Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2004
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Gnutzmann Küster SchrammFLuL 33. Jahrgang (2004) FrellJdsprachelJ Lehren und LernelJ Herausgegeben Von Frank G. Königs Und Ekkehard 2öfgen Themenschwerpunk~ rtschatzerwerb - Wortschatz o hatzlernen Wortsc . Tschime_r ---n Erwm koordiniert vo ~\': 7 Gumer Narr Verlag Tübingen Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen Herausgeber: Frank G. Königs (Marburg)• Ekkehard Zöfgen (Bielefeld) Manuskripte und Zuschriften erbeten an: Redaktion FLuL, Prof. Dr. Ekkehard Zöfgen, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld E-mail: Ekkehard.Zoefgen@Uni-Bielefeld.de Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Frank G. Königs, Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Straße, 35032 Marburg/ Lahn E-mail: Koenigs@mailer. Uni-Marburg.de Beratende Mitarbeit: Jens Bahns (Kiel) · Hans Barkowski (Jena) · Rupprecht S. Baur (Essen) • Wolfgang Bömer (Hamburg) • Claus Gnutzmann (Braunschwei g) · Franz Josef Hausmann (Erlangen) · Manfred Raupach (Kassel) · Claudia Riemer (Bielefeld) Fremdsprachen Lehren und Lernen erscheint einmal jährlich mit einem Umfang von ca. 240 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 42,- (zuzügl. Postgebühren). Vorzugspreis für private Leser€ 34,- (zuzügl. Postgebühren/ Lieferung und Rechnung an Privatadresse), sofern sie dem Verlag schriftlich mitteilen, daß sie die Zeitschrift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch beziehen. Erfolgt keine Abbestellung bis zum 15 . November, so verlängert sich das Abonnement automatisch um ein Jahr. ©2004 · Gunter Narr Verlag• Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrec htlich gesc hützt. Alle Rec hte, in sbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbeha lten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne sc hriftli che Genehmigung des Verlages in irgen de iner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren reproduziert oder in e ine von Maschinen, insbesondere von Daten verarbeitun gsan lagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Ma gnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persö nlichen und sonstigen e igenen Gebrauch dürfe n nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmen s hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gern. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzah lung an die VG WORT, Abteilung Wissen schaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einze ln en Zahlungsmodalitäten zu erfragen si nd. Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Lingui stik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld und des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung der Philipps-Universität Marburg . Druck: Laupp & Göbel, Nehren Bindung: Nädele, Nehren Printed in Gerrnany JSSN 0932-6936 ISBN 3-8233-5954-1 Gunter Narr Verlag· Postfach 25 67 · D-72015 Tübingen Erwin TSCHIRNER Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 3 Madeline LUTJEHARMS Der Zugriff auf das mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Hans BICKES Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon evolutionsbiologische, soziokulturelle und kognitionswissenschaftliche Perspektiven . . . . . . . . 27 Angelika RIEDER Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte: ausgewählte Fallstudienergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Claudia SCHMIDT Wörter lernen durch Lesen: eine empirische Untersuchung zum Strategieeinsatz des indirekten Lernens bei fortgeschrittenen japanischen DaF-Lernern/ -innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Jnez DE FLORIO-HANSEN Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden. Erste Ergebnisse einer empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Erwin TSCHIRNER Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums . . . 114 Christiane NEVELING Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen - Untersuchungen zur Güte eines neuen Forschungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Franz-Joseph MEißNER Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht ........................ 147 (Fortsetzung umseitig) Randall JONES Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of Gerrnan Vocabulary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Brigitte HANDWERKER Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive. Zur Entwicklung lexikalisch-grammatischer Kompetenz am Beispiel der Klassenbildung beim Verb ......................................... 176 Jens BAHNS Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? .......................... 192 Peter ECKE Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: Zum Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Karin AGUADO Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: Funktionen, Prinzipien, Charakteristika, Desiderate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Olaf BÄRENFÄNGER Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement: Grundzüge eines . projektbasierten Didaktikkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 LANGENSCHEIDT e-Handwörterbuch Französisch. CD-ROM. Berlin und München: Langenscheidt 2003 (Ekkehard ZöFGEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Els ÜKSAAR: Zweitspracherwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung. Stuttgart: Kohlhammer 2003 (Antje STORK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Radegundis STOLZE: Hermeneutik und Translation. Tübingen: Narr 2003 (Bernd STEFANINK) ................................................. 275 lnez de FLüRiü-HANSEN, Adelheid Hu (Hrsg.): Plurilingualität und Identität. [....] Tübingen: Stauffenburg Verlag 2003 (Franz-Joseph MEißNER) .................. 277 The Globalisation of English and the English Language Classroom. Internationales Kolloquium [...] (Claus GNUTZMANN, Franke INTEMANN, Bettina BEINHOFF) . . . . . . . . 279 Eingegangene Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 lFLl.lL 33 (2004) Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen Erwin Tschirner Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Arbeiten zum (bilingualen) mentalen Lexikon, zur Gliederung von Wortschätzen und zur Theorie und Praxis des Wortschatzerwerbs und -lernens häufen sich seit Anfang der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts, vor allem in der englischsprachigen Literatur, und der Wissenszuwachs auf diesen Gebieten ist gewaltig. Trotz des enormen wissenschaftlichen Interesses für diesen Gegenstand musste jedoch noch im Jahr 2000 der Reihenherausgeber, Jack Richards, in seinem Vorwort für das in diesem Band von Jens BAHNS rezensierte Buch Vocabulary in Language Teaching (SCHMITT 2000) feststellen: "There is a curious absence in the curriculum of many MA TESOL programs and similar courses for second and foreign language teachers. Although such courses typically include required courses on grammar, phonology, and discourse analysis, vocabulary is often dealt with only incidentally in the preparation of language teachers." Die Lage in den deutschsprachigen Ländern scheint nicht anders zu sein. Hier fehlen oft sogar noch die Veröffentlichungen, die in der englischsprachigen Literatur mittlerweile so zahlreich sind, dass man fast wie Bahns in diesem Band geneigt ist zu sagen: "not another dozen books on vocabulary leaming ! " Im Handbuch Fremdsprachenunterricht (BAUSCH [et al.] 4 2003) findet man unter 140 Beiträgen einen einzigen dreiseitigen Beitrag zu diesen Thema mit dem bezeichnenden Titel „Wortschatzübungen". Im sehr ambitionierten Internationalen Handbuch Deutsch als Fremdsprache (HELBIG [et al.] 2001) findet man unter 182 Artikeln zwar zwei Artikel zu „Kontrastivität in der Lexik" und „Kontrastivität in der Phraseologie", aber was die Bereiche Wortschatzdidaktik und Wortschatzerwerb angeht, muss man sich ebenfalls mit einem einzigen Artikel, diesmal mit dem Titel „Wortschatzvermittlung" zufrieden geben. Es ist nicht verwunderlich, dass in diesem Artikel von Lutz KöSTER vor allem Defizite in Forschung und Lehre und die fast ausschließliche Behandlung dieser Thematik in der englischsprachigen Literatur beklagt wird. So scheint es an der Zeit, diesem wichtigen Thema nach Wortschatz und Wortschatzlernen* einen weiteren thematischen Schwerpunkt zu widmen. Der vorliegende Band stellt theoretische und empirische Arbeiten zu den Bereichen, die relevant für das fremdsprachliche Wortschatzlehren und -lernen sind, zusammen. Dazu gehören linguistische Arbeiten vor allem in den Bereichen Lexikologie und Lexikographie, aber auch welche, die sich mit der Grammatik-Lexik-Schnittstelle auseinander setzen. Weiterhin gehören Fremdsprachen Lehren und Lernen 16 (1987), herausgegeben von Ekkehard ZöFGEN. lFlLlllL 33 (2004) 4 Erwin Tschirner dazu psycholinguistische, kognitions- und neurowissenschaftliche Arbeiten, die sich mit dem bilingualen mentalen Lexikon befassen, seiner Entstehung, seinen Merkmalen und seiner Organisation, und allgemein mit der Verarbeitung, Speicherung und Aktivierung von Lemmata im Gehirn. Darüber hinaus gehören dazu Arbeiten aus der Fremdsprachenerwerbsforschung, sowohl aus kognitiver als auch aus soziokultureller Perspektive, aus der Didaktik/ Methodik und aus der Testforschung. Die dreizehn Beiträge in diesem Themenband geben theoretisch reflektierte und empirisch fundierte Antworten auf vielfältige Fragen, die sich aus der Beschäftigung mit Wortschatz, Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen ergeben, aus einer großen Vielzahl unterschiedlicher theoretischer Perspektiven und mit Blick auf unterschiedliche Fremdsprachen, insonderheit des Deutschen als Fremdsprache, des Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen. Die beiden ersten Beiträge von LUTJEHARMS und BICKES geben zusammen genommen einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zum bilingualen mentalen Lexikon. Lutjeharms konzentriert sich dabei auf die lexikalische und teilweise auf die lexiko-grammatische Ebene, während Bickes den Blick erweitert und über kognitionswissenschaftliche Perspektiven hinaus auf evolutionsbiologische und soziokulturelle Aspekte eingeht. Madeline LUTJEHARMS (Vrije Universiteit Brüssel) beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen der Linguistik und der Psycholinguistik zum Wort und zum Wortschatzerwerb, bevor sie aktuelle Erkenntnisse aus den Kognitionswissenschaften zur Struktur des mentalen Lexikons, insbesondere des bilingualen Lexikons präsentiert. Ihre Hauptfrage in Bezug auf das mehrsprachige mentale Lexikon ist die, welche Art der Speicherung und Aktivierung wahrscheinlicher ist, die gemeinsame oder getrennte Speicherung bzw. die parallele oder sprachspezifische Aktivierung. Sie geht weiterhin auf die unterschiedliche Rolle der Mutterbzw. Primärsprache im Laufe des Fremdsprachenerwerbs ein und auf Unterschiede zwischen auditiver und visueller Verarbeitung bzw. Produktion. Im zweiten Teil ihres Beitrags widmet sich Lutjeharms vor allem der Frage, was ist Wortschatzerwerb in der Fremdsprache und welche allgemeinen Prinzipien und speziellen Vorschläge zur Übungsgestaltung lassen sich daraus für fremdsprachliche Lehr- und Lernmaßnahmen ableiten. Sie geht dabei auf die positiven Einflüsse der Muttersprache bzw. anderer bereits gelernter Fremdsprachen ein, auf den Stellenwert der morphologischen Ebene und auf die Wichtigkeit multimodaler, insbesondere auditiver Maßnahmen, auch beim Erwerb von Lese- und Übersetzungskompetenzen. Hans BICKES (Universität Hannover) beginnt seinen tour d'horizan im Hinblick auf das bilinguale mentale Lexikon mit einem Verweis auf den Europäischen Referenzrahmen und seiner Vision einer plurikulturellen und mehrsprachigen Zukunft aller Bürgerinnen und Bürger Europas. Ausgehend von den evolutionsbiologischen Arbeiten von John L. LOCKE (1996, 1997, 1999) und der These, dass das Kind seine Muttersprache nicht erwirbt, um seine Gedanken mitzuteilen, sondern um seine affektiven Bedürfnisse zu erfüllen, spannt Bickes einen weiten Bogen von soziokulturellen zu kognitions- und neurowissenschaftlichen Perspektiven auf Mehrsprachigkeit. Einerseits geht er dabei Fragen von Identität in plurikulturellen Gesellschaften und von Mehrsprachigkeit als sozialer Praxis nach, andererseits greift er die bereits bei Lutjeharms begonnene DiskuslFlLllL 33 (2004) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 sion zu modularen und konnektionistischen Erklärungsansätzen im Zusammenhang mit dem bilingualen mentalen Lexikon wieder auf und skizziert die Ablösung des revidierten hierarchischen Modells von KROLL [et al.] (1994) durch das Bilingual Interactive Model von DIJKSTRA [et al.] (1999) und vergleicht es mit dem psycholinguistischen Modell von DE BOT (1992), das auf LEVELTs (1989) Sprachproduktionsmodell basiert. In seinen Handlungsempfehlungen im Hinblick auf den Wortschatzerwerb hebt Bickes, ähnlich wie Lutjeharms, die Wichtigkeit multimodaler Erfahrungen und autonomer Lernmöglichkeiten hervor. Die zweite Gruppe von Beiträgen befasst sich mit empirische Untersuchungen zum Wortschatzlernen, zwei davon mit dem beiläufigen Wortschatzlernen beim Lesen, einer mit Wortschatzständen von Erstsemesterstudierenden und insgesamt drei mit Wortschatzlernverhalten in fremdsprachenphilologischen Studiengängen. Zwei der Beiträge widmen sich dem Englischen als Fremdsprache, einer dem Französischen, einer dem Deutschen und einer dem Englischen und den romanischen Schulfremdsprachen. Ziel des Beitrags von Angelika RIEDER (Universität Wien) ist, es ein umfassendes, kognitiv-konstruktivistisches Modell des Prozesses des Wortbedeutungsaufbaus während des Lesens zu skizzieren, sowie die Beziehungen zwischen Merkmalen dieses Prozesses, Lernerstrategien und Auswirkungen auf den Vokabelerwerb genauer zu untersuchen. Ihre Probanden sind Studierende anglistischer und nicht-anglistischer Fächer, vor allem fortgeschrittene Lerner des Englischen, ihre Analyse stützt sich vor allem auf LD-Protokollen (Lautes Denken). Rieder beschäftigt sich intensiv mit der Mikrostruktur des Erschließungsprozesses und teilt ihn in eine Eingangsphase und eine Hauptphase. In der Eingangsphase entscheidet es sich, ob die Aufmerksamkeit eines Lesers / einer Leserin auf ein Wort fällt, in der Hauptphase, ob das Wort erschlossen wird, und wenn ja, ob und wie gut es gelernt wird. Unterschiedliche Lernerstrategietypen operieren dabei auf unterschiedlichen Ebenen der Wortbedeutung und Textbedeutung. Zentrale Zusammenhänge zwischen Phasen,' Strategietypen, Erschließungsebenen und beiläufigem Wortschatzerwerb werden in diesem Beitrag herausgearbeitet. Claudia SCHMIDT (Universität Freiburg) interessiert sich ebenfalls für den beiläufigen Wortschatzerwerb beim Lesen und dabei gerade für die Bereiche, die in Rieders Beitrag ausgespart wurden, nämlich die Rolle des Hintergrund- und Sprachwissens der Lernenden und die Rolle des Kontextes (bei Rieder „textuelle Hinweiskonstellationen" genannt). Die Teilnehmer der Studie von Schmidt sind sehr fortgeschrittene japanische DaF- Lernende in Deutschland, ihre Kontrollgruppe deutsche Studierende mit einer ähnlichen Altersstruktur. Ihre Forschungsfragen beschäftigen sich mit der Rolle des Kontextes, der Komplexität der Wortbedeutung, deren quantitativen und qualitativen Bestandteilen, sowie mit den Beziehungen zwischen Wortschatzwissen, Lesekompetenz und dem erfolgreichen Erschließen unbekannter Wortbedeutungen aus dem Kontext. Ein besonders interessantes Ergebnis ihrer Studie ist dabei, dass die japanischen DaF-Lernenden trotz signifikant schlechterer Wortschatzkenntnisse als die muttersprachliche Kontrollgruppe fast genauso erfolgreich im Erschließen unbekannter Wörter aus dem Kontext waren wie diese. Ausgangspunkt des Beitrags von Ines DE FLORIO-HANSEN (Universität Kassel) ist die lFLuL 33 (2004) 6 Erwin Tschirner häufig gemachte Erfahrung, dass sich fremdsprachliche Kompetenzen, darunter auch Wortschatzwissen, im Englischen und in den romanischen Schulfremdsprachen bei vielen Studierenden während ihres Studiums nur kaum verbessern. Im Rahmen einer groß angelegten explorativen Studie mit 72 Teilnehmer/ -innen geht sie u.a. folgenden Fragen nach: Wie oft und wie lange wird Wortschatzarbeit betrieben? Woher stammen die lexikalischen Einheiten? Nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt? Wie wird das Lernen vorbereitet, durchgeführt und überprüft? Wie steht es mit der Zufriedenheit bzw. dem Erfolg der Bemühungen? Ihre Ergebnisse deuten vor allem auf zwei Problemfelder im universitären Studienalltag hin, zum einen die fehlende regelmäßige Wortschatzarbeit bei einem Großteil der Studierenden, zum anderen ein nur mangelhaftes Wissen über Wortschatzlernstrategien. Erwin TSCHIRNERs (Universität Leipzig) Beitrag weist darauf hin, dass die zwei Probleme der fehlenden Wortschatzarbeit und des mangelhaften Wissens über Wortschatzlernstrategien möglicherweise bereits Probleme der schulischen Fremdsprachenausbildung sind. Sein Ziel war es, eine Bestandsaufnahme der Wortschatzgröße von Abiturienten im Fach Englisch an der Schnittstelle zwischen Gymnasium und Universität zu machen. In seiner Studie erfasste er die produktiven und rezeptiven Wortschatzstände von ca. einem Drittel der Erstsemesterstudierenden der Fächer Englisch (Lehramt), Anglistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig. Neben der Darstellung der Wortschatzstände und ausgewählter Ergebnisse eines Fragebogens zur Erfassung von Lernverhalten und anderer relevanter Daten befasst sich der Beitrag mit dem Verhältnis der Testergebnisse zu (lern-)biographischen Daten wie Auslandsaufenthalten, Anzahl gelesener Bücher pro Jahr, Vokabellernstrategien u.a. Christiane NEVELING (FU Berlin) widmet sich, im Rahmen einer Pilotstudie zum Erwerb französischer Wörter mit Hilfe des Wörternetzverfahrens, grundlegenden Fragen des Forschungsdesigns im Hinblick auf die Erforschung des mentalen Lexikons. Ausgehend von den Gütekriterien der Validität, Reliabilität, Ökonomie und Nützlichkeit (siehe hierzu auch den Beitrag von Karin Aguado in diesem Band) stellt sie Desiderata für gute Forschungsmethoden zum mentalen Lexikon auf. Im zweiten Teil ihres Beitrags stellt sie ihre Pilotstudie und das Wörternetzverfahren vor und überprüft dann dieses Verfahren mit Hilfe der von ihr im ersten Teil entwickelten Gütekriterien. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Wörternetzverfahren ihre Kriterien in hohem Maße erfüllt und damit einen Zugewinn in der Forschungsmethodik darstellt. Die nächsten drei Beiträge ergänzen die sprachlerntheoretischen und empirischen Beiträge der ersten zwei Gruppen mit sprachwissenschaftlichen Aspekten. Zwei davon widmen sich lexikologischen und lexikographischen Fragen, während einer sich mit der Schnittschnelle zwischen Grammatik und Lexikon beschäftigt. Einer der Beiträge befasst sich mit den romanischen Schulfremdsprachen und zwei mit dem Deutschen als Fremdsprache. Franz-Joseph MEljJNER (Universität Gießen) nähert sich einer Beschreibung des romanischen Wortschatzes aus einer didaktischen Sicht und beschäftigt sich vor allem mit der hohen Interlexik der romanischen Sprachen im schriftsprachlichen Bereich und der gleichfalls hohen Divergenz zwischen sprechsprachlichem und schriftsprachlichem ]F[,u][, 33 (2004) Zur Eiriführung in den Themenschwerpunkt 7 Wortschatz. Meißner bezeichnet die Internationalität zumindest was die europäischen Sprachen betrifft als das eigentliche Charakteristikum des romanischen Wortschatzes. So beziffert man die Konvergenz zwischen den häufigsten 1000 Wörtern des Umgangswortschatzes des Spanischen und des Französischen auf über 90 Prozent. Vor allem das Französische mit seinen im Bereich des Grundwortschatzes sehr hohen Prozentsätzen an Transferbasen sowohl zu seinen romanischen Schwestersprachen als auch zum Englischen nimmt hier eine Schlüsselstellung ein, das es eigentlich zu einem besseren Kandidaten für die 1. Fremdsprache machen würde als z.B. das Englische. Im letzten Teil seines Beitrags geht Meißner auf das für die Didaktik der romanischen Sprachen noch weitgehend ungelöste Problem der hohen Divergenz zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ein, das zu einem Auseinanderklaffen zwischen dem schulischem (schriftsprachlichem) Input und dem ebenfalls schulischen Ziel der mündlichen Handlungsfähigkeit führt. Randall JONES (Brigham Young University) greift eine der nach Bickes (in diesem Band [S. 47]) zentralen Aufgaben von Lehrenden auf, nämlich die „Reichhaltigkeit und z. T. chaotisch anmutende Vielfalt sprachlicher Einheiten und Strukturen durch eine durchdachte Auswahl auf ein[ ...] förderliches Maß zu reduzieren". Ausgebend von Studien zur Häufigkeitsverteilung von Wörtern in Texten zeigt er, wie dieses „förderliche Maß" durch Häufigkeitswörterbücher erreicht werden kann. Er befasst sich zuerst mit der Geschichte von Häufigkeitswörterbüchern des Deutschen und geht dann auf ein aktuelles Projekt, ein Häufigkeitswörterbuch zu erstellen, ein. Dabei beschäftigt er sich vor allem mit der Frage der Korpuserstellung, insbesondere im Hinblick auf die Erstellung eines repräsentativen Korpus der deutschen Sprache der Jetztzeit. Außerdem geht er auf Fragen der Lemmatisierung ein und welche Probleme sich dabei speziell für das Deutsche stellen. Brigitte HANDWERKER (Humboldt-Universität) weitet den Blick von der Lexik und Interlexik auf das Verhalten von Wörterri in Anwendungssituationen und befasst sich mit der Frage, wie neben Form und Bedeutung die Verwendungspotentiale von Wörtern mit erworben werden, konkret: wie in Satzzusammenhängen neue Wörter durch das Erfassen von Ähnlichkeiten der semantischen, syntaktischen und morphologischen Eigenschaften innerhalb einer Wortklasse verstanden und benutzt werden können. Am Beispiel der psychischen Wirkungsverben (begeistern, enttäuschen, u.v.a.) stellt sie überzeugend dar, wie in Kombination mit der expliziten Vermittlung semantischer und morphosyntaktischer Verbeigenschaften die lexikalisch-grammatische Kompetenz des Lerners in einer Weise gefördert werden kann, wie sie weder in Lehrbüchern noch in gängigen Lerngrammatiken bis dato angeboten wird. Handwerkers Beitrag weist sowohl den Weg zu einer linguistisch und lerntheoretisch fundierten Wortschatzarbeit in Satz- und Textzusammenhängen wie auch zu einer lexikalischen Grammatik des Deutschen, im Sinne der Pattern Grammar von HUNSTONIFRANCIS (2004) für das Englische. Die vierte und letzte Gruppe von Beiträgen befasst sich mit didaktisch-methodischen und testtheoretischen Fragestellungen; Fragestellungen, auf die bereits in mehreren anderen Beiträgen hingewiesen wurde, die aber noch nicht zentral im Mittelpunkt der Diskussion standen. lFbilL 33 (2004) 8 Erwin Tschirner Jens BAHNS (Universität Kiel) vermittelt im Rahmen einer Sammelrezension einen umfassenden Überblick über den Stand des Wissens und der Forschung im Bereich der englischen Wortschatzdidaktik. Aus der Vielzahl neuerer und neuester Arbeiten zum Thema Wortschatz wählt er für drei Bereiche jeweils ein repräsentatives Werk, nämlich JACKSON/ ZE AMVELA (2000) für die Lexikologie, SCHMITT (2000) für die angewandtlinguistische Perspektive und THORNBURY (2002) für die didaktisch-methodische Perspektive. Neben einer detaillierten und kritischen Betrachtung dieser exemplarisch ausgewählten Bücher geht er zusätzlich der Frage nach, wo sich neue Elemente bei der Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht ausmachen lassen. Er vergleicht dazu das eben besprochene Buch von THORNBURY (2002) mit Dort (1971), dem Klassiker der Wortschatzvermittlung in der deutschsprachigen Englischdidaktik, wobei er sich vor allem auf die Stichwörter Semantisierungstechniken, Lernertraining und Verarbeitungstiefe konzentriert. Peter ECKE (University of Arizona) befasst sich intensiv mit einer Lernstrategie, die in vielen der Beiträge dieses Bandes genannt wird, nämlich der Schlüsselwortstrategie. Er beschäftigt sich vor allem mit zwei Varianten dieser bekannten Mnemotechnik, die visuelle und die verbale, die speziell für die Effektivierung des fremdsprachlichen Lexikerwerbs entwickelt und intensiv in empirischen Untersuchungen getestet wurden. Diese Untersuchungen berichten in ihrer Mehrheit von einer beeindruckenden Überlegenheit der Schlüsselwort-Methode gegenüber anderen Lexiklerntechniken. Ecke resümiert ausführlich und umfassend den Stand der Forschung, geht auf offene Fragen zur Anwendung und Wirkung der Schlüsselwort-Methode ein und verweist auf Anwendungsmöglichkeiten beim Lernen und Lehren von Wortschatz, die unter dem gegenwärtigen Erkenntnisstand als angemessen erscheinen. Karin AGUADOs (Universität Bielefeld) Beitrag zu testtheoretischen und testmethodischen Fragestellungen im Bereich des fremdsprachlichen Wortschatzerwerbs gibt nicht nur einen umfassenden Überblick über den Stand der Forschung in diesem Bereich, sondern greift noch einmal wesentliche Fragestellungen vorhergehender Beiträge zu Wortschatzkompetenz und Wortschatzerwerb aus einer testtheoretischen Perspektive auf. Nach einer grundlegenden Diskussion von Gütekriterien für fremdsprachliche Wortschatztests geht sie auf ausgewählte Fragen und Schwierigkeiten bei der Konstruktdefinition und bei den Messverfahren von Wortschatztests ein. Sie diskutiert in diesem Zusammenhang ausführlich Probleme der Bestimmung der Komponenten der Wortschatzkompetenz, der Verfügbarkeit des Wortschatzwissens und des Umfangs und der Tiefe des Wortschatzes. Dabei formuliert sie das unterstützenswerte Desiderat, dass die Evaluation der Wortschatzkompetenz künftig stärker das Resultat kooperativer Zusammenarbeit zwischen Testmethodikern und Fremdsprachenerwerbsforschern sein sollte, bei der das Expertenwissen aller Beteiligten maximal genutzt werden kann. lFILwL 33 (2004) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 Literatur BAUSCH, Karl-Richard/ CHRIST, Herbert/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003): Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Auflage. Tübingen: Francke. DE BOT, Kees (1992): "A bilingual production model : Levelt's Speaking model adapted". In: Applied Linguistics 13, 1-24. DIJKSTRA, A. / VAN HEUVEN, A.H. / GRAINGER, J. (1998): "Simulating cross-language competition with the Bilingual Interactive Activation model". In: Psychologica Belgica 38, 177-197. DOYE, Peter (1971): Systematische Wortschatzvermittlung im Englischunterricht. Hannover/ Dortmund: Schroedel/ Lensing. HELBIG, Gerhard/ GÖTZE, Lutz/ HENRICI, Gerd/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2001): Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch. Berlin: Walter de Gruyter. HUNSTON, Susan/ FRANCIS, Gill (2004): Pattern Grammar. A corpus-driven approach to the lexical grammar of English. Amsterdam; Philadelphia: John Benjamins. JACKSON, Howard/ ZE AMvELA, Etienne (2000): Words, Meaning and Vocabulary. An Introduction to Modem English Lexicology. London/ New York: Cassell. KROLL, J. F. / STEWART, E.: (1994): "Category interference in translation and picture narning. Evidence for asymmetric connections between bilingual memory representations". In: Journal of Memory and Language 33, 149-174. LEVELT, Willem J. M. (1989): Speaking: From intention to articulation. Cambridge, Mass.: MIT Press. LOCKE, John L. (1996): "Why do infants begin to talk? Language as an unintended consequence". In: Journal of Child Language 23, 608-616. LOCKE, John L. (1997): "A theory of neurolinguistic development". In: Brain and Language 58, 265- 326. LOCKE, John L. (1999): "Towards a biological science oflanguage development". In: BARRETT, Martyn (ed.): The Development of Language. East Sussex: Psychology, 373-396. SCHMITT, Norbert (2000): Vocabulary in Language Teaching. Cambridge: Cambridge University Press. THORNBURY, Scott (2002): How to Teach Vocabulary. Harlow: Pearson Education. lFLuL 33 (2004) Madeline LUTJEHARMS * Der Zugriff auf das mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache Abstract. Data from cognitive psychology give information about the organisation of the mental lexicon in general and in the case of bilingualism in specific. Such data improve our understanding of what it means to know a word in a foreign language and therefore may have consequences for the teaching of foreign language vocabulary. As words have many representation levels, access to these levels has tobe acquired. Morphemes for instance have been found to be one of the representation levels in the mental lexicon. Research with bilinguals suggests that words in the native language relate differently to words in a target language depending on word qualities and linguistic competence. Due to the role of the native language for lexical access to target language words and due to the importance of relating new knowledge to acquired knowledge for learning, the native language or other acquired languages can be used to support the acquisition of target language vocabulary. 1. Einführung zum Wort und zum Wortschatzerwerb Eine akzeptable Definition des Begriffs Wort (bzw. lexikalische Einheit) wurde in der Linguistik nicht gefunden. Das hat u.a. mit Abgrenzungsproblemen zu tun. Sind das englische test score zwei Wörter und ist das deutsche Testergebnis ein Wort? Sind kam und gekommen, Worte und Wörter ein oder zwei Wörter? Um dieses Problem zu lösen, wurde in der Linguistik die Bezeichnung Lexem geprägt. Damit wird die „abstrakte Basiseinheit des Lexikons[ ... ], die in verschiedenen grammatischen Wortformen realisiert werden kann" gemeint (BUßMANN 1990: 446). Auch Semem, Morphem und andere Bezeichnungen wie Lexikoneintrag oder lexikalische Einheit für das Wort mit den Verwendungsmöglichkeiten sollen helfen, das Definitionsproblem zu lösen. Diese Bezeichnungen werden allerdings in den verschiedenen Grammatiktheorien nicht immer eindeutig interpretiert. Was die Definition von Wort betrifft, werden wir uns im Folgenden auf die intuitive, alltagssprachliche Bedeutung von Wort als Grundeinheit der Sprache verlassen. In der Kognitionspsychologie wird die Bezeichnung Lexem anders verwendet als in der Linguistik. Hier handelt es sich um die phonologische Wortform, während für die abstrakte Grundeinheit im Lexikon die Bezeichnung Lemma verwendet wird. Das Lemma ist die Repräsentationsebene zwischen der semantischen und der phonologischen Repräsentation (HARLEY 2001: 421); aber JESCHENIAK [et al.] (2001: 1058) nennen es "a word's semantic-syntactic representation" (vgl. auch SCHMIDT 2002: 349). Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Madeline LUTJEHARMS, Univ.-Prof., Vrije Universiteit Brussel, V akgroep Germaanse talen en Instituut voor taalonderwijs, Pleinlaan 2, B-1050 BRUSSEL E-mail: mlutjeha@vub.ac.be Arbeitsbereiche: DaF und Fremdsprachenerwerb, Psycholinguistik, Feministische Linguistik lFLll! L 33 (2004) Der Zugriff aufdas mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 11 Die Vielschichtigkeit von Wörtern spielt eine Rolle bei der Schwierigkeit, eine Definition zu finden. Sie ist für den Wortschatzerwerb ein wesentlicher Faktor. Ein Wort umfasst viele formund/ oder bedeutungsbedingte Organisationsprinzipien und daher psychologisch betrachtet viele Repräsentationsebenen, die beim Erwerb berücksichtigt werden müssen: Bedeutung (Denotation und Konnotation), Lautform und Schriftform, Sprachzugehörigkeit, Wortartzugehörigkeit, morphologische und syntaktische Verwendung, Kollokationsebene oder allgemeiner mit welchen anderen Wörtern das Wort oft verwendet wird, Frequenz (BERTRAM [et al.] 2000a: 490) u.a. Wenn diese Aspekte nicht aufgrund eines Übersetzungsäquivalents einfach übertragen werden können, werden sie erst nach und nach erworben. Auch wie ein Wort bei der Verarbeitung eingesetzt werden kann, ist ein wichtiger Faktor. Wird das Wort nur wiedererkannt (bei der Rezeption) oder ist es auch abrufbar bei der Produktion? Erfolgen der Bedeutungsabruf bei der Worterkennung oder der Abruf der Form bei der Produktion automatisch oder ist dafür eine bewusste Suche erforderlich? Beherrschung der Verwendungsmöglichkeiten eines Wortes ist notwendig für die Produktion, die Rezeption ist die wichtigste Quelle für deren Erwerb. Der automatische Einsatz dieser Kenntnisse wird aber die Rezeption stark vereinfachen und beschleunigen, so dass mehr Aufmerksamkeit für die inhaltliche Verarbeitung, aber auch für noch unbekannte Wortformen zur Verfügung steht. Wortschatzerwerb hört auch in der Muttersprache nie auf, Wortschatzkenntnisse sind daher nie stabil. Zudem unterliegt der Wortschatz einer Sprache Veränderungen in einem viel schnellerem Tempo als dies für strukturelle Eigenschaften der Fall ist. Mit Wortschatzerwerb werden also nicht nur Fremdsprachenlernende konfrontiert. Der Unterschied zwischen der Verwendung der Muttersprache und dem Fremdsprachenerwerb liegt eher in der großen Anzahl neuer Wörter, die beim Erwerb einer neuen Sprache bewältigt werden müssen, und in den neuen morphologischen und syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten, die mit dem Erwerb einhergehen können. 2. Der Zugriff auf das mentale Lexikon oder der lexikalische Zugriff Die Bezeichnung lexikalischer Zugriff (lexical access) wird für die Worterkennung bei der Rezeption und den Wortabruf bei der Produktion verwendet. Mit dem lexikalischen Zugriff wird der Moment gemeint, in dem bei der Erkennung alle Wortinformationen, m.a.W. alle Repräsentationsebenen eines Wortes im mentalen Lexikon, für die weitere Verarbeitung zur Verfügung stehen (HARLEY 2001: 227). HARLEY definiert die Bezeichnung allgemeiner als "accessing a word's entry in the lexicon" (2001: 421). Sie wird auch für die Produktion verwendet. Dann greift man nicht ausgehend von der vorgegebenen Lautform oder dem Schriftbild, sondern ausgehend vom Begriff auf die Repräsentationsebenen des Wortes im mentalen Lexikon zu. Erst anschließend kommt eine Aktivierung der phonologischen Eigenschaften des Lemmas zustande (COSTA [et al.] 2000: 1283). Es sind mehrere Modelle des lexikalischen Zugriffs vorgeschlagen worden. Zur Zeit sind Kaskaden-Aktivierungsmodelle und discrete-serial-Modelle aktuell (JESCHENIAK [et al.] 2001: 1074). Nach serial-discrete- oder discrete-serial-Modellen werden nur ausgelFLllllL 33 (2004) 12 Madeline Lutjeharms wählte Lemmata phonologisch aktiviert, während bei Kaskaden-Aktivierungsmodellen (COSTA [et al.] 2000) angenommen wird, dass alle durch das Gedächtnis aktivierten lexikalischen Knoten eine entsprechende schwächere oder stärkere phonologische Aktivierung verursachen, auch dann, wenn sie nicht selektiert werden. Beim rezeptiven Zugriff auf das Lexikon werden vor allem die Informationen des Wortanfangs eingesetzt. Lesende fixieren besonders den Wortanfang. Dies wurde sowohl für isolierte Wörter als auch für Wörter im Kontext festgestellt (DEUTSCHIRAINER 1999: 393 f). Ob der syntaktische Kontext und eventuelle semantisch bedingte Faktoren den lexikalischen Zugriff beeinflussen, ist umstritten und könnte aufgabenabhängig sein (BALOTA [et al.] 1999: 36 ff, 46 ff; vgl. MCQUEEN/ CUTLER 2001: 485 f). SANFORD meint nach einer Literaturübersicht, dass eine selektive oder partielle Verfügbarkeit semantischer Information schon früh auftritt, dass aber diese semantische Verarbeitung möglicherweise sehr oberflächlich und unvollständig sein kann (1999: 329). 3. Erkenntnisse über das mentale Lexikon (aus der Kognitionspsychologie) 3.1 Zur Struktur des Sprachwissens im Gedächtnis Mit dem mentalen Lexikon wird das Sprachwissen im Gedächtnis bezeichnet. Doch darüber, wie man sich die Struktur dieses Sprachwissens vorstellen soll, ist eigentlich noch nicht so viel bekannt. Seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war bei der Forschung zur Worterkennung die Idee vorherrschend, dass Sprachwissen in modularer Form repräsentiert ist (FODOR 1983). Ein Modul ist ein autonomes System, das nur ganz spezifische Verarbeitungsprozesse erlaubt. Diese Verarbeitungsprozesse verlaufen schnell, automatisch und datengeleitet, d.h. ohne Einfluss höherer Verarbeitungsebenen auf die Verarbeitung der unteren Ebenen. Solche Verarbeitungsprozesse werden für die Verarbeitung der Form eingesetzt, während zentrale Prozesse nichtmodular und langsam verlaufen, weil für sie Aufmerksamkeit eingesetzt werden muss. Zentrale Prozesse sind für die semantische Verarbeitung erforderlich, aber auch für die Verarbeitung von als unlogisch empfundenen Informationen und bei Kenntnislücken, wenn diese nicht zur Vermeidung, sondern zur bewussten Deutung, zum Inferieren führen. Ein solches Modell könnte erklären, warum die Sprachverwendung trotz der Komplexität in der Muttersprache meist so fehlerfrei verläuft. In der Forschung zur syntaktischen Analyse wird schon seit längerem von konnektionistischen Modellen ausgegangen. Solche Modelle, deren Ursprung in Computersimulationsprogrammen liegt, bestehen aus einer großen Anzahl miteinander verbundener Einheiten oder Knoten, die parallel und interaktiv verarbeiten und bei denen Aktivierungsverbreitung und Inhibierung angenommen werden. Solche interaktiven Modelle können die enorme Komplexität der Sprachverwendung und den Einfluss höherer Ebenen beispielsweise der semantischen Ebene auf die Worterkennung besser erklären. Neuerdings werden auch für die Worterkennung konnektionistische Modelle vorgeschlagen, ohne dass modulare Modelle völlig aufgegeben lFILi.UIL 33 (2004) Der Zugriff aufdas mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 13 werden, denn es sind Hinweise auf beide Modelle gefunden worden (vgl. PETERSON [et al.] 2001: 1223). Bei Kaskaden-Aktivierungsmodellen handelt es sich um konnektionistische Modelle, während serielle Modelle der Auffassung der Modularität entsprechen. Wörter sind wahrscheinlich mit ihren morphologischen und syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten repräsentiert. Aspekte wie die Wortartzugehörigkeit oder die Valenz bei Verben muss man sich wortgebunden vorstellen, als Teil des Lemmas. Dies schließt eine wortübergreifende Repräsentation besonders regelgeleiteter morphologischer Formen und syntaktischer Muster nicht aus. Zudem dürften Aspekte wie W ortartzugehörigkeit, Kombinierungsmöglichkeiten und Frequenz die Art der Repräsentationen auch beeinflussen. Es wird vermutet, dass die syntaktische Rolle eines Lemmas (die mit der Wortartzugehörigkeit zusammenhängt) ein wichtiger Faktor bei der Selektion ist (vgl. SCHRIEFERS [et al.] 2001: 1074). Wenn ein falsches Wort produziert wird, gehört es meist zur selben syntaktischen Kategorie wie das gesuchte Wort. Die Komplexität der Sprachverarbeitung legt mehrere Repräsentationsebenen nahe, die vermutlich netzwerkähnlich organisiert (oder aufgabenabhängig organisierbar) sind. Bei der Verarbeitung wird auf diese Ebenen zurückgegriffen ("processing flows across a series of representation levels", PETERSON [et al.] 2001: 1223). Eine häufig experimentell untersuchte Frage ist die nach der Rolle der Morpheme im Lexikon (MCQUEEN/ CUTLER 2001: 475 f), wobei nicht sicher ist, ob sie für alle Sprachen gilt (vgl. MARSLEN-WILSON 2001 für Chinesisch). Sind abgeleitete oder zusammengesetzte Wörter als vollständige Wortform im mentalen Lexikon repräsentiert oder eher zerlegt in einzelne Morpheme? Oder kommen beide Repräsentationsmöglichkeiten vor, vielleicht abhängig davon, ob die Ableitung oder Zusammensetzung semantisch transparent ist oder nicht oder ob es sich um Flexions- oder Ableitungsmorpheme handelt (BERTRAM [et al.] 2000b)? ZWITSERLOOD (1994: 117) geht aufgrund ihrer Experimente davon aus, dass „die Repräsentationen auf der Bedeutungsebene des mentalen Lexikons auch für semantisch nicht-transparente Komposita vermutlich über eine morphologische Verarbeitung angesteuert werden". Der Effekt ist allerdings stärker bei transparenten Zusammensetzungen (ibid.). Für Flexionsmorpheme und Stamm gilt morphologisch zerlegte Repräsentation als ziemlich sicher. Ähnliches gilt auch für Affixe, sogar dann wenn sie nur als gebundene Morpheme vorkommen (MARSLEN-WILSON 1999: 107, 110). Hinweise auf eine Morphemebene als vermittelnde Zugriffsrepräsentation wurden mehrmals gefunden (FELDMAN 2000). BERTRAM [et al.] (2000b) schließen aus ihren Daten, dass bei semantisch transparenten morphologisch verwandten Wörtern Aktivierungsverbreitung stattfindet. Auch das Phänomen des potenziellen Wortschatzes weist auf die Bedeutung der Morpheme als Ordnungsprinzip hin. BALOTA [et al.] (1999: 47 f) verteidigen aufgrund einer Übersicht über Forschungsdaten aus der Literatur ein flexibles lexikalisches Verarbeitungssystem, in dem aufgrund von Aufmerksamkeit für einzelne Repräsentationsebenen eines Wortes Worteigenschaften mit wechselnder Gewichtung bei der Verarbeitung eingesetzt werden. Im Allgemeinen wird angenommen, dass neben dem Lexikon auf von ihm getrennte visuelle und auditive In- und Outputsysteme zugegriffen wird (JESCHENIAKISCHRIEFERS 2001: 372 und die Literatur dort). Einige Befunde legen eine solche Trennung nahe. So JFLIIIL 33 (2004) 14 Madeline Lutjeharms wurde für den lexikalischen Zugriff beim Sprechen festgestellt, dass die phonologische Aktivierung erst nach der Aktivierung der Lexikoneinheit erfolgt (ibid.; COSTA [et al.] 2000: 1283). Zuerst wird also das Lemma im mentalen Lexikon und erst dann die Wortform im phonologischen Outputsystem aktiviert. Neben dem mentalen Lexikon und den In- und Outputsystemen, die für die Verarbeitung der Wortform zuständig sind, wird für die Verarbeitung der begrifflichen Repräsentationsebene ein sprachübergreifendes Begriffsystem angenommen (ZEELEN- BERG/ PECHER 2003; HARLEY 2001: 133; F'RANCIS 1999: 322 f; GOLLAN [et al.] 1997), das oft als „semantisches Gedächtnis" bezeichnet wird. DITTMANN spricht aber von einem „Drei-Ebenen-Modell des mentalen Lexikons" (2002: 297, für Wortform, Lemma und lexikalisches Konzept). Über die begriffliche Repräsentationsebene ist nur wenig bekannt. Obwohl die Annahme eines semantischen Gedächtnisses zur Zeit noch dominierend ist, entspricht eine solche Gedächtnisstruktur einer modularen Auffassung (BARSA- LOU 2003: 516), die nicht mehr unumstritten ist. Für den Spracherwerb kann das so genannte episodische Gedächtnis (nach TuLVING 1972; auch eine solche Gedächtnisstruktur entspricht einem modularen Modell), ein Gedächtnis für eher zufällige orts- und zeitgebundene Informationen, bedeutend sein. Wenn ein neues Wort noch nicht zum Lexikon gehört, wenn es m.a.W. noch nicht automatisch einsetzbar ist, kommt es vor, dass man weiß, dass man das Wort schon vorher mal gesehen, gehört oder nachgeschlagen hat. Die Wortform wird wiedererkannt und mit einer Situation verbunden, aber die Bedeutung ist auch rezeptiv noch nicht erschließbar. Eine solche Wortform ist dann nur im episodischen Gedächtnis enthalten, noch nicht im mentalen Lexikon. Dies bedeutet nicht, dass Wörter immer über das episodische Gedächtnis erworben werden. Die Auffassung, dass das Lexikon aus episodischen Spuren einzelner Wörter bestehen könnte, ist sehr umstritten (MCQUEEN/ CUTLER 2001: 472). Wenn aber eine Wortform in einer bestimmten Situation Aufmerksamkeit ausgelöst hat, kann die Erinnerung daran den Erwerb dieses Wortes unterstützen. 3.2 Mentales Lexikon bei Mehrsprachigen Das gegenseitige Verhältnis mehrerer Sprachen im Gedächtnis wird vorwiegend mit Priming-Experimenten zur Worterkennung (Rezeption) und zum Wortabruf (Produktion) untersucht. Priming bedeutet, dass ein Vorreiz die Reaktionszeit bei der Rezeption oder der Produktion eines Zielreizes beeinflusst. Ein Wort in der Sprache A wird offen oder verdeckt (masked priming) vorgegeben. Dann wird gemessen, ob dieses Wort die Reaktionszeit beim Abruf oder bei der Produktion eines Wortes der Sprache B oft ein Übersetzungsäquivalent verlangsamt oder beschleunigt. Auch die Anzahl fehlerhafter Antworten wird berücksichtigt. Aufgrund einer semantischen, phonologischen und/ oder orthographischen Verwandtschaft oder Distanz zwischen Vorreiz und Zielreiz werden verschiedene Reaktionszeiten erwartet, da entweder unterstützende oder interferierende Netzwerke aktiviert werden. Mit solchen Befunden werden dann Hypothesen über die Struktur des mentalen Lexikons und den Zugriff darauf bei Mehrsprachigen aufgestellt. Costa [et al.] (2000) fanden beispielsweise bei der Vorgabe verwandter ÜbersetzungslFLl.llL 33 (2004) Der Zugriff auf das mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 15 äquivalente schnellere Reaktionszeiten. Im Rahmen ihres Kaskaden-Aktivierungsmodells nehmen sie aufgrund dieser Befunde eine phonologische Aktivierung aller aktivierten Knoten an, m.a.W. eine sprachübergreifende, parallele Aktivierung. Die Hauptfrage in Bezug auf das mehrsprachige mentale Lexikon ist die, ob im Falle der Mehrsprachigkeit gemeinsame oder getrennte Speicherung, bzw. sprachspezifische oder parallele Aktivierung wahrscheinlicher ist. Sprachspezifische Aktivierung entspräche einem modularen Modell, parallele Aktivierung einem konnektionistischen. Die neueren wenn auch noch spärlichen experimentellen Daten lassen eher eine gemeinsame Repräsentation (HARLEY 2001: 133 t) oder jedenfalls eine parallele Aktivierung der Sprachen vermuten (COSTA [et al.] 2000: 1285; DIJKSTRA [et al.] 1998: 178) als ein Sprachwechselmechanismus oder einen seriellen Suchprozess. Dabei kann der Grad der Aktivierung der verschiedenen Sprachen beim lexikalischen Zugriff situationsabhängig sein (LI 1996: 772). Es könnte sein, dass abhängig von Worteigenschaften und Sprachbeherrschung im Falle der Mehrsprachigkeit mehrere Organisationsformen vorkommen, denn viele Faktoren können den Grad und die Art der Aktivierung eines Wortes beeinflussen. So wird die (wahrgenommene) Sprachverwandtschaft den Einsatz von Transfermöglichkeiten bedingen. Wortfrequenz ist ein wichtiger Faktor bei der Aktivierung. Das Niveau und die Art der Sprachbeherrschung könnte man als eine Art subjektive Wortfrequenz betrachten, da sie bestimmen, welche Wörter in welchem Maße erworben wurden. Vorherige Aktivierung beschleunigt spätere Aktivierungen. Worteigenschaften wie die Art der Morpheme oder die Wortartzugehörigkeit beeinflussen die Art der Aktivierung (vgl. JIANG/ FORSTER 2001: 32 t). Auch die Art der Sprachverwendung und individuelle Lernstile könnten den lexikalischen Zugriff beeinflussen, beispielsweise wie stark fremdsprachliche Wörter mit muttersprachlichen Wörtern verbunden sind. Alle diese Faktoren interagieren. Ein Mischsystem je nach Worttyp scheint nicht ausgeschlossen zu sein. Bei Kognaten ist eine gemeinsame Speicherung sehr wahrscheinlich (SANCHEZ- CASAS [et al.] 1992: 308; DE GROOT/ NAS 1991; DE GROOT 1993). GRAINGERIFRENCK- MESTRE (1998) fanden bei Kognaten sehr starke Priming-Effekte, was sie auf den kumulativen Effekt eines sowohl formwie bedeutungsbedingten Primings zurückführen. DE GROOT (1993) nimmt an, dass konkrete Wörter kulturübergreifend viele Eigenschaften gemeinsam haben, während Wörter für abstrakte Begriffe, bei denen kulturelle Aspekte oft wichtiger sind, sprachspezifischer organisiert sein dürften (vgl. auch HARLEY 2001: 133; TZELGOV/ EBEN-EZRA 1992: 267 t). Wörter für konkrete Begriffe werden schneller verarbeitet als Bezeichnungen für abstrakte Begriffe, vielleicht weil Wörter für konkrete Begriffe nicht nur mit einem sprachbedingten semantischen Gedächtnis, sondern auch mit einem bildlichen Gedächtnis verbunden sind (HOLCOMB [et al.] 1999: 721). Solche Vokabeln werden schneller erworben als die für abstrakte Begriffe (ELLISIBEATON 1993). Soweit es sich nicht um Kognaten oder Internationalismen handelt, kann ich das auch bei meinen Studierenden beobachten. Viele experimentelle Daten der letzten Jahre zeigen, dass das Ll-Übersetzungsäquivalent bei der Erkennung fremdsprachlicher Wörter mit aktiviert wird. Beim Anfang des Fremdsprachenerwerbs wird ein fremdsprachliches Wort oft erst über eine Aktivierung lFLl! IL 33 (2004) 16 Madeline Lutjeharms des muttersprachlichen Übersetzungsäquivalents mit dem Begriff verbunden (CHEN [et al.] 1997) ein Phänomen, dass bei zunehmender Sprachbeherrschung verschwinden dürfte, aber auch dann bleibt die Verbindung zwischen L 1-Wort und Begriff stärker als die zwischen L2-Wort und Begriff (ibid.: 279 ff, FRENCK-MESTRE/ PRINCE 1997: 495). GRAINGERIFRENCK-MESTRE (1998) konnten mit zweisprachigen Versuchspersonen zeigen, dass Übersetzungs-Priming-Effekte (masked priming) früher auftreten als phonologische Priming-Effekte. Dies zeigt, dass der Einfluss der anderen Sprache beim lexikalischen Zugriff auf das Lemma mitspielt, nicht (nur) auf der Ebene der In- und Outputsysteme. Mehrere Sprachen könnten im mentalen Lexikon gemeinsam repräsentiert sind, d.h. dass der lexikalische Zugriff anfänglich nicht sprachspezifisch ist oder dass eine parallele Aktivierung von Wörtern mehrerer Sprachen erfolgt. Aber Sprachbeherrschung (ZEELENBERG/ PECHER 2003: 89 f) und Frequenz des Zugriffs auf das Wort könnten die Art der Verbindung beeinflussen. Auch die Fertigkeit kann die Art des lexikalischen Zugriffs auf fremdsprachliche Wörter bestimmen. THOMAS/ ALLPORT (2000) fanden beim Hören sprachspezifische Worterkennungsverfahren, beim Lesen dagegen zwar den Einfluss typischer Eigenschaften der Rechtschreibung, nicht aber sprachspezifische Verfahren. Die für die Aufgabe irrelevante Sprache konnte beim Lesen nicht deaktiviert werden. DUKSTRA [et al.] (1999) beobachteten für die visuelle Worterkennung einen kumulativen unterstützenden Effekt bei orthographischer und semantischer Überlappung, dagegen wirkte phonologische Überlappung inhibierend (vgl. auch FRIEL! KENNISON 2001: 250). Beim Sprechen ist die Sprachwahl unter Kontrolle, beim Lesen ist die Kontrolle über die Sprachwahl viel schwächer und kann der nicht anvisierte Sprachkode nicht unterdrückt werden. Vielleicht ist das auditive In- und Outputsystem getrennt, das visuelle hingegen nur über die phonologische Rekodierung (eine vielleicht sehr abstrakte Umsetzung in Laute, siehe 4.2), während die verschiedenen Sprachen in einem gemeinsamen Lexikon repräsentiert sind (THOMAS/ ALLPORT 2000: 60 ff; DDKSTRA [et al.] 2000: 461). Eine Art Sprachkode oder Sprachkennzeichnung wäre dann eine von vielen Repräsentationsebenen im Lexikon (wie im Bilingual Interaction Activation Model von DDKSTRA [et al.] 1998; V AN HEUVEN [et al.] 1998), die inhibierend oder aktivierend wirken könnte. Untersuchungen mit Versuchspersonen, die mehr als zwei Fremdsprachen beherrschen sind äußerst selten. ABUNAWARA (1992) untersuchte Dreisprachige (Ll Arabisch, L2/ 3 Hebräisch und Englisch). Seine Daten legen für die L1 zu den Fremdsprachen ein kombiniertes Sprachverhältnis nahe, für die zwei Fremdsprachen unter sich ein koordiniertes System. Die Unterscheidung zwischen einer kombinierten und einer koordinierten Form der Zweisprachigkeit wurde von WEINREICH (1953/ 1967) vorgeschlagen. Bei der kombinierten Form wird angenommen, dass zwei Sprachen im Gedächtnis gemeinsam repräsentiert sind. Dies wird als typisches Ergebnis des gesteuerten Fremdspracherwerbs betrachtet (BAETENS BEARDSMORE 1982: 22). Ein solches System dürfte den Transfer fördern. Ob dieser positiv oder negativ ist, hängt mit der jeweiligen sprachlichen Form zusammen, nicht mit dem Prozess oder der Strategie an sich. Bei der koordinierten Repräsentationsform wird von getrennten Systemen ausgegangen. WEIN- REICH schlug noch eine dritte Form vor, die subordinierte Zweisprachigkeit, bei der die Fremdsprache über die Erstsprache verarbeitet wird (1967: 9 ff). Ob ABUNAWARAS lFlL1llllL 33 (2004) Der Zugriff auf das mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 17 Befund eines koordinierten Systems für die Fremdsprachen unter sich auch im Falle verwandter Fremdsprachen gelten würde, ist fraglich. Besonders bei verwandten Fremdsprachen, die mit einer Methode wie EuroCom (KLEIN/ STEGMANN 2000; vgl. MEißNER 1998) erworben werden, wobei das vorhandene fremdsprachliche Wissen systematisch für den Erwerb einer weiteren verwandten Sprache ausgenutzt wird, dürfte ein kombiniertes System wahrscheinlicher sein. Einige Aspekte der Forschungsdaten erlauben nicht ohne weiteres eine Verallgemeinerung der Ergebnisse. Es wurden vorwiegend dieselben Sprachen untersucht, meist Englisch im Vergleich zum Französischen, Niederländischen und Spanischen, viel seltener auch im Vergleich zum Chinesischen, Japanischen, Hebräischen oder zu anderen Sprachen. Das Niveau der Sprachbeherrschung wurde oft nur ungenau berücksichtigt und definiert. Weiter wurde fast ausschließlich mit einzelnen Inhaltswörtern gearbeitet. Es fehlt also der syntaktische und semantische Kontext. Allerdings ist auch nicht klar, ob der Kontext schon auf der Ebene des lexikalischen Zugriffs eine Rolle spielt und wenn ja, welche. Für den experimentellen Befund, das Morpheme ein wichtiges Organisationsprinzip im mentalen Lexikon sind, habe ich auch beim Fremdspracherwerb Hinweise gefunden. Bei niederländischsprachigen DaF-Lernenden kann ich immer wieder beobachten, was ich (nach JuHAsz 1970) als Kontrastmangelphänomen bezeichnet habe. Beim Lesen löst die Erkennung vertrauter Morpheme aufgrund von Transfer eine automatische Verarbeitung der Form ohne Bedeutungserschließung aus, wenn diese Morpheme in den betreffenden Wörtern für die Lernenden nicht transparent sind. Die Wortform wirkt vertraut, aber diese Vertrautheit unterstützt die Bedeutungserschließung nicht. Die Vertrautheit der Morpheme kann intra- oder interlingual bedingt sein. Dies ist beispielsweise der Fall bei Vokabeln wie Vorgang, Einnahmen oder entsprechen, deren Morpheme für die Zielgruppe sehr vertraut wirken. Die Vorsilben vor-, ein- und entsind aus anderen deutschen Wörtern bekannt, ebenso die Wörter Gang, nehmen und sprechen. Die verwandten niederländischen Morpheme kommen wie die deutschen häufig vor und verstärken die Empfindung der Vertrautheit. Doch die niederländischen Übersetzungsäquivalente sind nicht verwandt, und Kenntnis der Bedeutung der einzelnen Morpheme hilft nicht bei der Bedeutungssuche. Solche Wörter fallen nicht auf, da sie auf der Formebene erkannt werden. Es kommt zu einer Aktivierung auf der Formebene (Lexem), ohne dass es wirklich zum lexikalischen Zugriff kommt (eine ähnliche Erklärung für neue muttersprachliche Wörter bei CHAFFIN [et al.] 2001: 233). Die Bedeutungserschließung wird automatisch vermieden. Bei Wörtern mit einem für die Lernenden auffälligeren Wortbild dagegen wird der automatische lexikalische Zugriff unterbrochen, weil das Wortbild Aufmerksamkeit auslöst, was zum Einsatz von Problemlösestrategien für die Bedeutungserschließung oder zur bewussten Vermeidung führt (vgl. LUTJEHARMS 2000: 208, 220 f). Bei der Produktion fällt auf, dass Wörter, die mindestens ein nicht vertraut wirkendes Morphem enthalten, leichter behalten werden als Kontrastmangelwörter (Währung wird schneller erworben als Verwaltung, weil äh für Niederländischsprachige fremd oder auffällig wirkt). Homographe Flexionsmorpheme wirken beim Lesen in der Fremdsprache stark lFlLllliL 33 (2004) 18 Madeline Lutjeharms interferierend, auch wenn der produktive Einsatz bei der bewussten Verarbeitung unproblematisch ist. So fällt es Niederländischsprachigen schwer, im Deutschen das -s- Morphem des Genitivs nicht als Mehrzahlmarkierung zu deuten oder das -er-Morphem nicht automatisch als Komparativ. Die aus der Ausgangssprache oder aus einem anderen stärkeren Kode übernommenen Routinen für die Verarbeitung der Flexionsmorphologie sind dermaßen automatisiert, dass sie besonders wenn Sprachnähe wahrgenommen wird nur schwer deaktiviert werden können (LUTJEHARMS 1998: 138 ff, vgl. auch HANCIN-BHATTINAGY 1994). Die Flexionsmorphologie gehört zur Syntax, doch die mit einem Wort kombinierbaren Morpheme oder wenigstens die Regeln für deren Einsetzbarkeit müssen in irgendeiner Form auch zur Wortrepräsentation gehören. 4. Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 4.1 Erkenntnisse aus der Kognitionspsychologie Was können wir aus den Ergebnissen der kognitionspsychologischen Forschung schließen? Es ist ziemlich sicher, dass die Muttersprache bei der Verwendung einer noch nicht sehr gut beherrschten Fremdsprache beim lexikalischen Zugriff mit aktiviert wird. Es ist daher sinnvoll, die Muttersprache als Lernhilfe zu benutzen anstatt zu versuchen, sie auszuschalten, was wohl nicht möglich ist. Das gilt besonders für Kognaten, die sprachübergreifend ein gemeinsames Lemma im mentalen Lexikon haben dürften. Hier kann die automatische Aktivierung beim lexikalischen Zugriff aus den vorher erworbenen Sprachen einfach transferiert werden. Dies bedeutet für irreführende Kognaten, dass eine automatische Kontrolle über die Aktivierung der jeweiligen Form (produktiv) oder Bedeutung (rezeptiv) erworben werden muss (GREEN 1993). Der Schwellenwert der Aktivierung muss durch Inhibierung angehoben werden, denn bewusstes Wissen reicht nicht immer aus. So stelle ich bei der deutschen Konjunktion weil (verwandt mit Englisch while und Niederländisch terwijl, die während bedeuten) fest, dass bei der Rezeption wie bei der Produktion automatisch noch sehr lange auf die muttersprachliche Bedeutung zugegriffen wird, obwohl die Studierenden das Wort bei bewusster Verwendung korrekt einsetzen können und es sich um ein häufiges Wort handelt. Es könnte sein, dass die Kontrolle über ein Funktionswort schwieriger ist als die über Inhaltswörter (vgl. SCHER- PER 1993: 1147). Beim Wortschatzerwerb müssen nach und nach die verschiedenen Repräsentationsebenen eines neuen Wortes erworben werden, soweit sie nicht einfach aufgrund vorheriger Kenntnisse übertragbar sind. Die Bedeutung muss oft mit einer neuen Form verbunden werden, was anfänglich über das Ll-Übersetzungsäquivalent geschieht (CHEN [et al.] 1997; JIANG/ FORSTER 2001; NATION 1993). Die Lexeme im Sinne von Lautform und Schriftbild müssen in die In- und Outputsysteme aufgenommen werden. Für das Lemma im mentalen Lexikon sind Kenntnisse über die Morpheme, über die grammatische Verwendung, die Kombinierbarkeit auf der Ebene der Morphernrepräsentation und auf der Ebene der Kollokation, über die Frequenz u.ä. erforderlich. In der Kognitionspsychologie werden soziale Aspekte, Motivation, Attitüden und IFL1UlL 33 (2004) Der Zugriff aufdas mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 19 Gefühle bei den Experimenten zum Wortabruf und zur Worterkennung nicht berücksichtigt. Darüber, ob und eventuell wie solche Faktoren den lexikalischen Zugriff beeinflussen, sind kaum Informationen vorhanden. Allerdings wird angenommen, dass schon beim sensorischen Speicher, also bei der ersten Aufnahme der Information über die Sinnesorgane, ohne Bewusstheit oder Intention eine automatische Bewertung dieser Information stattfindet, die die Aufmerksamkeit für die Verarbeitung und das Lernen beeinflusst (FULCHER 2002: 76). Positive Gefühle verbessern die Fähigkeit, Informationen kreativer, d.h. mit mehr Variationsmöglichkeiten, zu organisieren und ins Langzeitgedächtnis aufzunehmen (ASHBY [et al.] 2002: 247). Dass solche Faktoren für das Lernen wichtig sind, ist eine altbewährte Erkenntnis aus der Didaktik. 4.2 Lernpsychologische Erkenntnisse Ein wichtiges Prinzip beim Lernen ist die Verbindung neuer Kenntnisse mit schon vorhandenem Wissen. Zumindest beim Anfang des Spracherwerbs können vorhandene Sprachkenntnisse der Muttersprache oder anderer erworbener Sprachen die Rolle des vorherigen Wissens übernehmen. Wenn das semantische Gedächtnis nicht sprachspezifisch ist, wie meist angenommen wird, ermöglicht die Übersetzung in die L1 (aber eventuell auch L2 ... ) einen schnellen Zugriff auf die Bedeutungsrepräsentation (COOK 1995: 97; SCHERFER 1994: 209), auch wenn der semantische Inhalt des Ll-Übersetzungsäquivalentes gelegentlich zu Missverständnissen führen kann. Die unterstützende Rolle schon erworbener Sprachkenntnisse ist viel wichtiger als mögliche interferierende Einflüsse (vgl. MATTR 1999). Die Bedeutung der Muttersprache für den Fremdsprachenerwerb ist heute nicht mehr umstritten (vgl. MALAKOFFIHAKUTA 1991: 161 f, LUPPESCU/ DAY 1993). Dies gilt auch für schon erworbene Fremdsprachenkenntnisse. In der deutschen Didaktik wird letzterer Befund seit einigen Jahren stark hervorgehoben (EuroCom- Methode, siehe 3.2, und Tertiärsprachenerwerb, siehe HUFEISEN/ LINDEMANN 1998). Da ein Wort viele Repräsentationsebenen hat, ist der Einsatz aller vier Fertigkeiten beim Wortschatzerwerb wichtig. Das gilt sogar dann, wenn nur eine Fertigkeit, wie Leseverständnis angestrebt wird. Die akustische Wortform ist erforderlich. für das Aufrechterhalten von Informationen im Arbeitsgedächtnis (DITTMANN/ SCHMIDT 1998: 307), daher beispielsweise bei der Bedeutungssuche im Wörterbuch und beim Memorisieren. Zudem könnte es sein, dass eine phonologische Rekodierung für das Verstehen visuell präsentierter Sprache unumgänglich ist (LUTJEHARMS 1994a: 44 ff). Beim beginnenden (muttersprachlichen) Lesen erfolgt der lexikalische Zugriff über das schon erworbene Lautbild. Geübte Lesende dürften normalerweise, also beim Lesen vertrauter Texte unter normalen Bedingungen, den direkten lexikalischen Zugriff benutzen. Dies wurde für das Englische festgestellt, könnte aber mit dem unregelmäßigen Verhältnis Laut-Buchstaben/ Rechtschreibmuster zusammenhängen. Für mehrere andere Sprachen wurden phonologische Effekte beim Lesen gefunden, doch schlüssige Beweise für oder gegen eine phonologische Rekodierung als Vorstufe zum lexikalischen Zugriff beim Lesen gibt es nicht, nur starke Hinweise. Auch könnte es sich bei der Rekodierung um eine abstrakte und vorläufig nicht messbare phonologische Repräsentation handeln. Schwache Lesende JF]Ll.l]L 33 (2004) 20 Madeline Lutjeharrns zeigen mehr subvokale Tätigkeit, und diese kommt im Allgemeinen bei schwierigen Textvorlagen häufiger vor, was mit der für komplexe Aufgaben erforderlichen Speicherkapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses zusammenhängt (GATHERCOLE/ BADDELEY 1993: 195, 209). Für den Wortschatzerwerb sind Schreiben und Aussprechen des Wortes eine wichtige Unterstützung, da ein mehrkanaliges Angebot den Erwerb unterstützt (vgl. MEißNER 2000: 14), denn so findet ein lexikalischer Zugriff auf mehreren Repräsentationsebenen statt. Übungen zu Morphemen sind aus mehreren Gründe nützlich. PITTS COCHRAN [et al.] (1999) stellen folgende Hypothese auf: Kinder erwerben aufgrund ihrer geringeren Arbeitsgedächtniskapazität kleinere Sprachkomponenten. Gerade dies sei sehr zweckmäßig, weil so die Lernbelastung geringer ist. Auch Erwachsene, die eine hohe Kompetenz in der Fremdsprache erreichen wollen, sollen eher bedeutungsvolle Komponenten hervorheben als ganze Sätze auswendig lernen (ibid.: 55). Die Automatisierung komplexer Einheiten erfordert mehr Lernaufwand und solche Kenntnisse sind weniger flexibel einsetzbar. Bei verwandten Sprachen ermöglichen Übungen zu Morphemen zudem mehr Transfer, weil bei Berücksichtigung von Morphemen auch einzelne Teile des Wortes interlingual verbunden werden können. So wird das Memorisieren eines Wortes wie unterlassen für meine niederländischsprachigen Studierenden viel leichter durch die Verbindung mit dem niederländischen Verb nalaten, das dasselbe Stalllllllllorphem hat, als durch ein anderes Übersetzungsäquivalent. In der angelsächsischen didaktischen Literatur ist zur Zeit jedoch die Betonung von multiword units als wichtige Grundlage des Wortschatzerwerbs aktuell (z.B. SCHMITT 2000: 89), womit besonders häufige Wendungen gemeint werden, die als Ganzes gelernt werden sollen. Zum Wortschatzerwerb gehören neben dem Erwerb des Wortes an sich natürlich Kenntnisse sowohl der Morpheme wie der Kontexte. Schwache Lernende haben eine geringere Gedächtnisspanne als erfolgreiche Lernende, was für die bewusste Verarbeitung bedeutet, dass sie weniger Hinweise gleichzeitig verarbeiten können. Sie brauchen oft zu viel Zeit für die Verarbeitung der Form, so dass keine Arbeitsgedächtniskapazität für die inhaltliche Verarbeitung mehr zur Verfügung steht. Daher haben sie eine Tendenz zum Raten und Inferieren, sind dabei aber oft erfolglos. Für sie ist Automatisierung der Kenntnisse deshalb noch wichtiger als für andere, die Kompensationsstrategien wie Inferieren bei Kenntnislücken auf den unteren Verarbeitungsebenen erfolgreicher einsetzen. 4.3 Was ist Wortschatzerwerb? Was ist Wortschatzerwerb? Diese Frage wird nur selten problematisiert (DE BOT [et al.] 1997: 310). Da das Begriffssystem als sprachübergreifend betrachtet werden kann, bedeutet Wortschatzerwerb in der Fremdsprache vor allem den Erwerb neuer Formen. Natürlich entsprechen sich die Bedeutungen von Übersetzungsäquivalenten oft nicht völlig und sind Bedeutungsfelder manchmal unterschiedlich organisiert. Aber Fremdsprachenlernende brauchen kein völlig neues Begriffssystem zu erwerben. Zusammen mit dem Wortschatzerwerb in der Fremdsprache werden sie auch eventuelle Bedeutungs- JF]LllJlL 33 (2004) Der Zugriff aufdas mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 21 nuancen und -unterschiede zwischen den Übersetzungsäquivalenten lernen. Anfänglich können sie aber vom schon vorhandenen Wissen ausgehen. Kulturelle Unterschiede und Bedeutungsnuancierungen kommen zudem auch innerhalb eines Sprachbereichs vor. Ein Wort ist erworben, wenn es automatisch fehlerfrei aktiviert werden kann. Das wird durch häufige Aktivierung, also durch wiederholten lexikalischen Zugriff, ermöglicht. Wie häufig ein Wort für den Erwerb aktiviert werden muss, hängt von wortbedingten und lernerabhängigen Variablen ab. Für die Anzahl der Wortwiederholungen können also keine sinnvollen Zahlen genannt werden. Im Allgemeinen nimmt man an, dass die Wiederholungen in der Zeit gestreut sein sollten (NATION/ MEARA 2002: 42) und unter Einsatz von Aufmerksamkeit erfolgen sollen. Wenn ein neuerworbenes Wort längere Zeit nicht mehr aktiviert wurde, setzt ein Prozess des Vergessens ein und muss die Aktivierung erneut erfolgen. 