situation Lernende aus ihrer Klasse benennen, die ihrer Meinung nach Prototypen für oben beschriebene Charakteristiken sind? • Welche Kognitionen leiten sie bei der Textarbeit bezüglich der Vermittlung von Lesetechniken und Lesestrategien im Englischunterricht? • Inwieweit wurden ihre Kognitionen durch entsprechende Maßnahmen während ihrer Ausbildungszeit oder in einer Lehrerfortbildung beeinflußt und möglicherweise verändert? 13 Das jüngste ermittelte Alter lag bei 40, das älteste ermittelte Alter bei 61 Jahren. Die Mehrzahl der befragten Fremdsprachenlehrenden (n=5) hatte die Fächerkombination Englisch und eine weitere Sprache (Französisch, n=4, oder Deutsch, n=l). Darüber hinaus gab es Fächerkombinationen von Englisch mit Naturwissenschaft und Technik (n=l), Bildender Kunst (n=l), Geographie (n=l), Musik (n=l), Sport (n=l), Religion (n=l). Alle befragten Lehrenden konnten ihre Aussagen vor dem Hintergrund einer mehrjährigen beruflichen Praxis machen. FLuL 27 (1998) 190 Claudia Finkbeiner • Welches Interesse besteht an einer Lehrerfortbildung, die Lesestrategien und Lesetechniken thematisiert? • Wie sieht deren Vorgehensweise bei der Textarbeit aus, und welche Schritte unternehmen sie, um den Lernenden das Verstehen zu erleichtern und ihr Verstehen zu fördern? Die Deskription und Analyse der Daten erfolgte zweischrittig: Überzeugungen und persönliche Meinungen, welche von den Lehrenden geäußert wurden, wurden im Hinblick auf ihre privatisierten sozialen Repräsentationen beschrieben (vgl. Dann/ Bart/ Lehmann-Grube 1995: 2). Ziel dieses Schrittes war es, individuelle Handlungssysteme zu finden, die charakteristisch für den jeweiligen Lehrenden sind. Darüber hinaus wurde der Versuch unternommen, interindividuelle Handlungssysteme ausfindig zu machen, die von einer gemeinsamen sozio-kulturellen Genese herrühren (vgl. Laucken 1995: 32), d.h., die einzelnen subjektiven Theorien der Lehrenden sollten zu einer Modalstruktur aggregiert werden. Anschließend sollten die Ergebnisse sowohl kommunikativ als auch explanativ validiert werden. Bei der kommunikativen Validierung wurde die Innensicht der Lehrenden (Gründe, Ziele, Intentionen) rekonstruiert und im Dialog ausgehandelt. Dadurch konnte die Adäquatheit und Angemessenheit der rekonstruierten Sachverhalte sichergestellt werden. Die explanative Validierung ist der kommunikativen Validierung nach- und übergeordnet. Diese Validierung liegt zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht vor. 4.4 Deskriptive Darstellung der Ergebnisse Im folgenden werden die subjektiven Theorien der befragten Lehrenden bezüglich der oben beschriebenen Konstrukte in ihrer privatisierten sozialen Repräsentation beschrieben. Darüber hinaus ist es ein Anliegen, den Einfluß kultureller und institutioneller Einflüsse der Schule auf die Genese von subjektiven Theorien im Hinblick auf ihre Handlungsrelevanz von Fremdsprachenlehrenden zu identifizieren und durch interindividuelle Handlungssysteme aufzuzeigen. 4.4.1 Gute versus schlechte Leserin Alle an der Befragung teilnehmenden Fremdsprachenlehrenden äußerten differenzierte Vorstellungen, Meinungen und Überzeugungen bezüglich der Existenz der guten versus schlechten Leserin. Dies ermöglichte es ihnen, spontan und unabhängig von einer konkreten unterrichtlichen Situation Lernende aus ihrer Klasse zu nennen, die ihrer Meinung nach Prototypen für diese Konstrukte sind. Von den 11 Fremdsprachenlehrenden wurden insgesamt 65 Äußerungen zu sehr guten und guten Leserinnen und 57 Äußerungen zu schlechten und sehr schlechten Leserinnen in ihren Klassen gemacht. Von 65 als sehr gut und gut eingestuften Lernenden waren 39 Mädchen und 26 Jungen, von den 57 schlechten und sehr schlechten waren 28 Mädchen und 29 Jungen. Diese Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die subjektiven Theorien der befragten Lehrenden. Interessant war die Fragestellung, was eine gute Leserin von einer schlechten unterscheiden würde. Hier FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 191 interessierte insbesondere, wie Lehrende die Rolle der Strategien beim Lesen bewerteten. 4.4.2 Strategen und Nichtstrategen Die Frage, ob gute Leserinnen auch gute Strategen sind, beantworteten 8 der 11 befragten Lehrenden zwar mit ja, die damit verbundenen Äußerungen belegten jedoch Unsicherheiten und Einschränkungen in diesem Ja (vgl. Abb. 1). Einige waren der Meinung, daß man nicht grundsätzlich davon ausgehen könne, daß gute Leserinnen auch immer Strategien gebrauchen. Sie gaben an, daß individuell gesehen bestimmte gute Leserinnen Strategien anwenden, daß man dies aber nicht verallgemeinern könnte. Die in Abbildung 1 aufgeführten Äußerungen zeigen, daß die Vorstellungen darüber, was Strategien seien, sehr variierten. Während ein Lehrer glaubte, daß die Strategien von den guten Leserinnen nicht bewußt oder geplant eingesetzt würden, und eine Lehrerin an einer bewußten Anwendung von Strategien zweifelte, waren andere der Meinung, daß gute Leserinnen auch gute Strategen seien. Ja Nein Kommentare X vor allem Schüler A und Schüler B X Schüler C und Schülerin D verstehen die Texte im allg. Welche Strategien sie anwenden kann ich im einzelnen nicht sagen. X Ganz sicher verwenden diese Schüler einige der Strategien. Dies geschieht allerdings nicht so bewußt und geplant. - keine Ahnung! - - Die Frage ist schwer zu beantworten. Sehr gut lesende Schüler vermitteln immer den Eindruck, alles voll im Griff zu haben. Im Grunde muß dies nichts bedeuten, sondern hängt unter Umständen mit einer relativ großen Rede- und Hörbegabung zusammen. Umgekehrt können stockend lesende Schüler durchaus den Text gut erfassen. Inwieweit bewußt Strategien angewandt werden, ist fraglich. X Bezüge herstellen, erst Überblick verschaffen. Evtl. Wörterbuch konsultieren etc. - weiß ich nicht X Sie wenden die Fertigkeiten an, die sie im Laufe ihrer Schulzeit erworben haben, z.B. Wörter erschließen, kleine Teile übersetzen usw. X keine Angaben X Ich glaube schon, daß zumindest die sehr guten Leser auch gute Strategen sind. Dies kann man besonders gut erkennen, wenn nach dem Stillesen ein Text besprochen wird. X sehr wahrscheinlich 8x (72,82%) Ox Abb. 1: Sind gute Leserinnen und Leser auch gute Strategen? FLuL 27 (1998) 192 Claudia Finkbeiner Die Frage danach, ob gute Leserinnen auch gute Strategen sind, konnte also nur eingeschränkt mit einem Ja für die befragte Gesamtgruppe beantwortet werden. Individuell gesehen konnte diese Frage nicht einheitlich für alle beantwortet werden; sie führte im Gegenteil zu großem Unbehagen bei einigen Lehrenden. Deshalb ist die Analyse einer weiteren Frage wichtig. Die Englischlehrerinnen wurden um folgende Einschätzung gebeten: Von welchen Lernenden glauben Sie, daß sie Strategien verwenden wie: sich den Text visuell oder akustisch vorstellen können; mit jmd. in der Geschichte mitfühlen; Verbindungen herstellen zu Dingen, die man schon weiß; Text verknüpfen mit eigenen Eifahrungen; eigenes Urteil bilden; sich überlegen, was der Autor gemeint hat; Perspektiven von jmd. in der Geschichte übernehmen etc. Nennen Sie bitte Strategen und Nichtstrategen. 14 Gegenüber der Frage nach der guten Leserin hatten jedoch nicht alle Befragten bestimmte Vorstellungen, Meinungen und Überzeugungen bezüglich· der Existenz von Konstrukten wie Stratege und Nichtstratege. So war es einem Lehrenden nur möglich, diese Einschätzung für Lesestrategen, jedoch nicht für Nichtstrategen vorzunehmen. Bemerkenswert war die in diesem Zusammenhang gemachte Äußerung: Diese Bewertung kann ich für schlechte Schüler nicht vornehmen, d.h., der Lehrende ordnete dem Merkmal „Nichtstratege" den Begriff „schlechter Schüler" zu. Dieser Lehrer war also der Meinung, daß Abwesenheit von Strategien zu schlechtem Lesen führt, denn er hätte genauso gut antworten können, daß er diese Bewertung für Nichtstrategen nicht vornehmen könne. Zwei weitere Lehrende lehnten die Einschätzung von Strategen/ Nichtstrategen grundsätzlich ab: Da habe ich absolut keine Ahnung! Das weiß ich nicht. Demgegenüber nannte eine Kollegin nicht nur Namen für Lernende, die Strategen oder Nichtstrategen seien, sondern charakterisierte diese darüber hinaus nach verschiedenen Lerntypen. Von den 11 Befragten nahmen insgesamt 9 Einschätzungen zu Lesestrategen und 8 zu Nichtstrategen vor. Es gab 50 Nennungen zu Lesestrategen und 39 Nennungen zu Nichtstrategen. Von den 50 Nennungen zu Lesestrategen fielen 28 auf Mädchen und 22 auf Jungen, von den 39 Nennungen zu Nichtstrategen fielen 21 auf Mädchen und 18 auf Jungen. Im folgenden soll in Verbindung mit der konkreten Nennung von Lernenden als Strategen oder Nichtstrategen erneut der Frage nachgegangen werden, ob gute Leserinnen aus Sicht der befragten Lehrenden auch gute Strategen sind und umgekehrt. Diese Frage kann an dieser Stelle anhand der konkreten Nennung von Lernenden bezogen auf die Klassensituation direkter beantwortet werden. 14 Dies sind Beschreibungen von Elaborationsstrategien im Sinne von O'Malley/ Chamot (1990). FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 193 IDNR 913: Mädchen GYM Sehr gute/ -r Leser/ -in Lesestratege sehr schlechte/ -r Leser/ -in Nichtstratege A A B B C C D E E F F G G H IDNR 913: Jungen GYM I I J J K L L M Abb. 2: Leseprofil für eine gute/ schlechte Leserin und einen Strategen/ Nichtstrategen Für alle 12 in die Befragung eingeschlossenen Klassen wurde eine Matrix erstellt zum Leserprofil (gute versus schlechte Leserin). In diese Matrix wurden die verschlüsselten Kodierungen für jeden einzelnen Lernenden eingetragen (vgl. Abb. 2). Durch den Vergleich der Kodierungen der Leserinnenprofile (SGL, SSL) mit jenen der Lesestrategen (LS) und Nichtstrategen (NS) erhielt mart nun direkt Auskunft darüber, welche subjektiven Theorien die Befragten bezüglich des Zusammenhangs von gutem Lesen einerseits und Strategieneinsatz andererseits hatten. In Klasse 913 ist zum Beispiel das Mädchen A aus Sicht der Englischlehrerin eine sehr gute Leserin und gleichzeitig auch eine gute Strategin. Diese Übereinstimmung gab es allerdings nicht immer. So zeigt Abbildung 2, daß das Mädchen H beispielsweise aus Sicht des Lehrers zwar eine Nichtstrategin, aber nicht auch gleichzeitig eine schlechte Leserin ist. Wie sieht die Gesamttendenz in dieser Frage aus? Abbildung 3 zeigt die Zusammenführung aller Daten für alle Klassen. Insgesamt erfolgten 65 Nennungen für sehr gute und gute Leserinnen sowie 50 Nennungen für Lesestrategen. Von den 65 Nennungen der guten Leserinnen waren 42 Nennungen identisch mit jenen für die Lesestrategen, d.h., es gab eine Übereinstimmung von 64,61 %. Nicht ganz so hoch war die Konformität zwischen den Nennungen schlechter Leserinnen und Nichtstrategen: Von den 57 Nennungen für schlechte Leserinnen stimmten 30 mit den Nennungen für Nichtstrategen, d. h. 52,63%, überein. FLuL 27 (1998) 194 Claudia Finkbeiner SGL LS SGL/ LS % identisch SSL NS SSL/ NS % identisch identisch identisch 65 50 42 64,61 57 39 30 52,63 Abb. 3: Nennungen zu guten und schlechten Lesern/ -innen sowie Lesestrategen und Nichtstrategen (bezogen auf n=287) aus Sicht der Lehrer/ -innen (n=l 1) 15 Diese Zusammenschau erlaubt es, Aussagen bezüglich einer möglicherweise existenten interindividuell gültigen Modalstruktur von individuellen subjektiven Theorien aller Fremdsprachenlehrenden hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gutem Lesen einerseits und Strategieneinsatz andererseits zu machen. Offensichtlich liegt in diesem Fall tatsächlich eine Genese ähnlicher subjektiver Theorien aufgrund der gemeinsamen institutionellen und kulturellen Sozialisation vor, die in eine gemeinsame übergreifende Modalstruktur mündet. Diese Struktur läßt sich dabei als interindividuelle Überzeugung aller Befragten darüber beschreiben, daß enge korrelative Zusammenhänge zwischen der Qualität des Lesens und der Art und Höhe des Einsatzes beim Lesen mobilisierter Strategien bestehen. Darüber hinaus spiegelt sich in dieser Struktur die allgemeine Überzeugung, daß solche qualitativ hochwertigen Leseleistungen bestimmten Lernenden auch unabhängig von konkreten Aufgaben zugeschrieben werden können. Es scheint so, daß sich diese Überzeugungen eher implizit, vermutlich aufgrund von Berufspraxis, entwickelt haben. Diese Schlußfolgerung liegt deshalb nahe, weil von den 11 Befragten lediglich eine Person während der Ausbildung und des Studiums etwas über Strategien und Techniken erfahren hatte. Analoges gilt für Maßnahmen im Bereich der Lehrerfortbildung. Insgesamt zwei Lehrende hatten an Fortbildungen über Techniken und Strategien teilgenommen, 9 dagegen bislang nicht. Hier tut sich eine große Diskrepanz auf zwischen der Einstufung der Wichtigkeit des Gegenstandes durch die Fremdsprachenlehrenden und dem tatsächlichen Angebot in Lehreraus- und -fortbildung. Von den 11 Befragten hielten neun die Vermittlung von Lernstrategien und Lerntechniken im Englischunterricht für wichtig, einer hielt sie für sehr wichtig, einer hielt sie für nicht ganz so wichtig und einer für völlig unbedeutend. Alle stimmten in der Annahme überein, daß man Lesetechniken und Lesestrategien im Englischunterricht grundsätzlich vermitteln kann, jedoch gingen 9 der Befragten davon aus, daß dies nur mit folgenden Einschränkungen möglich ist: • Es muß aber möglichst früh damit begonnen werden, da sich sonst eigene herausbilden und es dann unheimlich schwer ist, diese abzubauen bzw. umzustrukturieren. 15 Legende: Leserprofil: Sehr gute/ -r Leser/ -in = SGL, sehr schlechte/ -r Leser/ -in = SSL Strategien: Lesestratege = LS, Nichtstratege = NS FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 195 • Gute Schüler sind meist auch begabt fürs Lesen, und man kann sie in der Intonation fördern. Bei den meisten anderen muß man froh sein, wenn sie einen Text fehlerfrei lesen können. • Lesen ist meiner Meinung nach in sehr hohem Maße eine Frage des Verstandes, der Sprachwerkzeuge und des Gehörs. • Es fehlt meines Erachtens Zeit, um sich dem Thema intensiver und systematischer zu widmen. Es wäre wichtig und zum Teil vermittelbar. • Bei manchen Schülern ist ein Gefühl für die Sprache vorhanden; dementsprechend fällt es ihnen leichter, mit Texten umzugehen, auch wenn man ihnen noch nicht besondere Strategien beigebracht hat. • Sicher sind manche Schüler begabte Lernstrategen, andere werden durch Aufgaben zumindest mit Strategien vertraut gemacht, inwieweit sie sich diese aneignen ... ? Obwohl außer einem der Befragten alle die Vermittlung von Lesestrategien und Lesetechniken für wichtig hielten und fast keiner dieses Thema je in einer Lehrerfortbildung angeboten bekommen hatte, hatten insgesamt vier der Befragten kein Interesse an einer Lehrerfortbildung zu diesem Thema; sieben bekundeten ein solches Interesse. Einer näheren Betrachtung und zukünftigen weiteren Untersuchung wert ist die interindividuell anzutreffende Überzeugung des Zusammenhangs von schlechtem Lesen einerseits und „nichtstrategischem" Verhalten andererseits. In diesem Fall kann man aufgrund neuerer Untersuchungen zum expliziten und impliziten Lernen sagen (vgl. Ellis 1994, Finkbeiner 1998), daß diese Überzeugungen nicht mit derzeit gültigen wissenschaftlichen Theorien kompatibel sind, sondern daß hier eine Diskrepanz vorliegt. In diesem Falle müßte man sich für die Lehrerfortbildung überlegen, wie eine Theorierevision bei den Fremdsprachenlehrenden herbeigeführt werden kann. 4.4.3 Strategen versus Nichtstrategen und hoch interessierte versus nicht interessierte Leserinnen Wichtig im Zusammenhang mit der Gesamtuntersuchung war die Frage des Zusammenhangs von Interesse und Strategien. Hier interessierte analog zur Einschätzung der guten und schlechten Leserin sowie analog der Einschätzung der Lesestrategen und Nichtstrategen, welche Vorstellungen, Meinungen und Überzeugungen die Befragten bezüglich der Existenz von Konstrukten wie hoch interessierte und interessierte versus niedrig lind nicht interessierte Lernende hatten. Darüber hinaus lag ein Hauptinteresse in der Frage, ob Fremdsprachenlehrende spontan Lernende aus ihrer Klasse nennen konnten, die ihrer Meinung nach Prototypen für diese hier beschriebenen Interessenkonstrukte waren. Die Aufgabe lautete: Da es bei meiner Befragung auch um Leseinteressen 16 bezagen auf englische Texte geht, bitte ich Sie 16 Zu Leseinteressen wurde von mir auf der Grundlage aktueller Ergebnisse im Bereich der Interessenforschung (Baumert 1993; Csikszentmihalyi/ Schiefele 1993; Häußler/ Hofmann 1995; Krapp 1995) sowie auf der Grundlage des Lemersprachenmodells von Wendt (1995) ein Fragebogen entwickelt (vgl. Finkbeiner 1995a, 1995b). Den Lehrenden wurde bei der Befragung jedoch FLuL 27 (1998) 196 Claudia Finkbeiner um eine Einschätzung von hoch und niedrig Interessierten unter Ihren Lernenden. Bitte unterscheiden Sie allgemeines Interesse am Fach Englisch von Interesse an literarischen Texten sowie Interesse an Sach- und Gebrauchstexten. Alle beteiligten Lehrenden waren in der Lage, Einstufungen zu dieser Frage vorzunehmen. Insgesamt wurden 50 Lernende als hoch interessiert und interessiert bezogen auf die drei Textsorten (literarische Texte, Sach-/ Gebrauchstexte) eingestuft. Als nicht interessiert und völlig desinteressiert wurden 57 Lernende eingestuft. Der wichtigste und letzte Teil der Analyse sollte nun einem Gesamtvergleich der vorgenommenen Beschreibungen für gute und schlechte Leserinnen, Lesestrategen und Nichtstrategen sowie interessierte und nicht interessierte Lernende gelten. Für alle 12 in die Befragung eingeschlossenen Klassen wurde die bereits erstellte Matrix zum Leserprofil (gute/ schlechte Leserin) und Lesestrategen/ Nichtstrategen um die Interessendimension erweitert, und die verschlüsselten Kodierungen wurden eingetragen. Durch den Vergleich der Kodierungen der Leserprofile sowie Lesestrategen (LS) und Nichtstrategen (NS) mit jenen der Interessendimensionen war es nun möglich, direkt und unmittelbar darüber Auskunft zu erhalten, welche subjektive Theorien die Befragten bezüglich des Zusammenhangs von gutem Lesen und Strategieneinsatz einerseits sowie Interessiertheit andererseits hatten. Abbildung 4 zeigt die Zusammenführung aller Daten für alle Klassen. SGL LS INT LS/ INT identisch SSL NS DESINT NS/ DES identisch 65 50 47 32 = 68,08% 57 39 44 29 = 65,91% Ai,b. 4: Zusammenschau aller Nennungen zu Leserprofil, Lesestrategie und lnteresse 17 Insgesamt erfolgten 47 Nennungen für hoch Interessierte und Interessierte sowie 44 Nennungen für kaum oder nicht Interessierte. Von den 47 Nennungen für hoch Interessierte und Interessierte waren 32 Nennungen identisch mit jenen für Lesestrategen, d.h., es gab eine Übereinstimmung von 68,08%. Fast ebenso hoch war die Übereinstimmung zwischen den Nennungen für Nichtstrategen und kaum oder ganz bewußt keine Definition von Leseinteressen vorgegeben, um Halo-Effekte (durch vorangegangene Fragen, Definitionen können Probanden in ihrer Meinung beeinflußt werden) sowie Effekte der sozialen Erwünschtheit und Versuchsleiter-Effekte (oft beeinflußt die Erwartung oder Einstellung des Versuchsleiter den Probanden) zu vermeiden (vgl. Kriz/ Lisch 1988). 17 Legende: Leserprofil: Sehr gute/ -r Leser/ -in = SGL, sehr schlechte/ -r Leser/ -in = SSL Strategien: Lesestratege = LS, Nichtstratege = NS Interessen: Allg. Interesse an Englisch = AIE, Interesse an literarischen Texten = LIT, Interesse an Sach-/ Gebrauchstexten = SGI; hoch interessiert und interessiert = INT, kaum interessiert und desinteressiert = DES FLuL 27 (1998) Sind gute Leserl-innen auch gute Strategen? ... 197 nicht Interessierten: Von den 44 Nennungen für kaum oder nicht Interessierte stimmten 29 mit den Nennungen für Nichtstrategen, d.h. 65,91 %, überein. Die Analyse der einzelnen subjektiven Theorien der Fremdsprachenlehrenden ergab in dieser Frage das wohl einheitlichste Ergebnis im Rahmen der gesamten Lehrerbefragung: Dies erlaubt es meines Erachtens, die individuellen Theorien der einzelnen Lehrenden zu einer Modalstruktur zu aggregieren, um diese als interindividuelle Theorie explanativ zu validieren. Die Modalstruktur läßt sich dabei als interindividuelle Überzeugung darüber beschreiben, daß ein direkter und kausaler Zusammenhang zwischen Höhe des Leseinteresses und der Qualität des Einsatzes der beim Lesen aktivierten Strategien besteht. Dieses Ergebnis spiegelt sich als grundlegendes und homogenes Meinungsbild aller Befragten wider. Die Konsequenzen, die sich daraus für den Englischunterricht ergeben, werden unter Punkt 5 diskutiert. 4.4.4 Vergleich von Innensicht und Außensicht Besonders bemerkenswert ist, daß dieses zuletzt genannte, auf den subjektiven Theorien der Fremdsprachenlehrer/ -innen beruhende Ergebnis (Innensicht) bezüglich des Zusammenhangs von Strategien und Interessen genau den Daten der Gesamtuntersuchung entsprach, die auf aufwendigem Wege über einzelne quantitative Teilerhebungen im Rahmen der Schülerbefragung (Außensicht) ermittelt worden waren. Diese bestätigten in der Tat korrelative Zusammenhänge zwischen der Höhe des Interesses und der Qualität sowie des Aktivierungsgrades der beim Lesen eingesetzten Strategien. Dies war zum Zeitpunkt der Erhebung nicht vorhersehbar, da die Daten alle parallel und zeitgleich gesammelt und erst später gemeinsam eingegeben, aufbereitet und ausgewertet worden waren. Dies soll im folgenden anhand von Daten konkretisiert und belegt werden. Die Korrelationsanalysen jener quantitativen Daten aus der Schülerbefragung in der ersten Phase der Hauptstudie bestätigten zum Beispiel die Hypothese im Hinblick auf den korrelativen positiven Zusammenhang des Einsatzes von Elaborationsstrategien (vgl. O'Malley/ Chamot 1990) und Literaturinteresse: Das Ergebnis war höchst signifikant (p : , .001). Außerdem konnte folgendes festgestellt werden: Je höher das Literaturinteresse ist, desto eher verarbeitet der Proband Texte auf der textfemen Ebene (LITERATURINTERESSE und SHANAHFE: r = .3103**). Dies bedeutet konkret, daß Schülerinnen, die ein hohes Interesse an literarischen Texten hatten, beim Lesen dieser Texte qualitativ hochwertige Strategien einsetzten, wie z.B. kreative Verknüpfungen vornehmen zwischen Textpassagen und ihrem Weltwissen, zwischen Textpassagen und individuell unterschiedlich aktivierten emotionalen, visuellen, akustischen, kinästhetischen, motorischen, taktilen oder kognitiven Empfindungen und Zuständen sowie zwischen Textpassagen untereinander etc. Der Einsatz von qualitativ hochwertigen Strategien wie z.B. von Elaborationsstrategien in Verbindung mit gleichzeitig hohem Interesse stand aufgrund der vorliegenden Ergebnisse außerdem in engem Zusammenhang zur Textverarbeitungsleistung, d.h., Probanden, die hoch interessiert waren, verarbeiteten auch eher auf der textfemen FLuL 27 (1998) 198 Claudia Finkbeiner Ebene. Dies bedeutete, daß sie sich vom Text lösten, kaum oder gar nicht auf der wörtlichen und reproduktiven Ebene verarbeiteten, sondern eigene Abstraktionen, d.h. Situationsmodelle im Sinne von van Dijk/ Kintsch (1982) bildeten. Dieser Befund konnte auch durch eine Inhaltsanalyse von offenen Fragen im Leseverstehenstest der Lernenden und darüber hinaus durch die in Einzelinterviews erhobenen Prozeßdaten bestätigt werden. Signifikant waren nämlich die Zusammenhänge zwischen der Kategorie ELABORATION INTERVIEW und den Interessenkategorien des Interessenfragebogens 18 : Diese Zusammenhänge bestätigten die Annahme, daß Interesse die Bildung von Elaborationen und die Tiefenverarbeitung begünstigt. Dieser hier dargestellte Zusammenhang bildete sich entsprechend als interindividuelle Modalstruktur der subjektiven Theorien aller hier befragten Lehrerinnen ab. Die subjektiven Theorien der Befragten konnten in diesen Punkten folglich auch einer „objektiven" Theorie standhalten. Jedoch traf dies nicht auf alle weiteren Untersuchungskategorien zu. So kam es in der zweiten Phase der Hauptstudie zu nicht vorhersehbaren Diskrepanzen, die durch die subjektiven Theorien der befragten Lehrerinnen nicht erfaßt wurden. Sie werden im folgenden kurz angedeutet: Ganz auffällig war zum Beispiel der niedrige Zusammenhang zwischen den aufgrund der Daten im Interview im Vergleich zu den Daten im Fragebogen kodierten Elaborationen (r = .1392). Dieser niedrige, man kann auch sagen, nicht mehr vorhandene Zusammenhang zwischen der Elaborationskategorie im Fragebogen im Vergleich zu jener im Interview zeigt, daß offensichtlich eine Diskrepanz besteht zwischen deklarativem und prozessualem Strategienwissen. 19 Dies bedeutet, daß es bei den befragten Schülerinnen eine bestimmte Gruppe von Lernenden gab, die Strategien zwar nennen konnte und darüber auch ein Faktenwissen besaß, die aber dieses Faktenwissen im Leseprozeß selbst nicht einsetzen konnte und regelrechte Transferprobleme bei der Anwendung ihres Strategienwissens hatte. Dieses Problem kann mehrfache Ursachen haben: Angst, Streß, kontextspezifische Anwendungsprobleme etc. Das Phänomen zeigte sich ganz deutlich bei der anfangs beschriebenen Einzelfallanalyse des Mädchens von den Phillipinen (vgl. 3.1). Umgekehrt gab es eine Gruppen von Lernenden, die bis zur Durchführung des Interviews kaum ein Wissen oder ein Bewußtsein bezüglich der eigenen Vorgänge beim Lesen von englischen Texten hatte. Dies bedeutete aber nicht, daß die „unbewußten" Leser/ -innen beim Lesen grundsätzlich keine Elaborationen vornahmen, sondern vielmehr, daß sie bezüglich deren Wert und Nutzen kein positives Bild hatten. So gab es eine Reihe von Lernenden, die im Fragebogen von sich behauptet hatten, eher keine Strategien zu verwenden, die aber in der Interviewsituation teilweise hoch abstrakte Elaborationen durchführten. 18 Korrelationskoeffizienten zwischen ELABORATION INTERVIEW und INTRINSISCHES INTERESSE FRAGEBOGEN (r = .6342**), ELABORATION INTERVIEW und LITERATURINTERESSE FRAGEBOGEN (r = .2712), ELABORATION INTERVIEW und INTERESSE an SELBSTTÄTIGKEIT (r = .3514). 19 Deklaratives Wissen ist "knowing what", prozessuales Wissen ist "knowing how". FLuL 27 (1998) Sind gute Leser/ -innen auch gute Strategen? ... 199 Offensichtlich spielten hier die jeweiligen Selbstbilder und die subjektiven Theorien der Lernenden eine große Rolle. 