5. Wortschatzerwerb im Unterricht 5.1 Allgemeine Prinzipien Sprachen erwerben wir durch Input, dies gilt für die Muttersprache wie für die Fremdsprache. Für den Fremdsprachenerwerb, der nach der Alphabetisierung erfolgt, bedeutet dies: mit Hilfe geschriebener und gesprochener Texte. Das heißt allerdings nicht, dass in einem Text allen unbekannten Wörtern Aufmerksamkeit gewidmet werden soll. Man kann sich auf nur einige wichtige Vokabeln beschränken oder nur einige Textteile intensiv bearbeitet. Ein Überangebot kann durch die zu hohe Lernbelastung demotivierend wirken. Der rezeptive lexikalische Zugriff wird nach manchmal vielen - Wiederholungen auch den automatischen Wortabruf ermöglichen. Da wir beim gesteuerten Fremdsprachenerwerb nicht sehr viel Zeit zur Verfügung haben, ist die Organisation des Inputs sehr wichtig. Zudem ist wiederholter Input unerlässlich für den Erwerb. Üben bedeutet das Organisieren dieses wiederholten Inputs, wobei neben Aufmerksamkeit für die semantische Verarbeitung auch Sprachbewusstheit für die Wortform ausgelöst werden soll. Wenn wir uns bewusst mit der Sprachform beschäftigen, werden die Formen eingehender d.h. auf mehreren Ebenen und mit wiederholtem Zugriff auf die schon vorhandenen Repräsentationen bearbeitet (vgl. SCHMITT 2000: 132 [depth ofprocessing]). Input in Kombination mit Aufmerksamkeit für bestimmte Formen führt zu einer Kombination inzidentellen und expliziten Lernens. Explizites, bewusstes Lernen ist zweckmäßiger (NATION 2002: 41) und daher besonders angebracht für häufige und für aus der Sicht der Zielgruppe wichtige Wörter. Bei der Rezeption der Fremdsprache fällt das Nicht-Berücksichtigen des Wortendes auf, sowohl beim automatischen Zugriff wie bei der bewussten Bedeutungssuche (LUTIB- HARMS 1994b; MüLLER-LANCE 2002; SCHRAMM 2001: 331). Dies entspricht zwar einer Beobachtung, die beim Lesen als normalem Prozess des lexikalischen Zugriffs auftritt, doch bei fehlender Sprachbeherrschung handelt es sich dabei eher um eine bewusste oder automatische Vermeidungsstrategie. Daher ist Aufmerksamkeit für die ganze Wortform notwendig. FLuL 33 (2004) 22 Madeline Lutjeharms 5.2 Zur Übungsgestaltung Die Arbeit mit schriftlich fixierten Texten ist am einfachsten, sowohl durch deren Verfügbarkeit als auch dadurch, dass das Dekodiertempo selbst bestimmt werden kann. Da aber die Aussprache für den Worterwerb sehr wichtig ist, sind Hörtexte auch erforderlich und ebenfalls besonders im Anfängerunterricht lautes Lesen schriftlicher Texte sowohl durch die Lehrkraft wie durch die Lernenden. Das Erstellen von Übungen durch die Lernenden selbst (mit anschließender Korrektur durch die Lehrkraft), möglichst zu selbstgewählten Texten, wirkt motivierend und führt zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Wortmaterial als nur das Lösen von Übungen (LUTJEHARMS 1997). Ein anregender Input erhöht die Motivation, die wieder die Aufmerksamkeit verstärkt. Mehr Aufmerksamkeit führt zu einer eingehenderen Verarbeitung und dadurch zu einem größeren Lernerfolg. Die Suche nach Belegbeispielen für eine bestimmte Form, wie grammatische und Wortbildungsmorpheme und das form- oder bedeutungsorientierte Systematisieren des Sprachwissens führt zum wiederholten lexikalischen Zugriff und zur Bewusstmachung der Formen. Aufgrund der Bedeutung der Morphernrepräsentationsebene dürften Suchaufgaben zum Vorkommen von Morphemen aller Art erwerbsunterstützend wirken. Dabei wird immer von Arbeit mit Texten ausgegangen. So werden die Wörter in einem sinnvollen Kontext wahrgenommen, auch wenn dieser Kontext nicht fokussiert wird. Mehrere Übungen zum selben Text sind sinnvoll, denn die Arbeit mit einem schon bekannten Text sorgt für Wiederholung derselben Formen im selben Kontext, was eine Lernerleichterung ist. Der Kontext bietet auch er wenn er ohne viel Aufmerksamkeit wahrgenommen wird - Anknüpfungspunkte beim Abrufen von Bedeutung und/ oder Form, zudem auch Informationen über die Verwendung. Lernmethoden dürfen nicht aufgedrängt werden, da die unterschiedlichen Lernertypen berücksichtigt werden sollen. Sinnvoll ist es aber, die Lernenden erzählen zu lassen, wie sie Vokabeln lernen. Schwache Lernende können mit Hilfe der Beschreibung der Mitlernenden vielleicht zweckmäßigere Verfahren entdecken. Das vieldiskutierte Erschließen aus dem Kontext ist nicht immer leicht (SCHMITT 2000: 152 ff; HUCKIN [et al.] 1993). Will man das Wort lernen, erfolgt nach dem Raten am besten eine Wörterbuchkontrolle der Semantisierung mit anschließenden Übungen zur Wortform. Beim Inferieren der Bedeutung wird nämlich vor allem auf Wörter aus dem direkten Kontext zugegriffen, während die (eventuell) erschlossene Bedeutung meist wenig Aufmerksamkeit auslöst. Eine wichtige und nicht einfache Übung ist die Entscheidung, welche Wörter unbedingt nachgeschlagen werden müssen, welche Wörter vermieden werden können, ohne dass das Verständnis zu sehr beeinträchtigt wird, und welche Wörter im Kontext erschließbar sind. Dabei ist es sinnvoll nicht nur auf den Kontext, sondern auch auf eventuelle bekannte Wortteile zu achten. Beim Wortschatzerwerb liegt die größte Lernlast des Fremdsprachenerwerbs, da Wörter sehr viel zahlreicher sind als syntaktische Formen. Die vielen Repräsentationsebenen von Wörtern enthalten jedoch auch syntaktische Informationen. Man kann daher nicht nur Wortformen und -bedeutungen lernen, die Verwendungsmöglichkeiten gehören flLIIJIL 33 (2004) Der Zugriff auf das mentale Lexikon und der Wortschatzerwerb in der Fremdsprache 23 zum Erwerb. Das Aufteilen von Sprachen in einzelne Repräsentationsebenen ist nur eine Lernhilfe und soll den Erwerb einer Fremdsprache systematisierend unterstützen. Ein Wort ist erworben, wenn beim lexikalischen Zugriff Informationen aller Repräsentationsebenen für die Verarbeitung zur Verfügung stehen. Literatur ABUNUW ARA, Ehab (1992): "The structure of the trilingual lexicon". In: DE GROOT, Annette M.B. / BAR- RY, Chris (eds.): The multilingual community. Bilingualism. Hove/ Hillsdale: L. Erlbaum (Special issue of The European Journal of Cognitive Psychology), 311-322. ASHBY, F. Gregory / VALENTIN, Vivian V./ 'fuRKEN, And U. (2002): "The effects of positive affect and arousal on working memory and executive attention". In: MOORE, Simon/ ÜAKSFORD, Mike (eds.): Emotional Cognition. Amsterdam/ Philadelphia: J. Benjamins, 245-287. BAETENS BEARDSMORE, Hugo (1982): Bilingualism: Basic principles. Clevedon/ Avon: Tieto. BALOTA, David A. / PAUL, Stephen T. / SPIELER, Daniel H. (1999): "Attentional control of lexical processing pathways during word recognition and reading". In: GARROD, Simon/ PICKERING, Martin J. (eds.): Language processing. 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The first approach examines sociocultural aspects of second / foreign language acquisition, thus shifting the focus from the mental sphere to the social setting. In addition to the numerous findings arising from the prevailing cognitive paradigm, this sociocultural approach yields insights into socio-cultural processes, which may contribute to the promotion of multilingualism as proposed by European education policies. The second model, proposed by the cognitive and neurological sciences, focuses on aspects of language acquisition as well as on mental representation and multiple languages processing, whereby language acquisition is seen as the acquisition of rules, which is in turn controlled by cognitive mechanisms and influenced by various factors. The mental lexicon is often taken as a starting point for attempts to resolve the question of whether, in bilinguals, the two languages concemed are stored and processed jointly or separately. Tue latest findings conceming this question are presented in this contribution. By taking an evolutionarybased view of monolingual language acquisition as a starting point evidence is provided suggesting that both approaches need to be considered within a European framework of multilingualism. 1. Mehrsprachigkeit im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge hatten im Jahr 2001 21,9 % der in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kinder mindestens ein ausländisches Elternteil. 1 Den größten Anteil stellen türkischsprachige Eltern, gefolgt von solchen mit Serbokroatisch und solchen mit Italienisch als Erstsprache. Insgesamt bereichern die 151 000 Babys mit multikulturellem Hintergrund die binnendeutsche Sprachenlandschaft um 160 Sprachen. Diese Daten zeigen seit 1991 einen stetigen Aufwärtstrend. Längst ist Deutschland zu einem mehrsprachigen Land geworden, auch wenn die Realitäten im Bildungswesen darauf nur im Schneckentempo und angesichts der demoskopischen Prognosen mit völlig unverständlicher Zurückhaltung reagieren. In Niedersachsen wurden erst im Jahr 2002 und nur unter dem erheblichen Druck, den die miserablen PISA-Ergebnisse des Bundes- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans BICKES, Univ.-Prof., Universität Hannover, Seminar für deutsche Literatur und Sprache, Königsworther Platz 1, 30167 HANNOVER E-mail: bickes@fbls.uni-hannover.de http: / / www.fbls.uni-hannover.de/ sdls/ bickes/ Arbeitsbereiche: Linguistik, Deutsch als Fremdsprache. 1 Noch nicht einberechnet sind hier Spätaussiedler, das heißt Elternhäuser, in denen Russisch und/ oder eine andere osteuropäische Sprache als die eigentlich dominante Sprache gesprochen wird. JFILIIL 33 (2004) 28 Hans Bickes landes mitten im niedersächsischen Wahlkampf erzeugten, Rahmenrichtlinien für den Unterricht des Deutschen als Zweitsprache veröffentlicht, die in ihrer Gesamtaussage enttäuschend hinter den Standards zurückbleiben, die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen längst festgeschrieben sind. Gleichzeitig werden die Mittel, die für zusätzlichen Unterricht in der Erstsprache Mehrsprachiger zur Verfügung stehen (z. B. Türkisch), drastisch eingeschränkt. Nicht ohne Grund wird immer wieder der monolinguale und monokulturelle Habitus unseres Bildungswesens beklagt. Hinter dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen steht der Leitgedanke, dass eine weit verbreitete Mehrsprachigkeit der Schlüssel für eine europäische Integration ist und dass daher das Fremdsprachenlernen in Europa sowohl Bürgerrecht wie Bürgerpflicht sei. Dazu seien Methoden des Sprachunterrichts zu fördern „die die Unabhängigkeit des Denkens, des Urteilens und des Handelns zusammen mit sozialen Fähigkeiten und Verantwortungsbewusstsein stärken"; zentral ist ein Konzept der Mehrsprachigkeit, das sich von Vielsprachigkeit (Kenntnis einer Anzahl von Sprachen oder Koexistenz verschiedener Sprachen in einer Gesellschaft) unterscheidet. Auf diese Differenzierung legt der Referenzrahmen besonderes Gewicht: Vielsprachigkeit kann man erreichen, indem man einfach das Sprachenangebot in einer Schule oder in einem Bildungssystem vielfältig gestaltet, oder indem man Schüler dazu anhält, mehr als eine Sprache zu lernen. [...] Mehrsprachigkeit jedoch betont die Tatsache, dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker (die er entweder in der Schule oder auf der Universität lernt oder durch direkte Erfahrung erwirbt). Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren. In verschiedenen Situationen können Menschen flexibel auf verschiedene Teile dieser Kompetenz zurückgreifen, um eine effektive Kommunikation mit einem bestimmten Gesprächspartner zu erreichen. [...] Aus dieser Perspektive ändert sich das Ziel des Sprachunterrichts ganz grundsätzlich. Man kann es nicht mehr in der Beherrschung einer, zweier oder vielleicht dreier Sprachen sehen, wobei jede isoliert gelernt und dabei der 'ideale Muttersprachler' als höchstes Vorbild betrachtet wird. Vielmehr liegt das Ziel darin, ein sprachliches Repertoire zu entwickeln, in dem alle sprachlichen Fähigkeiten ihren Platz haben. (Aus: Referenzrahmen Abschnitt 1.3; Hervorhebung H.B.) 2 Die Erforschung von Mehrsprachigkeit, meist beschränkt auf den überschaubaren Fall des Bilingualismus3, ist im europäischen Forschungskontext in den letzten Jahren zu 2 Quelle: http: / / www.goethe.de/ z/ 50/ conuneuro/ iO.htm. Es sei angemerkt, dass die Unterscheidung zwischen Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit in der vorliegenden Formulierung keineswegs unproblematisch ist. Offenkundig wird gleichwohl ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Ziele des Sprachenlernens. 3 Eine präzise Definition von Bilingualismus und Mehrsprachigkeit wird hier vennieden, um eine vorschnelle Interpretation insbesondere der weiter unten diskutierten neurowissenschaftlichen Daten zu vermeiden. Je nach Kontext kann daher im Folgenden der gleichzeitige Erwerb zweier Sprachen gemeint sein, aber auch zeitversetzter Erwerb im natürlichen und/ oder im schulischen Kontext. IFLrutlL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 29 einem sehr spannenden - Schwerpunkt in der Sprachpsychologie, der Kognitions- und neuerdings auch der Neurowissenschaft geworden. Dabei steht allerdings meist weniger die Frage im Vordergrund, wie sich der Erwerb von Bilingualität oder gar Mehrsprachigkeit optimieren lässt, oder welche soziokulturellen Rahmenbedingungen in mehrsprachigen Gesellschaften wünschenswert sind. Das Interesse gilt in erster Linie der Erforschung der menschlichen Kognition, und Sprache ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Bestandteil im Konzert der kognitiven Leistungen. Die Untersuchung von Bilingualen im Vergleich zu Monolingualen eignet sich besonders gut, um Hypothesen über die Repräsentation und Verarbeitung von Sprache im kognitivistischen Paradigma zu überprüfen. Auch im vorliegenden Beitrag werde ich betont auf kognitions- und neurowissenschaftliche Arbeiten eingehen. Viele dieser Arbeiten nehmen ihren Ausgangspunkt beim mentalen Lexikon und funktionaler neuronaler Differenzierung. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Fülle der Teilergebnisse nur bedingt in handlungsleitende Empfehlungen umgesetzt werden können, die die Erfordernisse europäischer Sprachenpolitik, wie sie im Referenzrahmen artikuliert sind, im Kern treffen. Ich werde daher zunächst andeuten, wie eine ergänzende soziokulturelle Perspektive eingenommen werden könnte, die den aktuellen Zielsetzungen entgegenkommt. Allerdings bleibt diese Perspektive eher global; das mentale Lexikon und sprachliche Strukturen geraten in den soziokulturellen Ansätzen etwas aus dem Blick. Wenn es um Erkenntnisse geht, die unmittelbar für Einsichten in den Erwerbsprozess und für die konkrete Konzeption von gesteuertem Erwerb genutzt werden können, bleibt die kognitive Perspektive unverzichtbar. Doch zunächst wollen wir einen kurzen Blick auf den Erwerbsprozess in der Erstsprache werfen. 2. Monolinguale Entwicklung und Entwicklung von Mehrsprachigkeit Meinen Ausgangspunkt nehme ich bei evolutionsbiologischen Arbeiten zum Spracherwerb. Hier wird deutlich, dass sowohl die gesellschaftsbezogene als auch die kognitionswissenschaftliche Perspektive aus der Sicht der Spracherwerbsforschung ihre Berechtigung haben. Denn die vorgängige Entwicklung sozialer Kognition schafft im frühen Spracherwerb erst die Voraussetzung für den Aufbau eines mentalen Lexikons, der mit dem Entstehen phonologischer und grammatischer Analysefähigkeiten Hand in Hand geht. 2.1 Vorbedingungen für Spracherwerb - Evolutionsbiologische Annahmen In mehren Arbeiten hat John L. LOCKE (z.B. 2002, 1997, 1996) aus evolutionsbiologischer Sicht versucht zu erklären, wieso Kinder überhaupt zu sprechen beginnen. Psychologen und Linguisten neigen dazu, den Spracherwerb erst ab dem Geburtszeitpunkt (bisweilen auch bereits im Mutterleib) zu untersuchen. Demgegenüber interessiert sich der Biologe Locke für jene in der Evolution entstandenen phylogenetischen Faktoren und Mechanismen, die in ihrem Zusammenspiel in der Ontogenese des Kindes das Entstehen lFLl.llL 33 (2004) 30 HansBickes einer so komplexen Fähigkeit wie Sprache begünstigen. Dabei handelt es sich um Mechanismen, deren Entstehen nicht dadurch erklärt werden kann, dass sie mit bestimmter Absicht (etwa der Absicht, irgendwann dem Menschen Sprache zu ermöglichen) angelegt wurden die Evolution verfolgt keine Ziele. Ebenso warnt Locke davor, beim Beobachten des Kleinkindes vorschnell Absichten hinter bestimmten Verhaltensformen zu unterstellen: Das Kleinkind brabbelt nicht mit dem Ziel vor sich hin, später das Lautsystem seiner Sprache perfekt zu beherrschen, ebenso wenig, wie es strampelt, um sechzehn Jahre später in einer olympischen Laufdisziplin zu starten. Teleologische Erklärungen taugen für Phänomene des Spracherwerbs nur wenig. In der Ontogenese sind bestimmte guidance mechanisms am Werk, die für sich besehen selbstverständlich nicht dem Ziel dienen, verschiedene Verhaltensweisen zur Sprachfähigkeit zusammenzuführen, die aber trotzdem ab einem bestimmten Punkt in ihrem gleichzeitigen Auftreten zwangsläufig Sprachfähigkeit herausbilden. Der teleonomische Erklärungstyp, den Locke anstelle des teleologischen anbietet, erinnert an den von KELLER (1990) vorgeschlagenen Typus der "invisible-hand-explanation" für Phänomene des Sprachwandels. In einer Analogie ausgedrückt: Es gibt Gründe und Motive für bestimmte Verhaltensweisen, die insgesamt zum Entstehen eines Trampelpfades in einem Park führen, aber niemand läuft mit der gezielten Absicht quer über den Rasen, diesen Pfad anzulegen. Folgerichtig ist auch die Auffassung zurückzuweisen, das Kind erwerbe seine Sprache, um zu kommunizieren, etwa im Sinne von „Gedanken mitteilen". Für den frühen Erwerbsprozess kann dies nicht zutreffen, da das Kind erst weit nach dem zweiten Lebensjahr überhaupt ein Konzept der "other minds" entwickelt (LOCKE 2002: 377). Bis dahin zeigt das Kind bereits sprachliches Verhalten, aber eben nicht, um im eigentlichen Sinn des Wortes zu kommunizieren. Im Vergleich zu anderen Primaten ist die Schwangerschaft beim Menschen relativ kurz, und die Gehirndifferenzierung ist daher bei der Geburt nicht sehr weit gediehen. Entsprechend hilflos und sozial abhängig kommt der menschliche Säugling zur Welt. Dies birgt indes die Chance, dass die frühen Lernprozesse immer bereits soziale Lernprozesse sind. Die frühe Hirnentwicklung vollzieht sich so in einer Periode, in der Säuglinge im Normalfall den ständigen Stimulationen durch Gesichter, Mimik, Stimmen ausgesetzt sind. Gleichzeitig sind Säuglinge ihrerseits schon mit der Fähigkeit zu ausgeprägter Mimik (z.B. zum Lächeln) ausgestattet, die sichert, dass die (von den Gesichtsausdrücken begeisterten) Bezugspersonen in ihrer Nähe bleiben und ihnen Aufmerksamkeit schenken. Grundsätzlich ist der Säugling aus naheliegenden Gründen - Sicherung des Wohlwollens von Bezugspersonen mit einem "appetite for social stimulation" (LOCKE 2002: 367) ausgestattet, der interaktive Verhaltensweisen in der Umgebung auslöst, die der beschützten Entwicklung des Kindes dienlich sind. - Eine Reihe solcher Mechanismen werden jeweils phasenweise während der frühkindlichen Entwicklung aktiv. Im Einzelnen dienen sie jeweils anderen Primärzielen als dem Sprechenlernen, doch als sekundärer Effekt tritt schließlich Sprachvermögen auf. Im Anschluss an MA YR (1974) spricht LOCKE (2002: 379) daher von "precursors to language". Bereits von Geburt an zeigt das Kind erhöhte Aufmerksamkeit für Sprachlaute, insbesondere für die der Mutter. Es ist in der Lage, prosodische und emotionale StimmlFlLulL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 31 qualitäten zu differenzieren und zu erinnern (Jusczy [et al.] 1993); auch wird zwischen der Stimme der Mutter und der fremder Personen unterschieden. Interessant ist, dass das Kind Stimmen sogar danach unterscheidet, ob sie an es selbst oder an andere gerichtet sind. Während das Kleinkind in den nächsten Monaten mobiler wird, entwickelt sich parallel eine differenziertere Sprachwahrnehmung. Über die differenzierte Sprachwahrnehmung bleibt es auch auf seinen Exkursionen in der Lage, zwischen Bezugspersonen und anderen zu unterscheiden und den Kontakt zur Mutter nicht zu verlieren; vertraute Stimmen reduzieren ferner Unsicherheit und Angst. Dabei ist eine deutliche Präferierung der mütterlichen Stimme zu beobachten. Schon mit 6 Monaten beginnen Kinder, Äußerungen als Ganze zu speichern und zu erinnern, und sie nutzen die gespeicherten (vornehmlich prosodisch differenzierten) Lautmuster zur Wiedererkennung von Personen und zur Antizipation der Verhaltensweisen von Bezugspersonen. Insbesondere lösen abweichende neue Muster erhöhte Aufmerksamkeit aus. Weder die Sprachwahrnehmung noch die ersten Stufen des Sprechens dienen in dieser frühen Phase der Kommunikation (im Sinne von „Mitteilen von Gedanken"), sondern anderen Bedürfnissen. Neben einer grundsätzlichen Freude am Plappern und Sprechen signalisieren erste Äußerungen, dass man dazu gehört, und sie lenken Aufmerksamkeit auf das Kind. Lautäußerung und frühes Sprechen sind Spezialfälle eines in diesem Alter (vor allem auch im motorischen Bereich) deutlich vorhandenen Bedürfnisses, auf die Umwelt einzuwirken und Effekte zu erzielen. Insgesamt zielen die unterschiedlichen Mechanismen in dieser Phase darauf ab, ein soziales Netzwerk aufzubauen und zu erhalten. Sekundär geht damit einher die Entwicklung der Fähigkeit, Laute und Stimmführungen zu differenzieren, prosodische Einheiten, darunter auch Wörter und formelhafte Sprachausschnitte, zu speichern und erste Vokalisationen vorzunehmen. Auch erste Wortverwendungen mit unmittelbar referentieller Funktion treten auf. Psycholinguistisch gesehen ist dies der Beginn des Aufbaus eines rezeptiven und produktiven mentalen Lexikons. Die Gesamtheit der Mechanismen, die dies bewirken und die eng mit affektiven Bereichen im Gehirn zusammenhängen, nennt Locke social cognition network, im Gegensatz zu einem grammatical network, das zum Aufbau grammatischer Fähigkeiten führt. Das grammatical network operiert auf den Daten und Strukturen, die das social cognition network zur Verfügung stellt, und möglicherweise ist das seine einzige Funktion. Jedenfalls kommt dem grammatical network keine direkte Erwerbsfunktion zu; diese ist in der frühen Erwerbsphase dem social cognition network vorbehalten. Der gesellschaftliche Ort, in dem sich diese soziale Kognition des Kleinkindes entfaltet, ist beim Erstspracherwerb in aller Regel die häusliche Umgebung mit den engeren Familienmitgliedern als Bezugspersonen. 2.2 Entstehung von Lexikon und Grammatik in der frühen Sprachentwicklung Die frühen Sprachwahrnehmungen und auch die ersten Äußerungen des Kindes sind, wie wir gesehen haben, im wesentlichen prosodisch organisiert und werden vorzugsweise im Bereich der rechten Hemisphäre prozessiert. In dieser ganzheitlichen, noch nicht in Phoneme oder andere linguistische Kategorien zerlegten Form wird sehr viel Speicherkapazität benötigt, wodurch das System bei kontinuierlich anwachsender Datenmenge lFLl.lL 33 (2004) 32 HansBickes belastet wird. Im Zusammenhang mit dem Phänomen der Wortschatzexplosion einem bei allen Kindern im Alter von ungefähr eineinhalb bis zwei Jahren auftretenden sprunghaften Anstieg des Wortschatzes (vocabulary spurt)scheint eine Reanalyse der vorliegenden Daten in kleinere Einheiten und eine Kategorisierung zu erfolgen, die eine Entlastung und Beschleunigung der beanspruchten Speicherprozesse ermöglicht. Dafür spricht, wie BATES [et al.] bereits 1988 feststellen, dass eine hohe Korrelation zwischen der Speicherung von gehörten Äußerungen und dem Beginn grammatischer Operationen gilt. ELSEN (1999) weist auf enge Zusammenhänge zwischen Wortschatzexplosion und der Entwicklung des phonologischen Analysesystems hin. Dessen Fortentwicklung wiederum steht offenbar in enger Wechselwirkung mit der Entwicklung der Aussprachekompetenz, also phonetisch-artikulatorischen Fähigkeiten. Wo bereits die erste, durch Mechanismen im social cognition network gesteuerte Phase Beeinträchtigungen aufweist und die Herausbildung des zu diesem Zeitpunkt vorwiegend prosodisch organisierten Lexikons gestört ist, können anschließend ein verlangsamtes oder unvollständiges Operieren der Reanalyseprozesse im grammatischen System und eine entsprechende Sprachentwicklungsstörung resultieren. Aus der (monolingualen) Spracherwerbsforschung ist zudem bekannt (BATESIMACWHINNEY 1989, T0MASELLO/ BR0OKS 1999, TüMASELLO 1998), dass der Aufbau grammatischer Fähigkeiten durch die sukzessive Identifizierung von bestimmten syntaktischen Mustern erfolgt, die als Vorbild zur Konstruktion abstrakterer grammatikalischer Schemata führen. Tomasellos Daten deuten ferner darauf hin, dass der Übergang von längeren prosodischen Sequenzen zu ersten grammatischen Musterbildungen das Stadium der Holophrasen durchläuft, die insbesondere durch Analyse von Intonationskurven reanalysiert und gruppiert werden (in Aussagen, Fragen, Aufforderungen). In diesem Stadium treten zudem erste syntaktische Muster zur Darstellung von für das Kind existentiell grundlegenden Szenarien in der Umwelt auf, Muster, die bereits ein rudimentäres Verständnis des Wortbegriffs erfordern. Das heißt, die Zerlegung von Sprachsequenzen aus der Frühphase in linguistisch relevante Kategorien und der Aufbau eines strukturierten Lexikons geschieht in Abhängigkeit von allgemeineren Konstruktionen, die das Kind zunächst identifizieren muss. Dass diese Konstruktionsmuster in der Frühphase verkürzt als Einwortäußerungen auftreten, mag Anlass dafür sei, dass dem Lexikonerwerb oft eine zeitliche Vorrangstellung eingeräumt wird. Dieser Vorrang trifft aber allenfalls auf die unter prosodischen Gesichtspunkten gespeicherten Sprachsequenzen der sehr frühen Kindheit zu, nicht auf lexikalische Einheiten im eigentlichen Sinn. Die Herausbildung eines mentalen Lexikons entsteht vielmehr im Wechselspiel mit grammatischen Strukturmustern, in denen die lexikalischen Einheiten vorkommen. Insofern ist auch nicht erstaunlich, dass siehe Abschnitt 4 unten auch bei der Sprachwahrnehmung Erwachsener die syntaktische Analyse der semantischen vorauseilt (F'RIEDERICI [et al.] 2000). Insgesamt sei festgehalten, dass der frühkindliche Spracherwerb sowohl in einer sozialen Dimension als auch in einer Dimension kognitiver Analyseprozeduren verläuft. Es liegt auf der Hand, dass dies im Prinzip für den monolingualen ebenso wie für den (simultanen) zwei- oder mehrsprachigen Erwerbsprozess gilt. Bei zeitlich versetztem Zweitspracherwerb im höheren Alter ist jedoch die soziale Situation des Kindes wesentlFJLlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 33 lieh komplexer. Längst hat sich jetzt der enge Rahmen des frühen Erstspracherwerbs, der vor allem durch häusliches Umfeld und die engeren Bezugspersonen abgesteckt ist, erweitert, und das Kind steht einer differenzierten gesellschaftlichen Praxis gegenüber im ungesteuerten Zweitspracherwerb ebenso wie im institutionalisierten, gesteuerten Fremdsprachenlernen. Auch sind die Bedürfnisse des älteren Kindes in der Interaktion längst reichhaltiger und anspruchsvoller geworden. Die im social cognition network wirksamen Mechanismen werden der Situation des späteren L2-Erwerbs nicht mehr gerecht; sie müssen ergänzt oder kompensiert werden durch unterstützende Faktoren und Strukturen in der gesellschaftlichen Umgebung selbst. 3. Eine soziokulturelle Perspektive auf Mehrsprachigkeit Wie bereits erwähnt, scheinen zentrale Zielsetzungen des europäischen Referenzrahmens einige traditionelle Fragestellungen der Bilingualismusforschung etwas an den Rand zu rücken, so zum Beispiel die alte Frage, ob die einzelsprachigen Lexika Mehrsprachiger nach Sprachen getrennt oder verbunden mental repräsentiert und prozessiert werden. Wenn Mehrsprachigkeit im Referenzrahmen als eine Gesamtkompetenz entworfen wird, sind Aussagen darüber, wo die verschiedenen Sprachen mit ihren Subsystemen im kognitiven Speicher- und Prozesssystem Differenz oder Integration zeigen, eher nachrangig so spannend dies auch im Einzelfall ist. In den Vordergrund rückt dagegen das Problem, wie eine Vielfalt der in Kulturen und Sprachen auftretenden nichtsprachlichen und sprachlichen Handlungsmuster zu einer plurikulturell eingebetteten gemeinsamen Praxis und zu einer integrierten Mehrsprachigkeit zusammengeführt werden kann. Es spricht einiges dafür, bei der Erforschung des Bilingualismus und der Mehrsprachigkeit eine zusätzliche Perspektive einzunehmen, die auch die dynamisch sich wandelnden Subjekte im Kontext einer zunehmend polykultnrell geprägten, sich rasch wandelnden soziokulturellen Praxis in den Blick nimmt. 3.1 Mehrere Sprachen eine Identität? Dazu, wie man sich dem Phänomen des Spracherwerbs im mehrsprachigen Kontext ergänzend zu eher an Repräsentationsfragen interessierten kognitions- und neurowissenschaftlichen Ansätzen zuwenden könnte, gibt es verschiedene Anregungen. Vielversprechend erscheint der Vorschlag von NORTON/ fOOHEY (2002: 115 ft), von den betroffenen Personen selbst auszugehen. Die Autorinnen fragen zunächst, was Sprachenlemen für die Lemeridentität bedeuten könnte. "Such research is interested in the multiple identities of learners as, for example, gendered/ raced/ classed persons with diverse histories and identifications. [...] In search of insight, researchers have [...] shifted their attention from the field of social psychology (see McNamara 1997) to those of anthropology, cultural studies, feminist theory and sociology. [...] Further, in shifting from psychological to sociocultural conceptions of identity, researchers have sought to distance themselves from what Kubota calls 'fixed, apolitical, and essentialized cultural representations' (1999: lFILl.llL 33 (2004) 34 Hans Bickes 9). In this spirit, contemporary applied linguistic researchers have been drawn to literature that conceives of identity not as static and one-dimensional but as multiple, changing, and a site of struggle [... ] In recent language leaming research, conceptions of identity are congruent with prevailing theories of language and leaming". 1 Wer eine zweite oder eine neue Sprache erwirbt, erwirbt nicht nur ein neues Sprachsystem in einem eher formalen Sinn; er/ sie erwirbt vielmehr eine Vielfalt an neuen soziokulturellen Praxismustern, oft verbunden mit dem Empfinden, in neue Verhältnisse von Dominanz und Macht einzutreten (vgl. NORT0N/ TOOHEY 2002: 115). Wer daher das mentale Lexikon von bilingualen Kindern oder Fremdsprachenlernern untersucht, kann die soziokulturelle Umgebung nicht ausblenden, in der dies geschieht. In besonderer Weise greift der Erwerb einer L2 in die Identität der Betroffenen ein; aber diese Identität ist gerade im Kontext des Fremdsprachenlernens keine stabile, feststehende kulturelle Repräsentation (KUB0TA 1999; KRESIC 2004). Wo eine neue Sprache und damit ein neues Vokabular erworben wird, stößt der überkommene Begriff des de Saussureschen Zeichensystems an Grenzen. Entsprechende Einwände wurden von poststrukturalistischen Autoren wie Bakhtin, Bourdieu, Kress und anderen vorgebracht. Die arbiträre und in einer Sprachgemeinschaft gleichwohl recht stabil konventionalisierte Verbindung zwischen einem Lautbild (signifiant) und einer Bedeutung (signifie') passt zur (strukturalistischen) Annahme einer weitgehend homogenen und konsensuellen Sprachgemeinschaft, in der einheitlich auf eine Langue zurückgegriffen wird. Dass dies kein wirklich zutreffendes Bild ist, haben Studien zur inneren Mehrsprachigkeit in der Soziolinguistik längst nachgewiesen. In ihrer noch weiter reichenden Kritik bemängeln Poststrukturalisten an der strukturalistischen Auffassung, dass sie nicht in der Lage ist, den Konflikten und Aushandlungsprozessen in einer Sprachgemeinschaft Rechnung zu tragen, den ständigen Versuchen, in einer Gemeinschaft semantische Kämpfe zu führen und neue, rivalisierende Bedeutungsinterpretationen einzubringen. Die Teilhabe an verschiedenen Kulturen, der mehrkulturelle Hintergrund Mehrsprachiger ist ein besonderer Spezialfall dieser Verhältnissse, insofern gerade hier simultan oder zeitversetzt ein neues Vokabular parallel zu einem bereits vorhandenen Vokabular aufzubauen ist. Dass dieser Prozess in der Realität nicht ohne kulturelle Konflikte und Infragestellen der eigenen Identität vonstatten geht, ist nicht zu übersehen. Hinzu treten Komplikationen, die sich aus der Teilhabe an multimodaler Realisierung von Sprache in unterschiedlichen Medien des elektronischen Medienzeitalters ergeben, mit den je eigenen Strategien, die in diesen Medien zur Bedeutungsanschließung, zur Bedeutungsneukonstitution und zur Sernantisierung im Allgemeinen verwendet werden. 3.2 Mehrsprachigkeit und soziale Praxis Wie immer man diese poststrukturalistisch geprägten Ansätze im Einzelnen bewertet, ihnen gemeinsam ist die Verlagerung der Untersuchung von Sprachlernmechanismen aus dem Kopf heraus in die soziale Praxis. Spracherwerb wird nicht als einsamer Entfaltungsprozess oder ein Regelfindungsprozess einzelner Gehirne verstanden, wie dies mehrheitlich in der gängigen Fremdspracherwerbsforschung üblich ist (vgl. DAVIS 1995: 427 ]F]Lu]L 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 35 ff). Vielmehr betrachtet man den Spracherwerb als Resultat sozialer Interaktion in der Praxis kultureller Gemeinschaften, die es dem Lerner ermöglichen, am Insgesamt oder an Teilbereichen der kommunikativen und kulturellen Muster zu partizipieren. "A shift from seeing learners as individual language producers to seeing them as members of social and historical collectives moves observers toward exarnining the conditions for learning, for appropriation of practices, in any particular community. Tue anthropologists Jean Lave and Etienne Wenger argue that 'learning [on the part of all] is an integral and inseparable part of social practice' (1991: 31) as newcomers participate in attenuated ways with old-timers in the performance of community practices. Their notion, legitimate peripheral participation, represents their view that communities are composed of participants who differentially engage with the practices of their communities and that this engagement or participation in practice is 'learning'. Stressing the importance of local analysis of communities, Lave and Wenger (1991) point out that conditions vary with regard to ease of access to expertise, to opportunities for practice, to consequences for error in practice, and so on" (NORTON/ TOOHEY 2002: 120). Im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit entscheidet der Aspekt der Partizipation an der Praxis der jeweiligen Gemeinschaft über die Entwicklung einer mehrsprachigen Gesellschaft. Während die Schweiz bereits auf dem Weg ist, Bildungssysteme als mehrsprachige zu strukturieren, ist in Deutschland noch immer die Auffassung vorherrschend, dass es eine homogene deutsche „Leitkultur" gäbe, deren Handlungsmuster sich Zuwanderer mit anderer Herkunftssprache anzueignen haben. Eine Alternative wäre, aus der Vielfalt der in der bundesrepublikanischen Realität längst herausdifferenzierten soziokulturellen Muster einen reichhaltigen Rahmen zu bestimmen, in dem sich Lernen vollzieht, und wo die unterschiedlichen Gemeinschaften wechselseitig voneinander profitieren können (wie im kulinarischen und kulturellen Bereich längst üblich). Erfreulicherweise wird dies bereits in einigen Schulen praktiziert. Insofern Identität als prinzipiell offen für Wandel und kulturelle Impulse gesehen wird, können in einer solchen Gesellschaft völlig neue Formen der Identität entstehen. Die verschiedenen Sprachen und Kulturen können im Sinne Bourdieus als kulturelles Kapital gedeutet werden. Die Anstrengung, sich eine neue soziale Praxis und zusätzliche fremdsprachige und fremdkulturelle Muster anzueignen, wäre lohnendes Investment, aus dem eine neue, bereicherte und gesellschaftlich gewürdigte Identität hervorgehen kann. Insoweit diese Konstruktionen reicherer Identitäten aktivem sozialem Handeln entspringen, sind sie unmittelbar der konkreten Praxis in Gemeinschaften eingeschrieben, also nicht primär im Kopf aufzuspüren, wie es im mentalistisch-kognitiven Paradigma vorherrschend ist. - Im gegenwärtigen Bildungssystem lohnt sich dieses ohnehin einseitig zu erbringende Investment allerdings wenig, da wie alle Statistiken zu Bildungskarrieren von Kindern mit Migrationshintergrund beschämend ausweisen nur in den wenigsten Fällen die Partizipation am dominanten deutschen soziokulturellen Muster gelingt. Auf solcherlei Sachverhalte und die Frage nach den Gründen gehen die kognitiv orientierten Forschungsansätze selten ein, wie sie überhaupt bisweilen aus dem Auge verlieren, was ROMAINE (1999: 252) festgestellt hat: "Many children have had no choice in becoming bilingual. For them, questions which have motivated most of the scholarly research into childhood bilingualism among relatively privileged populations, for example at what age ]F[.,1UJL 33 (2004) 36 Hans Bickes and in what manner is it best to introduce a second language, are purely academic." - Da die Erziehung zur Mehrsprachigkeit irnrner auch mit (staatlichen) Investitionen im wörtlichen Sinn zusammenhängt, sei noch auf die Ergebnisse von Arbeiten verwiesen, die die ökonomische Seite evaluieren (vgl. BAKER 2002: 240 ff). Mehrere Studien, darunter eine der Weltbank (DUTCHER 1995), kornrnen einhellig zu dem Ergebnis, dass a) frühe bilinguale Erziehung mit Förderung zum Erhalt der Erstsprache bei den Betroffenen zu besserer kognitiver Entfaltung führt, und dass b) die Kosten für bilinguale Programme bei weitem ausgeglichen werden durch die positiven Effekte, die sich aus einer bilingualen Erziehung für die Gesellschaft ergeben (qualifiziertere Arbeitskräfte, geringere Arbeitslosenquote). Das in Deutschland praktizierte Modell der Submersion ist nach diesen Studien durch erhebliche Folgekosten und negative gesellschaftliche Konsequenzen belastet. Die Studien nähren Zweifel, dass sich die jüngst beschlossenen erheblichen Kürzungen bei Fördermaßnahmen im Bereich der Herkunftssprachen Mehrsprachiger mittelfristig rechnen werden. 4. Kognitions- und neurowissenschaftliche Perspektive auf Mehrsprachigkeit Die Bilingualismusforschung 4 hat sich irnrner wieder der bereits von WEINREICH (1953) aufgeworfenen Frage zugewendet, inwiefern die Sprachenpaare Bilingualer getrennt oder zusarnrnenhängend im Gehirn repräsentiert sind bzw. verarbeitet werden. Bestirnrnte Phänomene wie Codeswitching, wo sich eine Sprache beim Gebrauch einer anderen plötzlich in den Vordergrund schiebt, deuten auf komplexe Beziehungen zwischen den erworbenen Sprachen hin. Weinreich hatte in seiner Pionierarbeit angenornrnen, dass das mentale Lexikon Bilingualer in dreierlei Form mental gespeichert sein könne; er unterschied coordinate, compound oder subordinate bilingualism. Andere Arbeiten näherten sich der Fragestellung mit Begriffen wie common storage shared storage separate storage (KOLERS/ GONZALEZ 1980) oder der Dichotomie single-code versus dual-code (DURGUNOGLUIROEDIGER 1987). Auch in den seit jüngerer Zeit stark in dieses Forschungsfeld drängenden neurowissenschaftlichen Ansätzen mit ihren speziellen Verfahren, Hirnaktivität sichtbar und lokalisierbar zu machen, wendet man sich bevorzugt diesem Fragentypus zu. Die neurowissenschaftlichen Methoden sind sehr gut geeignet, um zu klären, ob Reaktionen und Prozesse, die beim Verarbeiten zweier Sprachen beobachtet werden, eher als Resultat zweier getrennter einzelsprachlicher Prozesse zu beschreiben sind, oder ob sich aus der Komplexität der Bilingualität eine neue Qualität der Prozessierung ergibt. 4 Die meisten Arbeiten befassen sich mit Bilingualen, nur selten werden mehr als zwei Sprachen in den Blick genommen. Ein Desiderat im kognitions- und neurowissenschaftlichen Paradigma sind Studien zum Spracheneinfluss beim sukzessiven Erwerb von drei oder mehr Sprachen (vgl. aber die Arbeiten zur Mehrsprachigkeit und zum Spracheneinfluss am Sonderforschungsbereich 538 „Mehrsprachigkeit" der Universität Hamburg, die vor dem Hintergrund universalgrarnmatischer Annahmen entstanden sind). JFLIIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 37 Die erwähnten Fragen sind keineswegs einfach zu beantworten. So deutet mittlerweile vieles darauf hin, dass Bilinguale in einigen ihrer Verarbeitungsprozesse eher Monolingualen ähneln, in anderen hingegen gesonderte Strategien herausbilden (vgl. BATES/ MACWHINNEY 1989, TOMASELL0/ BR0OKS 1999, T0MASELLO 1998: 250, ULMANN 2001). Auch die Struktur und Qualität der beteiligten Sprachen kann sich auf die Verarbeitung auswirken: FRAUENFELDERISCHREUDER (1992) problematisieren, ob es einen Unterschied macht, wenn die Sprachenpaare Bilingualer typologisch sehr verschieden sind (z.B. Deutsch als flektierende vs. Türkisch als agglutinierende Sprache). Ferner beschäftigen sich die Arbeiten zum Erwerb einer oder mehrerer Sprachen immer wieder mit der bereits 1967 von LENNEBERG formulierten Hypothese, dass es infolge von Reifungsprozessen im Gehirn eine kritische Periode für einen muttersprachenähnlichen L2-Spracherwerb 5 gibt, wobei zunächst die Pubertät als Scheidepunkt angesetzt wurde. Spätere Untersuchungen legten nahe, diese kritische Schwelle erheblich nach vorne zu verlegen, da es schon bei einem L2-Erwerb nach dem 6. bis 7. Lebensjahr zu unvollkommener Beherrschung sowohl der Grammatik als auch der Lexik kommt (HARLEY/ W ANG 1997, JOHNS0NINEWPORT 1989, 1991). Für viele gilt entsprechend das sechste bis siebte Lebensjahr als der Endpunkt sogenannter.früher Bilingualität (PERANI [et al.] 2003, FABR0 1999). Daraus ist nicht zu folgern, dass die neuronalen Korrelate des L2-Erwerbs in der Phase von der Geburt bis zu diesem Zeitpunkt konstant bleiben; auch in dieser frühen Phase sind interessante neuronale Differenzierungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einsetzens des Spracherwerbs zu beobachten. Etwa scheint aus neurowissenschaftlicher Sicht das dritte Lebensjahr einen weiteren Wendepunkt zu markieren. Bei der Erforschung der mentalen Repräsentation von Sprache im Schnittbereich zwischen Linguistik, Kognitionspsychologie und Psycholinguistik sucht man Aufschluss darüber, welche mentalen Strukturen anzunehmen sind, um im Sprachverhalten beobachtbare Verarbeitungsprozesse zu erklären. Durch die Konzentration auf Mehrsprachige eröffnen sich interessante Fragestellungen hinsichtlich der Feinarchitektur deklarativen und prozeduralen sprachlichen Wissens im Gehirn. Vorherrschend ist die Computermetapher, die es nahe legt, das Gehirn als ein symbolverarbeitendes System zu begreifen. Verarbeitungsprozesse laufen darin regelbasiert ab, und es besteht eine gewisse Tendenz, für einzelne Prozesse klar abgrenzbare, spezifische Module anzunehmen, zu denen Korrelate im Gehirn vermutet werden. Typische Exponenten dieser Phase sind z.B. die in dem von Robert SCHREDDER und Bert WELTENS 1993 herausgegebenen Sammelband The Bilingual Lexicon vereinten Aufsätze. Im Rahmen dieses Forschungsparadigmas untersucht man den Aufbau des bilingualen Lexikons mit verschiedenen Methoden, denen gemeinsam ist, dass das Verhalten von „L2" kann hier und im folgenden sehr allgemein sowohl eine simultan zur Ll erworbene und/ oder eine später erworbene weitere Sprache meinen. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt (primärer vs. sekundärer Bilingualismus) und den Bedingungen des Erwerbs (Sprache in der Umgebung/ ungesteuert vs. gesteuert, etc.) spricht man auch von Zweitspracherwerb oder von Fremdspracherwerb. Ll meint in der Regel die von der Mutter gesprochene Sprache (Erstspracherwerb). JFJLl! IL 33 (2004) 38 Hans Bickes Personen bei bestimmten Aufgabenstellungen beobachtet wird. Üblich ist etwa die empirische Analyse von Codeswitching-Daten, die Messung von Reaktionszeiten bei Benennungsexperimenten, die Auswertung der Effekte, die sich durch so genanntes Priming 6 ergeben, oder die genauere Analyse von Auffälligkeiten bei Übersetzungsaufgaben. Mittlerweile drängen die Neurowissenschaften mit ihren Methoden machtvoll in diese Arbeitsfelder. In ihnen herrscht die Auffassung vor, das Gehirn sei konnektionistisch organisiert; der Auffassung des Gehirns als einem regelbasierten Symbolverarbeitungssystem begegnet man eher skeptisch. Konnektionisten nehmen an, dass Prozesse weder regelgeleitet, noch Schritt für Schritt ablaufen, sondern dass eine parallele Verarbeitung netzwerkförmig über das ganze Gehirn verteilt stattfindet. Bestimmte Aufgaben, so die Grundannahme, gehen mit charakteristischen Aktivitätsmustern einher. Zum Teil lösen die Methoden der Neurowissenschaften die bisherigen Untersuchungsmethoden ab, zum Teil kommt es zu wissenschaftstheoretisch nicht immer unproblematischen hybriden Modellbildungen. In sie gehen die in der Psycholinguistik und Kognitionspsychologie noch vorherrschende Vorstellung des Gehirns als eines symbolverarbeitenden Systems ebenso ein wie das in den Neurowissenschaften dominante Bild vom Gehirn als konnektionistischem System. Aus neurowissenschaftlicher Sicht interessieren vor allem die funktionalen Spezialisierungen und Differenzierungen im Gehirn bei mit Mehrsprachigkeit verbundenen Aufgabenstellungen. Man erwartet sich ein differenziertes Makro-Bild von den Aktivitätsmustern, die das Gehirn bei der Verarbeitung einer oder mehrerer Sprachen erzeugt. Typische Methoden sind hier bildgebende Verfahren (positron emission tomography: PET; functional magnetic resonance imaging: fMRI). Diese Verfahren können aber auch eingesetzt werden, um spezielle Modellannahmen oder Architekturen aus dem Bereich des symbolverarbeitenden Paradigmas zu stützen oder zu widerlegen. So ist es möglich, die bei bestimmten Aufgabenstellungen ausgelösten neuronalen Aktivitäten in verschiedenen Hirnarealen direkt sichtbar zu machen. Damit können die Struktur- und Prozessannahmen, die sich aus den Modellen der Psycholinguistik ergeben, mit Mustern der funktionalen Differenzierung der Hirntätigkeit bei verschiedenen Aufgabenstellungen ins Verhältnis gesetzt werden. So haben FRIEDERICI [et al.] (1999, 2000) auf diesem Weg ausgesprochen komplexe Interaktionen zwischen semantischen, syntaktischen und prosodischen Informationen beim Einfügen lexikalischer Einheiten in phrasale Strukturen bei der auditiven Sprachverarbeitung nachweisen können. Insbesondere zeigen sie, dass semantisch-lexikalische Prozesse mit Aktivitätsmustern einhergehen, die sich deutlich von den Mustern syntaktischer Prozesse abgren- 6 Ein Zeitmessungsverfahren, bei dem festgestellt wird, welche zeitlichen Vorteile die Vorgabe eines Kontextes bei bestimmten Aufgaben mit sich bringt. Beispiel: Gibt man eine Liste mit Wörtern oder wortähnlichen Einheiten mit der Bitte vor, eine Taste zu drücken, wenn es sich um ein deutsches Wort handelt, so wird ein Wort wie Suppe schneller erkannt, wenn vor dem Experiment als prime das Wort Löffel dargeboten wird. Suppe ist hier das Zielwort oder target. Primes können variiert werden; etwa bietet auch Puppe aufgrund der orthographischen Ähnlichkeit zu Suppe einen Zeitvorteil. Häufig wird ermittelt, wie lange die Wirkung eines primes anhält. lFLlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 39 zen. Ferner kann ein zeitliches Muster in den z. T. seriell, z. T. parallel ablaufenden Prozessen erkannt werden. Demzufolge eilen syntaktisches Kategorisieren und andere eher syntaktische Entscheidungen den semantischen und prosodischen Prozessen voraus. Charakteristikum prosodischer Prozesse wiederum ist, dass sie vorzugsweise in der rechten Hemisphäre lokalisiert sind. Der Frage, ob zwei erworbene Sprachen in unterschiedlicher Form repräsentiert sind, nähert sich die neurowissenschaftliche Forschung durch Variation bzw. Kontrolle unterschiedlicher Faktoren bei der Aufgabenstellung. Allerdings ist es nicht ganz einfach herauszufinden, welche Faktoren bei sprachlichen Verarbeitungsprozessen überhaupt eine Rolle spielen. Derzeit gilt das Augenmerk bevorzugt den folgenden Faktoren 7 : age of acquisition (Spracherwerbsalter), proficiency (Grad der Sprachkompetenz),.frequency (Auftretenshäufigkeit einer sprachlichen Einheit), language usage (Umfang der Sprachpraxis) oder exposure (Häufigkeit des Sprachkontakts). Untersucht wird, wie sich diese Faktoren auf die funktionale, neuronale Organisation der Sprache(n) im Gehirn auswirken. Insbesondere will man herausfinden, welche Areale in welcher Reihenfolge und Geschwindigkeit bei der Sprachverarbeitung Bilingualer beteiligt sind, und wie sich dadurch z.B. bestimmte Befunde bei Läsionen mehrsprachiger Personen erklären lassen. So berichten GREENIPRICE (2001) von einem Patienten, der nach Verletzung eines bestimmten Hirnareals völlig unkontrolliertes Codeswitching zwischen seinen Sprachen zeigt. In unterschiedlichen Arbeiten wird ferner berichtet, dass nach Aphasien Mehrsprachiger die Wiederherstellung der zuvor beherrschten Sprachen einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen kann (z.B. ALBERT/ ÜBLER 1978, PARADIS 1989, GREEN/ PRICE 2001). So gibt es Fälle, wo nur eine von zwei Sprachen wiederhergestellt wird. Eine andere Patientin konnte an einem Tag nur Arabisch sprechen, nicht Französisch, am folgenden nur Französisch. Als entscheidender Faktor deutet sich in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Dauer und Intensität ab, mit der eine mehrsprachige Person den jeweiligen Sprachen zuvor ausgesetzt war, und der unterschiedliche Automatisierungsgrad, der sich dadurch sprachenspezifisch herausgebildet hat. Für hochautomatisierte Verarbeitung (implizite Sprachverarbeitung) scheinen andere Hirnbereiche zuständig zu sein, als für eine Verarbeitung, die stärkeren Kontrollmechanismen unterliegt; Sprachenselektion (Ll oder L2) scheint eher zu den kontrollierteren Prozessen zu gehören. Die Ergebnisse müssen beim Stand der Forschung jedoch als vorläufig gelten. 4.1 Einzelbefunde zur allgemeinen mentalen Repräsentation von Bilingualität und Mehrsprachigkeit In einer jüngst erschienen Studie, in der zahlreiche Faktoren ausgesprochen sorgfältig kontrolliert wurden, kommen PERANI [et al.] (2003: 180) zu dem Ergebnis, das bilinguale 7 Die Definition dieser Faktoren ist zum Teil stark abhängig vom jeweiligen experimentellen Kontext und der gewählten Operationalisierung. Ich habe mich daher entschieden, die jeweils in der Literatur gebrauchten Ausdrücke als Termini zu verwenden, auch wenn so eine stilistisch unschöne Mischung aus englischsprachigen und deutschsprachigen Begriffen entsteht. JF]Ll.l]L 33 (2004) 40 HansBickes Gehirn "cannot be viewed as the sum of two monolingual language systems, but rather considered as a unique and complex neural system which may differ in individual cases". Als Faktoren für solche individuellen Differenzen kann der Faktor proficiency entscheidend sein, aber auch die Faktoren age of second language acquisition und language usage/ exposure (vgl. auch GREEN 1986). Etwa sind bei der Wortproduktion in einer später erworbenen zweiten Fremdsprache, der die Sprecher seltener ausgesetzt sind, bei gleichem Grad an proficiency mehr Hirnaktivitäten erforderlich als dies bei Bilingualen der Fall ist, die beiden Sprachen sehr häufig ausgesetzt sind. Wesentlich hierfür scheint erneut die (mit bestimmten Hirnbereichen in Verbindung zu bringende) Automatisierung der Abläufe zu sein, die nur bei hinreichend hohem Grad an Kontakt mit der Sprache zustande kommt. Der Faktor exposure übt somit einen besonders nachhaltigen Einfluss auf den L2-Erwerb aus ungeachtet der Diskussion darum. welches ein günstiger Zeitpunkt für den Beginn von Fremdspracherwerb ist. Auch die Verarbeitungstiefe (CRAIK/ LOCKHART 1972), insbesondere bedingt durch die Involviertheit von Personen beim Erwerb, dürfte den Automatisierungsgrad beeinflussen. Erklärungsbedürftig ist allerdings der zunächst erstaunliche Befund, dass bei Verstehensaufgaben eine gegenläufige Tendenz zu verzeichnen ist: Hier geht die Hirnaktivität bei der seltener gesprochenen Sprache (L2) zurück gegenüber dem Verstehen in der L1 (ABUTALEBI [et al.] 2001: 188). Weitere Resultate der Untersuchung von PERANI [et al.] (2003) und W ARTENBURGER [et al.] (2003) ergeben zusammen mit früheren Befunden von KIM [et al.] (1997), PERANI [et al.] (1996; 1998) und ABUTALEBI [et al.] (2000, 2001) ein ungefähres Bild von den Makrostrukturen und Makroprozessen, die mit dem Erwerb mehrerer Sprachen einhergehen: Werden Kinder sehr früh (im Alter bis zu drei Jahren) mit zwei Sprachen (high exposure) konfrontiert, wird nur ein einziges neuronales Netz formiert, das für die Verarbeitung beider Sprachen zuständig ist. Anders sieht dies bei denjenigen aus, die die zweite Sprache erst zu einem späteren Zeitpunkt erwerben und der zweiten Sprache zudem weniger stark exponiert werden: Hier bilden sich im Hirn zwei komplexe neuronale Netze, die sich zum Teil überlappen, z. T. aber unterschiedliche Areale (vor allem im Bereich des Brocazentrums, aber auch im seitlichen frontalen Kortex) nutzen. Beim Prozessieren der L2 werden höhere Hirnaktivitäten sichtbar als bei der Ll, was aus verschiedenen Gründen als Indiz für unterschiedliche Automatisierungsgrade interpretiert werden kann. Nach Hirnläsionen scheinen jene Sprachen im Hirn schneller restrukturiert zu werden, deren Automatisierungsgrad sehr hoch ist; bei einem Automatisierungsgrad unterhalb einer bestimmten Schwelle kann es zu fortdauerndem Ausfall einer Sprache bei gleichzeitiger Wiederherstellung der anderen kommen. Werden zwei oder mehrere Sprachen sehr früh erworben und entsprechend in einem einzigen Netz verarbeitet, werden auch später hinzutretende Sprachen in dieses Netz integriert. Bei denjenigen Lernern hingegen, die wie in unseren Bildungssystemen die Regel die zweite Sprache nach dem dritten Lebensjahr und unter Herausbildung eines eigenen neuronalen Netzes erworben haben, muss auch für alle weiteren Sprachen ein (teilweise) eigenständiges Netz angelegt werden. f'ILlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 41 4.2 Hypothesen zur Feinarchitektur im mehrsprachigen Lexikon Hinsichtlich der Feinarchitektur (Trennung etwa von Syntax und Lexik) liegen neuere Befunde von F'RIEDERICI [et al.] (2000; zu Monolingualen), WEBER-Füx/ NEVILLE (1996; zu Bilingualen) und WARTENBURGER [et al.] (2003, zu Bilingualen) vor. Die Forscherteams weisen grundsätzlich getrennte zeitliche Abläufe beim Prozessieren für Syntax und Semantik mit Vorauseilen der Syntax bei Monolingualen nach. Beim Fremdsprachenerwerb ergeben sich zudem unterschiedliche Einflüsse der Faktoren age of acquisition und level ofproficiency auf die Entwicklung von Syntax einerseits und Lexik andererseits. Je später der L2-Erwerb beginnt, desto höher fallen vorzugsweise im Bereich grammatikalischer Aufgaben die Fehlerraten aus. Dabei sind bereits im Alter von 1-3 Jahren bei bestimmten Aufgabenstellungen Veränderungen der Hirnaktivitäten nachweisbar, die auf eine aufwendigere neuronale Verarbeitung deuten, ohne dass dies im „äußeren" Sprachverhalten des Kindes auffällt. Grundsätzlich werden für den Erwerb grammatischer Prozesse mit zunehmendem Erwerbsalter erhöhte Hirnaktivitäten erforderlich, selbst wenn das beobachtbare Verhalten einen hohen Grad an proficiency aufweist. - Der Faktor proficiency wiederum korreliert vornehmlich mit der Aktivität für semantische Verarbeitung: Je höher der Grad an proficiency, desto niedriger ist hier die entsprechende Verarbeitungsaktivität. Der Faktor Erwerbsalter hingegen zeigt bei der semantischen Verarbeitung nur geringe Effekte. Erwerbsalter und proficiency kristallisieren sich auch in diesen Versuchen als entscheidende, aber unbedingt zu trennende Faktoren im L2- Erwerb heraus. 4.2.1 Cognates Von besonderem Interesse im Kontext von Mehrsprachigkeitskonzepten (HUFEISEN/ NEUNER [erscheint]) mag die Studie von DE BLESER [et al.] (2003) zur Verarbeitung von cognates sein. Cognates sind in beiden Sprachen vorkommende, verwandte lexikalische Einheiten wie z.B. dt. Diskussion und engl. discussion. In der Studie wird gezeigt, dass in Benennungsexperimenten, bei denen Hirnaktivitäten aufgezeichnet wurden, die Verarbeitung von cognates in einer L2 wesentlich besser vonstatten geht, als die Verarbeitung von non-cognates. Zwischen der Verarbeitung von cognates in Ll und in L2 ergab sich kein nennenswerter Unterschied. Cognates können daher durchaus den Zugang zur L2 erleichtern. Die Ergebnisse sind in Einklang zu bringen mit einer Hypothese von DE GROOT (1993), wonach konkrete Wörter und cognates bei Bilingualen in einem gemeinsamen Speicher für beide Sprachen repräsentiert seien, abstrakte Wörter und noncognates hingegen in getrennten, sprachspezifischen (Sub- ? )Speichern. Auch hier spielt jedenfalls der Faktor proficiency eine entscheidende Rolle: Die aus L 1 bereits vertrauten cognates werden in L2 besser beherrscht als die non-cognates. In anderen eher fremdsprachendidaktisch ausgerichteten - Arbeiten (ECKE/ HALL 2000; MEißNER 1999) wird gezeigt, auf welchen Ebenen (phonetisch/ phonologisch, graphematisch, morphologisch, grammatisch, semantisch) Wörter verschiedener Sprachen vernetzt sein können, und wie dies in der Unterrichtspraxis ausgenutzt werden kann. Detaillierte JFILILIIL 33 (2004) 42 Hans Bickes Annahmen zur Vernetzung von Wörtern ergeben sich auch aus dem so genannten Bilingual Interactive Model, das weiter unten dargestellt wird. Zunächst will ich jedoch dessen lange favorisiertes Vorgängermodell vorstellen. 4.2.2 Die Rolle des bilingualen Lexikons beim Verstehen und bei der Sprachproduktion Im so genannten Revidierten Hierarchischen Modell (zunächst entworfen als Hierarchisches Modell, später erweitert zum Revidierten Hierarchischen Modell, vgl. KROLL/ STEWART 1994; KROLL/ DUKSTRA 2002) wird zwischen einer lexikalischen Ebene der Repräsentation und einer konzeptuellen Ebene differenziert. Für die Frage, ob das Lexikon Bilingualer getrennt oder integriert repräsentiert sei, sieht das Modell als salomonische Antwort vor, dass beide Annahmen richtig seien, allerdings müssen die beiden genannten Repräsentationsebenen unterschieden werden. Wortformen sind - GERARD/ SCARBOROUGH (1989) folgend für L1 und L2 in jeweils einem Lexikon getrennt gespeichert, während die lexikalischen Bedeutungen der Wörter in eine gemeinsame konzeptuelle Struktur integriert sind. Eine Reihe von Untersuchungen haben diese Annahme in der Vergangenheit unterstützt (CHEN 1992, DE GROOT 1993, 1995, KROLL/ DE GROOT 1997). Im Verlauf der Herausbildung des bilingualen Lexikons im Spracherwerb so die Annahme stehen die beiden Sprachen Bilingualer zunächst auf der (zweigeteilten) lexikalischen Ebene miteinander in Verbindung, später erfolgt die Integration direkt auf der für beide Sprachen einheitlich geltenden konzeptuellen Ebene. Folgerichtig wird postuliert, dass während der frühen Erwerbsphase (bei zeitversetztem Erwerb von Ll und L2) auf die Wörter der L2 nicht direkt, sondern auf dem Umweg über das LI-Lexikon zugegriffen wird (so genanntes lexikalisches Prozessieren). Daraus resultieren ausgeprägtere Verbindungen zwischen lexikalischen Einheiten der L2 in Richtung der Ll als umgekehrt, und es werden stärkere Verbindungen zwischen Ll und konzeptueller Ebene als zwischen L2 und konzeptueller Ebene aufgebaut. Die Architektur weist entsprechend Asymmetrien auf. Mit zunehmender Flüssigkeit so die Hypothese -wird auf beide Sprachen zwar direkt zugriffen, ohne Umweg über das LI-Lexikon (so genanntes konzeptuelles Prozessieren). - Es werden jedoch Prozesse erwartet, die die grundsätzlichen Asymmetrien der Bahnungen spiegeln. Bei wortbezogenen Übersetzungsaufgaben konnte z. B. durch entsprechendes Versuchsdesign nachgewiesen werden, dass a) die Übersetzung von Ll nach L2 mehr Zeit benötigt als umgekehrt, und dass b) bei Übersetzung von L2 nach L1 keine Vermittlung über die konzeptuelle Ebene sondern nur eine auf der lexikalischen Ebene stattfindet. Eine Reihe von Folgeuntersuchungen mit anders gearteten Aufgaben ließ jedoch erhebliche Zweifel an den Voraussagen des Modells aufkommen. Insbesondere zeichnet sich ab, dass die Annahme einer klar in zwei Speicher aufgeteilten lexikalischen Ebene nur schwer aufrecht erhalten werden kann, wie die Erfinder des Modells selbst einräumen (KROLL/ DUKSTRA 2002: 303). Bestärkt wird deren Skepsis gegenüber dem eigenen Modell durch eine sehr sorgfältige neurowissenschaftliche Untersuchung von KOTZ (2001 ). Danach zeigt sich entgegen den Modellannahmen des Revidierten Hierarchischen Modells bei flüssigen Bilingualen JFLIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 43 eine weitgehend symmetrische Verarbeitung für Ll und L2 insgesamt und insbesondere im Hinblick auf Worterkennung; überraschend sind einige Ergebnisse, die sogar ein störungsfreieres Prozessieren in der (in der Umgebung der englisch-spanischen Versuchspersonen dominanten) L2 andeuten. Die Befunde lenken das Augenmerk auf den Faktor usage/ exposure, lassen aber zudem einen ausgeprägten Einfluss des soziokulturellen Faktors Sprachdominanz vermuten. DIJKSTRAIGRAINGERIVAN HEUVEN (1998) haben nach Scheitern des RHMs ein Computermodell entworfen, das auf der Grundlage des interaktiven Aktivierungsmodells von McClelland und Rumelhart aus der Frühzeit des Konnektionismus als sogenanntes Bilingual Interactive Model (BIA) auch bilinguale Verarbeitung simulieren kann. Vorgesehen wird hier nur ein einziger Wortspeicher für alle lexikalischen Einheiten. In diesem Modell, das hierarchisch angeordnete Einheiten unterschiedlicher Art enthält, werden beim Eingehen eines Reizes (z.B. Buchstaben) verschiedene lexikalische Einheiten im integrierten Lexikon, das Einträge beider Sprachen enthält, aktiviert. Das heißt, beim Erstzugriff erfolgt keine festlegende Auswahl einer Sprache. Die am stärksten aktivierten Einträge unterdrücken die Konkurrenten und erreichen die nächste Verarbeitungsebene im Netzwerk. An einer bestimmten Stelle durchlaufen die Prozesse einen Knoten, in dem vermerkt ist, welcher Sprache bestimmte Einheiten (Wörter) angehören. Je nach Situation und Reizkonstellation wird die zutreffende Sprache aktiviert und die nicht angemessene unterdrückt. Da alle Einheiten untereinander vernetzt sind, ist eine sehr flexible Verarbeitung möglich, in der sich die unterschiedlichsten Prozesse beim bilingualen Sprachverstehen und bei der Produktion modellieren lassen. Wichtig ist, dass aufgrund von Ergebnissen von z.B. FROST (1998) im Modell angenommen wird, dass Merkmale phonologischer, orthographischer und semantischer Natur parallel zu berücksichtigen sind. Es kann also während der Verarbeitung zu einem Wettbewerb und zu Wechselwirkungen zwischen formähnlichen und zwischen bedeutungsähnlichen Wörtern kommen, ganz gleich, welcher der beherrschten Sprache sie angehören (nachgewiesen von DIJKSTRA [et al.] 1999, für Verstehensaufgaben). Noch nicht berücksichtigt werden Effekte der syntaktischen Ebene, die jedoch neueren Studien zufolge (F'RIEDERICI [et al.] 1999, 2000) einen nicht unerheblichen Einfluss beim Worterkennen bzw. -kategorisieren haben. Durch Variieren der Versuchsbedingungen mithilfe unterschiedlicher Stimulikompositionen aus Homographen, Homophonen, semantisch oder von der Form her ähnlichen Einheiten wie cognates aus jeweils beiden Sprachen konnte nachgewiesen werden, dass die Präsentation von Wortformen zu einer grundsätzlichen Aktivierung aller Repräsentationen führt, die irgendwie mit dieser Form verbunden sind. 8 Allerdings laufen eine Reihe von schnellen Prozessen auf der Ebene der Merkmale ab, bis schließlich eigentliche Wörter aus beiden Sprachen koaktiviert werden. Der Faktor proficiency, der wiederum eng mit den Faktorenfrequency und exposure zusammenhängt, ist schließlich verantwortlich dafür, ob sich L1 und L2 gegenseitig beeinflussen, bzw. ob in der 8 Dies stützt alle didaktischen Verfahren, in denen die vielfältigen Beziehungen zwischen Lexikoneinträgen auf den unterschiedlichsten Ebenen (lautlich, graphemisch, phonologisch, morphologisch, semantisch etc.) für Übungsaufgaben genutzt werden. Für Deutsch als Fremdsprache· siehe etwa BOHN 1999. FLllL 33 (2004) 44 HansBickes Verarbeitung Asymmetrien auftreten. Grundsätzlich zeichnet sich ab, dass sowohl im Verstehenswie auch im Produktionsprozess Effekte der Ll auf die L2 auftreten, die stärker werden, je geringer die Flüssigkeit in der L2 ist; umgekehrte Effekte treten nicht auf. Das Bilingual Interactive Model ist ein typisch konnektionistisches Modell des Sprachverstehens und der Sprachproduktion. DE BOT (1992) hingegen entwirft ein Modell, das eher der psycholinguistischen Tradition entstammt und in dessen Architektur sehr detaillierte Strukturannahmen eingehen, die vor allem dem Sprachproduktionsmodell von LEVELT (1989) entnommen sind. Ziel ist es, die Sprachenwahl und vor allem die Wortauswahl in Sprachproduktionsprozessen zu erklären. Nachdem die Prozessannahmen dieses Modells bereits für eine einzige Sprache recht komplex ausfallen, ist es ausgesprochen schwierig, die bei Bilingualen beteiligten Teilprozesse zu identifizieren und in ihrem zeitlichen Ablauf zu verfolgen. Das Leveltsche Modell sieht einen conceptualizer vor, in dem Äußerungen hinsichtlich ihrer konzeptuellen Struktur vorsprachlich auf Makroebene und auf Mikroebene für denformulator vorbereitet werden. In diesem werden lexikalische Einheiten, grammatische und phonologische Regeln für die spätere phonetische Struktur (eine Art Sprechplan) ausgewählt, die dem artuculator, der dritten Komponente, als Input dient. Die lexikalischen Einheiten liegen zweigeteilt vor: Im lemma sind Bedeutung (inklusive pragmatischer Information) und syntaktische Information (u.a. syntaktische Kategorie, grammatische Funktion, grammatikalische Kategorien) repräsentiert, im lexeme morphologische und phonologische Eigenschaften der lexikalischen Einheit, also eher die Form. Der vorsprachliche, konzeptuelle Input aus dem conceptualizer aktiviert zunächst passende lexikalische Einheiten als lemma. Die darin enthaltenen Informationen veranlassen die Bildung einer grammatikalischen Grobstruktur, die mithilfe der lexeme-Information zu einer phonetischen Vorstruktur des Satzes enkodiert wird. Die endgültige Äußerung wird vom articulator veranlasst, der allerdings "aus Sicherheitsgründen" zuvor die Rückmeldungen des gleichzeitig aktiven speechcomprehensionlauditory systems abwartet. Um die im Zusammenhang mit Bilingualismus auftretende Frage berücksichtigen zu können, wie verschiedene Sprachen in diesem Modell voneinander getrennt gehalten werden und wie und an welcher Stelle Sprachenselektion stattfindet, werden die beiden folgenden Erweiterungen vorgeschlagen. - Im Anschluss an P ARADIS (1981) nimmt man verschiedene Untermengen im Lexikon, aber auch in den syntaktischen und phonologischen Regeln und Katagorien an (subsethypothesis), die zwar generell den gleichen Architekturprinzipien unterliegen, aber nach verschiedenen Kriterien (verschiedene Stile, Register, Einzelsprachenspezifik, phonetische Ähnlichkeit, möglicherweise cues für die Bezugspersonen, die mit der jeweiligen Sprache assoziiert sind, etc.) im Gebrauch gemeinsam gruppiert werden. Ist erst einmal ein Element einer Gruppe aktiviert, in der nur Elemente aus der L2 versammelt sind, dann werden auch in den weiteren Produktionsprozessen L2-spezifische Schritte ausgelöst. - DE BOT/ SCHREDDER (1993), ebenso wie POULISSE/ BONGARTS (1994), nehmen an, dass die lemma- Informationen auch Sprachenmarker enthalten, und dass zudem bereits lFLlL! L 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 45 auf der Ebene des conceptualizers eine Sprachenpräferenz eingeplant wird. Da die unterschiedlichen Typen von lemma-Informationje nach Aufgabenstellung mit unterschiedlicher Stärke aktiviert werden, kann das Merkmal „Sprache" beim Vorliegen rivalisierender stärker aktivierter Merkmale im Formulierungsprozess auch unterdrückt werden, und es kann zu Sprachenwechsel (zu Codeswitching vgl. auch MYERS- SC0TT0N 1993) kommen. 5. Einige Handlungsempfehlungen Die bisweilen geäußerte Zuversicht, man könne die Fülle der Einzelergebnisse aus den kognitions- und neurowissenschaftlichen Arbeiten in absehbarer Zeit zu detaillierten Trainingsprogrammen für den Fremdsprachunterricht zusammenführen (z.B. KlRSNER [et al.] 1993: 244), erscheint angesichts der hier auszugsweise dargestellten Befunde sehr optimistisch. Gleichwohl sei eingeräumt, dass sich durchaus interessante bildungspolitische und lernpsychologische Empfehlungen ableiten lassen (vgl. etwa die OECD- Studie Understanding the Brain 2002), doch steht deren Allgemeinheit und Vagheit in keinem angemessenen Verhältnis zur beeindruckenden Fülle von Teilhypothesen. 9 Ausgangspunkt unserer Überlegungen waren sprachenpolitische Vorgaben, die für Europa das Modell einer polykulturell verankerten Mehrsprachigkeit favorisieren, in Form einer Sprachkompetenz, die wie es im eingangs zitierten Referenzrahmen heißt nicht in mental getrennten Bereichen gespeichert sein soll. Die Erkenntnisse kognitionspsychologischer und neurowissenschaftlicher Studien zum mentalen Lexikon haben gezeigt, dass die Frage der getrennten oder gemeinsamen Speicherung und Verarbeitung eine außerordentlich differenzierte und komplexe Antwort erfordert und sicherlich kaum durch sprachenpolitische Forderungen zu beeinflussen ist. Verschiedene innere und äußere Faktoren nehmen einen schwer quantifizierbaren Einfluss darauf, wie sich bei verschiedenen Lernern Mehrsprachigkeit mental niederschlägt. Die Formulierungen im Referenzrahmen können daher allenfalls als wenig präzise, metaphorische Umschreibung eines sprachenpolitischen Zielzustandes gelesen werden, von dem wir ohnehin noch weit entfernt sind. In der Realität wird in Deutschland für die Mehrheit der Bevölkerung die späte Zwei- oder Mehrsprachigkeit noch viele Jahre die Regel sein. Die Rolle der im frühen Erwerbsalter wirksamen Mechanismen (insbesondere die des social cognition networks; vgl. oben 2.1) tritt mit zunehmendem Erwerbsalter in den Hintergrund. Späterer Erwerb operiert stärker in der Sphäre des Kognitiven, so dass der Fremdsprachenunterricht das starke kognitive Engagement des lernenden Systems beachten muss. Die im fortgeschrittenen Alter abhanden gekommene Leichtigkeit, mit der linguistische Kategorien gebildet und Reanalyseprozesse durchgeführt werden, kann 9 In der Vergangenheit sind zahlreiche Arbeiten zum mentalen Lexikon entstanden, in denen direkte didaktisch-methodische Empfehlungen zur Arbeit am Wortschatz im Fremdsprachenunterricht ausgearbeitet sind. Einen Überblick gibt BAHNS im vorliegenden Band. In aller Regel stehen die Empfehlungen und Vorschläge im Einklang mit den hier zusannnengefassten Ergebnissen, auch wenn die Vorstellungen zur Feinarchitektur des Lexikons in der laufenden neurowissenschaftlichen Forschung im Fluss sind. JF]Llll, 33 (2004) 46 HansBickes z. T. durch strukturierende methodisch-didaktische Verfahren kompensiert werden. 