5. Konsequenzen und Ausblick Welche Relevanz hat dieses Gesamtergebnis für die hier erhobenen subjektiven Theorien von Fremdsprachenlehrenden? Es zeigt zunächst, daß subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrenden • zum Teil deckungsgleich sind mit Ergebnissen aus rein quantitativ erhobenen Daten und deshalb ebenso ernst genommen werden sollten wie „harte" Daten • sehr oft nicht bewußt sind, aber starke Wirkungen auf Lehrer- und Schülerhandeln haben können: dieses kann sich sowohl leistungsfördernd als auch -hemmend auswirken • für die Unterrichtsdiagnostik besonders wertvoll sind, weil durch sie interaktive Prozesse zwischen Lehrenden und Lernenden eher durchschaubar und erklärbar werden • zum Teil kompatibel, zum Teil aber auch inkompatibel sind mit jenen von Lernenden • oft nicht aufgedeckt werden und im Falle der Inkompatibilität mit jenen der Lernenden zu ernsthaften Störungen in der Unterrichtskommunikation und im Lernprozeß von einzelnen Lernenden führen können • in hohem Maße handlungsleitende Funktionen haben und unterrichtliches Geschehen stark beeinflussen • zu ganz konkreten Situationseinschätzungen beitragen • zu ganz konkreten Personeneinschätzungen beitragen, die sich zum Beispiel in Annahmen bezüglich der Wissensprozesse ihrer Lernenden manifestieren können • durch „Rede" über Kognitionen erfaßt werden können (vgl. Huber/ Mandl 1982b: 18) • nicht unbedingt eine „objektive", sondern immer nur eine „subjektive" Handlungsbeschreibung liefern über die Handlungsstrategien, die Lernende tatsächlich einsetzen • sehr ernst genommen werden müssen, da die subjektiven Annahmen der Lehrenden über die Handlungsabläufe (Strategieneinsatz) ihrer Lernenden als mehr oder weniger bewußtes Wissen sowohl der Lehrenden als auch der Lernenden zukünftige Handlungen und auch die kognitivemotionalen Orientierungen sowie das Selbstkonzept sehr stark beeinflussen können und insofern von hoher Relevanz für zukünftige Wissenskonstruktionen sind (vgl. Brown 1994; Scheele/ Groeben 1988) • als naive Hypothesen nicht nur zukünftige Lehrsondern auch Lernhandlungen beeinflussen und bestimmtes Lernverhalten vorhersagbar machen (Lilli/ Frey 1993) und somit langfristig zu einer self-fulfilling prophecy werden können, weil für viele Lernende eben in der Tat nicht gilt, "cogito ergo sum", sondern „cogitat ergo sum". Dies gilt meines Erachtens in der Tat nicht nur für Interaktionsprozesse zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern grundsätzlich für jegliche zwischenmenschliche Kommunikation. Die Relevanz und die Bedeutung dieses Ergebnisses soll abschließend durch die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung untermauert werden. Nach Jerome Bruner und Leo Postman (1951) ist jeder Wahrnehmungsvorgang sozial determiniert. Jeder Vorgang beginnt mit einem perceptual set oder einer cognitive predisposition (vgl. Frey/ Lilli 1993: 51). Diese sets können auch als Wahrnehmungs-Erwartungs-Hypothesen bezeichnet werden; sie werden aufgrund FLuL 27 (] 998) 200 Claudia Finkbeiner früherer Kognitionen und Perzeptionen gebildet, steuern unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit in selektiver Weise und geben uns Hinweise auf die Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Phänomene oder Merkmale. Ich möchte dies an einem konkreten Beispiel aus dem hier beschriebenen Forschungskontext erklären: Lehrer X kennt seinen Schüler A inzwischen ein halbes Jahr; er stuft ihn als an fremdsprachlichen Texten nicht interessiert ein. Dies führt dazu, daß Lehrer X unbewußt Hinweise im Verhalten von Schüler A erwartet, die seine Hypothese bezüglich der Nichtinteressiertheit von Schüler A bestätigen und in der Folge zum Beispiel als Leseschwäche interpretiert werden. Dabei wird Lehrer X eher ein solches Verhalten von A wahrnehmen, das diese Hypothese bestätigt, als ein solches, das sie widerlegen würde. Dies hängt damit zusammen, daß Wahrnehmungs-Erwartungshypothesen wahrnehmungsdeterminierend sind, d.h., sie bestimmen, was wir tatsächlich wahrnehmen. Die Hypothesentheorie berücksichtigt dabei vor allem die prozessualen Bedingungen des Zustandekommens von sozialer Wahrnehmung. Sie erklärt die Beziehungen zwischen den Denk-, Erfahrungs- und Planungsperspektiven des Lehrers X und der wahrgenommenen Situation, z.B. des Verhaltens von Schülern. Daraus ergeben sich die folgenden Implikationen: "Die Wahmehmung einer Stimulussituation ist nicht zufällig bzw. nicht beliebig" (Lilli/ Frey 1993: 52). So wird die Aufmerksamkeit von Lehrer X durch bestimmte Vorerfahrungen mit Lernenden und konkret mit Schüler A gesteuert. "Über die Lösung einer aktuellen Wahrnehmungsaufgabe hinaus trägt die Wahrnehmung wiederum zur Festigung oder Veränderung, d.h. zur Ergänzung und Erweiterung des Hypothesenrepertoires oder zur Löschung unbrauchbarer Hypothesen bei" (a.a.O.). Bei sozialen Extremgruppen wie hoch Interessierten versus niedrig Interessierten scheinen sich Lehrende bezüglich ihrer Wahmehmung relativ sicher und ihre subjektiven Theorien deshalb übergreifend gültig zu sein. Da sich Wahrnehmungsvorgänge im Lebenslauf eines Beobachters wiederholen, bildet sich ein System bewährter Hypothesen aus. Hierbei spielt die Dauer der Berufspraxis der Lehrenden eine große Rolle. Das Ergebnis sind Wissensvorräte oder soziale Repräsentationen, die sowohl inhaltlich-interpretative Momente als auch Strategien enthalten, wie Wahrnehmungsaufgaben gelöst bzw. Stimuli integriert werden können (vgl. a.a.O.). Diese Repräsentationen sind genau jene subjektiven Theorien, die in diesem Forschungsbeispiel bei Fremdsprachenlehrerinnen erhoben wurden. Sie sind oft unbewußt, können aber umso folgenschwerer in ihren Handlungskonsequenzen sein. Je stabiler nämlich subjektive Theorien ausgeprägt sind, desto stärker sind auch die damit verbundenen und aktivierten Hypothesen. Je stärker wiederum die Hypothesen sind, desto größer muß die Menge widersprechender Reizinformation sein, um sie zu widerlegen, d.h., Schüler A muß ein Mehrfaches an nicht erwartetem Schülerverhalten aufbringen, um seinen Lehrer X zu einer Theorierevision bezüglich seiner Annahmen über die Personeneigenschaften von Schüler A (Nichtinteressiertheit und Leseschwäche) zu führen. Es steht außer Zweifel, daß Lehrer X mit seiner subjektiven Theorie zum großen FLuL 27 ( I998) Sind gute Leserl-innen auch gute Strategen? ... 201 Teil recht haben und deshalb einer objektiven Theorie entsprechen kann (Leistungstest etc.); dies hat die vorliegende Untersuchung gezeigt. Jedoch ist anzunehmen, daß viele Lehrende aufgrund ihrer langen Berufspraxis Zusammenhänge wie die hier aufgezeigten gar nicht mehr bewußt wahrnehmen. Gerade um solche Zusammenhänge und auch Widersprüche aufzudecken, z.B. durch den Vergleich von Innensicht und Außensicht, muß die Erforschung subjektiver Theorien im Bereich der Fremdsprachenforschung, insbesondere der Unterrichtsforschung, wissenschaftstheoretisch und forschungspraktisch etabliert werden. Insbesondere junge Menschen, die kein starkes oder ein noch nicht so weit entwickeltes Selbstbild haben, verhalten sich nämlich entsprechend der Attributionszuschreibungen, die sie täglich immer wieder durch bestimmte Personen, insbesondere ihre Lehrerinnen, erfahren. Die Art und Weise, wie sie bei anderen sozial repräsentiert sind, wird so zur Grundlage ihres zukünftigen individuellen Handelns. Insofern können diese Attributionszuschreibungen Vorhersagecharakter bekommen und somit in hohem Maße Biographien beeinflussen. Wäre dies immer zum Positiven, brauchte man sich nicht länger Gedanken darüber zu machen; da es jedoch häufig auch zum Negativen ist, Lernprobleme also in der Tat steigen, bietet die Erforschung subjektiver Theorien allen Beteiligten einen praktikablen Weg zur Lösung solcher Konfliktsituationen. Bibliographische Angaben BROWN, Ann (1994): "The Advancement of Leaming". In: Educational Researcher 23 (8), 4-12. CRANACH, Michael v. (1993): "Soziale Repräsentationen: Die Grundlage individuellen Handelns". In: MONTADA, Leo (Hrsg.): Bericht über den 38. Kongreß der DGPs in Trier. Bd. 1. Göttingen: Hogrefe. DANN, H. Dietrich [et al.] (1982): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Konstanz: Universität, Zentrum I Bildungsforschung. DANN, H. Dietrich (1990): "Subjective theories: a new approach to psychological research and educational practice". In: SERMIN, G. R. / GERGEN, Kenneth J. (eds.): Everyday Understanding: social and scientific implications. London: Sage, 227-243. 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Furthermore, the question is investigated whether, and if so, in what way learning a completely new language, which is related neither to the mother-tongue nor to any other language learned up to that point, may have given the author new insights into the process of language learning, hereby confirming or altering his ideas about the part played by consciousness in the learning process. 1. Problematik der Selbstreflexion Im folgenden geht es um einen Lehrer, der zugleich Lerner ist, also um einen Autodidakten. Geprüft wird ein etwa fünf Jahre andauernder Lernprozeß, dem als Ziel die Aneignung der russischen Sprache gesetzt war. Der Aneignungsvorgang wurde in actu beobachtet und wird nun rückblickend beschrieben. Dabei müssen, wie dies bei Selbstbeschreibungen stets der Fall ist, methodische Unschärfen in Kauf genommen werden. Zum einen konnte wegen der bestehenden beruflichen Auslastung nicht konsequent Tagebuch geführt werden, vielmehr wurde das nur phasenweise erfolgte Lernen lediglich von sporadischen Aufzeichnungen, Unterstreichungen, Randnotizen usw. begleitet, zum anderen ist rückschauende Analyse nie frei von Verformungen. Wenn also hier von Theorie die Rede sein soll, so erscheint diese in doppelter Hinsicht als subjektiv, nämlich zum einen als persönliches, u.a. biographisch begründetes Wissenskonstrukt, zum anderen im Beschreibungsmodus wiederum in subjektiver Brechung. Die Darstellung und Reflexion des Dargestellten unterscheidet sich demnach von Analysen, wie sie bereits vorliegen (u.a. Kallenbach 1996) - Analysen, in denen im dialogischen Wechselspiel von Versuchsperson und Versuchsleiter/ in und in nachträglicher Untersuchung durch die/ den letztere/ n bestehende Theoriegebäude objektiv in Erscheinung treten. Dennoch haben auch Selbstreflexionen ihren Wert, mag dieser vielleicht auch nur heuristischer Natur sein (zu Problematik und möglichem Ertrag von Introspektion und insbesondere Retrospektion vgl. die Beiträge in Frerch/ Kaspar 1987). Für mich jedenfalls als einen, der sich mit Fragen des Spracherwerbs forschend auseinandersetzt, brachte (und bringt) das Erlernen einer neuen (und zwar für mich sehr neuen) Sprache Einsichten, die ich im Zusammenhang meines beruflichen Tuns nicht missen möchte.. Einige von diesen weiterzugeben, ist die Absicht dieses Beitrags. FLuL 27 (] 998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 205 Hier ist eine weitere Einschränkung erforderlich. Da meine lerntheoretischen Annahmen zum einen lernbiographischer, zum anderen aber wissenschaftlichtheoretischer Natur sind, ergibt sich eine Situation, in der beide Zugänge in Konkurrenz zueinander treten. Während bei Laien in der Regel ein relativ konsistentes und stabiles Wissenskonstrukt zu ermitteln ist, hatten bei mir vorhandene Hypothesen nie unhinterfragt Bestand. Meine Einstellung war im Gegenteil die des permanenten In-Frage-Stellens, wobei Modellierungen unterschiedlicher Art kritisch in den Blick genommen wurden. Aus dem erhöhten Kenntnisstand ergab sich einerseits ein Mehr an Um- und Übersicht (im Vergleich zu dem sich selbst beobachtenden Laien), andererseits aber auch ein größeres Maß an Unsicherheit. Die Metapher des Einen-Weg-Suchens drängt sich auf, was mögliche Annahmen, man befinde sich zeitweilig und in bestimmten Zusammenhängen auf dem richtigen Weg, durchaus impliziert. Die kritische Betrachtungsweise brachte es einerseits mit sich, daß bestimmte theoretische Ansätze als wissenschaftlich fundierter oder doch plausibler erschienen als andere, andererseits sollte kein Ansatz von vornherein ausgeschlossen werden. Ich machte mir in gewisser Weise das Diktum von R. Feyman zu eigen: Science is the belief in the ignorance of the expert (zitiert nach Delacote 1996: 113), was hier so viel besagen will wie: trotz aller Vorkenntnisse möglichst unvoreingenommen an ein Problemfeld heranzugehen, Lösungsansätze zu entwickeln und zu sehen, was dabei herauskommt. 2. Lernbiographie Meine erste Begegnung mit einer Fremdsprache reicht weit zurück. Geboren in Marienbad (Marianske Lazne), kam ich zwar vor dem Einmarsch der Deutschen nicht mehr in Berührung mit tschechischem Schulunterricht, doch hatte ich einige Tschechisch-Privatstunden. Von diesen ist mir nicht viel mehr geblieben als etwa ein Dutzend Vokabeln. Als erste Schulfremdsprache lernte ich Englisch, das, so wie ich es schon damals beurteilte, in den ersten Jahren höchst ineffizient unterrichtet wurde. Den ersten motivierenden Englischunterricht bescherte mir ein einjähriger Flüchtlings-Aufenthalt in Österreich. Ein noch recht junger Lehrer, der aus britischer Emigration zurückgekehrt war und dessen wohlklingende Stimme und eleganter Schnurrbart (so stellte ich mir einen Gentleman vor! ) mir noch gut erinnerlich sind, sprach zu seinen Schülern (es waren nur männliche) die ganze Stunde über in Englisch. Dergleichen hatte ich bisher nicht erlebt. Und überdies wußte er Interessantes aus England zu erzählen, und mochte man auch nicht alles sogleich verstehen die Neugierde war geweckt, man hörte gespannt zu. Erstaunlicherweise kannte er englische Gedichte auswendig, und man munkelte, daß er selbst welche verfertige. Ganz en passant ließ er Limericks einfließen, von denen ich einen, ohne ihn je gelernt zu haben, noch heute auswendig weiß. Die Geschichte von Romeo und Julia erzählte er mit sparsamer mimisch-gestischer Untermalung so spannend, daß FLuL 27 (] 998) 206 Heribert Rück ich das Gefühl hatte, das Drama von Shakespeare zu erleben. Zudem begann man bald mit der Lektüre eines Originalromans von A. G. Street, The Endless Furrow, (und dies in Klasse 10 in einem humanistischen Gymnasium, in dem Englisch zweite Fremdsprache war). Ich kann mich nicht erinnern, daß irgendjemand wegen des hohen Schwierigkeitsgrades aufbegehrt hätte, vielmehr wurde mit Hilfe des Wörterbuches eifrig Vokabelarbeit betrieben, und man tat sich zusammen, um Textstellen gemeinsam zu entschlüs-seln. Nach meinem subjektiven Eindruck erbrachte mir dieses Jahr mehr an Kenntnissen und Fertigkeiten als die fünf vorangegangenen, und auch auf meinem weiteren Lebensweg (Abitur und Studium in Deutschland, Ehe mit einer Engländerin) blieb mir Englisch eine wichtige und interessante Sprache, in der ich mich mit Eifer vervollkommnete, in der ich auch während des Studiums Lehrveranstaltungen besuchte und die ich heute akzentfrei und idiomatisch korrekt beherrsche. Meine zweite Schulsprache war Latein. Es wurde in der traditionellen Form unterrichtet, die ersten drei Jahre mit drakonischer Strenge, später eher liebenswürdig-locker. Als motivierend empfand ich das Fach, sobald Literatur gelesen wurde. Die vorausgehende mentale „Gymnastik" machte ich mehr nolens als volens mit, doch hatte ich im Abitur damit keine Probleme. Bedeutung sollte Latein für mich wieder im Zusammenhang mit dem Romanistik-Studium gewinnen. Dieses begann ich auf der Grundlage meiner dritten Schul-Fremdsprache, des Französischen. Es mag verwundern, daß jemand, der eine Fremdsprache nur eineinhalb Jahre lang in einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft gelernt hat, und dies in einer einzigen Doppelstunde pro Woche, gerade diese Sprache zum Gegenstand seines Studiums wählt. Für mich geschah dies vor dem Hintergrund eines Unterrichts, den ich ähnlich, wie dies bei meiner Englisch-Erfahrung in Österreich der Fall gewesen war als anregend und weiterweisend empfand. Ich muß dabei anmerken, daß von den ursprünglich 40 an der Arbeitsgemeinschaft Interessierten nach einiger Zeit nur zwei übrigblieben, daß es sich also um eine Art Privatunterricht handelte. Zur Lehrmethode ist zu sagen, daß sie sich grundlegend von der oben geschilderten unterschied. Die (sympathische) Lehrerin sprach zwar ein wohlklingendes Französisch, doch verwendete sie es nie als Unterrichtssprache (vermutlich fehlte es ihr wegen fehlender Auslandskontakte infolge der Kriegs- und Nachkriegszeit an der nötigen Geläufigkeit). Sie verstand es jedoch, französische Grammatik wirklich erhellend und interessant zu vermitteln. Anhand ausgewählter Texte gab sie Durchblicke auf Strukturen, die von den Lernenden sofort begriffen und mit Hilfe ad hoc entworfener Exercices eingeübt wurden. Dies alles ohne Lehrwerk und ohne Schulgrammatik (eine solche war gar nicht vorhanden). Nach einem Jahr ging man zur Lektüre über, und zwar wurde die keineswegs einfache - Erzählung La legende de Saint-Julien l'hospitalier von Flaubert gelesen. Den eindrucksvollen Schlußteil auswendig vorzutragen, wurde mir zur gern gelösten Aufgabe. Daß ich aufgrund des erfahrenen Unterrichts zwar hochmotiviert war, jedoch überhaupt nicht frei sprechen konnte, kann kaum verwundern. In das Studium FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlemen 207 brachte ich das vorhandene deklarative Wissen ein, prozedurales war kaum erworben und auch kaum gefordert. Die ersten Ansätze zu letzterem gewann ich während eines Ferienkurses in Paris, und später, nach dem Studium, das heißt während des Assistentenjahrs, baute ich die gewonnene Sprechfertigkeit systematisch weiter aus. Ich suchte Gesprächskontakte, hörte viel Radio, begann mit der Lektüre von A la recherche du temps perdu, las Zeitung und prägte mir gängige Redewendungen systematisch ein. Das Gefühl, ins Französische „eingetaucht" zu sein, wurde als zu nutzende Chance begriffen. Durch weitere (kürzere) Frankreichaufenthalte und Kontakte mit Französinnen und Franzosen entstand eine Beherrschung des Französischen, die heute der des Englischen gleichkommt. Die zweite romanische Sprache im Romanistikstudium war das Spanische. Der Unterricht bestand nach meiner Erinnerung darin, daß aus einem Buch reihum Sätze übersetzt oder Fragen beantwortet wurden. Die von mir erworbene Lese- und Sprechkompetenz beruht im wesentlichen auf Eigeninitiative (kurze Spanienaufenthalte, Lektüre). Erst nach dem dreißigsten Lebensjahr begann ich mit dem Erlernen des Italienischen, und zwar von einer knappen Einführung durch einen Kollegen abgesehen ebenfalls autodidaktisch. Hier gilt es anzumerken, daß mir das Italienische als besonders leicht zu lernende Sprache erschien, vermutlich aufgrund der bereits vorhandenen Kenntnisse in Latein, Französisch und Spanisch. Nach dem Erfassen der wichtigsten Regularitäten in den Bereichen Graphie, Aussprache und Morphosyntax begann ich, italienisch zu lesen, und vor allem „hörte" ich mich mit Hilfe von Audiokassetten in die Sprache „hinein". Namentlich dialogische Hörtexte, in denen möglichst natürlich (d.h. auch mit Pausen, Gambits, gelegentlichen Fehlstarts usw.) gesprochen wurde, brachten mir den reichsten Gewinn. So darf ich sagen, daß ich den größten Teil meiner rezeptiven und produktiven Kompetenz im Italienischen auf sehr intuitive Weise erworben habe. Kurze Ferien- und Arbeitsaufenthalte in Italien taten das ihre, um mein „Konversationsitalienisch" zu aktivieren und mir eine gewisse Gesprächssicherheit zu vermitteln. Erwähnt werden müssen schließlich kurze Lernerfahrungen mit Schwedisch, Neugriechisch und Suaheli, die mit dem zweisprachigen Wörterbuch vonstatten gingen, die jedoch nicht sehr weit führten und im betreffenden Land lediglich zur Minimalverständigung (z.B. nach einer Bushaltestelle fragen, einen Kurzdialog über das Wetter) ausreichten. Vor dem Hintergrund der geschilderten Lerngeschichte beschloß ich im Alter von 62 Jahren, mich der russischen Sprache als Lerngegenstand zuzuwenden. Über einige der Gründe, die zu diesem Entschluß führten, habe ich an anderer Stelle berichtet (Rück 1995: 155). Ob meine frühe und sehr rudimentäre Erfahrung mit dem Tschechischen ursächlich beteiligt war, mag dahingestellt bleiben. Erwähnen will ich noch, daß ich seit November 1997 einmal pro Woche eine Privatstunde (a 60 Minuten) in Portugiesisch nehme. Die Lehrerin wird am 23. Januar 1998 in ihre brasilianische Heimat zurückkehren, und ich kann heute noch nicht sagen, ob und eventuell wie der begonnene Lernprozeß dann eine Fortsetzung finden kann. FLuL 27 (1998) 208 Heribert Rück 3. Mögliche Prä-Kognitionen Wie ich eingangs erwähnte, ist die Ermittlung einer subjektiven Theorie im gegebenen Fall mit nicht unerheblichen Problemen behaftet. Ich gebrauche daher den Terminus „Theorie" mit Vorbehalten. Angemessener erscheinen mir Pluralformen wie 'Prä-Kognitionen' oder 'Elemente einer subjektiven Theorie', da diese signalisieren, daß es sich weniger um ein konsistentes Theoriegebäude denn um mehr oder weniger disparate Annahmen handelt, wie effektives Lernen im eigenen Lernprozeß sinnvollerweise zu organisieren sei. Wenn subjektive Theorien als komplexe und hochindividuelle kognitive Strukturen gekennzeichnet werden, die sich als "relatively stable and relatively enduring" erweisen (Grotjahn 1991: 188), so scheint mir das letztere Charakteristikum in meinem Fall gerade nicht gegeben. Natürlich waren wie bei jedem Lerner individuelle Schemata auch bei mir vorhanden, doch befanden sie sich gewissermaßen ständig auf dem Prüfstand. Um welche Art von Kognitionen, Schemata o. dgl. konnte es sich handeln? Ein Blick auf die Lernbiographie zeigt, daß sich für mich keineswegs eine bestimmte Richtung als Königsweg des Lernens abzeichnete, sondern daß offenbar recht unterschiedliche Wege zum Ziel geführt hatten. Verallgemeinernd läßt sich lediglich sagen, was nicht zum gewünschten Erfolg führte, nämlich: ein lineares Vorgehen bloß nach dem Lehrbuch, besonders dann, wenn es an methodischer Variation mangelte. Daß dies kein neuer Befund ist, versteht sich, und ich schließe mich hier häufigen Schülerklagen über einen phantasielosen und stereotypen Fremdsprachenunterricht an, der sich ausschließlich und routinemäßig am Lehrwerk orientiert. Meine ersten fünf Lernjahre Englisch und mein universitärer Spanischunterricht fallen in diese Kategorie. , Auf der Plusseite zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Da ist zum einen der von mir sehr positiv bewertete, man würde heute sagen 'input-orientierte', Unterricht, den ich ein Jahr lang im Englischen genoß. Das konsequent einsprachige Verfahren war für mich neu und hochmotivierend, die Sprachkompetenz des Lehrers faszinierend. Grammatikerklärungen, Vokabeltests usw. gab es in diesem Unterricht zwar auch, sie spielen jedoch in meiner Erinnerung nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend war das Erlebnis, Fremdsprache als Medium mitteilenswerter Inhalte wirklich zu erfahren. Ganz anders der Unterricht im Französischen. Hier spielte die Fremdsprache als mündliches Kommunikationsmittel keine Rolle. Grammatik und systematischer Wortschatzerwerb hatten einen hohen Stellenwert, doch wurden diese Prioritäten schon bald ergänzt durch die Lektüre eines als lesenswert empfundenen Textes. Dies, die Lektüre von (literarischen) Originaltexten, war beiden Verfahrensweisen gemeinsam. Beide Wege führten zum Ziel. Daß in beiden Fällen die Lehrerpersönlichkeit eine tragende Rolle spielte, steht außer Frage. Hatte man in dem einen Fall den Eindruck, daß der Unterrichtende die Sprache und Kultur des anderen Landes tatsächlich lebte, so bestachen in dem anderen die engagierte Auseinandersetzung mit dem Sprachsystem und die Art der Vermittlung eine Vermittlung, wie sie von Didaktikern bereits früh gefordert wurde (z. B. Poch FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlemen 209 1931, in Christ 1985: 167) und wie sie später unter dem Begriff der 'didaktischen Grammatik' firmieren sollte (vgl. dazu etwa die Beiträge in Bausch 1979 sowie Zimmermann/ Wißner-Kurzawa 1985). Waren in den beiden genannten Fällen wesentliche Impulse von der Lehrerin bzw. dem Lehrer ausgegangen (Empathie war in hohem Maß im Spiel), so galt gleiches nicht für die beiden anderen von mir gelernten Sprachen. Hier war ich in der Hauptsache auf mich selbst gestellt, und insofern sind Spanisch und insbesondere Italienisch (das ich besser beherrsche) von besonderer Bedeutung für meine weitere Lerngeschichte. Die theoretische Annahme, die ich aus dem Umgang mit dem Italienischen ableitete, war - und hier sah ich nachträglich Krashen bestätigt -, daß man eine Sprache lernen kann, indem man zu ihr viel und in vielfältiger Weise in Kontakt tritt. Nicht selten kam ich Regularitäten des Italienischen über den von mir selbst ausgewählten Input auf die Spur, und Grammatik- und auch Vokabelarbeit (etwa im Sinne des Herausschreibens und Lernens von Wörtern) konnten im Vorgang des Lernens weitgehend unterbleiben. Wenn Schüler/ -innen in den von Kallenbach (1996) dokumentierten Interviews immer wieder zwischen zwei Formen des Lernens unterscheiden, einer kognitivistischen (in der Schule) und einer intuitiven (im fremdsprachigen Ausland), so entspricht mein Italienisch- Lernen im wesentlichen der zweiten. 