10 Wie bereits oben referiert, hängen die sprunghafte Zunahme der verfügbaren lexikalischen Einheiten und die Herausbildung grammatischer Strukturmuster eng miteinander zusammen. Die im primären Spracherwerb stattfindende Wortschatzexplosion muss im späten Fremdsprachenerwerb in intensiver Wortschatzarbeit ihr Analogon finden, wobei der Auswahl des Anfangswortschatzes eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. So scheint Verben im Prozess der (grammatischen) Strukturbildung eine herausgehobene Rolle zuzukommen, wie T0MASELL0 (1992) gezeigt hat. Obwohl bekannt ist, dass andere Wortarten zunächst leichter zu lernen sind (Substantive und Adjektive), legt das im Hinblick auf den Wortschatzerwerb nahe, Verben im Unterricht eine besondere Gewichtung zukommen zu lassen und sie in typischen Satzmustern bzw. Konstruktionen zu präsentieren. Das der methodisch-didaktischen Darbietung zugrunde liegende grammatiktheoretische Modell sollte die strukturbildende Rolle des Verbs im Satz sichtbar machen (wie dies etwa bei der Verbvalenzgrammatik und auf ihr aufbauenden Lehrwerken bereits der Fall ist). Ferner zeigen die Daten Tomasellos, dass die Identifikation sprachlicher Strukturmuster im kommunikativen Vollzug von Äußerungen mit ihren dem Sprechhandlungstyp entsprechenden Intonationsverläufen erfolgt. Dies unterstützt eine betont kommunikative, gesprächs- und textbasierte Einbettung der Wortschatz- und Grammatikarbeit im fremdsprachlichen Unterricht, die eine besondere Involviertheit der Lernenden ermöglicht. Immer wieder wird in jüngeren Untersuchungen die besondere Rolle von Prosodie und Intonation, aber auch des Artikulationsvermögens beim sprunghaften Anstieg des Wortschatzes im Erstspracherwerb betont. Es kann vermutet werden, dass auch im späteren Erwerb von einer intensiven phonetisch-phonologischen Arbeit zu profitieren ist, insofern dem Lerner dadurch u. a. strukturrelevante Segmentierungen leichter zugänglich werden können. Einerseits spricht vieles dafür, dass cognates den Zugang zur neuen Sprache erheblich erleichtern (siehe oben 4.2.1). Andererseits muss jedoch folgt man den unter 4.2.2 dargestellten Modellen des bilingualen Lexikons bei rezeptiven und produktiven Prozessen gewährleistet bleiben, dass auch hinreichend wirkungsvolle Strategien der Sprachentrennung angelegt werden, insbesondere, wenn mehrere Sprachen nacheinander vermittelt werden, um code-switching und negativen Transfer in Grenzen zu halten. Da der späte Lerner in der Mehrheit der Fälle die zweite Sprache in einem zusätzlichen neuronalen Netz anlegen wird (vgl. oben 4.1), erscheint es sinnvoll, Wortschatzarbeit nicht unbedingt ausschließlich, aber doch über weite Bereiche eher einsprachig anzulegen. Zusätzliche kontrastive Übungsformen können Unterschiede in Teilbereichen der in Frage stehenden Lexika hervorheben und unerwünschtem Sprachenwechsel vorbeugen. Ferner werden durch die hier referierten Einzeluntersuchungen alle Formen der Wortschatzarbeit unterstützt, die die vielfältigen Beziehungen lexikalischer Einheiten auf 10 Es ist nicht auszuschließen, dass durch alternative Verfahren (etwa Suggestopädie) eine Situation geschaffen werden kann, in der auch im späten Erwerb Strategien und Verarbeitungsprozesse der frühen Erwerbsphase, die durch eine besondere Gewichtung prosodischer Merkmale und eher ganzheitlicher Verarbeitung geprägt ist, teilweise aktiviert werden können. IFLIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 47 allen Ebenen linguistischer Analyse (vgl. WOLFF 2000: 103) untereinander methodisch fruchtbar machen (z.B. BOHN 1999, KÜHN 2000). Die Prozesse und Einflussgrößen, die im Zweit- und Fremdsprachenerwerb wirksam werden, sind außerordentlich komplex und nach wie vor erst unzureichend geklärt. Der Wortschatzerwerb kann nicht isoliert vom Erwerb struktureller (grammatischer) Muster erklärt werden. Gleichzeitig werden unterschiedliche Lernerinnen oder Lerner sehr verschiedene Strategien entwickeln, um die Aufgabe sich diese Muster anzueignen, zu lösen. Eine zu starke Steuerung der Wortschatzarbeit durch Lehrende ist daher nicht zu empfehlen. Demgegenüber kann eine kognitivistisch-konstruktivistische Lerntheorie mit ihrer starken Betonung der Lernerautonomie (z.B. WOLFF 2000) der Vielschichtigkeit der Erwerbsvorgänge eher gerecht werden, als eine betont instruktivistisch geprägte. Gleichwohl kommt Lehrenden die Aufgabe zu, die Reichhaltigkeit und z. T. chaotisch anmutende Vielfalt sprachlicher Einheiten und Strukturen durch eine durchdachte Auswahl auf ein für konstruktive Prozesse auf Lernerseite förderliches Maß zu reduzieren. In diesem Zusammenhang kommt auch die soziale Dimension das Erwerbsumfeld zum Tragen. Lernumgebung und gesellschaftliches Umfeld müssen dahingehend verändert werden, dass späterer Spracherwerb als sinnvolle Investition erlebt werden. Die von Locke vorgeschlagene Zweiteilung der für ontogenetische Entwicklungsprozesse wegweisenden Mechanismen in ein social cognition network und in ein grammatical network liefert Argumente dafür, künftig der soziokulturellen Perspektive einen stärkeren Stellenwert in der Forschung einzuräumen. Beide Typen von Mechanismen verblassen im späteren Erwerbsalter und müssen entsprechend durch strukturierende Verfahren, die sowohl soziale als auch kognitive Erwerbsfaktoren umgreifen, kompensiert werden. Vorrangiges bildungspolitisches Ziel muss allerdings sein, den Erwerb von Mehrsprachigkeit sehr früh in der kindlichen Entwicklung zu ermöglichen. In allen Studien kommt dem Faktor age of acquisition eine herausragende Rolle zu. In der unwiederbringlichen Phase, in der vor allem das social cognition network das Kind quasi automatisch zu sozialen Verhaltensweisen und kognitiven Leistungen lenkt, die als Vorstufe der Sprachentwicklung dienen, sind es vornehmlich das Verhalten der Bezugspersonen in einem überschaubaren gesellschaftlichen Umfeld, die den relevanten Erfahrungsstrom entweder überschaubar und strukturiert oder aber chaotisch und für das Kind beunruhigend gestalten. In vielen Fällen kann es hilfreich sein, mehrsprachige Familien in dieser Phase beratend zu unterstützen. Die bislang nicht widerlegte Empfehlung, pro Sprache eine Bezugsperson zu wählen, wird durch die hier vorgelegten Einsichten in den Spracherwerb bekräftigt. Das social cognition network ist eng mit affektiven Faktoren verschränkt. Es liegt daher nahe, dass das Kind im Spracherwerbsprozess auch durch das Prestige, das die Umgebung den Erwerbssprachen subtil zuweist, beeinflusst wird. Das Lockesche Erklärungsmodell erlaubt zudem eine Deutung der Befunde, dass das Alter des Spracherwerbs darüber entscheidet, ob Ll und L2 gemeinsam in einem neuronalen Netz oder aber in verschiedenen Netzen angelegt werden. Denn auf die Mechanismen, die als social cognition network in der Frühphase der Kindheit den Erwerb vorantreiben, kann im späteren Erwerbsalter, wenn überhaupt, nur noch sehr eingeschränkt zurückgegriffen werden. JFJL! ! L 33 (2004) 48 Hans Bickes Will man Kinder in einer Gesellschaft wirklich auf eine plurikulturelle und mehrsprachige Zukunft im Sinne des Europäischen Referenzrahmens vorbereiten, kann man nach allem, was wir heute wissen, nicht früh genug mit dem Erwerb einer zweiten Sprache beginnen. Dies wird den Erwerb weiterer Sprachen im späteren Lebensverlauf nachhaltig erleichtern. Eine Gesellschaft, die ihre Säuglinge bereits in den ersten Lebensmonaten zum Frühschwimmen schickt, handelt unverantwortlich, wenn sie in der gegenwärtigen europäischen Aufbruchsphase Kinder erst im achten oder neunten Lebensjahr in eine zweite Sprache eintauchen lässt." Literatur ABUTALEBI, Jubin / CAPPA, Stefano F. / PERANI, Daniela (2001): "The bilingual brain as revealed by functional neuroimaging". In: Bilingualism: Language and Cognition 4.2, 179-190. ABDTALEBI, Jubin / MIOZZO, A. / CAPPA, Stefano F. (2000): "Do subcortical structures control language selection in bilinguals? Evidence from pathological language mixing". In: Neurocase 6, 101-106. ALBERT, Martin L. / ÜBLER, Loraine K. (1978): The Bilingual Brain. New York: Academic Press. BAKER, Colin (2002): "Bilingual Education". In: KAPLAN, Robert B. (ed.): The Oxford Handbook of Applied Linguistics. New York: Oxford University Press, 229-242. BAKHTIN, Mikhail (1981): The dialogic imagination: Four essays by M. M. Bakhtin. 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This article investigates incidental vocabulary acquisition through reading from a cognitiveconstructivist viewpoint, describing the process of (re)constructing unknown word meanings during text comprehension, and analysing in which cases this process is likely to lead to vocabulary acquisition. On the basis of a theoretical framework, results from empirical think-aloud case studies are presented, involving German speaking learners ofEnglish and varied reading tasks. As the study results suggest, the specification of lexical meaning during reading can be regarded as a constructive process which is characterized by shifts between the text meaning and the word meaning level and exhibits strategic learner behaviour. The chances for the unknown word tobe acquired seem tobe partly influenced by the individual entrance and termination thresholds of the process. 1. Einleitung Im ungesteuerten Spracherwerb werden neue Wörter typischerweise durch Konfrontation mit der Sprache in natürlichen Situationen gelernt. Auch für den gesteuerten Fremdsprachenerwerb wird allgemein vertreten, dass etwa beim Lesen fremdsprachiger Texte neuer Wortschatz erworben wird, indem die Bedeutung aus dem Kontext erschlossen wird (NAGYIHERMAN/ ANDERSON 1985; HUCKIN/ HAYNES/ COADY 1993, HULSTIJN 2001; NATION 2001). Diese Art des Vokabelerwerbs bezeichnet man in der Literatur gemeinhin als 'incidental vocabulary acquisition'. Der Begriff 'incidental', der hier mit „beiläufig" übersetzt wird, bezieht sich auf die Tatsache, dass dieser Prozess quasi als Nebenprodukt anderer kognitiver Prozesse abläuft, ohne dass die Lerneraktivität auf den Vokabelerwerb abzielt. HUCKIN/ COADY (1999: 182) sprechen in diesem Zusammenhang von „secondary leaming". Wie jedoch vielfach angemerkt wurde, wird bei dieser operationalisierten Begriffsdefinition die aktive Rolle der Lerner/ -innen vernachlässigt (vgl. GASS 1999). Denn dass der Prozess des Vokabelerwerbs beiläufig (d.h. neben dem Lesen) abläuft, bedeutet natürlich keineswegs, dass zur Erschließung und zum Erwerb der Wortbedeutung keine bewussten, strategischen Prozesse stattfinden. Die Bedeutung des bewussten Wahrnehmens und Verarbeitens der Informationen wird etwa auch von ELLIS (1994) oder JoE (1995) betont. Ziel des Beitrages ist es daher, ein umfassendes, kognitiv-kon- Korrespondenzadresse: Dr. Angelika RIEDER, Universitätslektorin, Universität Wien, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Unicampus AAKH/ Hof 8, Spitalgasse 2-4, A-1090 WIEN. E-mail: angelika.rieder@univie.ac.at Arbeitsbereiche: Fremdsprachenerwerb, Mentales Lexikon, Kognitive Linguistik. lFLIIL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 53 struktivistisches Modell des Prozesses des Wortbedeutungsaufbaus während des Lesens zu skizzieren und anhand ausgewählter Fallstudienergebnissen Merkmale des Prozesses, angewandte Lernerstrategien sowie Auswirkungen auf den Vokabelerwerb zu erläutern. 1 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Stand der Forschung Die Erschließung der Bedeutung eines unbekannten Wortes, das in einem Text angetroffen wird, wird in der Forschungsliteratur als Inferenz (inferencing, vgl. CARTON 1971) bezeichnet. Der Prozess der Bedeutungsinferenz wird innerhalb der einschlägigen Forschung in einer Vielzahl von Studien mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen untersucht. Eine Kategorie von Studien geht dabei von der Hinweisperspektive aus und betrachtet etwa die Art der Verarbeitung und Integration der Bedeutungshinweise durch die Lerner/ -innen (vgl. HAASTRUP 1991) oder die Kategorien der verwendeten Hinweistypen (vgl. NEMSER 1998). Andere Studien wiederum skizzieren den Prozess aus der kognitiven Perspektive, indem sie z.B. ein gesamtheitliches kognitives Modell der Bedeutungsinferenz aufstellen (vgl. HucKIN/ BLOCH 1993) oder den Einfluss des individuellen kognitives Stils der Lerner/ -innen auf den Ablauf der Bedeutungserschließung untersuchen (vgl. ELSHOUT-MOHR/ V AN DAALEN-KAPTEIJNS 1987). In diesem Zusammenhang muss jedoch betont werden, dass die Inferenz der Wortbedeutung keineswegs mit dem Erwerb des Wortes gleichzusetzen ist. Wie einschlägige Forschungsergebnisse nahe legen, erfordern Bedeutungsinferenz und Vokabelerwerb grundlegend unterschiedliche kognitive Prozesse (vgl. PRESSLEYILEVIN/ MCDANIEL 1987). Der Erwerb einer neuen Wortbedeutung, die erfolgreich inferiert wurde, erfordert zusätzlich die Verbindung der neuen konzeptuellen Struktur mit vorhandenem Wissen, sowie die Speicherung der Wortform und die Verknüpfung von Wortform und Konzept (vgl. RIEDER 2002b). Leider ist es ein weit verbreitetes Manko vieler Studien, dass der unterschiedliche kognitive Status von Inferenz und Erwerb nicht berücksichtigt wird. Die in der Literatur vorgefundenen kognitiv orientierten Beschreibungen, in denen Bedeutungserschließung und Vokabelerwerb getrennt werden, unterscheiden meist zwischen der Wahrnehmung und der Integration von Informationen (vgl. STERNBERG 1987; PARIBAKHTIWESCHE 1999) und heben dadurch hervor, dass die erschlossenen Informationen erst einen Lerneffekt haben, wenn Lerner/ -innen diese Informationen weiter verarbeiten, indem sie versuchen, sie in ihre vorhandenen Wissensstrukturen zu integrieren. Was bei den angetroffenen Klassifizierungen jedoch fehlt, ist einerseits eine detaillierte Beschreibung der Strukturierungsprozesse, die im Rahmen der Wortbedeutungserschließung stattfinden, und andererseits eine Einbettung des beiläufigen Erwerbs von Lexemen in ein kognitives Modell des Textverstehensprozesses. Die hier vorgestellten Ergebnisse stellen einen Ausschnitt eines umfassenden Projektes dar, das Fallstudien zu verschiedenen Dimensionen des beiläufigen Vokabelerwerbs umfasste (vgl. RIEDER 2002a). lFLllllL 33 (2004) 54 Angelika Rieder 2.2 Wortbedeutungserschließung als Wissenskonstruktion Wertvolle Anregungen für eine Charakterisierung des Wortbedeutungsaufbaus während des Lesens sind bei konstruktivistischen Verstehenstheorien zu finden, die vertreten, dass der Verstehens- und Lernprozess ein aktiver und subjektiver Konstruktionsprozess von Seiten der Lerner/ -innen ist (vgl. WOLFF 1994). Erst im Rahmen eines kognitiv-konstruktivistischen Theorieansatzes wird es möglich, textuelle und lexikalische Verarbeitungsprozesse für ein profundes Verständnis des beiläufigen Vokabelerwerbs zu nutzen und aufeinander zu beziehen. In konstruktivistischen Ansätzen werden kognitive Strukturierungsprozesse wie z.B. die Bildung und Zuordnung neuer Wissensschemata oder die Reorganisation, Abstrahierung und Generalisierung von Wissensbeständen als Strategien gesehen, die Lerner/ innen zur eigenständigen (Re)konstruktion ihres Wissens einsetzen (vgl. NoRMAN 1982). Diese Prozesse sind essentielle Bestandteile der Wortbedeutungserschließung während des Lesens und können je nach Vorwissen der Lerner/ -innen bzw. je nach deren individuellen Verhaltensweisen zu unterschiedlichen Lernergebnissen führen. Entsprechend wird in den folgenden Ausführungen der Aufbau von Wortbedeutungswissen innerhalb des Textverständnisprozesses als aktive und strategische Konstruktion neuer Wissensstrukturen von Seiten der Lerner/ -innen verstanden, die spezifische Strukturierungs- und Integrationsprozesse beinhaltet. Dabei bewegen sich die Lerner/ -innen prinzipiell auf der Textbedeutungsebene und betreiben in der Regel kognitiven Aufwand zur Erschließung der Bedeutung eines unbekannten Wortes nur insoweit, als es für das Erreichen ihres Textverstehensziels notwendig ist (vgl. RIEDER 2002b). Die untergeordnete Rolle und der Mittel-Zweck Charakter der Wortbedeutungserschließung implizieren, dass viele unbekannte Wörter in einem Text nicht oder nur am Rande wahrgenommen werden, wenn sie für das Verständnis nicht wichtig erscheinen. Diese ökonomische Dosierung des Erschließungsaufwandes ist sowohl bei fremdsprachlichen als auch bei muttersprachlichen Leseprozessen anzutreffen (vgl. STEIN 1993). Bei der Wortbedeutungserschließung gehen Lerner/ -innen zunächst vom Beitrag des Wortes zur Textbedeutung aus und nehmen an, dass das verwendete Wort einen optimalen Bedeutungsbeitrag leistet. Diese Strategie kann mit dem Prinzip der optimalen Relevanz bei SPERBERIWILSON (1995) verglichen werden, das hier jedoch nicht auf der Diskursebene sondern auf der Wortebene angewendet wird, d.h. es wird nach der Wortbedeutung gesucht, die an dieser Stelle den maximalen kontextuellen Effekt erzielt. Ein weiteres Prinzip, das hier zum Tragen kommt ist das Prinzip des Kontrastes, von dem Lemer/ -innen beim Erst- und Zweitspracherwerb ausgehen (vgl. CLARK 1993), und das besagt, dass verschiedene Wortformen unterschiedliche Bedeutungen zuzuordnen sind. Komplementär dazu ist jedoch anzunehmen, dass Lerner/ -innen beim mehrmaligen Antreffen desselben unbekannten Wortes nach dem Prinzip der Konventionalität (vgl. CLARK 1993) davon ausgehen, dass die Bedeutung in den verschiedenen Auftretenskontexten weitgehend konsistent und mit ihrem bestehenden Bedeutungsschluss im Einklang ist. Müssen neue Bedeutungsaspekte integriert werden, so können die alten Konzepte entweder reorganisiert, oder aber gelöscht und durch gänzlich neue Strukturen ersetzt lFLIJlL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 55 werden. Nach welcher Methode Lerner/ -innen hier vorgehen, wird entscheidend von ihrem kognitiven Stil abhängen, d.h. davon, ob sie ihr Wortbedeutungsmodell nach analytischen oder holistischen Gesichtspunkten aufbauen (vgl. ELSH0UT-M0HRIDAA- LEN-KAPTEIJNS 1987). Analytisch strukturierte Modelle können als Bündel unterschiedlicher Komponenten angesehen werden, so dass neue Informationen leicht integrierbar sind. Dementsprechend werden analytisch orientierte Lerner/ -innen durchgehend mit demselben Modell arbeiten und ihre vorhandenen Wissensstrukturen bei widersprüchlichen Hinweisen gegebenenfalls reorganisieren. Bei holistischer Verarbeitungsweise wird im Gegensatz dazu das Konzept als unteilbares Ganzes gesehen. Bei Lerner/ -innen mit holistischem Lernstil bewirkt also das Antreffen nicht integrierbarer Information nicht die Reorganisation der aufgebauten Wissensstrukturen, sondern stets deren Löschung und Ersetzung. Neue Hinweise werden nicht in bestehende Konzepte integriert, sondern führen zum Aufstellen gänzlich neuer Bedeutungshypothesen. Was die Rolle des bestehenden L1- und L2-Lexikons für die Bedeutungserschließung betrifft, so ist zu vermuten, dass Lerner/ -innen stets bei den ihnen zur Verfügung stehenden erstsprachlichen Strukturen ansetzen und zunächst auf der Basis ihres bestehenden LI-Vokabulars nach passenden versprachlichten Bedeutungskonzepten suchen. Erst wenn die bestehenden LI-spezifischen Konzepte nicht passend erscheinen, wird eine Adaptierung bzw. Konstruktion eines neuen Konzeptes in Betracht gezogen (vgl. NEM- SER 1998: 113). Während bestehende LI-basierte Bedeutungen stets als Ausgangspunkte dienen, werden Lerner/ -innen im Gegensatz dazu lexikalisierte Konzepte ihres verfügbaren L2-Vokabulars ausgrenzen. Wäre die Bedeutung des unbekannten Wortes nämlich identisch mit einem bekannten lexikalisierten L2-Konzept, so würde es sich um ein absolutes Synonym handeln. Dies wäre jedoch ein Widerspruch zu den oben erwähnen Prinzipien des Kontrastes sowie der optimalen Relevanz. Die oben beschriebenen Prinzipien sind generelle Merkmale der Erschließung des textuellen Bedeutungsbeitrages eines Wortes beim Lesen, bei dem sich die Lerner/ -innen noch auf der Textbedeutungsebene befindet. Denn wie oben erwähnt findet ein Wortbedeutungsschluss in der Regel als Mittel zum Zweck statt, um die Textbedeutung zu vervollständigen. Damit jedoch Wortbedeutungswissen aufgebaut wird, muss zusätzlich zum Erschließungsprozess noch die Abstraktion dieses Wissens in einen Wortbedeutungsaspekt und die Integration in bestehende Wissensstrukturen erfolgen. Damit dieses Wortbedeutungswissen schließlich im mentalen Lexikon der Lerner/ -innen mit der Wortform verknüpft 'werden kann, ist die Konsolidierung der Wortform und der Verbindung von Form und Bedeutung im Gedächtnis notwendig. Aus dieser umfassenden kognitiv-konstruktivistischen Perspektive wird unmittelbar ersichtlich, dass der Weg von der Bedeutungsinferenz zum Vokabelerwerb keineswegs so geradlinig ist, wie viele Forschungsansätze vermuten lassen. Damit Lerner/ -innen überhaupt Energie aufwenden, um eine unbekannte Wortbedeutung zu erschließen, muss eine ausreichende Aufmerksamkeitslenkung auf dieses Wort gewährleistet sein. Der Grad der Aufmerksamkeit wird auch den Aufwand bestimmen, den Lerner/ -innen für die Bedeutungserschließung betreiben, d.h. ob sie den Inferenzprozess aus ökonomischen Gründung abbrechen oder alle verfügbaren Erschließungsressourcen ausnützen. Doch lFLlJllL 33 (2004) 56 Angelika Rieder selbst wenn während des Lesens ein Inferenzprozess stattfindet, werden die Bedingungen für den beiläufigen Vokabelerwerb nur dann günstig sein, wenn einerseits durch textuelle Hinweise und Lernerwissen ausreichende Erschließungsressourcen vorhanden sind, und wenn ein aktiver Schritt von der Textebene zur Wortebene erfolgt. 3. Empirische Fallstudien 3.1 Fragestellung und Untersuchungsaufbau Die hier beschriebenen Studienergebnisse sind ausgewählte Resultate aus einer breit angelegten Fallstudienreihe, die zum Ziel hatte, verschiedene Dimensionen des Umgangs von Lerner/ -innen mit unbekannten Wörtern in fremdsprachigen Texten zu beleuchten (vgl. RIEDER 2002a). Einerseits wurden die kognitiven Prozesse während der Beschäftigung mit unbekannten Wörtern innerhalb des Leseprozesses untersucht, andererseits wurde auch analysiert, wie sich die Bedingungen und der Prozessverlauf auf den Grad des Erwerbs nach der Beschäftigung mit den Wörtern auswirkte. Im Hinblick auf die Überlegungen im theoretischen Teil dieses Aufsatzes lassen sich für die durchgeführten Studien drei relevante Fragestellungen herauslösen: D Gibt es spezifische Phasen, die den Ablauf des kognitiven Prozesses der Wortbedeutungserschließung während des Textlesens charakterisieren? D Lassen sich von der Lernerseite her spezifische Strategien beobachten, auf denen die Herangehensweise an unbekannte Wörter im Text basiert? D Wie wirkt sich der Erschließungsverlauf auf das Erwerbsergebnis aus? Die beschriebenen Untersuchungen waren in Form von Fallstudien nach der Methode des Lauten Denkens (LD) angelegt und wurden mit erwachsenen deutschsprachigen Englisch-Lerner/ -innen durchgeführt. Die Untersuchungsfragen wurden durch Bedingungsvariationen auf zwei Ebenen operationalisiert: D Variationen im Verarbeitungsziel (Textverständnis, Wortbedeutung) D Variationen in den textuellen Konstellationen (Wichtigkeit der Wörter für die Textbedeutung, Verfügbarkeit von Bedeutungshinweisen) Diese Variationen wurden in drei verschiedenen Teilstudien realisiert. Die einzelnen Versuche liefen dabei so ab, dass den Versuchspersonen Textpassagen vorgelegt wurden, in denen gewisse (durch Platzhalter ersetzte) Zielwörter in unterschiedlichen Textkonstellationen vorkamen und sie gebeten wurden, diese Texte laut zu lesen und dabei alles auszusprechen, was ihnen durch den Kopf ging. Bei einer Kategorie von Teilstudien wurden die Versuchspersonen ohne Hinweise auf das eigentliche Ziel der Untersuchung lediglich angewiesen, die Texte mit dem Leseziel Textverständnis zu lesen. Nach dem Ende des Lesens erhielten diese Lerner/ -innen einen unangekündigten Vokabeltest, in dem die Zielwörter aufgelistet waren und sie für jedes Wort angeben mussten, ob sie sich erinnern konnten, es in einem der Texte gelesen zu haben, und gebeten wurden, ihre FLILIL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 57 Bedeutungsvermutung anzugeben. In den komplementären Teilstudien waren die Zielwörter in den Texten markiert und die Lemer/ -innen erhielten als Ziel die explizite Anweisung, die Bedeutung dieser Wörter zu spezifizieren. Jede Anordnung wies zusätzlich noch spezifische Text- und Lemervariationen auf. Insgesamt nahmen an den verschiedenen Studienanordnungen 20 Versuchpersonen teil, wobei die Studien wie folgt aufgebaut waren 2 : □ Studie 1: 8 Personen, Einzel-LD, Teil 1: 5 Texte (Textverständnis), Vokabeltest, Teil 2: 5 Texte (Wortbedeutungsschluss) □ Studie 2: 3 Personen Einzel-LD, 8 Texte (Textverständnis), Vokabeltest, Rekurrenz einzelner Zielwörtern in verschiedenen Texten □ Studie 3: 3 Gruppen a 3 Personen Gruppen-LD, 11 Texte (Wortbedeutungsschluss). Die Fallstudienergebnisse komplementieren eindrucksvoll die im theoretischen Abschnitt angeführten Überlegungen und werden im Folgenden entsprechend der oben skizzierten Fragestellungen erläutert. 3.2 Phasen des Erschließungsprozesses Durch den Vergleich der Textverarbeitungsprozesse in den Fallstudien mit dem Leseziel Textverständnis ließen sich bestimmte Merkmale herausarbeiten, die den Prozess der beiläufigen Erschließung von Wortbedeutungen innerhalb des Leseprozesses in der Tat als einen aktiven, strategischen Konstruktionsprozess erscheinen lassen. Ein generelles Charakteristikum dieses Erschließungsprozesses, das in den Fallstudien gut zu beobachten war, ist der kontinuierliche Wechsel zwischen Textebene und Wortebene (vgl. Kapitel 2.2). Da das Hauptaugenmerk beim Lesen mit dem Ziel Textverständnis stets auf der Konstruktion der Textbedeutung lag, wechselten die Lemer/ -innen in diesem Fall zwar kurzfristig von der Textbedeutungszur Wortbedeutungsebene, um eine fehlende Wortbedeutung einzugrenzen, kehrten danach aber im Normalfall wieder auf die Textbedeutungsebene zurück. Zum Zweck der Eingrenzung der lexikalischen Bedeutungsstruktur selbst holten sie wiederum Informationen aus ihrem Textbedeutungsmodell, so dass auch hier zwischen Textbedeutungs- und Wortbedeutungsebene gewechselt wurde. Der Verlauf sowie unterschiedliche Charakteristika des Erschließungsprozesses werden im Folgenden anhand von LD-Protokollen zu Versuchstext 1 mit dem Zielwort disferectics ( = 'Rauchergegner') illustriert: 2 Im Rahmen dieses Aufsatzes ist leider keine erschöpfende Beschreibung des Studienautbaus möglich. Für einen umfassenden Überblick über Untersuchungsmethode, Untersuchungsdesign, Versuchspersonen und verwendete Materialen wird auf RIEDER (2002a) verwiesen. lFLm. 33 (2004) 58 Angelika Rieder Nowadays, as more and more people are conscious of the risks of smoking, the number of radical disferectics is increasing (Satz 1). In turn, the disferectics' negative attitude towards smoking influences smokers so that the overall cigarette consumption has gone down (Satz 2). (Text 1) Um die Interaktion der Leseverläufe ganzheitlich beschreiben zu können, wird der Ablauf einiger exemplarischer Verstehensprozesse graphisch dargestellt (siehe Abb. 1.1-1.5 [S. 59-60]). In diesen Darstellungen sind die Ebenen der Textbedeutungsverarbeitung und Wortbedeutungsverarbeitung jeweils voneinander getrennt, wobei unterschiedliche Textabschnitte (Satz 1 (Sl), Satz 2 (S2)) markiert sind. Der Prozessverlauf wird durch eine volle Linie, kurzfristige Wechsel ohne Fokuswechsel durch eine durchbrochene Linie, und Wechsel von einer Ebene zur anderen durch Pfeile gekennzeichnet. Der Auslöser für die Einleitung des Erschließungsprozesses war stets das Aufmerksamwerden der Lemer/ -innen auf das unbekannte Zielwort (siehe Hannas 3 Reaktion "disferectics -keine Ahnung, was das heißt" in Transkript 1): ... the number of radical disfer, disferectics is increasing. Ahm, disferectics keine Ahnung, was das heißt. Wahrscheinlich irgendwas mit Gegner, nehme ich an, wegen diesem radical ahm deswegen kann es eigentlich nicht, kann es eigentlich nicht können es eigentlich nicht die Opfer sein, die da irgendwie durch durch's Rauchen erkranken, oder so, weil die ja wohl nicht radikal sein werden. Ahm ja, ich lese mal weiter. In turn, the disferectics' negative attitude towards smoking influences smokers so that the overall cigarette consumption has gone down. Ahm, ok. Also scheint, dass ich recht hatte. Ahm, es scheinen auf jeden Fall die zu sein, die nicht rauchen. Die dem Rauchen gegenüber negativ eingestellt sind. (Transkript 1: Ranna, Text 1) 4 Die Vorgehensweise während des Prozesses hing von den Bedingungen sowie von den unterschiedlichen Lemerstrategien ab. Während in manchen Fällen die Lemer/ -innen gleich nach dem Antreffen des Wortes auf die Wortbedeutungsebene wechselten und einen Schluss abgaben (siehe Hanna, Transkript 1 bzw. Abb. 1.1; Abb. 1.4); lasen andere Lemer/ -innen die gesamte Passage durch, bevor sie sich mit der Wortbedeutung beschäftigten (Abb. 1.2 u. 1.3). Der weitere Erschließungsverlauf war im Falle von Versuchstext 1 in den meisten Fällen durch den Wechsel zur Textebene und ggf. den Wechsel zurück auf die Wortbedeutungsebene (Bestätigung der Bedeutungshypothese, Abb. 1.1) charakterisiert. Alternativ war auch die gezielte Abstraktion von kontextuellen Bedeutungshinweisen zu beobachten (siehe durchbrochene Linien Abb. 1.2 u. 1.3), wobei der Fokus hier auf der Wortbedeutungsebene blieb. Auch der Endpunkt variierte von Lemer/ -in zu Lemer/ -in. In den meisten Fällen wurde der Prozess auf der Wortebene so lange fortgesetzt, bis eine befriedigende Bedeutungshypothese erreicht und durch die kontextuelle Information bestätigt wurde (vgl. Abb. 1.1-1.3). Dies dauerte vor allem im Falle von Viola (Abb. 1.3) aufgrund des anfänglichen Fehlschlusses entsprechend lange. Im Falle von Armin (Abb. 1.4) hingegen erfolgte nach der vagen Bedeutungseingrenzung „etwas Medizinisches, Gefährliches" keine Spezifikation des Schlusses mehr. Die im zweiten Satz enthaltenen Bedeutungsinformationen wurden in diesem Fall nicht mehr in Die Namen der Versuchspersonen wurden zur Wahrung der Anonymität geändert. 4 In den Transkripten sind Passagen, die das laute Lesen von Textabschnitten wiedergeben, kursiv gedruckt. lFLUIL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 59 die Bedeutungsskizze integriert, und der Fokus blieb auf der Textebene. Anton (Abb. 1.5) wiederum bemerkte das Zielwort beim Lesen der beiden Sätze und merkte auch an, dass das Zielwort wichtig für das Textverständnis sei "der ganze Text hängt an diesem Wort disferectics"), gab aber am Ende des Leseprozesses nur eine vage Bedeutungseingrenzung ab, ohne diese weiter einzuengen. Diese Variationen zeigen deutlich, dass beim Ziel Textverständnis der Aufwand, der für die Wortbedeutungserschließung betrieben wird, dem Leseziel untergeordnet ist und je nach dem individuellen Verständnisanspruch der Lemer/ -innen (bzw. dem Interesse an der unbekannten Wortbedeutung) variiert. Wortbed. Textbed. Wortbed. Textbed. Wortbed. Textbed. S2 S1 f'LulL 33 (2004) S2 S1 S2 S1 ? Gegner? ! Nichtraucher! Abb. 1.1: Erschließungsprozess Text 1 - Hanna ? ? Ablehner ? ! Ablehner ! ,---e 1 1111 Abb. 1.2: Erschließungsprozess Text 1 - Maria radikale ! radikale (Lachen) Krankheit Krankheit ? Menschen Nichtraucher Nichtraucher! Abb. 1.3: Erschließungsprozess Text 1 - Viola ; --e 111 11 60 Wortbed. Textbed. Wortbed. Textbed. 82 81 82 81 ? etwas Medizinisches, Gefährliches? Abb. 1.4: Erschließungsprozess Text 1 - Annin ? .-----, ' ' : 1 ? r----, dass jemand etwas verweigert? Abb. 1.5: Erschließungsprozess Text 1 - Anton Angelika Rieder Der Prozessverlauf selbst kann demnach in zwei Phasen eingeteilt werden. In der Eingangsphase entscheiden die Lerner/ -innenje nach Grad der Aufmerksamkeitslenkung, ob sie sich auch tatsächlich mit einem unbekannten Wort beschäftigen. Findet ein Erschließungsprozess statt, so wird in der Hauptphase des Prozesses der Erschließungsablauf von den unterschiedlichen Konstellationen und Lernerstrategien bestimmt und so lange fortgesetzt, bis die Bedingungen für das Erreichen der Ausgangsschwelle erfüllt sind. Wird die Ausgangsschwelle überschritten, so hören die Lerner/ -innen auf, die Bedeutungsstruktur weiter einzuengen und beschäftigen sich nicht länger mit dem Wort; Bedingungen für die Schwellenüberschreitung sind entweder die Ausschöpfung aller verfügbaren Erschließungsressourcen (bei maximalem Erschließungsaufwand) oder der Prozessabbruch aus ökonomischen Gründen (bei minimalem Aufwand). Generell muss betont werden, dass der Prozess des Wortbedeutungsaufbaus innerhalb des Textverstehens hier nicht als einheitlicher Prozess, sondern als ein Netz aneinander gereihter Strategien gesehen wird. Die Abfolge dieser Strategien variiert dabei je nach der textuellen, lernerinternen und situativen Erschließungskonstellation. Als strategischer Prozess verläuft die Wortbedeutungserschließung also nicht gesetzmäßig, sondern sowohl der Verlauf als auch das Ergebnis dieses Prozesses werden durch das Zusammenwirken der spezifischen Text-, Lerner- und Situationsfaktoren bestimmt. Einige der IFLl.llL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 61 typischen Strategien und Prinzipien, die diesen Prozess charakterisieren, werden im folgenden Kapitel beschrieben. 3.3 Charakteristische Prinzipien und Lernerstrategien Wie die Fallstudienergebnisse nahe legen, sind die beobachteten Prinzipien und Strategien der Lerner/ -innen beim Erschließungsprozess auf zwei Ebenen anzusiedeln: einerseits kommen auf der Ebene der Textbedeutung Strategien zum Tragen und andererseits bestimmt auf der Ebene der Wortbedeutung strategisches Lernerverhalten den Prozessverlauf. Grundannahmen auf der Textbedeutungsebene betreffen dabei allgemeine Richtlinien bei der Erstellung des mentalen Modells der Textbedeutung, die sich auf die Herangehensweise an unbekannte Wortbedeutungen auswirken. Bei den Fallstudien mit dem Leseziel Textverständnis fiel generell auf, dass die Versuchspersonen dazu neigten, die Erschließung unbekannter Wortbedeutung dem Textverständnisziel unterzuordnen. So wurde in diesem Fall z.B. die Wortbedeutung des Zielwortes disferectics in den meisten Fällen eher skizziert als spezifiziert; oft wurden auch nur Bereiche bzw. mehrere Alternativkonzepte abgegrenzt (Nichtraucher, Rauchergegner, die Radikalen, die dagegen sind, etc.) oder die Schlüsse auf der Ebene der vagen Vermutung abgebrochen. Dies illustriert das Prinzip der ökonomischen Aufwandsdosierung (siehe Kap. 2.2), das beim Erschließungsprozess ausschlaggebend für Erreichen der Ausgangsschwelle (und damit das Ende der Hauptphase) sein kann. In den Fallstudien mit dem Ziel Wortbedeutungserschließung hingegen wurden die Bedeutungshypothesen zu disferectics im Gegensatz dazu durchgehend so weit spezifiziert, dass bei der endgültigen Bedeutungswahl konzeptuelle Feinheiten (z.B. der Unterschied zwischen non-smoker und anti-smoker) ausdiskutiert wurden: Ja; anti-smokers wär fast besser, weil non-smokers sind ja eigentlich schon Nichtraucher (aha), und vielleicht die, die dagegen sind, dass das anti das besser ausdrückt. (Transkript 2: Simon, Gruppe 3-3, Textl) Diese Beobachtungen unterstreichen, dass es in der natürlichen Lesesituation auch bei einer ausführlichen Beschäftigung mit einem unbekannten Wort in der Regel nicht das Anliegen der Lerner/ -innen ist, die Wortbedeutung auf der Denotationsebene so weit wie möglich zu verfeinern. Vielmehr wird hier die Wortbedeutungserschließung dem Textverständnisziel untergeordnet bleiben, es sei denn die Lerner/ -innen haben persönliches Interesse an diesem Wort. Diese typische ökonomische Dosierungsstrategie war am stärksten bei Zielwörtern zu beobachten, die für das Textverständnisziel als nicht wichtig eingeschätzt wurden und von den Lerner/ -innen in vielen Fällen zwar als unbekannt registriert, aber oft übergangen wurden. In diesem Fall wurde nach der Eingangsphase (d.h. dem Registrieren des unbekannten Wortes) die Schwelle zur Einleitung der Hauptphase der Bedeutungserschließung gar nicht überschritten. Betrachtet man nun die Strategien, die auf der Wortbedeutungsebene zum Tragen kommen, so konnten in den Fallstudien die in Kapitel 2.2 skizzierten strategischen lFLll! lL 33 (2004) 62 Angelika Rieder Grundannahmen über die Beschaffenheit des unbekannten denotativen Konzeptes beobachtet werden, wenn die Hauptphase des Erschließungsprozesses eingeleitet wurde. So wird z.B. die Grundannahme der optimalen Relevanz durch die in Transkript 2 beschriebene Verfeinerung der Bedeutungshypothese von disferectics von non-smoker zu anti-smoker deutlich. Auch die Tatsache, dass vorhandene LI-Konzepte bevorzugt als Ausgangspunkt beim Aufbau neuer L2-Konzepte Verwendung fanden, war beim Umgang mit dem Zielwort disferectics zu beobachten, das speziell so konstruiert war, dass in der Erstsprache kein exakt passendes Wort verfügbar war. In diesem Fall waren die Lemer/ -innen vielfach verwirrt, weil sie keine passende LI-Entsprechung für das Zielwort finden konnten, und die anschließend abgegebenen Bedeutungsvorschläge variierten entsprechend (Antiraucher, Nichtraucher, Rauchergegner bzw. Paraphrasen). Trafen Lerner/ -innen ein unbekanntes Wort mehrmals an, so gingen sie wie erwartet gemäß der Annahme der Konventionalität davon aus, dass die Bedeutung bei jedem Auftreten des Wortes einheitlich ist. Diese Annahme wurde vor allem in den Versuchstexten deutlich, die so konstruiert waren, dass dasselbe Zielwort mehrmals mit jeweils variierenden Bedeutungen vorkam (so z.B. in Versuchstext 6 mit dem Zielwort pront (= bola), das in diesem Text bei Männern mit positiven Konnotationen, bei Frauen mit negativen Konnotationen dargestellt wird): Differences between male andfemale behaviour: In working concems, a man would ratherfeel pront enough to askfor a pay increase than a woman, even if she deserves it. In private concems, warnen frequently wait formen to make the first move, as they do not want to appear pront. (Text 6) Bei diesen Texten suchten die Lerner/ -innen typischerweise nach dem Prinzip der optimalen Relevanz zunächst die passendste Bedeutung für jedes Auftreten und versuchten dann, die aus den kontextuellen Hinweisen abstrahierten Bedeutungskomponenten zu einem einheitlichen Konzept zusammenzufügen: S: Aber selbstsicher passt oben nur, unten nicht. [ ... ] S: Das Problem ist, direkt, das passt unten perfekt, aber. .. D: Ja, oben passt es nicht, das stimmt schon. S: ... direkt fühlen ist oben wieder blöd. D: Was passt auf beides self-assured? (Transkript 3: Gruppe 3-2, Text 6) Im Einklang mit den in Kapitel 2.2 beschriebenen kognitiven Stilen sprangen die Lerner/ innen wie im obigen Fall je nach der Art des Bedeutungsaufbaus von einem Bedeutungsvorschlag zum nächsten (holistischer Aufbau) oder versuchten einzelne Bedeutungskomponenten zusammenzufügen (analytischer Aufbau). Zusätzlich zu diesen strategischen Grundannahmen wurden während der Hauptphase des Erschließungsprozesses semantische Erschließungsstrategien beobachtet, die in zwei Strategietypen eingeteilt werden können. Die eine Kategorie von Strategien bestimmt, wie die Lerner/ -innen an die innerhalb des Textes angetroffenen Bedeutungshinweise herangehen, während die andere Strategiegruppe Prinzipien der semantischen Bedeutungseinengung betrifft. lFLu.iL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 63 Im Bezug auf die Herangehensweise an die Bedeutungshinweise konnten zwei komplementäre Vorgehensweisen bei der Hinweisintegration unterschieden werden. Einerseits gab es Versuchspersonen, die nach dem Prinzip der lokalen Hinweisintegration vorgingen und beim ersten Antreffen eines unbekannten Wortes sofort auf der Basis des lokalen Kontextes einen ersten Konzeptentwurf aufstellten (vgl. Abb. 1.1 [S. 59]). Andere Versuchspersonen wiederum integrierten die Hinweise erst auf globaler Ebene, d.h. sie lasen zuerst den gesamten Text bzw. registrierten beim ersten Antreffen zwar unbekannte Wörter, fuhren dann aber mit dem Lesen fort, um nach dem raschen Überfliegen der kompletten Passage zu diesen Wörtern zurückzukehren (vgl. Abb. 1.2 [S. 59]). Dementsprechend hatten sie quasi eine Skizze ihres mentalen Textbedeutungsmodells bzw. einen Überblick über die Textsituation und konnten so die Gesamtheit der Hinweise in ihren Denotationsschluss integrieren. Diese unterschiedlichen Strategien führten insbesondere in den Versuchstexten, in denen wichtige Bedeutungshinweise erst nach dem ersten Auftreten des Wortes in den Text integriert waren, zu abweichenden Bedeutungsschlüssen. Des Weiteren wurde beobachtet, dass Lerner/ -innen kontextuelle Hinweise bezüglich ihres semantischen Einengungspotentials für die unbekannte Denotation gewichteten. Im Extremfall wurden sogar gewisse Hinweise von den Lerner/ -innen als semantisch so prominent eingestuft, dass sie andere Hinweise vorerst völlig überlagerten (vgl. den Schluss 'Krankheiten' für disferectics, siehe Abb. 1.3 [S. 59] wie die retrospektiven Interviews bestätigten, hatten hier offenbar die Hinweise risks of smoking und increase im ersten Satz diesen Schluss ausgelöst). Betrachtet man den Prozess der Bedeutungserschließung auf der Wortebene, so wurden vier Strategiekomponenten beobachtet, die aus der Perspektive der semantischen Konzeptspezifikation eine Rolle zu spielen scheinen. Generell scheinen Lerner/ -innen bei der semantischen Anreicherung des Konzeptes von der allgemeineren zur spezifischeren Bedeutungsebene vorzugehen, wobei sie diese semantische Einengung mittels verschiedener Unterstrategien erreichen. So ist z.B. bei Ranna die hyponymische Anreicherung der Bedeutung zu beobachten, die ihren Bedeutungsschluss zu disferectics von Gegner zu die dem Rauchen gegenüber negativ eingestellt sind einengt (siehe Transkript 1 [S. 58]). Im Laufe der Bedeutungseinengung kann es allerdings je nach individueller Gewichtung der Aussagekraft der Hinweise und je nach Verarbeitungsziel zu einer semantischen Überbzw. Unterspezifikation des Konzeptes kommen, wie auch oben anhand des Zielwortes disferectics illustriert wurde. Das Phänomen der kontextuellen Überspezifikation war dabei ausschließlich beim Leseziel Wortbedeutungserschließung zu beobachten, während Unterspezifikation vornehmlich beim Leseziel Textverständnis auftrat. Standen mehrere Alternativkonzepte zur Wahl, so blieben nur vereinzelte Versuchspersonen auf der Ebene alternativer Bedeutungshypothesen stehen. Der Großteil versuchte im Einklang mit der oben beschriebenen Grundannahme der Einheitlichkeit der Wortbedeutung, die Konzepte zu einer einheitlichen Bedeutungshypothese zusammenzufügen. Gelang dies nicht, so folgte oft der Abbruch des Bedeutungsschlusses. Insgesamt betrachtet stellt der Prozessverlauf also eine Vernetzung von Strategien dar, die dazu dienen, in der jeweiligen Situation möglichst effizient mit den verfügbaren IFJLlJI][, 33 (2004) 64 Angelika Rieder Ressourcen zu dem Ziel zu kommen, das von den Lerner/ -innen in der Einstiegsphase abgesteckt wurde. Dieses übergeordnete Ziel, das entweder die Kontinuität der Textbedeutung oder die möglichst vollständige Erschließung der Wortbedeutung umfasst, bestimmte im Endeffekt, wie weit der Erschließungsprozess fortgesetzt wurde. Insgesamt machen diese Ausführungen deutlich, dass der Prozess der Bedeutungserschließung keineswegs als unbewusstes Nebenprodukt abläuft sondern einen aktiven, strategischen Prozess darstellt, in dem Wortbedeutungswissen konstruiert wird. Inwieweit dieses Wissen auch in Vokabellernen mündet, d.h. inwieweit die Lemer/ -innen dieses Wissen auch auf die Wortbedeutungsebene abstrahieren, ist Thema des folgenden Kapitels. 3.4 Prozessverlauf vs. Vokabelerwerb Abschließend soll nun der Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Bedeutungserschließung und dem Erwerb der Zielwörter anhand ausgewählter Fallstudienergebnisse beleuchtet werden. Im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Studie ist jedoch prinzipiell zu berücksichtigen, dass bei den herrschenden Versuchsbedingungen nicht von einem substantiellen Erwerbseffekt ausgegangen werden konnte, da die Zielwörter in der Regel nur einbis zweimal angetroffen wurden. Unter den Untersuchungsbedingungen ist eher mit einem Anfangsstadium des Erwerbs im Sinne des ersten Einprägens der Wortform und Absteckens der Bedeutung zu rechnen; der diesbezügliche Wissensstand der Versuchspersonen wurde in den Teilstudien mit dem Leseziel Textverständnis direkt nach dem Lesen mittels unangekündigter Vokabeltests überprüft. Beim Vergleich der Vokabeltestergebnisse der Lerner/ -innen mit den Verläufen der Bedeutungserschließung während des Lesens fielen zunächst zwei Dinge auf: Dass kein lexikalisches Wissen erworben wurde lag in vielen Fällen erwartungsgemäß daran, dass für die Zielwörter beim Lesen kein Erschließungsversuch unternommen wurde; andererseits konnten sich die Lerner/ -innen aber auch in einigen Fällen nicht an Zielwörter bzw. Bedeutungen erinnern, die sie sehr wohl während des Lesens erschlossen hatten. Diese beiden Kategorien werden nun anhand ausgewählter Beispiele gesondert analysiert. Im ersten Fall wurde während des Lesens für die Zielwörter die Eingangsschwelle der Bedeutungserschließung nicht überschritten, wodurch auch kein Bedeutungswissen aufgebaut wurde. Manche der Zielwörter wurden von den Versuchspersonen beim Lesen zwar als unbekannt wahrgenommen, es wurde ihnen jedoch weiter keine Beachtung geschenkt, in einigen Fällen wurden sie sogar völlig überlesen. Der Grund schien hier wie schon erwähnt zu sein, dass den Lerner/ -innen die Erschließung der Wortbedeutung offensichtlich zur Erreichung ihres Textverständnisziels nicht wichtig erschien. Die strategische Unterordnung des Erschließungsaufwandes unter das Textverständnisziel führte in der Folge dazu, dass keine Hauptphase des Erschließungsprozesses eingeleitet wurde. Erstaunlicherweise war dieses Phänomen mitunter jedoch auch bei Zielwörtern zu beobachten, die als recht zentral für das Textverständnis eingeschätzt wurden. Wie etwa Armins Leseverlauf bei Text 6 (dessen Zielwort pront (= bald) eine für den Text recht zentrale Eigenschaft von Männern und Frauen bezeichnet) zeigt, überging er das Zielwort lFILllllL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 65 im Gegensatz zu allen anderen Versuchspersonen völlig, obwohl es ihm unbekannt sein musste, und ging nur auf die Textbedeutungsebene ein. Offensichtlich war der Text auch ohne Bezugnahme auf das unbekannte Zielwort für seine Ansprüche ausreichend verständlich. Beim anschließenden Test wusste er zwar noch, dass er das Wort gelesen hatte, konnte aber erwartungsgemäß weder den Text noch irgendeine Bedeutung angeben (siehe Tab. 1). pront (= hold) Annin: Dif.ferences between male andfemale behaviour: In working concerns, a man would rather feel pront enough to ask for a pay increase than a woman, even if she deserves it. Ja, ob das noch so gilt, ich mein, mit zunehmendem Selbstbewusstsein der Frauen natürlich berechtigt. In private concerns, women frequently wait f or men to make the first move, as they do not want to appear pront. Tja, also auch, auch ob, ob das noch so gilt? Ist ja die klassische Vorstellung, aber möglicherweise immer noch. Ja, ansonsten diesmal keine seltsamen Fremdwörter drin. Okay Tab. 1: Zielwort ohne Erschließungsprozess Form: ✓ Bed.: - Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Wichtigkeit eines Wortes für die Textbedeutung zwar ausschlaggebend für die Einleitung der Hauptphase der Wortbedeutungserschließung ist, dass dieses Kriterium jedoch relativ zum individuellen Verständnisanspruch der Lemer/ -innen, bzw. ihrem Leseziel zu sehen ist. Neben diesem Faktor schien in den Fallstudien auch individuelles Lemerinteresse an einer bestimmten Wortbedeutung bzw. am generellen Erwerb neuer Wörter entscheidenden Einfluss darauf zu haben, ob für ein unbekanntes Wort, das in einem Text angetroffen wurde, eine Haupt-Erschließungsphase stattfand, und ob das erschlossene Bedeutungswissen auf die Wortebene abstrahiert wurde. Ein gutes Beispiel hierfür war z.B. die Versuchsperson Cora, die sich beim Lesen mit jedem einzelnen Zielwort beschäftigte und spezifische Bedeutungshypothesen abgab (obwohl in ihrem Fall als Leseziel ausschließlich Textverständnis angegeben wurde) und beim unangekündigten Vokabeltest für alle Zielwörter bis auf eine Ausnahme Bedeutungen angeben konnte. Wie sie beim nachträglichen Interview angab, war ihr Verhalten durch ihr generelles Interesse an der Erweiterung ihres Wortschatzes motiviert. Wie diese Beobachtungen nahe legen, sind zwei Faktoren ausschlaggebend dafür, dass überhaupt ein Bedeutungsschluss stattfindet und somit Vokabelerwerb ermöglicht wird: einerseits, als wie zentral ein Zielwort von den Lemer/ -innen für das Erreichen ihres Textverständnisziels eingeschätzt wird, und andererseits individuelles Lemerinteresse an einem Wort. Findet ein Bedeutungsschluss statt, so ist dadurch natürlich noch keineswegs gesichert, dass auch Bedeutungswissen aufgebaut werden kann. Ob und wie weit dies möglich ist, wird entscheidend von den verfügbaren textuellen Bedeutungshinweisen und dem Hintergrund- und Sprachwissen der Lemer/ -innen abhängen. lFlLulL 33 (2004) 66 Angelika Rieder Wie schon im theoretischen Teil angemerkt wurde, ist aber auch dann, wenn während des Leseprozesses der Bedeutungsbeitrag eines unbekannten Wortes erfolgreich erschlossen wird, nicht automatisch mit einem Erwerbseffekt zu rechnen. Dies wird durch die Ergebnisse der Vokabeltests unterstrichen, bei denen sich die Lerner/ -innen in erstaunlich vielen Fällen nicht mehr an Bedeutungen erinnern konnten, die sie während des Lesens erschlossen hatten bzw. sich in manchen Fällen nicht einmal daran mehr erinnerten die Zielwörter gelesen zu haben, obwohl sie sich beim Lesen mit ihnen beschäftigt hatten. In diesen Fällen wurde zwar eine Hauptphase des Erschließungsprozesses eingeleitet, es kam jedoch offensichtlich zu keiner Abstrahierung der erschlossenen Bedeutung auf die Wortebene bzw. auch zu keiner Einprägung der Wortform. Vor allem die Fälle, in denen nach dem Lesen auch keine Erinnerung mehr an die Wortform bestand, zeigen deutlich, dass die Versuchspersonen in diesen Fällen lediglich einen kurzen Schluss über den Bedeutungsbeitrag des Wortes zur Textbedeutung machten und sich ansonsten stets auf der Textbedeutungsebene bewegten (siehe Tab. 2). refty (=pushy) phalacrosis (= " Glatzenbildung ") Kontext: ... Would you please stop being so refty and leave me in peace for a moment? ... Susi: " ... so refty, ah, wahrscheinlich so drängelnd, oder irgend so was in die Richtung, also auf jeden Fall scheint er sich irgendwie da ein bissle unter Druck zu fühlen" Kontext: .... when he removed his hat, she, who preferred "ageless" men, eyed his increasing phalacrosis and grimaced... Viola: ".. .increasing phalacrosis keine Ahnung hat vielleicht was mit den Haaren zu tun also entweder die fallen ihr fallen ihm aus, was sie dann als Zeichen seines doch fortschreitenden Alters deutet..." Tab. 2: Zielwörter ohne nachträgliche Erinnerung an die Wortform Form: - Bed.: - Form: - Bed.: - Dieser exklusive Textbedeutungsfokus wird in den Verbalisierungen durch das sofortige Paraphrasieren des Bedeutungsbeitrages auf der Textbedeutungsebene deutlich (siehe Tab. 2 Susi: "auf jeden Fall scheint er sich irgendwie da ein bissle unter Druck zu fühlen"; Viola: "was sie dann als Zeichen seines doch fortschreitenden Alters deutet" ). Hier wurde zwar eine kurze Hauptphase eingeleitet, aber die Ausgangsschwelle des Erschließungsprozesses wurde offenbar durch die ökonomische Aufwandsdosierung so niedrig angesetzt, dass der Erschließungsprozess ohne Fokus auf die Wortform beendet wurde. Auch in den Fällen, in denen sich die Lerner/ -innen bei den Vokabeltests zwar an die Wortform erinnern konnten, aber keinerlei Angaben über die Bedeutung machen konnten, schien diese fehlende Verknüpfung von Wortform und Bedeutungskonzept durch IFLl.lL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 67 den mangelnden Fokus auf die Wortbedeutungsebene während des Lesens bedingt zu sein. Dies trat meistens in den Fällen auf, in denen Zielwörter nicht zentral für das Verständnis der Texte waren. Vereinzelt konnten sich Versuchspersonen aber auch nicht an die erschlossenen Bedeutungen relativ zentraler Zielwörter erinnern, wie im Folgenden anhand des Wortes disferectics in Versuchstext 1 illustriert wird (siehe Tab. 3). disferectics (= "Rauchergegner") Maria: ...the number of radical disferectics, ich würd Ablehner einfach sagen, aber das kenn ich das Wort net, dann könnt ich net weitermachen. Aber heutzutage, das steht fest (lacht) sind sich immer mehr und mehr des Risikos des Rauchen bewusst. Mehr gehtnet. disferectics Anton: Ähm, tja also, der ganze Text hängt an diesem Wort (= "Rauchergegner") disferectics [...] vielleicht heißt das irgendwie in dem Sinne, dass jemand etwas verweigert, disferectics, dass immer mehr Leute aufhören, aber das ist eine Vermutung. Tab. 3: Zielwörter ohne nachträgliche Erinnerung an die Wortbedeutung Form: ✓ Bed.: - Form: ✓ Bed.: - Wie die exemplarische Verbalisierung zeigt, erfolgte in diesen Fällen typischerweise nur ein vager Schluss über den Bedeutungsbereich (siehe Tab. 3 Maria: "ich würd Ablehner einfach sagen", Anton: "vielleicht heißt das irgendwie in dem Sinne, dass jemand etwas verweigert"), der jedoch nicht weiter spezifiziert wurde, sondern auf dieser unsicheren Vermutungsebene abgebrochen wurde, da das Hauptaugenmerk ja auf der Textverständnisebene lag. Offensichtlich war hier das Textverständnisziel recht grob angesetzt und die ökonomische Aufwandsbeschränkung dadurch ebenfalls sehr minimalistisch, was dazu führte, dass zwar die Wortform im Gedächtnis blieb aber keine Bedeutungshypothese mit dem Zielwort verknüpft wurde. Ein weiterer Faktor, der in den Fallstudien zu beobachten war, ist die Ausweitung der Hauptphase des Erschließungsprozesses beim wiederholten Antreffen eines Wortes in einem anderen Text. 5 Hier wurden die Lerner/ -innen durch den Erinnerungseffekt auf das Wort aufmerksam, setzen bei der schon bestehenden Bedeutungshypothese an und überprüften, inwieweit diese auch im neuen Kontext zutreffend war. Diejenigen Versuchspersonen, die keinen Erinnerungseffekt aufwiesen, beschäftigten sich beim zweiten Antreffen hingegen weniger ausführlich mit dem Zielwort (siehe Tab. 4 [S. 68]). 5 Der Faktor der Rekurrenz von Zielwörtern wurde in Teilstudie 2 untersucht, in der einige Zielwörter in mehreren Texten vorkamen. JFLUJJJL 33 (2004) 68 Angelika Rieder Hanna Text 1: disferectics keine Ahnung, was das heißt. Wahrscheinlich irgendwas mit Gegner, nehme ich an [...] Ahm, es scheinen auf jeden Fall die zu sein, die nicht rauchen. Die dem Rauchen gegenüber negativ eingestellt sind. Text 4: A disferectic, he disliked her smoking; Ahh - Ok. Das hatten wir vorhin schon mal.... Ähm ja disferectic das hab ich ja vorhin schon - 5 dann gesagt, dass das wahrscheinlich ein Gegner des Rauchens ist, oder eine Gegnerin - und das scheint auch hier wieder der Fall zu sein: he disliked her smoking. Viola Text 1: disferectics ist das irgendeine Krankheit- [...] the number of radical disferectics - oder nee, keine Krankheit. In turn the disferectics' negative attitude towards smokinginfluences smo was? ! Sind das disferectics' Menschen? - 3 - Ja, Menschen. [...] The number of radical disferectics also vielleicht sind das - 4 ähh radikale Nichtraucher. Text 4: A disferectic, he disliked her smoking- (lacht) - 3 disferectic weiß ich jetzt nicht, aber - 4 also er, er mag halt nicht, dass sie raucht... Tab. 4: Ausweitung der Hauptphase des Erschließungsprozesses bei Erinnerungseffekt Während Ranna beim zweiten Antreffen von disferectics durch den Erinnerungseffekt ganz bewusst auf das Wort Bezug nahm, registrierte Viola das Zielwort zwar als unbekannt, kümmerte sich aber nicht weiter um dessen Bedeutung. Ihren retrospektiven Angaben zufolge konnte sie sich nicht daran erinnern, dass das Wort schon einmal vorgekommen war und unterließ bei diesem Text eine detailliertere Bedeutungserschließung, weil ihr das Zielwort im aktuellen Kontext nicht essentiell wichtig für das Textverständnis erschien. Dieses Beispiel zeigt, dass die Rekurrenz eines Wortes den Vokabelerwerb nicht nur durch die vielfältigeren Bedeutungshinweise und die wiederholte Einprägung des Wortes fördert, sondern durch den Erinnerungseffekt auch zu einem ausführlicheren Erschließungsprozess führen kann. Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse, dass die Chancen für den beiläufigen Erwerb eines unbekannten Wortes in einem fremdsprachigen Text zum Teil von den individuellen Eingangs- und Ausgangsschwellen der Bedeutungserschließung abhängen, die durch Faktoren wie den Textverständnisanspruch bzw. das Leseziel, das Lernerinteresse oder die Auftretenshäufigkeit der Wörter beeinflusst werden. Positive Voraussetzungen für den Vokabelerwerb sind gegeben, wenn die Eingangsschwelle überschritten wird und die Ausgangsschwelle erst bei ausgeschöpften Erschließungsressourcen angesetzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn von Seiten der Lerner/ -innen Interesse an einem Wort besteht (dies kann z.B. durch persönlichen Bezug zur Thematik, durch generelle Sprachlernmotivation oder durch das wiederholte Antreffen des Wortes geweckt werden) bzw. wenn das Wort als wichtig für die Textbedeutung eingeschätzt wird. Werden Wörter als unwesentlich zur Erschließung der Textbedeutung angesehen bzw. ist der Textverständnisanspruch gering, so wird entweder gar keine Hauptphase der Bedeutungserschließung eingeleitet oder die Ausgangsschwelle ist aus ökonomischen Gründen so niedrig angesetzt, dass keine Bedeutungsstruktur mit der Wortform verknüpft wird. lFLUllL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 69 4. Zusammenfassung In der Forschung herrscht allgemein Einigkeit über die Tatsache, dass Lerner/ -innen beim Lesen fremdsprachiger Texte erfolgreich neue Lexeme erwerben. Was jedoch eine Beschreibung dieses beiläufigen Erwerbsprozesses betrifft, so gibt es hier kaum befriedigende Forschungsansätze. Versucht man, den kognitiven Prozess des Aufbaus unbekannter Wortbedeutungen beim Lesen zu erfassen, so wird klar, dass dies ein komplexer, strategischer Konstruktionsprozess ist, der von verschiedensten textuellen, lernerspezifischen und situativen Faktoren beeinflusst wird. Ziel dieses Artikels war es, einige zentrale Facetten dieses Prozesses zu beschreiben und Auswirkungen auf den beiläufigen Vokabelerwerb zu skizzieren. Wie die theoretischen und empirischen Betrachtungen nahe legen, können im Prozess der Wortbedeutungserschließung innerhalb des Leseprozesses eine Eingangsphase und eine Hauptphase unterschieden werden. In der Eingangsphase bestimmt der Grad der Aufmerksamkeitslenkung, ob ein/ e Lerner/ -in die Eingangsschwelle überschreitet und sich mit einem Wort beschäftigt. Die Hauptphase des Prozesses ist durch die Aneinanderreihung spezifischer Lernerstrategien charakterisiert, die je nach den textuellen Konstellationen variieren. Das Ende der Hauptphase ist schließlich durch dass Erreichen der Ausgangsschwelle bestimmt, die entweder überschritten wird, wenn alle Ressourcen zur Bedeutungserschließung ausgeschöpft sind oder wenn der Prozess aus ökonomischen Gründen beendet wird. Die Lernerstrategien, die während des Erschließungsprozesses zum Tragen kommen, können in zwei Strategietypen eingeteilt werden, die in drei verschiedenen Bereichen operieren. Die eine Kategorie von Strategien ist auf der Ebene der Textbedeutung anzusiedeln und bestimmt, wie die Lerner/ -innen an die innerhalb des Textes angetroffenen Bedeutungshinweise herangehen. Die andere Strategiegruppe betrifft die Wortbedeutungsebene und umfasst Prinzipien der semantischen Einengung denotativer Konzepte sowie Prinzipien der Modifikation bestehender Bedeutungshypothesen bei wiederholtem Antreffen eines Wortes. Auch die strategischen Grundannahmen der Lerner/ -innen beim Erschließungsprozess entspringen sowohl der Ebene der Textbedeutung als auch der Ebene der Wortbedeutung. Grundannahmen auf der Textbedeutungsebene betreffen dabei allgemeine Richtlinien bei der Erstellung des mentalen Modells der Textbedeutung, die sich auf die Herangehensweise an unbekannte Wortbedeutungen auswirken. Auf der Wortebene kommen hingegen Grundannahmen über die Beschaffenheit des unbekannten Bedeutungskonzeptes zum Tragen. Betrachtet man schließlich den Einfluss des Prozesses der Wortbedeutungserschließung auf den Vokabelerwerb, so scheinen die individuellen Eingangs- und Ausgangsschwellen des Prozesses zum Teil den Grad zu bestimmen, zu dem Wortform und Wortbedeutung nach dem Lesen im Gedächtnis der Lerner/ -innen verankert und verknüpft bleiben. Wird die Eingangsschwelle nicht überschritten, so findet keinerlei Bedeutungsaufbau statt. Wird die Hauptphase eingeleitet und ist die Ausgangsschwelle nach ökonomischen Gesichtspunkten niedrig angesetzt, so ist damit zu rechnen, dass hier zwar ein lFILllL 33 (2004) 70 Angelika Rieder Bedeutungsschluss auf der Textbedeutungsebene, aber keine Abstrahierung auf die Wortbedeutungsebene stattfindet. Gute Voraussetzungen für den Vokabelerwerb sind also nur dann gegeben, wenn die Ausgangsschwelle erst bei der Ausschöpfung der verfügbaren Erschließungsressourcen erreicht wird. Komplementäre Einflussfaktoren für den erfolgreichen Wortbedeutungsaufbau, die eine ebenso große Rolle spielen aber hier leider nicht näher ausgeführt werden können, stellen in diesem Sinne natürlich die textuellen Hinweiskonstellationen und adäquates Hintergrund- und Sprachwissen der Lemer/ -innen dar. Aus dieser Perspektive wird die Qualität des Bedeutungsschlusses (d.h. der Grad zu dem eine Spezifikation der Wortbedeutung möglich ist) von Seiten des Textes durch die Vielfalt, Explizitheit und Einheitlichkeit der Bedeutungshinweise beeinflusst; damit diese Hinweise zur Bedeutungserschließung genutzt werden können, müssen sie jedoch zuerst von Seiten der Lerner/ innen mittels Sprach- und Hintergrundwissen interpretiert, komplementiert und zugeordnet werden, sodass hier eher von einem textuellen Erschließungspotential als von bestehenden textuellen Hinweisen auszugehen ist. 6 Insgesamt ergeben sich demnach die Bedingungen für den beiläufigen Erwerb eines bestimmten Wortes aus der Verfügbarkeit und Ausnützbarkeit der benötigten Ressourcen zur erfolgreichen Wortbedeutungserschließung und aus der Notwendigkeit bzw. dem Interesse an der Beschäftigung mit diesem Wort. Die Ressourcen setzen sich aus den textuellen Informationen und aus dem Sprach- und Hintergrundwissen der Lemer/ -innen zusammen, während die Notwendigkeit des Bedeutungsschlusses von textuellen Faktoren (z.B. der Rolle des Wortes für die Textbedeutung), lemerspezifischen Faktoren (z.B. dem Textverständnisanspruch) und situativen Faktoren (z.B. dem Leseziel) bestimmt wird. Das Lernerinteresse schließlich kann durch persönliche Motivation oder aber z.B. auch durch textuelle Faktoren wie das mehrmalige Antreffen eines Wortes geweckt werden. Abschließend muss noch einmal angemerkt werden, dass der beiläufige Erwerb neuer Lexeme ein gradueller und schrittweiser Prozess ist. In den vorliegenden Untersuchungen wurde quasi das Anfangsstadium dieses Prozesses untersucht. Um von einem umfassenderen Erwerb eines Lexems sprechen zu können, sind im Sinne der Elaboration des denotativen Konzeptes, der Einprägung der Wortform und der Integration des lexikalischen Wissens wiederholte Verarbeitungsprozesse und somit ein mehrmaliges Antreffen des Wortes in verschiedenen Kontexten erforderlich. Diese Aspekte der Verfeinerung und Konsolidierung lexikalischen Wissens zu untersuchen, könnte das Anliegen weiterführender Studien sein. Literatur CARTON, Aaron (1971): "Inferencing: a process in using and learning language". In: PIMSLEUR, Paul/ QUINN, Terence (eds.): The psychology of second language learning. Cambridge: Cambridge University Press, 45-58. Für eine ausführliche Behandlung dieser Einflussfaktoren siehe RlEDER (2002a,b ). IFJLIIL 33 (2004) Der Aufbau von Wortbedeutungswissen beim Lesen fremdsprachiger Texte ... 71 CLARK. Eve (1993): The lexicon in acquisition. Cambridge: Cambridge University Press. 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The study examines the effectiveness of incidental L2 vocabulary learning during reading and the effect of contextual cues and complexity of word meaning. 16 advanced Japanese learners of German as a second language and 16 German native speakers were given a reading test, a vocabulary test and a task on incidental L2 vocabulary learning based on narrative texts with pseudo words. There were no significant differences in reading performance and incidental vocabulary learning, but learners scored lower than the native speakers on vocabulary knowledge. Reading proficiency was strongly correlated with learning word meaning from context in the learner group. Contextual cues and complexity of word meaning were not a significant predictor of learning difficulty. Implications for incidental vocabulary learning and reading instruction are discussed. 1. Einleitung 1.1 Wortschatzerwerb und Lesen Während in Untersuchungen zum Ll 1-Wortschatzerwerb der Vokabularanstieg von Muttersprachler/ -innen ab Schuleintritt dem zunehmenden Input schriftlicher Texte zugeschrieben wird (vgl. z.B. NAGY 1997; NATION/ COADY 1988), ist in der L2-Vokabularerwerbsforschung die Effizienz des Lernens von Wörtern durch extensives Lesen umstritten. Es liegen Studien vor, die das Lernen von nur ein bis fünf unbekannten Vokabeln beim Lesen eines Textes von über 1 000 Wörtern belegen (vgl. z.B. KNIGHT 1994; PARIBAKHTIWESCHE 1993). Ähnliche Ergebnisse zeigt eine Untersuchung zum Lesen von Büchern, und zwar durchschnittlich fünf Vokabeln bei einem Umfang von 21 000 Wörtern (vgl. HORST [et al.] 1998). HILL/ LAUFER (2003: 88 ff) folgern hieraus, dass indirektes Lernen ( incidental vocabulary aquisition )2 durch 'reines' Lesen nicht zum Wortschatzanstieg führen kann, sondern das parallel zum Lesen auf das Wort fokussierte Aktivitäten nötig sind. Diese reichen von der Verwendung von Wörterbüchern (vgl. z.B. Korrespondenzadresse: Dr. Claudia SCHMIDT, Wiss. Angestellte, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutsches Seminar I, Arbeitsbereich Deutsch als Fremdsprache, Postfach, 79085 FREIBURG. E-mail: claudia.schmidt@daf.uni-freiburg.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachliche Leseforschung, Zweitsprachenerwerb, Linguistische Geschlechterforschung. 1 Ich verwende im Folgenden die Abkürzungen L1 für Erstbzw. Muttersprache, L2 für Fremdsprache. 2 In der deutschsprachigen Literatur werden auch die Begriffe kontextuelles Raten und kontextuelles Erschließen verwendet, in der angelsächsischen Forschung die Bezeichnungen "word guessing" und "meaning guessing". JFILIIL 33 (2004) Wörter lernen durch Lesen: ... 73 LUPESCU/ DA Y 1993) bis hin zur Satzproduktion mit dem zu lernenden Wort (vgl. HULS- TIJN/ LAUFER 2001). 3 Andererseits weist z. B. KRANTZ (1991) in einer Studie zu L2-Lesestrategien die Effizienz des indirekten Lernens nach. Die Versuchspersonen hatten allein durch das Lesen der vorgegebenen Texte ihren Wortschatz vergrößert und auf diese Weise sogar mehr Wörter als durch Zuhilfenahme eines Wörterbuches gelernt. Eine positive Einschätzung findet sich auch in aktuellen Überblicksartikeln zum L2-Vokabularerwerb, in denen die Wortschatzerweiterung durch Lesen als die effizienteste Lerntechnik herausgearbeitet wird (vgl. JIANG 2000: 70; NATIONIMEARA 2002: 44 t). NATIONIMEARA (ebd.) schätzen, dass auf diese Weise 1 000 oder mehr Wörter pro Jahr gelernt werden können. Ergänzend werden allerdings bedeutungsfokussierte Produktionsaufgaben empfohlen, in denen der Gebrauch insbesondere höher frequenter Wörter geübt wird. Legt man die aktuellen kognitionspsychologischen Ansätze zum mentalen Lexikon zugrunde, müssen zum Wortschatzerwerb alle vier Fertigkeiten eingesetzt werden (vgl. dazu den Beitrag von LUTJEHARMS in diesem Band, Abschnitt 4.2). Denn ein Wort gilt dann als gelernt, wenn die semantischen, syntaktischen, morphologischen und phonologischen/ orthographischen Informationen in einem lexikalischen Eintrag integriert sind und in natürlicher Kommunikation automatisch abgerufen werden können (vgl. JIANG 2000: 65 f; SCHMIDT 2002: 351 t). Eine so definierte lexikalische Kompetenz kann durch 'reines' Lesen nicht aufgebaut werden. Denn erstens werden durch indirektes Lernen zunächst nur die semantischen Informationen erworben, zweitens ist die automatische Aktivierung eines Wortes erst dann möglich, wenn es sowohl bei der Rezeption als auch bei der Produktion häufig aktiviert wird, und zwar durch in der Zeit gestreute Wiederholungen (vgl. NATIONIMEARA 2002: 42). Aussagen über die Effizienz des indirekten Lernens müssen diese Einschränkungen berücksichtigen. Die kognitiven Prozesse des Lesens und des Erschließens von Wortbedeutungen aus dem Kontext hängen eng zusammen. Für den Erwerb eines Wortes ist die Rezeption die notwendige Voraussetzung. Die Rezeption wiederum wird erleichtert durch den automatisierten Zugriff auf einen vollständigen lexikalischen Eintrag. Diese komplexe Beziehung zwischen Lesen und Wortschatzerwerb wird in der L2-Vokabularerwerbsforschung unter dem Aspekt der Abhängigkeit des Leseverstehens vom Wortschatz thematisiert, und zwar sowohl von der Größe des Wortschatzes als auch von der Automatisierung des lexikalischen Zugriffs (vgl. z. B. HAASTRUP/ HENRIKSEN 2001: 75 t). Dass auch ein umgekehrter Einfluss zu berücksichtigen ist, belegen Ergebnisse aus der LI-Forschung zum indirekten Lernen (vgl. SWANBORN/ GLOPPER 2002). Je besser die Leseleistung, desto erfolgreicher ist das indirekte Lernen. Für die L2-Erwerbssituation bedeutet dies, dass erst bei genügender Automatisierung der unteren Ebenen des Leseprozesses, d.h. insbesondere der Worterkennung und der syntaktischen Analyse, eine Sinnentnahme In der Studie von HULSTIJN/ LAUFER (2001) unterscheiden sich die Leistungen der Gruppe mit der Lernbedingung Lesen+Satzproduktion nicht von denen der Gruppe 'nur Satzproduktion', woraus auf die insgesamt höhere Lerneffizienz von Produktionsaufgaben gegenüber Rezeptionsübungen zu schließen ist (vgl. dazu auch HILL/ LAUFER 2003: 89). IFLl.lL 33 (2004) 74 Claudia Schmidt möglich ist und damit der Kontext zur Erschließung eines unbekannten Wortes genutzt werden kann. 4 Die L2-Forschung zum indirekten Lernen berücksichtigt diesen Zusammenhang nur insofern als sie ein Minimum von 95% bekannten Wörtern in einem Text als Bedingung für das erfolgreiche Erschließen unbekannter Wörter formuliert (vgl. NATION/ MEARA 2002: 44). 