4. Lernsprache Russisch Wie gestaltete sich vor dem Hintergrund der skizzierten Prä-Kognitionen mein Lernvorgang im Russischen? Ich hielt einen Kompaktkurs Russisch an der Volkshochschule für sinnvoll, weil allein schon das kyrillische Schriftsystem eine Sperre bedeutet, die man ohne Anleitung nur schwer überwindet. Bereits ein Blick in ein Russisch-Lehrwerk zeigt, daß die Relationierung von graphemischen und phonemischen Typen ohne Hilfe nur schwer zu leisten ist. In der Tat beschäftigten sich die ersten Kurs-Veranstaltungen intensiv mit der Schrift, dann folgten kleine Dialoge. Bald wurde ich jedoch enttäuscht, zum einen, weil die Methodik allzu deutlich dem Behaviorismus verpflichtet war (von der sogenannten 'kognitiven Wende' war also wie dies z. B. Quetz 1997: 15-16 für den VHS-Sprachunterricht allgemein konstatiert kaum etwas zu spüren), zum anderen, weil ich über wichtige Phänomene der Schrift und der Aussprache keine Auskunft erhielt. So konnte man mir nicht erklären, was es mit dem ständig wiederkehrenden 'Weichheitszeichen' auf sich hatte. Es hieß schließlich, dies sei nur eine Konvention, die man zwar beim Schreiben beachten müsse, die aber für die Aussprache keine Bedeutung habe. Erst später wurde mir klar, daß der sogenannten 'Weichheit' und 'Härte' von Konsonanten distinktive Bedeutung zukommt. Vernachlässigt wurde auch die phonologisch wichtige Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten, das Phänomen der Konsonantenverhärtung, die Artikulationsweise des 1,1 oder des x (weder dem Ich- FLuL 27 (1998) 210 Heribert Rück noch dem Ach-Laut im Deutschen ganz entsprechend) usw. Ich hätte also schon hier der Empfehlung des genialen Burgess (1975: 144) folgen, den Kurs kündigen und mein Geld zurückverlangen können. Ich tat es nicht, sondern hielt eineinhalb Kurse lang durch, bis mir schließlich sowohl das Lehrwerk 3,D; paBCTBYHTe! als auch die auf bloßes Einüben beschränkte Unterrichtsweise (bei aller Sympathie für die Lehrerin) so gründlich mißfielen, daß ich nicht mehr bereit war, den mit dem Kurs verbundenen Aufwand (lange Anfahrt, verdorbenes Wochenende) auf mich zu nehmen. Ich folgte nun doch Burgess' Empfehlung: Go home and start teaching yourself (141). Ich hatte die Diskussion um die Suggestopädie mit skeptischem Interesse verfolgt und mir bereits während meines VHS-Lernens einen entsprechenden Kurs - IIporyJIKa c KJIOYHOM besorgt . Nun wollte ich diese Methode systematisch erproben. Über die entsprechenden Erfahrungen habe ich anderwärts (op. cit.) berichtet. Ich fasse lediglich zusammen: Die so erworbene größere Vertrautheit mit der russischen Sprache konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die eigentliche Aufgabe noch auf mich wartete, nämlich mich über das eingeprägte und relativ stereotype Sprachwissen hinaus in das sehr komplexe System und die schwer durchschaubare Lexik des Russischen einzuarbeiten. Denn mir war mittlerweile klar geworden, daß Russisch für mich eine nicht leicht zu lernende Sprache war. Dem Urteil, es handle sich um „einen überaus schwierigen Lerngegenstand" (Hartenstein 1996: 25) kann ich nur beipflichten. Nicht nur das komplizierte Kasussystem, die vertrackte Aspektlehre und der wechselnde Akzent (im Gegensatz zum Tschechischen, das immer die erste Silbe betont) geben dem Lernenden Probleme auf. Auch und gerade angesichts des Wortschatzes sah ich mich vor Schwierigkeiten gestellt, wie ich sie bisher in diesem Umfang nicht kannte. Mag man beim Lernen russischer Vokabeln auch auf mancherlei Germanismen stoßen, und das Russische hat deren deutlich mehr als das Englische oder die romanischen Sprachen, so bleibt die russische Lexik doch insgesamt äußerst sperrig. Ähnlich wie der deutsche Wortschatz ist der des Russischen „relativ isoliert" (Volmert 1990: 121). Das heißt, daß sich eine beträchtliche Zahl russischer Lexeme nicht zu Wörtern anderer Sprachen in Beziehung setzen läßt. Internationalismen, die in den von mir bis dato erworbenen Sprachen nicht eigens gelernt werden mußten, wie engl. frz. it. sp. nature nature natura naturaleza existence existence esistenza existencia dimension dimension dimensione dimensi6n State Etat Stato Estado erschienen nun in völlig anderem Gewand, denn im Russischen heißt Natur rrpHpo,D; a (prir6da), Existenz cyrn; ecTBOBaHHe (suscestvovanie), Dimension H3MepeHHe (izmerenie) und Staat rocy,D; apcTBo (gosudarstvo). Zwar gibt es Gegenbeispiele, FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 211 doch meine Erfahrung war, daß einem die Vertrautheit mit Internationalismen im Russischen sehr oft nicht weiterhilft. Wenn De Florio-Hansen (1994) feststellt, daß in einer Italienisch-Lektion die Kursteilnehmer „nur bei etwa 10% der im Unterricht behandelten zielsprachigen Lexeme nicht an ihr sprachliches Vorwissen [...] anknüpfen konnten" (409), so deckt sich diese Beobachtung mit meinen Erfahrungen im Portugiesischen. In Einheit 4 des Lehrbuchs Vamos ld waren für mich von 128 Items des Vokabulars nur 13 nicht aus den mir bekannten Sprachen zu erschließen, und auch diese wenigen Wörter konnten zum Teil kontextuell erraten werden. Im Russischen hingegen war im Bereich der Lexik wirkliches Lernen angesagt. Wie sollte dieses vonstatten gehen? Ich verließ mich auf meine positiven Erfahrungen mit Immersion. Um mich mit unterschiedlich aufbereitetem und wie ich hoffte sich wechselseitig erhellendem Sprachmaterial zu versorgen, erwarb ich zusätzlich zu den bereits vorhandenen noch drei weitere Lehrwerke, nämlich: foBopid (Klett), Russisch bitte! (Langenscheidt) und Russisch ohne Mühe (Assimil). Den Input verschaffte ich mir zunächst auf akustischem Weg, indem ich auf den jeweils zweistündigen Fahrten zum und vom Dienstort die zu den Lehrwerken gehörenden Kassetten hörte, wobei ich nicht konsequent „schichtenweise" vorging, sondern gelegentlich auch in einem Lehrwerk einige Lektionen voraneilte, um mich dann den beiden anderen Werken zuzuwenden. Zunächst hatte ich nur geringe Verstehensprobleme, doch mit zunehmender Komplexität der Texte wurde der Rückgriff auf die schriftlichen Versionen in den Lehrbüchern unerläßlich. Es erwies sich, daß die drei Lehrwerke mit unterschiedlichen Vorzügen aufwarten konnten, das heißt hier konkret: Während die (von lonesco in Mißkredit gebrachte, jedoch insgesamt keineswegs stumpfsinnige) Assimil-Methode ähnlich übrigens wie der suggestopädische Kurs auf relativ langsames, gut rezipierbares Sprechen setzt (wobei sich freilich das Tempo im Verlauf des Kurses etwas steigert), huldigen die beiden anderen Werke mehr dem Ideologem der „normalen Sprechgeschwindigkeit". Beides war jedoch erforderlich. Ich wollte einerseits die Artikulation der Laute genau wahrnehmen und Sprechsegmente klar erkennen, andererseits aber auch die Sprache in möglichst natürlicher Form erfassen. Als ein besonderer Vorzug von Russisch ohne Mühe erschien mir, daß schon relativ früh kleine Gedichte, Lieder und Anekdoten eingestreut waren. Durch mehrfaches Hören prägte ich mir diese Texte zum Teil in toto ein, so daß ich sie auswendig reproduzieren konnte. Bei späteren Kommunikationsversuchen mit Russen kam mir dieser Schatz an Texten zustatten, weil es sich um ein kulturelles Erbe handelt, bei dem man ein den Kommunikationspartnern gemeinsam vertrautes Terrain betritt und eine Art emotionaler Gleichgestimmtheit erzeugt. Systematische Grammatik- und Vokabelarbeit (im Sinne des Einprägens von Listen) waren an diesem Lernen zunächst kaum beteiligt. Dazu hatte ich weder Lust noch Zeit. Außerdem wollte ich ja wieder einmal erproben, wie ein Sprachenlernen abseits der ausgetretenen Pfade vor sich ging. Ich vertraute auf die Möglichkeit vorbewußter Sprachaufnahme und auf implizite Regelbildungen. Doch wurde mir bald in aller Deutlichkeit bewußt, daß für den Lernenden FLuL 27 (1998) 212 Heribert Rück Sprache eben nicht gleich Sprache ist. Die besondere Fremdheit und Schwierigkeit des Russischen erlaubten es mir nicht, etwa wie dies beim Lernen des Italienischen der Fall gewesen war und wie es sich neuerdings wieder mit Bezug auf das Portugiesische erweist mich von einer vertrauten Insel des Wissens zur anderen gleichsam tragen zu lassen. Hier war fremdes Gewässer weit und breit. Dann und wann ein Wort deutschen, französischen oder englischen Ursprungs. Zu wenig, um sich zurechtzufinden. Trotz dieser Einschränkung war der Befund des Versuchs, mich hörend und lesend in die Sprache hineinzubegeben, insgesamt keineswegs negativ. Ein besonderer Lerneffekt ergab sich aus dem Wiederfinden von bereits Gehörtem oder Gelesenem. Ein Wort, eine Redewendung, eine Struktur, die mir auf dem einen Tonträger begegneten, tauchten auf dem zweiten oder dritten in anderem Zusammenhang wieder auf. Dies war stets verbunden mit Entdeckerfreude. Man mag dies übertrieben finden, doch es war wirklich so: In diese so fremdartige Sprache, die zunächst wie ein undurchdringliches Gestrüpp erschien, allmählich einzudringen, war zwar mühsam, doch der Lohn bestand in der Freude des Erforschens und Entdeckens. Da ja ein Bezugsnetz, wie ich es bei den selbst erlernten romanischen Sprachen vorgefunden hatte, kaum vorhanden war, mußte ich mir ein solches erst erschaffen. Um die Möglichkeiten der Vernetzung zu erhöhen, ließ ich es nicht bei den mir zur Verfügung stehenden Lehrwerken bewenden, sondern griff bald auch zu einfachen Lektüren. Hilfreich waren zweisprachige Ausgaben. Sie ersparten mir das lästige Nachschlagen im Wörterbuch. Was mir beim Sprachenlernen immer wieder aufgefallen war, erwies sich auch hier: Wenn man einer Sprache viel und in unterschiedlichen Kontexten begegnet, arbeitet sie in einem weiter. Was Vygotskij (1964) als 'innere Rede' bezeichnet, ist eine Realität, mit der jeder Sprachenlerner rechnen kann. Ich stellte fest, daß Bruchstücke von Gehörtem oder Gelesenem plötzlich auftauchten, daß ich sie innerlich sprach, Versatzstücke zu kombinieren versuchte, Strukturen ausprobierte. Gelegentlich wurde die innere Rede zur äußeren (was, wie ich gestehe, für die Umgebung lästig werden konnte) . .Wie viel von alledem war unbewußt, vorbewußt, bewußt? Ich wage dies nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint mir ein höheres Maß an Bewußtheit im Spiel gewesen zu sein, als ich es ursprünglich vorausgesetzt hatte. Die erwähnte Sperrigkeit der Lexik, die Komplexität der Grammatik ließen bei der mir möglichen Form der Kontaktnahme mit der Sprache ein reines Input-Lernen im Sinne von Krashens Theorem als illusorisch erscheinen. Mir fehlten die Ansprechpartner, die mir hätten Feedback geben können, die mir als Korrektoren zur Verfügung gestanden hätten, und erst recht fehlten mir all die Lebensbezüge, die beim Umgang mit Sprechern der anderen Sprache so eminent wichtig sind, um lexikalisches und strukturelles Wissen im mentalen Lexikon zu verankern. Von den mehr oder weniger bewußten Verfahren, die ich anwandte, um die im Fall des Russischen oft schwierige Vernetzung zu erzielen, habe ich bereits (op. cit.) berichtet. Ich gebe hier einige weitere Beispiele: FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 213 (1) Derivation. Ich stieß immer wieder auf Wörter, die mir bei der ersten Begegnung fremd erschienen, die sich jedoch bei näherem Hinsehen als mit anderen verwandt erwiesen. So stutzte ich etwa bei dem Wort po.n; cTBeHHHK (r6dstvennik = Verwandter), das mir in dem Satz OH po.n; cTBeHHHK 3Toil: .n; aMbI (on r6dstvennik etoj damy = Er ist ein Verwandter dieser Dame) begegnete. Doch plötzlich wurde mir klar, daß das Wort mit dem mir bereits bekannten po.n; HTeJIH (rodfteli = Eltern) sowohl inhaltlich als auch formal im wahrsten Sinn des Wortes "verwandt" war. Ähnlich erging es mir mit Wörtern wie HeBepo.SITHbIH (neverojatnyj = unglaublich), in dem ich Bepa (vera = Glaube) und BepHTb (verft' = glauben) erkannte und das ich später mit He.n; OBepqHBbIH (nedovercivyj = ungläubig) in Beziehung setzen konnte. Oder: In dem Syntagma rrpe.n; cTaBbTe ceoe (predstav'te sebe = Stellen Sie sich vor! ) steckt natürlich CTO.SITb (stojat' = stehen) und ycTaBJI.SITb (ustavljat' = hinstellen), und in dem später angetroffenen cocTO.SIHHe (sostojanie = Zustand) war die Beziehung ebenfalls transparent. (2) Feldstrukturen. Daß Wortfeldarbeit sinnvoll ist, wurde immer wieder betont. Ich kann diesen Befund nur bestätigen. So habe ich mir, nachdem ich etwa den Wörtern CTOJI (stol = Tisch) und CTYJI (stul = Stuhl) in einer Lektion begegnet war, mit Hilfe des Wörterbuchs auch· Kpecno (kreslo = Sessel) und mKa<p (skaf = Schrank) eingeprägt. Später kamen KpyrnhIH CT0JI (kniglyj stol = runder Tisch) und rrHCbMeHHbIH CTOJI (pfs'mennyj stol = Schreibtisch) hinzu. Ähnliches wie für 'Möbel' galt für 'Teile des Gesichts', 'Körperteile' usw. (3) Mnemotechniken. Spezielle Merktechniken (volkstümlich auch „Eselsbrükken" genannt), wie sie von Sperber (1989) ausführlich beschrieben worden sind, waren angesichts der Schwierigkeit der russischen Lexik immer dann eine unerläßliche Hilfe, wenn andere Verfahren (etwa: Erkennen von Fremdwörtern, Derivation) versagten. Unterschiedliche Verfahren kamen dabei zur Anwendung, nämlich: (a) Klangassoziationen: Manche Wörter schienen mir in ihrem Klang etwas von dem zu enthalten, was sie bezeichneten, sie waren also für mich in gewisser Weise motiviert. Dabei handelte es sich keineswegs nur um solch offensichtlich lautmalende Wörter wie merrTaTb (septat' = flüstern) oder qMoKaTb (cm6kat' = schmatzen), sondern oft um ganz subjektive Laut-Sinn-Verbindungen. So klingt für mich das Wort rp.SI3HbIH (grjaznyj) wirklich wie das, was es bedeutet, nämlich 'schmutzig' (der Anklang an 'gräßlich' mag dabei eine Rolle spielen). Ähnliches gilt für MOKpo (m6kro = naß), das mich wohl auch an 'Moder' erinnert. Recht naheliegend waren für mich Assoziationen wie crraTb (spat' = schlafen), das ich mit 'spät' in Verbindung brachte (wenn ich zu Bett gehe, ist es meistens spät) oder ropno (g6rlo = Hals), das mich an das deutsche 'Gurgel' erinnerte. Bei CJIOH (slon = Elefant) hörte ich das dumpfe Tappen der Elefantenfüße, bei Kpb1ca (krysa = Ratte) den schrillen Schrei dieses Tieres. (b) Bilder: Wo der unmittelbare Weg vom Klang zum Sinn versagte, baute ich mir Bilder auf, die mir eine Zeitlang als Merkhilfe dienten, die jedoch später, wenn sie ihren Dienst getan hatten, wieder gelöscht wurden. So merkte ich mir etwa das Wort für Hand/ Arm pyKa (ruka) das Russische hat dafür nur ein Lexem-, indem FLuL 27 (1998) 214 Heribert Rück ich mir einen Menschen vorstellte, der Arm und Hand immer ruckartig bewegt. Bei dem Wort für 'spazieren gehen' rym1Th (guljat') stellte ich mir vor: "Spazieren geht der Goliath". Das russische Wort für 'Glas' lautet cTeirno (stekl6) wie soll man sich das merken? Mir half die Vorstellung: "Ich schaue durchs Glas (des Fensters); die Nacht: sternklar". KaHMKYJihI (kanikuly = Ferien): "In den Ferien beschäftige ich mich mit meinen Karnickeln" (ich besitze keine, doch was tut es? ). (c) Reime: Zuweilen griff ich, um mir ein Wort zu merken, zum Mittel des Reims. Das Ergebnis war oft so unsinnig, daß ich es nicht ohne Hemmungen wiedergebe. Ein Beispiel: qeMo,n; aH (cemodan) heißt „Koffer". Mein Merkreim: "Na, wohin gemma (gehn wir) dann/ mit'm cemodan? " (4) Routinen. Syntagmatische Strukturen, die als Routinen in Verstehens- und Produktionsprozesse eingehen, sind, wie in der Forschung immer wieder betont wird, von grundlegender Bedeutung für den Fremdsprachenerwerb (so etwa Raupach 1984, Wolff 1992). Nattinger/ DeCarrico (1989) sprechen von lexical phrases: Lexical phrases are in fact basic to language performance; they are pervasive because they seem to be characteristic of the 'chunking' processes we use to comprehend and to speak (119). Ich kann diesen Befund bestätigen. Er stand auch im Einklang mit den aus früheren Lernprozessen gewonnenen Präkognitionen. Ich brauche hier nicht auf bewährte Redemittelinventare für Interaktionsfelder wie 'Einkaufen', 'Nach dem Weg fragen' oder 'Ein Essen bestellen' einzugehen, sondern verweise auf für mich wichtig gewordene Routinen wie 'Um Übersetzung bitten', KaK cKa3aTb no-pyccKM, 'Treppe'? - Wie sagt man auf russisch für 'Treppe' oder, als Antwort auf ein Kompliment, B1,1 oqeHb cBo6o,n; Ho roBopnTe nopyccKM (Sie sprechen sehr fließend Russisch), der Bescheidenheitstopos: 5I TOJibKO 3aHMMaIOCh pyccKMM JI3hIKOM (Ich beschäftige mich nur mit der russischen Sprache). Wichtig waren für mich immer Routinen, die es mir ermöglichten, im Gespräch zu bleiben, die es verhinderten, daß ich als soziales, handelndes Wesen aus der Interaktion herausfiel und begriffsstutzig nach Worten rang. Allerdings sind Routinen keineswegs alles. Wie ich darzulegen versuchte, habe ich eine beträchtliche Zahl von Wörtern mit Hilfe unterschiedlicher Prozeduren isoliert gespeichert und hatte viele von ihnen in entsprechenden Situationen durchaus verfügbar. Ich kann also dem Urteil mancher Didaktiker, isolierte Wörter seien „wertlos" (so Doye 1971: 95), nicht zustimmen. Auch Wörter wie 'Brot' oder 'Salz' lernte ich als isolierte Lexeme und konnte sie später beim Einkaufen auf einem russischen Markt mühelos einsetzen. Ferner müssen auch global gelernte Routinen irgendwann in ihrer Struktur durchschaut und in ihren Elementen verfügbar werden, weil der Lernende sonst auf der Stufe eines performing without competence (Clark 1974) verharrt. Im übrigen stimme ich Edmondson zu, wenn er "Kontextbezogenheit bei Wortschatzarbeit nicht als eine Entweder-/ oder-Entscheidung" diskutiert sehen möchte (Edmondson 1995: 60). (5) Grammatik. Der Erwerb von Grammatik figuriert hier nachrangig. Dies mag verwundern angesichts der Grundüberzeugung der meisten Fremdsprachenlerner und auch -lehrer, daß der Weg zur fremdsprachlichen Kompetenz unter 'nicht- FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 215 natürlichen' Bedingungen nur über die Grammatik führen kann (vgl. Zimmermann 1989). In meinem Lernprozeß jedoch spielte Grammatik eine untergeordnete Rolle. Ich verhielt mich im großen und ganzen entsprechend Freudensteins Forderung: „Vokabeln statt Grammatik" (Freudenstein 1995). Allerdings muß ich gestehen, daß meine etwas naive Annahme, ich würde die Grammatik durch ausgedehntes Hören und Lesen „schon irgendwie mitbekommen", nur in Grenzen bestätigt wurde. Das morpho-syntaktische System des Russischen ist viel zu komplex, als daß ein Lerner unter den in meinem Fall gegebenen Bedingungen es immer intuitiv erfassen könnte, und ich war sehr dankbar für die auf den Tonträgern zu foBopH! eingestreuten, launig-humorvoll konzipierten Grammatik-Instruktionen, die mir Durchblicke verschafften, wie sie mir durch eigenes Inferieren und Reflektieren zum mindesten in dieser Schnelligkeit nicht möglich gewesen wären. Deklaratives Wissen spielte die Rolle eines facilitator of ultimate procedural knowledge (Ellis 1990: 170). Nicht selten fühlte ich mich gestrandet bei Formen, für die ich bisher keine Erklärung gefunden hatte. Ich mußte dann in einem Grammatikbuch nachsehen und empfand Aha-Effekte. Oft wurde mir das Fehlen eines Lehrers oder einer Lehrerin als Mangel bewußt, da sie mir einerseits als Erklärende, andererseits aber auch als „Partner zum Ausprobieren von Sprache" wichtig gewesen wären. (6) Die Rolle der Muttersprache. Daß ein Fremdsprachenlernen unter Ausschluß der Muttersprache (vgl. van Parreren 1963) eine Illusion ist, braucht heute nicht weiter begründet zu werden. Das Deutsche war in meinem Lernprozeß sowohl unter lexikalischem als auch unter grammatischem Aspekt stets präsent. Auch wenn ich meinte, ein Wort aus dem Kontext recht klar erschlossen zu haben, fühlte ich mich nicht selten versucht, es außerdem im zweisprachigen Wörterbuch nachzuschlagen, um mich seiner Bedeutung zu vergewissern. Dabei war ich mir durchaus darüber im klaren, daß scheinbar bedeutungsgleiche Wörter in unterschiedlichen Sprachen intensional und extensional meist differieren, doch war für mich das deutsche Äquivalent ein wichtiger Schlüssel für weiteres, kontextbezogenes Lernen. Worterklärungen auf russisch, wie sie sich gelegentlich in Lektüren finden, empfand ich als lästig. Die einst so verteufelten „Vokabelgleichungen" hingegen erwiesen sich mir, und hier kann ich Scherfers Diktum bestätigen, "durchaus als sehr effektiv" (Scherfer 1994: 205). Eine 'Lernregel' "Keine Angst vor Vokabelgleichungen Muttersprache-Fremdsprache" (Börner 1996: 31) findet meine Zustimmung, und die neuerdings wieder erhobenen Bedenken gegen zweisprachiges Vokabellernen (Elliott/ Adepoja 1997) erscheinen mir nach den von mir gemachten Erfahrungen kaum gerechtfertigt. 5. Abschließende Bewertung Obwohl bei der Beschreibung einiger Strategien im Lernprozeß Prä-Kognitionen bereits partiell mitreflektiert wurden, soll hier nochmals rückschauend der Frage nachgegangen werden, inwieweit die durch lernbiographische und forschungsabhän- FLuL 27 (1998) 216 Heribert Rück gige Faktoren gegebenen kognitiven Voraussetzungen eventuell bestätigt oder falsifiziert bzw. verändert wurden. Als vielleicht wesentlichster Befund hat sich mir beim Erlernen des Russischen die Einsicht ergeben, daß abhängig vom Fremdheitsgrad der zu lernenden Sprache jeweils unterschiedliche Probleme auftreten können, die eine Anpassung des strategischen Zugriffs erforderlich machen. Sowohl im Bereich der Lexik als auch der Grammatik mußte von mir im Bereich des Russischen in sehr viel stärkerem Maß das Bewußtsein eingeschaltet werden, als dies beim autodidaktischen Erlernen etwa des Italienischen der Fall gewesen war. Kognitivistische Verfahrensweisen wie Mnemotechniken oder die mentale Repräsentation von Flexionsparadigmen gewannen für mich in dem Maße an Bedeutung, wie das bloße Memorieren von Routinen als zwar nützlich, aber eben nicht ausreichend empfunden wurde. Routinen aufzubrechen und im Rückgriff auf gewußte Regeln und Wortbestände eigene Sätze zu bilden, wurde mir zum dringenden Desiderat. Daß eine derartige Zielsetzung für jegliches Sprachenlernen gilt, steht außer Zweifel, doch scheinen mir die entsprechenden Prozesse im Italienischen sehr viel stärker intuitiv abgelaufen zu sein als im Russischen. Damit will ich die Anfangshypothese, die über meiner Entscheidung für autodidaktisches Lernen stand, nicht außer Kraft setzen. Ich war von der Annahme ausgegangen, daß ich mir durch ausgedehntes Hören und Lesen russischer Texte Sprache tatsächlich ohne allzu große Mühe würde aneignen können. Dies traf nur in Grenzen zu. Doch mochten auch die phonetische, lexikalische und morphosyntaktische Unvertrautheit des Russischen sowie die Fremdheit des Schriftsystems immer wieder spezifische Probleme aufwerfen, so kann ich immerhin vermuten, daß der von mir bis heute erworbene Kompetenzgrad zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf mein gezieltes Input-Lernen zurückzuführen ist. Zum einen hätten sich mir ohne meine weit ausgreifenden Sprachkontakte bestimmte zu erkundende Problemfelder gar nicht erst eröffnet - und gerade aus ihnen entsprang ja ein erheblicher Teil der Entdeckerfreude, die mein Lernen so motivierend und psychologisch befriedigend gestaltete -, zum anderen wäre die relative Leichtigkeit, mit der ich mich heute auf Verständigungsprozesse in russischer Sprache einzulassen vermag, auf andere Weise wohl kaum zu erreichen gewesen. Ich muß dabei immer wieder betonen, daß ich auf mich selbst gestellt war und daß vor allem der Kontakt mit nativen Sprechern des Russischen zunächst ganz fehlte und im weiteren Verlauf nur punktuell oder in sehr kurzen Phasen erfolgte. Auf diese Sprachbegegnungen muß hier näher eingegangen werden, weil sie (und dies gilt natürlich für jegliches Sprachenlernen) die eigentliche Bewährungsprobe darstellen. Wie also verliefen meine Kommunikationsversuche mit Russinnen und Russen? Die erste Konversationserfahrung (sie ergab sich nach der suggestopädischen Phase) bietet das bekannte Bild eines Menschen, der zwei bis drei seiner Routinen auftischt und sich vom Response der Gesprächspartnerin überfordert sieht. Wie erleichternd, wenn man dann ins Deutsche wechseln kann! Einige Monate später hatte ich Gelegenheit zu einem Kurzaufenthalt an der sibirischen Partneruni- FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 217 versität Kemerovo. Wie bereits bei meinem ersten Frankreichaufenthalt war ich fasziniert von der neuen Sprachwirklichkeit. Auf der. einstündigen Taxifahrt zum Moskauer Inlandsflughafen. entzifferte ich begierig jedes Straßenschild, hatte aber dem Fahrer außer einigen Floskeln über das Wetter usw. enttäuschend wenig zu sagen. Mein Problem: Ich verstand immer noch sehr schlecht, was der andere zu mir sagte. Leichtes Inferieren und Kombinieren, wie in den romanischen Sprachen möglich, war mir versagt. Die folgenden Tage an der Partneruniversität brachten Gesprächskontakte überwiegend in Deutsch, Französisch und Englisch. Ich versäumte jedoch keine Gelegenheit, mich auch im Russischen zu versuchen, ging in Geschäfte, auf den Markt und hatte mit meinen noch durchaus rudimentären Einkaufsversuchen Erfolg. Wieder einmal wurde mir der ganz singuläre Wert der sprachlichen Lebenswirklichkeit bewußt. Ich horchte auf Dialoge Dritter und war froh, Bruchstücke zu verstehen. Wörter, die ich nonverbal (durch Zeigen auf einen Gegenstand) ermittelte, hafteten wesentlich besser als alles von der Kassette Gehörte. Als ich bei einem Spaziergang eine Passantin bitten wollte, als Photographin zur Verfügung zu stehen, fragte ich meine Begleiterin, wie ich die Bitte formulieren müßte. Monrn: 61,1 BM Hac cpoTOrpaqmpoBaTh (Mogli by vy nas fotografirovat'? ). Diesen Satz werde ich kaum je wieder vergessen. Es versteht sich, daß derartige Lernerfolge sich vor dem Hintergrund des bereits in der Isolation Gelernten vollzogen. Der Boden war bereitet: Neues wurde begierig aufgenommen, vorher Gelerntes dankbar wiedererkannt. Allerdings muß ich gestehen, daß ich zuweilen ein Wort zwar in seiner Klangform erkannte, ihm jedoch keinen Sinn zuordnen konnte. Der reale Kontext entfremdete mich dem Inhalt der Wörter. Sie waren in meinem mentalen Lexikon lediglich noch als Hülsen vorhanden, ihre Bedeutung mußte ich mittels Wörterbuch erneut aufrufen. In diesem Zusammenhang kann ich sagen: Eine der wichtigsten Lernhilfen war für mich, wie bereits bei allem vorherigen Sprachenlernen, das zweisprachige Wörterbuch. Ich bin seither noch dreimal zu Kurzaufenthalten (jeweils 7 bis 10 Tage) in Rußland gewesen, und von jedem der Besuche habe ich sprachlich profitiert. Die Dialektik von „Lernen unter Laborbedingungen" und realer Praxis bewährte sich. Immer wieder geschieht es jetzt, daß ich in einem französisch oder deutsch geführten Gespräch ins Russische wechsle. Den Preis für die Taxifahrt handle ich in der Landessprache aus, weil mein Russisch in der Regel besser ist als das Englisch des Fahrers. Während der Fahrt bin ich nicht mehr auf stereotype Wendungen angewiesen, sondern frage z. B. nach den Lebensverhältnissen im heutigen Rußland und verstehe die Ausführungen des Gesprächspartners. Verstehensprobleme bestehen allerdings weiter, wenn Russen sich untereinander über mir nicht bekannte Gegenstände unterhalten. Im Rückblick auf meine Lernbiographie ergibt sich mir der Eindruck, daß bestimmte einander zum Teil widersprechende Prä-Kognitionen sich beim Erlernen des Russischen ergänzend bestätigen. War mein Englischlernen in einer bestimmten Phase an durch die sinnenhafte Begegnung mit der Fremdsprache positiv geprägt, so dominierte in der Anfangsphase des Französischen der rationale Zugriff. Beide FLuL 27 (1998) 218 Heribert Rück Zugänge waren für mich im Russischen in gleicher Weise wichtig. Allerdings erfolgten die Rationalisierungen, ohne die ich nicht auskommen konnte, unsystematisch, ad hoc und sehr individuell. Wie bei meinem früheren autodidaktischen Lernen erwarb ich Fremdsprache nicht in zielgerichtetem Nacheinander, sondern gleichsam (die Metapher sei erlaubt) "polyphon". Auch in dieser Hinsicht bestätigte sich meine subjektive Theorie, sofern von einer solchen die Rede sein kann. Kongruent waren meine neuen Lernerfahrungen mit vorher gemachten auch hinsichtlich der Bedeutung, die ich literarischen Texten bei der Reflexion über meinen Lernfortschritt beimesse. Wie erinnerlich, verdanke ich meine positive Einstellung zum Lernbereich „Fremdsprachen" unter anderem dem Reiz, der für mich von Literatur ausging. Diese Wirkung des Literarischen läßt sich sicher nicht verallgemeinern, sie ist jedoch bei mir eine Tatsache. Literatur half mir dabei, mich in die Sprache „hineinzulesen". Zwar bedeutete Literarität einerseits Erschwernis, insofern man es nicht selten mit ausgefallenen, nicht ohne weiteres wiederverwendbaren Vokabularien zu tun hat, doch war für mich der Anreiz, eine Geschichte von Cechov zu lesen, ungleich größer als der, ein Informationsblatt zu entziffern oder mich mit einem Zeitungsartikel zu beschäftigen. Wenn auch gebremst durch die Fremdheit des Mediums und trotz notwendiger Zuhilfenahme von Mitteln wie Wörterbuch oder Übersetzung, war der Genuß, der für mich in literarischem Lesen lag, immer ein starkes Movens zur Fortsetzung des Lernprozesses. In einer Phase nächtlichen Wachseins wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, mich mit einem Artikel über den Gesundheitszustand von Boris Jelzin zu beschäftigen. Doch ein Gedicht von Nekrasov wie f,o; e TBoe mi: qMKo cMyrnoe / Hhrnqe cMeeTCJI, KOMy? (Gde tvoe Heiko smugloe/ Nynce smeetsja, komu? = Wo ist dein braunes Gesichtchen / Jetzt lacht es und wem? ) war mir reines Vergnügen. Daß ich, was mir gefiel, auch mühelos, gewissermaßen en passant, oft auswendig lernte, erwähnte ich in Kapitel 2. Ich halte mittlerweile sehr viel vom Auswendiglernen, nicht nur, weil man davon das eine oder andere gesprächsweise zitieren kann, sondern auch und vor allem, weil solche gewußten Texte Inseln des Vertrauten darstellen, auf die man beim Erlernen grammatischer Muster oder lexikalischer Bestände gerne zurückgreift. Alles in allem meine ich hinsichtlich meines Russischlernens ein positives Ergebnis konstatieren zu können. Zwar gibt es noch Defizite im lexikalischen und Unsicherheiten im grammatischen Bereich (etwa in der Anwendung der Aspektformen), doch ist dies kein Grund zur Resignation, sondern Anreiz zu weiterem Lernen. Immer wieder einmal hatte ich das Gefühl, auf der Stelle zu treten, um dann erstaunt festzustellen, daß sich tatsächlich und von mir unbemerkt ein Fortschritt ergeben hatte. Dies erwies sich etwa im Bereich der Lektüre: Ein vor einem halben Jahr noch schwer zugänglicher Text erwies sich mit einemmal als relativ gut lesbar. Auch bei meinen Rußlandaufenthalten zeigte sich von Mal zu Mal der bereits erwähnte Zugewinn. Beides war erneut ein Indiz dafür, daß sprachliches Lernen sich offenbar in sehr viel stärkerem Maß unterhalb der Bewußtseinsschwelle abspielt, als dies z. B. für naturwissenschaftliche Lernprozesse gelten dürfte. FLuL 27 (1998) Subjektive Theorie und autodidaktisches Sprachenlernen 219 Subjektive Theorie: Bestätigung oder Revision? Wie erkennbar, haben sich meine biographisch vorgegebenen und manche meiner wissenschaftlich-theoretisch begründeten Annahmen weithin bestätigt. Allerdings ergaben sich Modifikationen aus der Spezifik der zu lernenden Sprache. Daß alle hier gemachten Aussagen unter dem Vorbehalt der Subjektivität stehen, habe ich mehrfach betont. Dies bedeutet: Angesichts der Subjekt-Objekt-Identität war ein empirisches Vorgehen ausgeschlossen. Es verblieb als einziger Forschungszugang der hermeneutische. Dieser wurde gewählt. Mehr war in diesem Fall nicht zu vertreten. Bibliographische Angaben BAUSCH, Karl-Richard (1979): Beiträge zur didaktischen Grammatik. Probleme, Konzepte, Beispiele. Königsteinffs.: Scriptor. BAUSCH, Karl-Richard/ CHRIST, Herbert/ KÖNIGS, Frank G. / KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.) (1995): Erwerb und Vermittlung von Wortschatz im Fremdsprachenunterricht. Arbeitspapiere der 15. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. BLEYHL, Werner (1996): "Als selbstverständlich akzeptierte Mißverständnisse oder auf Sand gebaute Fundamente des Fremdsprachenunterrichts". In: RIST, Thomas (Hrsg.): Sprache, Sprachen, Kulturen. 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FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte Marinette MATIHEY: Apprentissage d'une langue et interaction verbale. Sollicitation, transmission et construction des connaissances linguistiques en situation exolingue. Bern: Peter Lang 1996 (Coll. EXPLORATION: Recherches en sciences de l'education), X+ 225 Seiten [DM 55,-]. Die Frage, ob in der sprachlichen Interaktion zwischen Muttersprachlern (MS, natifs) und NichtmuttersprachJ1ern (NMS, locuteurs alloglottes) Fremdsprachenerwerb stattfinden kann, weil in solchen Situationen der sog. exolingualen Kommunikation der MS eine Art partnerschaftliche "Lehrer"rolle und der NMS eine Lernerrolle akzeptiert', ist nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von großem praktischen Interesse dies gerade im Zeitalter wachsender internationaler Kontakte (auch zwischen Fremdsprachenlernern). Auch der Fremdsprachenunterricht jeglichen Typs findet weitgehend durch sprachliche Interaktionen statt. Er kann sich daher von der Erforschung dieser Fragestellung didaktisch-methodische Anregungen erhoffen. Mattheys Arbeit, die im Dezember 1994 von der Faculte des Lettres der Universite de Neuchatei als Doktorarbeit angenommen wurde, leistet einen beachtenswerten Beitrag zur Erforschung dieser Problemstellung. Das Buch legt eine theoriegeleitete empirische Studie dar. Es umfaßt eine Einleitung, drei inhaltliche Teile (Kap. 1-3; 4, 5; 6-8), ein Fazit, die Bibliographie und einen Sachindex. Im ersten Teil skizziert Matthey ihre durchaus originelle Konzeption einer Theorie des Fremdsprachenerwerbs durch sprachliche Interaktion. Im zweiten werden die erkenntnisleitenden heuristisch-theoretischen Analyseinstrumente dargelegt. Im dritten, empirischen Teil werden konkrete Corpusanalysen vorgestellt, durch die das analytische Begriffsinstrumentarium erprobt und verfeinert wird, die aber auch aufschlußreiche inhaltliche Ergebnisse erbringen. Mattheys Daten bestehen aus Transkriptionen exolingualer Kommunikationen (z.T. zwischen Kindern und Erwachsenen), in denen die Zielsprache Französisch ist, und aus Protokollen von Gesprächen, in denen der jeweilige NMS seine Sprachproduktionen kommentiert und bewertet (« autoconfrontation », vgl. 145-149). Matthey verzichtet darauf, den Stand der Forschung ausführlich zu charakterisieren. 2 Sie motiviert ihre Theorie durch die Kritik rein linguistischer Spracherwerbstheorien generativistischer und pragmatico-funktionalistischer Prägung. Diese seien zu reduktionistisch, da sie den Prozeßcharakter des Spracherwerbs und dessen soziale und psychische Bedingungsfaktoren nicht erfaßten. Sie setzt sich daher für ihre Arbeit das Ziel, Elemente einer soziolinguistisch, kommunikationsethnographisch und psychosozial orientierten Fremdsprachenerwerbstheorie zu entwickeln, mit welcher der Fremdsprachenerwerb als ein interaktionistisch-kognitiver Prozeß beschrieben wird, der weitgehend von den sprachlichen Ereignissen abhängt, die der Lerner erlebt, und in dem die Dimensionen der Identität eine große Rolle spielen. Unter diesen Gesichtspunkten sei Lernen nichts weiter als das Ergebnis der Anwendung von sprachlichen Verhaltensweisen der Interaktanten, die speziell dafür geeignet sind, sprachliche Kommunikationsprobleme auszuhandeln (vgl. 2). Sie wendet einen interdisziplinären Ansatz an, und zwar in der Weise, daß Vgl. zur Charakterisierung dieser Situation des „Fremdsprachenlehrens und -Jemens": Peter SCHERFER: "Zur Erforschung von Sprachlehr- und -lemprozessen auf Gegenseitigkeit". In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 12 (45) (1982), 72-99. Ich verwende im folgenden zur Bezeichnung der Partner in der exolingualen Kommunikation „MS" und „NMS" entsprechend der obigen Ausführungen. 2 Vgl. hierzu das Buch von Henrici (Gert HENRICI: Spracherwerb durch Interaktion? [...]. Hohengehren: Schneider 1995), das Matthey nicht erwä_hnt. FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 223 « l'endroit ou les disciplines entrent en contact n'est pas une etude qui reunit des chercheurs de provenances differentes mais cette rencontre s'effectue dans l'esprit meme des chercheurs! » (34) ein Vorgehen, auf das auch Praktiker des Fremdsprachenunterrichts ständig zurückgreifen müssen. Sie zeigt (im 2. Kap.) auf, daß ethnolinguistische Methoden auch auf die Untersuchung der exolingualen Kommunikation angewendet werden (vgl. 47-50). Solche Untersuchungen sind für Fremdsprachenerwerbsforscher interessant, die insbesondere Erwerbsprozesse untersuchen wollen, wie sie in Situationen „natürlichen" sprachlichen Austausches vorkommen, und nicht nur die Erwerbsresultate des (meist schulischen) Unterrichts. Den Forschungsarbeiten über die Beziehungen zwischen exolingualer Kommunikation und Fremdsprachenerwerb entnimmt Matthey (im 3. Kap.) vier Begriffe, die es erlauben, dieses Verhältnis unter spracherwerblichen Gesichtspunkten zu beschreiben sowie zu interpretieren. Und zwar kann der Spracherwerb nur dann gelingen, wenn ein didaktischer Vertrag(« contrat didactique »)vorliegt.Er besteht darin, daß der MS die Rolle als „Lehrer" und derNMS die Rolle als „Lerner" akzeptieren, und zwar unter Hintanstellung solcher psychosozialer kommunikativer Phänomene wie Überlegenheit vs. Unterlegenheit, Symbolisierung eines negativen Selbstbildes des „Unterlegenen" etc. Ferner muß der Parameter der Stützung(« etayage ») vorliegen, d.h. eine Form der Zusammenarbeit, in der MS und NMS sich die sprachlichen Aufgaben gemäß ihrer jeweiligen Kompetenzen verteilen. Unter diesen Bedingungen kommen in der exolingualen Kommunikation potentiell erwerbsfördernde Sequenzen ( « sequences potentiellement acquisitionnelles » [SPA]) vor. Sie entstehen dadurch, daß der MS in eine vom NMS selbst strukturierte Äußerungsfolge ( « autostructuration ») mit dem Ziel eingreift, diese hinsichtlich einer angedeuteten Intention zu ermöglichen oder sie beiüglich der Norm der Zielsprache akzeptabler zu machen ( « heterostructuration » ). Solche Äußerungsfolgen können ein bestimmtes Format (« format ») annehmen, d.h. bestimmte „ritualisierte" Strukturen, die es dem NMS erlauben, zu lernende Informationen besser zu erkennen und zu verarbeiten. Als Untersuchungsmethode schlägt Matthey vor, sog. Observablen(« observables » ), d.h. unter theoretischen Gesichtspunkten vom Wissenschaftler intuitiv ausgewählte Diskurssequenzen, zu analysieren. Wenn verschiedene Analysen gleiche Ergebnisse erbringen, erhalten diese den Wert eines Indizes ( « indice » ). Indizien kontrollieren die Intuition des Forschers. Sie sind « la materialisation linguistique et/ ou conversationnelle d'un processus extraverbal » (32). Von einem Indiz kann nicht immer eindeutig auf den zugrunde liegenden Prozeß geschlossen werden: « Par exemple, l'observable que constitue la reprise par l'apprenant de tout ou partie de l'enonce du natif peut etre l'indice de la saisie cognitive d'une donnee presente dans l'enonce de ce dernier. Mais une reprise peut aussi, en meme temps, etre un indice des 'effets de place' [... ], materialisant ainsi une certaine definition de la situation et de la relation entre· les interlocuteurs » (32). Im heuristischen Teil ihrer Arbeit übernimmt Matthey (im 4. Kap.) den Begriff der Zone der nächsten Entwicklung (« zone proximale de developpement » [ZPD]) von Wygotski. 3 Die ZPD ist definiert als der Distanzbereich zwischen den sprachlichen Leistungen, die der NMS autonom, und denen, die er nur mit Hilfe des MS vollbringen kann (vgl. 90-91). Damit wird die Tatsache erfaßt, daß sich aktuelle Lernprozesse nur auf der Grundlage geeigneten Vorwissens vollziehen können (vgl. 98) und daß die Lernentwicklung stets von der Möglichkeit abhängt, Neues in Kollaboration mit anderen (die dies schon können) auszuprobieren (vgl. 86). ZPD werden beobachtbar, wenn der NMS in irgendeiner Weise ein sprachliches Problem verbalisiert und wenn er dann versucht, die entsprechende Form, die der MS ihm als Lösung anbietet, in seine eigene Äußerung zu übernehmen. Vgl. WYGOTSKI, Lew S.: Denken und Sprechen. Berlin: Akademie-Verlag 1964 (Lizenzausg. S. Fischer Ver! .), 259 ff. FLuL 27 (1998) 224 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Diese heuristischen Überlegungen werden im 5. Kapitel durch. die Übernahme von Analysemethoden der experimentellen Sozialpsychologie ergänzt. Sie unterscheiden verschiedene Analyseebenen, und zwar die Ebenen der intra- und der inter-individuellen Prozesse, die der sozialen Positionen der Interaktanten und schließlich diejenigen, welche die Glaubens- und Wissensinhalte sowie die Normen betreffen, die der Proband in die Untersuchungssituation einbringt (vgl. 109). An zwei Beispielen wird eine entsprechende Analyse exolingualer Diskurssequenzen illustriert und daraus die Konsequenz gezogen, auf welchem Analyseniveau welche Observablen welchen Typ von Analyse erfordern (vgl. Tableau 1; p. 126): Niveau d'analyse Observables Type d'analyse Des processus intra-individuels Lies aux operations cognitives Analyse des formes linguistiques Des processus inter-individuels Lies a la definition de la relation entre Analyse de la structure de ! es interlocuteurs l'interaction Des positions sociales des sujets Lies aux positions identitaires, au con- Analyse de la structure de texte social l'interaction et analyse du contenu Des croyances, representations, Lies aux representations vehiculees Analyse des formes linguievaluations et normes des sujets par les interlocuteurs dans la situation stiques et du contenu Dieses Analyseraster, das Matthey konsequent anwendet, besticht durch seine Einfachheit, und es ermöglicht in der Tat eine effektive Datenanalyse und -auswertung. Im empirischen Teil der Arbeit geht Matthey im 6. Kapitel auf der Grundlage ihrer Cprpusanalysen zunächst dem Problem nach, « que, lors de toutes interactions exolingues orientees vers Ja transmission et l'appropriation du code de l'interaction, certaines donnees sont susceptibles d'etre negociees par ! es interlocuteurs, alors que d'autres ne peuvent entrer dans de telles negociations » (129). Indizien der ZPD lassen sich an den Abstimmungsmodalitäten (« modalites de reglage ») zwischen den Interaktanten festmachen, die sich als prises und donnees manifestieren. Mit donnee wird eine Form bezeichnet, die in einer Äußerung des MS vorkommt; eine prise ist die Wiederholung, Verwendung etc. (« reconstruction verbalisee ») dieser donnee durch den NMS (vgl. 130). Die prototypische Abstimmung hat die folgende konversationelle Struktur: « Sollicitation de l'apprenant, production de Ja donnee attendue et clöture de Ja sequence laterale doublement manifestee, par l'alloglotte et Ja native» (131). In diesem Fall liegt« un evenement potentiellement acquisitionnel » vor (vgl. 163). Im Verhalten der NMS lassen sich auch Widerstände gegen die helfenden Eingriffe der MS (« resistances a l'heterostructuration » [cf. 139-140]) beobachten, und zwar auf Grund der folgenden Tatsachen: Die Situation des didaktischen Vertrags ist durch die Mehrfunktionalität gekennzeichnet, die darin besteht, daß neben den kommunikativen Zielen (sich etwas mitteilen, erzählen etc.) auch die Aufgabe des Erwerbs zielsprachlicher Strukturen durch den NMS wahrgenommen wird (vgl. 57). Widerstände gegen die Heterostrukturation sind zumindest teilweise darauf zurückzuführen, daß die NMS diese .Plurifunktionalität nicht erkennen bzw. nicht im Sinne des Spracherwerbs auswerten können, und zwar auf Grund eines bestimmten Sprachbewußtseins. Hierunter faßt Matthey « [... ] un ensemble de representations linguistiques, de besoins communicatifs et d'objectifs d'apprentissage, ensemble lie au niveau de developpement de l'interlangue et largement determine par Je vecu langagier de I'apprenant. Cette conscience Iinguistique peut etre orientee vers une conception lexicopragmatique ou morphosyntaxique de Ja langue cible et eile se verbalise dans ! es activites de focalisation et d'extraction de donnees realisees par I'apprenant » (157). Auch wenn Matthey dies nicht explizit so sagt, scheint mir hier der durchaus beachtens- FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 225 werte Gedanke vorzuliegen, daß die naiven (vorwissenschaftlichen) Meinungen der NMS über den Erwerb einer Fremdsprache 4 als ein für den Lernerfolg entscheidender Faktor angesehen werden müssen. Matthey macht ferner die folgende Beobachtung: Wenn NMS mit ihren Äußerungen konfrontiert werden und diese dann reformulieren, gebrauchen sie häufig Formen, die in den spontanen Produktionen nicht vorkommen. Dabei handelt es sich vor allem um Artikel, Präpositionen ... , also um« marqueurs de grammaticalisation » (149). Sie interpretiert dies als Vorliegen von ZPD in der Lernersprache, als Variation in der Lernersprache. Die Variationen in der Lernersprache geben einen Hinweis darauf, worin Möglichkeiten des Erwerbsfortschrittes liegen. Er kann im morphosyntaktischen Bereich nur dann gelingen, wenn in der Lemersprache konkurrierende Formen vorliegen, die ausdifferenziert werden können (157). Wenn also beispielsweise ein NMS die Präpositionen a und avec bereits kennt, jedoch lediglich avec gebraucht, d.h. übergeneralisiert, dann liegt ein Fall von Variation vor, und der NMS kann in einem folgenden Lernschritt die entsprechende Differenzierung lernen. « [... ] ! es SPA a focus grammatical ne fournissent pas de nouveau materiel verbal mais interviennent sur une variation spontanee, issue de donnees presentes dans le discours des natifs mais non encore analysees par l'apprenant » (152). Ich halte die Ergebnisse dieses Kapitels aus zwei Gründen für besonders wichtig. Zum einen füllen sie eine Forschungslücke hinsichtlich der sog. "Lehrbarkeitshypothese" 5• Nach Henrici (1995: 7-8 [vgl. Anm. 2]) habe diese Hypothese, derzufolge Instruktionen nur dann dem Spracherwerb förderlich seien, wenn sie an Stellen erfolgten, an denen die Lerner entsprechend ihres sprachlichen Entwicklungsstandes für ihre Aufnahme bereit seien, nur dann Erklärungskraft, wenn genau beschrieben würde, welcher Art die Instruktionen seien und in welchen interaktiven Abläufen sie stattgefunden hätten. Genau diese Forderung erfüllt Mattheys Analyse. Zum anderen stellt sie einen Unterschied zwischen lexikalischem und grammatischem Erwerb fest. Das interaktive Aushandeln lexikalischer Probleme ist weitgehend unproblematisch, und der entsprechende Erwerb stellt ein« accroissement du materiel verbal» (151) dar. Der Erwerb grammatischer Strukturen stellt größere Anforderungen an das Sprachbewußtsein. Metasprachliche Vorkenntnisse, die auch die Kenntnis einer grammatischen Terminologie umfassen, welche weitgehend in einem darauf ausgerichteten Unterricht erworben werden, sind bei der Aushandlung entsprechender Probleme sehr nützlich (vgl. 154-156). Im 7. und 8. Kapitel geht Matthey der Frage nach, welche Typen von donnee-prise-Strukturen (« occurences donnee-prise » [ODP]) festzustellen sind und welche von ihnen auf welche Weise zu einer kognitiven Verarbeitung und zum Behalten sprachlicher Informationen, also zu einer saisie (vgl. 164), führen können. Als Ausgangsfall für die Analysen wählt Matthey Kommunikationshemmnisse, und zwar den spezifischen Fall der pannes de recit, da diese dadurch Spracherwerb auslösen können, daß sie Aushandlungen (« negociations ») zwischen den Partnern zur Folge haben. Eine panne de recit stellt ein Indiz für ein sich anbahnendes Formulierungsproblem dar, das sich entweder dadurch zeigt, daß der NMS zögert bzw. schweigt oder aber daß er das Problem, das sich ihm stellt, verbalisiert (vgl. 165). Die Reparaturen eines Kommunikationsproblems manifestieren sich in einem Format, in dem verschiedene Konfigurationen von sog. occurences donnee-prise vorkommen. 4 Vgl. Christine KALLENBACH: Subjektive Theorien. Was Schüler und Schülerinnen über Fremdsprachenlernen denken. Tübingen: Narr 1996. 5 Vgl. Manfred PIENEMANN: "Psychological constraints on the teachability of languages". In: Studies in Second Language Acquisition 6(2) (1984), 186-214. Ders.: "Is language teachable? Psycholinguistic experiments and hypotheses". In: Australian Working Papers in Language Development 1(3) (1986), 52-97. FLuL 27 (1998) 226 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Matthey erhebt in ihrem Corpus 89 pannes de recit, die « une reparation sur plusieurs tours de parole » (167) nach sich ziehen. Davon haben 35 das unmarkierte, d.h. das am häufigsten vorkommende Format, das die folgende Struktur aufweist: NMS: MS: NMS: MS: NMS: obstacle proposition [Vorschlag, das Problem zu überwinden] (ratification) [Vorschlag wird übernommen, durch Wiederholung eines Teils oder der ganzen Äußerung des Erwachsenen oder durch oui, ouais, mh, etc.] (confirmation) [Übernahme durch den Lerner wird bestätigt] enchafnement [der Diskurs wird fortgesetzt] [vgl. 167; die runden Klammem bedeuten, daß diese Phase auch übersprungen werden kann]. Die markierten Formate zeichnen sich dadurch aus, daß dem endgültigen Lösungsvorschlag (« proposition ») eine oder mehrere Lösungsbemühungen ( « sollicitations ») vorgeschaltet sind. Es zeigt sich, daß die Erwachsenen sich bemühen, bei den Kindern Selbstreparaturen zu erzielen. Offensichtlich teilen Fachleute und Laien des Sprachunterrichts die Auffassung, daß die Aussichten, etwas zu lernen, dann größer sind, wenn der NMS die entsprechende Problemlösung selbst erarbeitet (vgl. 172). Die Analyse des Verhältnisses von ODP und Anzahl der pannes de recit sowie zwischen ODP und der durchschnittlichen Länge der Äußerungen ergibt ferner, daß die NMS mit guten Französischkenntnissen längere Äußerungen mit wenig ODP produzieren, daß ein muttersprachlich französisches Kind mit Sprachproblemen kurze Äußerungen mit wenig ODP hervorbringt, wohingegen sich bei den NMS Äußerungen mittlerer Länge mit relativ viel ODP beobachten lassen. Die NMS verwenden Lernhilfen des MS also nur dann, wenn sie diese benötigen, also das jeweilige Problem noch nicht beherrschen, und wenn sie die Aufgabe auf Grund ihres sprachlichen Vorwissens auch bereits bewältigen können (vgl. 176). Schließlich ist festzustellen, daß die Kinder in einer offiziell bilingualen Gruppe mehr ODP produzieren als Kinder in einer monolingualen Gruppe. Matthey führt dies darauf zurück, daß in einer bilingualen Situation neben der Sachvermittlung immer auch auf die Vermittlung sprachlicher Kenntnisse geachtet wird. In der offiziell monolingualen Gruppe wird der Lernerstatus der NMS nicht erkannt, oder ihre Sprachprobleme werden unterschätzt. Dadurch unterbleibt « un reglage conversationnel suffisamment oriente vers l'acquisition du code de l'interaction » ( 177). Dieses Ergebnis spricht für die Durchführung von bilingualem Sachfachunterricht. Im 8. Kapitel untersucht Matthey das Verhältnis zwischen kognitiver Verarbeitung sprachlicher Strukturen (d.h. Spracherwerb) und Interaktion dadurch genauer, daß sie ihre Analyse der ODP verfeinert. Sie stellt einerseits fest, auf welcher Analyseebene die Vorkommen der ODP zu situieren sind, und sie erarbeitet andererseits eine Typologie der ODP, um dann festlegen zu können, welche prises « Ja manifestation d'une activite d'apprentissage du locuteur alloglotte » (179) darstellen. Reparaturen in den ODP können neben der Tatsache, ein Indiz für Sprachlehr-/ -lernprozesse zu sein, noch eine phatische Funktion erfüllen oder Indiz des Status der Interaktanten sein (vgl. 187-188). Die sprachlichen Produktionen der NMS werden zunächst unterteilt in prises en usage und prises par mention. Letztere umfassen zwei Klassen, und zwar die prises en echo und die prises par extraction. Bei den prises par mention handelt es sich um Wiederholungen der donnee, und zwar bei den prises en echo um vollständige und korrekte, um vollständige und abweichende und um Wiederholungen der letzten Silbe der donnee. Bei den prises par extraction wiederholt der Lerner einen Teil der donnee und verändert den unmittelbaren Kotext. In dem Beispiel Maitresse: c'est un chou rouge tu sais Marco: [f oruD FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 227 extrahiert Marco chou rouge aus der donnee und läßt in der von der donnee-Fonn leicht abweichenden Wiederholung den Artikel un weg. Bei den prises en usage wiederholt der Lerner bestimmte Teile der donnee und integriert sie in seine eigene Äußerung. 6 Ihre Analysen der Vorkommen der ODP erlauben Matthey die folgenden Schlüsse: 1. Verwendet der Lerner prises en echo, findet Imitation ohne Spracherwerb statt. 2. Die prises par extraction zeigen, daß der Lerner die Struktur, die ihm Probleme bereitet, erkannt hat und er sie „bearbeiten" will (tw. durch metasprachliche Bitten um Hilfe). Hier liegt ein erster Lernschritt vor. 3. Bei der Verwendung von prises en usage findet eine echte Zusammenarbeit zwischen Lerner und Partner statt. « L'enfant manifeste une intention imitative vers Je signe, dans Ja mesure ou il modifie Je cotexte de Ja donnee de ! 'adulte en integrant cette derniere dans une formulation de son cru. [... ] iI manifeste une intention imitative en rapport avec Ja planification de son enonce » (192-193). Hier liegt eine vertiefte Lernleistung vor. 4. Die Sequenz prise par extraction + prise en usage zeigt am deutlichsten den Erwerbsprozeß. Hier findet eine « prise de conscience de l'intellect » (193) statt, « une activite metacognitive orientee vers Je code de l'interaction » (193). Der Typ 4. kommt im untersuchten Corpus nur selten vor. Daraus kann man mit Matthey (193) schließen, daß die metakognitiven Fähigkeiten zwar für den Fremdsprachenerwerb sehr förderlich, jedoch nicht unabdingbar seien. Man kann aber auch die Hypothese wagen, daß diese Fähigkeiten nicht „natürlicherweise" beherrscht, sondern erst durch einen entsprechenden Unterricht erworben werden. Dies würde dafür sprechen, daß NMS mit einer entsprechenden Vorbereitung aus den exolingualen Interaktionen größeren Nutzen für ihren Spracherwerb ziehen als NMS ohne solche Kenntnisse. In diesem Sinne kann der Fremdsprachenunterricht gute Grundlagen schaffen für das Weiterlernen in Kontaktsituationen. Insgesamt komme ich zu dem Fazit, daß Mattheys Arbeit für den ausgewählten Forschungsbereich einen erheblichen Erkenntnisgewinn erbringt. Und dies nicht nur auf Grund der erwähnten Detailergebnisse, sondern auch wegen der Klarheit und der sinnvollen Beschränkung des theoretischen und methodischen Begriffs- und Analyseinstrumentariums sowie des gut nachvollziehbaren Vorgehens bei der Corpusanalyse. Offensichtlich scheint es so zu sein, daß die entsprechenden Forschungen auch ohne die ausufernde Begrifflichkeit auskommen können, die z. T. in der aktuellen Diskussion ist und mit der lnteraktionsverläufe, Aushandlungsprozeduren, kommunikative Strategien sowie die einzelnen Sprechhandlungen aufs Feinste klassifiziert werden (Henrici 1995: 40-50 [vgl. Anm. 2]). Die Anwendung einer solchen Begrifflichkeit kann zu langatmigen Paraphrasen bei den Corpusanalysen führen, ohne daß dadurch ein höherer Grad an Genauigkeit erreicht würde. Mattheys durchaus anspruchsvolles Buch ist all denen zu empfehlen, die sich für die Probleme des Fremdsprachenerwerbs in Kontaktsituationen sensibilisieren oder die in diesem Bereich forschen wollen. Abschließend sei noch auf einen Gedanken Henricis (1995: 25-26 [vgl. Anm. 2]) hingewiesen, der interessante Perspektiven für weitere Arbeiten in dem hier besprochenen Forschungsbereich eröffnet. Matthey kann überzeugend aufweisen, daß Fremdsprachenkenntnisse in der Interaktion erworben werden können und welche Bedingungen dafür vorliegen müssen. Über die Effektivität des Erwerbs sagt sie nichts aus. Henrici schlägt vor, zwischen kurz-, mittel- und langzeitigem Erwerb zu unterscheiden. Kurzzeitiger Erwerb liegt dann vor, wenn von beiden Partnern nach 6 Neben den genannten führt Matthey der Vollständigkeit halber noch Typen von Reparaturen ohne ODP auf (183-185), wie beispielsweise die co-enonciation (Lerner und Partner formulieren jeder einen Teil der Äußerungen) oder den Rückgriff auf die Muttersprache. FLuL 27 (1998) 228 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Bearbeitung eines sprachlichen Problems die Lösung des Problems ratifiziert und die ratifizierte Lösung vom NMS korrekt in einem unmittelbar folgenden sprachlich veränderten Kotext wiederverwendet wird. Mittelzeitiger Erwerb ist anzunehmen, wenn die ratifizierte Lösung des sprachlichen Problems im weiteren Verlauf einer Diskurseinheit (beispielsweise einer Unterrichts- , stunde) erneut richtig gebraucht wird. Beim Vorliegen langzeitigen Erwerbs wird die ratifizierte Lösung in völlig neuen Kontexten angemessen verwendet, und zwar in größeren zeitlichen Abständen. Wuppertal Peter Seheifer Regina HESSKY, Stefan ETIINGER: Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene. Tübingen: Narr 1997 (narr studienbücher), LII + 327 Seiten [DM 44,80]. Die Phraseodidaktik ist zum Thema des Fremdsprachenunterrichts geworden. Phraseologismen werden dabei als besondere Sprachzeichen beschrieben, deren Vermittlung erhebliche Probleme mit sich bringt. Zum einen sind Phraseologismen aufgrund ihres „semantischen Mehrwerts" und ihrer Bedeutungsnuancen nicht leicht zu verstehen. Zum anderen sind Phraseologismen schwer zu gebrauchen, denn beim aktiven Verwenden können die vielen grammatischen, syntaktischen, semantischen und klassematischen Restriktionen Probleme bereiten. Inzwischen liegen aber didaktisch-methodische Vorschläge zu einer lernprogressiven Vermittlung von Phraseologismen vor. Während Phraseologismen in traditionellen Übungsbüchern anhand isolierter Sätze und stereotyper Einsetz- und Zuordnungsübungen behandelt werden, sollen sie nun an Texten erarbeitet werden. In einem phraseodidaktischen Dreischritt geht es darum, Redewendungen zu erkennen, zu verstehen und schließlich selbst zu gebrauchen. 