1.2 Die Rolle des Kontextes Damit indirektes Lernen erfolgreich ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein (vgl. DEBOT[etal.] 1997: 315f): 1. Das unbekannte Wort muss vom Lerner/ von der Lernerin als interessant und lernbar eingeschätzt werden. 2. Der Kontext muss die für das Verstehen nötigen Informationen enthalten. 3. Dem Wort und dem Kontext muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, damit eine genügende Verarbeitungstiefe erreicht wird. Während die Punkte 1 und 3 in der L2-Forschung zunehmend berücksichtigt werden, gibt es zur Rolle des Kontextes noch offene Fragen. Der Text bzw. Kontext, in dem die zu lernenden Wörter präsentiert werden, kann die Erschließung der unbekannten Bedeutung in unterschiedlichem Maße fördern. In Arbeiten zum L2-Wortschatzerwerb wird zumeist nur die unterstützende Funktion des Satzkontextes untersucht und mit der Unterstützung durch morphosyntaktische Informationen verglichen (vgl. z. B. HUCKIN/ BLOCH 1997; MORI 2003). Ergebnisse aus der Ll-Vokabularerwerbsforschung lassen aber auf den Einfluss der Gesamtheit der Textfaktoren schließen. So weisen DUBIN/ OLSTHAIN (1997) in ihrer Studie mit erwachsenen englischen Muttersprachlern/ -innen nach, dass beim Raten unbekannter, bzw. in diesem Fall fehlender Wörter, zwar häufig Hinweise in unmittelbarer Umgebung des ltems herangezogen werden, dass aber für das erfolgreiche Erschließen das Einbeziehen zusätzlicher textueller Informationen nötig ist. Sie unterscheiden hierbei lokale und globale unterstützende Faktoren. Zu den ersteren zählen die aus der semantischen und syntaktischen Verarbeitung von Sätzen oder Textabschnitten gewonnenen Informationen, zu den zweiten die aus der semantischen Verarbeitung größerer Texteinheiten gewonnen Informationen (vgl. ebd.: 182 ff.). Unterstützend wirken können auch die individuellen Einflussgrößen der Textverarbeitung, d.h. das Wissen des Lerners/ der Lernerin über die durch den Text angesprochenen Sachverhalte sowie die Einstellung bzw. Zielsetzung, mit der ein Text gelesen wird (vgl. z.B. RICKHEIT/ STROHNER 1999). Außerdem spielen das Hintergrundswissen über indirektes Lernen und bereits gemachte Erfahrungen mit kontextueller Bedeutungserschließung eine Rolle. Diese Einflussgrößen, die ebenfalls zu den Kontextfaktoren zu 4 Zu den Ebenen des Leseprozesses vgl. die Überblicksdarstellung von LUTJEHARMS (2001). - Seit einigen Jahren wird die L2- (und auch Ll- )Leseforschung auf der Basis psycholinguistischer bzw. kognitionspsychologischer Theorieansätze zunehmend in die Vokabularerwerbsforschung integriert (vgl. z.B. die Beiträge im Sammelband von PARIBAKHT/ WESCHE 1999). lFLUJlL 33 (2004) Wörter lernen durch Lesen: ... 75 zählen sind (vgl. DUBIN/ OLSTHAIN 1993: 183), werden in den Untersuchungen zum indirekten Lernen in L2 nur unzureichend kontrolliert. 1.3 Die Rolle der Wortbedeutung Die semantischen Merkmale eines Wortes wie z. B. Konkretheit haben sowohl einen Einfluss auf die Worterkennung als auch auf die Verarbeitung von Sätzen beim Lesen (vgl. FERSTLIFL0RES o' ARCAIS 1999: 205 ff). In der L2-Forschung zum Vokabularerwerb wird zumeist nur die Rolle der Bildhaftigkeit eines Wortes beim Lernen des Wortschatzes diskutiert (vgl. ELLISIBEAT0N 1993). In einer Studie von STERNBERG/ P0WELL (1983) zum Ll-Leseverstehen wurde die Wortbedeutung als Einflussfaktor auf das indirekte Lernen nachgewiesen. STERNBERG/ P0WELL, die ihre Ergebnisse auch unter didaktischem Aspekt diskutieren, differenzieren zwischen der Konkretheit und der 'Dichtheit' eines Wortes, d.h. der Anzahl von Bedeutungskomponenten. Sie zählen die beiden Variablen zu den vermittelnden ("mediating") Variablen, die die Kontextfaktoren positiv oder negativ beeinflussen können (1993: 883). Diesen Ansatz griffen DANEMAN/ GREEN (1986) in einer Untersuchung zu Leseverstehensleistungen englischer Muttersprachlern/ -innen auf, wobei sie allerdings andere Variablen wählten. Die Komplexität einer Wortbedeutung wurde quantitativ durch die Messung der Anzahl der Bedeutungskomponenten erfasst, und qualitativ aufgrund der Einschätzung der Nähe des Konzepts zu Objekten und Handlungen in der Alltagswelt. Die Auswertung ergab, dass der qualitative Aspekt der Wortbedeutung den größten Einfluss auf das Erschließen der Bedeutung hat, also ein stärkerer Prädiktor als die Kontextfaktoren ist (Experiment 1). Je 'abstruser' die Bedeutung des Wortes ist, desto schlechter wird das Wort aus dem Kontext erschlossen. Es ist zu überprüfen, ob dies auch beim indirekten Lernen in L2 eine Rolle spielt. 2. Die Studie 2.1 Fragestellung Untersucht werden sollen die Effizienz des indirekten Lernens sowie deren Abhängigkeit von Lesekompetenz, Kontext und Wortbedeutung im L2-Vokabularerwerb. Effizientes indirektes Lernen wird hier als erfolgreiches Erschließen einer unbekannten Wortbedeutung definiert. Es ergeben sich folgende Fragen: 1. Wie erfolgreich sind fortgeschrittene L2-Lerner/ -innen im Vergleich zu Muttersprachler/ -innen im Erschließen unbekannter Wortbedeutungen aus dem Kontext? 2. Welche Beziehungen bestehen zwischen dem Erschließen unbekannter Wortbedeutungen aus dem Kontext und dem Wortschatz sowie zwischen dem Erschließen unbekannter Wortbedeutungen aus dem Kontext und der Lesekompetenz? 3. Welchen Einfluss hat die Komplexität der Wortbedeutung auf das Erschließen unbekannter Wortbedeutungen aus dem Kontext? JFLIIIL 33 (2004) 76 Claudia Schmidt 2.2 Methodik 2.2.1 Versuchspersonen An der Studie nahmen 16 japanische Deutsch-als-Fremdsprache-Lerner/ -innen teil (11 weiblich, 5 männlich; Altersspannweite 27-48, Mittelwert 35,31), die nach Bestehen der DSH (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber) studienbegleitende Sprachkurse besuchten. Ich entschied mich für diese Lernergruppe, da zum einen Lerner/ -innen mit Japanisch als Erstsprache und damit eventuellen Einflüssen sowohl des morphographischen Sprachsystems als auch der spezifischen Lernsozialisation bisher nur wenig Gegenstand von L2-Forschung waren, zum anderen aufgrund der Homogenität der Lernergeschichte: Englisch war als erste Fremdsprache mit 12 in der Schule erworben worden, Deutsch als zweite Fremdsprache an der Universität mit durchschnittlich 19 Jahren. Die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland lag zwischen 1 und 10 Jahren, wobei die meisten Lerner/ -innen sich immer wieder längere Zeit in Japan aufgehalten hatten, so dass die Zahlen nicht aussagefähig sind. Alle gaben an, sowohl mit Deutschen als auch mit Japanern Kontakt zu haben und regelmäßig in beiden Sprachen zu lesen und zu schreiben. Die Versuchspersonen waren Studierende geisteswissenschaftlicher Fächer. Die Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz im Deutschen (auf der Skala 1-6) lag sehr hoch: Lesen 5,06 (4-6; SD=0.54), Schreiben 4,47 (3-5,5; SD=0.76) und Sprechen 4,78 (4-6; SD=0.63. Im Fremdsprachenunterricht waren alle Versuchspersonen mit der Grammatik-Übersetzungsmethode (Wort-für-Wortübersetzen) sozialisiert worden, mit entsprechender Vernachlässigung der Wortschatzarbeit. 12 der 16 Lerner/ -innen gaben an, mehr Probleme mit dem Erwerb des deutschen Wortschatzes als mit der Grammatik zu haben. Die deutsche Vergleichsgruppe setzte sich aus 16 Studierenden bzw. Absolvent/ -innen geisteswissenschaftlicher Fächer (11 weiblich, 5 männlich) mit einer der Lernergruppe entsprechenden Altersstruktur zusammen (Altersspannweite 20-50; Mittelwert 28,31). Alle Versuchspersonen nahmen freiwillig und unentgeltlich an den Tests teil. 2.2.2 Testmaterial Das Testmaterial wurde in Anlehnung an die Untersuchung von DANEMAN/ GREEN (1986) entwickelt (vgl. dazu auch oben, Abschnitt 1.3). Es bestand aus 15 narrativen Texten mit jeweils einem aus dem russischen abgeleiteten Pseudowort. Bei den Items handelte es sich immer um Nomen, die in einem Vortest mit deutschen Muttersprachlern/ -innen auf ihre Assoziationsmöglichkeiten überprüft worden waren (vgl. Tabelle 1). Galstuk, mask. Fufaik, neutr. Apiel, mask. Kniga, mask. Jablak, mask Rubask, neutr ein Verband, der um die Nase getragen wird etwas, das durch Magie eine verlorengegangene Liebe zurückbringt ein enger Durchgang in einem Zaun, durch den nur Menschen, aber keine Tiere gehen können ein Hautfetzen, der sich nach einem Sonnenbrand löst Zoll, den man für das Durchqueren eines Waldes zahlen muss Schutzgeld, das von älteren Häftlingen verlangt wird IFLlllllL 33 (2004) Wörter lernen durch Lesen: ... 77 Sapok, neutr. Garschok, mask. Jopbol, neutr. Naljot, fern Jismeff, mask Fegwar, mask/ neutr. Sivkol, neutr. Netka, ohne Genus Kanjok, mask ein Bild, das aus einem anderen Buch genommen wird, um einen Gedanken klar auszudrücken ein Spaziergang kurz vor dem Schlafengehen ein billiges Geschenk, das guten Kunden überreicht wird Immunität gegen Gift, entwickelt nach der Einnahme in kleinen Dosen ein Brief, der sehr unleserlich adressiert ist eine Lücke zwischen Bett und Wand ein Geschäft, in dem von anderen nicht mehr benötigte Lebensmittel erworben werden können Mangel an Menschen ein Nachbar, der in Schwierigkeiten ist Tab. 1: Pseudowörter mit Bedeutungsentsprechung Die Texte waren so geschrieben, dass erstens die Wortbedeutung eindeutig aus dem Kontext erschlossen werden konnte, zweitens genügend kontextuelle Hinweise zur präzisen Erschließung der Bedeutung enthalten waren und drittens nur durch Hinzuziehung der globalen textuellen Hinweise das erfolgreiche Erschließen möglich war. In einem Vortest mit deutschen Muttersprachler/ -innen waren diese Bedingungen überprüft worden. Die Texte hatten durchschnittlich eine Anzahl von 200,87 Wörtern. Der Grad der kontextuellen Unterstützung bzw. die zunehmende Schwierigkeit der Erschließung der Wortbedeutung aus dem Kontext auf der Skala 1 (Kontext sehr. unterstützend) bis 5 (Kontext nicht unterstützend) wurde von zwei unabhängigen deutschsprachigen Schätzern festgelegt (Mittelwert 1,90; Reliabilitätskoeffizient 0.85). Im folgenden exemplarischen Text war der Schwierigkeitsgrad 1,5. Textbeispiel In unserer Gesellschaft, die man mit gewissem Recht immer noch als 'Wohlstandsgesellschaft' bezeichnen kann, werden Lebensmittel in einer überwältigenden Auswahl angeboten. Da gibt es vor allem die verlockenden Sonderangebote, die dazu führen, dass viele Kundinnen und Kunden, vor allem im Supermarkt mit Selbstbedienung, der Versuchung nicht widerstehen können und mehr einkaufen, als notwendig wäre. Schon beim Auspacken zu Hause merken sie dann, dass ihre Familie nie und nimmer alles innerhalb der Haltbarkeitsfrist verzehren kann. Viele Menschen sind der Meinung, dass es zu schade ist, wenn auf diese Weise Lebensmittel in großen Mengen weggeworfen werden, und man hat über einen Ausweg nachgedacht. In einigen Städten gibt es nun die Möglichkeit, nicht mehr benötigte, aber noch einwandfreie Lebensmittel bei einer Einrichtung zur Weiterverwertung abzugeben. Das Besondere aber ist, dass die Lebensmittel nicht, wie sonst üblich, von den bekannten Hilfsorganisationen an Heime und Obdachlosenasyle verschenkt, sondern dass sie zu einem äußerst günstigen Preis verkauft werden, der gerade die Ladenmiete und die Personalkosten deckt. So können Bedürftige in ein Sivkol gehen, das die üblichen Öffnungszeiten hat, und sich für einen geringen Betrag mit dem Nötigsten eindecken. Auf diese Weise ist allen geholfen: Die Spender sind ihr schlechtes Gewissen los, und die Bedürftigen haben das Gefühl, einen normalen Einkauf zu machen und nicht von Almosen zu leben. Die Komplexität der Wortbedeutung wurde ebenfalls von zwei unabhängigen Schätzern erfasst, und zwar quantitativ durch die Anzahl der Bedeutungskomponenten von 2 bis 5 lFLlllllL 33 (2004) 78 Claudia Schmidt (Mittelwert 2,70; Reliabilitätskoeffizient 0.85) und qualitativ durch die konzeptuelle Distanz der Wortbedeutung zu Objekten und Handlungen der Alltagswelt auf der Skala 1 (verbreitete Vorstellung, eng verbunden mit der Alltagswelt) bis 3 (ungewöhnliches Konzept) (Mittelwert 1,77; Reliabilitätskoeffizient 0.75). So setzt sich die Bedeutung von Sivkol (siehe Textbeispiel oben), definiert als „ein Geschäft, in dem von anderen nicht mehr benötigte Lebensmittel erworben werden können", aus 3 Bedeutungskomponenten zusammen; die Einschätzung der Distanz zu Dingen und Handlungen der Alltagswelt beträgt 1,5. Zur Bestimmung des Wortschatzwissens und der Lesekompetenz wurden standardisierte Tests aus der empirischen Textverstehensforschung verwendet (vgl. z.B. HACKER/ ÜSTERLAND 1995). Der Wortschatztest besteht aus 32 zu definierenden Wörtern, die nach ihrer Schwierigkeit geordnet sind, beginnend mit Apfel und endend mit Geoid (vgl. TEWES 1991: 56 ff). Zur Messung der Lesekompetenz wurden die sog. Wechsler-Texte zugrundegelegt (vgl. BöCHER 1963: 56). Hierbei handelt es sich um die unmittelbare mündliche Reproduktion von zwei kurzen Zeitungsberichten, die aus jeweils drei syntaktisch komplexen Sätzen bestehen und in je 23 Inhaltseinheiten aufgeteilt sind. Gemessen wird die Anzahl der Inhaltseinheiten, die nach dem Lesen wiedergegeben werden. 5 2.2.3 Vorgehensweise Die Versuchspersonen legten die Tests in jeweils zwei Einzelsitzungen ab. In der ersten Sitzung, die durchschnittlich 30 Minuten dauerte, wurden Wortschatz- und Lesetest durchgeführt. Die japanischen Versuchspersonen füllten zusätzlich einen Fragebogen zur Lernergeschichte und zu Lernerfahrungen aus. In der zweiten Sitzung, die zumeist eine Woche später stattfand, wurden die 15 narrativen Texte mit Pseudowörtern bearbeitet. Die Dauer betrug insgesamt ungefähr 60 Minuten, wobei nach 8 Geschichten eine kurze Pause eingelegt wurde. Die Versuchspersonen mussten schriftlich eine Definition des zu erschließenden Wortes geben. Sie bekamen folgende Anweisungen: "Bitte lesen Sie die Texte, indem Sie die bereits gelesenen Zeilen mit einem Blatt Papier abdecken. Das eingefügte unbekannte Wort, ein Nomen, ist nach dem Lesen des Textes möglichst genau zu definieren." In einem Probedurchgang mit einem später nicht eingesetzten Text wurde das Verstehen der Aufgabenstellung überprüft. Zudem war kontrolliert worden, dass die Versuchspersonen kein Russisch beherrschen. Die Korrektheit der insgesamt 480 Definitionen wurde von zwei unabhängigen deutschsprachigen Schätzern, und zwar anderen als bei der Einschätzung der kontextuellen Schwierigkeiten und der Komplexititätsfaktoren, auf der Skala O(völlig inkorrekt) bis 4 (völlig korrekt) bestimmt (Reliabilitätskoeffizient: 0.99). So bekam z.B. die Definition "Laden oder Supermarkt" für Sivkol (vgl. oben, Tabelle 1) den Wert 1. Grammatikbzw. Rechtschreibfehler in den Formulierungen wurden nicht bewertet. 5 Beide Tests sind Untertests der deutschen Version der Wechsler Memory Scale (vgl. BöCHER 1963; TEWES 1991); in der Originalfassung werden die Wechsler-Texte vorgelesen. JFLl.llL 33 (2004) Wörter lernen durch Lesen: ... 79 3. Ergebnisse Zu Frage 1: In Tabelle 2a sind die Leistungen in den drei Tests zusammengefasst. Die Unterschiede zwischen den Leistungen der beiden Versuchsgruppen wurden in einer One-Way ANOVA gemessen. Die Leistungen der L2-Gruppe in der Worterschließung unterscheiden sich nicht signifikant von den Leistungen der LI-Gruppe. Ebenso gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Leseleistungen. Ein signifikanter Unterschied besteht zwischen den Leistungen im Wortschatztest (F [1,30] = 67.43, p < 0.01). Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen in Klammern. L2 (N=16) L1 (N=l6) 20,06 (4.41) 29,38 (1.02) 15,84 (3.72) 1,96 (0.53) 15,50 (3.35) 2,27 (0.59) Tab. 2a: Leistungen der L2-Gruppe und der L 1-Gruppe im Wortschatztest, im Lesetest und in der Worterschließung Zu Frage 2: Die Tabelle 2b präsentiert die Ergebnisse der korrelativen Überprüfung der Leistungen (2-seitige Korrelation nach PEARSON). Es liegt eine Korrelation von Worterschließung und Leseleistung in der L2-Gruppe vor. Zur Leistung im Wortschatztest besteht keine signifikante Beziehung. In der L 1-Gruppe liegen keine signifikanten Beziehungen zwischen den einzelnen Leistungen vor. Wortschatztest .26 .23 Lesetest .26 .69* Worterschließung .23 .69* *p <. 05 N= 16 Tab. 2b: Korrelative Prüfung der Beziehung zwischen den Leistungen der L2-Gruppe im Wortschatztest, im Lesetest und in der Worterschließung Zu Frage 3: Um den prädikativen Wert der quantitativen und qualitativen Komplexität der Wortbedeutung sowie der Kontextunterstützung für das indirekte Lernen zu überprüfen, wurde eine multiple Regressionsanalyse für jede Gruppe durchgeführt. In Tabelle 3a sind die Ergebnisse der L2-Gruppe aufgelistet. Keine der drei Variablen ist für das Erschließen der Wortbedeutung ein signifikanter Prädiktor. Vergleicht man die Werte der drei Variablen miteinander, hat die Kontextunterstützung den größten Einfluss. In der LI- Gruppe gibt es ebenfalls keine signifikante Prädiktorvariable. Die Anzahl der Bedeutungskomponenten ist hier die einflussreichste Variable (vgl. Tabelle 3b). lf1L1.! L 33 (2004) 80 AK DA SK . 173 .257 .211 -.165 -.182 -.350 -.606 -.681 -1.284 Claudia Schmidt .557 n.s . .510 n.s. .225 n.s Tab. 3 a: Stufenweise multiple Regressionsanalyse der Beziehungen zwischen der Leistung in der Worterschließung und der Anzahl der Bedeutungskomponenten (AK), der Distanz zu Dingen/ Handlungen des Alltagslebens (DA) und der Kontextunterstützung (SK) (L2-Gruppe) AK DA SK .138 .193 .167 -.452 -.290 -.035 -1.783 -.1.165 -.138 .102 n.s. .269 n.s. .893 n.s Tab. 3b: Stufenweise multiple Regressionsanalysen der Beziehungen zwischen der Leistung in der Worterschließung und der Anzahl der Bedeutungskomponenten (AK), der Distanz zu Dingen/ Handlungen des Alltagslebens (DA) und der Kontextunterstützung (SK) (LI-Gruppe) 4. Diskussion Die japanischen Deutsch-als-Fremdsprache-Lerner/ -innen sind trotz signifikant schlechterer Wortschatzkenntnisse nahezu genauso erfolgreich im Erschließen unbekannter Wörter aus dem Kontext wie die deutschen Muttersprachler/ -innen. Eine Erklärung hierfür könnte eine bereits vorhandene automatisierte syntaktische Verarbeitung sein, so dass, ähnlich wie beim muttersprachlichen Lesen, die Aufmerksamkeit auf die semantische Verarbeitung gerichtet werden kann. Diese Interpretation lässt sich auch durch die Ergebnisse des Lesetests stützen, in dem syntaktisch sehr komplexe Texte verarbeitet werden mussten und bei denen die Leistungen der japanischen Gruppe sogar leicht, wenn auch nicht signifikant, über denen der deutschen Muttersprachler/ -innen liegen. Dieses Ergebnis weist außerdem auf kulturspezifische Unterschiede bei der Vertrautheit mit der Form Aufgabenstellung hin. Die Reproduktion gelesener Texte, die das genaue Verstehen und die präzise Wiedergabe von Einzelinformationen erfordert, ist für Japaner/ -innen eine in ihrer Bildungssozialisation bekannte Prüfungsform, die mit entsprechenden Aufmerksamkeit und Konzentriertheit durchgeführt wird. Für deutsche Studierende ist dieser Art der Aufgabenstellung eher ungewohnt. Für einen bereits hohen Grad an Automatisierung der Syntaxverarbeitung sprechen auch die von den japanischen Lerner/ -innen gemachten Angaben zu Lernschwierigkeiten: 15 mal wurde geantwortet, dass der Erwerb der deutschen Grammatik als leicht empfunden worden sei. Die Korrelation von Worterschließung und Leseleistung in der L2-Gruppe belegt den engen Zusammenhang von Lesekompetenz und indirektem Lernen. Dass er in der Ll- Gruppe nicht aufgetreten ist, muss m. E. auf die im vorigen Abschnitt erörterte, für die deutschen Versuchspersonen ungewohnte Aufgabenstellung des Lesetests und die damit zusammenhängender unkonzentrierte Aufgabenbewältigung zurückgeführt werden. lFLl.llL 33 (2004) Wörter lernen durch Lesen: ... 81 Weder ein signifikanter Effekt der quantitativen Komplexität der Wortbedeutung (Anzahl der Bedeutungskomponenten), noch der qualitativen (Distanz zu Dingen/ Handlungen des Alltagslebens), noch der Kontextunterstützung auf das indirekte Lernen sind nachweisbar. In der L2-Gruppe haben alle drei Faktoren zusammengenommen nur einen Einfluss von 22%, wobei der Faktor Kontextunterstützung mit 15% den stärksten Effekt hat. In der LI-Gruppe zeigt die Variable keinerlei Effekt. Dies deutet zumindest darauf hin, das Lemer/ -innen bei der Worterschließung stärker auf unterstützende Hinweise aus dem Kontext angewiesen sind als Muttersprachler/ -innen. Insgesamt weisen die Ergebnisse aber auf ein komplexes Zusammenspiel von Wortbedeutung, Kontext und individuellen Lernerfaktoren wie Sprachbzw. Lesekompetenz und Weltwissen hin, wobei den beiden erstgenannten Faktoren nur eine geringe Bedeutung zuzukommen scheint. 5. Schlussfolgerungen Die beim Erschließen unbekannter Wortbedeutungen ablaufenden kognitiven Prozesse hängen eng mit den Leseprozessen zusammen und werden daher von textinternen Faktoren wie Satzlänge, Wortauswahl u.a. sowie textexternen Faktoren wie Sprachkompetenz, inhaltliches Vorwissen beeinflusst. Um den Einfluss von Kontext und Wortbedeutung erfassen zu können, müssten alle anderen Variablen streng kontrolliert sein. Sinnvoll wäre es, Lernergruppen mit niedriger Sprachkompetenz und entsprechend einfach gestalteten Texten, deren Kontextfaktoren leichter zu variieren sind, zu untersuchen. Schwierig zu erfassen ist die Wortbedeutung. Das in der vorliegenden Arbeit eingesetzte Kriterium der quantitativen und qualitativen Komplexität müsste überdacht werden. Untersucht werden sollte auch die hier nicht behandelte Frage nach dem längerfristigen Behalten von indirekt gelernten Wörtern. Literatur BöCHER, Walter (1963): "Erfahrungen mit dem Wechslerschen Gedächtnistest (Wechsler memory scale) bei einer deutschen Versuchsgruppe von 200 normalen Versuchspersonen". In: Diagnostica 9, 56-68. DANEMAN, Meredyth / GREEN, Ian (1986): "Individual differences in comprehending and producing words in context". In: Journal of Memory and Language 25, 1-18. DE BOT, Kees / P ARIBAKHT, T. Sima/ WESCHE Marjorie Bingham (1997): "Toward a lexical processing model for the study of second language vocabulary acquisition: Evidence from ESL reading". In: Studies in Second Language Acquisition 19, 309-329. DUBIN, Fraida / ÜLSTHAIN, Elite (1993): "Predecting word meanings from contextual clues: evidence from Ll readers". 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Where does the vocabulary come from? How much time do they invest in these activities? What are their main learuing procedures? What difficulties do they have to contend with? The processed and analysed data provided by the questionnaire will help to decide about the further research-design. The overall aim of the study is to enhance students' awareness of vocabulary learning strategies and to improve their autonomous learuing of foreign languages inside and outside the classroom. 1. Prämissen und allgemeines Erkenntnisinteresse Neben den Magisterstudiengängen bietet der Fachbereich Anglistik/ Romanistik der Universität Kassel (UniK) einen 1978 eingerichteten Diplomstudiengang „Berufsbezogene Fremdsprachenausbildung" an, der aus einer Kombination fremdsprachlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Studien besteht. Außerdem werden Fremdsprachenlehrkräfte für verschiedene Schulformen ausgebildet, und zwar für das Lehramt an Grundschulen (LI), das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen (L2), das Lehramt an Gymnasien (L3) sowie Diplom- und Wirtschaftspädagogen (L4). Die Ausbildung im Fachbereich Anglistik/ Romanistik bezieht sich auf die Fremdsprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Seit dem Sommersemester 2001 werden Italienisch und Spanisch nicht nur im Magisterstudium, sondern zusätzlich auch im Diplomstudiengang und dem L3-Studiengang als Hauptfächer angeboten. Obgleich die Verbesserung der sprachpraktischen Kenntnisse ein besonderes Anliegen des Fachbereichs Anglistik/ Romanistik ist, kann man feststellen, dass der Lernzuwachs in den studierten Fremdsprachen im Laufe eines im Durchschnitt 10-12 Semester dauernden Studiums relativ gering ist. Insbesondere in Englisch und Französisch nehmen die Sprachkenntnisse vom obligatorischen Einstufungstest zu Beginn des Studiums über die Korrespondenzadresse: Prof. Dr. lnez DE FLORIO-HANSEN, Univ.-Prof'in, Universität Kassel, Fachbereich 08: Anglistik/ Romanistik, Georg-Forster-Str. 3, 34109 KASSEL. E-mail: deflorio@uni-kassel.de Arbeitsbereiche: Didaktik romanischer Sprachen und Literaturen, Spracherwerbsforschung, Angewandte Linguistik. lFLlllL 33 (2004) 84 Inez De Florio-Hansen mündlichen und schriftlichen Äußerungen in der jeweiligen Zielsprache in Lehrveranstaltungen und Klausuren bis hin zu der in den meisten Studiengängen verbindlichen Zwischenprüfung sowie den Abschlussexamina nicht in gewünschtem Maß hinsichtlich Angemessenheit und Korrektheit zu. Was für die Fremdsprachenkenntnisse allgemein gilt, lässt sich auch hinsichtlich des Wortschatzes konstatieren: "Viele Studenten bleiben bei ihren Abiturkenntnissen stehen, weil sie nicht begriffen haben, dass man dem Wortschatz nur geduldig, fleißig, kontinuierlich und bienenhaft beikommen kann" (HAUS- MANN 1993: 17). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Fachbereich auf einen der geforderten Hauptseminarscheine in den Fachwissenschaften zugunsten eines Sammelscheins in der Sprachpraxis verzichtet hat, der je nach Studiengang aufgrund des erfolgreichen Besuchs von 6-9 sprachpraktischen Übungen vergeben wird. Auch der mindestens einsemestrige Auslandsaufenthalt, der für Diplomstudierende obligatorisch ist und von den Studierenden der anderen Studiengänge in der Mehrzahl freiwillig absolviert wird, trägt in den meisten Fällen nur in geringem Umfang zur Verbesserung der Kenntnisse in den studierten Sprachen Englisch und Französisch bei. Viele Studierende sind der Überzeugung, "natürlicher" Zweitsprachenerwerb reiche aus und betreiben daher während des Auslandsaufenthalts keine systematische Spracharbeit (vgl. RIEMER 2002). Auch andere Initiativen wie Filmabende, Theatergruppen und die vom Sprachenzentrum der UniK organisierte Tandem-Initiative haben bisher nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Etwas günstiger stellt sich die Situation in den Fremdsprachen Italienisch und Spanisch dar. Da viele Studierende diese beiden romanischen Sprachen erst auf der Universität zu lernen beginnen, sehen sie die Notwendigkeit einer intensiveren sprachpraktischen Arbeit unmittelbar ein. Welche Gründe sind für den unbefriedigenden Ausbau der sprachpraktischen Kompetenz von Fremdsprachenstudierenden ausschlaggebend? Aufgrund zahlreicher Gespräche mit Studierenden und Lehrpersonen, vor allem den Lektor/ -innen, gehe ich von folgenden Annahmen aus: Zum einen sind Zeitmangel und Arbeitsbelastung der Student/ -innen für den unzureichenden Sprachstand verantwortlich. Viele Studierende müssen ihr Studium teilweise oder sogar ganz selbst finanzieren und finden daher für die notwendige Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse keine Zeit. Außerdem sind die meisten von ihnen mit den Leistungen, die sie in den Fachwissenschaften erbringen müssen, ausgelastet. Zum anderen kann man vermuten, dass die Studierenden, die über die universitären Lehrveranstaltungen hinaus selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihre Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen versuchen, nicht oder nur zum Teil über geeignete Lerntechniken und -Strategien verfügen. Um die kurz skizzierten allgemeinen Hypothesen einer empirischen Überprüfung unterziehen zu können, bedarf es selbstverständlich der Konkretisierung und Differenzierung. Dabei geht es u. a. um die Frage: Auf welche Bereiche konzentrieren sich Studierende, die ihre fremdsprachliche Kompetenz selbstbestimmt und eigenverantwortlich verbessern wollen? lFLlL! lL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 85 2. Wortschatzarbeit im Rahmen selbstbestimmten Fremdsprachenlernens Man kann davon ausgehen, dass Studierende, die zeitlich dazu in der Lage sind, in erster Linie Wortschatzarbeit 1 betreiben. Das hat folgende Gründe: • Bereits während der Schulzeit ist das Vokabellernen der Bereich, der am häufigsten aus dem Unterricht „ausgelagert" wird. Bei der häuslichen Wortschatzarbeit dominiert das Paarassoziationslernen, d.h. die Schüler/ -innen lernen mit Hilfe zweisprachiger Listen, die sie in den Lehrwerken vorfinden oder selbst erstellen. Dabei halten sie bald die eine, bald die andere Spalte zu und memorieren so die einzelnen fremdsprachlichen Vokabeln zusammen mit deren deutscher Übersetzung. • Auf der lexikalischen Ebene ist es für Fremdsprachenlernende leicht, sich geeignete Ausschnitte des Wortschatzes selbst auszuwählen und für das Lernen aufzubereiten. Studierende sind in den einzelnen Lernbereichen mit einer Fülle von Texten in der Zielsprache konfrontiert, die lernenswertes Vokabular enthalten. Eigene Lektüre und Medienkonsum (Film, Video, Musik) bieten weitere Gelegenheiten zur selbstständigen Wortschatzarbeit. Zwar werden auch Grammatikregeln oft außerhalb des Unterrichts memoriert. Anders als bei der Wortschatzarbeit, werden Auswahl und Anwendung grammatischer Strukturen jedoch weitgehend von der Lehrperson bestimmt. • Die Selbstkontrolle ist bei der Wortschatzarbeit relativ leicht zu bewerkstelligen. Will man hingegen überprüfen, ob man bestimmte grammatische Regeln und/ oder pragmatische Konventionen in der Zielsprache korrekt und angemessen anwenden kann, ist man stärker auf Beratung und Korrektur durch die Lehrperson oder einen anderen Lernberater angewiesen. • Obgleich alle sprachlichen Lernprozesse bei einzelnen Lernenden unterschiedlich verlaufen, gilt Wortschatzarbeit als besonders individuell. Das hängt damit zusammen, dass die meisten Lernenden im Laufe der Jahre eigene Techniken und Strategien ausgebildet haben, mit deren Hilfe sie Vokabeln ihrer Meinung nach am besten lernen können. Populärwissenschaftliche Beiträge zur Arbeitsweise des G~hirns bzw. des Gedächtnisses in den Medien bieten weitere Anhaltspunkte. Die Vorkenntnisse und Vorerfahrungen, die Fremdsprachenstudierende in fachdidaktische Seminare zur Wortschatzarbeit einbringen, sind daher vergleichsweise hoch. • Fremdsprachenlernende, vor allem Studierende einer oder mehrerer Fremdsprachen, haben zudem eine Vorstellung davon, dass Wortschatzkenntnisse auch durch inzidentelles also zufälliges bzw. beiläufiges - Lernen vorangebracht werden können. Aufenthalte im Zielsprachenland und regelmäßige Kontakte zu native speakers im eigenen Land gelten als zusätzliche Möglichkeiten, den Wortschatz ohne allzu große Unter „Wortschatzarbeit" wird in diesem Beitrag jeglicher Umgang mit lexikalischen Einheiten der Zielsprache innerhalb und außerhalb des Unterrichts verstanden, welcher der Verbesserung der fremdsprachlichen Kompetenz dienen soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um fremdbzw. selbstbestimmtes Wortschatzlernen oder inzidentelles Lernen handelt. Der eingebürgerte Terminus „Wortschatzarbeit" wird also auch für den so genannten natürlichen Wortschatzerwerb verwendet, weil er ebenfalls einer gewissen Steuerung unterliegt, z.B. Herstellen von Kontakten zu native speakers, Auswahl von Lektüre, Nutzung bestimmter Medienangebote. lFJLlllL 33 (2004) 86 Inez De Florio-Hansen Anstrengung zu erweitern. Unter den Kommunikationsstrategien, mit denen Lernende sprachliche Defizite auszugleichen versuchen, nehmen Techniken zur Erfragung unbekannter Lexik, sowohl bei der Sprachrezeption als auch bei der Sprachproduktion, großen Raum ein. Inzidentelles Lernen hinsichtlich grammatischer Strukturen und pragmatischer Konventionen istzumindest in der Wahrnehmung der Lernenden weniger gesichert. Eine empirische Untersuchung zum Wortschatzerwerb und zum Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden lässt Erkenntnisse erwarten, die letztlich zu einer generellen Verbesserung der fremdsprachlichen Kompetenz beitragen können. 3. Zum Stand der Forschung Mit der so genannten „kommunikativen Wende" und der Lernerorientierung zu Beginn der 1970er-Jahre erfuhr die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht eine deutliche Aufwertung (vgl. DE FLORIO-HANSEN 1994: 1 ff). Empirische Untersuchungen zum Wortschatzerwerb und zum Wortschatzlernen nahmen zu. Der folgende Forschungsüberblick konzentriert sich auf neuere Arbeiten, die in irgendeiner Form Aufschluss über die Wortschatzarbeit von Fremdsprachenstudierenden geben können (zu anderen Aspekten vgl. die Beiträge in diesem Band). Empirische Untersuchungen zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Umgang mit lexikalischen Einheiten der Zielsprache stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Da die Aufwertung der Wortschatzarbeit mit Überlegungen zum Gebrauch von Lerntechniken und Strategien einherging (vgl. STORK 2003: passim), versucht man herauszufinden, auf welche Verfahren Fremdsprachenlernende, insbesondere good language leamers, zurückgreifen, um daraus Hinweise für ein Strategientraining abzuleiten. Generell gehen Forscher/ -innen dabei so vor, dass sie aus vorliegenden Inventaren diejenigen Techniken und Strategien auswählen und adaptieren, die für die Wortschatzarbeit relevant sein können. Die meisten Arbeiten stützen sich auf den SILL (Strategy Inventory for Language Learning) von OXFORD (1990): Während STOPFER (1995) und SCHMITT (1997) sich auf Strategien für die Wortschatzarbeit konzentrieren, nehmen beispielsweise MORFELD (1998) und Foß/ PUDE (2001) auch solche auf, die sich gleichzeitig auf das Fremdsprachenlernen im allgemeinen beziehen. Es kommen umfängliche Auflistungen zustande, die in der Regel in irgendeiner Form kategorisiert werden. STOPFER ordnet die 53 Items ihrer Taxonomie (VOLSI: Vocabulary Learning Strategy Inventory) mit Hilfe der Faktorenanalyse neun Kategorien zu. Schmitt, dessen Untersuchung aus verschiedenen Gründen als richtungsweisend gelten kann, übernimmt aus dem Inventar von Oxford vier Kategorien, nämlich SOC (Social Stratgies), MEM (Memory Strategies), COG ( Cognitive Strategies) sowie MET (Metacognitive Strategies) und fügt eine weitere Kategorie, nämlich DET (Determination Strategies), hinzu. Bei DET handelt es sich um Verfahren, auf die Fremdsprachenlerner zurückgreifen, um die Bedeutung eines neuen Wortes herauszufinden. Die insgesamt 58 Strategien ordnet SCHMITT zwei Gruppen zu, nämlich den Discovery Strategies und den Consolidation Strategies (1997: 207 f): lFLl.llL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... Strategies for the discovery of a new word's meaning DET Analyse part of speech DET Analyse affixes and roots DET Check for Ll cognate DET Analyse any available pictures or gestures DET Guess from textual context DET Bilingual dictionary DET Monolingual dictionary DET Word list DET Flash cards SOC Ask teacher for an Ll translation SOC Ask teacher for paraphrase or synonym of new word SOC Ask teacher for a sentence including the new word SOC Ask classmates for meaning SOC Discover new meaning through group work activity Strategies for consolidating a word once it has been encountered SOC Study and practise meaning in group SOC Teacher checks students' flash cards or word lists for accuracy SOC Internet with native speakers MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM MEM COG COG Study word with a pictorial representation of its meaning Image word' s meaning Connect word to a personal experience Associate the word with its coordinates Connect the word to its synonyms and antonyms Use semantic maps Use 'scales' for gradable adjectives PegMethod Loci Method Group words together to study them Group words together spatially on a page Use new word in sentences Group words together within a storyline Study the spelling of a word Study the sound of a word Say new word aloud when studying Image word form Underline initial letter of the word Configuration Use Keyword Method Affixes and roots (remembering) Part of speech (remembering) Paraphrase the word's meaning Use cognates in study Learn the word of an idiom together Use physical action when learning a word Use semantic feature grids Verbal repetition Written repetition lFLllllL 33 (2004) 87 88 COG COG COG COG COG COG COG MET MET MET MET MET Word lists Flash cards Take notes in class Use the vocabulary section in your textbook Listen to tape of word lists Put English labels on physical objects Keep a vocabulary notebook Use English-language media (songs, movies, newscasts, etc.) Testing oneself with word tests Use space word practice Skip or pass new word Continue to study word over time Inez De Florio-Hansen Ist das jeweilige Inventar erst einmal erstellt, wird es Fremdsprachenlernenden zur Begutachtung vorgelegt. Das geschieht in der Regel durch schriftliche Befragungen zum Gebrauch und zur Einschätzung des Nutzens der jeweiligen Strategien (z.B. STOPFER 1995, SCHMITT 1997, Foß/ PUDE 2001). Auf der Grundlage der Inventare und/ oder der Befragungsergebnisse werden dann Strategien ausgewählt, die im Rahmen von experimentellen Designs weiter untersucht werden. So versucht Morfeld herauszufinden, ob ein Strategientraining Anfängern in VHS-Kursen Englisch einen Vorsprung beim Wortschatzlernen gegenüber Teilnehmer/ -innen der Kontrollgruppe verschafft, denen diese Behandlung nicht widerfährt. STORK (2003) lässt Studierende unterschiedlicher Muttersprache ausschließlich Konkreta des Grundwortschatzes in einer Kunstsprache mit Hilfe von vier vorgegebenen Strategien, darunter die Schlüsselwortmethode, lernen. NEVELING (2004) führt Schüler/ -innen der Jahrgangsstufe 11 in die Arbeit mit Wortnetzen ein, die Ordnungsprinzipien des mentalen Lexikons widerspiegeln sollen, und untersucht anschließend den Nutzen, den die Probanden eine Kontrollgruppe fehlt aus dem Umgang mit den vorgegebenen Wortnetzen ziehen. Obgleich Schmitt mit seiner oben exemplarisch wiedergegebenen Taxonomie prinzipiell nicht anders verfährt, liefert seine Arbeit gleichwohl wichtige Ergebnisse. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass er seine schriftliche Befragung mit einer hohen Zahl von Probanden (n = 600) in unterschiedlichen Lernkontexten durchgeführt hat. Bei den Befragten handelt es sich um Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Ll: Japanisch), die in Japan in der Junior High School, der Highschool, der Universität sowie im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung Englisch lernen. Besonders interessant ist der Vergleich dieser Lerngruppen. Schmitt kann zeigen, dass kognitive Reife und Sprachlernerfahrungen den Gebrauch von Strategien für das Wortschatzlernen beeinflussen. Als Beispiel kann die Strategie MEM Image word's meaning dienen, die zunehmend mehr genutzt wird: Während nur 37 % der Englischlernenden der Junior High School diese Strategie nutzen, sind es auf der High School 47%; 57% der Universitätsstudenten wendenihren Angaben nach die Visualisierung der Wortbedeutung beim Englischlernen an, und sogar 58% der Englischlernenden in der betrieblichen Weiterbildung greifen darauf zurück. Auch was die Nützlichkeit bestimmter Strategien angeht, zeigt die Untersuchung von Schmitt, dass die Einschätzungen im Laufe der Sprachbiographien von Lernenden lFLlllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 89 beträchtlich variieren. Strategien, die auf größere Verarbeitungstiefe schließen lassen, nehmen zu (vgl. Kuoo 1999). Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass neben der kognitiven Reife und den Sprachlernerfahrungen zahlreiche andere Faktoren wie Einstellungen, Motivation, Fremdspracheneignung, Lernstil, kultureller Hintergrund (u.a. LI- oder L2-Kontext, vgl. Konc-SABO/ LIGHTBOWN 1999), die Aufgabenanforderungen und nicht zuletzt spezifische Merkmale der Zielsprache die Wahl beeinflussen (vgl. ELLIS 1994: 530, der die Interdependenz der einzelnen Faktoren in einem Überblick darstellt; MlßLER 1999). Am Rande sei vermerkt, dass ein Aspekt, der gerade mit Blick auf die Wortschatzarbeit von Fremdsprachenstudierenden von Bedeutung ist, in den Strategieninventaren der genannten Untersuchungen so gut wie keine Rolle spielt, nämlich die Wortschatzauswahl. Bereits Ende der 1970er-Jahre hat KRAMSCH (1979) das "word watching" als motivierendes und erfolgversprechendes Verfahren bei der Wortschatzarbeit empfohlen. Ziel des von ihr vorgeschlagenen vierstufigen Vorgehens ist es "to make the learning of vocabulary a personal and creative challenge for the student", und sie fährt fort: "Closely monitored by the teacher, each student is responsible for doing his or her daily 'word watching', and choosing the words he or she will learn, according to his or her needs" (KRAMSCH 1979: 153). HAGGARD (1986) und MCKENZIE (1991) konnten in empirischen Untersuchungen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachweisen, dass die Selbstselektion von lexikalischen Einheiten zu besseren Lernerfolgen führt als beispielsweise von der Lehrperson vorgegebenes Wortmaterial. Obgleich die meisten vorliegenden Untersuchungen letztlich zur Verbesserung des selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Fremdsprachenlernens beitragen sollen, steht nicht das lernende Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Strategien, von denen man annimmt, dass sie nützlich sein könnten. Weitgehend unberücksichtigt bleibt bei solchen forced choices selbst wenn sie nur in Form eines Fragebogens erscheinen-, dass Fremdsprachenlerner Strategien in höchst individuellen Ausprägungen und vielfältigen Kombinationen verwenden. Zudem setzt der einzelne Lernende eine bestimmte Strategie für unterschiedliche Ziele ein. So kann das Notieren einer Vokabel der Vorbereitung der folgenden „Lernarbeit" dienen; es kann aber auch Teil des Lernprozesses selbst sein. Deshalb ist das Fazit von Foß/ PuDE (2001: 26), die weitere Untersuchungen zum Strategiengebrauch anregen, sehr zu begrüßen: "Da sehr unterschiedliche Antworten zu erwarten sind, bleibt die Frage, ob Klassifizierungen von Wortschatzlernstrategien überhaupt sinnvoll sind oder ob sie nicht vielmehr eine Verallgemeinerung darstellen." Wer durch begründete Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen beitragen will, muss ohne Zweifel auf unzulässige Verallgemeinerungen verzichten. Daher sollte der tatsächliche Strategiengebrauch von Fremdsprachenlernenden den Ausgangspunkt der Überlegungen bilden. Einen solchen Ansatz verfolgt SANAOUI (1995). Neben den Ergebnissen einer Pilotstudie legt sie 12 Fallstudien aus dem anglophonen Sprachraum Kanadas vor. Die Proband/ -innen sind (in der Mehrzahl berufstätige) Erwachsene, die entweder Englisch oder Französisch als Fremdsprache lernen. Sie waren gehalten, täglich Eintragungen zu ihrer individuellen Wortschatzarbeit flLwL 33 (2004) 90 Inez De Florio-Hansen in eine Art „Vokabellerntagebuch" vorzunehmen. In den ersten Wochen der Untersuchungen sollten sie ihre allgemeinen Herangehensweisen möglichst detailliert beschreiben; die letzten beiden Wochen des in der Regel fünfbis sechswöchigen Untersuchungszeitraums waren dem Notieren der verwendeten "mnemonic procedures" gewidmet. Diese von Sanaoui ausgewerteten Aufzeichnungen wurden durch Interviews mit den Proband/ -innen ergänzt mit dem Ziel der kommunikativen Validierung bzw. der Elizitierung weiterer Einzelheiten. Zusätzlich analysierte die Forscherin in jedem Einzelfall die innerhalb und außerhalb des Unterrichts verwendeten Lehr- und Lernmaterialien. Die Auswertung der Daten führt zu einer generellen Unterscheidung zwischen einem strukturierten und einem unstrukturierten Vorgehen der Lernenden, das als Kontinuum zu verstehen ist (SANAOUI 1995: 24): Features of a Structured and an Unstructured Approach to Vocabulary Study Structured Approach Opportunities for learning vocabulary self-created independent study Range of self-initiated activities extensive Records of lexical items extensive (tend to be systematic) Review of lexical items extensive Practice of lexical items self-created opportunities in and outside the classroom Unstructured Approach reliance on course minimal independent study restricted minimal (tend tobe ad hoc) little or no review reliance on course Hinsichtlich der von ihnen verwendeten Gedächtnisstrategien machen die Proband/ -innen folgende Angaben: writing, immediate repetition, spaced repetition, using the lexical item, contextual associations, linguistic associations, imagery, talking about the lexical item with someone (vgl. SANAOUI 1995: 22-24). Die Forschungsergebnisse von Sanaoui sowie die der anderen vorgestellten Untersuchungen können erste Hinweise auf das Vorgehen von Fremdsprachenstudierenden bei der individuellen Wortschatzarbeit liefern. Dabei ist freilich über die unterschiedlichen Lernkontexte hinaus zu bedenken, dass an die zielsprachigen Kenntnisse von Fremdsprachenstudierenden und folglich auch an ihre Bemühungen um eine Verbesserung der fremdsprachlichen Kompetenz höhere Anforderungen zu stellen sind als beispielsweise an erwachsene Fremdsprachenlernende, die aus Interesse und/ oder beruflichen Gründen eine Fremdsprache (weiter-)lernen wollen. lFILl.llL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 91 4. Das Untersuchungsdesign Folgende Hypothesen lassen sich aus den bisherigen Überlegungen ableiten: 1. Die Anstrengungen von Fremdsprachenstudierenden hinsichtlich der individuellen Wortschatzarbeit sind unzureichend. 2. Die Studierenden haben zwar im Laufe der Jahre Techniken und Strategien ausgebildet; die von ihnen verwendeten Verfahren führen jedoch nicht zum gewünschten Erfolg. 3. In den universitären Lehrveranstaltungen werden Lernprozesse, insbesondere selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Lernen der Studierenden, zu wenig thematisiert. 4. Es lassen sich Unterschiede hinsichtlich der individuellen Wortschatzarbeit zwischen Studienanfängern und Studierenden nach dem ersten Studienjahr bzw. im Hauptstudium feststellen. 5. Es lassen sich Unterschiede feststellen zwischen Studierenden die eine und solchen, die mehrere Fremdsprachen studieren. 6. Lehramtsstudierende zeichnen sich durch einen höheren Bewusstseinsstand und folglich differenziertere Wortschatzlernstrategien aus als Magister- und Diplomstudierende. 4.1 Zur Forschungsmethodologie Generell gehe ich davon aus, dass Realität auch unabhängig vom erkennenden Subjekt existiert und zumindest teilweise der Untersuchung zugänglich gemacht werden kann (vgl. DE FLORIO-HANSEN 1998). Gleichwohl spielen subjektive bzw. von Mitgliedern eines Kollektivs geteilte Sichtweisen eine herausragende Rolle. Da viele Prozesse des Fremdsprachenlernens nicht von außen gesteuert werden können und nicht beobachtbar sind, ist man zumindest in der Phase der Exploration auf intro-/ retrospektive Daten angewiesen. Andererseits gibt es im Bereich des Fremdsprachenlehrens und -lernens Wirkungen, die auf bestimmte oder bestimmbare Ursachen zurückzuführen sind. Über diesen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang kann man mit Hilfe empirischer Untersuchungen Erkenntnisse gewinnen, die dem analytisch-nomologischen Ansatz zuzurechnen sind. Aus Pilotstudien gewonnene weiterführende Hypothesen müssen systematisch an der Realität überprüft werden, wenn man die Generalisierbarkeit nicht gänzlich aufgeben will. „Qualitative" Designs, die ausschließlich auf das Verstehen von Intentionen oder von Gründen für bestimmte Handlungen einzelner Individuen fokussieren, sind folglich mit Skepsis zu betrachten (vgl. auch GROTJAHN 4 2003, WELLENREUTHER 2000). Daher muss eine Untersuchung zum Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden auch die „Außenperspektive" gebührend berücksichtigen (vgl. 6. Schlussfolgerungen). Das Ziel der Untersuchung besteht letztendlich darin, geeignete Formen der Lernberatung in den sprachpraktischen Übungen zu etablieren und insbesondere die Veranstaltungen der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung umzugestalten bzw. zu ergänzen: Die Studierenden müssen in die Lage versetzt werden, sich selbst stärker als Fremdsprachenlernende FlLlllL 33 (2004) 92 Inez De Florio-Hansen zu verstehen und die in den Seminaren vorgestellten didaktischen Theorien und unterrichtspraktischen Verfahren zum eigenen Lernen in Beziehung zu setzen. Diese Adaption geht über die notwendige Transformation von wissenschaftlichem Wissen in unterrichtsbezogenes Handlungswissen deutlich hinaus. In der Absicht, erste Einblicke in die individuelle Wortschatzarbeit von Studierenden einer oder mehrerer Fremdsprachen im Sinne der oben formulierten Hypothesen zu gewinnen, bietet sich eine schriftliche Befragung an. In Folgenden wird das Untersuchungsdesign dieser explorativen Studie beschrieben, die Aufschluss darüber geben soll, wie Fremdsprachenstudierende mit lexikalischem Material der studierten Fremdsprache(n) konkret umgehen. In Abschnitt 4.2 gehe ich auf die Expertengesprächen ein, die der Erstellung und Erprobung des Fragebogens vorangingen (vgl. 4.3). Es folgen erste Ergebnisse der Befragung (n = 72), die im Wintersemester 2003/ 04 im Fachbereich Anglistik/ Romanistik der Universität Kassel durchgeführt wurde (vgl. Abschnitt 5). 4.2 Expertengespräche Um herauszufinden, ob die generierten Hypothesen im wesentlichen zutreffen, sind sogenannte Expertengespräche angezeigt. Diese Informationsgespräche führte ich in Form von halbstrukturierten Interviews per Telefon mit ausgewählten Studierenden (3 Lehramtsstudierende, 1 Diplom- und 1 Magisterstudierende) sowie einer Absolventin durch. Alle befragten Studierenden befinden sich in der zweiten Hälfte des Studiums; 4 haben die Zwischenprüfung bereits abgelegt. Die Absolventin (Studienfächer: Englisch, Französisch) hat die Referendarausbildung abgeschlossen und unterrichtet an einem Gymnasium. Alle Befragten teilten die Einschätzung, dass autonomes Lernen vornehmlich im Bereich der Lexik stattfindet. 4 der 5 Studierenden betreiben ihrer Aussage nach regelmäßig Wortschatzarbeit. Ähnliches berichtet die Absolventin. Ein Student (L2, Englisch, Französisch, 9. Semester) gibt an, fast täglich Wortschatzarbeit in den beiden Fremdsprachen mit Hilfe von zwei Lernkarteien zu betreiben. Die lexikalischen Einheiten für seine Wortschatzarbeit stammen zum einen aus den sprachpraktischen Übungen, zum anderen aus Texten, die er aus dem Internet herunterlädt (z.B. aus Le Monde). Er notiert die Vokabeln in der Regel im Kontext auf einer Karteikarte, auf deren Rückseite er die deutsche Entsprechung vermerkt. Auf das Verfahren mit der Lernkartei ist er nach eigenen Aussagen durch ein Buch von Sebastian Leitner gestoßen, welches er aufgrund von Lernschwierigkeiten in der 9. oder 10. Klasse gelesen hat. Er hat das Gefühl, dass die Lernkartei seinen Bedürfnissen besonders entgegen kommt: Nach seinem Empfinden wandern die Vokabeln mit der Zeit ins Langzeitgedächtnis, und man wird dadurch belohnt, dass man das Kärtchen von einer Sektion in die nächste verschieben darf. Außerdem ist der Student bemüht, möglichst viel Input in Englisch und Französisch durch Spielfilme über DVD zu bekommen, ein Verfahren, bei dem man zwischen der englischen und französischen Fassung der Filme wechseln kann. Der Student beklagt insgesamt, dass in der Schule und insbesondere auf der Universität die Vermittlung geeigneter Lernstrategien eine viel zu geringe Rolle spielt. Ebenfalls mit einer Lernkartei arbeitet eine Studentin (L3, Französisch, Geschichte, 10. Semester). Einzelne Karteikärtchen mit Vokabeln, die sie sich nur schwer merken kann, exponiert sie, z. B. durch Anbringen an einem Spiegel. Das Vokabular, welches sie auf den Karteikärtchen notiert, stammt aus unterschiedlichen Quellen, u.a. den sprachpraktischen Übungen, der Sprachzeitschrift Ecoute, der lFL1.IIL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 93 Fachzeitschrift Der fremdsprachliche Unterricht - Französisch sowie Fernsehsendungen, die sie gelegentlich sieht. Sie notiert auch Formulierungen, die sie im Zusammenhang mit der eigenen Sprachproduktion nachschlagen bzw. erfragen musste. Auf den Kärtchen vermerkt sie z. B. Verben mit zugehöriger Präposition, die sie in einer anderen Farbe hervorhebt, oder Hinweise zum comportement syntaxique, ebenfalls farblich markiert. Ganze Sätze kamen früher häufiger vor, sind in letzter Zeit aber seltener geworden. Nur in Ausnahmefällen, wenn ihr eine Vokabel völlig neu ist, vermerkt sie auf der Rückseite der Karteikarte die deutsche Bedeutung. Das beschriebene Verfahren kenne sie mit Sicherheit nicht aus der Schule. Dort habe sie die ihrer Ansicht nach wenig effektive Technik des Lernens von Vokabellisten verwendet. Sie vermutet, dass ein Dozent oder Mitstudierende ihr das Lernen mit einer Vokabelkartei näher gebracht haben. Nach ihren Aussagen erfolgen in den sprachpraktischen Übungen keine Hinweise zur systematischen Wortschatzarbeit. Eine Diplomstudierende (HF: Englisch, NF: Französisch, Wirtschaftswissenschaften, 11. Semester) betreibt ihren Angaben nach keine systematische Wortschatzarbeit in ihrem Hauptfach Englisch. Das führt sie auf bessere Sprachkenntnisse sowie zwei längere Aufenthalte im englischsprachigen Ausland zurück. Zudem sehe sie regelmäßig Filme in englischer Sprache. In ihrem Nebenfach Französisch betreibe sie einigermaßen regelmäßig Wortschatzarbeit, zum einen auf der Grundlage der Sprachzeitschrift Ecoute, zum anderen mit einem PC-Vokabeltrainer, der thematisch geordneten Wortschatz anbietet. Sie macht sich Notizen sowohl Einzelwörter als auch Ausdrücke - und versucht, sie sich auf verschiedene Art einzuprägen. Das gelinge meist nur unzureichend; besseres Behalten konstatiere sie, wenn die Wörter in Texte eingebettet sind, die sie mehrmals durchlese. Außerdem sehe sie gelegentlich auch französischsprachige Filme an. Vor längerer Zeit habe sie eine Veranstaltung der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung zum Wortschatzlernen besuchen wollen, um konkretere Hinweise zu erhalten. Aus Zeitmangel sei dies aber nicht möglich gewesen. Eine Magisterstudierende (Italienisch im 6. Semester, Kunstwissenschaft im 10. Semester) betreibt nach eigenen Aussagen ebenfalls regelmäßig Wortschatzarbeit, nachdem sie die Italienischkurse, die im Fachbereich angeboten werden, absolviert hat. Die italienischen Wörter (einzelne Vokabeln und Ausdrücke), die sie auf kleinen Zetteln notiert, stammen meist aus Büchern (z. B. zur Kunstwissenschaft) und Zeitschriften. Häufig füge sie entweder die deutsche oder die ungarische Übersetzung die Studentin stammt aus Ungarn hinzu. Sie gibt an, die Notizen immer wieder durchzugehen, z. B. bei Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, und Wörter, die sie nur schwer behalten kann, mit Bleistift zu markieren. Bisweilen hänge sie einige Zettel auch an ihrem Arbeitsplatz (z.B. in der Küche eines Restaurants) auf, um zwischendurch immer wieder einen Blick darauf zu werfen. Diesen vier Studierenden, die ihren Angaben nach regelmäßig Wortschatzarbeit betreiben, steht ein Studierender (L3, Französisch, Deutsch, Sozialkunde, 5. Semester) gegenüber, der nur bei Bedarf die Bedeutung ihm unbekannter Vokabeln nachschlägt und in deutscher Sprache auf dem Rand der entsprechenden Texte vermerkt, die aus verschiedenen universitären Lehrveranstaltungen stammen. Systematische Wortschatzarbeit betreibe er nicht; zwar kenne er verschiedene Techniken und Strategien für die Wortschatzarbeit in der Schule, zweifle aber an der Eignung dieser Verfahren für erwachsene Fremdsprachenlerner. Zudem seien sie meist zu zeitaufwendig. Das Lernen mit einer Kartei habe er einmal ins Auge gefasst, es komme seinen Bedürfnissen aber nicht entgegen. Außerdem fehle es ihm an geeigneten Ausschnitten aus dem zielsprachigen Wortschatz. Seinen Worten kann man entnehmen, dass er an Fachvokabular oder zumindest an thematisch geordneten Wortschatz denkt. Es gebe seines Wissens keine geeigneten Lernmaterialien (z.B. einen Aufbauwortschatz) für fortgeschrittene Fremdsprachenlernende. Auch er beklagt, dass in den sprachpraktischen Übungen keine Hilfen für das autonome Fremdsprachenlernen gegeben werden. Erwartungsgemäß hat die Absolventin (L3, Englisch, Französisch) einen höheren Reflexionsstand. Sie habe regelmäßig Wortschatzarbeit im Französischen betrieben, während sie die englische Sprache eher inzidentell gelernt habe. Dass sie im Englischen eher „intuitiv" vorgegangen sei, führe sie auf die enge Verwandtschaft zwischen Englisch und Deutsch zurück. Die französischen lexikalischen Einheiten JFLIIIL 33 (2004) 94 Inez De Florio-Hansen (weniger Einzelwörter als vielmehr Ausdrücke wie Kollokationen, Syntagmen etc.) habe sie den sprachpraktischen Übungen, authentischen Texten verschiedener Provenienz (Fachwissenschaften, private Lektüre) sowie Kontakten mit native speakers entnommen. Die Vokabeln habe sie systematisch notiert, im Kontext sowie mit französischer Erklärung nach dem Nachschlagen in einsprachigen, seltener in zweisprachigen Wörterbüchern. Gelegentlich habe sie die deutsche Übersetzung hinzugefügt. Anschließend habe sie versucht, sich die notierten lexikalischen Einheiten einzuprägen, z.B. durch Poster, die sie bei sich zu Hause aufgehängt habe, durch Notieren auf besondere Merkzettel sowie durch Eingabe in den PC. Hinweise zur Wortschatzarbeit habe sie vereinzelt in den sprachpraktischen Übungen, insbesondere aber in fachdidaktischen Seminaren zur Wortschatzarbeit erhalten. Dabei habe sie versucht, die für den schulischen Unterricht propagierten Techniken und Strategien auf die eigene Person zu übertragen, d. h. sie an die eigenen Erfordernisse anzupassen. Zwar hat sie ihren Angaben nach während des Studiums mit einigen wenigen Kommilitonen/ -innen zusammengearbeitet, die ähnlich vorgegangen seien wie sie, glaubt aber, dass viele Studierende keine systematische Wortschatzarbeit betreiben bzw. keine regelmäßigen Anstrengungen unternehmen, um ihre Kenntnisse in den studierten Fremdsprachen zu verbessern. Das führt sie darauf zurück, dass die meisten Lehramtsstudierenden die Zielsprache nur bis zu dem Kenntnisstand vertiefen wollen, der für das Unterrichten unabdingbar sei, und es vielen außerdem am entsprechenden Sprach(lern)bewusstsein fehle (vgl. hingegen DE FLORIO-HANSEN 1997). Sie persönlich sei in erster Linie daran interessiert, Kontakte zu native speakers aufzubauen. 4.3 Erstellung und Erprobung des Fragebogens Die eigenen Erfahrungen, Gespräche mit verschiedenen Dozenten sowie die in 4.2 zusammengefassten Ergebnisse der halbstrukturierten Interviews bildeten die Grundlage für den Itempool der (ersten) schriftlichen Befragung 2• Dabei geht es nicht nur um Vokabellernen im engeren Sinn, welches nur einen ersten Schritt bei der komplexen Aufgabe lexikalischen Lernens darstellt (vgl. SCHERFER 4 2003). Der Fragebogen soll alle wichtigen Schritte aus der Perspektive der Studierenden reproduzieren: Wie oft und wie lange wird Wortschatzarbeit betrieben? Woher stammen die lexikalischen Einheiten? Nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt? Wie wird das Lernen vorbereitet, durchgeführt und überprüft? Wie steht es mit der Zufriedenheit bzw. dem Erfolg der Bemühungen? Da es sich lediglich um eine Pilotstudie mit explorativem Charakter handelt, ist klar, dass der Fragebogen neben geschlossenen auch eine größere Zahl offener Fragen enthält. Dabei wurde berücksichtigt, dass auch offene Fragen statistisch analysiert werden können, selbst wenn sie nur nominal- und ordinalskalierbare Daten liefern. Viele Fremdsprachenforscher stehen der durch Quantifizierung unvermeidlichen Reduktion so genannter „qualitativer" Merkmale ablehnend gegenüber (vgl. u.a. MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-VONDITFURTH 2001, dazu DEFLORIO-HANSEN 2004a). EHLICH (1993: 214- 216) führt zu diesem Punkt aus, dass die Quantifizierung eine reiche, komplexe, konkrete Erscheinung auf ein einziges, gleichwohl qualitatives Merkmal reduziere, nämlich auf seine Zählbarkeit. Dem halte ich entgegen, dass die schrittweise Umwandlung der kategorisierten Antworten auf offene Fragen, z.B. in Likert-Skalen, die Intervallskalen- 2 Der Fragebogen ist im Anhang [S. 110-113] abgedruckt. Das Layout wurde weitestgehend beibehalten. lFlLlllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 95 niveau erreichen und eine inferenzstatistische Auswertung ermöglichen, immer dann keine unzulässige Reduktion der Erscheinung beinhalten, wenn die Forschenden mit Hilfe explorativ-interpretativer Designs einen vertieften Überblick über die zu untersuchenden Aspekte eines Phänomens gewonnen haben. Wer bei den ohne Zweifel interessanten - Äußerungen lernender Individuen stehen bleibt, ersetzt die Subjektivität der Forschenden durch eine neue Form der Subjektivität. Will man jedoch zu Ergebnissen gelangen, die eine gewisse Generalisierbarkeit gestatten, kommt man um die Quantifizierung der Daten m. E. nicht herum. Insgesamt plädiere ich daher für einen polymethodologischen Ansatz über die Grenzen methodologischer Paradigmen hinweg (vgl. GROTJAHN 1993, DIEKMANN 2001). Dabei sollten zunehmend mehr Forschungsmethoden zum Einsatz kommen, die eine Quantifizierung gestatten (vgl. 6. Schlussfolgerungen). Der erarbeitete Fragebogen enthält alle gängigen Fragetypen (vgl. DIECKMANN 2001: 404; eine differenziertere Einteilung findet sich bei DöRNYEI 2003: 8 t): 1. Fragen nach Einstellungen; 2. Fragen nach Überzeugungen, d.h. subjektiven Aussagen zu Fakten; 3. Fragen nach dem Verhalten, d.h. Retrospektivfragen zu Häufigkeit, Dauer sowie der Art von Handlungen; 4. Fragen nach sozialdemographischen Merkmalen (am Ende des Fragebogens). Auch was die Empfehlungen zum Item-writing und die Anordnung der ltems angeht, folgt der Fragebogen den bekannten Hinweisen (vgl. DöRNYEI 2003: 50 ff). In einem Punkt bin ich jedoch von den Empfehlungen abgewichen. Während offene Fragen in der Regel am Ende des Fragebogens stehen und warm-up- oder Eisbrecherfragen den Auftakt eines questionnaire bilden sollen, stelle ich gleich zu Beginn zwei anspruchsvollere offene Fragen. Da Fremdsprachenstudierende als Experten für das Fremdsprachenlernen gelten können, sollen sie erwachsenen Fremdsprachenlernenden raten, was man zur Verbesserung seiner Fremdsprachenkenntnisse und insbesondere zur Erweiterung des zielsprachigen Wortschatzes tun kann. Für dieses Vorgehen gab es mehrere Gründe: In erster Linie sollten die Studierenden unbeeinflusst vom Inhalt der folgenden ltems Techniken und Strategien sowie sonstige ihnen bekannte Verfahrensweisen nennen. Außerdem wollte ich auf diese Weise konkretere Antworten zum Stand ihrer Sprachlernbewusstheit auch von den Studierenden erhalten, die keine regelmäßige Wortschatzarbeit betreiben und folglich die Abschnitte II - VI des Fragebogens nicht auszufüllen brauchten.Die erste Fassung des Fragebogens wurde an zwölf Studierenden erprobt. Gleichzeitig habe ich den Fragebogen Experten von SoFoK, der im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften angesiedelten Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle der Universität Kassel, zur Begutachtung vorgelegt. 3 Da die Monita dieser Experten sich mit den Schwierigkeiten deckten, die einzelne Studierende bei der Beantwortung ausgewählter Unter den vielfältigen Aktivitäten von SoFoK ist die Erarbeitung, Bereitstellung und Auswertung eines Fragebogens (KEVIN: Kasseler Evaluationsinstrument für Lehrveranstaltungen) besonders zu erwähnen. lFLwL 33 (2004) 96 Inez De Florio-Hansen Items hatten, war es relativ leicht, die endgültige Fassung des Fragebogens zu erstellen, die den Studierenden in verschiedenen Lehrveranstaltungen der Anglistik und der Romanistik im booklet format vorgelegt wurde. 5. Ausgewählte Ergebnisse der schriftlichen Befragung 4 5.1 Die Studierenden und die studierten Fremdsprachen Die Stichprobe (n = 72), mit der die Befragung durchgeführt wurde, bietet soweit es sich als durchführbar erwies ein Abbild der Gesamtpopulation des Fachbereichs Anglistik/ Romanistik der UniK. Hinweise auf die Gesamtpopulation wurden den verschiedenen Statistiken entnommen, die von der Hochschulverwaltung in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden. Aufgrund der Fächerstatistik der UniK waren im Sommersemester 2003 insgesamt ca. 1300 Studierende für Anglistik/ Amerikanistik und ca. 500 Studierende für die drei romanischen Sprachen eingeschrieben. Während in der Anglistik/ Amerikanistik 18 % Diplom- und 17 % Magisterstudierende zu verzeichnen sind, stellen die Lehramtstudierenden mit 65 % das größte Kontingent. In der Romanistik stellt sich die Verteilung anders dar: 39 % Lehramtsstudierenden stehen 42 % Magister- und 19 % Diplomstudierende gegenüber. Dabei entfallen auf Französisch 53 %, auf Spanisch 34 % (mit steigender Tendenz) und auf Italienisch 13 %. Insgesamt kann man sagen, dass von den 1800 Einschreibungen im Fachbereich knapp ¾ auf die Anglistik/ Amerikanistik und etwas mehr als ¼ auf die Romanistik entfallen. Diese Fächerstatistik sagt noch nichts über die tatsächliche Zahl der Studierenden aus, da ca. 1/ 3 der Student/ innen zwei (und mehr) Fremdsprachen studieren. Unter den 72 in die Befragung einbezogenen Student/ innen befinden sich 41 Lehramts-, 18 Diplom- und 13 Magisterstudierende. Das entspricht weitgehend der Zusammensetzung der Gesamtpopulation, wenn man Anglistik/ Amerikanistik und Romanistik zusammennimmt und berücksichtigt, dass ein Teil der Studierenden Englisch und eine romanische Sprache studiert. Lediglich hinsichtlich des Anteils der Magisterstudierenden mussten bei der schriftlichen Befragung Abstriche gemacht werden. Es erwies sich als äußerst schwierig, eine angemessene Zahl von Magisterstudierenden einzubeziehen, weil sie in den Lehrveranstaltungen, in denen der Fragebogen verteilt wurde, nur in geringer Zahl vertreten waren. 5 4 Die Auswertung erfolgte mit SPSS Version 10.0. Ein Gespräch mit der Magisterprüfstelle der UniK bestätigte die Vermutung, dass zahlreiche Studierende im Magisterstudiengang „parken". Unentschlossenen ohne festes Berufsziel wird oft geraten, sich (zunächst) für diesen Studiengang einzuschreiben. Viele Magisterstudierende sind berufstätig oder arbeiten, um das Studium zu finanzieren. Erschwerend kommt an der UniK hinzu, dass die Studierenden, die noch kein Latinum haben, diese Sprachkenntnisse „in eigener Regie" erwerben und folglich die Kosten für entsprechenden Unterricht tragen müssen. Zudem ist aufgrund der Modularisierung die Zukunft des Magisterstudiengangs ungewiss. Das alles führt dazu, dass in den Lehrveranstaltungen vergleichsweise wenig Magisterstudierende anzutreffen sind. Diejenigen allerdings, die regelmäßig Lehrveranstaltungen besuchen, scheinen besonders aktiv zu sein (vgl. lFL1lllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 97 26 der 72 Studierenden sind für zwei Fremdsprachen eingeschrieben; davon studieren Englisch und Französisch: Englisch und Spanisch: Englisch und Italienisch: Französisch und Spanisch: Italienisch und Spanisch: 10 81 6 Insgesamt studieren von den 72 Befragten Anglistik/ Amerikanistik: Französisch: Spanisch: Italienisch: 50 (44 als Haupt- und 6 als Nebenfach) 20 (19 als Haupt- und 1 als Nebenfach) 22 (15 als Hauptfach- und 7 als Nebenfach) 6 (6 als Hauptfach) 6 Die Stichprobe umfasst Studierende vom 1. bis zum 16. Studiensemester, wobei auf die Semester 1-4 34 Studierende entfallen gegenüber 32 Studierenden vom 5.-16. Semester (6 o. A.)7. Auffällig ist, dass sich die überwiegende Mehrzahl der 72 Studierenden zumindest formal noch im Grundstudium befindet, also die erforderliche Zwischenprüfung noch nicht abgelegt hat. Lediglich 19 Studierende geben an, die Zwischenprüfung absolviert zu haben. 8 Mehr als zwei Monate zusammenhängend in einem oder mehreren Zielsprachenländern verbrachten 29 Studierende (gegenüber 43, die mit Nein antworten). Dabei dominieren Großbritannien und Frankreich mit je 8 Nennungen gefolgt von den USA mit 7, Italien mit 5 und Spanien mit 4. 6 von 8 Studierenden, die zwei Fremdsprachen studieren, waren längere Zeit in beiden Ländern, zwei, die nur eine Fremdsprache studieren, haben sich über zwei Monate in zwei verschiedenen Ländern aufgehalten. 5.2 Zum Wortschatzlernen der befragten Studierenden 5.2.1 Häufigkeit und Dauer der individuellen Wortschatzarbeit Von den 72 in die Befragung einbezogenen Student/ innen geben 38 an, regelmäßig bzw. systematisch Wortschatzarbeit in einer oder beiden Studienfremdsprachen zu betreiben. Ein Unterschied zwischen Hauptfach- und Nebenfachstudierenden ist nicht festzustellen. Hinsichtlich der Studiengänge ergibt sich folgende Verteilung: 5.2.1, Graphik 1 [S. 98]). 6 Die Zahl 98 ergibt sich wie folgt: 26 Studierende mit 2 Studienfremdsprachen = 52 + 46 Studierende mit einer Studienfremdsprache = 98. 7 Bei Studierenden, die je nach Fach unterschiedliche Semesterzahlen angeben, liegt diesen Angaben die Semesterzahl der Fremdsprache, welche als Hauptfach studiert wird, zugrunde, z.B. Englisch 3. Semester/ Spanisch 1. Semester = 3. Studiensemester. 