1 Mit den „Deutschen Redewendungen" von Regina Hessky und Stefan Ettinger liegt jetzt ein "Lernwörterbuch" vor, in das sowohl die Ergebnisse der linguistischen Grundlagenforschung als aucb die Überlegungen der didaktisch-methodischen Diskussion eingeflossen sind. Bei diesem „Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene" handelt es sich um die überarbeitete Fassung von Hesskys 1993 in Ungarn erschienenem Arbeitsbuch „Durch die Blume". Das Buch gliedert sich grob in drei Teile: Die vorangestellten „Hinweise für den Benutzer" enthalten nicht nur wichtige Ratschläge zur Handhabung des Lehrbuchs, sondern führen auch kompetent und verständlich in die wissenschaftliche Diskussion ein. Die referierten (meta)lexikographischen und linguistischen Überlegungen richten sich wohl eher an Studierende und Lehrende der Germanistik als an Deutschlernende. In dem ausführlichen Wörterbuchteil (250 Seiten) werden ca. 1200 Redewendungen vorgestellt, paraphrasiert, eventuell mit etymologischen Angaben versehen und durch Beispielsätze umschrieben, die einer Reihe von Referenzwörterbüchern entnommen sind (vgl. XXIII). Die ausgewählten Redewendungen sollen dann mittels des 50 Seiten umfassenden Übungsteils eingeübt werden. Komplettiert wird das Lehrbuch durch einen ausführlichen Indexteil. Im Unterschied zu herkömmlichen Idiomatiksammlungen werden die Redensarten im Wörterbuchteil nicht einfach nur alphabetisch angeordnet, sondern sind nach acht inhaltlich zusammengehörenden Gruppen gegliedert. Da Redensarten meist persönliche, emotional-expressiv gefärbte Stellungnahmen ausdrücken und vor allem subjektiv-wertend gebraucht werden, orientiert sich diese Gliederung an menschlichen Merkmalen: Aussehen des Menschen; Zustand des Menschen; Vgl. Peter Kühn: "Phraseodidaktik. Entwicklungen, Probleme und Überlegungen für den Muttersprachenunterricht und den Unterricht DaF". In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 21 (1992), 169-189. FLuL 27 ( 1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 229 Eigenschaften des Menschen; Einstellung/ Beziehung zu den Mitmenschen, zur Umwelt; menschliches Handeln; Einschätzung einer Lage/ eines Sachverhalts; Umwelt-Außenwelt; situationsgebundene Phraseologismen. Jedes dieser Kapitel hat etliche Unterkapitel, die wiederum weiter untergliedert sind. So findet sich z.B. im Kapitel „Zustand des Menschen" ein Unterkapitel zur "gefühlsmäßigen Lage" mit Unterkapiteln zu u.a. "Traurigkeit", "Sehnsucht" oder „Übermut". Diese onomasiologische bzw. "ideographische" (vgl. XI) Gliederung erscheint vielleicht auf den ersten Blick wenig systematisch, erweist sich aber für den Benutzer vor allem, wenn es darum geht, Phraseologismen selbst anzuwenden als äußerst sinnvoll. Eine erste Orientierung liefert das detaillierte Inhaltsverzeichnis, den raschen und gezielten Zugriff sichern die Indices; ein alphabetischer Index der Redewendungen und ein Index nach Schlüsselbegriffen. Dieser Index beruht auf dem Prinzip, jede Redensart auf einen Schlüsselbegriff zu reduzieren. Schlägt der Benutzer zum Beispiel unter dem Schlüsselbegriff „Erfolg haben" in diesem Index nach, wird er auf das Kapitel F.8 verwiesen, wo er dann eine Auswahl von Redewendungen findet, etwa „etwas in den Griff bekommen", "seinen Mann stehen", "die Oberhand gewinnen" usw. Der alphabetische Index ist vor allem dann nützlich, wenn der Benutzer nach der Bedeutung einer Redewendung sucht. Will er z.B. wissen, was „auf keinen grünen Zweig kommen" bedeutet, findet er im alphabetischen Verzeichnis den Verweis auf das entsprechende Kapitel im Buch und dort die Paraphrase „keinen (wirtschaftlichen, finanziellen) Erfolg haben; kein Glück haben". An diese Umschreibung schließen sich mehrere Beispiele an, in denen die Redewendung in passenden Kontexten gebraucht wird. Durch das Verfahren der mehrfachen Paraphrasierung soll die semantische Vagheit vieler Phraseologismen umschrieben werden. Den alphabetischen Index nach Schlüsselbegriffen wird der Benutzer dagegen eher in der Situation des aktiven Gebrauchs konsultieren. Sucht er nach einer Redewendung, um z.B. "Ermutigung, Zuspruch, Ermunterung" auszudrücken, kann er im entsprechenden Kapitel unter einer ganzen Reihe von Redensarten auswählen. Das Problematische der Klassifikation von Redensarten nach Schlüsselbegriffen wird von den Verfassern selbst gesehen und reflektiert (vgl. XXV). So widerspricht die Anordnung nach Schlüsselbegriffen der semantischen Vagheit der Redensarten, denn viele Redensarten müßten unter eine ganze Reihe von Schlüsselbegriffen eingeordnet werden. Um diese Einwände auszuschalten, versuchen die Verfasser, Begriffe miteinander zu vernetzen. Das sogenannte "Deskriptoren-Clustering" (z.B. ERMUTIGUNG - ZUSPRUCH - ERMUNTERUNG) und die Umschrei" bung der Schlüsselbegriffe in Satzform (ERFOLGREICHES UND ERFOLGLOSES LERNEN UND ARBEI- TEN) dienen ebenfalls dazu, der semantischen Vielschichtigkeit der Redewendungen gerecht zu werden. Wichtig bei der aktiven Verwendung der Phraseologismen sind auch die im Lernwörterbuch verzeichneten Angaben zur Stilebene und zur Syntax. Die meisten der ausgewählten Redewendungen „gehören einem neutralen Sprachgebrauch an" (XXXI), einige sind mit der Angabe umgangssprachlich, gehoben oder ironisch versehen. Unter den ausgewählten Redewendungen tragen relativ wenige Redewendungen das Etikett derb, salopp, vulgär. Die Verfasser vertreten den Standpunkt: "Solche Redensarten sind zum Verständnis der Alltagssprache erforderlich, als Nichtmuttersprachler sollte man sie jedoch nicht benutzen" (XXXI). Eine Neuerung bei den Einträgen stellen die „Spitzklammerangaben" dar: In spitzen Klammern stehen Informationen zu den grammatischen, syntaktischen, semantischen und klassematischen Restriktionen, etwa <OFT VERGANGENHEIT> oder <OFT IMPERATIV>. Der Wörterbuchteil kann somit als Nachschlagewerk in verschiedenen Situationen konsultiert werden: nicht nur, wenn es darum geht, spezielle Redewendungen zu verstehen, sie hinsichtlich ihrer stilistischen Markierung einzuordnen und sich mit ihren wichtigsten semantischen und morphosyntaktischen Restriktionen vertraut zu machen, sondern auch bei ihrer aktiven Beherrschung. Der Anspruch des Lernwörterbuchs geht aber darüber hinaus. Fortgeschrittene Deutsclilernende (und möglicherweise auch Muttersprachler) sollen mit dem „Lernwörterbuch" die ausgewählten 1200 Redewendungen systematisch erlernen und zwar mittels des Übungsteils. Dieser FLuL 27 (1998) 230 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Übungsteil besteht aus vier Kapiteln. Das erste Kapitel dient der „Festigung der Redensarten in formaler Hinsicht" (XXXVI). Hier sollen fehlende Teile von Redewendungen ergänzt werden, z.B. Körperteile oder fehlende Verben oder Substantive eingesetzt, vertauschte Verben oder Präpositionen richtig angeordnet werden usw. Das Behalten der Redensarten soll gestärkt werden durch Bildung von Sachgruppen, zum Beispiel durch das Zusammenstellen von Redensarten, die Tiernamen, Körperteile oder Farben enthalten. Dazu werden entsprechende Einsetz- und Ergänzungsübungen angeboten. Kapitel II bringt Einzelübungen zur Bedeutung der Redensarten. Es geht vor allem darum, die Redewendung und ihre jeweilige Umschreibung auszutauschen. Die in diesen beiden Kapiteln präsentierten Übungen sind aus traditionellen Lehrbüchern wohl bekannt. Solche Strukturübungen sind an den Ergebnissen linguistischer Forschung orientiert, nicht aber an der kommunikativen Verwendung der Redewendungen. Erst im dritten Kapitel des Übungsteils werden Texte präsentiert. Anhand von Zeitungstexten, Werbetexten und literarischen Texten werden Redewendungen in ihrer textsortentypischen Verwendung erarbeitet. Teil IV hat den aktiven Gebrauch der Redewendungen zum Ziel, es geht darum herauszufinden, in welcher Situation bestimmte Redewendungen benutzt werden können. Während die Verfasser sich in ihren Hinweisen auf Kühns phraseodidaktischen Dreischritt berufen, setzen sie ihn allerdings in ihrem didaktisch-methodischen Zugriff nur zum Teil um. Warum der Übungsteil mit traditionellen, kontextlosen Strukturübungen einsetzt und nicht mit der Arbeit mit Texten, ist mir nicht klar geworden. Wäre es nicht sinnvoller, mit der Textarbeit dem Erkennen und Verstehen zu beginnen, bevor Festigungsübungen zur formalen Struktur und zum Memorieren präsentiert werden? Vielleicht ist aber auch der Anspruch, 1200 Redewendungen systematisch zu erlernen, falsch gestellt. Statt dessen könnte man von Texten ausgehen und nur die Redewendungen behandeln, die in diesen Texten vorkommen. Auf diese Weise ließen sich Redewendungen in ihrer kommunikativen Verwendung erarbeiten und ihr textsortentypischer, adressatenspezifischer und situationsangemessener Gebrauch erlernen. Kapitel 3 des Übungsteils kann hierbei durchaus als Muster dienen. Zusätzlich bietet das „Arbeitsblatt zur Erschließung von Phraseologismen im Text" (XXXVIII) wertvolle Anregungen. Hiermit sollen die Lernenden dazu angeleitet werden, Redewendungen aus authentischen Texten zu sammeln und ihr eigenes Phraseologismuswörterbuch zu erstellen, indem sie eine „persönliche Phraseologismusdatei" anlegen. Die Vermittlung dieser Lerntechnik als Weg des autonomen Lernens erscheint mir der wichtigste Wegweiser dieses Lernwörterbuchs zu sein. Auch wenn Redewendungen nicht mehr als Stiefkind der Didaktik gelten, so steckt die Phraseodidaktik immer noch in den Kinderschuhen. Was Deutsch als Fremdsprache betrifft, sind geeignete Lehrmaterialien kaum zu finden. Das „Lernwörterbuch" gehört aufgrund der genannten positiven Aspekte in die Handbibliothek eines jeden, der sich mit Redewendungen beschäftigt, sei es wissenschaftlich, sei es didaktisch-methodisch oder sei es als fortgeschrittener Deutschlerner. Trier Irmgard Honnef-Becker Hans-Werner HUNEKE, Wolfgang STEINIG: Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 1997 (Grundlagen der Germanistik; 34), 238 Seiten. Adressaten der vorliegenden Einführung sind „angehende Lehrer des Faches Deutsch als Fremdsprache sowie [...] praktizierende Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland, die ihre didaktischen und methodischen Positionen am aktuellen fachlichen Diskussionsstand überprüfen möchten" (7). Die Einführung besteht aus fünf Hauptkapiteln (1. Die Lerner, 2. Theorien zum Zweitsprachenerwerb, 3. Deutsche Sprache und Kultur, 4. Unterricht, 5. Die Lehrenden), einem An- FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 231 hang mit exemplarischen Unterrichtssituationen, einem Serviceteil, einem Literaturverzeichnis sowie einem Sachindex. Am Ende eines jeden Kapitels finden sich eine Reihe kommentierter, thematisch relevanter Lektürehinweise. Kapitel 1 (Die Lerner): In diesem Kapitel werden einzelne, bereits intensiv erforschte, den Fremdsprachenerwerb beeinflussende Faktoren näher beleuchtet: Alter, muttersprachliche Sozialisation, Motivation, Einstellung, Begabung, persönliche Eigenschaften, Lernstile und Lernstrategien. Es werden die mit ihnen verbundenen Probleme der Operationalisierung genannt. Tests zur Feststellung der Begabung und zur Prognose des Lernerfolgs werden kritisch dargestellt. In bezug auf die Didaktik werden mögliche Konsequenzen aufgezeigt, und es wird schon in diesem Kapitel deutlich, daß es den Autoren um die Berücksichtigung der Individualität des Lernenden und seiner persönlichen Präferenzen geht. Kapitel 2 (Theorien zum Zweitspracherwerb): Die Autoren nennen eine Reihe von Ansprüchen, die eine Theorie des L2-Erwerbs erfüllen muß, wie z.B.: Klärung einzelner Bedingungsfaktoren (s.o.), Transparentmachung des sprachlichen Lernprozesses als Ganzem, Verdeutlichung der Verbindung zwischen Ll- und L2-Erwerb, Voraussagen bezüglich der Bedingungen für einen erfolgreichen L2-Erwerb. Nach der Darstellung der Theorien des Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse erfolgt die Beschreibung des Spracherwerbs als kognitiv-modularen Prozeß nach Chomsky, die Darstellung der Forschungsarbeiten zu den Erwerbssequenzen, die Skizzierung der Hypothesen von Krashen und eine knappe Erörterung der Interlanguage-Hypothese. Kapitel 3 (Deutsche Sprache und Kultur) ist als eine erste Orientierung und nicht als umfassender Überblick konzipiert. Nach der Darstellung der historischen Entwicklung der Stellung und der Verbreitung der deutschen Sprache erfolgen Ausführungen zur Soziolinguistik des Deutschen, d.h. Fragen der Register- und Dialektverwendung. Ein weiteres Unterkapitel befaßt sich mit den Merkmalen der deutschen Standardsprache. Es wird eine sprachtypologische Verortung des Deutschen vorgenommen, und es erfolgt eine grobe Charakterisierung der zentralen sprachlichen Ebenen. Es schließt sich ein Kapitel über Landeskunde an, in dem dessen veränderte Rolle im modernen Fremdsprachenunterricht und Fragen zur Art und Auswahl landeskundlicher Inhalte und zur Form ihrer Vermittlung angesprochen werden. Weiterhin wird das Konzept des 'interkulturellen Lernens', eine Gesprächstypologie als möglicher Orientierungsrahmen für die Entwicklung landeskundlicher Kompetenzen zum Zweck des Gelingens von Kommunikation und das Konzept einer kontrastiven Landeskunde erläutert. - Im Abschnitt zur deutschsprachigen Literatur wird nach einem kurzen literaturgeschichtlichen Abriß die Frage nach dem für den DaF-Unterricht anzusetzenden Literaturkanon gestellt. Es folgt ein starkes Plädoyer für die Einbeziehung literarischer Texte in den Fremdsprachenunterricht, da sie nach Auffassung der Autoren der Erweiterung der kommunikativen Didaktik um die „Dimension ästhetischer Kommunikation" (69) dienen. Kapitel 4 (Unterricht): Dieses mit über 100 Seiten umfangreichste und differenzierteste Kapitel ist in neun Unterkapitel unterteilt. Der Abschnitt 'Fremdsprachliche Lernwelten' widmet sich zunächst einem Vergleich zwischen traditionellem Fremdsprachenunterricht und ungesteuertem Erwerb. Nach einer kritischen Darstellung herkömmlichen Fremdsprachenunterrichts hinsichtlich der Rollen- und Rederechtverteilung, der Organisation, der Struktur und der Themenauswahl, der überwiegenden Bewertung der sprachlichen Form zuungunsten des Inhalts und der Aufstellung einer Liste mit Merkmalen traditionellen Unterrichts erfolgt eine Darstellung der Merkmale ungesteuerten Erwerbs und der damit verbundenen Problemstellungen. Es folgen Abschnitte, in denen es um verschiedene Ansätze zur Annäherung des traditionellen Fremdsprachenunterrichts an außerschulische Situationen geht wie beispielsweise 'Immersion', 'Lernen unter vier Augen' (= Tandem), der auf Zuhören und Verstehen und nicht-sprachlichem Handeln beruhenden Methode des 'Total Physical Response' von Asher (1972) und Krashens Hypothese vom 'verständlichen Input'. Im Abschnitt 'Ist Instruktion notwendig? ' stellen die Autoren die Frage nach dem FLuL 27 (] 998) 232 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Sinn formalsprachlicher Instruktion in bezug auf sprachliche Fehler, Vermeidung von Fehlern, Aufmerksamkeit auf grammatische Phänomene und erläutern dabei u.a. Pienemanns 'Teachability-Hypothese'. Am Beispiel der Suggestopädie gehen sie anschließend auf das Konzept des ganzheitlichen Fremdsprachenunterrichts ein und liefern abschließend eine zusammenfassende Definition des optimalen Fremdsprachenunterrichts. Es handelt sich hier um eine kritische, die wesentlichen zuvor genannten Aspekte umfassende Darstellung. Im Abschnitt 'Zentrale Lernbereiche I: Die vier sprachlichen Grundfertigkeiten' erörtern die Autoren spezifische Lehr- und Lernformen in bezug auf das Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen. Letzteres enthält zwei Unterabschnitte zu den Themen 'Aufmerksamkeit' und 'Mut'. Im Abschnitt 'Zentrale Lernbereiche II: Sprachliche Fähigkeiten' widmen sich die Autoren relativ ausführlich dem 'Stiefkind' der Fremdsprachendidaktik, der Aussprache. Sie erörtern mögliche Prinzipien der Ausspracheschulung und machen Vorschläge zu ihrer Didaktisierung. Nach einem Abschnitt zum 'Wortschatz', in dem sie auf mangelnde empirische Untersuchungsergebnisse zu Unterrichtsverfahren der Wortschatzvermittlung hinweisen, machen sie Vorschläge zur Unterstützung der Selbstorganisationsprozesse beim Aufbau sprachlicher Strukturen mit dem Ziel, eine "möglichst komplexe neuronale Vernetzung" (130) herzustellen. Das Kapitel 'Grammatik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache' thematisiert unterschiedliche Grammatikbegriffe und erörtert den Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen und einer pädagogischen Grammatik. Im Abschnitt 'Welche Grammatik für Deutsch als Fremdsprache? ' bezeichnen die Autoren die Dependenz-Verb-Grammatik als eine leicht zugängliche, konsistente Beschreibung des Deutschen, die allerdings nicht an Lernprozessen orientiert sei. Damit eine wissenschaftliche Grammatik sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden könne und so zu einer pädagogischen Grammatik werde, sei eine didaktische Reflexion und Restrukturierung hinsichtlich der Lernerbedürfnisse und lernpsychologischer Überlegungen erforderlich. Huneke/ Steinig stellen eine Liste von Aspekten auf, die dabei berücksichtigt werden müssen (137). Im Anschluß daran erläutern sie mögliche konkrete unterrichtliche Zugriffe auf die Grammatik, denen die folgenden Überlegungen und Prinzipien zugrunde gelegt werden können: Progression, Strategievermittlung, autonomes Lernen, Einsprachigkeit/ Zweisprachigkeit, Einbettung in kommunikativen Handlungsrahmen (138). Das Kapitel 'Globale Methodenkonzeptionen im DaF-Unterricht - Beispiel Lehrwerke' dient der kritischen Reflexion von vier zentralen und als etabliert anzusehenden Methodenkonzeptionen, i.e. die Grammatik-Übersetzungs-Methode, die audiolinguale/ audiovisuelle Methode, der kommunikativ-pragmatische Ansatz und der pädagogisch und i11terkulturell orientierte Ansatz. Die einzelnen Ansätze werden am Beispiel charakteristischer DaF-Lehrwerke erläutert. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende tabellarische Darstellung der Ziele, der charakteristischen methodischen Prinzipien, typischer Übungen, dem Stellenwert von Landeskunde und Literatur, den lernthem; etischen und den linguistischen Grundlagen, wie sie in den einzelnen Ansätzen vertreten werden. Im Abschnitt 'Medien' werden die verschiedenen auditiven, textlichen, visuellen und audiovisuellen Medien und ihre Einsatzmöglichkeiten im Unterricht beschrieben. Huneke/ Steinig betonen die Wichtigkeit ihrer sinnvollen Einbettung in einen Aufgabenzusammenhang. Sie stellen eine Reihe von Kriterien für die Auswahl der Medien auf, wie z.B. Authentizität, Zugänglichkeit und Komplexität, Anbindung an thematisch-inhaltliches Vorwissen, Berücksichtigung von Seh- und Hörgewohnheiten der Lernenden, Maß an Offenheit und Detailreichtum, Appellcharakter. Des weiteren geben die Autoren Hinweise zum praktischen Umgang mit den Medien zum Zwecke der optimalen Ausschöpfung ihres Potentials. Das Kapitel 'Computernutzung im DaF-Unterricht' ist eine kritische Beschreibung der Vor- und Nachteile des Einsatzes von Computern. Die Autoren erörtern drei Nutzungsmöglichkeiten von Computern, nämlich als Lernmittel, als Werkzeug und als Kommunikationsmittel. Sie liefern FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 233 eine Beschreibung der wichtigsten Lernsoftware-Typen, Datenbanken, CD-ROMs und weiteren Quellen zur Beschaffung von L2-sprachlichen Informationen literarischer und landeskundlicher Art. Ferner erläutern sie Möglichkeiten der Nutzung des Internets zur Befriedigung individueller Informationsbedürfnisse wie z.B. newsgroups, mailboxes und chat-channels, Klassenpartnerschaften und Korrespondenzen und Tandem-Projekte via email. Huneke/ Steinig zufolge kann der Einsatz von Computern das Sprachenlernen unterstützen, vorausgesetzt, er sei didaktisch reflektiert. Es folgt ein Abschnitt zum Themenbereich 'Übungen, Aufgaben und Selbständigkeit der Lerner', in dem es um die unterrichtliche Einbettung von Aufgaben und Übungen in einen kommunikativen, lernerorientierten Fremdsprachenunterricht geht. Die Autoren betonen die Wichtigkeit der kommunikativen Verwendungszusammenhänge, in die die Übungsgegenstände integriert werden müssen. Der Fremdsprachenunterricht sollte ihrer Meinung nach in erster Linie an übergeordneten, inhaltlich bedeutsamen Aufgabenstellungen orientiert sein, die kommunikative Handlungsrahmen bereitstellen. Huneke/ Steinig kritisieren die Vernachlässigung der Individualität des Lernprozesses bei zu stark vorgeplantem Übungsgeschehen (171 ); ausgehend von der Autonomie und der Einsichtsfähigkeit der Lernenden, plädieren sie für eine verstärkte Thematisierung individueller Lernerstrategien. Der folgende Abschnitt befaßt sich mit der Problematik 'Korrekturen'. Es werden verschiedene Positionen dazu erläutert, verschiedene Typen von Korrekturen werden beschrieben und erläutert, und der Einfluß von Korrekturen auf den Spracherwerb wird näher erörtert. Eine lernfördernde Wirkung wird ihnen dann zugeschrieben, "wenn sie als Feedback den Lerner bei der kognitiven Tätigkeit des Hypothesenbildens und -testens unterstützen. Diese Funktion wird aber unmöglich gemacht, wenn eine Korrektur in der affektiven Dimension negativ wirkt" (177). Der letzte Abschnitt in diesem Kapitel ist dem Thema 'Testen' gewidmet. Unter Testen sind sämtliche Maßnahmen zu verstehen, "mit denen auf methodisch kontrollierte Weise Informationen über das Sprachvermögen der Lerner erhoben werden" (180). Für eine sachgemäße, fundierte und differenzierte Bewertung und Benotung müßten bei der Messung des Sprachstandes und der Lernfortschritte die Ziele, die Art der Erhebung und die Aussagekraft der Ergebnisse berücksichtigt werden. Von entscheidender Bedeutung sei daher die Güte der Testinstrumente (i.e. ihre Validität, Reliabilität und Objektivität). Die Autoren liefern eine Reihe von Beispielen für unterschiedliche Tests und Testaufgaben; im Detail beschreiben sie das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache, den C-Test und Aufgabenbeispiele für die offene Überprüfung der Sprechfertigkeit. Als ferner wichtig betrachten sie die Rückwirkung, die solche Tests auf den Unterricht, dessen Standardisierung und Qualitätssicherung, seine Ziele, Inhalte und didaktisch-methodische Zugriffsweisen haben können. Kapitel 5 (Die Lehrenden): In diesem Kapitel reflektieren die Autoren den starken Einfluß, den selbsterfahrener Unterricht und die darin vermittelten Rollenzuschreibungen auf das eigene Verhalten ausüben können. Sie stellen die Frage, welche Theorien und Modelle zur Orientierung der zukünftigen Lehrer dienen und wie sich diese Theorien auf das eigene unterrichtliche Verhalten auswirken können. Es folgt eine Beschreibung verschiedener Theorien und der daraus resultierenden unterrichtlichen Konsequenzen. Kapitel 6 (Anhang): In diesem letzten Kapitel werden exemplarische Unterrichtsituationen dargestellt. Es handelt sich um Unterrichtsskizzen von DaF-Stunden aus verschiedenen Ländern, die auf verschiedenen Alters- und Niveaustufen durchgeführt wurden. Huneke/ Steinig machen ihren Standpunkt in bezug auf Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung sehr deutlich, indem sie feststellen: "Die typische oder gar die vorbildliche Unterrichtsstunde im Sinne einer Rezeptologie kann es überhaupt nicht geben" (196). Statt dessen sollten sich Lehrende um die bestmögliche Abstimmung auf Voraussetzungen, Bedürfnisse und Gewohnheiten der Lemergruppe bemühen, wobei Lebensalter, Vorbildung, Interessen, Zusammensetzung der Lernergruppe und jeweilige FLuL 27 (1998) 234 Buchbesprechungen • Tagungsberichte institutionelle Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle spielen. Das Kapitel schließt mit einen Vorschlag für eine tabellarische Stundenskizze, in der die folgenden Aspekte berücksichtigt werden sollten: Thema, Ziele, Verlauf der Stunde: Lernphasen, Lehrer-/ Lerneraktivitäten, Arbeits- und Sozialphasen, Medien. Die beiden letzten Abschnitte dieses Kapitels enthalten die Titel einer 'Auswahl nützlicher Arbeitsmittel für den Unterricht' wie z.B. bibliographische Mittel, fachdidaktische Einführungen und Orientierungen, Fachzeitschriften, Wörterbücher, Grammatiken, Lehrwerke, Materialien zu den sprachlichen Grundfertigkeiten und den sprachlichen Fähigkeiten, Lerntechniken, Sprachmagazine, Landeskunde/ interkulturelles Lernen, Sammlungen von kurzen literarischen Texten, Sprachlernspiele, Modelle und Anregungen für den Unterricht. Ferner werc den Anschriften von einschlägigen Institutionen und Fachverlagen genannt, und es schließt sich ein Sachindex an, der allerdings in Anbetracht der thematischen Fülle der Einführung ein wenig knapp geraten ist. Fazit: Zusammenfassend betrachtet handelt es sich bei der vorliegenden Einführung um ein gut lesbar geschriebenes und äußerst informatives Werk, das einen guten und aktuellen Überblick über die Bandbreite des Arbeitsfeldes Deutsch als Fremdsprache ermöglicht. Es handelt sich um eine differenzierte und kritische Darstellung, die auch die wichtigsten Erkenntnisse neuerer empirischer Forschung miteinbezieht und somit den aktuellen Diskussionsstand reflektiert, wobei ein ausgewogenes Verhältnis zwische theorie- und praxisbezogenen Fragestellungen erreicht wird. Im Sinne eines lernerorientierten Ansatzes kommt es den Autoren darauf an, dem autonomen, selbstgesteuerten Lernen und der aktiven Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand 'Deutsche Sprache und Kultur' eine zentrale Rolle einzuräumen. Insbesondere die Anregungen für den eigenen Unterricht und der umfangreiche Serviceteil - und dabei v.a. die weiterführenden Literaturangaben sind für angehende und bereits in der Praxis stehende DaF-Lehrende von großem Nutzen. Diese Einführung stellt daher eine gute Ergänzung zu den bereits existierenden Einführungen dar und ist Studierenden und Lehrenden des Faches Deutsch als Fremdsprache wännstens zu empfehlen. Bielefeld Karin Aguado Gabriele KASPER, Eric KELLERMAN (eds.): Communication Strategies: Psycholinguistic and Sociolinguistic Perspectives. London/ New York: Longman 1997, iX + 398 Seiten. Der vorliegende Sammelband besteht aus drei großen Teilen (Part I "Psycholinguistic Perspectives", Part II "Expanding the Scope" und Part III "Sociolinguistic Perspectives"), denen jeweils eine kurze Einführung der Herausgeber zu den insgesamt 15 Beiträgen vorangestellt ist. Am Ende des Buches findet sich eine umfangreiche Bibliographie mit über 450 Einträgen sowie ein Sach- und ein Personenregister. Im einleitenden Kapitel ("lntroduction: approaches to communication strategies") befassen sich die Herausgeber u.a. mit Fragen der Definition, Identifikation und Klassifikation von Kommunikationsstrategien [im folgenden KS], ihrer Erwerbsrelevanz und den zu ihrer Erhebung und Analyse verwendeten Methoden und Designs. Kasper/ Kellerman stellen fest, daß KS anfangs in erster Linie als Aktivitäten zum Zwecke der Problemlösung gesehen wurden, als „mentale Pläne" bzw. als psycholinguistische Prozesse der kognitiven Verarbeitung und der Sprachproduktion. Auch wenn diese Sichtweise die Strategienforschung insgesamt dominierte, gab es dennoch schon relativ früh Ansätze zu einer interaktiven Perspektive auf die KS, in denen ihre Verwendung als ein Versuch zur interaktiven Bedeutungsaushandlung gesehen wurde. Solche Interaktionen, für die Modifikationen, Bestätigungen und Verständnisüberprüfungen charakteristisch sind, stellen eine effektive Inputquelle dar und sind somit potentiell erwerbsrelevant, insbesondere wenn sie FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 235 zur Elizitierung positiven Feedbacks sowie Bereitstellung von mehr verarbeitbarem Input dienen und den Lernenden bei der Lösung sowohl rezeptiver als auch produktiver Probleme behilflich sind. Zur Forschungsmethodologie in bezug auf die KS merken die Herausgeber an, daß die meisten Studien auf Problemlösungsaufgaben wie z.B. der Beschreibung eines Gegenstandes zwecks Identifikation durch einen Zuhörer basieren. Zur Verringerung der Künstlichkeit, die mit solchen Aufgaben verbunden ist, ist man im Laufe der Zeit dazu übergegangen, die Probanden Geschichten erzählen, Arbeitsanweisungen formulieren oder abstrakte Figuren beschreiben zu lassen. All dies sind zuverlässige, gut kontrollierbare Möglichkeiten der Datengewinnung, die eine Vergleichbarkeit ermöglichen und die Erhebung und