8 Studierende für das Lehramt an Grundschulen sowie für das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen brauchen keine Zwischenprüfung abzulegen. IFLllL 33 (2004) 98 ► Graphik 1 tl 100 ] 90 80~ 70 60 50 40 30 20 10 0 1 Lehramt Diplom Magister Inez De Florio-Hansen nein ja Studiengang Von den 34 Befragten, die auf die entsprechende Frage mit Nein antworten, werden meist mehrere Gründe angeführt: Zeitmangel wird 12 mal als Grund angegeben, gefolgt von der Meinung, man verfüge bereits über ausreichende Kenntnisse (9 Nennungen). Faulheit, Lustlosigkeit, Mangel an Disziplin werden von 8 Studierenden genannt; keinen genauen Grund können 7 der Befragten angeben (sporadisches Nachschlagen ohne Vertiefung). Je 3 Nennungen entfallen auf Wortschatzarbeit ohne Systematik oder auf Mangel an geeignetem Input bzw. sinnvollen Lernstrategien. Die Angaben zur Dauer der Wortschatzarbeit in den jeweiligen Fremdsprachen bestätigen weitgehend die Vorannahmen, nämlich dass die Studierenden im Englischen geringere Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Wortschatzkenntnisse unternehmen als in den romanischen Sprachen. Insgesamt reicht die Dauer der Wortschatzarbeit von 10 Minuten pro Woche bis zu 6 Stunden. Die Mittelwerte betragen für Englisch: Französisch: Italienisch: Spanisch: 62, 8 Min. 95 Min. 90Min. 82,5 Min. Als Gründe für die unterschiedliche Dauer der Wortschatzarbeit in den beiden Studienfremdsprachen geben die Befragten, die zwei Fremdsprachen studieren, an, eine der beiden Sprachen sei ihnen geläufiger (8). Spanisch- und Italienischstudierende, die in der Mehrzahl erst auf der Universität mit dem Erlernen der jeweiligen Fremdsprache begonnen haben, führen den größeren Aufwand auf den Umfang der in den Sprachkursen gestellten Hausaufgaben zurück (3 Nennungen). Als Gründe für das unterschiedliche Vorgehen geben Studierende (2) auch an, in einer der beiden Sprachen sei durch Kontakte zu native speakers weniger Wortschatzarbeit nötig (als in Fremdsprachen, wo solche Kontakte fehlen) (ohne Unterschiede: 2, keine Angaben: 2). Zwei Zitate sollen die kurz angesprochenen Ergebnisse belegen: Eine Diplomstudierende (HF: Französisch, NF: Spanisch, Wirtschaftswissenschaften, 4. Semester) schreibt: lFL111L 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 99 „Französisch praktiziere ich dadurch, dass ich oft Freunde in Frankreich anrufe oder ihnen schreibe. Die Möglichkeit habe ich im Spanischen nicht." Eine andere Diplomstudierende mit der gleichen Fächerkombination (1. Semester) macht folgende Angaben: "Ich verbrachte jetzt ein Jahr in Frankreich. Deshalb verließ ich mich auf meine Sprachkenntnisse. Wie sich jetzt herausstellte, war dies ein Fehler. Spanisch schenkte ich mehr Zuwendung, da ich es dieses Jahr wieder aufgenommen habe." 9 5.2.2 Herkunft der lexikalischen Einheiten Auf die Frage nach der Herkunft der lexikalischen Einheiten, die sie für lemenswert halten, nennen die meisten Studierenden mehrere Quellen. Die Auflistung folgt der Reihenfolge des Fragebogens: aus Texten/ Materialien der sprachpraktischen Übungen 29 aus Texten anderer Lehrveranstaltungen 21 aus eigener Lektüre 35 aus Wortschatzsammlungen 13 aus herkömmlichen Medienangeboten 30 aus computergestützten Angeboten 9 aus Kontakten mit Zielsprachensprecher/ innen 21 aus sonstigen Quellen 5 Als sonstige Quellen geben die Studierenden u.a. die Wiederholung von Vokabeln durch Erteilen von Nachhilfe an. Das im questionnaire folgende Item gibt Auskunft darüber, wie die Befragten ihre Selbstständigkeit im Zusammenhang mit der Auswahl der Vokabeln einschätzen. Auf die Frage, ob die lexikalischen Einheiten aus selbstständig erschlossenen Quellen stammen, antworten die Studierenden wie folgt: ja, immer 4 häufig 30 nur selten 4 nein, überhaupt nicht 0 Da für das Fremdsprachenlernen, insbesondere auf fortgeschrittenem Niveau, authentischen Texten besondere Bedeutung zukommt, sollten die Student/ innen angeben, ob die lexikalischen Einheiten vorwiegend aus Originaltexten oder aus didaktisierten Materialien stammen. 36 Studierende wurden in die Auswertung einbezogen (die Antworten von 2 Studierenden konnten nicht berücksichtigt werden, weil sie zwei Kategorien angekreuzt haben): nur aus authentischen Texten eher aus authentischen Texten teils/ teils 5 9 19 9 Eine Rückfrage bei der Studentin ergab, dass sich ihre Französischkenntnisse in den sprachpraktischen Übungen als stark verbesserungsbedürftig erwiesen. lFLlllL 33 (2004) 100 eher aus didaktisierten Texten nur aus didaktisierten Texten 3 0 Inez De Florio-Hansen Man kann den für dieses ltem vorgegebenen Antwortkategorien entgegenhalten, dass sie die Befragten dazu verleiten, sich auf die mittlere Position „teils/ teils" zurückzuziehen. Andererseits kann die mittlere Position in diesem Fall durchaus den von den Studierenden wahrgenommenen Erscheinungen entsprechen. So ist beispielsweise der Anteil didaktisierter (=für Textsammlungen aufbereiteter authentischer) Texte an den Materialien, die in sprachpraktischen Übungen verwendet werden, nur schwer zu bestimmen. In diesem Zusammenhang muss man auch berücksichtigen, dass in den Sprachkursen (Italienisch und Spanisch) Lehrwerke zugrunde gelegt werden. 5.2.3 Zur Auswahl bestimmter lexikalischer Einheiten Die Studierenden wählen bestimmte lexikalische Einheiten für ihre individuelle Wortschatzarbeit nach folgenden Gesichtspunkten aus: Nützlichkeit im Alltag, in gängigen Situationen 18 persönliches Interesse, Spaß 17 Relevanz für das Studium 12 Aktualität, Zeitgeschehen 7 Textverständnis 6 generelle Wortschatzerweiterung 6 Schwierigkeitsgrad 4 Als Beispiel kann die Antwort einer Lehramtsstudierenden (L3, Englisch, Spanisch, 3./ 1. Semester) dienen. Auf die Frage nach den die Auswahl bestimmenden Gesichtspunkten antwortet sie: "Nach folgenden Kriterien: Enthält der Text viele Wörter, die man im täglichen Leben braucht? Ist das Thema eines, das mich persönlich besonders interessiert? Enthält der Text auffällig viele Wörter, die ich nicht kenne? " Das folgende Zitat belegt die Schwierigkeiten bei der Kategorisierung von Antworten auf offene Fragen. Die Studentin (Ll, HF: Englisch, NF: Mathematik, Religion, 10. Semester): "Ich würde sagen nach Interesse und Nutzen. Es gibt vieles, was mich privat interessiert, für die Uni jedoch nicht direkt relevant ist. Außerdem muss ich mich auf Grund der Unigegebenheiten mit vielem befassen, was mich nicht brennend interessiert, aber nützlich ist." Bei der Frage nach der Bevorzugung von Einzelwörtern vs. Ausdrücken gelten die Überlegungen, die für die Dichotomie authentische vs. didaktisierte Texte in 5.2.2 angestellt wurden. Auch in diesem Fall entspricht das Ergebnis vermutlich der von den Befragten wahrgenommenen Realität. Danach beziehen sich die ausgewählten lexikalischen Einheiten (ohne Angabe: 1, doppelt angekreuzt: 1): nur auf Einzelwörter eher auf Einzelwörter teils/ teils eher auf Ausdrücke nur auf Ausdrücke 0 2 313 0 lFlLllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 101 5.2.4 Zum Vorgehen bei der individuellen Wortschatzarbeit und den Resultaten Die befragten Student/ innen wenden beim Umgang mit lexikalischen Einheiten unterschiedliche Verfahren in vielfältigen Kombinationen an, insbesondere um sich die Vokabeln dauerhaft einzuprägen. Zur Veranschaulichung führe ich die Antworten ausgewählter Studierender an: Eine Diplomstudentin (HF: Französisch NF: Spanisch, Wirtschaftswissenschaften; 1. Sem.) schreibt: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „bilde ich kleine Eselsbrücken oder versuche ein Wort z.B. seiner Familie zuzuordnen. Bei einzelnen Wörtern präge ich mir auch nur das Gegenteil des zu lernenden Wortes ein. Die an dem Tag gelernten Wörter versuche ich dann in die Selbstgespräche einzufügen, damit diese gefestigt werden." Eine andere Diplomstudentin (Französisch, Wirtschaftswissenschaften, 1. Sem.) äußerst sich wie folgt: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „schreibe ich die Vokabeln zuerst in ein Vokabelheft oder auch auf Karteikarten, die man ständig bei sich tragen kann. Um mir die einzelnen Wörter zu merken, bilde ich in Gedanken mit ihnen Sätze. Im Unterricht, im Umgang mit Muttersprachlern versuche ich die Wörter so häufig wie möglich anzuwenden - Kontrolle durch die Reaktion der anderen." Eine Lehramtsstudentin (Ll, HF: Englisch, NF: Mathematik, Religion, 10. Sem.) verfährt ähnlich: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „versuche ich, sie in eine Lebenssituation zu übertragen. Ich versuche, sie in Texten wiederzufinden oder sie in Gespräche mit Muttersprachlern einzubauen, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich ihren Sinn verstanden habe und sie richtig anwenden kann." Eine andere Lehramtsstudentin (Ll, HF: Englisch, NF: Musik, Deutsch, 12. Semester) hält visuelle und auditive Assoziationen für lernfördernd: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „schreibe ich den Begriff oder Satz auf eine Karteikarte, ermittle die Bedeutung über das einsprachige und das zweisprachige Wörterbuch, schaue nicht nur von Englisch zu Deutsch sondern bei Unklarheiten auch anders herum. Ist mir die Bedeutung klar, schaue ich diesen Begriff im Wechsel zur Bedeutung an und versuche ihn geistig zu sehen und zu hören. Das wiederhole ich so oft, bis ich mir den Begriff merken kann. " 10 Ein Lehramtsstudent (L3, Englisch, Italienisch= Zweitsprache, 3. Semester) schreibt: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „schaue ich mir sehr oft an, in welchem Kontext dieser Begriff gebraucht wird und ob oder wie ich ihn in anderen Beispielen/ Sätzen/ Kontexten anwenden kann. Ich achte auch sehr stark darauf, welche Emotion diese lexikalische Einheit bei mir weckt. Entwickle ein Bewusstsein über Assoziationen, die scheinbar nicht willkürlich in mir aufkommen." Bemerkenswert ist, dass das Lernen zweisprachiger Wortlisten ohne Znhilfenahrne anderer Vorgehensweisen die Ausnahme darstellt. Die 3 Studierenden, die es praktizieren, beklagen, dass es sich um ein eher ineffektives Verfahren handelt, verfügen aber offensichtlich nicht über geeignetere Techniken und Strategien. Eine Studentin (L3, Französisch, Chemie, 3. Semester), die ich stellvertretend für die kleine Gruppe der Befragten anführen möchte, deren Wortschatzarbeit sich auf das Paarassoziationslernen beschränkt, schreibt: Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann „schreibe ich mir die Vokabel mit deren Übersetzung auf und lerne dann die erstellte Liste. Ich habe zu jedem Kurs eine Vokabelliste (meistens! )." Mit den Ergebnissen ihrer Wortschatzarbeit ist die Studierende unzufrieden: "Ich neige dazu, sie ziemlich schnell wieder zu vergessen." Insgesamt lassen sich die von den befragten Studierenden verwendeten Verfahren zu folgenden Kategorien zusammenfassen: 10 Es war nicht zu ermitteln, ob die Studierende meint, sie stelle sich vor, dass jemand das Wort sagt, oder ob sie das Wort selbst vor sich hin spricht, was viele Lernende beim Memorieren tun (vgl. LEITNER 3 1995: 15f.) Möglicherweise bezieht sich die Studierende sie studiert u.a. Musik auf eine Art Klangassoziation. JFJLwL 33 (2004) 102 Notieren semantfache Assoziationen Wiederholen, Üben Nachschlagen, Übersetzen kontextuelle Assoziationen Aussprechen Praktizieren, Anwenden inzidentelles Lernen visuelle Assoziationen 0 5 10 Graphik2 13 16 15 Inez De Florio-Hansen 25 20 Prozent 20 25 30 Die einzelnen Antwortkategorien können sehr unterschiedliche Techniken und Strategien umfassen. Eine Quantifizierung hat meistens wie oben angedeuteteine Reduktion der Erscheinungen zur Folge. Beispielsweise kann „Notieren" bedeuten, dass die Studentin oder der Student sich das im Text markierte Wort bzw. den Ausdruck auf einem Zettel notiert, in ein (u.a. thematisch geordnetes) Vokabelheft einträgt, auf Karteikarten zusammen mit der deutschen Bedeutung sowie weiteren Einzelheiten schreibt oder in den PC eingibt. "Aussprechen" umfasst nicht nur das Aussprechen zur Übung der Aussprache, sondern u.a. das laute Lesen, das als behaltensfördernd eingeschätzte „Vor-sich-hin- Murmeln" sowie das Einbauen in Selbstgespräche. Die Kategorie „semantische Assoziationen" bezieht sich neben Synonymen und Antonymen auch auf Verbindungen zu anderen Fremdsprachen, die vor allem Studierende mehrerer Fremdsprachen herstellen. Ohne eine solche quantifizierende Reduktion sind m. E. begründete Handlungsempfehlungen nicht möglich. Nur wenn man weiß, in welchem Umfang die Studierenden auf bestimmte Techniken und Strategien bei der Wortschatzarbeit rekurrieren, kann man angemessene und differenzierte Vorschläge machen. Ein wichtiges Ergebnis der Befragung besteht für mich in den Antworten der Studierenden auf die Frage, woher sie die von ihnen angewendeten Verfahren kennen. Ihren Ausführungen kann man entnehmen, dass im Rahmen des Studiums nur in Ausnahmefällen Hinweise auf entsprechende Lerntechniken und -strategien erfolgen. 20 Studierende schreiben, sie hätten die verwendeten Verfahren in der Schule gelernt; lediglich 3 dieser 20 Befragten antworten mit „Schule und Uni". Bei 19 Studierenden haben sich bestimmte Vorgehensweisen im Laufe der Jahre aufgrund persönlicher Erfahrungen mit dem Vokabellernen herausgebildet. Hinweise von anderen, auch aus Büchern, spielen eine geringe Rolle (3 Nennungen). Dass die Förderung von „Studierendenautonomie" in den Lehrveranstaltungen bisher vernachlässigt wird, zeigt sich auch an den Antworten von Fremdsprachenstudierenden im 1. Studiensemester. Hinsichtlich ihrer Ausführungen zum Fremdsprachenlernen IFLulL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 103 allgemein und zur Wortschatzarbeit im besonderen unterscheiden sie sich nicht von fortgeschritteneren Student/ innen. Um einen Vergleich zwischen den genannten Gruppen anstellen zu können, ließ ich 29 Studierende ca. einen Monat nach Beginn ihres 1. Semesters im Orientierungskurs „Fremdsprachenlehr- und -lernforschung" den Fragebogen bearbeiten. 11 Ihre Antworten entsprechen insbesondere hinsichtlich des Umfangs und des Vorgehens bei der individuellen Wortschatzarbeit denjenigen der 72 in die Untersuchung einbezogenen Studierenden. In die gleiche Richtung weisen auch die Ausführungen der 34 (von den 72) Befragten, die nach eigenen Aussagen keine Wortschatzarbeit betreiben. Auch sie haben in den Lehrveranstaltungen an der UniK kaum Hinweise zum autonomen Fremdsprachenlernen erhalten. Das schließt nicht aus, dass die Autonomie der Studierenden in anderen Bereichen gefördert wird. 12 Wie steht es mit den Resultaten? Sind die Studierenden mit den Ergebnissen ihrer individuellen Wortschatzarbeit zufrieden? 20 Befragte antworten mit Ja, 18 mit Nein. Zufrieden sind die Studierenden vor allem deshalb, weil sie mit der Anwendung der gelernten Vokabeln in den sprachpraktischen Kursen und/ oder im Umgang mit native speakers aus ihrer Sicht keine Schwierigkeiten (mehr) haben; sie behalten die Vokabeln gut und können sie erfolgreich anwenden (15 Nennungen). 5 Studierende begründen ihre Zufriedenheit (zusätzlich) damit, die für sie passende Lernstrategie gefunden zu haben. Die Befragten hingegen, die mit den Ergebnissen ihrer Lernaktivitäten unzufrieden sind, klagen darüber, dass sie die gelernten lexikalischen Einheiten schnell wieder vergessen (9 Nennungen). Weitere Gründe für unzureichende Ergebnisse sind Mangel an effektiven Lernstrategien (3) und fehlende Möglichkeiten zur Anwendung (3). Angeführt werden auch Zeitmangel (3) sowie geringe Motivation (3). 5.2.5 Ratschläge der Studierenden zur Verbesserung von Fremdsprachenkenntnissen Es ist nicht verwunderlich, dass die 72 befragten Student/ innen einem erwachsenen Fremdsprachenlerner im wesentlichen das empfehlen, was sie selbst tun bzw. tun würden, wenn sie mehr Zeit hätten oder motivierter wären. Das gilt insbesondere für die Wortschatzarbeit (vgl. Fragebogen-Item I.2). Als Beleg zitiere ich die Ausführungen einer Lehramtstudierenden (L3, Französisch, Spanisch, 4. Semester). Die Studentin empfiehlt allgemein: "wenn möglich einen Aufenthalt im Land der Zielsprache, Lektüre in der Fremdsprache (Zeitung, Zeitschriften, kl. Romane), Musik und Radio in der Fremdsprache, z.B. über das Internet." Für das Wortschatzlernen rät sie Folgendes: "Es ist sinnvoll (und leichter) Vokabeln in bestimmten Kontexten zu lernen. Zudem hilft es, sich kleine Sätze zu bzw. mit der Vokabel zu merken." Bei der eigenen Wortschatzarbeit verfährt sie ähnlich: Wenn ich eine lexikalische 11 Die Antworten dieser 29 Lehramtsstudierenden wurden nicht in die Auswertung einbezogen. 12 Die Fremdsprachenlehrund-lernforschung/ Romanistik der UniK bietet seit einiger Zeit einen großen Teil der Lehre als E-Learning an. Seit dem Wintersemester 2003/ 04 arbeiten wir mit der Lernplattform Lotus QuickPlace(http: / / hrz-pcl14.hrz.uni-kassel.de/ elrom), die eine verbesserte Interaktion über Diskussionsforen und Chat ermöglicht; diese Form selbstständigen Lernens und Studierens wird von den Studierenden sehr gut angenommen und führt zu weit besseren Ergebnissen als konventionelle Lehre; vgl. dazu DE FLORIO-HANSEN (2004b). JFLllllL 33 (2004) 104 Inez De Florio-Hansen Einheit lerne möchte, dann „versuche ich, mir einen Kontext zu schaffen, meist notiere ich kleine Sätze mit/ zu den Vokabeln[...]" Im Bereich der allgemeinen Vorschläge zum Auffrischen und Vertiefen einer bereits gelernten Fremdsprache (Fragebogen-Item I.1) spielt die Wiederholung der Zielsprachengrammatik eine große Rolle (22 Nennungen). Die Studierenden empfehlen in diesem Zusammenhang die Benutzung eines geeigneten Lehrwerks. Die zahlreichen anderen Empfehlungen spiegeln die eigenen Lernerfahrungen wieder: Lektüre in der Zielsprache (u.a. Literatur, Zeitungen/ Zeitschriften, auch Sprachzeitschriften, Sachbücher/ Fachliteratur; Websites) (52 Nennungen), Nutzung audiovisueller Medien (TV, Filme, Video, auch mit Untertiteln) (37), Nutzung auditiver Medien (u.a. Nachrichten im Radio, Musik, Sprachkassetten) (23) und vor allem Kontakte zu native speakers durch Aufenthalte im Zielsprachenland sowie Briefe, Telefonate, E-Mails, Chat etc. (53). Für wichtig erachten die Studierenden auch den Hinweis, man solle beim Fremdsprachenlerneri auf unterschiedliche Lernarten bzw. Lernverfahren zurückgreifen (13). Die folgende Graphik fasst die allgemeinen Ratschläge der Studierenden im Überblick zusammen: Praktizieren, Anwenden Lektüre audiovisuelle Medien auditive Medien Lehrwerke, Grammatik verschieden Lernarten Sprachkurse Sonstiges 0 5 6 11 11 10 Graphik3 18 Prozent 15 20 25 30 Die Verteilung der Empfehlungen für die Wortschatzarbeit stellt sich wie folgt dar (vgl. Graphik 4 auf der folgenden Seite). Da die befragten Studierenden ihre Ratschläge weniger differenziert darstellen als ihr eigenes Vorgehen bei der Wortschatzarbeit, werden hier Kategorien zusammengefasst, die in Graphik 2 getrennt erscheinen. Erwährenswert ist, dass auf die Nutzung der Neuen Technologien (meist E-Mail-Kontakte) bei den Ratschlägen der Studierenden 11 Nennungen entfallen, während nur 5 Studierende den PC in ihr eigenes Wortschatzlernen einbeziehen. lFLIIIL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... Nachschlagen, Übersetzen, Notieren Lernen im Kontext Wiederholen, Üben individueller Lernstil Aussprechen semantische Assoziationen Sonstiges 0 5 10 15 20 25 Graphik4 105 39 30 35 40 Wie im Forschungsüberblick (vgl. Abschnitt 3) angedeutet, lassen sich die bisher vorgestellten Ergebnisse am ehesten mit den Resultaten von Sanaoui vergleichen, weil auch sie den Proband/ innen kein Strategieninventar vorgibt, sondern deren Vorgehensweisen untersucht. Es bestehen jedoch wesentliche Unterschiede: Obgleich die Proband/ innen der kanadischen Fallstudien keine Fremdsprachenstudierenden sind, stellen sich zumindest bei denen, die einen strukturierten Zugang, den structured approach, verfolgen, die angeführten und beschriebenen mnemonic procedures detaillierter dar. SANA0UI (1995: 23 f) schreibt.zu imagery: The learners connect the lexical item with a visual image that they create in their mind. "When the teacher said epaisse for 'a füll mouth', I tried and conjured up a funny image with real big, real fat lips so that I could remember the word" (Margaret); "La, chevre et le chou, I will remember these two words together because they were together in the sentence and also I tried to form an image; I have an image of a goat who sneaks into somebody' s cabbage patch" (Greg); "Fora carreaux I formed a picture in my mind of lots and lots of squares. I can see it in my mind. And also it makes sense to me, I can see where the word came from" (Richard). Wie man leicht feststellen kann, ist das zum einen darauf zurückzuführen, dass Sanaoui viel umfänglicheres Datenmaterial, insbesondere Retrospektionen, zur Verfügung hatte. Zum anderen legt eine genauere Betrachtung dieser Fallstudien die Vermutung nahe, dass die 72 in die Untersuchung einbezogenen Studierenden der UniK nicht über adäquatere Vorgehensweisen bei der individuellen Wortschatzarbeit verfügen als die kanadischen Fremdsprachenlernenden. Dabei ist freilich ein wesentlicher Unterschied auszumachen: Auch wenn die Fremdsprachenstudierenden der UniK-Studie ihre Wortschatzkenntnisse nicht regelmäßig verbessern, lässt sich für sie die Unterteilung in einen structured approach und einen unstructured approach nicht vornehmen. Auch die 34 Studierenden, die nach eigenen Angaben keine regelmäßige bzw. systematische Wortschatzschatzarbeit betreiben, haben ähnliche Vorstellungen von möglichen Techniken und Strategien wie lFlL111L 33 (2004) 106 Inez De Florio-Hansen die 38 Studierenden, deren Verfahren im Abschnitt 5.2 vorgestellt werden. Das zeigt sich in der Beantwortung der Items I.1 und I.2 des Fragebogens sowie daran, dass sie in den Abschnitten II - VI im wesentlichen die gleichen Vorgehensweisen anführen. 13 6. Schlussfolgerungen Wie sind die in Abschnitt 5 in Auswahl vorgestellten Ergebnisse der schriftlichen Befragung zu deuten? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Interpretation? Kommen wir auf die 6 aufgestellten Hypothesen zurück (vgl. Abschnitt 4), so kann man Folgendes konstatieren: Nur wenig mehr als die Hälfte der Befragten betreibt regelmäßig Wortschatzarbeit. Studierende mit zwei Studien-Fremdsprachen geben zudem an, nur in einer der beiden Zielsprachen systematisch an der Erweiterung ihres Wortschatzes zu arbeiten. Studierende im Hauptstudium unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umgangs mit lexikalischem Material nicht von Studienanfängern, und zwischen Magister-, Diplom- und Lehramtstudierenden ist kein nennenswerter Unterschied festzustellen. Dabei hätte man von letzteren eine reflektiertere Spracharbeit erwartet. Zwar kennen die Studierenden gleichgültig ob sie Wortschatzarbeit betreiben oder nichteine Reihe von Verfahren, die zur Verbesserung fremdsprachlicher Teilkompetenzen beitragen können. Aber wie effektiv ist ihr Wortschatzlernen tatsächlich? Ist die Tatsache, dass Studierende angeben, sie hätten das für sie passende Verfahren gefunden, ein Gradmesser dafür, wie viele lexikalische Einheiten sie tatsächlich längerfristig speichern und bei passender Gelegenheit abrufen können? Eine Studentin (L3) antwortet auf die Frage, woher sie die von ihr angewendeten Verfahren kenne; "eigene Erfahrung (ich habe gemerkt, dass ich Vokabeln so besser behalte)". Gleichwohl ist sie unzufrieden: "Viele Vokabeln vergesse ich einfach immer wieder". Aber selbst bei den 15 Studierenden, die mit dem Resultat ihrer Lernbemühungen zufrieden sind, darf der Zeitfaktor nicht außer acht gelassen werden. Könnten sie in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht vielleicht doch bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie über geeignetere Techniken und Strategien verfügten? Würden nicht unter Umständen auch die Studierenden, die über Mangel an Zeit und Motivation klagen, eher Wortschatzarbeit betreiben, wenn sie einen reflektierteren Zugang zur Wortschatzarbeit und in der Folge zum studien- und lebensbegleitenden Fremdsprachenlernen fänden? "Lernen, wie man Wortschatz lernt" (DE FL0RI0-HANSEN 1996), das sollten Fremdsprachenstudierende auf andere Weise als Schüler/ innen. Aber die entscheidenden Fragen haben selbstverständlich auch für sie Gültigkeit (vgl. DE FLORIO-HANSEN 3 2001): 13 Ca. 50 % der Studierenden, die keine regelmäßige Wortschatzarbeit betreiben, haben trotz der Aufforderung im Fragebogen, mit Abschnitt VII fortzufahren die Abschnitte II - VI bearbeitet. Rückfragen bei einigen Studierenden ergaben, dass sie gleichwohl zeigen wollten, was sie tun würden, wenn sie mehr Zeit hätten und/ oder motivierter wären. lFLllllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 107 • Wie gelangen Wörter in den Kopf? • Wie werden sie angemessen und effektiv im Gedächtnis gespeichert? • Wie kommt das passende Wort bei der Sprachproduktion an die richtige Stelle? Die Antworten, die sie darauf im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen finden, z. B. die Kenntnis bestimmter Gedächtnisstrategien bzw. Mnemotechniken, bedürfen der Adaption an die eigene Lernerpersönlichkeit. Das kann nur selbstbestimmt und eigenverantwortlich geschehen, zumal das vorhandene (sprachliche) Wissen und die allgemeinen Sprachlernerfahrungen von Erwachsenen wesentlich komplexer und differenzierter sind als diejenigen jüngerer Fremdsprachenlerner (vgl. DE F'LORIO-HANSEN 2002). Was für Erwachsene allgemein gilt, hat für Fremdsprachenstudierende besonderen Stellenwert. Nichtsdestoweniger müssen die Studierenden bei der Suche nach eigenen Lernwegen beraten und unterstützt werden. Alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung des autonomen Lernens von Fremdsprachenstudierenden abzielen, sollten so angelegt sein, dass sie an das reiche Vorwissen der Student/ -innen anknüpfen. Abgesehen von generellen Bedenken, die immer wieder vorgetragen werden (vgl. WOLFF 2000), ist m. E. ein explizites Strategientraining für Fremdsprachenstudierende daher nicht sinnvoll. Vielmehr bietet sich eine Bewusstmachung individuell verwendeter Verfahrensweisen und die Diskussion darüber mit den Mitstudierenden und den Dozenten an. Das kann nicht nur in sprachpraktischen Übungen und Seminaren der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung, sondern auch in einem Diskussionsforum oder im Chat geschehen. Viel mehr noch als Schüler/ innen sind die Studierenden an der Erstellung geeigneter Materialien, z.B. eines online-Ratgebers für die studentische Spracharbeit, zu beteiligen. Bis dieses oben angedeutete Hauptziel der vorliegenden Untersuchung erreicht werden kann, bedarf es weiterer Forschung. Zunächst soll die schriftliche Befragung in leicht veränderter Form mit einer größeren Zahl von Fremdsprachenstudierenden anderer Universitäten fortgesetzt werden. Die dann zur Verfügung stehenden umfänglicheren Daten werden eine Entscheidung darüber gestatten, wie Einzelfallstudien, experimentelle Designs, die in entsprechende Lehrveranstaltungen einzubetten sind und/ oder proficiency tests zu gestalten sind. Auf alle Fälle ist eine Verbindung von interpretativen und analytischen Forschungsmethoden anzustreben .. Nur eine adäquate Verbindung von Hermeneutik und Empirie läßt m. E. Ergebnisse erwarten, die zu einer Verbesserung der Wortschatzarbeit und des Fremdsprachenlernens von Studierenden, von Lernenden überhaupt, führen. Diese Kombination muß deutlich über den üblichen Einsatz hermeneutischer Verfahren bei der Exploration des Untersuchungsgegenstands und der Interpretation der Daten hinausgehen. Bei streng analytisch-nomologischen Designs stehen Aufwand und Ertrag häufig in keiner sinnvollen Relation. Andererseits würde uns ein neo-hermeneutischer Ansatz, wie er in sogenannten „qualitativen" Untersuchungen zum Ausdruck kommt, über eine „Sammlung von Heldengeschichten" (WELLENREUTHER 2000) nicht hinausbringen. Alle kurz skizzierten Konsequenzen aus der schriftlichen Befragung sind vor dem Hintergrund folgender Fragen zu sehen: Welches Niveau visieren wir für Fremdsprachenstudierende überhaupt an? Halten wir an der near nativeness für alle fest, oder ist der intercultural speaker unsere neue Leitvorstellung? Dass beide Zielvorstellungen zulFLIIL 33 (2004) 108 Inez De Florio-Hansen sammengehören, zeigen die Kompetenzstufen des Europäischen Portfolios der Sprachen. Zwar weisen alle bereits existierenden nationalen und internationalen Zertifikate Mängel auf. Und in der Regel sind sie auch nicht auf Fremdsprachenstudierende zugeschnitten. Aber besser als so genannte „Standards" sind sie allemal. 14 Literatur DE FLORIO-HANSEN, Inez (1996): "Lernen, wie man Wortschatz lernt: von der Instruktion zur Lernerautonomie". In: Der fremdsprachliche Unterricht- Französisch 30.3, H. 23, 4-10. DE FLORIO-HANSEN, Inez (1997): "'Learning Awareness' als Teil von 'Language Awareness'. Zur Sprachbewußtheit von Lehramtsstudierenden". In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 26, 144-155. DE FLORIO-HANSEN, Inez (1998): "Zur Einführung in den Themenschwerpunkt oder: Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern wozu? " In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 27, 3-11. DE FLORIO-HANSEN, Inez (32001): "Fremdsprachenlernende zu Wort kommen lassen oder: Vom Umgang mit dem Wortschatz". In: JUNG, Udo 0. H. (Hrsg.): Praktische Handreichung fü,r Fremdsprachenlehrer. Frankfurt/ Main u. a.: Lang, 302-309. DE FLORIO-HANSEN, Inez (2002): "Lust auf Wörter. Hinweise zum erwachsenengerechten Wortschatzlernen". 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Außer dem Hinweis, dass für Fremdsprachenstudierende mindestens die Kompetenzstufe Cl des Referenzrahmens anzustreben sei, wird auf ein Positionspapier verwiesen, welches Überlegungen zur Neuordnung der Erstausbildung von Fremdsprachenlehrern beinhaltet. Weitere Recherchen haben jedoch ergeben, dass dieses Papier bisher nicht vorliegt. lFJLlllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 109 GROTJAHN, Rüdiger ( 4 2003): "Konzepte für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen: Forschungsmethodologischer Überblick". In: BAUSCH, Karl-Richard/ CHRIST, Herbert/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke, 493-499. HAGGARD, Martha Rapp (1986): "The vocabulary self-collection strategy: using student interest and world knowledge to enhance vocabulary growth". In: Journal of Reading (April), 634-642. HAUSMANN, Franz Joseph (1993): "Was ist eigentlich Wortschatz? 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FJL111L 33 (2004) 110 Inez De Florio-Hansen Anhang: Fragebogen zum Wortschatzlernen Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden Liebe Studierende, vorab möchte ich Ihnen einige Informationen zu den Zielen und der Durchführung meiner Untersuchung geben: ■ Die Ergebnisse dieser Befragung sollen zur Verbesserung Ihrer sprachpraktischen Kenntnisse beitragen, u. a. in Form eines Online-Ratgebers für Fremdsprachenstudierende der UniK (und darüber hinaus). ■ Da ich herauszufinden versuche, wie Sie mit fremdsprachlichem Wortschatz umgehen, gibt es keine richtigen oder falschen Antworten. Es geht um Ihre persönliche Meinung und Ihre Erfahrungen. ■ Ihre Reaktion auf jedes einzelne Item des vorliegenden Fragebogens ist relevant. Deshalb bin ich darauf angewiesen, dass Sie den Fragebogen gewissenhaft ausfüllen. ■ Damit ich bei Rückfragen Kontakt zu Ihnen aufnehmen kann, wäre es hilfreich, wenn Sie Ihren Namen sowie Ihre E-Mail-Adresse auf der letzten Seite des Fragebogens angeben könnten. Beantworten Sie, bitte, auf alle Fälle die Fragen zu Ihrem Studienziel, Ihren Studienfächern etc. auf der letzten Seite. ■ Was Auswertung und Publikation der Ergebnisse angeht, sichere ich Ihnen selbstverständlich völlige Anonymität zu. ■ Wenn Sie etwas über die Ergebnisse dieser Befragung erfahren möchten, nehmen Sie, bitte, im Sommersemester 2004 Kontakt per E-Mail mit mir auf. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! Inez De Florio-Hansen im Januar 2004 JFLIJL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 111 Hinweise für die Bearbeitung: ■ Bitte achten Sie darauf, dass Sie keine Frage auslassen. ■ Kreuzen Sie bei vorgegebenen Antworten an, was (am ehesten) für Sie zutrifft. ■ Antworten Sie auf offene Fragen möglichst detailliert. ■ Schreiben Sie leserlich, bitte. Das gilt insbesondere für die Angabe Ihres Namens unä Ihrer E-Mail- Adresse auf der letzten Seite. I. Zwei allgemeine Fragen vorweg: 1. Was würden Sie einem erwachsenen Lernenden empfehlen, der seine Kenntnisse in einer znvor gelernten Fremdsprache selbstständig auffrischen und vertiefen möchte? 2. Welche besonderen Ratschläge würden Sie ihm hinsichtlich der Wortschatzarbeit geben? II. Häufigkeit und Dauer Ihrer individuellen Wortschatzarbeit 1. Lernen Sie regelmäßig Vokabeln in einer oder mehreren Fremdsprachen, die Sie studieren? □ ja □ nein Falls sie keine regelmäßige Wortschatzarbeit betreiben, geben Sie, bitte, die Gründe dafür an: (Wenn Sie keine Wortschatzarbeit betreiben, fahren Sie, bitte, mit Abschnitt VII fort! ). 2. In welchen (Studien-)Fremdsprachen betreiben Sie regelmäßig Wortschatzarbeit? □ Englisch, Hauptfach □ Spanisch, Hauptfach □ Englisch, Nebenfach □ Spanisch, Nebenfach □ Französisch, Hauptfach □ Italienisch, Hauptfach □ Französisch, Nebenfach □ Italienisch, Nebenfach 3. Welche der Fremdsprachen, die Sie studieren, haben Sie bereits vor dem Studium (z.B. in der Schule oder in einer außerschulischen Einrichtung) gelernt? 4. Ist eine der Fremdsprachen, die Sie studieren, Ihre Muttersprache oder Ihre Zweitsprache? □ ja □ nein Wenn ja, welche? .................................................................................................................................................. . S. Wie viele Minuten wenden Sie durchschnittlich pro Woche für die Wortschatzarbeit im jeweiligen Fach auf? Englisch: ..................................................... . Französisch: ............................................................ . Spanisch: .................................................... . Italienisch: ............................................................... . fL1JIL 33 (2004) 112 Inez De Florio-Hansen 6. Falls sich Ihre Wortschatzarbeit hinsichtlich der Regelmäßigkeit und der Dauer in den einzelnen von Ihnen studierten Sprachen unterscheidet, geben Sie, bitte, die Gründe für diese Unterschiede an: m. Herkunft der lexikalischen Einheiten Ihrer individuellen Wortschatzarbeit 1. Woher stammen die lexikalischen Einheiten für Ihre persönliche Wortschatzarbeit? (Mehrfachnennungen sind möglich.) □ aus Texten/ Materialien der sprachpraktischen Übungen □ aus Texten anderer Lehrveranstaltungen □ aus eigener Lektüre □ aus Wortschatzsammlungen (z.B. Grund- und Aufbauwortschatz) □ aus herkömmlichen Medienangeboten (z.B. Filme, TV) □ aus computergestützten Angeboten (z.B. Internetrecherchen, Vokabeltrainer) □ aus Kontakten mit Zielsprachensprecher/ innen □ aus sonstigen Quellen, und zwar ................................................................................................ . 2. Stammen die lexikalischen Einheiten aus Quellen, die Sie sich selbstständig (außerhalb der universitären Lehrangebote) erschließen? □ ja, immer □ häufig □ nur selten □ nein, überhaupt nicht 3. Stammen die lexikalischen Einheiten vorwiegend aus Originaltexten oder aus didaktisierten Materialien (z.B. Sprachzeitschriften, Wortschatzsammlungen, Lehrbüchern)? □ nur aus authentischen Texten □ eher aus authentischen Texten □ teils/ teils □ eher aus didaktisierten Texten □ nur aus didaktisierten Texten IV. Zur Auswahl bestimmter lexikalischer Einheiten 1. Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie bestimmte lexikalische Einheiten für Ihre individuelle Wortschatzarbeit aus? 2. Bezieht sich Ihre Auswahl vorwiegend auf Einzelwörter oder auf Ausdrücke? □ nur auf Einzelwörter □ eher auf Einzelwörter □ teils/ teils □ eher auf Ausdrücke □ nur auf Ausdrücke IFLlllL 33 (2004) Wortschatzerwerb und Wortschatzlernen von Fremdsprachenstudierenden ... 113 V. Vorgehen bei der individuellen Wortschatzarbeit 1. Wie gehen Sie vor, um sich die Wörter/ Ausdrücke/ Sätze einzuprägen? Beschreiben Sie Ihre Techniken und Strategien möglichst detailliert, bitte. Wenn ich eine lexikalische Einheit lernen möchte, dann ................................................................................ . 2. Woher kennen Sie die von Ihnen verwendeten Techniken und Strategien? VI. Zu den Resultaten Ihres Wortschatzlernens 1. Sind Sie mit den Ergebnissen Ihrer individuellen Wortschatzarbeit zufrieden? □ ja □ nein Wenn ja, warum? ............................................................................................................................................ . Wenn nein, warum nicht? ............................................................................................................................... . VII. Persönliche Angaben Name: ............................................................................................................................................................... . E-Mail-Adresse: ......................................................... Tel. (mit Vorwahl): .................................... .. Studienziel: □ Lehramt: □ L1 (Grundsch.) □ L2 (H+R) □ L3 (Gynm.) □ L4 (Wirtschaftspäd.) □ Diplom □ Magister Studienfächer: Hauptfach/ -fächer: ................................................................................................................................................ . Nebenfach/ -fächer: ............................................................................................................................................... . Semesterzahl (im laufenden Semester): ............................................................................................................. . Falls vorgeschrieben, haben Sie die Zwischenprüfung (Lehramt/ Diplom/ Magister) bereits abgelegt? □ ja □ nein Haben Sie längere Zeit (mehr als zwei Monate zusammenhängend) in einem Zielsprachenland verbracht? □ ja □ nein Wenn ja, in welchem Land/ in welchen Ländern? .......................................................................................... . Nochmals herzlichen Dank! JFL1.! IL 33 (2004) Erwin TSCHIRNER * Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums** Abstract. An important predictor of academic success of both foreign university students and of students studying a foreign language for academic purposes is vocabulary size. Estimates of minimal vocabulary sizes start at a low of 5,000 words for reading authentic texts (LA UFER 1997) and range up to 10,000 words for reading university textbooks (HAZENBERG/ HULSTUN 1996). To determine English vocabulary sizes of beginning Anglistik students at the University of Leipzig (Germany), NATION's (2001) Vocabulary Levels Tests were administered to approximately one third of all beginning students in the winter semester of 2001/ 02 (N = 142) along with a 25-item questionnaire focusing on relevant biographical information including past and present English language experience and study behavior. In addition to describing the vocabulary levels attained by the participants, the paper discusses the relationship between test scores and background data such as length of time in English-speaking countries, number of English-language books read per year, study strategies, etc. 1. Einleitung Umfang, Dichte und Tiefe des Wortschatzes ist einer der wichtigsten Indikatoren akademischen Erfolgs, wenn die Fremdsprache als Arbeitssprache benutzt wird, wie z.B. bei einem Auslandsstudium oder beim Studium eines philologischen Faches. Vor allem beim Leseverständnis ist lexikalisches Wissen die wichtigste Wissensquelle, noch vor Fachwissen und weit vor grammatischem Wissen (LAUFERISIM 1985, QIAN 2002). Darüber hinaus scheint es Wortschatzschwellen zu geben, d.h. Wortschatzgrößen, die notwendig sind, bevor Aufgaben in der Fremdsprache wie z.B. das Lesen unbekannter authentischer Texte mit Verständnis und ohne großen Zeitverlust erfolgreich gelöst werden können (LAUFER 1997). Das kann bedeuten, dass Studierende, die z.B. weniger als 5.000 der häufigsten Wörter ihrer Fremdsprache beherrschen, deutlich mehr Zeit für ihr Lesepensum brauchen und dabei trotzdem weniger verstehen als ihre muttersprachlichen Kommilitonen, mit dem Resultat, dass sie weniger erfolgreich ihr Studium abschließen bzw. es sogar frustriert abbrechen. LAUFER (1997) definiert Wörter eines bestimmten Schwellenwortschatzes als Sichtwortschatz, als Wörter, deren Formen und Bedeutungen sofort und Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Erwin TSCHIRNER, Univ.-Prof., Universität Leipzig, Herder-Institut, Deutsch als Fremdsprache und Angewandte Linguistik, Beethovenstraße 15, 04107 LEIPZIG. E-mail: tschimer@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Zweitsprachenerwerb, Korpuslinguistik, Testforschung. •• Ich bedanke mich sehr herzlich bei Birgit Meerholz-Härle, Volkmar Munder und Stefanie Neuner, die bei der Gestaltung und Durchführung dieser Studie mitgewirkt haben, und bei Olaf Bärenfänger für sehr hilfreiche Kommentare. IFL1! JIL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 115 automatisch erkannt werden, und behauptet, dass die Übertragung muttersprachlicher Lesestrategien, darunter auch das Inferieren unbekannter Wörter aus dem Kontext, erst dann möglich ist, wenn eine bestimmte Wortschatzschwelle überschritten ist. Schätzungen im Hinblick auf Wortschatzschwellen für ein Universitätsstudium schwanken zwischen einen Umfang von 5.000 Lemmata als Minimum, um unbekannte authentische Texte der Zielsprache zu verstehen (LAUFER 1997), und 10.000 Basiswörtern, um die Fachliteratur des ersten Universitätsjahres zu verstehen (HAZENBERG/ HULs- TIJN 1996). Die häufigsten 5.000 Wörter des Englischen erfassen ca. 95% der Wörter eines durchschnittlichen Zeitungsartikels oder Fachaufsatzes. Unter dieser Schwelle von 95% scheint kein Verständnis eines Textes möglich (LAUFER 1997). Nach NATION (2001) müssen sogar mindestens 97% der Wörter eines Textes bekannt sein, um einen Text zu verstehen und um ein Inferieren unbekannter Wörter aus dem Kontext zu ermöglichen. Zum extensiven Lesen literarischer Texte wird sogar ein Wortschatzverständnis von 98% benötigt (HIRSHINATION 1992, HU/ NATION 2000), was für das Englische einen Wortschatzumfang von ca. 8.000 Lemmata voraussetzt. Studien mit Muttersprachlern des Englischen ergaben, dass ein Wortschatzverständnis von 98%, d.h. 2 unbekannte Wörter pro 100 Wörter oder 1 unbekanntes Wort pro jeweils 5 Zeilen, als schwieriges Lesen empfunden wird. Erst ab einem Wortschatzstand von 99%, also ca. einem unbekannten Wort pro 10 Zeilen Text, wird das Lesen als angenehm empfunden (CARVER 1994). Diese Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, dass zu Beginn eines Englisch-/ Anglistik-/ Amerikanistik-Studiums, besonders im Hinblick auf das sehr große Lesepensum vor allem in der Primär-, aber auch in der Sekundärliteratur, ein Wortschatzstand von mindestens 5.000, besser noch 8.000 Wörtern vorhanden sein sollte, um ein effektives und effizientes Studium von Beginn an zu ermöglichen. Nach 8 Jahren Englischunterricht am Gymnasium sollte ein solcher Wortschatzstand keine unrealistische Erwartung sein, obgleich die Lehrpläne z.B. in Sachsen zu Ende der 10. Klasse Gymnasium lediglich einen Wortschatzumfang von 3.000 Wörtern produktiv und 4.000 Wörtern rezeptiv erwarten und für die Oberstufe nur noch allgemeine Empfehlungen zur Stärkung des lexikalischen Wissens geben. Rahmenvorgaben für das Englischabitur gehen von 4.000 Wörtern produktiv und 5.000 Wörtern rezeptiv aus (SÄCHSISCHES STAATSMINISTE- RIUM FÜR KULTUS 2001). Um den Wortschatzstand beginnender Englisch-/ Anglistik-/ Amerikanistik-Studierender an der Universität Leipzig zu erfassen und um ggf. Hilfsmaßnahmen bei fehlenden Schwellenwortschätzen entwickeln zu können, wurden im WS 2001/ 2002 ca. 40% der Erstsemesterstudenten die Levels Tests von NATION (2001) gegeben, zusammen mit einem Fragebogen, der neben biographischen Daten Informationen zu relevanten Erfahrungen mit der englischen Sprache und Kultur und zum Wortschatzlernverhalten erhob. Im Folgenden wird zuerst die Forschungsmethode zusammengefasst und anschließend werden die Forschungsergebnisse präsentiert und interpretiert. lFJLl.lllL 33 (2004) 116 Erwin Tschirner 2. Methode 2.1 Teilnehmer Bei den Teilnehmern an dieser Studie handelte es sich um 142 Erstsemesterstudierende der Fächer Anglistik, Amerikanistik und Englisch (Lehramt) und damit um ca. 40% der Erstsemesterstudierenden dieser Fächer im WS 2001/ 02 an der Universität Leipzig. 84% der Teilnehmer waren weiblich, 16% männlich. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 20 Jahre alt, die jüngste war 18 und die älteste Teilnehmerin war 27. 53% der Teilnehmer kamen aus Sachsen, insgesamt 75% aus den drei mitteldeutschen Bundesländern: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 22% waren aus den alten Bundesländern. Alle sprachen Deutsch als Muttersprache und hatten das deutsche Abitur. 97% der Teilnehmer hatten das Abitur am Gymnasium gemacht, 3% an Gesamtschulen oder über den zweiten Bildungsweg. 72% belegten in der Oberstufe Englisch als Leistungskurs, 28% als Grundkurs, nur eine einzige Person hatte kein Englisch in der Oberstufe. 1 Die Teilnehmer hatten Englisch durchschnittlich 8 Jahre an der Schule (Min. 5, Max. 11, SD 1). Alle Teilnehmer nahmen freiwillig an der Untersuchung teil. 2.2 Messinstrument Als Messinstrument wurden der Vocabulary Levels Test und der Productive Levels Test von NATION (2001) verwendet. 2 Der rezeptive Vocabulary Levels Test besteht aus 5 allgemeinsprachlichen Subtests, die Wortschatzstände von 1.000, 2.000, 3.000, 5.000 und 10.000 Wörtern erfassen, und einem Spezialwortschatztest, der den akademischen Wortschatz erfasst. Der akademische Wortschatz besteht aus 570 Wörtern der allgemeinen Wissenschaftssprache, die nicht zu den häufigsten 2.000 Wörtern der englischen Sprache gehören, die aber insgesamt ca. 10% der Wörter eines durchschnittlichen Fachtextes ausmachen. Die rezeptiven allgemeinsprachlichen Subtests enthalten jeweils 30, der rezeptive Subtest zum akademischen Wortschatz enthält 36 ltems. Jeweils 3 Items sind zu einem Block zusammengefasst, wobei aus einer Liste von 6 Wörtern insgesamt drei Wörtern drei Definitionen zugeordnet werden müssen. Ein Beispiel für dieses Testformat ist in Abbildung 1 zu sehen. Jeder der Definitionen in Spalte 4 ist in Spalte 3 die Zahl in Spalte 1 zuzuordnen, die das richtige Wort aus Spalte 2 identifiziert. Diese Teilnehmerin hatte etwas länger als ein Jahr als AuPair in England gearbeitet und schnitt in den Tests überdurchschnittlich gut ab. 2 Vgl. CAMERON (2002) für eine kritische Würdigung der Levels Tests von Nation. JFLIIL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 1 2 3 4 5 6 business clock horse pencil shoe wall part of a house animal with four legs something used for writing Abb. 1: Itemblock aus dem Vocabulary Levels Test 117 Der Productive Levels Test besteht aus 4 allgemeinsprachlichen Subtests, die Wortschatzstände von 2.000, 3.000, 5.000 und 10.000 Wörter erfassen, und einem Spezialwortschatztest, der den universitären Wortschatz erfasst, das produktive Gegenstück zum rezeptiven akademischen Wortschatz. Die produktiven Subtests bestehen aus jeweils 18 Items, wobei das gesuchte Wort in einen Kontext eingebettet ist, der aus 1-2 Sätzen besteht, wobei die ersten 2-4 Buchstaben des gesuchten Wortes vorgegeben sind. Ein Beispiel für dieses Testformat bietet der folgende Satz. 1. France was proc ____ a republic in the 18th century Aufgrund der großen Menge an Items (insgesamt 280) wurden die 11 rezeptiven und produktiven Subtests auf insgesamt 8 unterschiedliche Testvarianten (A-H) so verteilt, dass jede Studierende nur jeweils 5 Subtests bearbeiten musste. Die Varianten wurden so gestaltet, dass die Subtests in jeweils unterschiedlicher Reihenfolge angeordnet waren, um Ermüdungserscheinungen u.Ä. als Störvariablen auszuschalten. Der Subtest R2000 (Rezeptiv 2000) z.B. war in Variante A Teil 1, in Variante C Teil 5, in Variante F Teil 4 usw. Da davon auszugehen war, dass die Subtests von 2.000 bis 5.000 (inkl. die „allgemeinwissenschaftssprachlichen" Subtests) für die gewählte Population die interessantesten Ergebnisse liefern würden, wurden diese stärker gewichtet. Die Subtests R3000 und P3000 waren in 5 Varianten enthalten, die anderen Subtests dieser Gruppe in jeweils 4 Varianten. Der Subtest RlO00 hingegen war nur in 2 Varianten enthalten, die Subtests Rlü.000 und Plü.000 nur in jeweils einer. Die letztgenannten drei Subtests sind deshalb auch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Zusätzlich zu den Wortschatztests wurde ein Fragebogen verteilt, der persönliche und schulische Daten erhob und Fragen zu früheren Erfahrungen mit der englischen Sprache und Kultur, zu bestehenden Kontakten mit der englischen Sprache über Personen und Medien, zur Art und Weise des Vokabellemens und zur Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkenntnisse stellte. 2.3 Datenerhebung und -analyse Die Datenerhebung fand 6 Wochen nach Beginn des Semesters im Rahmen einer großen Einführungsvorlesung in die anglistische Literaturwissenschaft statt. Insgesamt nahmen 167 Studierende teil, von denen 25 entweder nicht mehr im ersten Semester studierten, keine Muttersprachler des Deutschen waren oder kein deutsches Abitur hatten. Die Tests lFLl! lL 33 (2004) 118 Erwin Tschimer dieser Teilnehmer wurden nach Ende der Datenerhebung aussortiert und nicht weiter bearbeitet. Die 8 Varianten des Tests wurden so verteilt, dass benachbarte Studierende jeweils unterschiedliche Varianten bearbeiteten. Die Fragebögen waren mit den Tests zusammengeheftet und wurden gleich im Anschluss an den Test ausgefüllt. Im Durchschnitt benötigten die Studierenden 26 Minuten für die 5 Subtests ihrer Variante. Die schnellste Studierende war nach 18 Minuten fertig, die langsamste nach 42 Minuten. Die Datenanalyse wurde mit der Statistiksoftware Systat (University of Iowa) gemacht. Die Daten wurden kodifiziert und von zwei verschiedenen Personen eingetippt und gegengelesen. Neben einfachen deskriptiven Statistiken für Fragebögen und Testergebnisse wurden zur Ermittlung von Gruppenunterschieden T-tests verwendet, zur Korrelationsanalyse numerischer Daten wurde der Pearson Korrelationskoeffizient ermittelt. 3. Ergebnisse und Diskussion Im Folgenden werden zuerst ausgewählte Ergebnisse aus dem Fragebogen präsentiert. Im Anschluss daran werden die Wortschatzstände der Studierenden vorgestellt. Im dritten und letzten Teil dieses Kapitels wird auf vier Forschungsfragen zum Verhältnis von Wortschatzständen und ausgewählten biographischen Daten eingegangen. 3.1 Ausgewählte Ergebnisse aus dem Fragebogen Eine Analyse der Fragebogenergebnisse ergibt ein eher nüchternes Bild der Vorbereitung und des Lernbewusstseins beginnender Anglistik-/ Amerikanistik- und Englischstudierender. Das Interesse an der englischen Sprache und ihren Kulturen scheint bei mehr als der Hälfte der Erstsemester eher wenig ausgeprägt. Wie Tab. 1 auf der folgenden Seite zeigt, haben 68% der Studierenden keine Sprech- oder Schreibkontakte außerhalb ihrer Veranstaltungen. 71 % lesen keine Sachbücher, 64% lesen keine Zeitungen, 78% hören kein englischsprachiges Radio, 53% surfen im Internet nicht durch englischsprachige Seiten. 70% lesen keine Fachaufsätze, 31 % lesen keine Fachbücher. Selbst die Pflichtlektüre der Primärliteratur wird von 46% der Befragten nicht gelesen. 50% der Befragten lesen zwar mehr als zwei Unterhaltungsromane pro Jahr, 26% jedoch lesen keinen und 24% nur einen oder zwei. 49% der Studierenden sehen keine englischsprachigen Filme, 48% wenigstens einbis mehrmals pro Monat. Überraschend ist, dass 23% der Studierenden noch nie im englischsprachigen Ausland waren und weitere 35% höchstens bis zu vier Wochen (davon 11 % bis zu einer Woche und weitere 11 % bis zu 14 Tage). Weniger überraschend ist das Wortschatzlernverhalten: 41 % der Befragten lernen keine Vokabeln (mehr), 48% markieren unbekannte Wörter in ihrer Lektüre, 30% führen Wortlisten und 10% arbeiten mit Karteikarten. ]F]LiJL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 119 Sprechkontakte (keine/ Partner/ Freunde/ Familie) 68% 7% 29% 4% Sprechzeit (keine/ 1/ 6/ 6+ Std. pro Woche) 68% 20% 8% 4% Schreibkontakte (keine/ Partner/ Freunde/ Familie) 68% 8% 28% 2% Fachbücher (keine/ 2/ 5/ 5+ pro Jahr) 31% 36% 29% 4% Sachbücher (keine/ 2/ 5/ 5+ pro Jahr) 71% 18% 7% 4% Pflichtromane (keine/ 2/ 5/ 5+ pro Jahr) 46% 18% 28% 8% Unterhaltungsromane (keine/ 2/ 5/ 5+ pro Jahr) 26% 24% 35% 15% Fachaufsätze (keine/ 2/ 5/ 5+ pro Jahr) 70% 11% 11% 8% Zeitungen (keine/ monatlich/ wöchentlich/ täglich) 64% 34% 2% 0% Filme (keine/ monatlich/ wöchentlich/ täglich) 49% 48% 2% 1% Nachrichten (keine/ monatlich/ wöchentlich/ täglich) 31% 49% 15% 5% Radio (keine/ monatlich/ wöchentlich/ täglich) 78% 17% 3% 2% Internet (keine/ monatlich/ wöchentlich/ täglich) 53% 0% 37% 10% Ausland (keine/ bis zu 1/ 3/ 12 Monate) 23% 35% 13% 20% Lernen (keine/ markieren/ Listen/ Karteikarten) 41% 48% 30% 10% Tab 1: Ausgewählte Fragebogenergebnisse zusammenfassend lässt sich sagen: Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten scheinen aus acht Jahren schulischen Englischunterrichts keine oder nur sehr wenige erfolgversprechende Wortschatzlern- und -erwerbsstrategien mitgebracht zu haben. Die Frage, ob sie die Wortschatzziele der Lehrpläne erreichen, wird im nächsten Abschnitt beantwortet. 3.2 Wortschatzstände Wortschatzziele für das Englischabitur sind 5000 Wörter rezeptiv und 4000 Wörter produktiv. Um Spielraum für Flüchtigkeitsfehler zu lassen, wurde als Erwerbskriterium nicht 100%, sondern 90% richtiger Antworten festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass die rezeptiven Tests bei 3 Fehlern noch als bestanden zählten und die produktiven Tests bei 1,5 Fehlern. Tabelle 2 zeigt die Anzahl der Studierenden, die am jeweiligen Subtest mitgemacht haben und den Prozentsatz der Studierenden, die beim eben erwähnten Erwerbskriterium von 90% den Subtest bestanden haben. Zusätzlich zeigt sie den Prozentsatz Studierender, die die einzelnen Tests bei einem Erwerbskriterium von 80% bestanden hätten, also bei 6 falschen Antworten bei den rezeptiven Tests und bei 3 falschen Antworten bei den produktiven Tests. Des Weiteren gibt sie die durchschnittlich erreichte Prozentzahl der richtig gelösten Aufgaben, zusammen mit Minimum, Maximum und Standardabweichung (SD) an. JF[,m, 33 (2004) 120 Erwin Tschirner (' J.JIJ~-, •'~(- _o,mm; .,"_,it'ah,I <M ,~xa---"-! i¾L _" "-,1" " "H'"_m"" , , ··.·=••I R2000 87 78% 94% 92,46 66,7 100 6,91 ACAD 72 47% 76% 86,1 52,7 100 10,9 R3000 87 28% 50% 77,77 46,7 100 14,96 R5000 72 21% 30% 69,91 26,7 100 18,56 P2000 89 22% 53% 77,76 19,4 100 15,59 UNIV 72 0% 1% 49,49 0 83,3 16,64 P3000 90 2% 8% 51,73 16,6 94,4 18,35 P5000 71 0% 1% 32,48 0 80,6 16,22 Tab 2: Anzahl der Teilnehmer pro Subtest 3 Bei einem Erwerbskriterium von 90% beherrschen 78% der Teilnehmer die häufigsten 2000 Wörter des Englischen rezeptiv. Der rezeptive akademische Wortschatz wird von 47% der Teilnehmer beherrscht, die häufigsten 3000 Wörter werden von 28% der Teilnehmer beherrscht und die häufigsten 5000 Wörter von 21 % der Teilnehmer. Produktiv werden die häufigsten 2000 Wörter von 22% der Teilnehmer beherrscht und die häufigsten 3000 Wörter von 2%. Keiner der Teilnehmer besteht den produktiven akademischen (universitären) Wortschatz oder den produktiven 5000-Wörter-Test. Bei einem Erwerbskriterium von 80% beherrschen 94% der Teilnehmer die häufigsten 2000 Wörter des Englischen rezeptiv. Der rezeptive akademische Wortschatz wird von 76% der Teilnehmer beherrscht, die häufigsten 3000 Wörter von 50%, die häufigsten 5000 Wörter von 30%. Produktiv werden die häufigsten 2000 Wörter von 53% der Teilnehmer beherrscht und die häufigsten 3000 Wörter von 8%. Jeweils 1% der Teilnehmer besteht den produktiven akademischen (universitären) Wortschatz und den produktiven 5000-Wörter-Test. Selbst bei einem Kriterium von 80% erreichen also weniger als die Hälfte der Studierenden das rezeptive Ziel der 10. Klasse, nämlich 4000 Wörter, und gerade mal 8% das produktive Ziel von 3000 Wörtern. Die Abiturziele werden noch stärker verfehlt. Natürlich kann man sagen, dass das Abiturziel nicht die häufigsten 5000 Wörter erfasst, sondern irgendwelche 5000 Wörter. Wenn man aber bedenkt, dass es gerade die häufigen Wörter sind, die das Lesen erleichtern und die erlauben, dass muttersprachliche Lesestrategien wie z.B. das Erraten unbekannter Wörter aus dem Kontext auf die Fremdsprache übertragen werden können, dann sollte man erwarten, dass sich das schulische Lernen explizit auf diese häufigen Wörter konzentriert. Prozent der Teilnehmer bestanden bei Erwerbskriterium 90% bzw. 80%; Mittelwerte, Minimum, Maximum und Standardabweichung der Subtestergebnisse in Prozent lFL1LIIL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 121 3.3 Wortschatzstand und Sprachlernerfahrungen Im dritten und letzten Abschnitt dieses Kapitels soll dargestellt werden, in welchem Verhältnis die Subtests zueinander stehen und welche Sprachlernerfahrungen mit welchen Wortschatzständen korrelieren. Es wurden die folgenden Hypothesen aufgestellt. 1. Studierende, die höhere Ergebnisse bei Subtests höherer Wortschatzstände haben, haben auch höhere Ergebnisse bei Subtests niedrigerer Wortschatzstände. 2. Studierende, die mehr lesen, haben ein größeres rezeptives Vokabular. 3. Studierende, die mehr sprechen, haben ein größeres produktives Vokabular. 4. Studierende, die Vokabeln direkt lernen, haben ein größeres produktives Vokabular. Hypothese 1 beschäftigt sich mit der Vorhersagevalidität der Subtests, insbesondere der Frage, ob höhere Ergebnisse bei Subtests höherer Wortschatzstände höhere Ergebnisse bei niedrigeren Wortschatzständen vorhersagen. Wie der Pearson Korrelationskoeffizient r in Tabelle 3 deutlich macht, korrelieren die einzelnen rezeptiven Subtests ebenso wie die produktiven Subtests untereinander signifikant moderat hoch bis hoch. Moderat hohe Korrelationen ergeben sich vor allem bei den Subtests, die weit auseinander liegen, wie zwischen R2000 und R5000 (r = 0,518) und P2000 und P5000 (r = 0,596). Subtests, die nahe beieinander liegen, wie zwischen R3000 und R5000 (r = 0,801), P2000 und P3000 (r = 0,787) und P3000 und P5000 (r = 0,753) korrelieren signifikant hoch. Damit erscheint die Validät der Subtests im Hinblick darauf, ob durch die Levels Tests aufsteigende Kompetenzen gemessen werden, als gesichert. R2000 R3000 51 0,562' R2000 ACAD 36 0,768' R2000 R5000 17 0,518" R3000 ACAD 17 0,740' R3000 R5000 53 0,801 * R5000 ACAD 36 0,807' P2000 P3000 37 0,787' P2000 UNIV 52 0,640' P2000 P5000 17 0,596" P3000 UNIV 19 0,557" P3000 P5000 53 0,753' P5000 UNIV 36 0,636' Tab 3: Korrelation zwischen den Subtests. 'p < 0,001. "p < 0,05. lFLlllL 33 (2004) 122 Erwin Tschimer Hypothese 2: Studenten, die mehr lesen, haben ein größeres rezeptives Vokabular Um Korrelationen zwischen Lesepensum und Testergebnissen der rezeptiven Tests herstellen zu können, wurde zuerst ein Gesamtlesepensum pro Jahr ermittelt, indem die Angaben für Fachbücher, Sachbücher, Pflichtliteratur, Unterhaltungsliteratur (zu jeweils 100 Prozent), Fachaufsätze (zu 25 Prozent) und Dramen/ Gedichtbände (zu 50 Prozent) summiert wurden. Die Studierenden gaben an, dass sie im Durchschnitt 10 Bücher pro Jahr lesen (Mittelwert: 10,26; Min.: 0; Max.: 60; SD 10,05). In einem zweiten Schritt wurden die Studierenden in jeweils zwei Gruppen eingeteilt: Studierende, die angaben, gar nichts zu lesen, und alle anderen; Studierende, die angaben, bis zu vier Bücher pro Jahr zu lesen (ca. ein Drittel der Teilnehmer), und die, die mehr lasen; und Studierende, die angaben, bis zu 10 Bücher pro Jahr zu lesen (Mittelwert). Wie Tabelle 4 zeigt, ergeben T-tests für alle rezeptiven Subtests signifikante Unterschiede zwischen Studierenden, die angeben, nichts auf Englisch zu lesen, und denen, die das tun. Des Weiteren gibt es bei den Subtests R2000 und ACAD (allgemeinwissenschaftlicher Wortschatz) signifikante Unterschiede zwischen Studierenden, die bis zu 4 Bücher lesen, und denen, die mehr lesen. Beim Subtest R5000 gibt es zusätzlich einen signifikanten Unterschied zwischen Studierenden, die bis zu 10 Bücher pro Jahr lesen, und denen, die mehr als 10 Bücher lesen. R2000 Keine Bücher 9 88,14 10,95 4,8' Bücher 78 92,96 6,21 ACAD Keine Bücher 6 74,95 17,57 12,2· Bücher 66 87,12 9,68 R3000 Keine Bücher 11 66,68 13 12,7' Bücher 76 79,39 14,61 R5000 Keine Bücher 10 58,67 15,72 13,1' Bücher 62 71,72 18,46 R2000 Bis zu 4 Bücher 32 90,42 8,5 3,2' Mehr als 4 Bücher 55 93,65 5,55 ACAD Bis zu 4 Bücher 16 81,38 15,01 6,1' Mehr als 4 Bücher 56 87,46 9,16 R5000 Bis zu 10 Bücher 39 65,22 17,34 10,4' Mehr als 10 Bücher 33 75,46 18,69 Tab 4: T-tests: Rezeptive Subtests und Lesepensum. 'p < 0,05. lFLIIIL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 123 Während die Gruppenmittelwerte der Studierenden, die nichts auf Englisch lesen, und denen, die das tun, beim Subtest R2000 4,8 Prozentpunkte auseinander liegen, ergibt sich beim allgemeinwissenschaftlichen Wortschatztest (ACAD) und den Tests R3000 und R5000 ein Unterschied von 12-13 Prozentpunkten. Interessant ist auch der hohe Unterschied von 10,4 Prozentpunkten beim Subtest R5000 zwischen Studierenden, die bis zu 10 Bücher pro Jahr lesen, und denen, die mehr lesen. Erwartungsgemäß sind bei den Subtests geringerer Wortschatzgrößen die Gruppenunterschiede bis zu 4 oder mehr Büchern signifikant und beim Subtest der höchsten Wortschatzgröße (R5000) der Gruppenunterschied bis zu 10 oder mehr Büchern. Der wichtigste Unterschied scheint allerdings der zu sein, ob jemand englische Bücher und Texte liest oder nicht. Der Vergleich zwischen der Häufigkeit der fremdsprachlichen Zeitungslektüre und den Ergebnissen der rezeptiven Tests ergibt zwischen Studierenden, die mehrmals pro Monat eine englischsprachige Zeitung zu lesen, und denen, die keine englischen Zeitungen lesen, signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen auf den unteren Niveaus R2000 und ACAD (s. Tabelle 5). R2000 -Zeitung 57 91,01 7,34 4,2' + Zeitung 30 95,22 5,09 ACAD -Zeitung 41 83,70 11,71 5,6' + Zeitung 31 89,30 8,96 Tab 5: T-tests: Rezeptive Subtests und Zeitungslesen. 'p < 0,05. Damit wird Hypothese 2, die zwischen dem Leseverhalten und dem Abschneiden in rezeptiven Tests einen Zusammenhang herstellt, von dieser Studie unterstützt, vor allem im Hinblick auf die Gesamtmenge des Gelesenen, aber auch für die unteren Wortschatzgrößen mit Blick auf das Lesen englischsprachiger Zeitungen. Hypothese 3: Studenten, die mehr sprechen, haben ein größeres produktives Vokabular Bei der Untersuchung dieser Hypothese wurden zwei Variablen mit den Ergebnissen der produktiven Tests korreliert, zum Einen die Variable „Sprechmöglichkeiten außerhalb von Veranstaltungen" und zum anderen die Variable „Auslandsaufenthalte". T-tests zwischen der Gruppe von Studierenden, die angibt, dass sie außerhalb ihrer Veranstaltungen kein Englisch sprechen, und denen die dies mindestens eine Stunde pro Woche tun, ergeben bei den produktiven Tests auf den Niveaus P2000 und P5000 signifikante Unterschiede mit hohen Mittelwertsunterschieden. Bei den mittleren Niveaus P3000 und dem Test der allgemeinen Wissenschaftssprache ergeben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen Gruppen (s. Tabelle 6 auf der folgenden Seite). Das Fehlen signifikanter Unterschiede zwischen der Gruppe, die bis zu einer Stunde pro Woche außerhalb ihres Unterrichts Englisch spricht, und denen, die mehr Englisch sprechen, lFlLIIIJL 33 (2004) 124 Erwin Tschirner könnte darauf hindeuten, dass Gruppenunterschiede nicht so sehr auf der Menge der Kontakte beruhen, sondern eher darauf, ob Kontakte überhaupt gesucht werden, also möglicherweise darauf, wie motiviert jemand ist bzw. wie stark ausgeprägt sein oder ihr fremdsprachliches Selbstbewusstsein ist. P2000 -Sprechen 59 75,26 17,21 7,4* + Sprechen 30 82,67 10,39 P5000 -Sprechen 49 29,49 15,17 9,7* + Sprechen 22 39,14 16,85 Tab 6: T-tests: Produktive Subtests und Sprechen außerhalb von Veranstaltungen. *p < 0,05. Die zweite Variable für Hypothese 3 war „Aufenthalte in englischsprachigen Ländern". Hierfür wurden die Teilnehmer in zwei unterschiedliche Gruppen eingeteilt: Teilnehmer, die bis zu vier Monate im Ausland waren (der Mittelwert für alle Teilnehmer), und welche, die sich länger dort aufhielten. Wie Tabelle 7 zeigt, ergeben sich signifikante Unterschiede für alle produktiven Tests außer dem Test der allgemeinen Wissenschaftsprache (UNIV). P2000 Bis zu 4 Monate 63 74,94 16,54 9,7* Mehr als 4 Monate 26 84,60 10,44 P3000 Bis zu 4 Monate 63 47,16 15,55 15,3* Mehr als 4 Monate 27 62,42 20,20 P5000 Bis zu 4 Monate 52 27,84 13,04 17,3' Mehr als 4 Monate 19 45,18 17,61 Tab 7: T-tests: Produktive Subtests und Aufenthaltsdauer in englischsprachigen Ländern. 'p < 0,001. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede in den erreichten mittleren Prozentpunkten zwischen Studierenden, die weniger als 4 Monate im englisch-sprachigen Ausland verbracht haben, und denen, die mehr als 4 Monate dort waren, wie die Spalte „Mittelwertsdifferenz" deutlich macht. Beim Subtest P2000 beträgt der Mittelwertsunterschied zwischen den Gruppen bereits 9,7 Punkte, beim Subtest P3000 beträgt er 15,3 Punkte und beim Subtest P5000 schließlich beträgt er sogar 17,3 Punkte. 4 Die Tatsache, dass es für 4 Bei den hohen produktiven Subtests (P3000 und PS000) sind die Mittelwertsunterschiede besonders hoch, wenn man Lerner, die weniger als ein Jahr im Ausland waren, mit denen vergleicht, die länger als ein Jahr dort IFLailL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 125 alle Gruppen keine signifikanten Unterschiede beim Subtest allgemeinwissenschaftlicher Wortschatz gibt, mag darauf hindeuten, dass letzterer durch einen Auslandsaufenthalt allein nicht gelernt wird, auch wenn es sich dabei um einen längeren Aufenthalt handelt. Damit wird die Hypothese, je mehr Sprechmöglichkeiten ein Lerner hat, desto größer ist sein oder ihr produktiver Wortschatz, durch diese Studie unterstützt, sowohl durch die Variable „Sprechmöglichkeiten außerhalb universitärer Veranstaltungen", als auch und sehr deutlich durch die Variable „Aufenthalt in englischsprachigen Ländern". 5 Hypothese 4: Studierende, die Vokabeln direkt lernen, haben ein größeres Vokabular Diese Hypothese wurde von der vorliegenden Studie nicht unterstützt. Es gab bei keinem der acht produktiven und rezeptiven Subtests signifikante Unterschiede zwischen Studierenden, die gezielt Vokabeln lernen, und denen, die dies nicht tun. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Fragen zum Vokabellernen nicht differenziert genug gestellt worden waren, kann aber auch darauf hindeuten, dass diejenigen, die Vokabeln lernen, dies nicht effektiv genug tun, um damit messbare Erfolge zu erzielen. 4. Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Studie ergibt ein eher nüchternes Bild davon, wie gut vorbereitet beginnende Anglistik-, Amerikanistik- und Englisch-Studierende ihr Studium aufnehmen, sowohl im Hinblick darauf, ob sie erfolgreiche Sprachlern- und -erwerbsstrategien verfolgen, wie darauf, ob ihr lexikalisches Wissen umfangreich genug ist, um das hohe Lesepensum eines philologischen Studiums effizient erfüllen zu können. Der Großteil der Studierenden bringt weder den für ein Universitätsstudium notwendigen Wortschatz mit, noch liest er genug. Den sowohl aus der Forschungsliteratur wie auch von den Lehrplänen (Abitur) verlangten rezeptiven Wortschatzstand von 5000 Wörtern erreichen gerade mal 21 % der befragten Studierenden, insgesamt 28% erreichen 3000 Wörter. Produktiv sieht es noch düsterer aus. Der Wortschatzstand von 3000 Wörtern, der bereits am Ende der 10. Klasse beherrscht werden sollte, wird nur von 2% der Studierenden erreicht, selbst 2000 Wörter produktiv erreichen nur 21 %. Neben fehlenden Sprech- und Schreibkontakten außerhalb universitärer Veranstaltungen (68% haben gar keine), lesen viele beginnende Studierende viel zu wenig: 71 % lesen keine Sachbücher, 70% lesen keine Fachaufsätze, 64% lesen keine Zeitung, 46% lesen ihre Pflichtlektüre nicht. Nur 50% lesen mehr als zwei Unterhaltungsromane und nur 33% mehr als zwei Fachbücher pro Jahr. Trotz ihres geringen Wortschatzes lernen nur 40% Vokabeln direkt über Karteikarten oder Wortlisten. waren. Beim Subtest P3000 ergibt es einen signifikanten Unterschied (p < 0,05) von 21,8 und bei P5000 von 25,4 Punkten. 5 Eine ebenso große Rolle spielt Länge des Auslandsaufenthalts bei den rezeptiven Subtests, wiederum außer beim allgemeinwissenschaftssprachlichen Wortschatz. Alle Unterschiede waren signifikant (p < 0,001). Die Unterschiede beim Subtest R2000 betragen 5,3 Punkte, bei R3000 13,5 und bei R5000 19,6 Punkte. lFLaruL 33 (2004) 126 Erwin Tschirner Auch diese Studie bestätigt, dass Studierende, die mehr lesen, einen größeren rezeptiven Wortschatz haben. Nicht bestätigt werden konnte, dass Studierende, die Vokabeln direkt lernen, einen größeren produktiven Wortschatz haben. Dies mag daran liegen, dass die Wortschatzlernstrategien der Studierenden nicht präzise genug erfasst wurden, oder daran, dass selbst diejenigen, die Wortschatzlemstrategien anwenden, dies nicht effektiv genug tun, um damit messbare Erfolge zu erzielen. Signifikante Korrelationen und hohe Unterschiede in der Prozentzahl erreichter Punkte ergeben sich zwischen der Länge von Auslandsaufenthalten und allen Subtests außer den allgemeinwissenschaftssprachlichen. Die Ergebnisse dieser Studie deuten auf eine Reihe ungelöster Probleme im schulischen Englischunterricht, zumindest im Bundesland Sachsen, und im universitären Anglistik-/ Englisch-Studium hin. Der Wortschatzstand von Abiturienten, die ein Anglistik- oder Englisch-Studium aufnehmen, ist unzureichend. Selbst die Ziele der Lehrpläne, die zumindest fürs Leseverständnis eher an der unteren Grenze der Studierfähigkeit in der Zielsprache liegen, werden weit verfehlt. Dies hat möglicherweise zwei Ursachen: Zum einen scheint die Abwesenheit von Wortschatzzielen in der Oberstufe darauf hinzudeuten, dass nach der 10. Klasse keine konsequente Wortschatzarbeit mehr betrieben wird. Zum anderen wird in acht Jahren gymnasialem Englischunterricht viel zu wenig gelesen. Der sächsische Lehrplan für Gymnasien z.B. sieht neben den Lektüremöglichkeiten der Lehrwerke in der 10. Klasse lediglich eine Kurzgeschichte vor, im Grundkurs der Oberstufe eine Ganzschrift und im Leistungskurs zwei Ganzschriften (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 2001). Vergleicht man das mit der verbindlichen Leseliste des Studienführers für Studierende der Anglistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig (SEIDEL 2000), die aus über 200 Werken besteht, von denen ca. die Hälfte bis zur Zwischenprüfung gelesen sein soll, so wird deutlich, welche Diskrepanzen zwischen schulischer Wirklichkeit und universitären Erwartungen bestehen. Möglicherweise ist auch vor der Oberstufe das effektive Gewicht, das dem Wortschatzlernen zugestanden wird, eher unzureichend. Die Ergänzung des grammatikorientierten Unterrichts durch kommunikationsorientierte Aufgaben (Leseverständnis, Hörverständnis, Sprechen) hat möglicherweise den Lexikerwerb noch weiter in den Hintergrund treten lassen als vor der kommunikativen Wende. Des Weiteren scheinen moderne Überlegungen zur Wichtigkeit bestimmter Wortschätze, wie z.B. hochfrequente und allgemeinwissenschaftliche Wortschätze, von Lehrwerkautoren, Schulbehörden, Lehrern und Lehrerbildner noch nicht genügend wahrgenommen zu werden. Schließlich scheint auch das Vermitteln und Üben von Wortschatzlernstrategien eher noch in den Kinderschuhen zu stecken. Wortschatzwissen, Wortschatzlernen und Wortschatzlemstrategien sollten im schulischen Englischunterricht ein deutlich größeres Gewicht erhalten. In der Zwischenzeit scheinen Anglistik- und Amerikanistikfachbereiche an den Universitäten gut beraten zu sein, wenn sie sowohl die Wortschatzstände ihrer beginnenden Studierenden evaluieren, wie auch Maßnahmen ergreifen, mit Hilfe deren die notwendigen Schwellenwortschatzstände ebenso direkt wie auch durch extensive Leseprogramme gelernt und erworben werden. Während viele Forscher (u.a. NATION 2001) davon ausgehen, dass auch FremdlFLIIL 33 (2004) Der Wortschatzstand von Studierenden zu Beginn ihres Anglistikstudiums 127 sprachenlerner ab einem gewissen Wortschatzstand neue Lexeme ähnlich wie Muttersprachler vor allem durch extensives Lesen erwerben, vermehren sich in jüngster Zeit Hinweise darauf, dass ein bewusstes produktives Lernen von und Arbeiten mit Vokabeln auch für fortgeschrittene Fremdsprachenlerner, auf Grund von Unterschieden in den Bereichen noticing, kontextuelles Raten, Speicherfähigkeit und kumulativer Erwerb zwischen muttersprachlichen und fremdsprachlichen Lernern, genau so wichtig ist wie extensives Lesen und dass sich dadurch ein größerer Wortschatz in geringerer Zeit erreichen lässt (LAUFER 2003). Literatur CARVER, Ronald P. (1994): "Percentages of unknown words in text as a function of the relative difficulty of the text: Implications for instruction". In: Journal of Reading Behavior 26, 413--437. HAZENBERG, Suzanne/ HULSTIJN, Jan (1996): "Defining a minimal receptive second language vocabulary for non-native university students: An empirical investigation". In: Applied Linguistics 17, 145-163. HIRSH, David/ NATION, Paul (1992): "What vocabulary size is needed to read unsimplified texts for pleasure? " In: Reading in a Foreign Language 8, 689-696. Hu, Hsueh-chao Marcella/ NATION, Paul (2000): "Unknown vocabulary density and reading comprehension". In: Reading in a Foreign Language 13, 403--430. LAUFER, Batia (2003): "Vocabulary acquisition in a second language: Do learners really acquire most vocabulary by reading? Some empirical evidence". In: The Canadian Modern Language Review 59, 567-587. LAUFER, Batia (1997): "Tue lexical plight in second language reading: Words you don't know, words you think you know, and words you can't guess". In: COADY, James/ HUCKIN, Thomas (eds.): Second language vocabulary acquisition. Cambridge: Cambridge University Press, 20-34. 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This paper describes how research methodology can be applied in investigating so-called "word-webs" as operational instruments for possible structures of a mental lexicon. The "word-webmethod" will be examined on a theoretical as well as on an empirical basis with respect to its methodological value. Therefore I will first point out the most important desiderata of the most widely accepted research methods. In a case study I will examine the word webs drawn by the test persons, and then analyse these webs to determine the degree of their validity and reliability. My results should demonstrate that the word-web-method can be considered tobe a highly valid and reliable research instrument for the mental lexicon. 1. Kriterien für gute Forschungsmethoden Aussagen über kognitive Realitäten zu treffen, ist grundsätzlich schwierig: Man kann wegen ihrer Nicht-Beobachtbarkeit nur über Rückschlüsse von Handlungen auf sie schließen, und sie können bei dem operativen Zugriff durch das Instrument, das Design oder die zugrunde liegende Theorie beeinflusst und das Ergebnis dadurch im Extremfall zum Artefakt werden (vgl. GROTJAHN 2003: 494). Voraussetzungen für die Erfüllung der Güte sind nach den klassischen Kriterien die Validität, die Reliabilität und die Objektivität (LIENERT 1969), für das Paradigma der explorativ-interpretatorischen Forschung zudem primär die Gegenstandsangemessenheit, ferner die intersubjektive Nachvollziehbarkeit und die Relevanz (MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-V.DITFURTH 2001: 3). Für das mentale Lexikon als Konstrukt kognitiver lexikalischer Inhalte und Vorgänge ist eine „Konstruktvalidität" nachzuweisen, sodass die durch das Forschungsinstrument erfassten Merkmale „in genügender Übereinstimmung'' (LIENERT 1969: 17) mit den Theorien zum mentalen Lexikon stehen. Auch für explorativ-interpretative Forschungen wird heute zunehmend der Nachweis einer Reliabilität gefordert (GROTJAHN 2000: 24, HENRICI 2000: 33), d.h. einer Verlässlichkeit, mit der ein Verfahren bestimmte Merkmale im Re- oder Paralleltest erfassen kann (LIENERT 1969: 14 f; ALBERTIKOSTER 2002: 106 f). Sie impliziert zwei Aspekte: einesteils die Genauigkeit, mit der der Untersuchungsgegenstand im zeitlichen Verlauf erfasst wird, andernteils die Objektivität bzw. die Intersubjektivität der Methode, die Nachvollziehbar- Korrespondenzadresse: Dr. Christiane NEVELING, Wiss. Mitarbeiterin, FU Berlin, Institut für Romanische Philologie, FB Philosophie und Geisteswissenschaften, Habelschwerdter Allee 45, 14195 BERLIN. E-mail: neveling@zedat.fu-berlin.de Arbeitsbereiche: Wortschatzerwerb, Lernstrategien, Frühbeginn Französisch IFLUJlL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 129 keit der Untersuchung und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse (GROTJAHN 2003: 496). Wenn also ein Forschungsinstrument die Varianzen und Konstanzen des mentalen Lexikons abbilden könnte, indem Probanden im Retest Wortkonzepte und -relationen (re-)produzierten, so wäre dies ein Reliabilitätsindiz. Validität und Reliabilität können auf Grund ihres antinomischen Verhältnisses jedoch kein Maximum erreichen. Je reliabler ein Forschungsverfahren für den Zweitspracherwerb, desto weniger valide ist es, denn eine hohe Reliabilität kann nur durch eine strenge Kontrolle der Variablen (im Extremfall Laborbedingungen) erreicht werden. Je strenger aber die Kontrolle, desto größer die Beeinflussung der mentalen Vorgänge und die Verfälschungsbzw. Artefaktgefahr - und desto niedriger folglich die Validität. Die Steuerung muss also so stark sein, dass nicht zu viele Variablen die Validität beeinträchtigen, andererseits so schwach, dass Artefaktbildungen minimiert bzw. ausgeschlossen werden. Sekundäre Gütekriterien sind die Ökonomie im Sinne eines angemessenen Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag (kurze Durchführungs- und Auswertungsdauer, niedriger Materialverbrauch u.a.) sowie die Nützlichkeit im Sinne einer praktischen Notwendigkeit für die untersuchten Phänomene und einer Nicht-Ersetzbarkeit durch andere funktionsgleiche Verfahren (LIENERT 1969: 19). Besondere Kriterien explorativ-interpretativer Forschung sind eine transparente Darstellung (erhöhte Gegenstandsangemessenheit, Glaubwürdigkeit und potenzielle Vergleichbarkeit), die Ganzheitlichkeit in der Erhebung und Auswertung sowie die didaktische Anwendungs- und Optimierungsbezogenheit (MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-V.DITFURTH 2001a: 3 f; CASPARI! HELBIG/ SCHMELTER 2003: 499 f). 2. Desiderata für gute Forschungsmethoden zum mentalen Lexikon Die Forschung zum mentalen Lexikon wird durch Interpretationen natürlicher Phänomene (Versprecher, TOT-Phänomen, Aphasie) erforscht, aber auch mit Hilfe experimenteller Untersuchungen: lexikologische Worterklärungen durch Probanden (vgl. SCHWARZ/ CHUR 1993: 34 f), semantisches Differential (OSGOOD/ Sucr/ TANNENBAUM 1957), TOT-Experiment (BROWN/ MCNEILL 1966), Sortiermethode (MILLER 1969), Bildmethode (LABOV 1973), Wortassoziationstest (z.B. CLARK 1975), lexikalischsemantische Entscheidungsaufgaben (vgl. SHOBEN 1982: 287 ff), Priming (vgl. AITCHISON 1997: 31), Introspektion (FJERCHIKASPER 1987: 15). Aus der Analyse der Vorzüge und Defizite dieser Verfahren kristallisieren sich bestimmte Desiderata heraus, auf die das Wörternetz-Verfahren hin untersucht werden soll. Für eine möglichst hohe Validität bei Untersuchungen des mentalen Lexikons sollten neben einer Konstruktvalidität folgende fünf Desiderata erfüllt werden: Wünschenswert ist die Operationalisierung eines möglichst umfassenden Wortwissens, denn, wie RAUPACH (1994: 25) bemängelt, sind bisher nur Aussagenüberspezifische Einzelaspekte des mentalen Lexikons möglich. Erfassbar sein sollte die multiple und die multimodale Vemetzungsstruktur des mentalen Lexikons, denn jedes Konzept JFJLU! lL 33 (2004) 130 Christiane Neveling geht mehrere (multiple) und vielfältige (multimodale) Verbindungen zu anderen Konzepten ein und ist damit Element mehrerer Ordnungsklassen. 'Multimodale Relationen' bedeutet, dass das mentale Lexikon nach sieben intralingualen Ordnungsprinzipien bzw. Relationstypen aufgebaut ist. KrELHÖFER (1994) spricht von begrifflichen bzw. hyponymischen Relationen (bereits erfassbar durch: Sortiermethode, lexikalisch-semantische Entscheidungsfragen), klanglichen Relationen (TOT-Experiment), konnotativen und affektiven Relationen (semantisches Differential), außersprachlichen Kontiguitätsrelationen, Wortfamilienrelationen, sememischen bzw. merkmalsgeleiteten Relationen wie Synonymie und Antonymie und schließlich von syntagmatischen, also sprachlich-linearen Verbindungen (Wortassoziationstests erfassen all diese Relationstypen). Zu nennen ist ferner die Verbindung zu visuellen Repräsentationen (Bildmethode). Das mentale Lernerlexikon enthält zudem interlinguale Relationen, bei denen das fremdsprachige an das muttersprachige Wort bzw. das entsprechende Konzept gekoppelt ist. Wünschenswert ist außerdem nicht mehr, wie bei den bekannten Verfahren, das sukzessive, sondern das gleichzeitige Erfassen mehrerer Konzepte und Relationen eines Lexikonausschnitts, um die multiple Vernetzungsstruktur zu operationalisieren. Wünschenswert ist ferner die Operationalisierbarkeit folgender Merkmale: möglichst vieler Wortklassen (nicht nur z.B. von Substantiven wie in Sortier-, Bildmethode), bekannter psycholinguistischer Phänomene beim Aufbau und bei Verarbeitungsprozessen des mentalen Lexikons, interpersonaler Differenzen und Gemeinsamkeiten (d.h. der individuell unterschiedlichen und übergreifenden Konzepte und Relationen des mentalen Lexikons, wie sie in den Assoziationsnormen von Assoziationstests auftreten) und schließlich der „Entfernung" zwischen den Wortkonzepten. Wünschenswert ist ferner ein möglichst direkter Zugang zu den Wörterrepräsentationen, d.h. den Wortkonzepten und ihren Relationen untereinander. Von Vorteil ist dies bei der Introspektion auf Grund der geringen zeitlichen Trennung zwischen kognitiver Handlung und Äußerung. Wünschenswert ist zur Minimierung der Artefaktgefahr zudem eine möglichst niedrige Steuerung der kognitiven Vorgänge durch den operativen Zugriff, sei es durch die Forschenden, das Verfahren oder den Versuchsaufbau. Negative Effekte könnten beim semantischen Differential, der Sortiermethode und dem Assoziationstest "Listeneffekt") auftreten, da dort die zu bewertenden, zu sortierenden Wörter bzw. die Wortstimuli vorgegeben und nicht frei wählbar sind. Ein wichtiges Desiderat scheint mir die Unabhängigkeit von Verbalisierungen zu sein, denn diese beeinträchtigen die Validität. So ist eine gewisse Zirkelschlussbildung nicht zu vermeiden, wenn Probanden Bedeutungen mit Hilfe anderer Bedeutungen darstellen (SCHWARZ/ CHUR 1993: 34 f). Gravierender sind aber die strukturellen Unterschiede zwischen der „inneren" und der „äußeren Sprache" im Sinne Wygotskis: Erstere unterstützt das Denken und ist stumm, schnell, dynamisch, inkonstant und fluktuierend, ferner phonetisch, syntaktisch wie semantisch reduktiv verdichtet (WYGOTSKI 1986: 311; 350). Sie ist daher hochgradig individuell und idiomatisch, und ihre Übertragung in die äußere Sprache „keine einfache Vokalisierung [... ],sondern[ ...] die Umwandlung [der] völlig eigenständigen Syntax, der semantischen und lautlichen Struktur der inneren IFLl! L 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 131 Sprache [...] in eine syntaktisch gegliederte und anderen verständliche Sprache", ergo: „eine komplizierte dynamische Transformation" (WYGOTSKI 1986: 350). Gerade dies sollen aber nun die Probanden bei metasprachlichen Erklärungen und Bedeutungserschließungen unter Reaktionszwang leisten! Es liegt nahe anzunehmen, dass die strukturellen Diskrepanzen zwischen dem polydimensionalen Denken und der linearen Sprache leicht zu Verfälschungen der Denkinhalte und damit zu Artefakten führen. Bei der Introspektion ist diese Gefahr besonders virulent, weil der operative Zugriff während des kognitiven Vorgangs stattfindet (vgl. COHEN 1987: 37; O'MALLEY/ CHAMOT 1990: 91; MißLER 1999: 149). Zudem können folgende Probleme auftreten: Gedächtnisverluste durch die Versprachlichung in der Muttersprache (COHEN/ ScoTT 1998: 38), eine qualitative wie quantitative Überlastung des Kurzzeitgedächtnisses durch die Verbalisierung komplexer kognitiver Inhalte, was zu unvollständigen Äußerungen führen kann (WENDEN 1991: 83; COHEN/ SCOTT 1998: 36), die Nicht-Beachtung relevanter Aspekte durch die Probanden auf Grund deren Ungeübtheit im Lauten Denken (MÜLLER-LANCE 2001: 214). Überdies ist der Einsatz von Metasprache angesichts ihrer meist mangelnden Beherrschung sogar bei Studierenden oft hinderlich (RAABE 2000: 181; DECHERT 1997: 18 f). Somit fallen viele Probanden aus Alters- und Bildungsgründen aus der empirischen Betrachtung heraus, was im Hinblick auf den schulischen Fremdsprachenerwerb besonders folgenreich ist. Im Gegensatz dazu impliziert der Einsatz von Objektsprache eine schnelle, spontane Reaktion und bewirkt so einen relativ direkten Zugang zu den kognitiven Inhalten. Objektsprache wird von Probanden aller Bildungsgruppen und Altersstufen beherrscht (Vorteile von Bild- und Sortiermethode, TOT- und Wortassoziationstest, semantischem Differential, lexikalisch-semantischen Entscheidungsfragen). Zu vermeiden sind schließlich Ungenauigkeiten und Verfälschungen durch Testlerneffekte. Hier liegt ein Vorzug des Tagebuchführens vor, wenn es sich um die Untersuchung und Aufzeichnung von Lernstrategien handelt: Das Tagebuch nimmt die doppelte Funktion der Diagnose und der Lernhilfe ein, sodass die zunehmend bessere Beherrschung des Instruments nicht zu Verfälschungen, sondern zur genaueren Anwendung und damit zu größerer methodischer Genauigkeit führt. 3. Das Wörternetz-Verfahren Die Konzepte im mentalen Lexikon sind nach vorherrschender Forschurigsmeinung miteinander vernetzt (z.B. AITCHISON 1997) und dabei nach den oben genannten intralingualen Ordnungsprinzipien geordnet: hyponymisch, phonetisch-phonologisch, individuell-affektiv, wortfamilienorientiert, sememisch, außersprachlich kontig und syntagmatisch. KlELHÖFER (1994) spricht mit der Netzmetapher von „Begriffs-, Klang-, affektiven, Wortfamilien-, Wort-, Sach- und syntagmatischen Netzen", wobei es mir begrifflich klarer scheint, von „Merkmals-" anstatt von „Wortnetzen" zu sprechen (vgl. NEVELING 2004a: 44 ff). Um diesen Teilnetzen auf die Spur zu kommen, erscheint nahe liegend, ein Instrument zu entwickeln, das vernetzte Wörter als 'Abbild' ihrer mentalen Repräsentationen enthält. Diesem Postulat folgt das Wörternetz-Verfahren, das folgen- JFLm, 33 (2004) 132 Christiane Neveling dermaßen funktioniert: Die Probanden erhalten eine ungeordnete Liste von Wörtern, die sie zunächst durch Unterstreichungen vorordnen und dann auf ein Blatt Papier in für sie sinnvoller räumlicher Anordnung aufzeichnen. Neben den Wörtern der Liste sollen auch bereits bekannte Wörter assoziiert und notiert werden. Anschließend werden die Wörter verbunden und durch Linien, Pfeile, Doppellinien oder Symbole ausdifferenziert, wichtige Wörter werden durch Kreise, Kästen oder Buchstabenvariationen markiert und geeignete Wörter durch Zeichnungen oder Wortikone illustriert. Je nach Bedarf werden Wörter des bestehenden Wissens in die Netze integriert. In der Auswertung werden die Wortknoten und die vielfachen und vielfältigen bzw. die multiplen und multimodalen Verbindungen qualitativ und quantitativ analysiert, was Rückschlüsse auf die Struktur der mentalen Ordnungssysteme erlaubt. Das Wörternetz-Verfahren soll der Erforschung von Lexikonausschnitten des monolingualen, des bi- oder multilingualen sowie des lernersprachlichen Lexikons dienen. Die muttersprachlichen Netzstrukturen sind eo ipso intralingual, die eines zwei- oder mehrsprachigen Menschen und eines Fremdsprachenlerners intra- und interlingual. Bei der Erforschung von Lernerlexika müssen dem Betreffenden die Wortbedeutungen bekannt sein, denn ohne inhaltliche Füllung kann er keine semantischen Relationen herstellen. Wenn die fremdsprachigen noch nicht bekannt oder gerade nicht zugänglich sind, dürfen auch deutsche Wörter in das Netz integriert werden. Das Wörternetz-Verfahren verortet sich im Paradigma der qualitativen Forschungsmethoden, es folgt jedoch auch der Forderung, quantitative Erhebungs- und Auswertungsverfahren einzubinden (vgl. AGUADO 2000; MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER- V.DITFURTH 2001b; CASPARI! HELBIG/ SCHMELTER 2003). Es enthält die für qualitative Forschung typischen Vorzüge der hohen Gegenstandsnähe, Anwendungs- und Optimierungsbezogenheit, Letzteres insbesondere dann, wenn Wörternetze gleichzeitig als Lernstrategie fungieren. 1 4. Wörternetze im empirischen Nachweis: Forschungsdesign Die Untersuchung fand in einer fünfwöchigen Studie mit fünf Teststunden in einer 10. Klasse des Gymnasiums mit 3. Fremdsprache Französisch (2. Lernjahr) statt. Die 20 Schüler wiesen den Aussagen des Fachlehrers zufolge durchschnittlich ein mittleres Leistungsniveau auf. Die Untersuchung folgte der Unterrichtsprogression des Lehrbuchs (Etapes. Methode Intensive I, MößER [et al.] 1993, Lektion 6), sodass die Inhalte auf Alter, Sprachlernstand und Interesse der Schüler abgestimmt waren. Sie wurde vom Fachlehrer durchgeführt und von mir beobachtet. Teststunde 1: Anhand eines Muster-Wörternetzes auf Deutsch zum Thema 'Haus' wurden die Probanden in groben Zügen in die Vorgehensweise des Verfahrens eingeführt: Wörter vernetzen und mit Verbindungslinien, Kästen/ Kreisen, Farben und Zeichnungen elaborieren. Die Schüler erklärten die Wörter-Ordnungen, die sie entdeckten, diese wurden jedoch nicht durch explizite Nennungen der Vgl. NEVELING (2004a: l 90ff; 2004b) zur Überprüfung der Effektivität von Wörternetzen als Lernstrategie. IFLllllL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 133 mentalen Kategorien bewusst gemacht, damit die späteren Konstruktionen nicht beeinflusst würden. In Form eines kollektiv erstellten Wörternetzes zu dem den Probanden bekannten Thema 'le college' wurde das Verfahren geübt, indem die Lerner spontane Assoziationen äußerten und der Versuchsleiter sie an die Tafel brachte. Er lenkte die Aufzeichnung nicht, gab lediglich den Hinweis, möglichst alle Wortklassen zu integrieren und Verbindungslinien, Pfeile etc. einzuzeichnen. Die Schüler erfassten die Prinzipien schnell, denn sie nannten spontan viele Wörter und Verbindungen. Teststunde 2 (drei Tage später): Nach der Semantisierung der 45 neuen Wörter zum Thema 'Aimer ou detester Paris' (MößER [et al.] 1993: 70t) zeichnete jeder Schüler in 20 Minuten ein Wörternetz. Die Aufgabe lautete, möglichst viele Wörter in sinnvoller Anordnung aufzuzeichnen, diese mit Kreisen, Kästen o.Ä. zu umrahmen, durch Linien zu verbinden und durch kleine Zeichnungen zu ergänzen; erlaubt waren auch bereits bekannte Wörter und bei Unkenntnis eines französischen Worts auch das deutsche. Teststunde 3 (sieben Tage später): Ohne Ankündigung wurde das zweite Wörternetz gezeichnet, wiederum mit offener Aufgabenstellung: Anfertigung eines Wörternetzes zum Thema 'Paris' in 20 Minuten, Notieren möglichst vieler Wörter „in der Anordnung, die euch im Sinn ist", Verwendung von Verbindungslinien, Kreisen, Farben, Zeichnungen sowie bekannter und notfalls deutscher Wörter. Als Vorbereitung auf einen Test sollten die Wörter mit Hilfe der Wörternetze eingeprägt werden. Teststunde 4 (vier Tage später): Der Vokabeltest war so konzipiert, dass der Abrufmodus dem jeweiligen Speichermodus nahe kam, so wurde z.B. ein Antonym durch die Vorgabe des anderen Antonyms oder ein Verb durch eine Satzlücke erfragt. Teststunde 5 (21 Tage später): Ohne Ankündigung wurde das dritte Wörternetz zum Thema 'Paris' angefertigt, wiederum in 20 Minuten und nach derselben Aufgabenstellung. 5. Die Auswertung der Pilotstudie nach zwei kombinierten Analyseverfahren Da 20 Probanden an der Untersuchung teilnahmen, waren in den Teststunden 2, 3 und 5 insgesamt 59 Wörternetze entstanden (eine Fehlstunde eines Schülers). Die in Teststunde 2 entstandenen Wörternetze werden 'Wörternetzei', die in Teststunde 3 und 5 'Wörternetze2' und 'Wörternetze/ genannt. Im Folgenden soll eine Zusammenschau der Ergebnisse vorgestellt werden, wobei zentrale Erkenntnisse anhand der drei Wörternetze der Probandin O exemplifiziert werden (vgl. Abb.1-3 im Anhang [S. 145 t1)2. Bei der Analyse der Wörternetze wurden jeweils zwei Untersuchungsmodi miteinander kombiniert: einesteils qualitative oder quantitative Analysen (d.h. deskriptiv-analytische Untersuchungen der Wortstrukturen in einem Netz oder das Auszählen der Wörter nach bestimmten Kriterien) und andernteils 'simultane' oder 'chronologische' Analysen (d.h. zeitgleiche, interpersonale Vergleiche z.B. aller Wörternetze 1 oder intrapersonale Vergleiche z.B. der drei Wörternetze der Probandin 0). Untersucht wurden die Validität, die Reliabilität sowie die sekundären Gütekriterien der Ökonomie und der Nützlichkeit. In die Analyse aufgenommen wurden die types von Nomen, Verben, Adjektiven, Adverbien, bedeutungstragenden Präpositionen und Konjunktionen (vgl. genauer NEVELING 2004a: 154 t). 2 Diese sowie alle anderen Wörternetze der Untersuchung sind unter www.woerternetze.de (Anhang / 11.5) abrufbar. Die farbigen Markierungen gestatten eine bessere Nachvollziehbarkeit der Strukturen. JF[,IIL 33 (2004) 134 Christiane Neveling 5.1 Empirischer Validitätsnachweis: Operationalisierung umfassenden Wortwissens Ein Blick auf die Wörternetze der Probandin im Anhang offenbart, dass das Verfahren die im mentalen Lexikon angelegten multiplen Verknüpfungen gleichzeitig sichtbar macht. Die quantitative simultane Aufnahme aller Verbindungslinien in den Wörternetzen1_3 zeigt, dass von jedem Wort durchschnittlich rund zwei Verbindungen ausgehen. Diese Zahl liegt jedoch höher, weil oft Wörter auch ohne Linien zusammengruppiert und daher implizit relationiert waren (meist in syntagmatischen und Begriffsnetzen, vgl. 01 im Anhang). Das Verfahren bildet also offenbar die multiple Vernetzungsstruktur des mentalen Lexikons ab. Als Weiterführung lernpsychologischer Fragestellungen kann das Verfahren Auskunft darüber geben, ob diejenigen Wörter mit besonders vielen Verknüpfungen besonders gut gespeichert werden (vgl. NEVELING 2004a: 307 ff). Die qualitative simultane Analyse der Wörternetze ergab, dass alle Probanden Wörternetze mit durchgehend sinnhaften, d.h. intersubjektiv nachvollziehbaren Verbindungen gezeichnet hatten. Diese Einstufung wurde neben meiner linguistischen Intuition anhand von zwei Prinzipien vorgenommen: entweder bei einer Speicherung auf Grund sinnhafter Anordnung (erkennbar an der intrapersonalen Wörter-Reproduktion in den später angefertigten beiden Wörternetzen) oder beim Ausschluss einer Beliebigkeit durch den Vergleich mit Wörternetzen anderer Probanden (erkennbar an interpersonaler Wörter-Reproduktion). Die drei Wörternetze der Probandin (01, 02, 03) demonstrieren die Vernetzungen exemplarisch: Es werden relativ viele Wörter notiert (42, 35, 32) und dies bis auf Konjunktionen in 02 und 03 in allen Wortklassen. Die Wörternetze sind nach sechs (01) bzw. fünf (02, 03) Ordnungsstrategien bzw. Teilnetztypen konstruiert, von denen die syntagmatischen und die affektiven Netze dominieren: - Begriffsnetze: le metro/ le bus (Kohyponyme), monuments/ batiments le cimetiere du pere Lachaise/ - Notre-Dame/ le Quartier latin u.a. (01) (Hypero-/ Hyponyme, wobei Quartier latin metonymisch für die Gebäude steht), nouveaux monuments l'opera de la Bastille (02), batiments la tour Eiffel (03) (Hypero-/ Hyponyme), - Merkmalsnetze: monuments batiments (01, 03) (Synonyme), belle ville +->ville brutale (01) (Antonyme, symbolisch unterstützt), - Sachnetze: l'amour ville romantique, ville brutale la foule beaucoup de misere (01), Paris ville cosmopolite (02, 03), syntagmatische Netze: aimer visiter les petits cafes (01, 02, 03)/ faire les vitrines (01, 03)/ aller au musee (01, 02), A Paris, on peut aller aux petits cafes/ au cinema/ au musee/ faire les vitrines ou regarder les monuments (01) (eine sorgfältig durchdachte Wortverkettung), - Wortfamiliennetze: metro -metro-boulot-dodo (01, 02, 03) (Komposition), aimeramour (01) (Derivation), affektive Netze: aimer aller au cinema/ au musee etc., detester - AUTOABGASE les gens qui n'ont pas le temps/ -ville brutale peur (01). Das Vorkommen aller sieben intralingualen Wortrelationen ist ein Indiz für die Operationalisierung der realen multimodalen Vernetzungen des mentalen Lexikons. Die lFLIIIL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 135 meisten Wörter sind erkennbar Elemente mehrerer Teilnetze bzw. Kern von deren Überlappungen. Wie die Probandin O verwendeten einige Schüler sechs, alle aber mindestens drei und die meisten vier Ordnungsstrategien. Dabei ist die Dominanz der Teilnetztypen deutlich lernerabhängig und variabel: Bei einigen besteht ein recht ausgewogenes Verhältnis zwischen den Teilnetzen, bei anderen überwiegen Sach-, Begriffs-, syntagmatische oder oft auch affektive Netze. Die beschriebenen Ordnungskategorien treten insgesamt in psycholinguistisch realem Mengenverhältnis auf: Die affektiven und die Begriffsnetze sind auf Grund des spezifischen Themas dominant (aimer ou detester Paris; Eignung der Bauwerke als Hyponyme) und Sachnetze auf Grund der Verbindung zum Weltwissen grundsätzlich umfangreich. Hingegen sind Wortfamilien- und die Klangnetze am kleinsten, was an den eingeschränkten Sprachkenntnissen der Probanden und an der in Sprachen per se weniger vorhandenen Komposita und Derivata liegt; die wenigen Klangnetze sind für diese Altersstufe typisch, denn im Gegensatz zu Kindern relationieren Jugendliche und Erwachsene ihre Wörter kaum klangbasiert. Das quantitative simultane Erfassen der Wörter in allen Wörternetzen zeigt, dass sowohl deutsche als auch französische Wörter auftreten. Dank dieser intra- und interlingualen Relationen scheint das Verfahren in der Lage zu sein, typische lernersprachliche Strukturen des mentalen Lexikons abzubilden. Dass die französischen Wörter in so überragender Zahl (99,3%) vorkommen, überrascht zunächst, weil bei Schülern mit nur eineinhalb Jahren Französischunterricht eine fast ausschließlich intralinguale Vernetzung nicht zu erwarten gewesen wäre. Doch erklärt sich dieses Bild durch die einsprachig vollzogene Semantisierung sowie durch die Aufgabenstellung der Wörternetz-Konstruktion. Es schließt auch enge Koppelungen der Wörter an die muttersprachlichen Wortkonzepte nicht aus, denn an anderer Stelle der Untersuchung wurden Übersetzungen gefordert und kamen schnell, umfassend und korrekt. Das quantitative simultane Erfassen der Wörter deutet darüber hinaus auf die Operationalisierung lernersprachlicher Verarbeitungsprozesse hin: Durch einen Vergleich der Probandenkorpora mit dem Basiskorpus der vermittelten Wörter, d.h. mit dem Input (Auflistung in NEVELING 2004a: Anhang 111.4.a), wurde das Verhältnis der neuen und der bereits bekannten Wörter eruiert. Das Verhältnis von durchschnittlich rund 62% bekannten und 38% neuen Wörtern in den Wörternetzen (bei einer konstanten Streuung von nur 6%) entspricht dem Prinzip erfolgreichen Lernens: Neues Wissen wird mit bekanntem je nach individuellem Lernbedürfnis mehr oder minder gleichmäßig verknüpft. Die quantitative Analyse der Wörter und die qualitative Analyse der Strukturen in den Netzen auf chronologischer Ebene deuten ebenfalls auf die Operationalisierung lernersprachlicher Lernprozesse hin. Wichtig sind folgende beiden Erkenntnisse: So wird zum einen die Relevanz der Semantizität für den Speicherprozess deutlich, denn es werden eindeutig mehr Wörter mit bedeutungstragender Kraft (Nomen, Adjektive, Verben) als etwa Funktionswörter (Konjunktionen, Präpositionen u.a.) reproduziert. Zum anderen wird die dem dynamischen mentalen Lexikon inhärente binäre Struktur der Konstanz und der Varianz der Wortkonzepte abgebildet, da im Untersuchungszeitraum der fünf Wochen in den Wörternetzen 1_3 sowohl intrapersonal differente (53%) als auch identische lFILIIIL 33 (2004) 136 Christiane Neveling Wörter (47%) auftraten. Schließlich ist möglicherweise ein weiteres Phänomen durch die chronologische Analyse operationalisierbar: Es offenbart sich das aus Assoziationstests bekannte Phänomen, dass neu gelernte Wörter im mentalen Lexikon um die bestehenden Knoten herumkreisen, bevor sie sich langfristig etablieren (vgl. KlELHÖFER/ SCHMIDT 1981): Bestimmte Wörter traten im ersten und dritten, nicht aber im zweiten Wörternetz auf, und vermutlich waren sie zwischenzeitlich nur latent vorhanden und noch nicht fest im Netz fixiert. Dasselbe Phänomen könnte für Wörter vorliegen, die nur im ersten und zweiten Wörternetz auftreten, da sie möglicherweise in einem potenziellen vierten wieder notiert worden wären. Konjunktionen 1% Präpositionen 1% Adverbien 2% Verben 10% Adjektive 13% Gattungsnamen 47% Abb.1 Die qualitative und quantitative simultane Analyse zeigt, dass die Probanden alle Wortklassen in der in Abb. 1 angegebenen Distribution verwendeten. Dass Autosemantika auf Grund ihrer höheren Semantizität und ihres größeren Vernetzungspotenzials über die bedeutungsarmen bzw. -losen Synsemantika deutlich dominieren (96% ), deckt sich mit den Realitäten des mentalen Lexikons. Dem entspricht auch der Vergleich mit dem Basiskorpus, in dem alle Wortklassen in etwa derselben Distribution vorlagen. Die Abbildbarkeit aller Wortklassen indiziert die breiten Möglichkeiten der Wissenserfassung durch das Wörternetz-Verfahren. Durch quantitatives und qualitatives Erfassen der Wörter und Relationen wurden die 20 Wörternetze 1, die 19 Wörternetze 2 und die 20 Wörternetze 3 auf interpersonal identische, d.h. von mehreren Probanden zu demselben Zeitpunkt (re)produzierte Wörter und Relationen hin verglichen. In der quantitativen Analyse wurden von insgesamt 455 types neben 205 differenten, also nur in einem individuellen Wörternetz vorhandenen Wörtern, auch 250 identische Wörter gezählt, also solche, die von mindestens zwei Probanden gleichzeitig in ihrem Wörternetz notiert waren. Abb. 2 [S. 137] zeigt in eindrucksvoller Deutlichkeit die erwarteten interpersonalen Regelmäßigkeiten in den Wiederholungsfrequenzen, die sich in der Struktur einer Hyperbel darstellen: Viele Schüler produzierten wenige identische Wörter, umgekehrt notierten wenig Schüler viele identische Wörter und ein breites Mittelfeld eine durchschnittliche Anzahl identischer Wörter (Details zur Errechnung der Kurve vgl. NEVELING 2004a: 167). Die Rekurrenzen erklären sich zum Teil durch den themenspezifischen Input im Unterricht, aber keinesfalls ausschließlich, denn sie drücken erkennbar auch das kollektive Weltwissen der Schüler zum Zeitpunkt der Erhebung aus ('1998: Tour de France, Fußball-WM'). lFLuL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 137 = 15 ~ 14 "Cl = OI 13 i "' 12 =-- 11 10 9 8 7 6 4 2 0 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 Wörter Abb.2 Die qualitative Analyse der interpersonal mehrfach produzierten Relationen (3bis 17-fach) unterstreicht die Existenz interpersonal mehrfach produzierter Wörter, wie die Synopse aus den Wörternetzen 1 in Abb. 3 [S. 138] exemplarisch zeigt. Dabei entsprechen den frequenten Wörtern zwar häufig, aber nicht zwingend auch frequente Verbindungen, wie das Beispiel le metro zeigt: von 13 Probanden notiert, darunter aber nur zweimal in Relation zu detester, lafoule und metro-boulot-dodo. Die quantitative und die qualitative Analyse indizieren die Fähigkeit des Wörternetz- Verfahrens, die psycholinguistischen langue- und parole-Anteile des mentalen Lexikons zu operationalisieren. Gemeint ist damit einesteils die Menge an Wörtern und Wortverbindungen, die überindividuell gleich sind (Basis und Voraussetzung für gelungene zwischenmenschliche Kommunikation), und andernteils die subjektiven, zwischen den Individuen differierenden Wörter, Relationen und auch semantischen Belegungen eines Wortes. Die in den Wörternetzen nachgewiesenen parole- und langue-Anteile geben psycholinguistische Realitäten des mentalen Lexikons wieder und bilden somit ein weiteres Validitätsindiz für das Wörternetz-Verfahren. In Anlehnung an die Assoziationsnormen der Wortassoziationstests könnte man von 'Vernetzungsnormen' sprechen. Mit Wörternetz-Synopsen kann man den interpersonalen Vergleich von Wörtern und Relationen und damit kognitive langue-Modelle visualisieren und hieraus Speicherformen des mentalen Lexikons (z.B. die Dominanz soziokultureller Sachnetze und affektiver Netze) ableiten. lFLUIL 33 (2004) 138 Christiane Neveling Abb.3 Die quantitative und qualitative Analyse (simultan und chronologisch) der Wörternetze hinsichtlich einer möglichen Erfassung der „Entfernung" zwischen den Wortkonzepten ergab Folgendes: Zum einen könnte die lokale Nähe in Form der Länge der Verbindungslinien als Indiz gelten, weil die spontan aufgezeichnete lokale Nähe auch eine mentale assoziative Nähe vermuten lässt. Allerdings sind wegen der Komplexität kognitiver Strukturen weitere, komplexere Kriterien anzunehmen: So könnten interpersonale Übereinstimmungen auf simultaner Ebene (Wörternetz-Synopsen) und auch intrapersonale Similaritäten auf chronologischer Ebene Ausdruck für nahe Wortkonzepte sein, wenn man diese Kriterien als Zeichen starker Wortrelationen auffasst. Ein dritter Ansatz könnte sein, die Speicherkraft der verschiedenen Ordnungsstrategien systematisch zu untersuchen, denn möglicherweise liegen z.B. Wörter in Merkmalsnetzen enger beieinander als Wörter in Klangnetzen. Zu beachten wäre dabei die Rolle der Wortklasse, des Inputs und des Vorwissens. Das letzte Kriterium zum Validitätsnachweis in Bezug auf das umfassende Wörterwissen war das kurzfristige Behalten der Wörter (quantitative chronologische Analyse), das durch einen Behaltenstest in der Teststunde 4 (elf Tage nach der Anfertigung von Wörternetz 1, s.o.) untersucht wurde (vgl. im Detail NEVELING 2004a: Anh.11.3). Die AuslFIL1UiL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 139 wertung erfolgte doppelt: erstens im Sinne der semantischen Schwerpunktsetzung der Studie ohne Bewertung der formalsprachlichen Fehler, zweitens gemäß den üblichen Unterrichtsnormen mit Einbezug der sprachlichen Fehler. Das „rein semantische" Ergebnis fiel mit durchschnittlich rund 88% richtiger Lösungen (18 Schüler: 86%-97%, 2 Schüler: 51 %-56%) sehr gut aus. Die unterrichtskonforme Bewertung ergab einen Notendurchschnitt von 2,9 (Noten von 1 bis 5), was nicht nur mit den regulären Vokabeltests der Lerngruppe und der einzelnen Schüler korrelierte, sondern auch mit den Einzelresultaten der semantischen Testauswertung: Die schwächsten Noten entsprachen den niedrigsten, die besten Noten weitgehend den höchsten Prozentzahlen. Der Test weist somit eine erfolgreiche Verankerung der Wörter im mentalen Lexikon nach. Schließlich stimmten die Testergebnisse weitgehend mit der Qualität der Wörternetze überein, wie bei Probandin O deutlich wird: Ihre übersichtliche, sinnvolle und eng verschachtelte bzw. ökonomische Ordnung in sechs Teilnetztypen sowie die Integration mehrerer Wortklassen korrelierte mit ihrem Wörterabruf von 98% im Test. Die genannten Korrelationen zwischen den Ergebnissen der semantischen und der unterrichtsgemäßen Auswertung des Speichertests, zwischen der Qualität der Wörternetze und den Behaltensergebnissen bedeuten eine externe Validierung der zuvor genannten Untersuchungsergebnisse. Sie verstärken die bisherigen Belege für die Validität des Wörternetz-Verfahrens in Bezug auf den Nachweis eines umfassenden Wörterwissens. 5.2 Empirischer Reliabilitätsnachweis: Operationalisierung intrapersonaler Rekurrenz Quantitativ gemessen wurde die intrapersonale Rekurrenz von Wörtern und Relationen, denn die Menge der intrapersonal identischen Wörter in den je drei Wörternetzen eines Probanden lässt auf deren Fixierungsgrad im mentalen Lexikon schließen. Je höher die Zahl der identischen Wörter und je größer die qualitative Übereinstimmung der Teilnetze, desto zuverlässiger ist das Verfahren imstande, wiederholt denselben Untersuchungsgegenstand zu erfassen. Zwar verändert sich das mentale und insbesondere das Lernerlexikon im Verlauf der Zeit, jedoch nur partiell und ein bestimmter Teil bleibt im Hinblick auf eine Zugriffsbereitschaft für den Gebrauch notwendigerweise bestehen (Konstanten im mentalen Lexikon). Diese Konstanten sollten in der Auswertung erfasst werden. Bei der Analyse der Wörternetze wurde die Anzahl der reproduzierten Wörter in Relation zu der Gesamtwörterzahl jedes einzelnen Wörternetzes (=100%) gesetzt. Ausnahmslos alle Probanden produzierten identische Wörter. Die strengste von vier Messungen verglich alle drei Wörternetze jedes Probanden und operationalisierte damit die permanente Abrufbarkeit der Wörter über fünf Wochen. Sie ergab einen Durchschnittswert von 44%. Diese hohe Rekurrenz zeigt die hohe Konstanz, mit der das Verfahren das Forschungsobjekt im Retest erfasst, und dies wiederum indiziert seinen hohen Reliabilitätsgrad. Die qualitative Analyse bestätigt diese Konstanz, denn viele Wörter treten in später gezeichneten Wörternetzen in weitgehend ähnlicher, bisweilen identischer räumlicher Anordnung wieder auf, wenige an anderen Orten: Teilnetz-Stränge oder sogar volllFLIIL 33 (2004) 140 Christiane Neveling ständige Teilnetze werden weitaus häufiger als einzelne, verstreute Wortknoten reproduziert. Auch die Wörter innerhalb der reproduzierten Teilnetze sind meist in identischer oder leicht variierter Anordnung vertreten, selten in vollständig differenter. Auch solche Wörter, die später an anderer Stelle auftauchen, sind oft mit dem Teilnetzstrang und selten alleine „gewandert". Weg fallen Wörter ohne persönlichen individuellen Belang für den Lerner, wenig relevante Detailinformationen, nur einfach verknüpfte Wörter, paradigmatische Alternativen (z.B. Kohyponyme) und deutsche Wörter, deren französische Form nicht gelernt wurde. Die Wörternetze 1_3 der Probandin O exemplifizieren diese Phänomene (vgl. Anhang, Abb.1-3 [S. 145 f]): 1. Identische Anordnung: aimer passer les vacances a Paris, detester ville brutale peur, 2. Leicht variierte Anordnung: belle ville amour ville romantique, aimer visiter les petits cafes visiter les musees faire les vitrines u.a., ville cosmopolite, detester foule metro metro-boulot-dodo creve, 3. Differente räumliche Anordnung: la tour Eiffel u.a. batiments monuments, bruitvoiture rue. 6. Theoretischer Nachweis der Konstruktvalidität Zwar darf man sich angesichts der Komplexität der Gedächtnisstrukturen wohl keine exakte Abbildung kognitiver Inhalte vorstellen, doch weisen die auf Papier gezeichneten Wörtervernetzungen neben den Übereinstimmungen mit den genannten psycholinguistischen Phänomenen auch eine hohe Konsistenz mit wichtigen lern-, behaltens- und kognitionspsychologischen sowie linguistischen Theorien auf. Zu nennen ist das Stufen- Modell von ATKINSON/ SHRIFFIN (1968), das auf Grund seiner Annahme des Langzeitgedächtnisses alle anderen Modelle zu integrieren vermag, ferner die Merkmalsmodelle, zu deren wichtigsten Vertretern die Wortfeldtheorie nach TRIER (1931) und später das feature model nach SMITHISHOBENIRIPS (1974) zählen und deren Grundgedanke der Repräsentation von Wortbedeutungen über Merkmale heute unbestritten ist. Zentrale Bedeutung haben wegen ihrer räumlichen Anordnung und ihrer multiplen Konzeptverbindungen die Netzwerkmodelle, darunter das viel zitierte von COLLINSILOFTUS (1975). Unsere netzwerkartig aufgebauten neuronalen Strukturen (vgl. z.B. GÖTZE 1999: 11) geben wegen ihrer evidenten optischen Ähnlichkeit bislang nur Anlass zur Vermutung einer Korrelation, denn ein neurolinguistischer Zusammenhang mit den psycholinguistischen Phänomenen ist nicht ausreichend gesichert. Eine zentrale Rolle spielt die Übereinstimmung der Wörternetze mit den Theorien des Wortfelds und der lexikalisch-semantischen Relationen (LYONS 1980: 281 ff), denn die in der Untersuchung zentralen intralingualen Ordnungsstrategien bzw. Teilnetztypen korrelieren mit den Relationen in den genannten Theorien von Trier und Lyons (vgl. im Detail NEVELING 2004a: 40 ff). Lernprozesse des Lernersprachenmodells (vgl. VOGEL 1990) finden sich insofern wieder, als deutsche und französische Wörter das Verhältnis lFLllllL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 141 von inter- und intralingualen Strukturen im mentalen Lexikon darstellen und mehrere sukzessiv gezeichnete Wörternetze das schrittweise „Etablieren" der Wörter im mentalen Lexikon widerspiegeln. Der relativ direkte Zugang zum mentalen Lexikon erklärt sich dadurch, dass die kognitive Handlung des Ordnens Verarbeitungsprozesse aktiviert, indem bestehende Wortkonzepte in den Arbeitsspeicher gerufen und dort mit den neuen Konzepten verknüpft werden. Wortrepräsentationen werden überhaupt erst während der Sprachverarbeitung erfassbar (DE FL0RI0-HANSEN 1996: 4). Die Fixierung von Wörtern auf dem Papier vollzieht sich folglich gewissermaßen als 'simultane Introspektion' oder 'sofortige Retrospektion'. Der direkte Zugang vermeidet ferner durch zeitliche Differenz bedingte Gedächtniseffekte zwischen den kognitiven Vorgängen und dem methodischen Zugriff. Wegen seiner Unabhängigkeit von Verbalisierungen unterliegt das Verfahren einem niedrigen Artefaktrisiko. Es ist daher vor verfälschenden Einflüssen der Metasprache und der Ll geschützt, verhindert eine Überforderung vieler Probanden bzw. ist für ein breites Probandenspektrum offen. Sind Wörternetze gleichzeitig Lernstrategie, so werden Testlerneffekte a priori ausgeschlossen. Ein letzter, interessanter Beleg für die Konstruktvalidität scheint mir zu sein, dass Menschen intuitiv und schon ab dem 8. Lebensjahr in der Lage sind, dreidimensionale Objekte nicht nur rezeptiv zu entschlüsseln, sondern auch zu zeichnen, d.h. zweidimensional umzusetzen (MAFFEI/ FrORENTINI 1997: 146). Diese Umsetzung geschieht mit Hilfe von geometrischen Merkmalen wie der Überlappung (Objekte, die andere teilweise überlappen, erscheinen dem Betrachter näher), von sog. 'Raumdarstellungsfaktoren' wie der relativen Größe Ge weiter ein Objekt entfernt ist, desto kleiner wirkt es) oder von · Farben, welche Details verschärfen und Raumeffekte oder Hervorhebungen erzeugen (MAFFEI/ Fr0RENTINI 1997: 79 ff; 121 ff). Somit liegt die Annahme nahe, dass Individuen in den analytisch geordneten, synthetisch konstruierten und farbig elaborierten Wörternetzen ihre kognitive Dreidimensionalität zweidimensional abbilden und auf diese Weise ihre mentalen Wortvernetzungen zum Ausdruck bringen können. Die Grenze des Wörternetz-Verfahrens schließlich liegt in der statischen Fixierung des an sich dynamischen mentalen Lexikons. Diese Schwierigkeit kann jedoch durch ein sukzessives Aufzeichnen mehrerer Wörternetze aufgefangen werden. Zum Schluss soll noch auf die sekundären Gütekriterien der Ökonomie und der Effizienz des Wörternetz-Verfahrens eingegangen werden: Die Datenerhebung ist sehr ökonomisch und ergiebig, denn ein Wörternetz enthält durchschnittlich rund 25 Wörter, sodass eine 30-köpfige Probandengruppe in einer Stunde etwa 1500 Wörter produzieren könnte. Die Datenauswertungen hingegen sind zumindest nach dem hier vollzogenen Verfahren, bei denen jedes Wort einschließlich seiner Relationen ausgewertet und mit anderen verglichen wurde relativ zeitaufwändig. Schließlich ist das Verfahren insofern nützlich, als uns für das mentale Lexikon keine umfassenderen zur Verfügung stehen. lFLlllL 33 (2004) 142 Christiane Neveling 7. Fazit: Wörternetze als Forschungsverfahren hoher Güte Theoretisch und empirisch wurde eine hohe Eignung des Verfahrens für die Operationalisierung mentaler Lexikonausschnitte nachgewiesen, denn es erfüllt die in Abschnitt 2 formulierten Desiderata: • hohe Konstruktvalidität durch die hohe Übereinstimmung zwischen Theorie und Empirie und die strukturellen Parallelen zwischen der Theorie des Wörternetz-Verfahrens und den relevanten Theorien zum mentalen Lexikon, • die relativ umfassende Operationalisierbarkeit von Wortwissen: gleichzeitiges Erfassen mehrerer lexikalischer Wortkonzepte und -relationen (multiple Vernetzung), Erfassen der multimodalen Vernetzungen des monolingualen Lexikons (sieben intralinguale Relationstypen) und der zusätzlichen interlingualen Relation des Lernerlexikons, Erfassen nahezu aller Wortklassen in realem Mengenverhältnis (Dominanz von Autosemantika), Erfassen interpersonal differenter und identischer Wörter und Relationen in Wörternetz-Synopsen, evtl. Erfassen der assoziativen Entfernung zwischen den Konzepten, • die Operationalisierbarkeit weiterer psycholinguistischer Phänomene (die Dynamik bzw. die varianten Anteile des mentalen Lexikons) und spezifischer Verarbeitungsprozesse des Lernerlexikons (Aufbau neuen Wissens auf bestehendes, sukzessives Etablieren der Wörter im jeweiligen Teilnetz), • minimierte Artefaktgefahr durch die niedrige Steuerung der kognitiven Vorgänge auf Grund des einfachen, offenen Arbeitsauftrags, durch den relativ direkten Zugang zu den Wortkonzepten und -relationen auf Grund der spontanen Aufzeichnung, durch die Unabhängigkeit von meta-/ muttersprachlichen Verbalisierungen, durch die Vermeidung von Gedächtniseffekten und in bestimmten Fällen von Testlernen. Die sich hieraus ergebende hohe Validität wird durch das nachgewiesene Außenkriterium des erfolgreichen Behaltenstests gestützt. Darüber hinaus ist das Verfahren hochreliabel, ferner objektiv, ökonomisch, nützlich sowie didaktisch anwendungsbezogen. Angesichts des antinomischen Verhältnisses zwischen Validität und Reliabilität unterstreicht der hohe Gütegrad beider Kriterien die Qualität des Verfahrens. Mit der Fähigkeit, W ortwissen umfangreich und differenziert zu erfassen und durch die Operationalisierung struktureller interpersonaler Regelmäßigkeiten zu modellieren, realisiert das Verfahren wichtige Ziele der lexikalischen Semantik und der Erforschung zum mentalen Lexikon. Darüber hinaus sind die interpersonal identischen Wortrelationen im Rückschlussverfahren Zeugnis für die interpersonal eingesetzten, also nicht beliebigen, sondern offenbar ebenfalls normierten Ordnungsstrategien. Schließlich kann das Wörternetz-Verfahren insofern einen Beitrag zur aktuellen Diskussion leisten, als unter dem Begriff des explorativ-interpretativen Forschens kein einheitlicher Ansatz, sondern eine Reihe verschiedener Ansätze mit gemeinsamen Zielen und Kriterien verstanden wird (CASPARIIHELBIG/ SCHMELTER 2003: 499) und ein Bedarf an qualitativen Forschungsinstrumenten besteht. lFLulL 33 (2004) Wörternetze als Abbilder mentaler Lexikonstrukturen ... 143 Literatur AGUADO, Karin (Hrsg.) (2000): Zur Methodologie in der empirischen Fremdsprachenforschung. Baltmannsweiler: Schneider (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache 13). AITCHISON, Jean (1997): Wörter im Kopf Eine Einführung in das mentale Lexikon. Aus dem Englischen von Martina Wiese. Tübingen: Niemeyer [Original: Jean AITCHISON (1994 2 ): Words in the Mind. An Introduction to the Mental Lexicon. Oxford]. ALBERT, Ruth / KoSTER, Cor J. (2002): Empirie in Linguistik und Sprachlehrforschung. Ein methodologisches Arbeitsbuch. 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Going back to interlexicological and frequency criteria, it categorizes the pan-romanic vocabulary and the reach of interlingual transfer. - With reference to technologically assisted language leaming and to the very special conditions of today's leaming context, the paper considers the colloquial vocabulary of spoken Romance languages and its didactical implications with special regard to French and Spanish. 1. Vorbemerkungen 1.1 Apropos Wörterlernen Was heißt es, ein Wort oder eine Fügung zu lernen? Es geht um die Internalisierung von Signifikanten in ihren Klang- und Schreibbildern sowie Bedeutungen, also um die deklarative und/ oder prozedurale Kenntnis der denotativen, konnotativen, diastratischen, diatopischen, diafrequenten und diaphasischen Schattierungen; sodann um syntagmatische Informationen wie Valenz und Kookkurrenz; schließlich um kommunikative Pragmatik im Sinne der klassischen soziolinguistischen Frage: Wer benutzt das Wort/ die Kollokation wo, wann, wie, in welcher Absicht, gegenüber wem? Man könnte diese kognitive Leistung in Informationseinheiten, bits etwa, messen. Gezählt würden die Silbenzahl des Signifikanten, die Vertrautheit eines Subjekts mit dem Laut- und Schriftbild, den Bedeutungen und syntagmatischen Merkmalen. Eine solche Messung verlangte auch eine Ergänzung des gespeicherten lexikalischen Archetyps um weitere Variablen, wie Ironie- und Klageakzent, regionale und soziale Markierungen. Obwohl die Orthographien der europäischen Sprachen die Lautung eindeutig abbilden wollen, gelingt ihnen dies nicht immer. Die Schreibung von frz. legs lässt z. B. keinen Rückschluss auf die Aussprache der Endkonsanz [lE; lEg) zu; Bindung versus Nichtbindung sind ab und an auch phonologisch relevant: [de'aRiko] (des haricots) 'Bohnen' versus [dezarikoko] 'nix'. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Franz-Joseph Meißner, Univ.-Prof., Justus-Liebig-Universität, Didaktik der romanischen Sprachen. Karl-Glöckner-Str. 21 G, 35394 GIEßEN. E-mail: franz-joseph.meissner@sprachen.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Romanistische Mehrsprachigkeitsdidaktik, Didaktische Lexikographie, Didaktik des gesprochenen Französisch, Sprachenpolitik, Quantitative Lernerforschung. lFLllllL 33 (2004) 148 Franz-Joseph Meißner Derlei Phänomene werden im natürlichen Spracherwerb durch die Vorrangigkeit der Mündlichkeit disambiguiert, sie bedürfen beim eher lesegestützten Erwerb einer Sprache der Klärung. Um Wörter zu dekodieren und enkodieren, müssen wir sie unseren mentalen Hörverstehens-, Sprech-, Lese- und Schreibprogrammen verfügbar machen. Deswegen sind entsprechende rezeptive und produktive Zugriffsroutinen auszubilden. Da Wörter in paradigmatischen, syntagmatischen und kontiguitiven (kulturellen) Netzwerken existieren, sind die Zugriffswege mehrdimensional anzulegen. - Wörterlernen ist eine umfassende, mit Bezug auf die Fertigkeiten mehrkanalige und in der Regel re-iterative Leistung. Die Beschreibung der lexikalischen Lernleistung in einer Fremdsprache bleibt unvollständig, solange sie die Lernerperspektive und die Lernersprache ausblendet. Diese sind natürlich nicht primär und ausschließlich an den Status eines Wortes im zielsprachlichen Lexikon bzw. im mentalen Lexikon nativer Sprecher gebunden. Daher sind auch das enzyklopädische und (mehr)sprachliche deklarative und prozedurale Vorwissen der Lerner ins Kalkül zu nehmen. Wenn die Kriterien von Fremdheit versus Vertrautheit eines Signifikanten und/ oder eines Signifikats bereits bei muttersprachlichen Erwerbsprozessen eine Rolle spielen, so kommt ihnen beim Fremdsprachenerwerb eine grundlegende Dimension zu. Denn hier erscheint manches, vielleicht nahezu fast alles, zunächst einmal 'fremd' - und das Fremde wiederum als eher schwer (CASTELLOITI [et al.] 2000). Erst bei näherer Betrachtung erschließen sich interlinguale, lernökonomisch nutzbare Ähnlichkeiten. Die Interkomprehensionsdidaktik hat hierzu eine eigene Transfertypik entwickelt, auf die wir hier nicht näher eingehen (MEißNER 2002, 2004). Wichtige Vorbedingung für eine Optimierung der Lernkultur wäre allerdings die Erforschung des didaktisch nutzbaren Vorwissens von Lernenden deutscher und/ oder fremder Mutter- und Zweitsprachen. 1 Wenn im Folgenden vom romanischen Lernwortschatz die Rede sein wird, so geschieht dies im Rahmen einer Inputanalyse unter dem Kriterium 'schwer versus leicht lernbar'. Diese subjektive Einschätzung ist stets das Ergebnis der Komplexion einer gewissen Anzahl von Variablen: sprachliches und enzyklopädisches Vorwissen, Lernerfahrungen, Lernertyp, Vertrautheit mit Lernaufgaben und Lernwegen, Motivation, Gruppendynamik, Lernkontext, Alter, Geschlecht, und vieles mehr. In der Faktorenkomplexion von Lernen und Lehren begegnet der Input als eine überindividuelle Größe zwischen anderen, ohne deren Kenntnis Unterricht allerdings nicht angemessen planbar ist. Schon deshalb kann auch die empirisch verfahrende und primär an Prozessen interessierte Wissenschaft vom Lernen und Lehren fremder Sprachen auf Inputanalysen nicht verzichten. Derlei Forschungen wurden bisher nicht angegangen. Nicht einmal das im Unterricht der großen deutschen Schulfremdsprachen vermittelte linguale und didaktische Wissen in seinen Wechselbezügen und seinem synergetischen Potential wurde systematisch analysiert. Das Manko betrifft die Ebenen der sprachlichen Oberflächen, ihrer mentalen Verarbeitung und Vernetzung und der lehr- oder lemseitigen Steuerung. lFLllllL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 149 1.2 Fokussierungen: Internationalität als didaktisches Spezifikum des romanischen Wortschatzes eingeschränkte Interkomprehensibilität zwischen der statistischen Norm des Sprechwortschatzes und dem Standard Man erinnere sich: Selbst wenn der Begriff Romania auf das römische Imperium hindeutet, so griff dieses doch weit über das heutige romanische Sprachgebiet hinaus. Während im Osten des Reiches das Griechische vorherrschte, konnte sich das Lateinische in den nur schwach romanisierten Gebieten östlich von Rhein und Donau sowie in Britannien nicht durchsetzen. Vor allem fungierte es über viele Jahrhunderte hinweg als Soziolekt der Gelehrsamkeit, der Kirchen, der Klöster, der Schulen, der Universitäten. Es war die Sprache der Wissenschaften und einer vorbildlichen Literatur. So stellte es die (sprachliche) Grundlage für die kulturelle Einheit des Abendlandes dar, während die Regionen ihre Eigenheiten in die Koine einspeisten. Es wäre jedoch viel zu kurz gegriffen, wollte man den Einfluss des Romanischen auf die Latinität begrenzen. So stand auch das Galloromanische an der Wiege des Englischen. Entlehnungen, oft Mehrfachentlehnungen, lassen sich nicht nur zwischen dem Latein und den Volkssprachen annehmen, sondern auch zwischen diesen selbst. Hatte Rom einst das Lateinische in die spätere Romania gebracht, so griffen die romanischen Sprachen ihrerseits weit über ihr eigentliches Sprachgebiet hinaus auf ferne Kontinente zu. Heute zählt die Neue Romania mehr nativ Romanophone als Europa. - Das hier mit wenigen Strichen in Erinnerung gerufene historische Bild mag im fremdsprachendidaktischen Zusammenhang überraschen. Seine Zeichnung erscheint nötig, da es im Kern das Verhältnis von europäischen Ausgangssprachen und romanischen Zielsprachen bzw. ihren Wortschätzen fasst (KLEINIREISSNER 1999). Wenn wir also in Abwandlung eines Wortes von Mario WANDRUSZKA (1979) von der 'inneren Mehrsprachigkeit' etwa der Deutschsprachigen reden, so ist dies ohne den skizzierten Rahmen nicht zu verstehen. Sie wird durch deren Teilhabe an unterschiedlichen Registern ihrer Sprache materialisiert, die alle auch Wörter romanischen Ursprungs aufweisen. Hierzu nur vier Stichwörter aus einer unübersehbaren Vielzahl: (1) sprechsprachlich d. Moneten (i. moneta, s. moneda, f. monnaie), (2) Talent (das aus mehreren romanischen Sprachen entlehnt wurde), (3) Schokolade (welches aus amerindischen Sprachen stammend über das Spanische vermittelt wurde), (4) macho (das Adjektiv/ Substantiv entstammt zwar der südamerikanischen Hispanität, erreichte jedoch erst über das Englische die meisten europäischen Sprachen). Derlei Beispiele signalisieren, dass 'Internationalität' als das eigentliche Charakteristikum des romanischen Wortschatzes erscheint. Sie darf daher auch einen Schwerpunkt an dieser Analyse beanspruchen.2 - Einen weiteren wollen wir in Bezug auf den Sprech- 2 Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch sind sehr nachgefragte Fremdsprachen. Entsprechend hoch ist die Zahl derer, die zwei oder gar drei romanische Sprachen beherrschen. Wer eine hohe Lese- oder Hörverstehenskompetenz in zwei distanten romanischen Sprachen besitzt, dem sind auch andere weitgehend transparent. Denn eine gewisse Ausnahme bildet das Rumänische sie alle verfügen über eine panromanische Morphosyntax und die Lexeme des zentralen Wortschatzes, die in nur einer einzigen romanischen Varietät vorkommen, sind begrenzt. Nimmt man mit AUSUBEL (1968: vi) das linguale Vorwissen der Lerner als wichtigsten Faktor für die Qualität der lemintentionalen Informationsverarbeitung, dann zeigt sich, dass aus der Sicht lFLllL 33 (2004) 150 Franz-Joseph Meißner wortschatz setzen, weil er in einem engen Verhältnis zu den kommunikativen Zielen des heutigen Fremdsprachenunterrichts steht und sich zwischen den Registern von Standard und sehr gängigem Substandard erhebliche Divergenzen ausmachen lassen. Die tendenzielle Non-lnterkornprehensibilität zwischen dem eher schreiborientierten Lehrwerk- Input und der statistischen sprechsprachlichen Norm hat im Bereich der romanistischen Didaktiken immer wieder Diskussionen entfacht. 2. Interlexis didaktisch 2.1 Einführende Bemerkungen Bei der Beschreibung der Internationalisrnen 3 hat die germanistische Interlexikologie eine Terminologie entwickelt, die für die didaktische Analyse der Interlexis aufschlussreich ist. Wenn Burkhard SCHAEDER (1990) Wortpaare (to continue continuer) und Wortserien (to continue, continuare/ continuazione, continuar/ continuaci6n) nach Formkongruenz und Inhaltsadäquanz kategorisiert, so greifen wir diese Unterscheidung auf, ohne im didaktischen Kontext die strenge Definition der interlingualen Synonymie (Intersynonymie) anzuwenden. Ihr zu Folge müssen Intersynonyrne nicht nur forrnkongruent sein, sondern einander auch in ihren denotativen, konnotativen, diastratischen, diatopischen, diafrequenten, diaphasischen Extensionen und grammatikalischen Kategorien entsprechen. So erhellend diese Unterscheidungskette für die Interlexikologie sein mag, so geht sie doch weit über das Maß an Gemeinsamkeiten hinaus, das für die Initiierung von interlingualen Transferprozessen notwendig ist. Im didaktischen Bezug erlaubt Schaeders Trennung allerdings so etwas wie die Messung der erforderlichen Lernleistung aufgrund der Kriterien 'bekannt/ unbekannt' bzw. 'leicht lernbar/ schwer lernbar' (MEißNER 1993b). 4 - So ist auf den ersten Blick erkennbar, dass rnonokodierte inhaltsadäquate Wortpaare leichter erwerbbar sind als bi- oder rnehrfachkodierte. Man vergleiche i. treno c: > e./ f. train (rnonokodiert) einerseits versus i. treno i=> d. Eisenbahn (bikodiert) andererseits. Aber es wäre verfehlt, die Lernleistung von Wortpaaren allein an der Formkongruenz zu messen. Hierauf deuten ja schon die (oft) forrnkongruenten falschen Freunde vorn Typs. estar constipado „Schnupfen haben", f. etre constipe „Verstopfung haben" oder e. actually „in der Tat" und aktuell, actuellement hin. Doch selbst f. Republique und d. Republik entpuppen sich bei näherer Betrachtung als keineswegs intersynonyrn, weil jede Variante vor einer ganz eigenen geschichtlichen Erfahrung der jeweiligen Sprachvon Lehren und Lernen die Wortschätze der romanischen Sprachen differenziert beschrieben werden müssen, und zwar in Abhängigkeit vom Vorwissen der Lernenden, auf welches die Lehrenden zurückgreifen sollten. Sind die Lerner nicht romanischsprachig, so ist des Weiteren zu beachten, welche Sprachenbrücken sie sich aus der eigenen Muttersprache verfügbar machen können, um sich einer ersten, zweiten oder dritten romanischen Sprache zu nähern. 3 Zum lexikologischen Status des 'eurozentrischen' Terminus Internationalismus: MEißNER (1993a). 4 Übrigens gilt diese Hypothese, wie auch das folgend Gesagte, inzwischen in der empirischen Lernforschung als bestätigt (LUTJEHARMS 2002). IFJLIIIL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 151 gemeinschaft steht. - Höchsten Lernaufwand verlangen bei gleicher Silbenzahl solche Wörter, die unterschiedlich kodiert sind und unterschiedliche Konzepte transportieren; erst recht, wenn sie in den Ausgangssprachen der Lerner keine Entsprechung haben (Lakunen). Das klassische Beispiel für diese Lernleistung liefert Robinsons Crusoes Freitag, der nicht nur die englische Sprache, sondern auch die britische Kultur bzw. 'Konzeptwelt' erlernen musste. 2.2 Grundkategorien des romanischen Wortschatzes Unter den großen romanischen Sprachen bietet neben dem Rumänischen das Französische die wohl interessantesten lexikologischen Entwicklungen. Sie ergeben sich aus dem intensiven Kontakt mit nicht-romanischen Sprachen. Dies wiederum erklärt, weshalb die französische Lexikologie ein besonders umfassendes Kategoriensystem entwickelte. Ein weiterer Grund, weshalb wir uns auf die Galloromania konzentrieren, ergibt sich aus deren geographischer Lage: Das Französische und das Deutsche sind einander ungleich stärker zugewandt als etwa das Sprachenpaar Portugiesisch und Deutsch; zudem steht das Französische dem unseren Lernern einigermaßen vertrauten Englischen historisch wie geographisch nahe. Schließlich ist das Französische die bedeutsamste deutsche romanische Fremdsprache. Die Lexikologie unterteilt den französischen Wortschatz in die für den interlingualen Identifikationstransfer relevanten Großkategorien der Erb- und Buchwörter (RICKEN 1983). Erbwörter sind klassische Vertreter der Mündlichkeit; sie waren zu allen Zeiten im Munde des Volkes. Sie sind zumeist, längst nicht immer, lateinischen Ursprungs (STEFE- NELLI 1992). Ihre Wortgestalt hat sich erheblich vom Etymon entfernt, wie im Falle von f. eau < l. ACQUA oder f. mere < l. MATRE(M). Die südromanischen Sprachen haben derlei formale Distanzen weniger aufgebaut: s. agua, madre, i. acqua. .. - Auch zusammengesetzte romanische Bildungen komponieren dementsprechend mit 'gelehrten' Morphemen, die ebenfalls im Bildungswortschatz der nicht-romanischen Sprachen bekannt sind (Dekompos-ition... ). Neben den Erbwörtern (mots populaires) stehen die Buchwörter (mots savants). Der Lautstand dieser klassischen Wörter der Schriftlichkeit zeigt eine weniger weite Fortentwicklung vom Etymon (constellation < CONSTELLATIO). Buchwörter sind klassische Träger panromanischer Transferbrücken. Aufgrund seiner starken formseitigen Differenzierung kennt das Französische erbwörtlich-buchwörtliche Dubletten: eau aquarium; aveugle cecite... Die erbwörtlichen Varianten machen den französischen Wortschatz zwar einerseits besonders 'fremd', andererseits weisen sie das Französische, wie KLEIN (2002) betont, als die optimale Brückensprache panromanischer Interkomprehension aus. Anders gesagt: Auf der Grundlage von Französisch lernt sich leichter Spanisch als Französisch nach Spanisch, das keinen starken Zugang zu den französischen Erbwörtern bietet. f]L1U]]L 33 (2004) 152 Franz-Joseph Meißner 2.3 Interlexemtypik und Transferreichweiten Der Neologismus Profilform (KLEIN/ STEGMANN 1999) bezeichnet jene Elemente, die für eine einzelne Sprache charakteristisch und interlingual nicht transferierbar sind, z. B. beaucoup # much, mucho, muito, molto... (im Gegensatz zu dem seltenen f. mault). - Betrachten wir die Wortschätze romanischer Sprachen, so lassen sich ganze Profilsegmente ausmachen. So etwa die Arabismen des Spanischen: alferez „Fähnrich", atalaya „Wachtturm", aceite „Öl" ... Zum Teil reichte das Spanische die Arabismen an andere Sprachen weiter: tarifa, cifra, alcohol, cenit... (BERSCHIN [et al.] 1995: 94). Offensichtlich ist der europäische Wortschatz durch ungezählte Entlehnungen, Mehrfachentlehnungen, Rückwanderungen und Veränderungen des Bedeutungsumfangs von Wörtern gekennzeichnet. Der didaktische Begriff Profilform verschleiert allerdings die Reichweite des interlingualen Transfers. Um sie zu kategorisieren, greifen wir auf die in der französischen Lexikologie gebräuchliche Terminologie zurück. 5 1. Kultismen sind Interlexeme aus dem griechisch-lateinischen Gelehrtenadstrat: g. <I> ANTAl: IA > u. a. e. fancy / phantasy, f. fantaisie, s. fantas(a usw. oder 1. HUMOR > f. humour „Humor"/ humeur „1. Laune, 2. Körpersaft", e. humour, i. umore usw. Die polysemischen Bildungen bildeten ihre Bedeutungsvielfalt in der Altertum, Mittelalter und Neuzeit überspannenden res publica litterarum aus. Sie spiegeln diachronische Leser-Autorbzw. Autor-Leserbeziehungen wider. Sie liefern regelmäßig paneuropäische Transferbasen. 2. Modernismen auf der Grundlage von Signifikanten aus den klassischen Sprachen. Modernismen sind international verbreitet bzw. transferierbar. 2.1 Gelehrte Modernismen sind semantische Kreationen der letzten drei Jahrhunderte. Man vergleiche die Serie progres, progresso, voruitgang, Fortschritt/ progressiv... Das Beispiel belegt, dass die Definition einer Serie nicht ausschließlich aufgrund formaler Kongruenz, sondern auch aufgrund von konzeptueller Adäquanz erfolgen sollte, da ansonsten die kulturelle Vernetztheit der europäischen Koine verschleiert würde. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Serie ist bei unterschiedlicher etymologischer Aszendenz die Zugehörigkeit zu ein und derselben intereuropäischen Diskurstradition; etwa: work, nl. werken, Arbeit/ arbeiten, trabajo / trabajar, labore / laborare, labeur / labourer, LABOR / LABORARE, operai, obreros, Arbeiter... Wort- und begriffsbzw. sachgeschichtliche Gemeinsamkeiten begründen Transferbasen inhaltlicher Art. 2.2 Pseudogelehrte Modernismen: "Die Sprache der Sechzigerjahre gab einen Schwall von Wörtern wie frustrieren, manipulieren, motivieren, artikulieren neuartige internationale Verwendungen", bemerkt WANDRUSZKA (1986: 215). Derlei Beobachtungen gelten nicht nur für ein einzelnes Jahrzehnt. Es handelt sich um paneuropäische Entwicklungen. Wir haben diesen Zusammenhang bereits 1993 dargelegt und wiederholen ihn hier daher nur kurz. ]F]L\11][, 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 153 3. Szientismen: Oxydation... Szientismen sind monosemisch und international verbreitet. 