Messung diverser Variablen erlauben. Das Problem der Künstlichkeit bleibt allerdings nach wie vor bestehen. Studien, in denen unter authentischen oder quasi-natürlichen Bedingungen kommuniziert wird, sind zwar wünschenswert, aber eher selten und bringen das Problem der eingeschränkten Kontrollierbarkeit mit sich. Als Ziel neuerer Forschungen beschreiben Kasper/ Kellerman die Suche nach Gemeinsamkeiten strategischen sprachlichen Verhaltens zur Bewältigung verschiedener Aufgaben, unter der Bedingung unterschiedlicher externer Einflußnahme. Part I ("Psycholinguistic Perspectives"): Sämtliche Artikel in diesem Hauptabschnitt thematisieren grundsätzliche konzeptuelle und theoretische Fragestellungen der KS-Forschung und gehen dabei mehr oder weniger explizit auf die Taxonomie der Nijmegen Group (Kellerman [et al.] 1987) ein. Im ersten Artikel ("Investigating communication strategies in L2 reference: pros and cons" [17-30]) liefern George Yule & Elaine Tarone einen ausführlichen Überblick über zwei fundamental verschiedene Traditionen zur Erforschung der KS und erläutern theoretisch-konzeptuelle und methodologische Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Ansätze. Da sind zum einen diejenigen Forscher, die sich im Rahmen der Interlanguage-Forschung mit der Ermittlung variabler Performanz also mit extern beobachtbaren interaktiven Prozessen befassen und deren Forschungsergebnisse dazu führen, bestehende KS-Taxonomien zu erweitern ('the Pros'); und da sind zum anderen diejenigen Forscher, die sich für interne, kognitive Prozesse interessieren, reduktionistisch vorgehen und für die die Generalisierbarkeit und die psychologische Plausibilität der Modellierung von zentraler Bedeutung sind ('the Cons: ). Während die 'Pros' für die Vermittlung von Strategien plädieren, weil diese offensichtlich sprach- und kulturspezifisch und für das Gelingen der Interaktion wichtig sind, lehnen die 'Cons' dies mit dem Argument ab, daß Sprecher in der L2 ohnehin von sich aus dieselben Strategien wie in der Ll anwenden. Allerdings sprechen die Ergebnisse empirischer Forschungsarbeiten dafür, daß die Strategienverwendung aufgaben- und möglicherweise auch designspezifisch ist. In bezug auf zukünftige Forschung plädieren die beiden Autoren für ein stärker ausgeprägtes Bewußtsein für sozio-kulturelle Einflüsse auf die L2-Performanz und deren angemessene Berücksichtigung. Sie erachten den Vergleich im Strategiengebrauch von Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern als eine wichtige Erkenntnisquelle, deren empirische Untersuchung als Basis für didaktische Maßnahmen hinsichtlich der Vermittlung von Strategien fungieren kann. - Eric Kellerman & Ellen Bialystok ("On psychological plausibility in the study of communication strategies" [31-48]) betrachten den Strategiengebrauch von Nichtmuttersprachlern als einen Subtyp des allgemeinen strategischen Sprachverhaltens. Es geht ihnen um die Gemeinsamkeiten, diejeglicher sprachlicher Verarbeitung sei es in der Ll oder in der L2 inhärent sind: Die Autoren bestreiten somit die Spezifik nichtmuttersprachlichen KS-Gebrauchs. Sie unterziehen die von der Nijmegen Group aufgestellte, psycholinguistisch angelegte Taxonomie konzeptueller und sprachlicher Strategien einer näheren Betrachtung und unternehmen den Versuch einer Synthese dieses Modells mit Bialystoks zweidimensionalem Modell der sprachlichen Verarbeitung und Entwicklung, indem sie den KS eine Funktion einräumen für den Fall, daß die Balance zwischen den beiden Dimensionen 'analysis' und 'control' gestört ist. - Nanda Poulisse ("Compensatory strategies and the principles of clarity FLuL 27 (1998) 236 Buchbesprechungen • Tagungsberichte and economy" [49-64]) beschreibt und erklärt die Effekte, die die jeweiligen Aufgabenstellungen auf die Verwendung von KS v.a. von Kompensationsstrategien haben. Sie teilt die Auffassung von Kellerman & Bialystok, daß der fremdsprachliche KS-Gebrauch lediglich ein Spezialfall des allgemein-strategischen Sprachgebrauchs sei. Poulisse zeigt, daß die von Leech (1983) aufgestellten, als universal gültig bezeichneten Prinzipien 'clarity' und 'economy' nicht nur im Ll-, sondern auch im L2-Gebrauch eine wichtige Rolle spielen und sich nicht nur auf den Gebrauch von Kompensationsstrategien beziehen, sondern darüber hinaus auch die Phänomene codeswitching und Selbstkorrekturen bei Versprechern betreffen. Die Bedingungen, die für die Bewältigung ungestörter Kommunikation gelten, sind ebenso auch für Kommunikationsprobleme relevant. Auf der Basis der im Rahmen des Nijmegen-Projekts erhobenen Daten macht Poulisse die Beobachtung, daß der Aufwand für die Reparatur von Versprechern z.T. davon abhängig ist, für wie relevant oder störend sie gehalten werden: Fehler, die Tabuthemen berühren oder sozial nicht akzeptabel wären, werden in jedem Fall repariert. Ferner gibt es einen Unterschied zwischen falschen und unangemessenen Lexemen: während die falschen die Kommunikation stören können und deshalb sofort repariert werden, behindern unangemessene Wörter i.d.R. nicht das Verständnis und werden deshalb häufig zu Ende artikuliert, u.a. um dadurch Zeit für die Suche nach einem besseren Wort zu gewinnen. In bezug auf das code-switching, das häufig unabsichtlich geschieht, merkt Poulisse an, daß davon hauptsächlich Funktions- und Editionswörter betroffen sind undaufgrund ihrer geringen kommunikativen Relevanz nur relativ wenige Inhaltswörter. - George Russell ("Preference and order in first and second language referential strategies" [65- 95]) stellt eine Replikationsstudie zu einer Arbeit von Kellerman [et al.] (1990) vor; in Russells Studie sollten japanische Englischlernende sowohl in ihrer LI als auch in der L2 abstrakte Formen beschreiben. Unabhängig von der jeweiligen Sprache scheint es eine bestimmte Strategienhierarchie zu geben, nach der holistische Strategien an erster, partitive an zweiter und lineare an dritter Stelle stehen. Russell konnte also die zuvor von Kellerman [et al.] aufgestellte Hierarchie bestätigen, räumt allerdings ein, daß die auffällig häufige Verwendung von holistischen Strategien aufgabeninduziert sein könnte und daß zur endgültigen Bestätigung der Hypothese weitere empirische Studien erforderlich seien. Aber auch wenn diese Hierarchie sprachübergreifend gültig sein sollte bzw. sowohl im LI, als auch im L2-Gebrauch beobachtbar sei, stelle sich dennoch die Frage nach der Kulturspezifik der Strategienverwendung. So scheint es sowohl von der Sprachfähigkeit, dem allgemeinen Weltwissen als auch von der Einschätzung bzgl. des Weltwissens des Zuhörers abhängig zu sein, welche Strategien ein Sprecher einsetzt. - Brigitte Stemmer & Yves Joanette ("Strategies in verbal production of brain-damaged individuals" [96-126]) befassen sich mit dem Kommunikationsstrategiengebrauch bei Aphasikern, einer bisher empirisch nur sehr wenig bearbeiteten Thematik. Aufgrund der von Kellerman (1990) kritisierten mangelnden psychologischen Plausibilität der meisten Klassifikationsvorschläge in bezug auf ihre Kompatibilität mit kognitiven und problemlösenden Prozessen bei der Sprachproduktion versuchen die Autoren den psychologischen Ursachen für den Einsatz von Strategien auf den Grund zu gehen. Sie stellen fest, daß auf allen fundamentalen sprachlichen Ebenen (Phonologie, Morphosyntax, Syntax und lexikalische Semantik) sowohl konzeptuelle als auch sprachliche Kompensationsstrategien verwendet werden, räumen allerdings gleich zu Beginn die eingeschränkte Aussagekraft ihrer Ergebnisse ein. Generell gilt, daß Aphasiker dieselben Strategien verwenden wie Nicht-Aphasiker, und es scheint keine systematische Präferenz für die einzelnen Strategietypen zu geben. Allerdings spielt offensichtlich der Aphasietyp eine Rolle bei der Auswahl der jeweiligen Strategien. Abschließend plädieren die Autoren für eine kognitionspsychologisch ausgerichtete Rehabilitation von Aphasikern. Part II ("Expanding the Scope"): In diesem Teil findet eine Erweiterung der Thematik auf Kontexte statt, dien ich t L2-erwerbsspezifisch sind. Es geht aus sehr unterschiedlichen theoretischen Paradigmen heraus um den KS-Gebrauch bei verschiedenen Sprechern i.e. ein- und FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 237 zweisprachige Kinder, erwachsene Ll- und L2-Sprecher im Hinblick auf verschiedene Modalitäten und unterschiedliche Ll und L2. Peter Lloyd ("Developing the ability to evaluate verbal information" [131-145]) befaßt sich u.a. mit den verschiedenen methodologischen Vorgehensweisen bei der Untersuchung referentieller Kommunikation. Er kritisiert insbesondere die Künstlichkeit des Designs der meisten empirischen Studien, v.a. ihren Mangel an Möglichkeiten zur Interaktion und zur Aushandlung und ihre Beschränkung auf Feedback. Die Fähigkeit zur referentiellen Kommunikation, die Entwicklung · autonomer Ressourcen und die Befähigung zur sozialen Aushandlung von Bedeutung wird von Lloyd als eine fundamentale Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung schulspezifischer Anforderungen gesehen. Seiner Ansicht nach müßten in bezug auf die Vermittlung auch hier sprach- und kulturspezifische Merkmale berücksichtigt werden. - Werner Deutsch [et al.] ("Can one be more than two? Monoand bilinguals' production of German and Spanish object description in a referential communication task" [146-167]) beschreiben Unterschiede hinsichtlich der Objektbeschreibung bei einsprachigen und zweisprachigen Kindern der Sprachen Deutsch und Spanisch. Untersuchungsgegenstand ist die Verwendung von Farb- und Größenadjektiven in Nominalphrasen, die mittels referentieller Kommunikationsaufgaben elizitiert werden. Im Hinblick auf den funktionalen Aspekt der Referenz konnte kein Unterschied festgestellt werden, im Hinblick auf die Grammatikalität hingegen weisen die bilingualen Kinder Abweichungen bezüglich ihrer 'schwächeren' Sprache (hier Spanisch) auf; die Autoren konstatieren einen unidirektionalen negativen Transfer von Deutsch nach Spanisch. Die einsprachig deutschen Kinder übertrafen die einsprachig spanischen in ihrer referentiellen Fähigkeit, da sie zur Identifizierung des jeweiligen Gegenstandes mehr Informationen lieferten als für das Verständnis erforderlich war. Insgesamt scheint auch diese Studie auf eine kulturspezifisch unterschiedliche Strategienverwendung hinzudeuten, insofern als die spanischsprachigen Kinder der kognitiv-informativen Dimension weniger Aufmerksamkeit widmeten als der interaktiv-emotionalen. - Auf der Basis von Bildbeschreibungen erläutern Ana Maria Rodino & Catherine E. Snow ("Y ... no puedo decir nada mas: distance communication skills of Puerto Rican children" [168-191]) die kommunikativen Fertigkeiten von 20 Unterschichtskindern; die Kontrollgruppe stellen Kinder gleichen Alters aus der Mittelschicht dar. Die von den Probanden produzierten Texte wurden anhand der Kategorien Quantität, Spezifizität, Dichte, Narrativität und Flüssigkeit analysiert. Die Komplexität der produzierten Beschreibungen variiert mit dem Grad der Kontextualisierung, und zwar sowohl in der L1 (Spanisch) als auch in der L2 (Englisch). Unabhängig von der sozialen Schicht jedoch ist bei allen Kindern das Wissen um die Notwendigkeit und die Fähigkeit zur Anpassung an distanzierte Kommunikation vorhanden. Ob die Kinder allerdings in bilingualen oder in nichtbilingualen Programmen unterrichtet werden, spielt offensichtlich keine Rolle, da beide Gruppen schlechtere Leistungen in ihrer L1 Spanisch zeigen: die Beschreibungen sind deutlich kürzer und weisen mehr Fehler auf, während die sprachlichen Leistungen in der 'schwächeren' Sprache Englisch deutlich elaborierter, präziser und flüssiger sind. So kommt es trotz - oder gerade wegen der bilingualen Erziehung zu einer Art Erstsprachenverlust. Die Autorinnen konstatieren somit einen 'negativen' Einfluß der Unterrichtsinstruktion auf die Fähigkeiten in der Ll Spanisch. - Patricia A. Duff ("The lexical generation gap: a connectionist account of circumlocution in Chinese as a second language" [192-215]) unternimmt den Versuch, lexikalische Kommunikationsstrategien, insbesondere die 'circumlocution' -Strategie anhand von tonbandaufgezeichneter 'face-to-face' -Kommunikation zwischen einem wenig kompetenten erwachsenen L2-Sprecher des Chinesischen (mit L1 Englisch) und Muttersprachlern bzw. Zweitsprachenlernern des Chinesischen konnektionistisch zu beschreiben und zu erklären. Sie entscheidet sich dabei für einen 'localist-connectionist' -Ansatz, der u.a. dadurch gekennzeichnet ist, daß auf symbolische Informationen repräsentiert in Form von 'network nodes' zurückgegriffen wird. Fünf relevante Episoden werden analysiert, wobei dazu teilweise einfache semantische Netzwerke erstellt FLuL 27 (1998) 238 Buchbesprechungen • Tagungsberichte werden. Duff nimmt an, daß erfolgreiches lexikalisches Suchen von einer effizienten Aktivierung interkonnektierter semantischer und lexikalischer Merkmale (213) bei gleichzeitiger Hemmung anderer Merkmale abhängt. Wie Duff selbst betont, bleibt ihre Analyse recht spekulativ, eine Computersimulation der angenommenen Zusammenhänge wurde nicht versucht. - In seinem Artikel ("An introspective analysis of listener inferencing on a second language listening task" [216-237]) beschreibt Steven Ross auf der Grundlage introspektiver Daten, mit welchen lnferenzstrategienjapanische ESL-Lerner verschiedener Niveaus an einen mit Bilderindentifikationsaufgaben arbeitenden Hörverstehenstest herangehen. Er sieht in diesem Vorgehen eine Möglichkeit, die 'item response'-Validität der einzelnen Testitems zu erkunden und folgt damit einem Trend der Testforschung, bei der Bestimmung der Validität eines Tests nicht nur externe Kriterien über statistische Verfahren, sondern auch die internen kognitiven Prozesse des Prüflings während der Testbearbeitung zu berücksichtigen. Es stellt sich heraus, daß die Verwendung der ermittelten Strategien vom Schwierigkeitsgrad der einzelnen Testitems und der Sprachkompetenz des jeweiligen Lerners beeinflußt wird. Ross fokussiert dabei sogenannte 'misfits', also von weniger kompetenten Prüflingen überraschenderweise richtig bzw. von kompetenten Lernern überraschenderweise falsch beantwortete Items. Kompetente Lerner waren in der Lage, mehr und komplexere Elemente des auditiven Stimulus zu verarbeiten und in ein referentielles Schema einzuordnen. Auf allen Kompetenzniveaus frequent, jedoch mit unterschiedlichen Funktionen und Konsequenzen, wurde die 'Schlüsselwortstrategie' verwendet. - Der letzte Beitrag von Part II ("Studying language use as collaboration" [238-274]) stammt von Deanna Wilkes-Gibbs und wird von den Herausgebern als eine Art Brücke zwischen der psycholinguistischen und der soziolinguistischen Perspektive der KS-Verwendung bezeichnet. Wilkes-Gibbs betrachtet konversationelle Interaktionen als einen fundamental kollaborativen Prozeß. Um zu einer erfolgreichen Interaktion zu gelangen, passen die Interaktanten ihre Redebeiträge gegenseitig an die von ihnen jeweils gemachten Annahmen an und handeln so nach dem 'Prinzip der gegenseitigen Verantwortung' (239), bei dem interaktiv konstruiertes Wissen die Basis bildet. Auch in diesem Ansatz wird die kognitive Komponente nicht unterschätzt, da es um die gemeinsame Bewältigung einer Aufgabe geht und weniger um den sozialen Aspekt der Interaktion. Part III ("Sociolinguistic Perspectives"): In den vier Beiträgen des letzten Hauptteils geht es um die Funktion von KS in der sozialen Interaktion. Auf der Basis von Interaktionen mit Nichtmuttersprachlern in verschiedenen sozialen und institutionellen Interaktionssituationen werden unterschiedliche Verfahren zu ihrer Beschreibung und Erklärung gewählt, die dementsprechend unterschiedliche Konsequenzen für das Konzept der KS haben. In seinem Beitrag "A sociolinguistic perspective on L2 communication strategies" [279-303] setzt sich Ben Rampton kritisch mit der gegenwärtigen KS-Forschung auseinander und erweitert das Konzept der KS aus soziolinguistischer Perspektive insofern, als nicht mehr allein individuelle, dyadische Kommunikation und Referenzprobleme im Zentrum stehen. Statt dessen berücksichtigt er darüber hinaus auch ritualisierte Kommunikation sozialer Gruppen, verfolgt dabei einen weiten, die interpersonale Kommunikation einschließenden Problembegriff und illustriert anhand verschiedener Studien, daß die Nichtbeachtung außersprachlicher Faktoren die Vielseitigkeit von KS verschleiert. Existierende Taxonomien müßten seiner Auffassung nach um 'resistance' und 'comity' -Strategien erweitert werden. Besonders ausführlich werden in den beschriebenen Studien verschiedene Funktionen und Konsequenzen der Lerneridentität thematisiert, die sowohl Ursache als auch Folge von Kommunikationsproblemen sein kann. Ihre Evaluation hängt von verschiedenen Kontextfaktoren ab, kann sowohl mit Prestige als auch mit Stigmatisierung verbunden sein und ist dabei hochgradig variabel. Abschließend zeigt Rampton Wege auf, wie sich psycho- und soziolinguistische Forschungsansätze fruchtbar miteinander verbinden lassen. - Jessica Williams, Rebecca lnscoe & Thomas Tasker ("Communication strategies in an interactional context: the mutual achievement of comprehension" [304-322]) zeigen in ihrem diskursanalytisch ausgerichte- FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 239 ten Beitrag, daß "international teaching assistants" (ITAs) mit begrenzter mündlicher Sprachkompetenz als Chemielabortutoren erfolgreich mit muttersprachlichen Studierenden kommunizieren können und führen dies auf die Verwendung von der spezifischen Kommunikationssituation angemessenen KS zurück. Deutlich wird auch hier, daß außersprachliche Kontextfaktoren, wie z.B. der Grad an fachlicher Kompetenz in diesem Fall sind die Nichtmuttersprachler die Experten-, von entscheidender Bedeutung für den Verlauf der Kommunikation und die Verwendung von KS sind. Williams [et al.] verstehen unter KS weniger lokale Problemlösestrategien als vielmehr Verfahren der Anpassung an spezifische Kommunikationssituationen. Sie konzentrieren sich dabei auf das partnerschaftliche Aushandeln von Verstehensproblemen statt auf isolierte Produktionsschwierigkeiten und untersuchen nicht nur sprachsondern auch informationsbasierte Lücken. In ihrer Datenanalyse konnten sie feststellen, daß die Kommunikationspartner insgesamt auf eine konservative Fragestrategie zurückgreifen, was sich in der Bevorzugung geschlossener Fragen und einer schrittweisen und partnerschaftlichen Bedeutungsaushandlung niederschlägt. Allerdings muß eingeräumt werden, daß die festgestellte KS zwar zu erfolgreicher Verständigung führt, dem Spracherwerb der ITAs jedoch kaum zuträglich ist. - Johannes Wagner & Alan Firth ("Communication strategies at work" [223-344]) bemühen sich um eine Wiederbelebung und Neuorientierung des interaktionalen KS-Ansatzes. Sie kritisieren, daß dieser Ansatz in der Vergangenheit durch einen Mehrfachfokus auf Verständigungs- und Erwerbsprozesse, auf interaktional-soziale und auf kognitiv-individuelle Aspekte überfrachtet worden ist und fordern eine Konzentration auf interaktionale Verständigungsprozesse. Die Autoren begrenzen den Begriff KS dabei auf Interaktionsphasen, in denen die Interaktionspartner aktuelle, aber auch potentiell zu erwartende Kommunikationsprobleme über Pausen, den Intonationsverlauf, Verzögerungssignale etc. markieren. Sie analysieren authentische 'lingua franca' -Interaktionen und MS-NMS-Telefongespräche und stoßen dabei auf KS-Phänomene, die in einem die Produktionsebene isolierenden psycholinguistischen Ansatz unbemerkt bleiben würden. So können Wagner/ Firth u.a. zeigen, daß KS potentiell mehrdeutige Interaktionsprodukte darstellen und häufig nicht markiert werden, was unterschiedliche Gründe haben kann. - Bezugnehmend auf die Beschreibung der strategischen Komponente in Modellen Kommunikativer Kompetenz macht Gabriele Kasper ("Beyond reference" [345-360] die Vernachlässigung von interpersonalen zugunsten von referentiellen hier v.a. lexikalischen - Kommunikationsproblemen in der KS-Forschung deutlich. Sie zeigt auf, daß interpersonale Probleme durch konfligierende, auf den Ebenen 'interbzw. intrapersonal', 'aktional' bzw. 'relational' anzusiedelnde Ziele entstehen können und daß diese Probleme in intrakultureller Kommunikation weniger wahrscheinlich sind als in interkultureller Kommunikation. Gleichzeitig macht Kasper aber auch deutlich, daß Lernerstatus nicht immer ein Problem sein muß, sondern auch als Ressource genutzt oder völlig unbeachtet bleiben kann. Sie betont, daß Lerneridentität lokal konstruiert und von großer Relevanz für den Kommunikationsverlauf ist. Im Bereich der Pragmatik werden Kommunikationsprobleme und strategisches Verhalten dazu gehören Verbosität und Direktheit von Nichtmuttersprachlern, solidaritätsbildende Strategien, 'code switching' als positive Höflichkeitsstrategie und das Bilden von lokalen, aufgabenorientierten positiven Referenzgruppen durch die Kommunikationspartner primär auf der Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes der 'Interlanguage Pragmatics' beschrieben und Forschungsperspektiven für die Zukunft aufgezeigt. Fazit: Zusammenfassend ist zu sagen, daß es sich bei dem vorliegenden Band um eine äußerst lesens- und empfehlenswerte Sammlung verschiedenster, z.T. auch kontroverser Ansätze zum Untersuchungsgegenstand „Kommunikationsstrategien" handelt. Die einzelnen Studien geben einen ausgezeichneten Überblick über das breite Spektrum dieser Thematik und spiegeln den aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand wider. Die differenzierten und kritischen Darstellungen vermitteln Rezipienten unterschiedlicher Ausrichtungen die neuesten Ergebnisse empirischer Forschung zu verschiedenen psycho- und soziolinguistischen Aspekten der Strategien- FLuL 27 (1998) 240 Buchbesprechungen • Tagungsberichte verwendung. Sowohl hinsichtlich theoretischer als auch empirischer - und dabei insbesondere forschungsmethodologischer - Fragestellungen bietet dieser Sammelband interessante Informationen und zahlreiche wertvolle Anregungen für zukünftige Forschungsaktivitäten. Bielefeld Karin Aguado, Torsten Schlak George YULE: Referential Communication Tasks. Mahwah, N. J.: Erlbaum 1997, IX + 125 Seiten. George Yules Monographie ist der erste Band einer neuen, von S. Gass und J. Sehachter herausgegebenen Reihe (Monographs on Research Methodology), die sich mit der wichtigen und bisher vernachlässigten Thematik der Datenerhebung im Kontext der Zweitsprachenerwerbsforschung beschäftigt. Die Herausgeberinnen sind der Auffassung, daß ein adäquates Verständnis zweitsprachenerwerbsbezogener Forschungsergebnisse eine solide Kenntnis der zu ihrer Ermittlung verwendeten Datenerhebungsinstrumente voraussetzt. Dementsprechend sollen die Leser mit verschiedenen Erhebungsinstrumentarien, ihrer historischen und gegenwärtigen Anwendung, mit ihren Stärken und Schwächen und den Forschungsfragen, zu deren Untersuchung sie eingesetzt werden, vertraut gemacht werden. Yule befaßt sich in seiner lOOseitigen Monographie mit 'Referential Communication Tasks' [im folgenden RCT], einem Instrument, das zumindest von seiner Bezeichnung her - LI- Forschem eher geläufig sein wird als L2-Experten. Mit referentieller Kommunikation bezeichnet man kommunikative Akte, bei denen Informationen zwischen zwei Personen ausgetauscht werden. Entscheidend für den Erfolg solcher Kommunikationssituationen ist, ob es den Interaktionsteilnehmem gelingt, Referenz zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Im ersten Kapitel erhalten die Leser einen Überblick über den Forschungsbereich 'Referentielle Kommunikation', dessen historische Entwicklung bis zu Piagets entwicklungspsychologischen Studien zurückverfolgt wird. Zentrale Begriffe wie 'Referenz' und 'Kommunikation' werden definiert, 'referentielle Kommunikationsforschung' von traditioneller Zweitsprachenerwerbsforschung abgegrenzt, typische Forschungskontexte ebenso wie die von den Forschungsteilnehmern eingenommenen Rollen beschrieben und problematisiert. Ferner werden die Unterschiede und Überschneidungen zwischen interpersonaler und referentieller Kommunikation verdeutlicht. Wie jedes Kapitel, so schließt auch dieses mit kommentierten Literaturhinweisen zu den besprochenen Aspekten des Kapitels. Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung der Fähigkeit zur referentiellen Kommunikation beim LI-Erwerb beschrieben. Mit ca. sechs Jahren beginnen Kinder gewöhnlich, mehrdeutige von eindeutigen Mitteilungen zu unterscheiden. Yule diskutiert nativistische, soziale und kognitive Erklärungen für diesen Entwicklungsprozeß, wobei er einen multikausalen Zusammenhang annimmt. Es folgt eine Darstellung der späteren Entwicklung referentieller Kommunikationsfähigkeit. Yule betont, daß nicht jeder LI-Sprecher eine umfassende referentielle Kommunikationsfähigkeit erwirbt und diskutiert Konsequenzen dieser Erkenntnis für die L2-Forschung. Im dritten Kapitel erfolgt eine Charakterisierung von RCTs in Abgrenzung von den Datenerhebungsinstrumenten, die für die Erforschung des L2-Morphosyntaxerwerbs eingesetzt werden. RCTs werden dabei u.a. als diskursbasiert, kontextualisiert und die mündliche Kommunikation betonend beschrieben. Yule listet zentrale und allgemein akzeptierte Merkmale solcher Aufgaben auf und nennt eine Reihe von Dimensionen, anhand derer sich einzelne Aufgabentypen unterscheiden lassen. Dementsprechend kann zwischen "one way"- und "two way"-Aufgaben, zwischen offenen und geschlossenen Aufgaben und zwischen Aufgaben mit konvergierender und solchen mit divergierender Zielorientierung unterschieden werden. Zudem thematisiert Yule die FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 241 Rollen der Forschungsteilnehmer bei der Bearbeitung der Aufgaben, wobei im Regelfall eine Person die Rolle des Sprechers, die andere die des Zuhörers übernimmt. Yule weist nachdrücklich darauf hin, daß Faktoren wie Sprachkompetenz, Muttersprachlerstatus, Geschlecht, soziale Macht und Vertrautheit der Forschungsteilnehmer einen wesentlichen, in der bisherigen Forschung jedoch weitgehend unberücksichtigten Einfluß auf die erhobenen Daten ausüben. Im vierten Kapitel setzt Yule die Beschreibung der Merkmale mit einer detaillierten Analyse der zur Durchführung von RCTs verwendeten Materialien und Prozeduren fort. Grundsätzlich basieren die Aufgaben auf visuell-nonverbalen Materialien, während geschriebene textbasierte Elemente vermieden werden. So soll der Einfluß der an der jeweiligen Studie beteiligten Sprachen, der Sprachkompetenz und des Alters der Forschungsteilnehmer minimiert werden. Dennoch besteht laut Yule das Problem, daß die verwendeten Materialien bestimmte Gruppen bei der Bearbeitung der Aufgaben bevorzugen, andere hingegen benachteiligen. Die Aufgabe des Zuhörers besteht im Regelfall darin, vom Sprecher beschriebene Objekte zu identifizieren bzw.