4. Interlexeme des modernen Lebens: s. ketch-up, f. coca-cola, d. Anorak. Hierzu zählen unter lernökonomischem Aspekt auch Bedeutungsmodernismen bzw. Lehnübersetzungen: hard disk, disco duro, Festplatte. 5. Bedeutungsexotismen wie d. Ikebana, Torero, Amulett... sind paneuropäisch verbreitet. 2.4 Interkollokativität und Transparenz Nach HAUSMANN (1993) durchwalten zwei Bausteinprinzipien die Wortschätze: die freie Kombinierbarkeit von Wörtern und die Kollokativität. Der Umfang formkongruenter und inhaltsadäquater pan-romanischer Kollokativität wurde bislang nicht untersucht (LÜGER 1997; SCHERFER 2001). Analysen des LaWUF-Bestandes (siehe unten) unterstreichen die hohe Kollokationsfrequenz innerhalb des sprechsprachlichen Registers. In der europäischen Koine gründen Interphraseologien oft in einer gemeinsamen Sachgeschichte, was ihre Adäquanz erklärt. Das Vorhandensein einer Vorstellung im Sprachrepertoire einer schon bekannten Sprache erleichtert den Transfer in neuen Zielsprachen: Il va a l' eglise, va a la eglesia, va alla chiesa. .. Die Bedeutung eines Satzes ist oft mehr als die Summe der Bedeutungen seiner Wörter. Diese Beobachtung gilt auch für fixe Kollokationen: In <; a te fait une belle Jambe gibt die Kenntnis der Vokabeln nicht den Rückschluss auf „dafür kannst Du Dir nichts kaufen" frei; ganz im Unterschied zu i. bene cominciato, mezzo terminato „gut begonnen, halb gewonnen". Schreintransparenz verwirrt auch auf der Ebene einzelner Wörter: "Deutsche sind seltsame Leute", wunderte sich ein ägyptischer Deutschlerner, "sie essen keinen Mutterkuchen und sitzen keineswegs auf Sandbänken". Psycholinguistisch wirken Interkollokationen wie Makros: Ihre Kenntnis beschleunigt aszendierend Hörverstehensprozesse (HEMFORTH! STRUBE 1999), die Identifikation eines Elements zieht die gesamte Formel nach sich, wie das folgende Sprachspiel verdeutlicht: Maria: Si, sabes, Don dinero... - Paco: ... claro, es poderoso caballero ... (etwa M.: Tja mit Geld.... - P.: Kann man eben alles... ) 2.5 Europäische Lebenspraxen und intelligentes Raten Die bislang erwähnten lernökonomischen Grundkriterien von Form und Inhalt reichen für sich genommen noch nicht aus, um die Frage von eingängigem und sperrigem Vokabular zu beantworten. Deswegen sei als dritte Größe die Kontiguität genannt. Sie korreliert mit einem entsprechenden (kulturellen) Kontextwissen, das die Interpretation von Sprachdaten erlaubt: le cheval hennit, trotte, saute, paft, court,fer a cheval. .. the horse whinnies, trots, jumps... Auf Formkongruenz und/ oder Inhaltsadäquanz beruhende Interkomprehension ist das Ergebnis einer tausendfachen kulturellen Verwobenheit zwischen Sprach- IFLIIL 33 (2004) 154 Franz-Joseph Meißner räumen, die bis weit in das Alltagswissen hineinreicht. Nehmen wir die Melodie Summ', summ', summ'/ Bienchen summ' herum, welche im Französischen an den Text C'est l'abeille qui butine sur les roses et l'eglantine gebunden ist. Die PC-Technik baute in den letzten Jahrzehnten ein weltweit bekanntes Themenwissen auf, das sich in einer Vielzahl von Interlexemen und Lehnsübersetzungen didaktisch: Transferbasen niederschlägt. Identische Lebenspraxen erleichtern das Erlernen fremder Wörter. Hiervon zu unterscheiden ist das Erschließen aufgrund lexikalischer und morphosyntaktischer Transferbasen. Genannt seien ein 'deutsches' und ein 'katalanisches' Beispiel. Kalusen watunteln, Wilusch ist Kaluse, Wer watuntelt, der semantelt, Semantelt Wilusch? (KLEIN [et al.] 1999: 24) Els prisians barrufen. En Murany es prisia. Qui barrufa fageix En Murany fageix? (CLUA [et al.] 2001: 26) 2.6 Romanizität - Basis romanischer Mehrsprachenkompetenz Lernerwortschätze werden nicht allein unter thematischen Gesichtspunkten, sondern auch unter solchen von Frequenz, Dispersion (Reichweite), Disponibilität oder inklusive Kraft der Lexeme zusammengestellt. In der Spracherwerbsforschung begegnet Frequenz, gleich ob es sich um erste, zweite oder weitere Sprache(n) handelt, als eine zentrale Größe für die Ausbildung prozeduralen Wissens. Daher liegt es nahe, auch den Wortschatz romanischen Zielsprachen aus der Sicht von Frequenz und interlingualer Transferierbarkeit in den Blick zu nehmen. Stellt man die Frage, inwieweit sich lexikalische Frequenzverhältnisse von einer romanischen Sprache A in B wiederfinden, so erlaubt die folgende Skizze eine erste Teilantwort. Sie visualisiert den Anteil des erbwörtlichen, pan-romanisch eher distanten, und des buchwörtlichen, eher transparenten Anteils in unterschiedlichen Registern. Während LALANDES Dictionnaire philosophique vor allem buchwörtliche Bildungen registriert, überwiegen erbwörtliche Formen im Franr; ais Fondamental (FF), dessen Inventar aus gesprochener Sprache kompiliert wurde (Abb. 1 auf der folgenden Seite). lFIL'IIL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 o~---~---~--------~-------~ Fr~s. Fondamental populaire ~ grec Lalande 1 ~ savant () etranger Lalande 2 [[] latin TOTAL Abb. 1: Verteilung der mots savants und mots populaires im Französischen 155 Arnulf STEFENELLI (1983: 887) beziffert die Konvergenz der spanischen und französischen Lexik ausgehend von den 1083 häufigsten Wörter der französischen Umgangssprache (FF) auf über 90 Prozent. Zur Registerspezifik notiert er: "[...] der Vergleich zwischen den [...] schriftsprachlichen Frequenzwörterbüchern [...] zeigt eine [...] weitgehende Übereinstimmung der spanischen und französischen Rangzahlen und nur in Einzelfällen eine signifikant geringere Frequenz im Spanischen" (1983: 895). Abbildung 2 auf der folgenden Seite (nach MErßNER 1989) veranschaulicht die Auszählung von Transferbasen zwischen Schulfremdsprachen in sog. Grundwortschatzlisten. Die Analyse belegt die vorzügliche Eignung des Französischen als 1. Fremdsprache aufgrund hoher Raten des möglichen Re-identifikationstransfers in Richtung Englisch und der romanischen Schwestern. Natürlich gelangt das in der Ähnlichkeit der Wortschätze angelegte lernökonomische Potential vor allem dann zur Entfaltung, wenn Lernenden der Bereich des 'Zwischen-Sprachen-Lernens' erschlossen wurde (MEißNER 2000). JFL1L! L 33 (2004) 156 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 Grundwortschätze als Transferbasen 30 20 10 Franz-Joseph Meißner o~~-~~-~~-~~-~ o~--~~-~~-~~-~ Basis-Lex.E Franz.-Lex. ltal.-Lex. Span.-Lex. Basis-LeLF Engl.-Lex. ltal.-Lex. Span.-Lex. Abb. 2: Interlinguale Transferbasen in den Schulfremdsprachen 2.7 Zur mentalen Verarbeitung der romanischen Mehrsprachigkeit im Wortschatz Die Psycholinguistik hat mehrfach das mentale Lexikon mit Hilfe der mehrdimensionalen Netzwerk-Metapher beschrieben (RAUPACH 2000). 6 In intrawie interlingualen Betrachtungen treten vor allem die 'Knoten' in den Blick (MEißNER 1998; 2000). Sie werden auf der formalen Ebene von einander ähnelnden Phonemen oder Graphemen gebildet und sind mit inhaltlichen und kontiguitiven Netzen verbunden. Interlingual bilden solche Elemente Knoten, die sowohl Netze der einen als auch der anderen Sprache(n) aktivieren. So ist f. genie in ein ähnliches Netz eingebunden wie i. genio oder d. Genie. Dies bedeutet, dass die aus einer stark verfügbaren Sprache bekannten Marker der Interlexeme Zugriffe auf das Korrespondenzwort in der anderen Sprache unterstützen (auch MÖHLE/ RAUPACH 1993: 126). Wie die Versprecherforschung belegt, führen formale Ähnlichkeiten zu Zugriffsfehlern: Horn im Auge/ dieser türkische Arbeiter liebt gut in Deutschland/ seine Frau beginnt sogar, sich deutsch auszuziehen/ Deutsche fürchten, dass die Ausländer ihnen die Arbeit abnehmen. 7 Stets geraten minimale distinktive Merkmale in Unordnung: 6 KIELHÖFER (1994) spricht von Begriffsnetzen, Wortnetzen, syntagmatischen und paradigmatischen Netzen, Sachnetzen, Wortfamilien, Klangnetzen, affektiven Netzen. 7 „Deutschstunden in Frankreich. Ein Horn im Auge". Die Zeit 43, 18. Oktober 1991. lFLlllL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 157 Horn/ Dorn, leben/ lieben... Wortverarbeitungsmodelle machen in produktiver Richtung nach der Partneradressierung, Sprachen- oder Codewahl etwa folgende weitere Verarbeitungsschritte sichtbar: Zugriff auf Phone und deren Organisation nach den Kombinationsregeln der jeweiligen Sprache zu Phonemen, Morphemen und Lexemen... Aufgrund der doppelten Artikulation des Zeichens ist jede Verarbeitungsstufe mit einer semantischen Dimension verbunden. Interlexeme kombinieren nun die formalen und inhaltlichen Marker ihrer seriellen Varianten weitgehend nach identischen Mustern. So weisen i. accademia und s. academia formal nur in der hörbaren Doppelkonsonanz (i. akkademla) eine Distinktion auf, alle anderen Elemente sind formkongruent und inhaltsadäquat. Auch identische Inhaltsmarker sichern den raschen Zugriff auf Interlexeme: Für Zirkus, cirque... wären prototypische Marker etwa: Tiere, Löwen..., Tierschau, Clown, Zelt, Wagen, fahrendes Volk, Publikum, lachen, Spannung, Dressur und tausend andere mehr. - Die L3-Lernleistung und -steuerung kann sich damit begnügen, auf die beiden 'distinktiven' Merkmale einzugehen. Allerdings sollte sie dies auch unbedingt tun. Auch in der monokodierten Serie mulino, molino, moulin unterscheiden sich die Vertreter formal nur minimal voneinander: Wer einen von ihnen kennt, identifiziert aber nicht nur leicht den anderen, er bildet auch interlinguale Korrespondenzregeln aus; hier zur Phonemserie i. [ u], s. [ o ], f. [ ou] und zu deren unterschiedlichen Fixierungsgraden: s. dQlor, i. dolore, f. douleur, i. dolce, s. d! : ! : _lce, f. doux,ce... Der mehrsprachige romanische Sprecher wendet ständig, bewusst oder unbewusst solche interlinguale Zuordnungsregeln an. 8 Während die Routinen in den meisten Fällen zum spontanen Interkomprehensionserfolg, etwa beim Hörenden-Verstehen, führen, verleiten sie freilich ab und an auch zum falschen Freund. So übersetzten hispanophone Italienischlerner s. desconfiar mit * sconfiare statt dif.fidare, nach dem Muster von descartar/ scartare (SAN.E/ SCHEPSI 1997: Introduzione). Freilich ist die Reparatur von derlei Fehlleistungen für den Italophonen kein Problem. Lernpsychologisch bedeutet jede Wiederholung, also jede De- oder Enkodation, eine Verstärkung und Festigung des aktivierten Materials. Eine solche geschieht interlexikalisch, wenn wir neue Typen auf uns bekannte Archetypen bringen (also etwa s. significado auf f. signification... ). Wir registrieren sowohl die interlingualen Kongruenzen als auch Divergenzen. - Dies erklärt die Rolle der Phonologisierung oder des Formtransfers für das Sprachenlernen (LUTJEHARMS 1994, 2002). Die Festigung beginnt im Falle von Kognaten (vor allem bei entsprechender Bewusstmachung) bereits in der Identifikation eines formkongruenten und/ oder inhaltsadäquaten Serienelements. So festigt die Verwendung von s. genio oder d. Genie pro- oder retroaktiv die von f. genie oder i. genio, aber auch s. ingenio oder i. ingegno. Es kommt auf die mentale Aktivierung der einzelnen Sprachen an. - Halten wir fest: Ähnliches tun wir in der Muttersprache laufend; so etwa, wenn es einem Hamburger gelingt, Kölsch zu verstehen, d.h. dessen rheinische Form dem korrespondierenden gespeicherten Archetyp (z.B. Fränkisch oder Hochdeutsch) zuzuordnen. JF][.,JJ]L 33 (2004) 158 Franz-Joseph Meißner • Jede Aktivierung eines Interlexems bewirkt eine Verstärkung der mentalen Engrammierung nicht nur des Lexems, sondern potentiell auch seiner Serie. • Das Erlernen eines neuen Vertreters einer Serie und seiner morphosemantischen Merkmale erweitert das Merkmalsrepertoire des gespeicherten Archetyps. Zugleich differenziert es die interlingual konvergenten und divergenten Merkmalszuordnungen und deren Kategorisierungsraster. • Jede Aktivierung eines Interlexems bedeutet entweder eine Verstärkung des vorhandenen interlingualen Schemas oder initiiert deren Überformung mit den in der zielsprachlichen Variante wahrgenommenen 'neuen' Markierungen. Diese können denotativer, konnotativer, pragmatischer oder auch morphosyntaktischer Natur sein. Romanische Interkomprehension ist daher leicht erwerbbar, produktive Kompetenz in mehreren romanischen Sprachen erfordert jedoch ständige Praxis in den beteiligten Sprachen. Sie bedarf zudem einer mehrsprachigen didaktischen Steuerung, nicht zuletzt beim Wortschatzlernen. Versäumt der Unterricht einer nachgelernten zweiten romanischen Fremdsprache die sprachenübergreifende Aktivierung zugunsten der vorbekannten romanischen Sprache, so schwächt sie möglicherweise im prozeduralen Bereich deren erworbene Bestände. Die vorausgegangenen Beobachtungen erklären das lernökonomische Potenzial der Interlexis. 3. Sprechwortschätze 3.1 Sprechregister und Fremdsprachendidaktik Dank der Neuen Technologien und einer wachsenden plurilokalen Lebenspraxis erreichen wir heutzutage jederzeit die romanischen Sprachen auch in ihrer akustischen Gestalt. Ob und wie weit jemand die Sprechsprache hörend bzw. hörsehend versteht, entscheidet daher weitgehend mit darüber, ob und wie weit es ihm/ ihr gelingt, die Zeit vor dem Fernsehgerät für den Erwerb von Sprechsprache zu nutzen (zur Steuerung: ~ABB 2001; zu Multimedia: TSCHIRNER 1999). Die Menge und die Art des komprehensiblen Inputs sind (neben dem Output) entscheidende Faktoren für den Umfang und den Typus der angestrebten/ erworbenen Sprachkompetenz. Für die Fremdsprachendidaktiken stellt die Entdeckung der Sprechsprache, von der gleich die Rede sein wird, eine Herausforderung dar. Es gibt zu denken, wenn MöHLE/ ~UPACH (1993: 126) Jahrzehnte nach der 'kommunikativen Wende' in der Lernersprache fortgeschrittener Französischlerner eine weitgehend fehlende Situationsadäquanz entdecken. 9 9 „Die Defizite in der Kenntnis von Gebrauchsnormen beziehen sich auf die kontextgerechte Verwendung von Einzelwörtern, auf die Verknüpfung von Wörtern zu syntaktischen Gruppen und auf die Anwendung syntaktischer Strukturen. Gerade letzteres ist zu betonen, weil sich die Aufmerksamkeit allgemein auf die Fähigkeit zur Anwendung syntaktischer Regeln richtet, selten aber darauf, in welchen Kontexten die erzeugten Gebilde üblicherweise verwendet werden." IFLIIL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 159 Für die Sprechwortschätze sind folgende Faktoren konstitutiv: • eine hochgradige Kollokativität • eine enge, durch die Situation determinierte Auswahl konkreter sprachlicher Mittel (vgl. <; ; a s'appelle reviens ~ Wiedersehn macht Freude). Angesichts der Unterrepräsentanz des Sprechwortschatzes in Lehrwerken führt das genannte Defizit zur Problematik des angemessenen Inputs. 3.2 Deskriptive Linguistik der Sprechregister Die deskriptive Linguistik hat die Sprechsprachen der Romania erst nach dem Ersten Weltkrieg entdeckt (GREIVE 1984). Den Durchbruch erlebte ihre Erforschung jedoch erst in den siebziger und achtziger Jahren. Auch dies erklärt, weshalb selbst die hoch entwickelte französische Lexikographie immer noch große Lücken aufweist (Meißner 1990; 1996) - und zwar frappant im Bereich der Persequenzialisierung. 10 Es ist im vorliegenden Rahmen nicht möglich, die didaktische Beschreibung der codes parles phoniques für die gesamte Romania oder nur für ihre größten Sprachen aufzunehmen (passim KocH/ ÜESTERREICHER 1990). Dies müsste schon daran scheitern, dass diese oft gar keine gemeinsame Umgangssprache besitzen.11 Im Französischen oder Italienischen sind die Wortschätze des nähesprachlichen code parle und des Standards nicht durchgängig interkomprehensibel: Ou tu creches? ~ Ou habites-tu? / bagnole ~ voiture, meuf ~ femme ... Der Unterschied zwischen demfran<; ; ais non-conventionnel und dem standard führte mehrfach zur Kritik an dem im Französischunterricht vermittelten lexikalischen Input (vgl. MEißNER 1995a; 2002b; zum Italienischen: RADTKE 1984), da er nur eingeschränkt das Verstehen der statistischen Norm des parle erlaube. Alle romanischen Sprachen weisen Vereinheitlichungstendenzen auf, die von den durch die Medien verbreiteten Sprechstilen ausgehen. Zugleich lässt sich ein Rückgang stark regional markierter Varietäten erkennen. Das tonangebende (sie) Fernsehpublikum lässt lokale und soziale Färbungen eben nur zu, soweit sie die Verständlichkeit nicht stören. 3.3 Ein Beispiel: didaktische Analyse desfranfais parle Man lässt oft die didaktische Lexikographie desfran<; ; ais parle mit dem schon erwähnten FF beginnen. Wie sehr das Projekt zu seiner Zeit beeindruckte, zeigt sich schon daran, dass ihm ein Espaflolfundamental folgen sollte. Das FF erfasste Sprechsprache, wobei es sich von präskriptiven Orientierungen des 'guten Geschmacks' und einer naiv pädago- 10 Wir verstehen hierunter die Möglichkeit der Vervollständigung von artikulatorisch nur angedeuteten Sprachformeln. Oft lösen diese sexuelle oder skatologische Assoziationen aus: Lui, il EN a (des couilles au cul "er hat Mumm"; wörtlich: "die Hoden fest am A...") usw. 11 In Buenos Aires spricht man anders als in Havanna oder Madrid (LOPE-BLANCH 1988), und bis vor kurzem wurde die Frage diskutiert, ob es überhaupt ein italiano popolare unitario (parlato) gebe. lFLmiL 33 (2004) 160 Franz-Joseph Meißner gischen Norm leiten ließ. Selbst Eröffnungssignale, Kontakteme usw. nahm es zum späteren Bedauern der Ko-Autoren nicht auf. In sprachtreuer Absicht stellte Langenscheidts Wörterbuch der Umgangssprache Französisch (LaWUF) (MEißNER [et al.] 1991) 12 das nicht-schreibfähige, aber gleichwohl zentrale Vokabular desfram; ais parle zusammen (vgl. dt. kriegen# bekommen). Dem LaWUF lagen mehrere Wörterbücher des Substandards zugrunde (argot, populaire, familier, branche), deren gesamte Inventare von über dreißig Frankophonen nach Gebrauchsklassen kategorisiert wurden. Geordnet wurde nach: (Klasse 1) häufigem eigenem, produktivem Gebrauch, (2) eigenem, gelegentlichem produktivem Gebrauch und (3) gelegentlichem rezeptivem Gebrauch. Ausgesondert wurden die Kategorien 'sehr selten begegnende' und 'nicht verständliche Vokabel oder Bedeutung'. Soziale Schattierungen und tabuverletzende Formeln wurden durch französisch-deutsche Kontextbeispiele und stiladäquate Übersetzungen (wenn zur Verdeutlichung nötig, in krasser Weise) wiedergegeben. Der LaWUF umfasst 7.200 Einträge. 13 Im Vergleich zu dem zweitgrößten Wörterbuch des Französischen, dem Grand Robert (GR), verzeichnet der LaWUF ein deutliches Mehr an Lemmata (Bedeutungen) in dem von ihm erfassten Wortschatzsegment. 14 Das Inventar erlaubt die Beantwortung einiger didaktisch relevanter Fragen: Wie hoch ist die Kollokativität in der Sprechsprache? Wie umfangreich ist der zentrale Wortschatz des gesprochenen (eher nicht 'schreibbaren') Französisch? Wie sehr werden Sprachformeln durch eine standardisierte Sprechsituation ausgelöst? Welche und wie viele Lexeme bedürfen einer Erklärung durch Stimmführung? Wie hoch ist die Zahl der troncations, die eine Persequenzialisierung verlangen? Das leider durch den Tod von zweien der drei frankophonen Mitautoren sehr in Verzug geratene Repertoire lexico-didactique du franr; ais parle essentiel sur CD-ROM. Avec une introduction a la didactique dufranr; ais parle kombiniert das Inventar des LaWUF mit thematischen, diastratischen... nach didaktischen Kriterien gesetzten Suchroutinen (MEißNER [et al.] voraussichtlich 2006). Es will Lehrwerkautoren und Lehrenden die Möglichkeit eröffnen, den Sprechwortschatz für den Unterricht verfügbar zu machen. Was im Bereich der parle-Lexikographie für Französisch als Fremdsprache allgemein geleistet wurde, ist für das polyzentrische Spanisch oder das Italienische noch nicht in Sicht. Während nun für das hexagonale Französisch die Frage der parle-Registers vor allem eine diastratische ist, betrifft diese für das Spanische nationale Varietäten (und zwar nicht nur den Wortschatz). Der deutsche Spanischunterricht hat sich im produktiven Zielbereich auf ein espanol estdndar festgelegt, das sich an dem der iberischen Halbinsel orientiert (SCOTTI-ROSIN 1983; ZIMMERMANN 2001; zur Lexikographie: MEißNER 1995b). 12 Uns bekannte Rezensionen: F. J. HAVSMANN: fremdsprachenunterricht 1996, 220. E. SCHAFROTH: französisch heute 25 (1994), 82-87; A. MüNTJOUR: Die Neueren Sprachen 94 (1995), 576-577. 13 Die Reliabilität der Gebrauchsklassen wurde von MEißNER (1987) beschrieben. 14 Der Vergleich erfolgte durch makrostrukturelle Suche nach den substandardlichen Markierungen (fam. usw.) innerhalb der Makrostruktur der elektronischen Version des GR. lFLi.ulL 33 (2004) Romanischer Wortschatz aus didaktischer Sicht 161 3.4 Zu Phraseogestik und Jugendsprachen Die Sprechsprachenforschung und das Interesse an der interkulturellen Kommunikation haben längst die Gestik und das face work als Teil der non-verbalen Kommunikation entdeckt. 15 Erstere wurde mit didaktischer Intention von MEO-ZILIO (1989), BENITEZ PEREz/ LAVIN (1992), COLL/ GELABERT/ MARTINELL GIFRE (1981), DIADORI (1990) beschrieben. REIMANN (2000) legte erste Grundlagen für eine Didaktik der französischen Gestik. Dass bewegte und vertonte Bilder (Multimedia) Phraseogestik besser abbilden können als Photographie oder Karikatur, wird zu einer besseren Phraseogestographie führen. Klaus ZIMMERMANN (1993) hat wesentliche Charakteristika der französischen, spanischen und deutschen Jugendsprache herausgearbeitet (auch: FITTERER 1997; RooRi- GUEZ-GONZALEz 2002). Häufig findet sich das Argument, die Jugendsoziolekte der Zielsprache müssten schon deshalb gelehrt werden, weil das Gros der Lerner jung sei. Oft erscheint indes die Darstellung der Jugendsprache als Fiktion der Erwachsenen: "Was als Jugend- oder Szenesprache kolportiert wird, ist meist nur eine mediale Konstruktion[...]" (SORGE 2001). In Frankreich haben die jugendlichen Sprachvarietäten dank der Rap- Musik ein gewisses Maß sozialer Anerkennung erreicht (GOUDAILLER 1998). Inwieweit es sich dabei um bleibende Phänomene handelt, ist schwer vorhersehbar. Längst gibt es indes den Jargon des tonangebenden Tout Paris. Er lebt von der Konfusion der Soziolekte und der Generationen: "L' adoparisien, ce sont les mots des jeunes Parisiens qu'aiment employer les vieux Parisiens pour oublier un instant qu'ils vont crever. Le parigomondain est le melange de mots grossiers (du genre qui sert a ecrire en langage parle) et de mots affectes (du genre qui sert a parler en langage ecrit) [... ] Cela vient de cette etrange manie du Parisien: il veut etre autre chose que ce qu'il est [ ...].Par exemple, le bourgeois ne veut pas passer pour un bourge, le vieillard pour un vioque, ni Renaud pour un fils de farnille. Aussi le jeune Parisien puise-t-il dans l' argot des banlieues, le vieux dans celui des jeunes [... ]",beobachtet Alain SCHIFRES (1990: 202). Fazit: Wenn der Unterricht romanischer Sprachen auf die nähesprachlichen Register nicht verzichten will (und hierfür sprechen sehr gute Gründe), dann wird er sie lehren müssen. Wir benötigen hierzu vor allem eine entwickelte Didaktik der Nähesprache. 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The teaching of German vocabulary requires a great deal of careful thought as to the selection and sequencing of individual lexical items. Lexical frequency should be an important criterion in the selection of words, i.e. in general, words which occur most frequently in the language should be among those taught in the earlier stages of instruction. After tracing the history of word frequency studies for German, the article describes a recently compiled corpus of contemporary German to form the basis of a new frequency dictionary of German. In addition, the article discusses a number of issues to be solved in the generation of frequency lists. 1. Introduction A learner of the German language is immediately exposed to a variety of words in everything spoken or written. lt becomes a matter of necessity to understand the meaning of these new words, and the learning curve is often steep. lt seems that for every three words that are learned, at least one is forgotten. lt becomes a giant lexical juggling act with no letup. How many words must one leam tobe able to be proficient in German, and who decides which words should be taught and when? In the teaching of vocabulary in a German language program, be it at the beginning, intermediate, or advanced level, selection, quantity, and sequencing of the individual vocabulary items are important considerations. How many words should be introduced at each stage along the way and which ones should they be? Which words should be introduced at the beginning stages and which ones at later stages? Exactly how should the words be taught and how often should they be reinforced at later points along the way? Should all words in a logical set, e.g. dative prepositions, personal pronouns, subordinating conjunctions, be taught in the same lesson or should they be dispersed throughout the learning period according to need? And what about polysemy and tnultiword units? Many words have more than one meaning and there are specific units of meaning that consist of more than one word. Korrespondenzadresse: Professor Dr. Randall L. JONES, Brigham Young University, Department of Germanic & Slavic Languages, PO Box 26001, PROVO, UT 84602, USA E-mail: randall_jones@byu.edu Areas of work: Corpus Linguistics, Technology and Second Language Acquisition, Testing. JFJL! JL 33 (2004) 166 Randall Jones 2. Language Corpora and Vocabulary During the past few decades more and more language professionals have tumed to language corpora in order to obtain lexical and grammatical information about a language. A corpus is simply a collection of texts both written and spoken from a specific language which is meant to be a rational sample of the language as a whole, or a subset of the language limited by e.g. genre, register, chronology, geography, age, etc. Since the appearance of the Brown Corpus, known officially as 'A Standard Sample of Present-Day Edited American English, for Use with Digital Computers' (FRANCIS/ KuCERA 1964) in 1960, the field of corpus linguistics has grown into a large and active discipline which has produced numerous language corpora, conference papers and published material (see e.g. ASTON 2001, DODD 2000 and KENNEDY 1998). The movement has been to a large extent an attempt to shift the focus of language research away from intuitive analysis to data oriented analysis, i.e. basing assumptions about language on actual samples of authentic speech. One basic area of corpus analysis is the generation of lexical frequency information. Corpus-based word frequency studies can be useful in dealing with many of the issues mentioned above. lt can be assumed, for example, that the sequencing of vocabulary in a language learning program should in some way reflect the frequency of words as used by native speakers, i.e. the more frequent the use in the natural language the earlier the word should be introduced. Natural and authentic sentences used as models in second language learning cannot of course consist exclusively of high frequency vocabulary, but it can be argued that frequency should at least be a consideration. This paper describes a recently completed frequency study of German vocabulary that was based on a broad based corpus of contemporary German. Its designed purpose is principally pedagogical, but it can also be useful to language professionals in other areas. 3. Lexical Frequency and Text Coverage An important question in the lexical frequency analysis of a text deals with the question of "coverage", i.e. what percentage of a text is accounted for or "covered" by the 100 (1000, 2000, 3000, etc.) most frequently occurring words. Several studies in English corpus-based frequency analysis and reported in NATION (2001: 6-22) provide some interesting information about this. In a study done more than thirty years ago by CARROLL [et al.] (1971), for example, it was demonstrated that in an academic text of English, approximately 74% of the words in the text are covered by the 1,000 most frequently occurring words. The next 1,000 words increases this number to 81.3%, another 1,000 words to 85.2%. To achieve 100% coverage would require 86,741 words, i.e. all ofthe words in the text (NATION 2001: 15). IFJLuL 33 (2004) Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of German Vocabulary 86,741 43,831 12,448 5,000 4,000 3,000 2,000 1,000 100 10 100 99 95 89.4 87.6 85.2 81.3 74.1 49 23.7 Table 1: Vocabulary size and coverage (CARROLL/ DAVIESIRICHMAN 1971) as Reported in NATION (2001) 167 In a more recent study, NATION (2001: 12-13) decided to add an acadernic word list to his English corpus. Because most of word frequency work he was doing affected non- English learners at the university level, he felt that certain vocabulary specific to the university leamer would provide a better metric. In Table 2 it can bee seen that adding 570 high frequency words from an acadernic word list to the 2000 most frequent words from a general corpus he succeeded in bringing the coverage to 86%. 1 s t 1000 words 2 nd 1000 words Academic Word List (570 words) Others 71.4 4.7 10.0 13.9 Table 2: The coverage by the different kinds of vocabulary in an academic corpus (NATION 2001: 13) In another study by Nation (NATION 2001: 17-19) the types oftexts were subdividedinto Conversation, Fiction, Newspapers, and Acadernic. Tue 2,570 most frequently occurring words accounted for more than 92% of conversation, 89.1 % of fiction, 85% of newspapers, and 86.6% of acadernic texts. 1 st 1000 2 nd 1000 Academic Other 84.3% 6% 1.9% 7.8% 82.3% 5.1% 1.7% 10.9% 75.6% 4.7% 3.9% 15.7% 73.5 4.6 8.5 13.3 Table 3: Text type and text coverage by the most frequent 2000 words of English and an academic word list in four different kinds of texts (NATION 2001: 17) ]F]Ll.l]L 33 (2004) 168 Randall Jones 4. German Word Frequency Studies Word frequency studies in German go back over 100 years to 1897, when F.W. Kaeding published his Häufigkeitswörterbuch der deutschen Sprache (KAEDING 1897). His study was based on a 10 rnillion word corpus, which included a variety of text types including newspapers, classical German literature, and official documents. Perhaps surprisingly, the specific objective for compiling the corpus was not for pedagogical purposes; rather it was intended as an aid in developing a stenographic short hand system for German. On the title page is printed: Festgestellt durch einen Arbeitsausschuß der deutschen Stenographiesysteme. The work was done entirely by hand. Every word together with reference information was written down on a piece of paper, the papers were then sorted and the information processed. ön1f9kritsmödttbudJ ti? it« 1: elt ! miltt. Wll) ~lb"! A«: 1/ htlll}CII. In 1928 B. Q. Morgan, then ofthe University of Wisconsin in the United States, saw the value of Kaeding's work and he adapted the word count for the express purpose of writing pedagogical material for the teaching of German in American high schools and universities (MORGAN 1928). His book immediately became the basis for vocabulary selection in most U.S. German texts for the next thirty years not withstanding the fact that the corpus on which the frequency count was based was getting rather old and had survived World War I and a great deal of social change. Furthermore, the texts were all lFJLlllL 33 (2004) Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of German Vocabulary 169 written material and consisted primarily of govemment documents, academic texts, commercial letters, military texts, newspapers and classical German literature, much of which was no doubt rather dated at the time. As late as 1975 Wolf Dieter Ortmann published a book based on the Kaeding material which was intended for teachers and learners of German (ORTMANN 1975). In 1960-61 J. Alan Pfeffer, then at The University of Buffalo (USA), spent the academic year in Germany supported by a generous U.S. Department of Education grant. During that time he arranged to record 400 brief conversations (ca. 12 minutes each), which were then transcribed and analyzed for word frequency. In 1964 his Basic (spoken) German Word List was published and replaced Morgan as the basis for vocabulary selection in German language textbooks written for American learners (PFEFFER 1964). One of the attractive features of the Pfeffer frequency list is the fact that the corpus on which it was based was highly structured. He carefully selected sixty localities throughout the German speaking area and varied the number of interviews in each area based on population. The interviewers were selected to represent a broad spectrum of the population. 5. Other German Corpora All of the frequency studies mentioned were based on some kind of corpus or collection oflanguage material. Today there are numerous German language corpora at universities and research centers throughout the world. Some are very specific, e.g. based on a single German newspaper; others include a wide variety of spoken and written samples of the language. lt would go beyond the scope of this article to report on the collection of existing German corpora or published German word frequency studies (see e.g. MEIER 1967, ROSENGREN 1972, RUOFF 1981, SCHERER 1965, and SWENSON 1967). Tue largest collection of German corpora is held at the Institut für deutsche Sprache in Mannheim. For a variety of reasons such as the age of much of the material contained in such corpora, the narrow scope of the texts collected, or the unbalanced content of the corpus among other things, there seemed to be a need to compile a new representative, balanced, and more current corpus in order to generate an accurate lexical frequency list. The remainder of this article will focus on this new corpus and discuss how frequency information derived from it can be useful in teaching and learning German vocabulary. 6. The Leipzig/ BYU Corpus The corpus is a joint project of the University of Leipzig and Brigham Young University and is known as the Leipzig/ BYU Corpus of Contemporary German. The project was begun in 2001 and resulted in part from an invitation from Routledge Publishers to contribute to a series of language frequency dictionaries planned for future publication. The selection criteria for the German corpus included the following: JFJLd 33 (2004) 170 Randall Jones • The size would be approximately 4,000,000 words. • lt would include both spoken as well as written German. • lt would reflect reasonably current language. • lt would include material from Germany, Austria and Switzerland. • lt would include a wide variety of text types. • lt would represent a balanced selection. The question of corpus size is a disputed topic within the language corpus community. A reasonable assumption is that the larger the corpus, the more representative it is. Tue Brown Corpus consists of one rnillion words and was felt in its time to be more than adequate (FRANCIS/ KucERA 1964). The British National Corpus, which appeared in 1994, has 100 rnillion words (BURNARD 1995). But adequate lexical representation is just as much a factor of balance as it is of size. A fifty rnillion word corpus of a single German newspaper is probably less representative than a one rnillion word corpus of a variety of text types. The Leipzig/ BYU Corpus is not considered particularly large by today's standards. lt can be argued, however, that it is sufficient for the purpose of generating a contemporary frequency list, given the carefully designed method of text selection. In other words, with a relatively large number of different text samples from a balanced large cross-section of the German speaking population, it would not be necessary to have a corpus of more than 4 rnillion words. Tue spoken component of the corpus is one rnillion words and consists of 700,000 running words of conversation and 300,000 words of television material. The conversations were recorded in Austria, Germany, and Switzerland between 1989 and 1993 and transcribed in 1994 (JONES 1997). They consist of 400 12-13 rninute conversations between native speakers who represent a broad demographic base. The topics vary widely and include e.g. current events, politics, local history, memories of childhood, the weather, travel, hobbies, etc. The television materials are transcriptions of a popular German sitcom and several television talk shows. Although it is true that the language spoken in a TV sitcom is scripted and therefore not authentic, it is also true that television script writers attempt to create dialog that is a reasonable reflection of the spoken language. Furthermore, it has been shown that actors often ad lib and speak in a way that is more natural to them. The written material was taken from literature, newspapers, acadernic texts, and general everyday prose. The literature section has approximately one rnillion words and represents seven genres: literary fiction, contemporary popular fiction, adolescent fiction, travel writing, humor, romance, crime / adventure. Approximately 10,000 words each were selected from 100 sources. With a few exceptions, all of the texts were published since the year 1990 and much of it since 2000. The one rnillion words of newspaper material were taken from 100 different editions of national as well as regional newspapers in the three German-speaking countries, published at various times in 2001 and 2002. Texts were seiected from politics, economy, culture, sports, regional news, and opinion. The acadernic section consists of roughly one rnillion words of material from 116 different sources; including university level course books, Gymnasium second level lFLuL 33 (2004) Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of German Vocabulary 171 books, various popular science journals, and technical and scholarly journals. The subject matter includes virtually all topics treated at the Gymnasium and university levels, e.g. natural and social sciences, technology, humanities, art, music, law, and medicine. Tue fifth category, general everyday prose, consists of 200,000 words taken from shorter texts which include e.g. operating instructions, product descriptions, recipes, legal agreements and contracts, customer advice information, classified advertisements, etc. 6.1 Corpus Analysis using WordSmith Tools The software package WordSmith Tools (SCOTT 1999) was selected to generate the word frequency list. The procedure is, however, not as straightforward as one may imagine. First, it is important to define exactly what a "word" is. Table 4 shows the sixty most frequently occurring words in the Leipzig/ BYU Corpus as generated by WordSmith Tools. 1. die 2. der 3. und 4. in 5. zu 6. ich 7. den 8. ist 9. sie 10. von 11. nicht 12. mit 13. das 14. es 15. ein 16. sich 17. auf 18. auch 19. eine 20. im 137656 21. für 26641 41. an 15820 120571 22. er 25077 42. hat 15476 119147 23. so 24181 43. noch 15243 70216 24. dass 24075 44. nach 15143 61581 25. dem 23950 45. da 14977 46953 26. des 22641 46. was 13858 46036 27. als 22327 47. haben 13453 42962 28. an 20155 48. also 13139 42932 29. ja 19898 49. sein 13127 41452 30. wie 19763 50. wird 12917 40251 31. war 18470 51. wenn 12803 37488 32. werden 18260 52. nur 12571 36961 33. bei 17710 53. einer 12023 35098 34. oder 17436 54. einen 11727 32948 35. wir 17080 55. einem 10465 32878 36. aber 16893 56. über 10214 31046 37. dann 16632 57. du 9509 30309 38. man 16383 58. schon 9148 28240 39. sind 16109 59. habe 9118 27880 40. aus 16042 60. vor 8895 Table 4: Tue 60 most frequently occurring words in the Leipzig/ BYU Corpus before tagging and lemmatization These are words as they appear on a page, but not necessarily as they might appear as an entry in a dictionary. There are two problems. First, some of the entries are simply inflected forms of a more basic word, e.g. ist, war, and sind belong to the verb sein, an and am belong together, and die, der, das, etc. belong to the same form. In addition, mit, auf, bei, aus, and nach are polysemous, i.e. they have more than one meaning or function. They are prepositions as well as verb prefixes, yet they are listed together. lt is necessary IFlLIIJlL 33 (2004) 172 Randall Jones to perform two tasks in order to deal with these problems. Tue first is to mark the words in the corpus so that polysemous words can be separated or disambiguated. Then it is necessary to lemmatize the inflected forms, i.e. collect them together under the same lemma or base word. 6.2 POS Tagger The first task can be performed by use of what is known as apart of speech (POS) tagger. This is special software that examines each word in the corpus and assigns it a tag in order to identify the correct part of speech. lt accomplishes the identification by analyzing the syntactic environment in which the word occurs, then deciding if, for example, auf is a preposition or verb prefix. For this purpose the TreeTagger from the University of Stuttgart was used. Bach ofthe 4,200,000 words was assigned a tag such as [VVBR] (verb), [KONJ] (conjunction), [APPR] (preposition), etc. When WordSmith Tools processes the corpus much of the disambiguation is resolved as a result of the word tagging. 6.3 Lemmatization The second task is performed within WordSmith Tools. Bach inflected form is assigned to a base form, e.g. bin, bist, ist, sind, war, gewesen, etc. are assigned to sein. This task must be done by hand within the on-line frequency list and is very labor intensive. As Table 5 (on the following page) shows , the final product is a standardized frequency list that reflects the lemmata that one would find in most dictionaries. (The tags are removed before the individual entries are expanded.) Note that the word sein appears twice, once as a verb and once as a pronoun. Note also that there are now several verbs on the list, as the accumulation of the various inflected forms increased their respective frequencies to a rather great extent. 6.4 Separable Prefix Verbs A final step in the completion of the frequency list deals with the separable prefix verbs, of which there are several hundred. The frequency counts for words such as ab and nehmen are at first not entirely accurate, as they also contain counts for the separate parts of the verb abnehmen. lt is an arduous task to locate and reconstruct the two parts of these verbs, but WordSmith Tools does make the work considerably easier. In the final analysis, there will be an accurate count for all of the high frequency separable verbs as well as the other function of the prefix (usually a preposition) and the simple verbs. JFLIDJL 33 (2004) Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of German Vocabulary 1. der[ARTI] 355,910 21. zu[ZUPT] 25,658 41. also[ADVB] 2. und[KONJ] 119,147 22. an[PREP] 25,632 42. aus[PREP] 3. sein[VER2] 102,879 23. er[PRNP] 25,077 43. da[ADVB] 4. in[PREP] 100,477 24. so[ADVB] 24,181 44. all[PRON] 5. ein[ARTI] 97,450 25. dass[KONJ] 24,075 45. wenn[KONJ] 6. haben[VER2] 55,276 26. können[VERl] 23,652 46. nur[ADVB] 7. ich[PRNP] 46,953 27. dies[PRON] 22,594 47. müssen[VERl] 8. werden[VER2] 46,042 28. als[KONJ] 22,327 48. sagen[VERl] 9. sie[PRNP] 42,932 29. ja[PART] 19,898 49. wie[ADV] 10. von[PREP] 41,452 30. bei[PREP] 17,710 50. über[PREP] 11. nicht[NEGP] 40,251 31. oder[KONJ] 17,436 51. machen[VERl] 12. mit[PREP] 36,732 32. ihr[PRON] 17,105 52. kein[PRON] 13. der[RELP] 35,203 33. wir[PRNP] 17,080 53. Jahr[SUBS] 14. es[PRNP] 35,098 34. aber[KONJ] 16,893 54. du[PRNP] 15. sich[REFP] 32,878 35. dann[ADVB] 16,632 55. geben[VERl] 16. zu[PREP] 32,572 36. man[PRON] 16,383 56. kommen[VERl] 17. der[PRON] 31,949 37. sein[PRON] 15,294 57. mein[PRON] 18. auch[ADVB] 30,309 38. noch[ADVB] 15,243 58. schon[ADVB] 19. auf[PREP] 28,695 39. nach[PREP] 14,642 59. durch[PREP] 20. für[PREP] 26,825 40. was[PRON] 13,858 60. vor[PREP] Table 5: The 60 most frequently occurring words in the Leipzig/ BYU Corpus after tagging and lemmatization * 6.5 Size of Frequency List 173 13,139 12,946 12,886 12,867 12,803 12,571 12,556 12,410 11,029 10,438 9,924 9,701 9,539 9,509 9,473 9,372 9,312 9,148 8,979 8,974 An important question presents itself as the work with lellllllatization and the reconstruction of separable prefix verbs proceeds: How far down the list should one go? In other words, when does it become inefficient to continue? Tue Leipzig/ BYU Corpus of 4,200,000 words yields approximately 230,000 individual word tokens (each word counted only once), and these are not lelllllla but inflected forms. About half of these word tokens are hapax legomena, i.e. they occur only once in the entire corpus. Tue first entry in the frequency list, the collection of definite articles, has a value of 355,910 and accounts for 8.27% of the entire corpus. The first ten words account for 23.45% of the corpus. After that the values begin to decrease dramatically. Nonetheless, prelirninary studies have shown that the coverage analysis work on English texts done by Nation produce sirnilar results with the Leipzig/ BYU Corpus: The first 2000 most frequent words account for approximately 75% to 85% ofthe entire corpus, depending on the text register (JONES forthcorning). Spoken texts yield the highest number, acadernic texts the lowest. For the first 3000 most frequent words the numbers increase to almost 90% for spoken texts. As increments of additional 1000 word chunks are added, the coverage increases only slightly. lt would seem reasonable that for a general frequency dictionary somewhere between 3000 and 4000 words would be optimal. The actual tags have been modified slightly in order to be more understandable. JF]Ll.l][, 33 (2004) 174 Randall Jones lt is also interesting to look at some of the words at the various frequency points (Table 6). Most words seem intuitively to be at the correct point on the frequency scale, but others may seem puzzling. For example, eigentlich, praktisch, and sicherlich (F = ~ 100, 500, 1000) would not seem tobe words that are used with such high frequency, yet they appear relatively high on the list. lt should be kept in mind that they occur frequently as particles, especially in the spoken language (25% of the corpus). The word Kapitel (F = ~ 1000) has what can be called an unbalanced frequency. lt occurs mostly in academic books to refer to other chapters within the book. The word Therapie (F = ~ 1500) occurs frequently but in a relatively small number of professional joumals dealing with medicine and health. This brings up an important topic conceming the final review of the frequency list, namely that of distribution analysis. In addition to word frequency it is important to consider word distribution within the corpus. There are words that have a high frequency value because they are used numerous times throughout the entire corpus, while other words, such as Kapitel and Therapie, have an equally but artificially high frequency value because they are used numerous time within a relatively small number of texts. In the case of the Leipzig/ BYU frequency list the text distribution has been analyzed carefully before the final version of the frequency list was completed and "out of fit" words have been eliminated. eigentlich bald Kapitel auseinander Charakter Kreuz damit Kunst sicherlich unheimlich dunkel fremd an praktisch soweit Therapie Erkenntnis sorgfältig selbst Beruf rasch normalerweise Erwartung versehen finden Begriff zwanzig rein heftig achtzehn Table 6: Sample words at various frequency points 7. Conclusion In a natural language learning environment the elements of the language are encountered in a random fashion and those words, phrases and structures that are experienced most frequently are usually the ones that are learned the quiekest. lt is perhaps the best way to learn a language if one has the time and opportunity, and if one is able to self monitor. In a structured learning environment the experience of sorting out these elements can be enhanced by guiding the learner in her or his exposure to the bits and pieces of the language. For vocabulary, word frequency information can be a valuable asset to both learning and teaching. lFLIIIL 33 (2004) Corpus-based Word Frequency Analysis and the Teaching of German Vocabulary 175 References ASTON, Guy (2001): Learning with Corpora. Houston: Athelstan. BURNARD, L. (ed.) (1995): User's guide to the British National Corpus. Oxford: Oxford University Computing Services. DODD, Bill (ed.) (2000): Working with German corpora. Brimingham: University Press. CARROLL, J. B. [et al.] (1971): The American Heritage Word Frequency Book. New York: Houghton Mifflin. FRANCIS, W. N. and KUCERA, H. (1964): Manual of Information to Accompany 'A Standard Sample of Present-Day Edited American English, for Use with Digital Computers' (revised 1979). Providence, RI: Department of Linguistics, Brown University. 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Dissertation Abstracts 28, 2222A-2223A. lFLllllL 33 (2004) Brigitte HANDWERKER * Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive Zur Entwicklung lexikalisch-grammatischer Kompetenz am Beispiel der Klassenbildung beim Verb Abstract. Lexical classes are useful in vocabulary acquisition, for the class-intemal similarities with respect to semantic, syntactic or morphological properties lead to predictions about the distributional behaviour of individual words. In the present paper, we discuss German Psych-verbs ("psychological verbs") in order to show (a) how utterance meaning can be predicted systematically, and (b) how the parallelism between the semantic structure of a verb and its morphosyntactic potential can be used for input processing and language production. The relevant semantic and morphosyntactic properties of Psych-verbs are discussed in part I. Part II places the focus on the features "state" and "change of state" as acquisition problems in the context of Psych-Verbs and introduces bootstrapping strategies for leamers. In part m, we exemplify for a particular verb, how different conceptualizations of situations give rise to different constructions. Finally we characterize subgroups of German Psych-verbs and their typical uses (part N) and discuss ideas for the handling of Psych-verbs in the classroom based on using ready-made sequences for memorization. 0. Einleitung Die Zuordnung von Wörtern zu Klassen ist fester Bestandteil des Instrumentariums in der Wortschatzvermittlung, weil das Erfassen von Ähnlichkeiten der semantischen, syntaktischen und morphologischen Eigenschaften innerhalb einer Wortklasse eine Basis schafft für die Vorhersage des Verhaltens eines Wortes in einer Anwendungssituation. Wie stark die Zuordnung einem Sprachenlemer helfen kann auf dem Weg zum „Beherrschen" eines Wortes, hängt unter anderem davon ab, ob es sich im konkreten Fall um einen guten Vertreter der Klasse oder um ein Randexemplar handelt: Sowohl Wortklassen als auch Konstruktionsklassen lassen sich im Hinblick auf ihre Syntax und Semantik als Kategorien mit einer Prototypenstruktur beschreiben, deren beste Vertreter sich durch ein Bündel von Eigenschaften auszeichnen, die für die weniger guten nur bedingt zutreffen. Man vergleiche hierzu TAYLOR (2003 3 ), der eingehend die Relevanz des Prototypenbegriffs für das Erfassen sprachlicher Kategorien und ihres Erwerbs diskutiert. Ausgangspunkt für den folgenden Beitrag ist eine Subklasse der deutschen Verben, deren semantische und morphosyntaktische Eigenschaften auffällig sind; die besten Vertreter Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Brigitte HANDWERKER, Univ.-Prof., Humboldt-Universität zu Berlin, Phil. Pak. II, Unter den Linden 6, 10099 BERLIN E-mail: brigitte.handwerker@rz.hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache: Lexikon und Grammatik, Sprachlem- und -lehrforschung. lFILl.llL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlemperspektive ... 177 der Subklasse lassen sich durch ein Bündel von semantischen und morphosyntaktischen Eigenschaften beschreiben, dessen Kenntnis einen Sprachenlerner in zweierlei Hinsicht in der Entwicklung seiner lexikalisch-grammatischen Kompetenz fördern soll: (i) Das Erschließen der Bedeutung von Äußerungen, die einen Vertreter der Klasse enthalten, soll systematisiert werden. (ii) Der Zusammenhang zwischen der lexikalisch-semantischen Struktur der Verben und ihrem morphosyntaktischen Potenzial soll für die Zwecke einer strategischen Inputverarbeitung herauskristallisiert werden. Die beiden Ziele, die sich für verschiedene Verbklassen verfolgen lassen, werden hier anhand der Klasse der so genannten psychischen Wirkungsverben (von nun an: psychW- Verben) des Deutschen angegangen. Abschnitt 1 stellt die semantischen und morphosyntaktischen Eigenschaften der Verbklasse vor; Abschnitt 2 präsentiert die Bedeutungskomponente „Zustand" bzw. "Zustandswechsel" der psychW-Verben als Erwerbsproblem und behandelt den Zusammenhang von Verbsemantik und Konstruktion unter dem Aspekt der Steigbügel-Nutzung als Lernerstrategie. Abschnitt 3 exemplifiziert die Konzeptualisierung von Sachverhalten, die zur Versprachlichung mit psychW-Verben führt. Abschnitt 4 arbeitet Subgruppen der psychW-Verben mit ihrer typischen Verwendung heraus und bezieht die Lexikalisierungstendenz ihrer Partizipien ein. Abschnitt 5 gibt Anregungen zum Umgang mit psychW-Verben in der Vermittlung, wobei der Einsatz vorgefertigter Sequenzen für die Memorisierung im Vordergrund steht. 1. Die psychischen Wirkungsverben: Eigenarten einer Verbklasse 1.1 Semantische Eigenschaften und Realisierung der Verbargumente Die psychW-Verben sind für das Deutsche erstmals von RAPP (1997) als eigene Klasse etabliert worden; mit HÄRTL (2001) liegt inzwischen eine empirisch gestützte Studie zur Konzeptualisierung der Verursachung psychischer Zustände und ihrer Versprachlichung im Deutschen vor. Viel diskutiert wurden die Besonderheiten der Verbklasse unter dem Aspekt des Argument-Linking, d.h. der Zuordnung von Verbargumenten zu syntaktischen Funktionen. GRIMSHAW (1990) und DOWTY (1991) problematisieren die Argumentrealisierung bei den so genannten.frighten-Verben, bei denen das Argument, das den Stimulus präsentiert, als Subjekt erscheint, obwohl seine semantische Rolle "Theme" in der Terminologie von Grimshaw) in der Linking-Hierarchie niedriger angesetzt ist als die des belebten Experiencers (vgl. Beispiel 1). Eine „gute" Abarbeitung der Linking-Hierarchie führt zur Realisierung des Agens als Subjekt, wann immer ein Agens vorliegt, und zur Realisierung des Experiencers als Subjekt, wenn kein Agens, aber eine belebte, wahrnehmende Entität in der lexikalisch-semantischen Struktur des Verbs gegeben ist. Letzteres ist erfüllt bei der Klasse der fear-Verben (vgl. Beispiel 2): fear-Verb-Konstruktionen bezeichnen die Zustände, deren Verursachung durch die kausativenfrighten- Verb-Konstruktionen ausgedrückt wird. lFLl! llL 33 (2004) 178 (1) Thunder frightens them (2) They fear thunder Brigitte Handwerker (Thema/ Stimulus - Experiencer); (Experiencer -Thema/ Stimulus). Die 2-Klassen-Situation bei denpsych-Verben hat ELLIS (1997) als Ausgangspunkt für den Entwurf aufmerksarnkeitssteuernder Aufgaben mit dem Ziel der Identifikation von Form-Funktion-Zuordnungen gewählt. Ein für deutsche Englischlerner fehlerträchtiges Beispiel ist das Paar (ELLIS 1997: 154): (3) Sometimes people like dogs (4) Sometimes people disgust dogs (Experiencer - Stimulus); (Stimulus - Experiencer). Durch die 2-Klassen-Situation scheint sich ein ernstes Hindernis aufzutun, nachdem die prototypische transitive Konstruktion „x verb-t y" die Möglichkeit des Bootstrapping- (Steigbügel)-Verfahrens für Lernzwecke eröffnet hatte. Vor dem Hintergrund der Diskussion zum Bootstrapping im Erstspracherwerb (vgl. PINKER 1994, FISHER [et al.] 1994) bot sich als Hilfsmittel für die Steuerung im L2-Erwerb ein „Steigbügel" an, der es erlauben sollte, von der syntaktischen auf die semantische Ebene zu gelangen: Eine transitive Konstruktion mit einem unbekannten Verb in einem agentivischen Kontext lässt in Sprachen, für die der Subjektbegriff definiert ist, den Schluss zu, dass das Subjekt der Träger der Agens-Rolle ist. Umgekehrt lässt sich bei einem unbekannten Verb, das ein Argument mit der semantischen Rolle des Agens besitzt, die Realisierung dieses Arguments in der Subjekt-Position vorhersagen. In den Beispielen (5a) und (5b) wird deutlich, dass ein neues Verb wie tastebeln mit der Bedeutung von basteln mit Sicherheit ein Linking-Verhalten aufweisen würde wie in (Sa), wo der Agens-Träger als Subjekt erscheint, und nicht wie in (Sb), wo die Linking-Hierarchie durchbrochen wird (vgl. ENGELBERG 2000: 6): (5a) Der Klavierlehrer tastebelt einen Notenständer (5b) *Ein Notenständer tastebelt den Klavierlehrer (Agens -Thema/ Patiens); (Thema/ Patiens -Agens). Woran aber liegt es nun, dass bei denfrighten-Verben die Hierarchie der Rollen, die vorhersagt, dass bei der Subjektrealisierung ein Experiencer prominenter behandelt wird als eine unbelebte Entität (wie in Beispiel 6) durchbrochen wird? Wie kommt es dazu, dass der Experiencer die Subjekt-Funktion an einen „primären Vorgang" (wie in Beispiel 7) bzw. an eine an einem primären Vorgang beteiligte Stimulus-Entität (wie in Beispiel 8) abgeben muss? (6) Der Klavierlehrer liebt Getöse (7) Das Getöse der Glocken ängstigt den Klavierlehrer (8) Die Glocken ängstigen den Klavierlehrer (Experiencer -Thema/ Stimulus); (Thema/ Stimulus - Experiencer); (Thema/ Stimulus - Experiencer). Die Qualifikation der Stimulus-Entität für die Funktion des Subjekts erklärt GRIMSHA w (1990: 35) mit ihrer Position in der aspektuellen Hierarchie innerhalb der lexikalischsemantischen Struktur des frighten-Verbs. Eine verursachende Größe wird in ihrem Modell prominenter behandelt als ein (belebter) Experiencer, obwohl dieser von der semantischen Rolle her höher angesiedelt ist. DOWTY (1991: 580) dagegen erklärt die lFLwL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... 179 Argumentrealisierung durch eine größere Anzahl prototypischer Patiens-Eigenschaften auf Seiten des Experiencers, wenn man die Charakteristika des Stimulus mit denen des Experiencers in einerfrighten-Verb-Konstruktion vergleicht. Entscheidend ist dabei die Eigenschaft des Experiencers, eine Zustandsveränderung zu durchlaufen, was ihn in einer transitiven Konstruktion als gutes Objekt qualifiziert. Zurück zu unserem Gegenstand: Die deutschen psychW-Verben, die die Argumentrealisierung der frighten-Verben teilen, laden aus linguistischer wie sprachlembezogener Sicht zur näheren Befassung ein, weil mit ihren semantischen Besonderheiten einerseits ein auffälliges syntaktisches Verhalten verbunden ist (vgl. 1.2), was sie zu einem geeignetem Gegenstand für eine grammatikentlastende systematische Wortschatzarbeit macht, und weil sie andererseits durch die Existenz des oftmals nur implizit vorhandenen Primärvorgangs bzw. -sachverhalts den Einsatz von Strategien zur Erschließung der Äußerungsbedeutung verlangen. Das Stimulus-Subjekt kann den verursachenden Primärvorgang in Form eines Verbalabstraktums wie in (9) oder eines eingebetteten Satzes wie in (10) explizit machen, oftmals aber muss der Primärvorgang wie in (11) und (12) über eine Stereotyprelation erschlossen werden: (9) Sein Schweigen irritiert mich (10) Dass er immer noch schweigt, irritiert mich (11) Dieses Buch enttäuscht mich (12) Der Film begeistert mich Die Stereotyprelation bezieht sich auf die Art und Weise, durch die sich die Wirkung des Stimulus auf den psychischen Zustand des Experiencers entfalten kann: zu (11): "ein Buch wird gelesen" zu (12): "ein Film wird angesehen" (vgl. RAPP 1997: 77). Um Hypothesen über die volle Mitteilungsintention ohne weitere Präzisierung von Seiten des Sprechers aufstellen zu können, ist weiteres Wissen über Typizität notwendig, diesmal über kulturell gebundene und/ oder idiosynkratische typische Verwendungen eines Ausdrucks für bestimmte SachverhalteNorgänge: Zu (11): Von einer Äußerung wie Dieses Buch enttäuscht mich wird im Default-Fall auf eine Situation geschlossen, in der das Lesen des Buches beim Experiencer nicht die Erwartungen bezüglich Inhalt, Stil, literarischer Qualität etc. erfüllt hat. Ohne weitere Angaben oder die Kenntnis der Eigenarten des Sprechers wird nicht auf eine Situation geschlossen, in der ein Buch nicht dick genug war, um darauf bequem sitzen zu können. Zu (12): von einer Äußerung wie Dieser Film begeistert mich wird im Default-Fall auf eine Situation geschlossen, in der das Ansehen des Films beim Experiencer hochgradig die Erwartungen bezüglich Drehbuch, Regie, Kameraführung, schauspielerischer Qualität etc. erfüllt hat. Denkbar wären aber kultur- und personenabhängig auch gänzlich andere für begeisternd erachtete Eigenschaften eines Films. JF]Llllll[, 33 (2004) 180 Brigitte Handwerker Um in die Aufbereitung für Vermittlungszwecke einzusteigen, behalten wir den genannten Eigenschaften entsprechend eine kleine Auswahl von psychW-Verben des Deutschen zurück, zu denen sich viele andere gesellen könnten: abschrecken, abstoßen, anregen, ärgern, aufregen, beeindrucken, begeistern, beglücken, beruhigen, empören, enttäuschen, entzücken, erfreuen, erheitern, erfreuen, erschrecken, erstaunen, faszinieren, freuen, interessieren, irritieren, langweilen, schockieren, trösten, überraschen, überzeugen, verärgern, verwirren, verwundern, wundern Ein Zugehörigkeitstest, der auf die semantische Eigenschaft des Primärvorgangs/ -sachverhalts abzielt, ist die Einbettung eines Satzes in Subjektposition: (13) Dass ich so fröhlich bin, [psychW-Verb]-t mich. Evidenz dafür, dass psychW-Verb-Konstruktionen mit einem Experiencer-Objekt weiter produktiv sind, erbringt eine Studie zujugendsprachlichen Verben von WEGENER (1999), die auch einen Anhang mit weiteren „etablierten" psychischen Verben enthält. 1.2 Morphosyntaktisches Verhalten und kontextuelle Kompatibilität Kennzeichnend für psychW-Verben sind neben den in 1.1 behandelten semantischen Eigenschaften die folgenden: (i) PsychW-Verben sind transitiv. (ü) Sie treten selten im Imperativ auf, was als Niederschlag ihrer indirekten Kausativität (Primärvorgang als Wirkungsursache) zu deuten ist, wodurch (15) als ein angemessenerer Ausdruck einer Aufforderung erscheint als (14) (vgl. RAPP 1997: 70): (14) Erheitere ihn! (15) Tu etwas, wodurch du ihn erheiterst! (iii) PsychW-Verb-Konstruktionen sind mit durch/ mit-Phrasen kombinierbar, durch die der Primärvorgang erschlossen werden kann (vgl. Rapp 1997: 71ff.): (16) Er erheiterte mich durch die Sonate/ mit der Sonate. (iv) PsychW-Verben treten in der Kopula+Partizip2-Konfiguration auf, obwohl sie nicht die dafür notwendigen semantischen Bedingungen wie Telizität erfüllen. Für eine hier einschlägige Diskussion der Kopula+Partizip2-Konfiguration vergleiche man BRANDT (1982), RAPP (1997), HANDWERKER (2002). Der Vendlersche Test zur Feststellung eines Grenzpunktes (vgl. VENDLER 1967) bringt ein negatives Ergebnis: (17) ? *Radames benötigte 3 Stunden, um Aida zu faszinieren/ zu enttäuschen. Und dennoch ist möglich: (18) Aida ist fasziniert/ enttäuscht. IFLmlL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... 181 (18) entspricht dem Zustandspassiv B bei Brandt (1982: 32), die diesem die Funktion einer Charakterisierung zuspricht, die dem Vorgangspassiv bei nicht-resultativen Verben entspricht. Durch eine solche Analyse wird aber nicht die Relation der (quasi simultanen) Verursachung durch einen Primärvorgang erfasst. (v) Das adjektivierte Partizip 1 der psychW-Verben erlaubt die prädikative Verwendung wie in (19), es sei denn, es liegen lexikalische Blockierungen vor wie in (20): (19) Das/ Aida ist entzückend/ enttäuschend. (20) Aber: Der Zustand der Örtlichkeiten ist entsetzlich, *entsetzend. (vi) PsychW-Verben erlauben keine Integration in eine Resultativkonstruktion des Typs (21), da der Resultatszustand des Experiencers in ihnen lexikalisch spezifiziert ist: (21) Er hat mich müde getanzt - Ich bin müde Aber nicht: (22) *Er hat mich fanatisch begeistert - Ich bin fanatisch. (vü) Das werden-Passiv mit psychW-Verben ist äußerst selten, was sich nicht mit der fehlenden Agentivität erklären lässt, da auch Zustandsverben wie lieben ein werden-Passiv bilden. Plausibler erscheint es, auch hier den Grund in der indirekten Kausativität zu sehen. Die gemeinsamen Eigenschaften der psychW-Verben lassen die Etablierung einer eigenen Subklasse als gerechtfertigt erscheinen, auch wenn ihre Notwendigkeit für die Grammatikschreibung weiter umstritten ist. Für das Wortschatzlernen und -lehren ist sie unbestreitbar von hohem Nutzen, da vor ihrem Hintergrund die Lernerfragen zum auffälligen Verhalten der Partizipien und zur Zuordnung von semantischen Rollen und syntaktischer Funktion eine systematische, einheitliche Behandlung erfahren können. 2. Zustands(wechsel)komponenten in der Verbsemantik als Erwerbs- und Lernproblem Kinder produzieren Antworten in Dialogen wie dem folgenden: (23) Mutter: "Hast du Opa geweckt? " Kind: "Ja, aber er ist nicht wach geworden." Das, was ein Kind durch die Evidenz der Unangemessenheit einer Äußerung in einer Situation nach und nach lernt, lässt sich für Lehrzwecke durch die explizite Dekomposition der Verbbedeutung leisten. So wie es zur Lernaufgabe des Kindes gehört, beim Aufbau des lexikalischen Wissens Bedeutungskomponenten zu identifizieren, die für ganze Klassen von Verben charakteristisch sind, beinhaltet systematische Wortschatzarbeit die Identifikation der sprachlich festrnachbaren semantischen Komponenten. Zur Bedeutung des Verbs wecken gehört die Information über den Endzustand des Gegenstands, auf den sich der Objektausdruck bezieht, was Kindern bis zum Alter von 6 Jahren lFLl.lL 33 (2004) 182 Brigitte Handwerker Schwierigkeiten bereitet: Verben des Zustandswechsels werden wie reine Tätigkeitsverben interpretiert (WIITEK 1999: 291). Im Gegensatz zur für den erwachsenen L2- Lemer leicht nachvollziehbaren Konzeptualisierung eines Sachverhalts des Weckens ist die Zuweisung einer lexikalisch-semantischen Struktur zu den psychW-Verben ein schwieriges Unterfangen. Zwar ist der lexikalisch fixierte Resultatszustand bei wecken dadurch verdunkelt, dass die Kopula+P2-Konstruktion wegen des konkurrierenden Adjektivs wach nicht verwendet wird: (24) Wenn man Opa geweckt hat, ist er (zumindest einen Moment) wach/ *geweckt Doch besteht für ein Verb wie wecken Einigkeit über das Vorliegen einer semantischen Komponente „Resultativität", die, wenn keine lexikalische Konkurrenz besteht, die Bildung der Kopula+P2-Konstruktion erlaubt. Im Falle der psychW-Verben haben wir zwar im Allgemeinen die Evidenz der Kopula+P2-Konstruktion, aber die konzeptuellen Verhältnisse und der Zusammenhang von Verbsemantik und grammatischem Niederschlag sind sehr viel schwieriger herauszuarbeiten, da es keine eindeutige Zuordnung der Zeitintervalle von primärem Vorgang, Wahrnehmung durch den Experiencer und bewirktem Zustand gibt (vgl. dazu Abschnitt 3). Ganz allgemein gilt, dass für die Möglichkeit bestimmter Konstruktionen wie in Abschnitt 1.2 aufgeführt der Situationstyp eines Verbs bzw. des Verbkomplexes entscheidend ist: Der Situationstyp ergibt sich aus den semantischen Eigenschaften sprachlicher Ausdrücke, die eine Situation charakterisieren, und zwar hinsichtlich einer inhärenten zeitlichen Grenze oder eines resultierenden Zustands. Recht zuverlässige Vorhersagen zur Verwendbarkeit der Partizipien bestimmter Verben machen es im Prinzip möglich, das Bootstrappingbzw. Steigbügelverfahren für die Vermittlung von Verben zu nutzen. Zu den syntaktisch relevanten Bedeutungsbestandteilen gehört dabei zweifelsfrei der Situationstyp [±inhärent telisch] (vgl. HANDWERKER 2003). Entscheidend für gewisse Konstruktionen ist die Frage, ob ein Kulminationspunkt vorliegt wie in: (25) Der Gipfel ist erreicht oder ob ein Partizipant einen (plötzlichen) Zustandswechsel bzw. eine (allmähliche) Zustandsveränderung durchlaufen hat: (26) Die Frau ist geschminkt. Wenn ein Fremdsprachenlerner eine Äußerung der Form Kopula+Partizip2 (von nun an: P2) verarbeitet, kann er im Allgemeinen auf das Vorliegen eines Nachzustands zu einem vorangehenden Geschehen schließen. Ein viel diskutierter Ausreißer sind die Zustandsverben wie bewohnen, deren Kopula+P2-Konstruktion quasi synomym zum werden- Passiv ist. In umgekehrter Perspektive ergibt sich für die Lemerproduktion aus der Kenntnis des Niederschlags der Verb(komplex)semantik, dass eine Kopula+P2-Konstruktion mit einem reinen Aktivitätsverb wie streicheln nicht möglich ist. lFLIIL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... 