· aus einer Gruppe von vorgegebenen Objekten auszuwählen. Diese Objekte können physikalische Gegenstände, Zeichnungen oder Fotografien sein. Dargestellt werden entweder real existierende Gegenstände oder Situationen oder abstrakte Elemente und Formen. In einigen wenigen Studien erhalten die Sprecher eine Liste von Begriffen und werden aufgefordert, mit ihren eigenen Worten diese dem Zuhörer unbekannten Begriffe zu beschreiben. Eine weitere Alternative stellen Aufgaben dar, bei denen die Zuhörer von den Sprechern instruiert werden, Objekte zu zeichnen, eine Route auf einer Karte nachzuzeichnen oder bestimmte Gegenstände zusammenzusetzen. Da der Zuhörer bei diesem Aufgabentypus über weniger Informationen verfügt als bei reinen Identifikationsaufgaben, müssen die Sprecher hier ihre Instruktionen besonders explizit und detailliert formulieren. Noch größere Anforderungen an die Forschungsteilnehmer stellen Aufgaben, bei denen 'Augenzeugenberichte' geliefert und nachvollzogen oder Bildergeschichten nacherzählt werden müssen. Die Zuhörer sind aufgefordert,. vorgegebene Bilder in· die richtige Reihenfolge zu bringen bzw. nicht-relevante Bilder zu entfernen. Solche Aufgaben machen es besonders schwierig, gemeinsame Referenz zu erreichen und aufrecht zu erhalten, da es im Unterschied zu den zuvor skizzierten Aufgabentypen zu dynamischen Veränderungen in der Konstellation der beschriebenen Objekte, Ereignisse und Personen kommt. - In den meisten RCTs sitzen sich Sprecher und Zuhörer an einem Tisch gegenüber, die zu bearbeitenden Materialien liegen vor ihnen, wobei eine Sichtbarriere verhindern soll, daß die Versuchsteilnehmer absichtlich oder unabsichtlich einen Blick auf die Materialien ihres Gegenübers werfen. Einige Zweitsprachenerwerbsforscher - Yule eingeschlossen halten es für wichtig, daß die verwendete Barriere Augenkontakt zwischen den Interaktionsteilnehmern zuläßt. Die Beschreibung der Prozeduren endet mit einer vergleichenden Darstellung von RCTs unter den Bedingungen 'mit Zuhörer' und 'ohne Zuhörer'. Das abschließende fünfte Kapitel thematisiert die Analyse von Daten, die mittels RCTs erhoben worden sind. Drei in der L2-Forschung verwendete Paradigmen zur Analyse werden vorgestellt i.e. 'communication strategies', 'negotiated meaning' und 'communicative outcomes' - und als komplementär zueinander charakterisiert. Yule definiert den Begriff 'Kommunikationsstrategie', differenziert zwischen der psycholinguistischen und der soziolinguistischen Perspektive und unternimmt den Versuch, beide Ansätze zu integrieren. In den beiden erstgenannten Paradigmen konzentriert sich die Analyse auf Interaktionsprobleme. Besondere Beachtung erfahren sogenannte Indikatoren, mit denen die Interaktionsteilnehmer signalisieren, daß sie etwas nicht verstanden haben. Eine Analyse im Sinne der 'communicative outcomes' beschäftigt sich mit den Ergebnissen referentieller Kommunikation. Zuerst wird gefragt, ob ein potentielles Problem von den Interaktionsteilnehmern identifiziert wird, und in einem weiteren Schritt, ob und in welcher Form eine Lösung des identifizierten Problems ausgehandelt wird. Die Verwendung von Kommunikationsstrategien oder die Aushandlung von Bedeutung garantiert noch keine erfolgreiche Lösung referentieller Probleme. FLuL 27 (1998) 242 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Fazit: Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Yules Buch außergewöhnlich gut lesbar und klar strukturiert ist. Es verschafft dem Lesenden einen exzellenten ersten Überblick über das Datenerhebungsinstrument RCT und die damit verbundenen Forschungstraditionen. Die umfassende und ebenso aktuelle wie hilfreich kommentierte Bibliographie ist ein weiteres Plus. Es bleibt zu hoffen, daß die Reihe Monographs an Research Methodology, die gerade für empirisch arbeitende Fremdsprachendidaktiker und Zweitsprachenerwerbsforscher von größtem Wert ist, mit qualitativ gleichwertigen Publikationen fortgesetzt wird. Bielefeld Karin Aguado, Torsten Schlak PONS Daniel Jones English Pronouncing Dictionary. Cambridge: Cambridge University Press & Stuttgart: Klett 1997, XIX+ 559 Seiten [Hardback: DM 49,80; Paperback: DM 39,80]. Sowohl der englische als auch der deutsche Verlag behandeln Daniel Jones (dessen English Pronouncing Dictionary 1917 zum ersten Mal erschien) inzwischen wie ein Markenzeichen, das zum unverzichtbaren Teil des Titels geworden ist. Dabei geht der Verlag Klett noch einen Schritt weiter als Cambridge University Press: Er hat das Buch mit einem charakteristischen grünen PONS- Deckel versehen, auf dem zwar darauf hingewiesen wird, daß es sich um eine wichtige Neuauflage handelt, Informationen darüber, um die wievielte Auflage es sich handelt, und die Namen derer, die die Arbeit geleistet haben, findet man aber erst auf dem inneren Titelblatt. Der Deckel des englischen Originals ist für Benutzer, denen die Geschichte des Jones-Aussprachewörterbuchs nicht völlig unbekannt ist, sehr viel aussagekräftiger und gegenüber den für diese Neubearbeitung Verantwortlichen sehr viel fairer: ENGLISH PRONOUNCING DICTIONARY. Daniel Jones. 15th edition. This major new edition edited by Peter Roach & James Hartman. Denn es handelt sich um eine durchgreifende Neubearbeitung dieses bekannten Standardwerks. Sie wurde erforderlich nicht nur, weil dies aus zeitlichen Gründen geboten war: Die von A. C.Gimson besorgte 14. Neubearbeitung [EPD 14] erschien 1977 und dann noch einmal 1988 in der von Susan Ramsaran revidierten Fassung mit einem Supplement fehlender Wörter. Inzwischen hat sich der Wortschatz so dramatisch verändert, daß es mit einem Supplement nicht mehr getan gewesen wäre. Aber dies ist nicht der einzige Grund. Wichtiger dürfte sein, daß EPD 14 seit 1990 einen sehr ernst zu nehmenden Konkurrenten hatte: J. C. Wells' Longman Pronunciation Dictionary [LPD], das sich durch eine ganze Reihe von Merkmalen von EPD 14 unterschied; u.a. gab es sowohl britische als auch amerikanische Aussprachen an .. Aus der Sicht eines fremdsprachendidaktisch Engagierten und mit Blick auf professionell mit der Anglistik befaßte Benutzer ergeben sich für diese Rezension also zwei Hauptaufgaben: 1. die Darstellung der Unterschiede zwischen EPD 14 und dem neuen EPD 15 und 2. ein Vergleich zwischen EPD 15 und dem LPD von J. C. Wells. 1. Welche Neuerungen bringt EPD 15 gegenüber EPD 14? (a) Die Zahl der Einträge ist um ca. 18 000 auf über 80 000 erweitert worden. Dennoch ist das Werkjetzt dreispaltig gedrucktgut handhabbar und klar leserlich geblieben. Viel neu entstandener Wortschatz wurde aufgenommen, und zahlreiche alte Lücken wurden geschlossen. Besonders begrüßenswert ist die hohe Zahl der nun aufgenommenen Orts- und Familiennamen: wer EPD 15 benutzt, wird erheblich seltener auf G. E. Pointon's BBC Pronouncing Dictionary of British Names (Oxford 2 1990) ausweichen müssen als bisher. Insgesamt sind die Einträge mit großer Sorgfalt erstellt worden und geben Alternativen sowie ihre Vorkommensbedingungen im Einzelfall an, z.B. "Boz boz @ba: z I Note: This pen-name of Charles Dickens was originally pronounced / bauz @ bouz/ , but this pronunciation is not often heard now" oder "Leigh surname: li: place name: li: , lar I Note: The places in Essex and Greater Manchester are / li: / ; those FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 243 in Surrey, Kent and Dorset are / laJ/ ." Man vergleiche als weitere Beispiele die Einträge zu Cirencester, Feltham, Marham, Ives, Southall. - Zeitgemäß und höchst nützlich die großzügigere Aufnahme von Acronymen (im weitesten Sinn): BUPA, c/ o, COD, C of E, DIY, HIV, MOT, nimby/ NIMBY, WYSIWYG, etc. - Im Bereich literarischer Termini, Titel und Namen war eine Revision besonders nötig. Sie ist erfolgt, aber noch immer fehlt hier überraschend viel. Namen, die genug Status haben, um im Oxford Companion to English Literature (letzte Auflage: Drabble 1995) erfaßt zu werden, sollten im EPD nachschlagbar sein. Eine vergleichende Durchsicht ergab folgende Lücken: Achitophel (wie in Drydens Absalom and -), Alroy (Roman von Disraeli), Altamont (in Thackerays Pendennis), Angria and Gondal (Brontes), Ayala (wie in Trollopes Ayala's Angel), Biographia Literaria (Coleridge), Blifil (in Fielding's Tom Jones), Blumine (in Carlyles Sartor Resartus), Dacres (in Disraelis The Young Duke), Daphnaida (Spenser), Drawcansir (in Buckinghams The Rehearsal), Earine (in Jonsons The Sad Shepherd), Fidele (in Shakespeares Cymbeline), Glennaquoich (in Scotts Waverley), Göemot (in Spensers Pairie Queene), Hydriotaphia (Sir Thomas Browne), Hythloday (in Mores Utopia), Iras (in Shakespeares Anthony and Cleopatra), Kazuo Ishiguro, Menaphon (Robert Greene), Millamant (in Congreves The Way of the World), Miss Mowcher (in Dickens' David Coppe,field), Paul Muldoon, R.K. Narayan, Richard Rolle, Resartus in Carlyles Sartor Resartus, Shalott (wie in Tennysons The Lady of -), Tibert (in Reynard the Fox). - Weitere Lücken, die sich beim (nicht systematischen) Nachschlagen im Rahmen linguistischer, literarischer und sprachhistorischer Arbeit ergaben, sind: Belarus, carrel, fermata, hyperbaton, iron ore, ITMA, Ligeia (Poe), nates, polyptoton, radome, raree-show, septenary, Ulalume (Poe), de Yevele. (b) Wie LPD (1990) bringt nun auch EPD 15 nicht nur britische, sondern auch amerikanische Aussprachen. Peter Roach (University of Reading) verantwortet den britischen Teil, James Hartman (University of Kansas) den amerikanischen. Konsequenterweise hat die Aufnahme amerikanischer Aussprachen zur Aufnahme amerikanischer Schreibvarianten in die Wortliste geführt. (c) Der zugrunde liegende Aussprachestandard wird (für das britische Englisch) von Roach nicht mehr als 'RP' (Received Pronunciation) sondern als 'BBC English' bezeichnet: "this is the pronunciation of professional speakers employed by the BBC as newsreaders and announcers on BBCl and BBC2 television, the World Service and Radio 3 and 4, as well as many commercial broadcasting organisations such as ITN. Of course, one finds differences between such speakers, but there is still a reasonable consensus on pronunciation in this group of professionals, and their speech does not carry for most people the connotations of high social class and privilege that PSP [Public School Pronunciation; KH] and RP have had in the past" (S. V). Ähnliche Äußerungen finden sich allerdings auch schon in der Einleitung zu EPD 14; dennoch wurde der Terminus RP semantisch erweitert dort aus praktischen Gründen beibehalten. - Für das Amerikanische wird der häufig verwendete, geographisch und sozial definierte Standard 'General American' ersetzt durch 'Network English': "what is frequently heard from professional voices on national network news and information programmes" (ibid.). "lt is important to note that no single dialect regional or social has been singled out as an American standard. Even national media (...), with professionally trained voices have speakers with regionally mixed features. However, 'Network English', in its most colourless form, can be described as a relatively homogeneous dialect that reflects the ongoing development of progressive American dialects (...). This 'dialect' itself contains some variant forms. (...) What are thought tobe the more progressive (used by educated, socially mobile, and younger speakers) variants are listed first in each entry. The intent is to list the variety of pronunciations with the least amount of regional or social marking" (S. V-VI). (d) Neben dem Punkt als Silbentrennungszeichen wurde eine kleine Anzahl nicht-phonemischer Transkriptionssymbole eingeführt, insbesondere [i] und [u]. Hierbei folgt EPD 15 dem Vorbild von LPD. Es handelt sich dabei um die möglichst realistische Wiedergabe der weitgehen- FLuL 27 (1998) 244 Buchbesprechungen • Tagungsberichte den Neutralisierung von unbetontem li: I und III sowie lu: I und lol im Wortauslaut und vor Vokal: busy = 'brz.i, windier = 'wrn.dia, react = ri'rekt, appreciate = a'pri: .Ji.ert; to eat = tu'i: t, situation = ,srt.ju'er.fn. EPD 14 hielt sich in diesen Kontexten noch streng an die phonemischen Symbole III und lol oder lu: I. Trotz der Realitätsnähe der neuen Umschreibungen könnte man ihre Einführung aus (deutscher) fremdsprachendidaktischer Sicht fast bedauern, denn die Notationen [i] und [u] suggerieren eine Gleichheit mit der typisch deutschen, geschlosseneren Aussprache der betreffenden Vokale, die nicht gemeint ist (vgl. 'deutsch' happy / hepi: I oder / hepil). Und Roach's Diagnose, daß III im Auslaut nicht existiert (S. XIV), ist wohl nicht vollständig zutreffend. (e) Aus didaktischen Gründen zu begrüßen - und natürlich dem Sprachstand angemessen ist dagegen die Tatsache, daß in Fällen der Variation zwischen III und lal letzterem häufig Priorität eingeräumt .wird: während EPD 14 das Wort goodness mit der Reihenfolge 'godnrs [-nas] transkribierte, schreibt EPD 15 'god.nas, -nrs; ebenso hopeless: 'haop.las, -lrs und climate: 'klar.mat, -mrt. (f) EPD 15 behandelt das Problem der Betonung mit deutlich größerer Sorgfalt und Ausführlichkeit als frühere Auflagen. Bei der Wortbetonung wird 'primary' und 'secondary stress' unterschieden, wobei anders als in EPD 14 pro Lexem nur ein 'primary stress' zugelassen wird: cross-examination = ,kros.Ig,zrem.r'ner.fn (EPD 14: 'krosrg,zremr'nerfn). - Potentielles 'stress-shifting' wird an vielen Stellen hervorgehoben und mit Beispielen illustriert: afternoon ,a: f.ta'nu: n [...] ,afternoon ~ea. Man vergleiche auch Einträge wie Berlin, Kings Cross, kneehigh, transverse. - 'Compounds' (die zugrundeliegende Definition ist recht vage) werden in viel größerer Zahl als in EPD 14 aufgelistet. Für den deutschen Benutzer, mit seiner Tendenz zur automatischen Anfangsbetonung, ist dies besonders wertvoll: ,Adam's 'apple, Jlyde Park, Jlyde ,Park 'Corner, Sal,vation 'A.rmy, ,strawberry blonde, ,town 'hall. - Ebenfalls neu und äußerst nützlich ist die Angabe der Betonungsmuster von phraseologischen Einheiten: let ,sleeping dogs lie, ,bang one's ,head against a ,brick 'wall, ,August Bank Holiday. Besonders wichtig sind solche Markierungen für Nicht-Muttersprachler in Fällen, wo die Betonung der normalen Erwartung entgegenläuft, also irregulär, 'idiomatisch', ist. EPD 15 macht hier einen guten Anfang: have ,eyes in the ,back of one's 'head, get ,on like a 'hause on fire. Aber hier bleibt nach wie vor eine ernste Lücke. Es gibt zahlreiche feste Ausdrücke mit idiomatischen Betonungsmustern, die in einem so spezialisierten Nachschlagewerk wie diesem vertreten sein sollten (mind you, goodness me, for heaven's sake, trust me [to get it wrang], you would, etc. etc.). - Daß der Aspekt der Wortbetonung in dem Werk insgesamt eine wichtige Rolle spielt, läßt sich u.a. auch daran erkennen, daß die Beziehungen zwischen Präfixen/ Suffixen und Wortbetonung unter dem jeweiligen Morphem zusammenfassend dargestellt werden, was in EDP 14 nicht der Fall war. Allerdings fragt man sich, ob diese Vorgehensweise wirklich einen Gewinn bringt, denn es wird nicht nur stets ein Hinweis auf mögliche Ausnahmen gegeben, sondern vor allem werden die Termini 'Präfix' und 'Suffix' in einem in der modernen Wortbildungslehre unüblichen Sinn verwendet, nämlich so, als sei es uninteressant, ob solche Elemente im modernen Englisch Morphemcharakter haben oder nicht. So lautet der Eintrag unter comnach den entsprechenden Trankriptionen folgendermaßen: "Note: Prefix. This may carry primary or secondary stress, e.g. combat / 'kom.bret@ 'ka: m.bret/ or be unstressed, e.g. complete / kam'pli: t/ '', unter dem 'Präfix' emerscheinen sowohl emblem als auch embed, und unter dem Suffix -ee werden employee und committee behandelt, als seien sie gleich strukturiert. Der lange Eintrag unter dem sog. Suffix -ate geht sogar soweit, -ate in dem Nomen climate als Suffix zu bezeichnen. Er endet mit dem Satz: "There are numerous exceptions; see individual entries". Von solcher terminologischen Kritik abgesehen, sind die Hinweise auf die verschiedenen Realisationen von de- (debrief vs detain) und re- (reread vs return) sicher hilfreich. Bei subfehlt übrigens ein entsprechender Kommentar (subedit vs subdue). - Stark verbessert behandelt EPD 15 das Phänomen der 'weak FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 245 forms'. Unter dem betreffenden Funktionswort finden sich nicht nur, wie in EPD 14, die verschiedenen möglichen Aussprachen, sondern eine ausführliche, mit Beispielen illustrierte Beschreibung der Bedingungen, die zu der jeweiligen Realisation führen (vgl. and, do, does, has, he, etc.). 2. Worin unterscheiden sich EPD 15 und LPD? Sowohl EPD 15 (1997) als auch LPD (1990) sind für Anglisten ohne Einschränkung empfehlenswert. EPD 15 hat (bei nur 559 Seiten) eine etwas längere und aktuellere Wortliste als LPD (804 Seiten). Beide Werke sind äußerst sorgfältig gearbeitet und gleichen sich in den wichtigsten Einzelheiten. Dennoch gibt es Unterschiede: LPD wendet sich expliziter an nicht-muttersprachliche Benutzer als EPD 15 und ist dabei gleichzeitig etwas deskriptiver und linguistischer. Es spricht Empfehlungen (u,a. durch farbigen Druck) und Warnungen (Ausrufezeichen in einem Dreieck) aus (vgl. z.B. den Eintrag unter etc., etcetera, et cetera) und weist auf die Unerwartetheit mancher Aussprachen sowie ggf. auf die Existenz von Homophonen hin: "bury 'ber i (! = berry)". -LPD gibt häufig auch nicht-RP-Varianten an, markiert sie aber entsprechend (entweder mit einem vorangestellten Kreuz oder in expliziter Form): "one wl\n twon -In standard speech this ward has no weakform. See, however, 'un". EPD 15 listet hier nur die RP-Form auf, ebenso bei staff, etc. Die Deskriptivität geht bei LPD, wie gesagt, bis zur Aufnahme inkorrekter (aber frequenter) Aussprachen (vgl. auch grievous, asphalt, Moray, predilection). Selbst häufig assimilierte oder elidierte Formen werden aufgenommen: "bridegroom 'brard gru: m brarg-, [...]". - Umstrittene, im Prozeß der Veränderung begriffene Aussprachen werden in LPD durch den Abdruck der Ergebnisse einer 'poll panel'-Befragung deutlicher problematisiert als in EPD 15: "data 'dert a 'da: t a, t'd: et a [...] -BrE poll panel preference: 'den a 92%, 'da: t a 6%, 'd: et a 2%". Weitere Beispiele wären applicable, contribute, controversy, exquisite, dispute, suit. - Im Bereich der Wortbetonung hat EPD 15 sich für die Unterscheidung von 'primary' und 'secondary stress' entschieden, LPD dagegen arbeitet zusätzlich mit 'tertiary stress', eine Entscheidung, die besonders aus der Perspektive deutscher Sprecher klare didaktische Vorteile hat. Crossexamination wird in EPD 15 transkribiert, als sei der Akzent auf der ersten und dritten Silbe gleich: ,kros.rg,z: em.r'ner.fn; LPD dagegen schreibt ,kros rg .z: em a 'nerfn, eine bei normalem Sprechtempo wahrscheinlichere Form (vgl. auch cross-fertilisation, disambiguation, goddaughter, predisposition). - Schließlich enthält LPD über 30 Kurzartikel zu phonetischen Phänomenen, deren Verständnis für eine korrekte Aussprache grundlegend ist (Assimilation, Elision, Weak Forms, R Liaison, etc.) und wird hiermit schon fast zu einem Lehrbuch der englischen Phonetik. Das ist nicht die Zielsetzung von EPD 15: es listet Fakten auf, und es tut dies mit großer Sorgfalt und Zuverlässigkeit. Bielefeld Käthe Henke-Brown Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST, Klaus MUDERSBACH (in Zusammenarbeit mit Ingrid Fleddermann [et al.]): Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens. Tübingen: Francke 1998 (UTB 1990), 374 Seiten [DM 39,80]. Die Vf. wollen das Übersetzen wissenschaftlich fundieren. Dies erfordert ein „exhaustives methodisches" (49) Vorgehen. "Methodisch" impliziert, daß sich übersetzerisches Handeln im Rahmen einer „wiederholbaren regelgeleiteten Schrittfolge" (344) zu vollziehen hat. "Exhaustiv" meint, daß der zu übersetzende Text erschöpfend analysiert wird. Dies geschieht, indem man ihn sowohl mit einer „atomistischen" als auch nach einer „holistischen" Methode analysiert (39), wobei beide Methoden streng getrennt anzuwenden sind, bevor die Ergebnisse verglichen werden, um eine FLuL 27 (1998) 246 Buchbesprechungen • Tagungsberichte erschöpfende semantische Erfassung des Textes zu gewährleisten. Den herkömmlichen übersetzungswissenschaftlichen Abhandlungen neueren Datums wird vorgeworfen, daß sie entweder nur jeweils einen dieser beiden Standpunkte privilegierten, bzw. daß sie beide vermischt haben. Das übersetzerische Handeln soll „transparent" sein, und die Ergebnisse des übersetzerischen Handelns sollen „interindividuell nachvollziehbar" dargestellt werden (34). Schließlich soll auch noch die Überprüfung der intertextuellen Adäquatheit ermöglicht werden. Die Berücksichtigung all dieser verschiedenen Kriterien wird durch drei methodische Ansätze gewährleistet: "Aspektra", "Relatra" und „Holontra", die nach Meinung der Vf. - "zusammengenommen[...] alle Gesichtspunkte, unter denen ein Übersetzer einen Text versteht und übersetzt, berücksichtigen und systematisieren können" (41). Mit „Aspektra" (von „Aspektiver Translation") soll der Übersetzer die „Gesichtspunkte" - „Aspekte" genannt erfassen, die er „individuell .als relevant für sein Verständnis des Textes und seine Übersetzung ansieht" (41). Dies geschieht in einer „detailbewußten Erstlektüre des AS- Textes in möglichst kleinen Schritten [...]. Diese aufwendige Erstlektüre soll den Übersetzer für das 'Unerwartete' im Text offenhalten, das ja mitunter in der Übersetzung bewahrt bleiben soll" (46). Die herausgearbeiteten Aspekte sollen dann in Hinblick auf ihre Bedeutung für den „Übersetzungszweck" gewichtet werden, z.B. auf einer Skala von O bis 100. - Mit „Relatra" (von „Relationaler Translation") sollen die Beziehungen zwischen den Sachinformationen im Text dargestellt werden. Dies geschieht schematisch in einem semantischen Netz, zunächst „linear". Auf Grund dieses linearen Netzes läßt sich ein „synchron-optisches Netz" erstellen, aus dem sich Informationen über die Textkohärenz und über den Stellenwert der durch die verschiedenen Textstellen aufgerufenen „Kultursysteme" ablesen lassen. Führt man dieselbe Operation nach Herstellung der Übersetzung für den ZS-Text durch, so kann leicht überprüft werden, ob die beiden semantischen Beziehungsnetze sich decken und somit Adäquatheit auf der Ebene der Sachinformationsübertragung erreicht wurde. - Mit "Holontra" (von „Holistischer Translation") wird das zum Textverständnis notwendige Hintergrundwissen analysiert und in Form von „Kultursystemen" dargestellt. Die synchron-optische Darstellung gestattet auch hier wiederum ein rasches Erfassen der Beziehungen zwischen den Kultursystemen im AS-Text. Führt man die gleiche Analyse für den ZS-Text durch, so läßt sich überprüfen, ob sich die durch die Textstellen aufgerufenen Kultursysteme im ausgangssprachlichen und im zielsprachlichen Text decken oder ob verschieden strukturierte Kultursysteme den Übersetzer zu Kompensierungen oder Erklärungen zwingen. Die Vf. schließen mit der Bemerkung, es gehe ihnen „darum zu zeigen, daß es möglich ist, nach wissenschaftlichen Methoden zu einer fundierten und nachvollziehbaren Übersetzung zu gelangen" (327). Sicher kann man die dargestellten Methoden als wissenschaftlich fundiert betrachten. Heißt dies aber, daß andere Methoden, die nicht mit dem hier betriebenen Aufwand an Zahlenmaterial, Tabellen und Netzdarstellung aufwarten können, unwissenschaftlich sind? Dies wird jedenfalls seitens der V f. den jüngeren übersetzungstheoretischen Ansätzen vorgeworfen. Immerhin räumen sie ein, daß „das hier dargestellte Verfahren [...] sehr zeit- und arbeitsaufwendig [...] und daher für die berufsmäßige Praxis nur bedingt geeignet" (52) ist, wobei es anstelle von „bedingt geeignet" besser „nicht geeignet" heißen sollte. Denn welcher Praktiker wäre bereit, für die Übersetzung eines eine Seite langen Textes einen derartigen Aufwand zu treiben? Man stelle sich die Übersetzung eines mehrere hundert Seiten umfassenden Buches nach der hier propagierten Methode vor! Die ohnehin bei den Praktikern bestehende Theoriefeindlichkeit 1 dürfte durch derart übertriebene Forderungen noch verstärkt werden. Will man die praktizierenden Übersetzer für Vgl. z.B. Hönig, Hans K. / Kußmaul, Paul: Strategie der Übersetzung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen: Narr 3 1991, 9. FLuL 27 (] 998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 247 übersetzungstheoretische Ansätze gewinnen, so muß man sie 'auf den Geschmack bringen', indem man ihnen praktikable methodische Schritte zur Lösung von konkreten Problemen anbietet. 2 Vergessen wir nicht, daß die vorliegende Übersetzungsmethodik im Rahmen des Förderungsprogramms 'Anreizorientierung zur Beschleunigung der Studienreform/ Studienzeitverkürzung und der Verbesserung der Lehre' (9) entwickelt wurde und somit didaktische Relevanz beansprucht. Aus didaktischer Sicht zu befürworten ist, daß der Lerner mit sämtlichen Faktoren vertraut gemacht wird, die zum Verständnis eines zu übersetzenden Textes beitragen können. Allerdings sind mir auch in dieser Hinsicht einige Vorgehensweisen unklar geblieben. Was „Aspektra" anbelangt so wird sie als.eine „detailbewußte Erstlektüre in möglichst kleinen Schritten" (46) beschrieben, und es wird betont, wie wichtig diese Erstlektüre in kleinen Schritten ist, da „Die erste Kenntnisnahme des Textes [...] eine Möglichkeit [enthält], die bei jeder weiteren Lektüre verloren geht: nämlich überrascht zu werden durch unerwartete Auffälligkeiten. Um diesen Effekt bei sich zu kultivieren und zu beobachten, wird der Text in kleinen Segmenten (z.B. satzweise) gelesen. Zu jedem gelesenem Textabschnitt wird notiert, ob die Textstelle Überraschendes oder Auffälliges enthält, ob sich eine Erwartung oder eine Frage an das Nachfolgende ergibt, ob eine bis dahin vorhandene Erwartung bestätigt oder enttäuscht wird, oder ob die Erwartung nicht tangiert war und daher als Frage an den Text weiterbehalten wird, und ob sich ein Gesichtspunkt (Aspekt oder System) herauskristallisiert, der bei der weiteren Lektüre vielleicht genauer ausdifferenziert werden könnte" (47). Gelangt der Leser über diese sezierende Lektüre wirklich zu einem besseren Textverständnis? In den Pensees schreibt Blaise Pascal, daß man bei zu langsamem Lesen eines Textes ebenso am Textverständnis vorbeigeht, wie bei zu· schnellem Lesen. Die Vf. rechtfertigen das von ihnen empfohlene Vorgehen mit dem Argument, damit sei gewährleistet, daß keiner der Aspekte als irrelevant ausgeschlossen werde (51). Läuft der Leser nicht Gefahr, sich auf Aspekte zu konzentrieren, die sein Textverständnis vorzeitig in falsche Bahnen lenken? Betonen die Lehrenden nicht immer wieder die Notwendigkeit einer Gesamtlektüre des Textes, bevor übersetzt wird? Fällt epistemologisch die Intuition als „Sirnierfassungsinstrument" (Stefanink 1997 [Anm. 2]) gänzlich der Explizitierung, Klassifizierung und Quantifizierung zum Opfer, und zwar mit der Illusion, daß damit auch schon Verständnis produziert wird (selbst wenn letzteres dadurch selbstverständlich nicht ausgeschlossen wird)? Geht der professionelle Übersetzer, wie Krings 1987 feststellt3, nicht „konzentrisch" vor und wird der Lerner nicht verleitet, in seinem Hang zu „linearem" Vorgehen 4 bestätigt zu werden? Die im zweiten Teil des Buches angefertigten Werkstattberichte zeigen, daß die Professionellen dieser Gefahr natürlich nicht erliegen. Sie gehen auch nicht zuerst mit „Aspektra" an den Text heran, sondern mit „Holontra", weil diese Methode „die am weitestreichende Planung erfordert"; erst dann folgt Aspektra (89). Aber wie will man dann dem oben zitierten Anspruch auf eine „detailbewußte Erstlektüre" (46) gerecht werden? Der durch die Holontra-Lektüre deflorierte Text kann sicher nicht mehr den durch die Aspektra-Lektüre intendierten „Überraschungseffekt" (47) gewährleisten. 2 Vgl. z.B. Stefanink, Bernd: " 'Esprit de finesse' - 'Esprit de geometrie': Das Verhältnis von 'Intuition' und 'übersetzerrelevanter Textanalyse' beim Übersetzen" (In: Keller, Rudi (Hrsg.): Linguistik und Literaturübersetzen. Tübingen: Narr 1997, 161-183) und den Begriff der „problemrelevanten Textanalyse" ein Ansatz der sich in keiner Weise als „unwissenschaftlich" verstanden wissen will. 3 Krings, Hans P.: "Blick in die 'Black Box' - Eine Fallstudie zum Übersetzungsprozeß bei Berufsübersetzern". In: Arntz, Reiner (Hrsg.): Textlinguistik und Fachsprache. Hilgesheim: Olms 1987. 4 Vgl. Krings, Hans P.: Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht. [...] Tübingen: Narr 1986. FLuL 27 (1998) 248 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Was die Begrifflichkeit anlangt, so herrscht anfangs Unklarheit bezüglich „Holontra". Da die Autoren die Termini „atomistisch" und „holistisch" zu Beginn antinomisch verwenden, und zwar zur Charakterisierung zweier Methoden, mit denen der Textsinn aus zwei verschiedenen Perspektiven erschöpfend erfaßt werden soll, versteht der Leser darunter zunächst die mikro-strukturelle und die makro-strukturelle Textbetrachtung. Erst im Laufe der Lektüre stellt sich heraus, daß es sich bei Holontra um ein Erfassen „außerhalb des Textes liegender (Wissens)systeme" (340) handelt. Was „Relatra" angeht, so ist die synchron-optische Visualisierung sicher hilfreich, aber wie gesagt aufwendig. Wer sie nicht durchführt, ist deshalb nicht unbedingt „unwissenschaftlich". Im übrigen ist die Idee der synchron-optischen Darstellung in der Übersetzungswissenschaft nicht neu. Wir finden sie z.B. bereits bei Krassimira Kotcheva, deren Buch in der Bibliographie Erwähnung verdient hätte. 5 "Operation gelungen, Patient tot! ", so könnte man sagen. Die Methodik mag das von den Vf. angestrebte „erschöpfende" Erfassen des Textsinnes gewährleisten, aber ebenso erschöpft dürften die Studenten nach der Bearbeitung des Textes mit den verschiedenen Methoden sein. Verlieren sie nicht irgendwann die Motivation? Geht die Erfassung sämtlicher „außerhalb des Textes liegenden (Wissens)systeme" nicht auf Kosten der Empathie mit dem Text selbst, zumal es sich hier um ein Gedicht handelt? Wird damit die angestrebte „Studienzeitverkürzung" (9) erreicht? Die Methodik wurde auf eine einzige Textsorte angewandt, ein kurzes Gedicht; und selbst da ist nur eines von 21 Kultursystemen, die als für diesen Text relevant erachtet wurden, exemplarisch dargestellt. Es wäre interessant, die ExempJifizierung der Methode an einem Fachtext zu sehen. Fazit: Nicht nur der Übersetzungstheoretiker, sondern auch der Übersetzungsdidaktiker sollte sich mit diesem Buch auseinandersetzen, da es trotz aller vorgebrachten Einwände mit zahlreichen, durchaus wertvollen Anregungen aufwarten kann. Studierenden wird man die Lektüre der Werkstattsberichte im 2. Teil mit vielen brillanten Übersetzungsvorschlägen, bei denen praxisrelevant und überzeugend argumentiert wird als. Beispiel für übersetzerische Lösungsfindungen ans Herz legen. Als methodische Anleitung für die Verbesserung der Übersetzungsleistung von Studierenden kann das Buch dagegen nicht empfohlen werden. Bielefeld Bernd Stefanink Deutsch-polnische Nachwuchskonferenz „Fremdsprachenerwerb - Glottodidaktik" Am 15. und 16. Mai 1998 veranstalteten der Görlitzer Kreis und sein polnischer Schwesterverein, der Kolo Zgorzeleckie, in Karpacz (Polen) am Fuße der Schneekoppe ihre zweite deutschpolnische Nachwuchskonferenz unter dem Titel „Fremdsprachenerwerb - Glottodidaktik". Tagungssprache war Deutsch. Teilgenommen haben insgesamt 19 polnische und deutsche Nachwuchswissenschaftler/ -innen, die im Entstehen begriffene, in Arbeit befindliche und abgeschlossene Dissertations- und weitere Projekte unter der Leitung eingeladener Mentoren zur Diskussion stellten. Bereits 1997 hatte eine Nachwuchskonferenz zur „Germanistischen Linguistik" stattgefunden. Görlitzer Kreis und Kolo Zgorzeleckie wurden 1994 bzw. 1996 gegründet; sie verfolgen das Ziel der Förderung deutsch-polnischer Wissenschaftskooperation, d.h. der För- 5 Kotcheva, Krassimira: Probleme des literarischen Übersetzens aus linguistischer Sicht, dargestellt am Beispiel bulgarischer Übersetzungen zu Prosatexten aus der deutschen Gegenwartsliteratur. Frankfurt/ M.: Lang 1992 (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache; 37). FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 249 derung dt: r „interkulturelle[n] Verständigung zwischen Polen und Deutschen durch wissenschaftliche Projekte, Konferenzen und Publikationen, durch den Kontakt zwischen einschlägigen Institutionen sowie durch die Begegnung von Lehrenden und Studierenden" (Satzung). Die hier besprochene Tagung verstand sich außerdem als Instrument der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Beiträge der diesjährigen Nachwuchskonferenz betreffen unterschiedliche thematische Bereiche,. es handelt sich (a) um Arbeiten zu spezifischen linguistischen Teilbereichen, viele davon mit .Fokus .auf Äquivalenz und Kontrast zwischen Polnisch und Deutsch (mit fremdsprachendidaktischen/ glottodidaktischen Implikationen), (b) um Arbeiten zu allgemeineren Bereichen der Fremdsprachendidaktik und Lehrerfortbildung sowie (c) um Arbeiten aus dem Bereich Fremdsprachenerwerbsforschung. Die meisten Beiträge lassen sich Block (a) zuordnen. Hier waren zunächst einige angewandtkontrastive Beiträge versammelt, die sich auf das spezifische Sprachpaar Deutsch/ Polnisch beziehen. Beata Grzeszczakowska (Lodi) trug „Zum Stand von Leistungen in der Ausspracheschulung bei polnischen Deutschlernenden und zur Stellung der Phonetik im Deutschunterricht" vor und wies dabei insbesondere auf phonetische Interferenzen des Polnischen und die Notwendigkeit deren expliziter Behandlung z.B. in Form von Bewußtmachungsverfahren im Fremdsprachenunterricht hin. Agnieszka Vogelgesang (Krakow) analysierte ein Korpus lernersprachlicher Produktionen hinsichtlich „Interferenzerscheinungen im Bereich der Wortstellung bei deutschlernenden Polen", wobei z.B. der nichtfixierten Wortstellung des finiten Verbs im Polnischen ein Störpotential bescheinigt wurde. Jacek Baranski (Cz~stochowa) beschäftigte sich mit dem „Problem der Äquivalenz des polnischen Aspekts im Deutschen in glottodidaktischer Sicht" und wies auf mögliche Interferenzen durch die falsche Übertragung des polnischen Aspekts in das deutsche Präteritum und Perfekt hin. Magdalena Szulc-Brzozowska (Lublin) beschrieb „Modalpartikeln im Deutschen und im Polnischen", wobei diese ebenfalls hinsichtlich möglicher Äquivalenzen untersucht wurden. Marek Gladysz (Sosnowiec) berichtete über „Didakti- · sehe Implikationen der Kollokationsforschung", wobei ausgehend von kontrastiv-linguistischen Untersuchungen unterschiedliche Typen von Lernübungen zu den deutschen Kollokationen vorgestellt wurden. ·Des weiteren wurden innerhalb des sprachwissenschaftlich orientierten Themenschwerpunkts die folgenden Beiträge geboten. Anna Lewandowska (Rzeszow) lieferte Argumente für den dosierten"Einsatz der.deutschen Sprichwörter im Deutschunterricht" und wies auf verschiedene Übungsmöglichkeiten hin. Elibieta Pawlikowska (Cz~stochowa) analysierte gängige Valenzwörterbücher hinsichtlich der „Glottodidaktische[n] Relevanz der Verbvalenz" und legte dabei einen Schwerpunkt auf die Behandlung der sogenannten freien Angaben. Linguistische Analysen des deutschen Tempussystems standen im Mittelpunkt der beiden folgenden Beiträge: Barbara Marchwica (Krakow) beschäftigte sich unter dem Titel „Tempussystem im Deutschunterricht" mit der Behandlung der deutschen Tempora in ausgewählten DaF-Lehrwerken, während Mathilde Hennig (Leipzig) in ihrem Beitrag „Temporalität und Textsorten mit Blick auf Deutsch als Fremdsprache" umfangreiche und detaillierte Analysen eines textsortenreichen Korpus vorstellte und daran anschließend einen Vorschlag für die Gestaltung eines Lehrwerkkapitels entwickelte. Fachsprachenlinguistische bzw. -didaktische Fragestellungen am Beispiel der „Anwendung des Geschäftsbriefes im Unterricht Wirtschaftsdeutsch" behandelte lwona Szwed (Rzeszow), wobei konstituierende Bedingungen für die Illukutionstypen 'Vorschlag' und 'Bitte' entwickelt wurden. Block (b) beschäftigte sich mit verschiedenen fremdsprachendidaktischen Fragestellungen. Didaktische Implikationen der sich in den letzten Jahren deutlich abzeichnenden Tendenz, daß parallel zum hohen Status des Deutschen dennoch „Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch in Polen" gelernt wird, wurden im Beitrag von Adam Sitarek (Lodi) diskutiert, der z.B. die stärkere Beachtung der spezifischen Voraussetzungen der polnischen DaF-Lernenden (z,B. FLuL 27 (1998) 250 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Motivation, Sprachlernerfahrungen) vorschlug. In ihrem literaturdidaktischen Beitrag, der sich insbesondere auf die Theorie der Rezeptionsästhetik bezog, erwog Marta Pudlo (Lublin) die „Sprachliche und literarische Kompetenzerweiterung polnischer Germanistikstudenten durch die Arbeit mit literarischen Kurztexten". Curriculare Entscheidungen behandelten die folgenden Beiträge. Katarzyna Malesa (Warszawa) untersuchte die „Lehrstoffprogression in den DaF- Lehrwerken" mit Schwerpunkt auf der grammatischen Progression, während Ewa Zwierzchon (Warszawa) unter dem Titel „Programmierter Deutschunterricht" Curricula für den DaF-Unterricht auf Effektivität hinterfragte und insbesondere die explizite Behandlung von Lernstrategien einforderte. Vorschläge zur Gestaltung und Evaluierung von „Curricula in der Weiterbildung von polnischen Deutschlehrer/ innen" wurden von Lucyna Krzysiak (Lublin) vorgestellt. Einige Beiträge lassen sich schließlich der Fremdsprachenerwerbsforschung/ Sprachlehrforschung (Block c) zuordnen, sie behandelten unterschiedliche Lern-/ Erwerbskontexte. Lars Schmelter (Bochum) beschäftigte sich bezüglich des Fremdsprachenlernens im Tandem (mit Schwerpunkt auf dem immer beliebteren Internet-Tandem) mit der „Forschungsmethodologie in der Fremdsprachenerwerbsforschung am Beispiel von Lernertagebüchern". Eine Studie über die Wechselwirksamkeit ausgewählter außersprachlicher Einflußfaktoren im durch Unterricht geförderten Fremdsprachenerwerb im Zielsprachenland stellte Claudia Riemer (Hamburg) vor "Individuelle Unterschiede: die Einzelgänger-Hypothese"), während Stefan Schwan (Wroclaw) für den umgekehrten Fall des „Ungesteuerten Fremdsprachenerwerbs von Erwachsenen in zielsprachenfernen Gebieten" am Beispiel kenianischer "beach boys" eine Untersuchung in Aussicht stellte. KrzysztofNerlicki (Szczecin) schließlich untersuchte kognitionswissenschaftliche Theorien hinsichtlich ihrer Implikationen für fremdsprachenerwerbliche Theoriebildungen "Die schemaorganisierte Wissenskonstellation im Gedächtnis und ihre Auswirkungen auf die Verarbeitungsprozesse einer Fremdsprache"). Die Diskussion der verschiedenen Beiträge erbrachte u.a. Einsichten in unterschiedliche Terminologien und Wissenschaftstraditionen (polnische „Glottodidaktik" vs. deutsche „Fremdsprachendidaktik" bzw. "Sprachlehrforschung", "Deutsch als Fremdsprache" und „Auslandsgermanistik") und zwang angesichts des heterogenen Teilnehmerkreises zu deren Hinterfragung bzw. Rechtfertigung, was als äußerst nützlich empfunden wurde. Die Beiträge werden in einem Sammelband publiziert, der von Elzbieta Kucharska (Wroclaw) zusammengestellt wird, die auch an der Organisation der Konferenz maßgeblich beteiligt war. Die Durchführung weiterer Nachwuchskonferenzen in regelmäßigen Abständen ist beabsichtigt. 1 Die dadurch entstehenden Chancen zur Wissenschaftskooperation in Europa bereits auf der Ebene des wissenschaftlichen Nachwuchses sind sehr zu begrüßen und sollten unbedingt genutzt werden. Hamburg Claudia Riemer Interessierte wenden sich bitte an den: Görlitzer Kreis, Prof. Dr. Margot Heinemann, Bautzner Straße 16, D-02763 Zittau bzw. Koto Zgorzeleckie, Prof. Dr. Eugeniusz Tomiczek, Instytut Filologii Germariskiej, Uniwersytetu Wroclawskiego, pi. Nankiera 15, PL-50-140 Wroclaw. FLuL 27 (1998) Eingegangene Bücher 251 Eingegangene Bücher • BREDELLA, Lothar/ CHRIST, Herbert/ LEGUTKE, Michael K. (Hrsg.): Thema Fremdverstehen. Arbeiten aus dem Graduiertenkolleg „Didaktik des Fremdverstehens". Tübingen: Narr 1997 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 399 Seiten. DEMME, Silke / HENRICI, Gert (Hrsg.): Dem Fremdsprachenunterricht auf der Spur ... Dokumentation des Forschungskolloquiums „Fremd- und Zweitsprachenerwerbsforschung". Jena: Friedrich-Schiller-Universität 1997, IV+ 131 Seiten. GERZYMISCH-ARB0GAST, Heidrun / MUDERSBACH, Klaus (in Zusammenarbeit mit Ingrid Fleddermann [et al.]): Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens. Tübingen: Francke 1998 (UTB 1990), 374 Seiten. (**) GREULICH, Walter/ MEENENGA, Dirk: Wörterbuch der Physik. Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch. Heidelberg/ Berlin: Spektrum, Akademischer Verlag 1997, XIV+ 837 Seiten. HENRICI, Gert/ K0HN, Janos (Hrsg.): DaF-Unterricht im Spannungsfeld zwischen Forschung und Praxis. Szombathelyer Didaktik-Symposium 1995. Szombythely 1997, 170 Seiten. HUNEKE, Hans-Werner/ STEINIG, Wolfgang: Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1997 (Grundlagen der Germanistik; 34), 238 Seiten. (*) JUNG, Udo 0. H. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage. Unter Mitarbeit von Heidrun Jung. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 1998 (Bayreuther Beiträge zur Glottodidaktik; 2), VII + 456 Seiten. (**) [PONS] COLLINS easy Schulwörterbuch deutsch-englisch, englisch 0 deutsch. Glasgow: HarperCollins & Stuttgart [etc.]: Klett 1998, 671 Seiten. SCHNELL, Martin: Lineare Texte? Textlinguistische Überlegungen zu englischen Essays deutscher Anglistikstudenten. Augsburg: Wißner 1998 (Fremdsprachendidaktik, Band 4), X+ 187 Seiten. STANG, Christian: Die neue Rechtschreibung. Alle Regeln auf einen Blick. München: Humboldt- Taschenbuchverlag 1996, 96 Seiten. TIMM, Johannes-P. (Hrsg.): Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts. Berlin: Cornelsen 1998, 432 Seiten. (**) VIELAU, Axel: Methodik des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts. Ein lemerorientiertes Unterrichtskonzept (nicht nur) für die Erwachsenenbildung. Berlin: Comelsen 1997, 352 Seiten. ZYDATiß, Wolfgang (Hrsg.): Fremdsprachenlehrerausbildung - Refonn oder Konkurs. Berlin [etc.]: Langenscheidt 1998 (Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis), VI+ 374 Seiten. Das Sternchen (*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen (**) deutet an, daß eine Besprechung für den Jg. 28 ( 1999) vorgesehen ist. FLuL 27 (1998) Informationen • Nachrichten • Vorschau auf 1999 Bochumer Tertiärsprachenprojekt zum Italienisch- und Spanischunterricht Das Korpus der anonymisierten Transkripte des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Tertiärsprachenprojekts zum Italienisch- und Spanischuntemicht (vgl. dazu: Andreas Bahr [et al.]: Forschungsstand Tertiärsprachenunterricht. Ergebnisse eines empirischen Projekts. Bochum 1996) ist vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW ab sofort zur Einsichtnahme durch Dritte freigegeben worden. Es kann somit für weitere wissenschaftliche Untersuchungen zum Praxisfeld „Lehren und Lernen von dritten Schulfremdsprachen" (u.a. in Form von Staats- und Magisterarbeiten sowie Dissertationen) genutzt werden. Kontaktadresse: Prof. Dr. K.-R. Bausch, Seminar für Sprachlehrforschung der Ruhr-Universität Bochum, D-44780 Bochum. Tel.: +49-(0)234/ 700-5182(-3815) - Fax: +49-(0)234/ 7094 -138 e-mail: Karl-Richard.Bausch@ruhr-uni-bochum.de 24. bis 26. Februar 1999 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS). Rahmenthema: Sprachwandel. Tagungsort: Konstanz. Auskunft bei: Prof. Dr. Aditi Lahiri, Universität Konstanz, FG Sprachwissenschaft, Fach D 186, D-78457 KONSTANZ. 3. bis 5. März 1999 8. Göttinger Fachtagung „Fremdsprachenausbildung an der Hochschule". Rahmenthema: Normen und Fremdsprachenunterricht. Tagungsort: Universität Göttingen. Auskunft bei: Dr. Klaus Vogel, Sprachlehrzentrum der Universität Göttingen, Weender Landstr. 2, 37073 GÖTTINGEN. 9. bis 13. März 1999 Jahreskonferenz der Teachers of English to Speakers of Other Languages (TESOL). Tagungsort: New York. Auskunft bei: TESOL, Inc., 1600 Carneron Street, Suite 300, ALEX- ANDRIA, Virginia 223114-2751, USA. 28. März bis 1. April 1999 33. Internationale Konferenz der International Association of Teachers of English as a Foreign Language (IATEFL). Tagungsort: EDIN- BURGH. Auskunft bei: IATEFL, 3 Kingsdown Charnbers, Kingsdown Park, Witstable, KENT OT5-2DJ, England 3. bis 5. Juni 1999 27. Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als fremdsprache. Rahmenthemen: (1) Die Stellung des Deutschen als Fremdsprache im Rahmen der Kulturpolitik. (2) Empirische Forschung und ihre Auswirkungen auf die Praxis. (3) TESTDAF: Testen und Prüfen. Tagungsort: Regensburg. Auskunft bei: Geschäftsstelle des FaDaF, Hüfferstr. 27, 48149 MÜNSTER. 1. bis 6. August 1999 12. Weltkongreß der Association Internationale de Linguistique Appliquee (AILA). Rahmenthema: The Roles of Language in the 21 st Century: Unity and Diversity. Tagungsort: Tokio. Auskunft bei: Prof. Dr. Dieter Wolff, Bergische Universität-GHS Wuppertal, FB 4: Anglistik, 42097 WUPPERTAL. 4. bis 6. Oktober 1999 18. Kongreß für Fremdsprachendidaktik, veranstaltet von der DGFF. Rahmenthema: Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität. Tagungsort: Dortmund. Auskunft bei: Prof. Dr. G. Nold & Prof. Dr. J. Krarner, Universität Dortmund, 44221 DORTMUND. FLuL 27 (1998) Informationen • Nachrichten • Vorschau 253 Vorschau auf Jahrgang 28 (1999) von FLuL Der von ERWIN TSCHIRNER (Universität Leipzig) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 28 (1999) heißt „Neue Medien". Das Thema Neue Medien (Internet, Multimedia) ist aus der aktuellen methodisch-didaktischen Diskussion nicht mehr wegzudenken, wobei vor allem der Begriff Lernerautonomie oft eine zentrale Rolle spielt. Allerdings ist diese Diskussion meist wenig fremdsprachenerwerbsspezifisch. Es wird z.B. oft nicht genau unterschieden zwischen der Vermittlung von Wissensbeständen wie in anderen Schulfächern 1.md dem Erwerb fremdsprachlicher Handlungskompetenz. Dieser Band möchte dazu beitragen, diese Lµcke zu schließen, und dabei vor allem auf die Chancen und Herausforderungen eingehen, die sich speziell im Fremdsprachenunterricht aus der Verschmelzung traditioneller Audio-, Video- und Printmedien mit dem Computer und dem Telefon ergeben. Bei Redaktionsschluß lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Dorothy Chun, Jan Plass: Lernpsychologische Grundlagen des Einsatzes multimedialer Systeme in der Fremdsprachenausbildung. Kurt Kahn: Neue Aufgaben für Sprachlehrer - Schnittstelle zwischen multimedialen Sprachlernressourcen und Lernerbedürfnissen. Franziska Lys: Zur Rolle des Computers im Fremdsprachenunterricht. Neue Aufgabenformen für ein Fremdsprachenlernen. Sue Otto: Sustaining the multimedia revolution: Infrastructure, support and other challenges. Kurt-Michael Pätzold: English Dictionaries on CD-ROM. James Pusack: Language acquisition when everything is digital. Scenarios for ideal teaching environments. Dietmar Roesler, Claudia Tamme: Heranführung an den autonomen Umgang mit Neuen Medien. im Fremdsprachenunterricht und in der Lehrerausbildung am Beispiel von E-Mail-Tutorien. Bernd Rüschoff: [Titel stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest]. Hartmut Schröder: Neue Fortbildungsformen für DaF-Lehrer/ -innen im Bereich interkulturelle Wirtschaftskommunikation - Ein virtuelles Fortbildungsangebot via Internet. Erwin Tschirner: Neue Medien im Fremdsprachenunterricht: Einblicke aus empirischen Untersuchungen. Für den nicht-thematischen Teil ist vorgesehen: Wilfried Weigl (Straubing): An L2 subset parameter value in the grammar of L2 (G2): The verb position in the English of German Gymnasium students. Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koordiniert von Frank G. Königs) FLuL 27 (1998) .__ _____ A_u_t_o_r_en_u_n_d_A_u_t_o_n_· n_n_e_n_d_e_r_B_e_i_t_ra_· g_e _____ __.l Daniela Caspari, Dr. phil., DFG-Stipendiatin (Mitglied im Graduiertenkolleg „Didaktik des Fremdverstehens'' an der Justus-Liebig-Universität Gießen), Untergasse 41, 35398 GIEBEN. Arbeitsbereiche: Literaturdidaktik, Lehrerforschung, Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrern/ -lehrerinnen. Hans-Wilhelm Dechert, Prof. Dr., Universität Gesamthochschule Kassel, Fachbereich 08: Anglistik/ Romanistik, Georg-Forster-Str. 3, 34109 KASSEL. Arbeitsbereiche: Psycholinguistik der Mehrsprachigkeit, Zweitsprachenerwerb, Angewandte Textwissenschaft. lnez De Florio-Hansen, Prof. Dr., Universität Gesamthochschule Kassel, Fachbereich 08: Anglistik/ Romanistik, Fremdsprachenlehr- und -lemforschung, Georg-Forster-Str. 3, 34109 KASSEL. Arbeitsbereiche: Didaktik romanischer Sprachen und Literaturen, Spracherwerbsforschung, Evaluation und Entwicklung von Sprachlehr-/ lemmedien. Willis J. Edmondson, Prof. Dr. (Professor für Sprachlehrforschung), Zentrales Fremdspracheninstitut der Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5, 20146 HAMBURG. Arbeitsbereiche: Zweitsprachenerwerbstheorien, Diskursanalyse,Sprachverarbeitungsmodelle. Claudia Finkbeiner, Prof. Dr., Universität Gesamthochschule Kassel, Fachbereich 08: Anglistik/ Romanistik, Georg-Forster-Str. 3, 34109 KASSEL. Arbeitsbereiche: Lernstrategien- und Interessenforschung, Leseprozeßforschung, Unterrichtssowie Fremdsprachenlehr- und lemforschung. Norbert Groeben, Prof. Dr., Universität zu Köln, Psychologisches Institut, Lehrstuhl II: Allg. Psychologie und Kulturpsychologie, Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 KÖLN. Arbeitsbereiche: Sprach- und Denkpsychologie; Wissenschaftstheorie und Psychologische Anthropologie; Allgemeine und Empirische Literaturwissenschaft. Rüdiger Grotjahn, Priv.-Doz. Dr., Ruhr-Universität Bochum, Seminar für Sprachlehrforschung, 44780 BOCHUM. Arbeitsbereiche: Methodologie der Sprachlehr- und -lemforschung, Psycholinguistik der Mehrsprachigkeit, Sprachtestforschung. Liese) Hermes, Prof. Dr., Universität Koblenz-Landau, Fachbereich 2: Philologie, Seminar für Anglistik, Rheinau 1, 56075 KOBLENZ. Arbeitsbereiche: (Feministische) Literaturwissenschaft, Literaturdidaktik, Hochschuldidaktik. Jürgen Quetz, Prof. Dr., Universität Frankfurt/ M., Institut für England- und Amerikastudien, Kettenhofweg 130, 60054 FRANKFURT/ M. Arbeitsbereiche: Sprachlehr-/ -lemforschung: Erwachsenenbildung, Lehrwerke, Wortschatz. Gilda Rippen, Nürnberger Str. 24, 10789 BERLIN. Arbeitsbereiche: Fachsprachenunterricht, außerschulische Lehrer- und Lernerforschung. Heribert Rück, Prof. Dr., Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau, Fachbereich 6: Philologie, Institut für Romanistik, Pestalozzistr. 1, 76829 LANDAU. Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lemforschung, Angewandte Linguistik und Fremdsprachendidaktik (insbes. Textdidaktik sowie Didaktik des fliihen Fremdsprachenwerwerbs). Brigitte Scheele, Prof. Dr., Universität zu Köln, Psychologisches Institut, Lehrstuhl II: Allg. Psychologie und Kulturpsychologie, Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 KöLN. Arbeitsbereiche: Sprach- und Denkpsychologie; Emotions- und Motivationspsychologie; Qualitative (Verstehens-)Methodik. FLuL 27 ( 1998) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1987-2000)* Jg. 16 (1987): Wortschatz und Wortschatzlernen (herausgegeben von Ekkehard Zöfgen) [•] Jg . 17 (1988) : Übersetzung und Übersetzen (herausgegeben von Ekkehard Zöfgen) Jg . 18 (1989) : Historische Sprachstufen (herausgegeben von Kurt Otto Seidel) Jg. 19 (1990): Fachsprachen und ihre Vermittlung (herausgegeben von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg . 20 (1991): Grammatik und Grammatiklernen (herausgegeben von Ekkehard Zöfgen) Jg. 21 (1992): Idiomatik und Phraseologie (herausgegeben von Ekkehard Zöfgen) Jg. 22 (1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koordiniert von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koordiniert von Ekkehard Zöfgen) Jg. 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koordiniert von Claus Gnutzmann) Jg. 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koordiniert von Gert Henrici) Jg . 26 (1997): Language Awareness (koordiniert von Willis J. Edmondson und Juliane House) Jg . 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koordiniert von Inez De Florio- Hansen) Jg. 28 (1999): Neue Medien (koordiniert von Erwin Tschirner) [i.V.] Jg . 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koordiniert von Frank G. Königs) [geplant] * Bis Jg. 15 (1986) einschließlich wurde die Zeitschrift unter dem Titel Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung vertrieben. Die mit [ •l gekennzeichneten Hefte sind vergriffen. Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Beiträge, die den schulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen. Umfang/ Sprache: Die Beiträge können auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch abgefaßt sein; sie sollten 15 Druckseiten ("" 45 000 Zeichen) nicht überschreiten . Gliederung: Dem Beitrag ist eine Zusammenfassung auf Englisch von ca. lOZeilen voranzustellen. Der Text sollte möglichst in Kapitel mit Kapitelüberschriften unterteilt sein. Unabhängig davon erfolgt die Numerierung der Kapitel grundsätzlich nach dem lateinischen Dezimalsystem (1, 1.1, 1.1.1, usw.) . Ein ze lheiten zur Gestaltung der Manuskripte mit Hinweisen für Beiträge, die mit einem Textverarbeitungssystem erstellt werden, sind dem ausführlichen 'style sheet' zu entnehmen, das bei der Redaktion angefordert werden kann. Manuskripte werden erbeten an: Redaktion FLuL, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, Universitätsstraße, Postfach 10 01 31 • D-33501 Bielefeld. Romanische Sprachen: Henri Vemay Dictionnaire onomasiologique des langues romanes (DO.LR) Le »Dictionnaire onomasiologique des langues romanes (DOLR)« s'entend comme une contribution a une description comparative des principales langues romanes. Groupant le vocabulaire de ces langues dans le cadre d'un certain nombre de champs notionnels, on partira chaque fois d'un systeme noemique (systeme conceptuel) servant de tertium comparationis auquel on peut se faire rapporter les realisations lexicales des difförents vocabulaires romans. Cette reuvre lexicale est appelee a combler une lacune dans le domaine de Ja lexicographie de la Romania. Partant d'un certain nombre de systemes noemiques, Je dictionnaire projete apporte egalement un nouvel aspect du point de vue methodologique. Pour cette reuvre sont prevus huit a dix volumes environ dont les volumes 1- VI comprendront Ies domaines suivants: Table des matieres: Introduction 1. Monde abstrait - Monde concret II. Le monde humain III. La vie humaine dans son · deroulement IV. L' anatomie humaine V. Domaine psycho-physique VI. Domaine moral et intellectuel VII. Adhesion/ refus VIII. Verite contre-verite IX. Le domaine causal X. Etats et changements d'etats ISSN 0932-6936 ISBN 3-8233-4586-9 XI. Organisation de l'espace XII. Relations interhumaines XIII. Activite travail XIV. Le monde agricole XV. Eaux et forets XVI. Subsistance XVII. Cuisine et repas Dieses Wörterbuch wird nur als Gesamtwerk abgegeben. ISBN 3-484-50321-1 (Pflichtfortsetzung) Bereits erschienen: Volume I 1991. XXIII, 244 Seiten. Kart. DM 138.-/ ÖS 1007.-/ SFr 123. -. Volume II 1992. XIII, 224 Seiten. Kart. DM 118. -/ ÖS 861.- / SFr 105.-. Volume III 1993. XV, 178 Seiten. Kart. DM 98.-/ ÖS 715.-/ SFr89.-. Volume IV 1994. Xll, 109 Seiten. Kart. DM 76.-/ ÖS 555.- / SFr 69.-. Volume V 1995. XIII, 139 Seiten. Kart. DM 79.-/ ÖS 577.-/ SFr 72.-. Volume VI 1996. XN, 187 Seiten. Kart. DM 98.- / ÖS 715. -/ SFr 89.-. Max Niemeyer Verlag GmbH Postfach 21 40 · D-72011 Tübingen Nietneyer