183 (27) *Sie ist gestreichelt. Wohin gehören nun die psychW-Verben? Der Zustandswechsel bezüglich des Experiencers wird ihnen in der Literatur nicht durchgehend zugesprochen. Mit dem Terminus „emotives Resultativ" ordnen LITVINOV/ NEDJALKOV (1988: 70 t) den bewirkten Zustand zwar als Resultat einer Veränderung ein; sie verweisen aber gleichzeitig auf die Problematik des Begriffs „vorangehende Handlung". RAPP (2001) verwirft im Gegensatz zu RAPP (1997) den Begriff der Resultativität für psychW-Verben gänzlich. Es verbleibt jedoch für die Zwecke der Vermittlung bei aller theoriebezogenen Umsicht die Aufgabe, die kausale Beziehung zwischen dem Primärvorgang/ -sachverhalt und dem Experiencer- Zustand als konzeptuelle Größe zu erfassen. Letzterer wäre ohne Ersteres nicht gegeben. Will man terminologisch vorsichtig sein, so bietet sich die Lösung von KLEIN (1999: 59) an, der die Beziehung einer Art simultaner Kausalität bzw. Bedingtheit mit dem Terminus der „Hume-Relation" bezeichnet. So bleibt offen, ob der bewirkte Zustand als Nachzustand eines innerhalb der Situation konzeptualisierten Wechsels oder als bewirkte Begleiterscheinung des Primärvorgangs/ -sachverhalts aufzufassen ist. Die verschiedenen Möglichkeiten der Konzeptualisierung, die der Verwendung einer psychW-Verb-Konstruktion zugrunde liegen können, werden in Abschnitt 3 durchgespielt. Das Phänomen, dass die psychW-Verben zu einer einheitlichen Behandlung einladen, dass aber die semantischen Eigenschaften, die das überraschend einheitliche Verhalten auslösen, für den nativen Sprecher nicht klar ablesbar sind, erinnert an die Beschreibung des sprachlichen Kryptotyps bei WHORF (1956: 70 ff): Als Kryptotyp bezeichnet er eine verdeckte linguistische Klasse, die durch die linguistische Analyse als funktionell wichtiges Element in der Grammatik aufgezeigt werden kann. Einer solchen Klassenbildung kann ein schwer fassbares Bedeutungselement zugrunde liegen. Eines seiner Beispiele sind die transitiven englischen Verben, die eine Präfigierung mit unerlauben: to uncover / to untie / to unfold. Ihnen gegenüber gestellt werden die nicht akzeptierten Bildungen *to unbreak / *to unopen / *to undry. Durch erfundene Testwörter zeigt Whorf den Konsens in der Zuordnung von Bedeutung und Konstruktionsverhalten auf: Das Verb to flimmick lässt sich in der angenommenen Bedeutung von „to tie a tin can to" mit unpräfigieren: He unflimmicked the dog. In der angenommenen Bedeutung von „to take apart" ist die un-Präfifierung ausgeschlossen: * He unflimmicked the set of radio parts. Nicht nur für den Bereich der psychW-Verben stellt sich mithin die Frage, wie verdeckte Klassen ans Tageslicht befördert - und für die Sprachvermittlung greifbar gemacht werden können. Ohne Zweifel sind sie mit dafür verantwortlich, dass selbst fortgeschrittene Lerner häufig unnatürlich klingen und weder Sprachvermittler noch gar „normale" native Sprecher ihnen sagen können, woran es denn liegt. Unsichtbar bleibt zudem das, was Kryptotypen auf der Rezeptionsseite anrichten. Ob es einem Lerner gelingt, die Konzeptualisierung eines Sachverhalts durch einen nativen Sprecher in der Sprechsituation nachzuvollziehen, wird nicht notwendigerweise offensichtlich. Ein Versuch, die möglichen Zusammenhänge zwischen Konzeptualisierung und sprachlichem Ausdruck bei den dunklen psychW-Verben ein wenig zu lichten, wird im folgenden Abschnitt unternommen. lFLIIL 33 (2004) 184 Brigitte Handwerker 3. Konzeptualisierung und Versprachlichung Am Beispiel verschiedener Primärvorgänge/ -sachverhalte, die den psychischen Zustand des Begeistertseins auf Seiten eines Experiencers auslösen, sollen in diesem Abschnitt mögliche Konzeptualisierungen, die einer psychW-Verb-haltigen Äußerung zugrunde liegen können, aufgezeigt werden. Schaubild 1 [S. 185] steht für einen Primärvorgang "Radames singt", der in Form des Stimulus-Subjekts "Radames' Gesang" als Ursache für die Wirkung auf den Experiencer "Aida" explizit gemacht wird. Für die Konzeptualisierung des Sachverhalts im Hinblick auf seine Versprachlichung bieten sich die folgenden Optionen: I Der Sprecher wählt den Stimulus als zentrale Größe. Der Stimulus wird zum Subjekt einer aktivischen Konstruktion. 1a Der Stimulus, der in Schaubild 1 identisch mit dem Primärvorgang gesetzt ist, wird als andauernd und eventuell sogar den bewirkten Zustand überdauernd angesehen; es ergeben sich als mögliche Versprachlichungen: (28) Radames' Gesang begeistert Aida seit zwei Stunden. (29) Radames' Gesang begeisterte Aida zwei Stunden lang, dann wurde es ihr zuviel/ verstarb sie. lb Der Stimulus wird entweder als vor dem unbestimmten Ende des bewirkten Zustands endend oder als gleichzeitig mit dem bewirkten Zustand endend angesehen; es ergibt sich als mögliche Versprachlichung: (30) Radames' Gesang begeisterte Aida zwei Stunden lang, dann erstarb er. II Der Sprecher wählt den Experiencer als zentrale Größe. Der Experiencer wird zum Subjekt einer Kopula+P2-Konstruktion. Ila Wird die Perspektive des Wirkungsgeschehens selbst eingenommen, so ergibt sich als mögliche Versprachlichung (nicht im Schaubild aufgeführt): (31) Aida wird von Radames' Gesang begeistert. Das werden-Passiv ist für psychW-Verben in Korpora äußerst selten belegt (vgl. Abschnitt 4). Ilb Wird die Perspektive des Resultatzustands eingenommen, so ergibt sich als mögliche Versprachlichung im Falles seines Andauerns: (32) Aida ist von Radames' Gesang (immer noch) begeistert. Die Kompatibilität mit immer noch weist die psychW-Verb-Partizipien als „Target State Participles" aus, die im Gegensatz zu den in der Terminologie von Kratzer (2000) "Resultant State Participles" genannten Partizipien einen Zustand als reversibel auszeichnen (zu Nachzuständen verschiedenen Typs vgl. auch Parsons 1990). "Resultant State Participles" sind z.B. bewiesen und gewaschen mit der entsprechenden Verwendungsbeschränkung: lFL1.UL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... (33) *Das Theorem ist immer noch bewiesen. (34) *Die Kinder sind immer noch gewaschen. Für das „Target State Participle" ist dagegen möglich: (35) Aida ist von Radames' Gesang nicht mehr begeistert. 185 Um die Konzeptualisierung des Sachverhalts durch den Sprecher nachzuvollziehen, muss der Rezipient dank des expliziten Primärvorgangs im Stimulus nur die Stereotyprelation „Gesang=> gehört werden" (vgl. 1.1) erschließen. Im Schaubild 2 [S. 186] dagegen wird ein Partizipant des Primärvorgangs als zentrale Größe gewählt und damit zum Stimulus-Subjekt. Zusätzlich zum Erschließen des Typs der Wahrnehmung, die den bewirkten Zustand auslöst (Sehen, Hören, Fühlen, Erfahren von Seiten Aidas), muss der Primärvorgang (Radames besiegte die Äthiopier) aus dem Wissen über geeignete Primärvorgänge gewählt werden, da in der Versprachlichung nur ein Teil dieses Vorgangs explizit gemacht wird. Im Falle von Eigennamen oder unspezifischen Kennzeichnungen wie der Mann wird keine interpretationssteuemde Stereotyprelation ausgelöst (vgl. dazu Schaubild 3 [S. 187]). Stimulus: FJLIJIL 33 (2004) Wnltt, nclmumg dureht.lc11 E11pe1Wncer: ZENTRAL: Schaubild 1 EXPERIENCER mit Result! l! l! zustand (± andauernd) Aida i! i! """ Rooames· Gellllllg (immer ru: ,clt/ nlcht mehr) MlliCiSlert 186 Brigitte Handwerker ZENTRAL: Primärvorgang: Ein PARTIZIPANT des Priinlirvor: gangs als Stimulus Schaubild 2 EXPERIENCER mit Resultatszustand Schaubild 3 [S. 187] illustriert das für den interkulturellen Aspekt des Wortschatzlernens relevante Phänomen, dass Implizites über die Annahme revidierbarer Eigenschaftszuschreibungen erschlossen wird: (36) Liz Taylor ist von ihrem neuen Ehemann begeistert. Der erste Schluss betrifft wieder die Art der Wahrnehmung des Primärsachverhalts. Hier bieten sich viele Kandidaten, z.B. "Spüren". Der zweite Schluss aber betrifft das Bündel von Eigenschaften (das Stereotyp), das kulturell abhängig Ehemännern zugeordnet wird, die ihre Ehefrauen begeistern. Ein solches Stereotyp kann aus kontextabhängig hierarchisch geordneten Eigenschaften bestehen: in unserem Beispiel etwa „treu, intelligent, stark, reich, etc." (für einen Überblick vgl. HANDWERKER 1989). Ohne Präzisierung lässt die Versprachlichung vielfache Hypothesen über den verursachenden Primärsachverhalt zu. JFJL1.IIL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... ZENTRAL: Primär- Ein PARTIZIPANT des Primiirsachverhalts als Stimulus Auswlllllde>t Stimulus aus dem l"riml! mcbvemrut Schaubild 3 Für alle Schaubilder gilt, dass offen bleibt, EXPBRIBNCER mit Result! lt~zustaad 187 ob der Eintritt des bewirkten Zustands punktuell ist oder einer allmählichen Entwicklung unterliegt und ob die Ursache für den bewirkten Zustand allein beim Stimulus festgemacht wird: Eine sekundäre Ursache kann auch beim Experiencer liegen (Liz Taylor ist Männern gegenüber zunächst einmal unkritisch). 4. Psychische Wirkungsverben: Verwendungen und Beschränkungen In Abschnitt 1 und 2 wurden die semantischen und morphosyntaktischen Gemeinsamkeiten der psychW-Verben herausgestellt, Abschnitt 3 war dem Zusammenspiel von Konzeptualisierung und grammatischer Realisierung gewidmet. Im folgenden Abschnitt soll deutlich gemacht werden, dass die Klasse der psychW-Verben sich genau so verhält, wie es WUNDERLICH (1985: 189) für jede Verbklasse voraussagt: Je nach Verwendung lässt sich ein Verb verschiedenen Situationstypen zuordnen; mal wird es eher als Ausdruck eines Handlungsprädikats, mal eher als Ausdruck eines Zustandsprädikats verstanden. Die folgenden Beispiele sind dem Korpus „Cosmas I - Version R.2.9-4" des Instituts für deutsche Sprache entnommen. Die Daten zeigen, dass die psychW-VerblFLlllL 33 (2004) 188 Brigitte Handwerker Konstruktionen sowohl in der gesprochenen als auch in der geschriebenen Sprache vielfache Verwendung finden; sie sind flexibel im Hinblick auf die Verwendung in mehr oder weniger agentivischen Kontexten, und sie weisen unterschiedlich starke Affinitäten zu bestimmten lexikalischen Umgebungen und zu bestimmten grammatischen Konstellationen auf. I Werden psychW-Verben mit belebten Subjekten verwendet, so ergibt sich tendenziell ein Bedeutungseffekt: In den Beispielen (37) bis (39) liegt der Fokus auf dem Erregen der Aufmerksamkeit des Experiencers durch eine Stimuluseigenschaft oder -aktivität: (37) Robert Vaughn in der Rolle des Agenten Napoleon begeisterte mit seinem Kampf gegen ein Gangstersyndikat bereits die Fernsehzuschauer in den USA. (38) Larissa Jeltschaninowa entzückte wieder in Volksliedern durch ihren blutvollen, metallischen Sopran und humorige Darstellungsgabe. (39) der Co-Chef einer privaten Befruchtungsklinik faszinierte wieder einmal mit jenem Gemisch aus moralisch anmutenden Appellen, ganz nach persönlichem Geschmack von Ethik, und wissenschaftlich-therapeutischen Heilsversprechungen. In Kombination mit unbelebten Subjekten fallen die psychW-Verben tendenziell in zwei Gruppen: Bei einer Subgruppe der Verben, die z.B. beeindrucken, begeistern, entzücken enthält, bleibt der Fokus erhalten. Bei Verben wie z.B.faszinieren dagegen verschiebt sich der Fokus auf die Aufnahmebereitschaft des Experiencers; die Konzeptualisierung entspricht mehr einem Zustand, einer Disposition, als einer Zustandsveränderung des Experiencers: (40) Ihr vielgepriesener architektonischer Reiz entzückte damals die Besucher, als vielgenutzte Veranstaltungsstätte konnte sich die Halle mit der kühn geschwungenen Zeltdachkonstruktion allerdings nie so recht durchsetzen. (41) Autos faszinierten ihn. II PsychW-Verben zeigen unterschiedliche Präferenzen in der Kombination mit Zeit- Adverbialen. Verben wie überraschen und verblüffen werden in der Umgebung eines Spannenadverbials wie lange Jahre lang wegen ihrer punktuellen Bedeutung als Ausdruck eines repetitiven Geschehens aufgefasst. Dagegen lässt das potenziell ebenfalls punktuelle beglücken im „Friedens"-Kontext von (42) die Durativlesart zu: (42) denn dieses große Fest sollte ja das Pfand eines dauerhaften Friedens werden, der auch wirklich lange Jahre hindurch Deutschland beglückte. III Die Partizipien von psychW-Verben zeigen je nach Verwendungskontext eine mehr oder weniger große Nähe zum voll-lexikalisierten Adjektiv. Mit voll-lexikalisiert ist hier gemeint, dass durch die Adjektivierung nicht nur die Argumentstruktur des Basisverbs verändert wurde wie beim prädikativ verwendeten Partizip 1 in (43), sondern dass sich die Bedeutung weiter verändert hat: Die Beispiele (44) bis (46) stehen für die Charakterisierung einer Entität auf einer Gradskala von Zustandsintensität, aber nicht mehr für einen im Verb kodierten (Nach)Zustand des Experiencers: IFLUJL 33 (2004) Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive ... 189 (43) Die Katze entzückt den Hund/ die den Hund entzückende Katze/ *die Katze ist den Hund entzückend. (44) je faszinierter wir in das unheimliche Dunkel dieser Abgründe starren, um so unwiderstehlicher werden wir in sie hineingezogen. (45) nur die Bonner Herren sind mini-begeistert. (46) die Kinder durften ihn sogar streicheln und waren ganz und gar begeistert von dem kleinen süßen Kerl. IV Das werden-Passiv findet sich äußerst selten im Bereich der psychW-Verben. Beispiel (47) aus ZIFONUN (1992: 267) soll illustrieren, dass das werden-Passiv eher in Frage kommt, wenn „Menschen oder menschliche Verhaltenweisen als Auslöser des kognitiven oder emotionalen Prozesses benannt werden": (47) Als er wieder einmal geärgert wurde, nahm er die Mütze abdrei Spatzen flogen weg. V Die Blockierungen durch lexikalische Konkurrenten zu den Partizipien sind zahlreich. Wie im letzten Beispiel zu ärgern eine entsprechende Kopula+P2-Konstruktion *geärgert sein nicht existiert, dafür aber ein Adjektiv ärgerlich und ein präfigierter Konkurrent verärgert zur Verfügung stehen, finden sich häufig präfigierte psychW-Verben, die den Vendlerschen Tests nach eindeutig inhärent telisch und damit bessere Kandidaten für die Kopula+P2-Konstruktion sind als ihre unpräfigierten Pendants: (48) *gefreut sein, aber: erfreut sein (49) *gewundert sein, aber: verwundert sein Diese musterbildenden Beschränkungen müssen zweifellos Bestandteile einer systematischen Wortschatzvermittlung sein; doch auch die Tendenzen und Präferenzen konstituieren einen eigenen Lerngegenstand für Fortgeschrittene, wenn es um das Nachvollziehen der Konzeptualisierung eines Nativen durch den Lerner einerseits und um eine unmarkierte Wortschatzverwendung durch den Lerner andererseits geht. 5. Psychische Wirkungsverben in der Vermittlung Die Beispiele in Abschnitt 4 vermitteln einen ersten Eindruck davon, welchen Ertrag Korpora für die Fremdsprachenvermittlung liefern können, damit (a) rekurrente Muster identifiziert werden können, (b) das Zusammenspiel von lexikalischer Bedeutung und Konstruktionsbedeutung herauskristallisiert werden kann und (c) typische Verwendungen eines psychW-Verbs im Kontext bzw. in einer bestimmten Textsorte exemplifiziert werden können. Im Bereich des Sprachverstehens lassen sich dabei Ausdrücke wie Kopula+P2-Konstruktionen als eine Art Zoom für den Rezipienten auffassen, dessen Aufmerksamkeit auf eine perspektivische Auswahl eines Sachverhalts gelenkt wird. Sieht man in den Schaubildern in Abschnitt 3 Leerstellen vor, so kann der Lerner die verschiedenen expliziten oder erschlossenen Sachverhaltskomponenten einsetzen. Im Bereich der Sprachproduktion liefern die Konzeptualisierungsschemata eine Basis für die Entwicklung einer lFLwL 33 (2004) 190 Brigitte Handwerker Lernerstrategie, die einen eigenen potenziellen Output abgleichen lässt mit den psychW- Verb-Konstruktionen eines Korpus. Rekurrente Muster in Korpora entsprechen nicht zwingend holistisch abgespeicherten formelhaften Sequenzen beim nativen Sprecher (vgl. SCHMITT [et al.] 2004); sie bieten aber einen Ausgangspunkt für die Erstellung vorgefertigter Sequenzen für den Lerner, die die Verarbeitung des Inputs durch den Lerner entlasten und in Kombination mit der expliziten Vermittlung semantischer und morphosyntaktischer Verbeigenschaften die lexikalisch-grammatische Kompetenz des Lerners in einer Weise fördern, die weder in Lehrbüchern noch in gängigen Lerngrammatiken geboten wird. Die 'Pattern Grammar' von HUNSTONIFRANCIS (2000) will den Weg bereiten für eine lexikalische Grammatik des Englischen; dieser Beitrag weist in die gleiche Richtung: Klassenbildung beim Verb und ihre Exemplifizierung als kleiner Schritt auf dem Weg zu einer linguistisch und lerntheoretisch fundierten Wortschatzarbeit. Nichts spricht dagegen, psychW-Verb-Konstruktionen als formelhafte Sequenzen im Unterricht einzuführen, um beim Lerner über das Erkennen der Syntax-Semantik-Abbildung ein Tuning für das hereinkommende Material zu bewirken, dem ein Fine-Tuning für bevorzugte Paare von Konzeptualisierung und Konstruktion beim nativen Sprecher folgen kann. Theorien zur Verarbeitung des Inputs und zu den mentalen Repräsentationen, die sich beim Lerner aufbauen, wie die, die in CARROLL (1999, 2001) entwickelt wird, zeigen Wege auf für fundierte Verfahren zur Umsetzung der linguistischen Erkenntnisse; bereits jetzt lassen sich auf der Basis der hier präsentierten Beschreibung und anwendungsbezogener Überlegungen zum Status von formelhaften Sequenzen (vgl. AGUADO 2002) transparente psychVerb-Konstruktionen aus Korpora, aus Alltagsdiskursen und aus der Eigenfabrikation nutzen. Die Lernaufgabe besteht in der formalen Unterscheidung zwischen den Subklassen deutscher Verben und in der Identifikation von cues, die die Zugehörigkeit eines Verbs zu einer Subklasse anzeigen; der direkte Gewinn des Erlernens von vorgefertigten Sequenzen mit psychW-Verben ergibt sich schon in der sozialen Interaktion, in der einem Zustand der Enttäuschung oder Begeisterung häufig angemessen Ausdruck verliehen werden muss. 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In the second part, the focus is narrowed to recent developments in teaching vocabulary in the foreign language classroom. Special attention is given to the possibilities of learner training in the area of vocabulary and to a new category of tasks which Thornbury calls decision-making tasks. The last part ofthe paper considers the way in which Thornbury documents the sources of new teaching techniques presented in his book. 1. "Oh no. Not another book on vocabulary" Norbert Schmitt und Michael McCarthy beginnen die Einleitung zu ihrem Sammelband Vocabulary. Description, Acquisition, Pedagogy mit einer Art Stoßseufzer und einer Frage, die sie einer potentiellen Leserin in den Mund legen: "Oh, no. Not another book on vocabulary. What makes this one any different? ''. (SCHMITT/ McCARTHY 1997: 1). Offenbar lag bereits 1997 eine größere Zahl von Publikationen zum Thema Wortschatz vor - Schmitt/ McCarthy nennen in ihrer Einleitung McKEoWN/ CURTIS (1987), AITCHI- S0N (1987), NATION (1990), SCHREUDERIWELTENS (1993), HUCKIN/ HAYNES/ C0ADY (1993), C0ADY/ HUCKIN (1997). Wer ein weiteres Buch zu diesem Thema publiziert, braucht also einen guten Grund: Schmitt/ McCarthy weisen daraufhin, dass die genannten Bände unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen (in der Reihenfolge der Namensnennung: LI-Erwerb, mentales Lexikon, Wortschatzvermittlung, psycholinguistische Aspekte, Leseverstehen, empirische Forschung) und dass es an der Zeit sei, einen Band vorzulegen, der den Versuch macht, die unterschiedlichen Aspekte zu einem Gesamtbild zusammenzufügen und dem Leser "a broad view of the 'state of the art' in vocabulary studies" (1997: 1) vorzulegen. Inwieweit ihnen dies gelungen ist, soll hier nicht beurteilt werden. In der Tat werden in dem Sammelband drei grundlegende Aspekte des Themas Vocabulary behandelt, die bereits im Titel angesprochen werden: sprachwissenschaftliche Beschreibung des Lexikons, Wortschatzerwerb, Wortschatzvermittlung. Wortschatz lässt sich aus so vielen unterschiedlichen Perspektiven erforschen, analysieren, beschreiben, dass ein „Gesamtbild" des Forschungsstandes höchstens noch im Rahmen eines Sammelbandes gegeben werden kann. Monographien dagegen müssen sich zwangsläufig Korrespondenzadresse: Priv.-Doz. Dr. Jens BAHNS, Akademischer Oberrat, Englisches Seminar der Universität Kiel, Olshausenstr. 40, 24098 KIEL E-mail: bahns@anglistik.uni-kiel.de Arbeitsbereiche: Didaktik der englischen Sprache, Lexikologie/ Lexikographie, Wortschatzarbeit lFLd 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 193 auf einen Aspekt beschränken. Wer sich heute nur sieben Jahre nach der Publikation von SCHMITIIMCCARTHY über das Thema W ortschatz! vocabulary informieren möchte, steht vor einer Flut von neueren Buchpublikationen; inzwischen könnte der Ausruf lauten: "Oh, no. Not another dozen books on vocabulary". Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien folgende in den letzten fünf Jahren publizierte Titel genannt: Lexis in Contrast (ALTENBERG/ GRANGER 2002), Time for Words. Studies in Foreign Vocabulary Acquisition (ARABSKI 2002), The Lexicon in Focus. Competition and Convergence in Current Lexicology (BEHRENS/ ZAEFFERER 2002), Wortschatz und Wortschatzvermittlung (DETERING 2000), Words, Lexemes, Concepts: Approaches to the Lexicon (FALKNER/ SCHMID 1999), Words, Meaning and Vocabulary (JACKSON/ ZEAMVELA 2000), English Lexicology (LIPKA 2002), Learning Vocabulary in Another Language (NATION 2001), Assessing Vocabulary (READ 2000), Vocabulary in Language Teaching (SCHMITT 2000), Exploring the Second Language Mental Lexicon (SINGLETON 1999), Language and the Lexicon (SINGLETON 2000), How to Teach Vocabulary (THORNBURY 2002). In Anlehnung an SCHMITT/ McCARTHY (1997) wollen wir auch in diesem Beitrag Wortschatz zunächst aus drei Perspektiven betrachten. Aus dem eben aufgezählten „Angebot" an neueren Publikationen haben wir drei Bücher ausgewählt, die für diese drei Perspektiven repräsentativ sind und die in Abschnitt 2 vorgestellt werden sollen: JACK- SON/ ZE AMVELA (2000) ist eine Einführung in die Lexikologie (2.1), SCHMITT (2000) behandelt Wortschatz aus angewandt-linguistischer Perspektive (2.2) und THORNBURY (2002) ist ein didaktisch-methodischer Leitfaden der Wortschatzvermittlung (2.3). In Abschnitt 3 soll der Blick dann auf die Wortschatzdidaktik eingeengt werden. Wie der Fremdsprachenunterricht allgemein, so hat sich natürlich auch die fremdsprachenunterrichtliche Wortschatzarbeit in den letzten 20 bis 30 Jahren verändert. Daher ist es naheliegend zu fragen, wo sich denn neue Elemente bei der Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht ausmachen lassen. Eine Antwort auf diese Frage soll dadurch gegeben werden, dass wir THORNBURY (2002) mit DOYE (1971) vergleichen, der wohl mit Fug und Recht als „Klassiker" der Wortschatzvermittlung in der deutschsprachigen Englischdidaktik bezeichnet werden kann (so auch QUETZ 1998: 290). In Abschnitt 3.1 wird dieser Vergleich zunächst in Form eines Überblicks angestellt, indem zum einen solche Punkte genannt und kurz erläutert werden, die bei Doye noch vollständig fehlen; zum anderen soll aber auch auf einige Bereiche hingewiesen werden, die auch schon dort berücksichtigt sind und immer noch als wichtige Aspekte der Wortschatzdidaktik angesehen werden können. Nach dem Überblick in 3.1 werden wir dann in Abschnitt 3.2 drei der dort genannten Punkte noch einmal aufgreifen und den Vergleich vertiefen. Dafür haben wir die Stichwörter Semantisierungstechniken (3.2.1), Lernertraining (3.2.2) und Verarbeitungstiefe (3.2.3) ausgewählt, wobei das erste Stichwort für einen Bereich steht, in dem sich neuere Entwicklungen nicht erkennen lassen, während die anderen beiden Stichwörter wichtige neuere Aspekte der Wortschatzdidaktik repräsentieren. In Abschnitt 4 werden wir unsere Perspektive wieder etwas erweitern, indem wir am Beispiel des Stichworts Verarbeitungstiefe fragen, wo denn die (fach)wissenschaftliche Quelle dieses Konzepts liegt und in welcher Weise Thombury und Schmitt ihre potentiellen Leser, die sich für diese Frage interessieren, darüber informieren. lFLi.nL 33 (2004) 194 Jens Bahns 2. Wortschatz zwischen Lexikologie, Angewandter Linguistik und Fremdsprachenunterricht 2.1 Words, Meaning and Vocabulary (JACKSON/ ZE AMVELA 2000) JACKSON/ ZE AMVELA (2000) nehmen sich des Themas aus sprachwissenschaftlicher Perspektive an; hier handelt es sich um eine Einführung in die Lexikologie des Englischen. Anders als in JACKSONs Monographie von 1988, die neben lexikologischen Fragestellungen sehr stark auch lexikographische Themen behandelte, steht hier die Lexikologie im Mittelpunkt. Der Lexikographie hat Jackson kürzlich einen separaten Einführungsband gewidmet (JACKSON 2002). In ihrer Einleitung weisen die Autoren darauf hin, dass Etienne Ze Amvela für die ersten vier Kapitel verantwortlich zeichnet, während Howard Jackson die Kapitel fünf bis acht verfasst hat. Kap. 1 ("What is Lexicology? " [S. 1-20]) ist der Gegenstandsbestimmung der sprachwissenschaftlichen Teildisziplin Lexikologie und ihrer Abgrenzung von benachbarten sprachlichen Strukturebenen (Phonologie, Syntax) gewidmet. Die Autoren machen deutlich, in welcher Weise und in welchem Maße morphologische, semantische, etymologische und lexikographische Aspekte von der Lexikologie berücksichtigt werden, und demonstrieren die Strukturiertheit des Gesamtwortschatzes des Englischen als Untersuchungsgegenstand der (englischen) Lexikologie, indem sie die Konzepte Assoziationsfeld, lexikalisches Feld (Wortfeld), Wortfamilie und Wortklasse einführen und erläutern. Kap. 2 ("Where Do English Words Come From? " [S. 21-47]) liefert zunächst einen knappen Überblick über die bekannten Perioden der englischen Sprachgeschichte (Old English, Middle English, Early Modem English, Modem English), wobei naturgemäß die Entwicklung des Wortschatzes im Vordergrund steht. Anschließend werden die im Englischen besonders zahlreichen Entlehnungen nach Quellsprachen geordnet behandelt und mit vielfältigem Beispielmaterial illustriert. Abgeschlossen wird das Kapitel mit zwei kurzen Abschnitten über Möglichkeiten der Wortbildung (als Vorgriff auf Kap. 4, s.u.) und über einige Charakteristika des modernen englischen Wortschatzes. Das Wort als zentrale sprachliche Einheit der Lexikologie steht im Zentrum von Kap. 3 ("Tue Word" [S. 48-68]). Nach einigen Bemerkungen zu der Problematik, Wort als sprachwissenschaftlichen Begriff zu definieren, werden Aspekte der Wortbedeutung (Denotation, Konnotation, sense, reference) erörtert. Weitere Abschnitte des Kapitels befassen sich mit den Phänomenen der Polysemie, der Homonymie sowie der Kategorie der Mehrwortlexeme. Kap. 4 ("Word Formation" [S. 69-90]) behandelt Wortbildungsprozesse und erläutert zunächst den Unterschied zwischen Flexion und Derivation, um anschließend in einiger Ausführlichkeit Flexionsaffixe und Derivationsaffixe zu diskutieren. Dann werden Komposita von phrases unterschieden, analysiert und klassifiziert. Das Kapitel schließt ab mit der Erläuterung und Illustration der Wortbildungsprozesse Konversion, Wortmischung und Kürzung. Kap. 5 ("Meaning Relations" [S. 91-117]) beginnt mit einer kurzen einführenden Erläuterung der Konzepte, die im Zentrum dieses Kapitels stehen: Synonymie, Antonymie, Hyponymie, Meronymie sowie semantic field und collocation. Aspekte, die im Abschnitt zur Synonymie angesprochen werden, sind der ]F[.,l]]L 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 195 Synonymenreichtum des Englischen und dessen Gründe; die Unterscheidung zwischen strict synonymy und loose synonymy sowie die verschiedenen Ebenen, auf denen Synonympaare differenziert werden können (Varietäten, Stil, Konnotation). Im Abschnitt zur Antonymie präsentieren und erläutern die Verfasser die bekannte Unterscheidung in drei Klassen von Bedeutungsgegensätzlichkeit (gradable antonymy, contradictory/ complementary antonymy, converseness). Im Kontext der Diskussion zu den hierarchischen Beziehungen der Hyponymie und der Meronymie geht es u.a. um lexikalische Lücken. Ein weiterer Abschnitt ist der Komponentenanalyse gewidmet, und abschließend wird das Phänomen der Kollokation erläutert und illustriert. Kap. 6 ("Words in Use" [S. 118- 143]) behandelt die Wortschatzvariation in jeglicher Hinsicht: Zunächst geht es um die Eigenheiten nationaler bzw. regionaler Wortschätze; dann unter dem Stichwortjargon um Fachsprachen aller Art (Beruf, Sport, Religion u.a.); danach um Besonderheiten im Lexikon verschiedener Subkulturen (am Beispiel von Jugend und Unterwelt) und schließlich um unterschiedliche Stilebenen bzw. Grade der Formalität. Neuere Ergebnisse der Wortschatzforschung und insbesondere neuere Forschungsmethoden werden in Kap. 7 ("Investigating Vocabulary" [S. 144-160]) vorgestellt. Hier wird deutlich, dass sich die Methoden und vor allen Dingen die Datenbasis lexikologischer Forschung in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt haben. Während vor rund 30 Jahren noch Introspektion und Elizitation die vorherrschenden Forschungsmethoden waren, ist sprachwissenschaftliche Forschung zum Wortschatz heutzutage ohne Korpusanalysen undenkbar. Im Zusammenhang mit den wichtigsten Textkorpora des Englischen werden einige der Möglichkeiten erläutert, mit Hilfe von Konkordanzprogrammen zu neuen Einsichten im Bereich des Lexikons zu kollllllen. Abschließend geben die Autoren Hinweise auf Internet-Sites, die für die Lexikologie von Interesse und Relevanz sind. Kap. 8 ("Words in Dictionaries" [S. 161-185]) ist lexikographischen Aspekten (mit dem Schwerpunkt general purpose dictionaries) gewidmet. Nach einer kurzen Klassifikation von Wörterbüchern werden die Informationstypen, die in diesen Wörterbüchern zu finden sind, im einzelnen vorgestellt. Danach erläutern die Autoren, nach welchen Prinzipien Lexikographen bestillllllte notwendige Entscheidungen (wie Wortschatzauswahl, Reihenfolge der Bedeutungsangaben u.a.) treffen und welche Möglichkeiten der Bedeutungsdefinition ihnen zur Verfügung stehen. Abschließend wird das Verhältnis von Lexikologie und Lexikographie beleuchtet. Das Buch ist als Einführung für Studierende gedacht, wobei ausdrücklich solche Leser einbezogen sind, die nur wenig oder gar kein linguistisches Vorwissen haben. Der Einführungscharakter wird auch dadurch unterstrichen, dass jedes Kapitel zwischen fünf und acht Übungen (insgesamt 50) enthält, die zu einer selbständigen Auseinandersetzung mit den präsentierten Sachverhalten einladen. Wie schon in JACKSON (1988) finden sich die Übungsaufgaben nicht, wie sonst vielfach üblich, jeweils am Kapitelende, sondern sind in den Text 'eingestreut'. Zur Selbstkontrolle enthält das Buch am Ende (S. 186- 202) einen ausführlichen Lösungsschlüssel. Das Literaturverzeichnis weist knapp 150 Titel auf. Words, Meaning and Vocabulary ist m.E. für den genannten Zweck (Einführung für Studierende ohne sprachwissenschaftliche Vorkenntnisse) zweifellos geeignet und zu empfehlen. Dass ich es in dieser Hinsicht den älteren Werken zur englFLlllL 33 (2004) 196 Jens Bahns lischen Lexikologie (wie KASTOVSKY 1982 und HANSEN/ HANSEN/ NEUBERT/ SCHENTKE 1982) vorziehen würde, wird nicht überraschensie sind veraltet und durch ihre ausführliche Einbeziehung damals aktueller sprachwissenschaftlicher Strömungen in erheblichem Ausmaß von technischen Formalismen geprägt, die sie passagenweise für Studienanfänger ungeeignet machen (vgl. auch BAHNS 1985: 333). Es ist als Einführungslektüre aber auch English Lexicology (LIPKA 2002) überlegen, da Lipka zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen versucht, die mir unvereinbar scheinen: "The book is intended both as an introduction to the field for the interested student and as a concise survey for the specialist" (LIPKA 2002: 205). Jackson/ Ze Amvela haben sich für eine dieser Möglichkeiten entschieden, und sie haben gut daran getan. 2.2 Vocabulary in Language Teaching (SCHMITT 2000) Die Perspektive, die Norbert Schmitt einnimmt, ist die der Angewandten Linguistik. Dies wird sowohl im Vorwort des Serienherausgebers (Jack C. Richards) als auch im Vorwort des Verfassers mehrfach deutlich gemacht. Schmitt stellt zum Wortschatz generell und zum Wortschatzerwerb und -wissen von Fremdsprachenlernern solche Ergebnisse der neueren Forschung vor, über die (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte informiert sein sollten. Von dieser "knowledge base of language teachers" (xi) ausgehend werden mögliche Implikationen für die Unterrichtspraxis erörtert. Schmitt betont jedoch, dass das Buch mehr sein soll als ein '"how-to-do-it' manual" (xiii). In Kap. 1 ("Introduction" [S. 1-9]) geht es zunächst um die Frage, woraus sich vocabulary/ W ortschatz zusammensetzt; dabei werden die Begriffe lexical unit/ lexical item und ward family eingeführt. Das Konzept der ward family nutzt Schmitt dann, um die Frage nach der Größe des Wortschatzes (der englischen Sprache bzw. des educated native speaker) zu beantworten. Außerdem verdeutlicht er bereits hier, welche Vielfalt von Aspekten zu berücksichtigen ist bei einer Antwort auf die Frage, was es heißt, ein Wort zu kennen; dabei ist von einer sehr weiten Skala mit den Polen 'völlig unbekannt' und 'vollständig erworben' auszugehen. Kap. 2 ("History of vocabulary in language learning" [S. 10-21]) enthält einen sehr kurz gefassten historischen Rückblick zur Rolle des Wortschatzes in verschiedenen Sprachlehrmethoden. Weitere historische Aspekte, die in diesem Kapitel angesprochen werden, sind die verschiedenen Versuche, einen Grundwortschatz für Sprachlehrzwecke zu erstellen sowie unterschiedliche Verfahrensweisen im Bereich von Wortschatztests (dieses Thema wird in Kap. 9 ausführlich behandelt). Kap. 3 und Kap. 4 beleuchten die in der Einleitung genannten Komponenten der Wortkenntnis ausführlicher, wobei es in Kap. 3 ("Aspects of knowing a word: Meaning and organization" [S. 22-44]) um Bedeutungsaspekte geht, während Kap. 4 ("Aspects of knowing a word: Word form and grammatical knowledge" [S. 45- 67]) formalen Aspekten der Wortkenntnis gewidmet ist. Kap. 3 enthält drei größere Abschnitte: Zunächst werden einige Methoden und Theorien zur Erfassung der Wortbedeutung vorgestellt und erläutert (Merkmalsanalyse, Sinnrelationen, Prototyptheorie, Schematheorie); dann geht es unter dem Stichwort 'Register' um die verschiedenen Ebenen, auf denen Wortschatz variieren kann (geographisch, sozial, situativ, medial); und schließlich wird die BedeulFLuL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 197 tung verschiedener assoziativer Verbindungen (lautlich, syntagmatisch, paradigmatisch) für die Organisation des mentalen Lexikons herausgestellt. Auch Kap. 4 enthält drei größere Abschnitte: Schmitt stellt die Rolle des orthographischen Wissens heraus, dessen Bedeutung für flüssiges Lesen und schnelles Dekodieren von der neueren Leseforschung herausgearbeitet worden ist. Die Kenntnis der gesprochenen Form von Wörtern ist wichtig für Segmentierung bzw. Worterkennung im Hörverstehensprozess. Zu den grammatischen Aspekten der Wortkenntnis gehört das Wissen um die jeweilige Wortklasse sowie um die Morphemstruktur von Wörtern. Vergleichsweise breiten Raum nimmt Kap. 5 ("The use of corpora in vocabulary studies" [S. 68-95]) ein, in dem es um die Rolle von Korpora und Korpusevidenz für das Studium des Wortschatzes geht. Schmitt stellt verschiedene Korpora (z.B. Bank of English Corpus, Cambridge International Corpus, British National Corpus) kurz vor und erläutert, für welche Zwecke Korpora genutzt werden können (z.B. Analysen zur Frequenz und zur Kookkurrenz von Wörtern). In diesem Zusammenhang werden auch die Konzepte der lexikalischen Variation, der lexikalischen Dichte sowie der Kollokationsbegriff geklärt. Schließlich weist Schmitt darauf hin, dass die neuesten Ausgaben der englischen Lernerwörterbücher allesamt auf Korpusevidenz zurückgreifen. In Kap. 6 ("Vocabulary in discourse" [S. 96- 115]) erfolgt der Schritt über die Ebene der Einzellexeme hinaus auf die Diskursebene: Von zentralem Interesse sind hier zunächst die verschiedenen Typen lexikalischer Mehrwort-Einheiten (von Komposita, Partikelverben und Idiomen bis zu lexical phrases/ lexical chunks im weitesten Sinne). Anschließend wird dargelegt, welchen Zwecken lexikalische Patterns in Texten dienen (nämlich der Kohäsion sowie bestimmten stilistischen Effekten). Verschiedene Aspekte des Wortschatzerwerbs werden in Kap. 7 ("Vocabulary in acquisition" [S. 116-141]) erörtert. Schmitt betont, dass der vollständige Erwerb der verschiedenen Aspekte, die die Kenntnis eines einzelnen Wortschatzelements ausmachen, schrittweise erfolgt ("the incremental nature of vocabulary acquisition"). Im Kontext der Unterscheidung zwischen inzidentellem und explizitem Wortschatzlernen wird deutlich gemacht, dass zunächst (durch explizites Lernen) ein Wortschatz von ca. 3000 bis 5000 Wortfamilien erworben sein muss, bevor dieser (durch inzidentelles Lernen) mithilfe von Lesetexten erweitert werden kann. In diesem Zusammenhang weist Schmitt auch auf die Wichtigkeit der Verarbeitungstiefe (depth of processing) beim expliziten Vokabellernen hin. Außerdem werden in diesem Kapitel u.a. der LI-Bedeutungserwerb, der Erwerb von Mehrwortlexemen sowie Vokabellernstrategien thematisiert. Fragen der Wortschatzvermittlung stehen im Zentrum von Kap. 8 ("Teaching and learning vocabulary" [S. 142-162]). Hier erörtert Schmitt die Frage nach Wortschatzumfang und Wortschatzauswahl für unterrichtliche Zwecke. Es werden einige Grundprinzipien der Wortschatzvermittlung präsentiert, wobei dem Lesen und dem Bedeutungserschließen aus dem Kontext (inferencing bzw. guessing from context) eine besondere Rolle zukommt. Abschließend betont Schmitt, dass sich Wortschatzvermittlung nicht auf die einmalige Einführung unbekannter Wörter beschränken darf, sondern eine permanente 'Pflege' des Lernerwortschatzes (bis zur freien Verfügbarkeit) erfordert. Fragen der Wortschatzmessung und Wortschatzüberprüfung stehen im Zentrum von Kap. 9 ("Assessing vocabulary knowledge" [S. 163-180]). Aspekte, die die Lehrkräfte bei der Über- IFlLllllL 33 (2004) 198 Jens Bahns prüfung von Wortschatzkenntnissen zu berücksichtigen haben und die hier auf der Basis neuerer Forschungsergebnisse diskutiert werden, sind u.a. Zweck der Überprüfung; Breite vs. Tiefe der Wortschatzkenntnis; Auswahl der zu testenden Wortschatzelemente; Konstruktion des Gesamttests bzw. einzelner Testitems. Zur Illustration stellt Schmitt einige Beispiele neuerer Wortschatztests vor, die zu verschiedenen Zwecken von der Testforschung entwickelt worden sind. Am Ende aller Kapitel finden sich einige "Exercises for expansion", die dazu anregen sollen, sich mit dem präsentierten Stoff eigenständig auseinanderzusetzen. Die Aufgabenstellungen sind deutlich „offener" als bei Jackson/ Ze Amvela, was auch daran zu erkennen ist, dass kein vollständiger Lösungsschlüssel vorhanden ist, sondern lediglich vereinzelte Antwortvorschläge gemacht werden. Gleichfalls werden für jedes Kapitel gezielte Lektürehinweise gegeben. Das Buch enthält einen Anhang (S. 181-200), in dem u.a. die Academic Word List (COXHEAD 1998) sowie der von Norbert und Diane Schmitt entwickelte Vocabulary Levels Test (Version 1) abgedruckt sind. Der Band wird von einem umfangreichen Literaturverzeichnis (S. 201-221) von über 350 Titeln abgeschlossen. Hauptanliegen von Vocabulary in Language Teaching ist es, a) von den Ergebnissen (psycho)linguistischer Studien zum Wortschatz die Brücke zu schlagen hin zur Didaktik und Methodik der Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht sowie b) (künftigen) Lehrkräften die Vielfalt der Aspekte, die beim Wortschatzlernen zu berücksichtigen sind, deutlich zu machen. Dies gelingt Schmitt in überzeugender Weise, insbesondere dort, wo er deutlich macht, was es heißt, ein Wort „zu kennen" (Kap. 3 und 4). Als einführende Lektüre in einen Teilbereich, dessen große Bedeutung für Spracherwerb und Sprachgebrauch im letzten Jahrzehnt zunehmend erkannt worden ist, ist Schrnitts Buch m.E. weitaus besser geeignet als etwa der neue Band von NATION (2001). Nation liefert eine detaillierte Aufarbeitung des Forschungsstandes (auf mehr als doppelt so vielen Seiten) und wird für den 'Neuling' sehr schnell unübersichtlich; Schmitt verschafft den Lesern und Leserinnen dagegen einen Überblick, von dem aus bei Bedarf und Interesse weitergearbeitet werden kann (vgl. die nützlichen Lektürehinweise jeweils am Kapitelende). Vergleichbar kompakt ist die Einführung von McCARTHY (1990); die neueren Entwicklungen (Stichwörter: Korpusevidenz, Kollokationen, Vokabeltests) finden sich dort allerdings verständlicherweise nur ansatzweise bzw. gar nicht. 2.3 How to Teach Vocabulary (THORNBURY 2002) Die Perspektive von Thornbury ist eindeutig die der Unterrichtspraxis. Hier geht es in erster Linie um die Umsetzung in konkrete Unterrichtstechniken von neueren theoretischen Erkenntnissen und Einsichten zur Natur des Wortschatzes und zu den Prozessen, die bei Wortschatzerwerb und Wortschatzverwendung ablaufen. Außer in den Kap. 1, 2 und 8, die vergleichsweise theoretisch ausgerichtet sind, finden sich in jedem Kapitel viele praktische Vorschläge und Hinweise zur unterrichtlichen Anwendung. In Kap. 1 ("What's in a ward? " [S. 1-12]) präsentiert Thornbury die sprachwissenschaftlichen Grundlagen für die Wortschatzverrnittlung. Es werden zentrale Begriffe aus den Disziplinen Wortbildung und lexikalische Semantik eingeführt und illustriert. Zu IFLllllL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 199 Beginn von Kap. 2 ("How words are learned" [S. 13-31]) wirft er einen kurzen Blick auf die Rolle des Wortschatzes in verschiedenen Fremdsprachenunterrichtsmethoden. Nach einer Erläuterung des Begriffs mentales Lexikon folgen einige Zahlen zum Umfang des Wortschatzes, bezogen auf den educated native speaker, auf den Gesamtwortschatz der englischen Sprache, auf den L2-Lerner sowie auf das Konzept des Grundwortschatzes. Im Zusammenhang mit Fragen der Speicherung von Wortschatz im mentalen Lexikon nennt Thornbury eine Reihe von Prinzipien, die berücksichtigt werden müssen, wenn Wortschatzmaterial im Langzeitgedächtnis gespeichert werden soll. In Kap. 3 ("Classroom sources of words" [S. 32-52]) betrachtet er die verschiedenen Quellen, aus denen der im Unterricht behandelte Wortschatz stammt. Solche Quellen sind in erster Linie das Lehrwerk sowie ggf. spezielle Wortschatzübungsbücher, die Lehrkraft (als Quelle des für Zwecke der Unterrichtsorganisation eingeführten und benutzten Wortschatzes) und schließlich die Lerner selbst. Im Zusammenhang mit dem Lehrwerk als Wortschatzquelle diskutiert Thornbury die gängigen Kriterien für die Wortschatzauswahl (Nützlichkeit, Häufigkeit, Lern- und Lehrbarkeit) und erläutert das Konzept des core vocabulary. Hierzu gehören solche Wörter, die in verschiedener Hinsicht - "nützlicher" sind als andere: laugh ist z.B. nützlicher als giggle oder guffaw, weil es als superordinate term in deren Bedeutungsumschreibung verwendet werden kann; bright ist nützlicher als radiant, weil es einen größeren Kollokationsradius besitzt; potato ist nützlicher als spud, weil es einer neutralen Stilebene angehört. Thornbury unterscheidet drei Arten, wie Wortschatz im Rahmen des Lehrwerks den Lernern dargeboten sein kann: in Form von spezifischen Wortschatzübungen; in Form von Aufgabenstellungen im Zusammenhang mit Textarbeit; in 'beiläufiger' Form im Zusammenhang mit den Grammatikerläuterungen und den Übungsanweisungen. Im Abschnitt über Wortschatzübungsbücher als (Input-)Quelle unterscheidet er zwischen solchen, die Wortschatzkenntnisse testen, und anderen, neueren, die darüber hinaus auf den Vermittlungsaspekt Wert legen. In Kap. 4 ("Texts, dictionaries and corpora" [S. 53-74]) geht es zunächst um die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Arten von Texten bei der Wortschatzvermittlung. Thombury erläutert und illustriert verschiedene Verfahrensweisen bei der Behandlung von Lektüreheften sowie von kürzeren Texten verschiedenster Art. Anschließend streicht er die wichtige Rolle von Wörterbüchern für die Wortschatzarbeit heraus, stellt verschiedene Wörterbuchtypen vor und unterscheidet zwei Funktionen von Wörterbüchern (reference aid vs. learning aid). Abschließend betont Thornbury die Wichtigeit von Korpus-Informationen, die in Form von Konkordanzen auch in den Wortschatzunterricht eingebracht werden können. Die verschiedenen Unterrichtstechniken, die die Lehrkraft bei der Wortschatzarbeit einsetzen kann, sind Gegenstand von Kap. 5 ("How to present vocabulary" [S. 75- 92]). Hier werden die verschiedenen Möglichkeiten der Semantisierung (non-verbal: Bild, Realia, Gestik/ Mimik; verbal: Situationen, Beispielsätze, bedeutungsverwandte Wörter, Definitionen) anhand von Beispielen erläutert und bezüglich ihrer Vor- und Nachteile beleuchtet. Da Wörter jedoch nicht nur nach semantischen, sondern auch nach lautlichen Gesichtspunkten im mentalen Lexikon gespeichert und vernetzt sind, sollte dieser Aspekt bei der Wortschatzarbeit nach Thornbury stärker berücksichtigt werden, wobei er verschiedene Drill-Techniken sowie die Technik der Subvokalisation vorstellt. IFJLlllL 33 (2004) 200 Jens Bahns In Kap. 6 ("How to put words to work" [S. 93-105]) geht es um die Frage, wie neue Vokabeln in den schon vorhandenen Wortschatz integriert und damit endgültig im mentalen Lexikon verankert werden können. Hier ist das Konzept der Verarbeitungstiefe (Thornbury spricht von deep decisions) wichtig: Je tiefer die Prozesse gehen, die an der Verarbeitung neuen Wortschatzmaterials beteiligt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Wortschatzmaterial langfristig gespeichert wird. Er stellt verschiedene Typen von decision-making tasks vor, die eine möglichst tiefe Verarbeitung gewährleisten sollen. Außerdem präsentiert er verschiedene Arten von production tasks und eine Reihe von Wortschatzspielen. Dass sich Wortschatzarbeit nicht auf Einwortlexeme beschränken darf, wird in Kap. 7 betont ("Teaching word parts and word chunks" [S. 106-128]). In diesem Zusammenhang weist Thornbury auf die Konzeptionen von Michael LEWIS (1993, 1997, 2000) sowie von Dave und Jane Willis (WILLIS 1990) hin, die er beide (trotz erkennbarer Unterschiede) unter dem Stichwort Lexical Approach subsumiert. In beiden Ansätzen spielen die verschiedenen Typen von lexical chunks (Kollokationen, Idiome, Routineformeln etc.) eine große Rolle. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einer Reihe von praktischen Vorschlägen zur Arbeit mit phrasal verbs und Idiomen. Die verschiedenen Möglichkeiten, Wortschatzkenntnisse zu testen, stehen im Zentrum von Kap. 8 ("How to test vocabulary" [S. 129-143]). Thornbury erläutert die Unterschiede zwischen informellen und formellen Tests, zwischen Tests, die die produktive Beherrschung von Wortschatz ermitteln, und solchen, die auf die rezeptive Beherrschung abzielen, und schließlich die Unterscheidung zwischen qualitativer und quantitativer Evaluation von Wortschatzkenntnissen. Außerdem werden die verschiedenen gängigen Testformate erläutert und illustriert. In Kap. 9 ("How to train good vocabulary leamers" [S. 144-161]) werden Strategien und Techniken des Wortschatzlernens thematisiert. Nach einer kurzen Begründung, warum gerade im Bereich Wortschatz ein systematisches Lernertraining notwendig ist, geht es um Themen wie die Erstellung und Benutzung von Wortschatzkarteikarten, um die Fertigkeit, Bedeutungen aus dem Kontext zu erschließen, um Möglichkeiten, Vokabellücken durch Paraphrasen u.a. zu kompensieren sowie um das effektive Führen und Benutzen von vocabulary notebooks. Auf den Seiten 162-182 enthält das Buch einen Abschnitt mit Übungsaufgaben (Task File mit Lösungsschlüssel), in dem für jedes der neun Kapitel zwei oder drei Aufgaben zu finden sind, die auf der Basis von vielfältigen Materialien die Möglichkeit bieten, den behandelten Stoff in Eigenarbeit oder falls der Band Grundlage für ein Seminar o.ä. ist gemeinsam mit anderen Teilnehmern zu vertiefen und anzuwenden. Die abschließenden Hinweise auf weiterführende Literatur (Further Reading) beschränken sich auf wenige wichtige Buchtitel. - Während Schmitts Buch ausdrücklich mehr sein soll als ein "'howto-do-it' manual" (SCHMITT 2000: xiii), ist das Buch von Thornbury wie der Titel bezeugt genau dies: How to Teach Vocabulary enthält eine Fülle von ganz konkreten Unterrichtstechniken, die Lehrkräfte in ihrer Unterrichtspraxis anwenden und ausprobieren können. Doch die praktischen Vorschläge, die hier gemacht werden, sind stets auf einschlägige Forschungsergebnisse bezogen, wobei es Thornbury gelingt, diese Forschungsergebnisse so zu präsentieren, dass sie auch für Leser/ -innen rezipierbar sind, deren Bedarf an „Theorie" eher gering ist. Die größte Stärke von How to Teach VocabulFJLlllL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 201 lary liegt m.E. darin, dass durchgängig der Zusammenhang von Theorie und Praxis hergestellt wird. Wenn praktizierende Fremdsprachenlehrkräfte, denen angesichts der täglichen Arbeitsbelastung kaum Zeit für „Weiterbildungslektüre" bleibt, eines der in diesem Beitrag erwähnten Wortschatzbücher lesen möchten, so sollte dies m.E. das Buch von Thombury sein. 3. Neuere Entwicklungen in der Wortschatzdidaktik 3.1 Neues und Altes im Überblick Die Publikation neuer Bücher zum Thema Wortschatz kann natürlich nicht nur in der Weise begründet werden, wie Schmitt/ McCarthy dies für ihren Sammelband tun (Integration der Perspektiven, vgl. oben), sondern - und dies scheint die naheliegendere Begründung zu sein damit, dass es neue Forschungsergebnisse gibt, die der Fachwelt mitgeteilt werden müssen. Die Frage nach den neuen Einsichten könnte für alle drei Ebenen gestellt werden, die hier involviert sind, und für eine Antwort wäre es sinnvoll, die hier besprochenen Bücher zu vergleichen mit entsprechenden Publikationen, die (mindestens) ein Jahrzehnt oder auch mehrere Jahrzehnte früher publiziert worden sind. Mögliche 'Kandidaten' für einen Vergleich auf der sprachwissenschaftlichen Ebene wären KASTOVSKY (1982), HANSENIHANSEN/ NEUBERT/ SCHENTKE (1982) und LIPKA (1990); die Perspektive der Angewandten Linguistik nehmen CARTER (1987), McCAR- THY (1990) und NATION (1990) ein; Bücher zur Wortschatzvermittlung für die Hand der praktizierenden Lehrkraft und damit Kandidaten für einen Vergleich mit Thombury wären z.B. FRENCH ALLEN (1983), GAIRNSIREDMAN (1986) und last but not least - DOYE (1971). Im Rahmen dieses Beitrags wollen und müssen wir uns auf einen derartigen Vergleich auf einer Ebene und mit einem der genannten Werke beschränken: Wie eingangs bereits gesagt, haben wir uns für einen Vergleich von Thombury mit DOYE (1971) entschieden, da so die neuen Entwicklungen am deutlichsten zu erkennen sein dürften. Bevor wir in Abschnitt 3.2 am Beispiel der drei Stichwörter Semantisierungstechniken, Lemertraining, Verarbeitungstiefe den Vergleich im Detail durchführen, sollen hier zunächst überblicksartig einige Aspekte aufgelistet werden, die bei Doye noch keine Rolle spielen; wir wollen aber auch darauf hinweisen, dass es Bereiche in der Wortschatzdidaktik gibt, in denen sich offensichtlich „nicht viel getan hat": a) mentales Lexikon: Dieser Begriff, der Doye noch völlig unbekannt war, ist inzwischen schon fast zu einem Modewort in der neueren Literatur zur Wortschatzdidaktik geworden. So betitelt z.B. QUETZ seinen Beitrag in TIMM (1998) über Wortschatzvermittlung und-erwerb mit „Der systematische Aufbau eines 'mentalen Lexikons"'. Thombury fasst die Bedeutung dieses Begriffs in folgender Weise: "[ ... ] the mind seems to store words neither randomly nor in the form of a list, but in a highly organised and interconnected fashion in what's often called the mental lexicon" (16). lFL! .IL 33 (2004) 202 Jens Bahns b) Verarbeitungstiefe: Um Eingang in das Langzeitgedächtnis zu finden und dort dauerhaft abgespeichert zu werden, scheint es sehr wichtig zu sein, dass das lexikalische Material vom Lerner auf möglichst „tiefgehende" Art und Weise verarbeitet wird. Dass Doye die sog. depth-of-processing hypothesis nicht in seine Überlegungen einbezieht, ist erklärlich, da sie erst Anfang der 70er Jahre Einzug in die wissenschaftliche Literatur gehalten hat. (Zu diesem Punkt siehe Abschnitte 3.2.3 und 4). c) Wörterbücher: Dass Wörterbücher ein unverzichtbares Arbeitsmittel für den Wortschatzerwerb sind, ist in der neueren Wortschatzdidaktik unbestritten. Ebenso unbestritten ist, dass Fremdsprachenlerner in den sinnvollen Gebrauch von Wörterbüchern eingeführt werden müssen und dass Wörterbuchbenutzungstraining ein wichtiger Aspekt des Lernertrainings ist (vgl. 3.2.2). Dass Doye Wörterbücher und Wörterbuchbenutzung überhaupt nicht thematisiert, ist ein Manko, das aus heutiger Sicht nur schwer verständlich ist. d) Korpora/ Konkordanzen: Die Neubewertung der Rolle von Wörterbüchern im Kontext der Wortschatzdidaktik dürfte nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass die neueren Lernerwörterbücher auf der Grundlage neuer, umfangreicher Korpora erarbeitet worden sind. Die Korpuslinguistik als eine wichtige neuere Teildisziplin der Sprachwissenschaft hat unübersehbare Auswirkungen auch auf die Wortschatzdidaktik gehabt, die sich z.B. darin zeigen, dass Lerner auf der Basis von geeignetem Konkordanz-Material angeleitet werden, zu eigenen Einsichten über bestimmte Eigenschaften von Lexemen zu kommen. Da diese Aspekte der Wortschatzdidaktik aufs Engste mit der Entwicklung der EDV zusammenhängen, ist ihr Fehlen bei Doye nicht verwunderlich. e) Mehrwortlexeme/ lexical chunks: Auch die Erkenntnis, dass der Wortschatz einer Sprache zu einem beträchtlichen Teil aus Einheiten besteht, die über das Einzelwort hinausgehen (polywords, expressions, lexical phrases/ chunks), ist erst durch die Korpusanalysen zur belegbaren Gewissheit geworden. Diese Tatsache ist nicht nur für die sprachwissenschaftliche Beschreibung des Wortschatzes von Belang, sondern bestimmt auch wesentlich die Forschungsperspektive der Psycholinguisten, die sich für die Struktur des mentalen Lexikons interessieren, und zeigt ihre fremdsprachendidaktischen Implikationen im Lexical Approach (vgl. 2.3). Lexikalische Einheiten oberhalb der Einzelwortebene nimmt Doye lediglich dort in den Blick, wo es um lexikalische Kollokationen geht. f) Strategien/ J'echniken: Die Vorstellung, dass es möglich und sinnvoll sein kann, Fremdsprachenlerner im Gebrauch von Lernstrategien und -techniken zu trainieren, um ihren Lernerfolg zu verbessern, steht in engem Zusammenhang mit dem Konzept der Lernerautonomie und der Forschung zum good language learner beides Bereiche, die erst nach dem Erscheinen von Doyes Buch in das Blickfeld der Fremdsprachendidaktik und -methodik gerieten. Was im einzelnen aus diesen Bereichen Thornbury als relevant für die Wortschatzdidaktik ansieht und welche Ansätze in diesem Kontext bei Doye zu finden sind, wird detailliert in 3.2.2 dargestellt. lFbilL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 203 g) Wortschatztests: Die Überprüfung von fremdsprachlichen Wortschatzkenntnissen ist stets integraler Bestandteil der Wortschatzvermittlung gewesen. Doye widmet der Leistungsfeststellung ein eigenes Kapitel, in dem er ihre Notwendigkeit begründet und zahlreiche Vorschläge für Testaufgabentypen macht. Da Testformate und Testziele generell in erheblichem Maße von Methodenkonzeptionen abhängig sind, überrascht es nicht, dass sich hier eine Menge neuer Aspekte ergeben haben, die durch einen detaillierten Vergleich der Ausführungen bei Thornbury und Doye herausgearbeitet werden könnten. h) Semantisierungstechniken: Das Repertoire der Techniken zur einsprachigen Bedeutungserklärung ist offenbar begrenzt. Dass in diesem Bereich der Wortschatzvermittlung seit drei Jahrzehnten praktisch keine neuen Entwicklungen stattgefunden haben, wird unsere Gegenüberstellung in 3.2.1 zeigen. i) Grundwortschatz: Auch die Diskussion um Umfang und Auswahl des zu vermittelnden Wortschatzes ist immer schon ein zentrales Thema der Wortschatzdidaktik gewesen. Während Doye sich noch ausführlich mit der General Service List (WEST 1953) und dem auf dieser Basis erarbeitetenMinimumAdequate Vocabulary befasst, spielen diese beiden Listen im Praxishandbuch von Thornbury keine Rolle mehr. SCHMITT dagegen bezeichnet in seinem historisch ausgerichteten Kapitel 2 die General Service List als "immensely influential"; sie sei aber revisionsbedürftig, da sie auf veralteten Wortzählungen basiere (2000: 16). 1 3.2 Detailanalyse 3.2.1 Semantisierungstechniken Vergleicht man die Ausführungen in Thornburys Kap. 5 (How to present vocabulary) mit Doyes Kap. IV .1 (Darbietungsphase), erkennt man, dass sich hinsichtlich der Techniken, mit Hilfe derer den Lernern die Bedeutung neuer Vokabeln vermittelt werden soll, praktisch nichts verändert hat: Ein Blick auf die zusammenfassende Auflistung der Semantisierungsverfahren, die Doye erklärt und illustriert, und auf die entsprechenden Passagen bei Thornbury zeigt schnell eine weitgehende Übereinstimmung: Schmitt erwähnt in diesem Kontext, dass eine Revision der GSL in Arbeit sei. Meine Nachfrage ergab jedoch, dass dieses Projekt des Longman-Verlags nicht realisiert worden ist. (Persönliche Mitteilung von Norbert Schmitt, März 2002). - Die am Ende von Abschnitt 2.2 erwähnte Academic Word List ist keine Grundwortschatzliste, sondern eine „Ergänzungsliste" zu einem Grundwortschatz, in der die 570 headwords derjenigen Wortfamilien zusammengestellt sind, deren Kenntnis für das Verständnis wissenschaftlicher Texte (jeglicher Disziplin) unentbehrlich ist. JFJLIJIL 33 (2004) 204 Demonstration Demonstration, real Demonstration, picture Verwendung in einem typischen Kontext Herstellung eines logischen Bezuges Definition Beispiele (examples) Dreisatz (rule of three) Gleichung (equation) Erklärung durch einzelne Wörter Synonyme Antonyme Ableitung (derivation) Ähnlichkeit (resemblance) Übersetzung translation real things pictures action/ gestures situations giving several example sentences JensBahns giving synonyms, antonyms, or superordinate terms giving a füll definition Abb. 1: Semantisierungstechniken 3.2.2 Lemertraining In Abschnitt 2.3 ist eine kurze inhaltliche Zusammenfassung von Thornburys Kap. 9 gegeben worden, in dem er sich mit den Möglichkeiten befasst, die Lehrkräften zur Verfügung stehen, um aus ihren Lernern good vocabulary leamers zu machen. Wir wollen jetzt etwas ausführlicher auf die einzelnen Abschnitte dieses Kapitels eingehen und dabei jeweils prüfen, ob überhaupt und wenn ja in welcher Form diese Themen auch schon bei Doye zu finden sind. Die Einzelbereiche, in denen Thornbury Möglichkeiten für ein gezieltes Lernertraining sieht, sind überschrieben: a) using mnemonics; b) word cards; c) guessingfrom context; d) coping strategies for production; e) using dictionaries; f) spelling rules; g) keeping records. Was verbirgt sich im Einzelnen hinter diesen Abschnittsüberschriften? a) using mnemonics: In diesem vergleichsweise kurzen Abschnitt erklärt Thornbury lediglich die wohl bekannteste Mnemotechnik im Bereich des fremdsprachlichen Wortschatzlernens, nämlich die keyword technique. Obwohl er die Empfehlung ausspricht, den Lernern diese Technik zu erläutern und ihnen die Möglichkeit zu geben, sie (gelegentlich) einzusetzen, weist er auch auf Vorbehalte hin, die von Seiten praktizierender Lehrkräfte geäußert worden sind: "Indeed, it can take more time and training than some practitioners think it is worth" (145). - Bei Doye findet sich keinerlei Hinweis auf Mnemotechniken und· den Nutzen, den es haben könnte, Lerner damit bekannt zu machen. b) word cards: Unter diesem Stichwort erläutert Thornbury den Einsatz von Vokabelkar- FLIIIL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 205 teikarten als Einprägungstechnik. Hier geht es um die schlichteste Art der Vokabelkarteikarte, bei der auf der Vorderseite das fremdsprachliche Lexem notiert wird, während auf der Rückseite die muttersprachliche Übersetzung festgehalten ist. Es wird detailliert erklärt, wie mit einem möglichst ständig mitzuführenden Stapel (20 bis 50 Karten) kontinuierliche Einprägungsarbeit geleistet werden kann, wie diese Technik den Schülern demonstriert und vermittelt werden sollte und durch welche gemeinsamen Aktivitäten im Unterricht die Lerner zum selbständigen Gebrauch der Technik ermutigt werden könnten. - Karteikarten und Vokabelkartei finden auch bei Doye Erwähnung. Dort haben sie allerdings eine andere Funktion als die eben beschriebene. Doye diskutiert im Kontext der „Integrierungsphase" verschiedene Möglichkeiten, den bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits gelernten Wortschatz systematisch zu ordnen, und zwar auf der Basis des Feldgedankens (semantische Felder bzw. Wortfelder sowie Kollokationsfelder). Die drei 'Arbeitsmittel', die für eine Ordnung des Wortschatzes nach verschiedenen Gesichtspunkten (Sachgebiete, grammatische Kategorien, Alphabet) in Frage kommen, sind der Schnellhefter, das Ringbuch und die Vokabelkartei (92). Ein Hinweis auf die Möglichkeit, Karteikarten zum erstmaligen Einprägen von neuem Wortschatz zu nutzen, findet sich hier nicht. c) guessing from context: Aufjeglicher Kompetenzstufe werden Fremdsprachenlerner bei der Begegnung mit Hör- oder Lesetexten in die Situation kommen, dass ihnen die Bedeutung einzelner Wörter unbekannt ist. Wenn dann die Optionen 'jemanden fragen' oder 'Wörterbuchbenutzung' nicht in Frage kommen, bleibt vielfach nur der Versuch, die Bedeutung des unbekannten Wortes aus dem Kontext zu erschließen. "Guessing from context is probably one of the most useful skills learners can acquire and apply both inside and outside the classroom" (148). Thornbury weist darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine völlig neu zu erlernende Technik handelt, sondern um eine, die auch in der Ll häufig unbewusst angewendet wird, so dass es hier eigentlich nur um eine Übertragung auf die L2 und eine gleichzeitige Bewusstmachung der einzelnen Teilschritte (Identifizierung der Wortklasse; Kollokationspartner; Wortstruktur; weiterer Kontext) geht. An zwei Beispielen demonstriert er, dass auch Lehrwerke bereits Übungen zum Training dieser Technik aufgenommen haben. - Auch bei Doye findet sich eine Stelle, wo die Rolle des Kontextes bei der Bedeutungsbestimmung eines Wortes thematisiert wird. Der Bezug ist hier allerdings ein anderer, nämlich die 'Verwendung (des Wortes) in einem typischen Kontext' als eine Form der Semantisierung (s. Abbildung 1). Der Grundgedanke, den Kontext zur Bedeutungsbestimmung zu nutzen, wird jedoch noch nicht soweit geführt, dass daraus eine dem Lerner zu vermittelnde Technik der selbständigen Bedeutungserschließung entwickelt wird. d) coping strategiesfor production: Bedeutungserschließungstechniken können Lücken . im Wortschatz schließen, die bei rezeptiven Aktivitäten auftauchen. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, dem Lerner Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie mit Wortschatzlücken bei der Produktion umgehen können. In solchen Situationen ist es beispielsweise nützlich und hilfreich, wenn Lerner die Objekte, die sie benennen wollen, deren lFLllllL 33 (2004) 206 Jens Bahns fremdsprachliche Bezeichnung sie aber noch nicht kennen bzw. ihnen nicht einfallen will, beschreiben können. Hierzu sollten ihnen möglichst frühzeitig wichtige Elemente einer Art Beschreibungssprache (a sort of, a kind of, a tool/ machinelthing for making ... , etc.) vermittelt werden. Thornbury skizziert einige weitere Möglichkeiten, mit Wortschatzlücken umzugehen (Paraphrase; Benutzung eines ungefähr synonymen Ausdrucks; Einsatz von Gestik und Mimik; foreignizing, d.h. das entsprechende Ll- Wort so gut es geht der L2 anzupassen, in der Hoffnung, dass es hier ein ähnliches Wort gibt) und schlägt dann vor, Lerner auch auf die Definitionstechniken in Lernerwörterbüchern hinzuweisen, und hier insbesondere auf die Wörterbücher aus dem Collins COBUIW Projekt, da dort die Bedeutungsangaben recht umgangssprachlich formuliert sind. - Auch nur ansatzweise vergleichbare Gedankengänge sind bei Doye nicht zu finden. e) using dictionaries: In Kap. 4 stellt Thornbury heraus, dass der Stellenwert von Wörterbüchern im Kontext der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit sich in den letzten Jahren geändert hat. "Fora long time the use of dictionaries in class was discouraged ..." (60). Wenn Wörterbücher ihre (neue) Rolle als learning and teaching aid erfüllen sollen, müssen Lerner sie in angemessener Weise benutzen können. Die Notwendigkeit von Wörterbuchbenutzungstraining ist unbestritten; dies zeigt sich u.a. darin, dass praktisch alle neueren Lehrwerke entsprechende Aktivitäten und Übungen vorsehen. Auch Thornbury macht eine Reihe von ganz konkreten Vorschlägen für Trainingsaktivitäten zur Wörterbuchbenutzung. - Der vergleichende Blick auf Doye zeigt, dass dort nicht nur kein Vorschlag für Wörterbuchbenutzungstraining gemacht wird, sondern dass darüber hinaus erstaunlicherweise das Thema Wörterbücher überhaupt nicht vorkommt (abgesehen von der Erwähnung in einer Fußnote des Arbeitswörterbuchs von HAASE (1959), aus dessen Einführung Doye im Kontext seiner Diskussion um den Grundwortschatz zitiert). f) spelling rules: Dass das Englische aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung eine große Diskrepanz zwischen Schreibung und Lautung aufweist, ist allgemein bekannt und der Grund dafür, dass die englische Orthographie als Lernproblem (auch für englische Kinder) gilt. Thornbury weist aber dennoch darauf hin, dass auch in der englischen Orthographie bestimmte Regularitäten und Muster zu erkennen sind, die den Lernern bewusst gemacht werden sollten (z.B. Wechsel von <y> zu <i> beim Anfügen eines Suffixes an Wörter, die auf Konsonant+ <y> enden: beautybeautiful, pity pitiless). Er macht Vorschläge dafür, wie man Lerner anleiten kann, Rechtschreibregularitäten selbständig zu entdecken. - Das Problem der englischen Orthographie spielt bei Doye eine vergleichsweise große Rolle, und zwar in Kap. IV.2 (Übungsphase), wo er Vorschläge zur Übung der Aussprache, der Orthographie und der Bedeutung macht. Unter den Übungen zur Orthographie weist die Kategorie der Unterscheidungs- und Gruppierungsübungen eine große Nähe zu Thornburys Vorschlägen auf; diese Nähe wird auch deutlich, wenn Doye sie als Übungen charakterisiert, "bei denen es sehr wohl darauf ankommt, dass sie der Schüler mit einem Minimum an kritischem Bewusstsein absolviert" (57). g) keeping records: Hier geht es darum, den Lernern einsichtig zu machen, wie wichtig F[,lllL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 207 es für den Lernerfolg ist, sich den neuen Wortschatz in organisierter Form zu notieren. Lerner sollten mit verschiedenen Möglichkeiten, vocabulary notebooks zu benutzen, bekannt gemacht werden, um dann in der Lage zu sein, sich für diejenige Form zu entscheiden, die ihnen persönlich am meisten zusagt und die sie für am nützlichsten halten. Auch hier macht Thornbury konkrete Vorschläge, wie dieser Aspekt des Lernertrainings im Unterricht durchgeführt werden kann. - Nach Doye sollten Lerner den Wortschatz in zweierlei Weise schriftlich festhalten, nämlich zunächst im Rahmen der Erstbegegnung und zum Zwecke des Vokabellernens in einem Vokabelheft (links das neue englische Wort, rechts die englischsprachige Erklärung), und dann im Rahmen der Integrierungsphase ein zweites Mal im Schnellhefter oder Ringbuch oder auf Karteikarten nach Sachgebieten oder in anderer Weise sinnvoll geordnet. Dass Lerner bei der Anlage dieser Arbeitsmittel angeleitet und begleitet werden müssen, dürfte für Doye so selbstverständlich sein, dass er keine Notwendigkeit sieht, dies extra zu betonen. 3.2.3 Verarbeitungstiefe Eine Art 'Leitmotiv', das sich durch Thornburys Buch hindurch zieht und das an vielen Stellen immer wieder anklingt, ist die Bedeutung der Verarbeitungstiefe für das Behalten eines neuen Wortes. Hierbei geht es um die grundlegende Erkenntnis aus der Lernpsychologie, dass Lerninhalte umso besser im Gedächtnis verankert werden, je tiefer die kognitive Verarbeitung ist (depth-of-processing hypothesis). Die Umsetzung dieser Einsicht in die Methodik der Wortschatzarbeit zeigt sich u.a. in einer bestimmten Kategorie von Aufgabenstellungen, die bei Thornbury eine große Rolle spielt und die er decisionmaking tasks nennt. Die (erhoffte) Wirkung derartiger Aufgaben drückt Thornbury folgendermaßen aus: "The more decisions a learner makes about a word, the greater the degree of cognitive processing, and hence the greater the likelihood of retention in memory" (65). Thombury stellt fünf Typen von decision-making tasks vor: a) identifying, b) selecting, c) matching, d) sorting, e) ranking and sequencing; die Reihenfolge a) bis e) entspricht auch ungefähr einer Abfolge von "least cognitively demanding to most demanding" (93). Zur Illustration sei hier kurz skizziert, welche konkreten Aufgabenstellungen sich hinter diesen fünf Typen verbergen: a) identifying z.B. Wörter aus geschriebenen Texten heraussuchen ("find 5 phrasal verbs in the text") oder entscheiden, ob Wörter in Hörtexten vorkommen ( "list all the clothes items that you hear"); b) selecting z.B. Aufgaben in der bekannten odd-one-out-Form, wobei es wichtig ist, dass es keine eindeutig und offensichtlich 'richtige' Antwort gibt, sondern verschiedene 'mögliche' Antworten; die Wahl ist vom Lerner stets zu begründen; c) matching z.B. das Zusammenstellen von Bild und Wort, von Wortpaaren in Antonym- oder Synonymrelation, von Wort und Definition, von Kollokationspartnern; d) sorting z.B. Aufgaben, in denen Wörter vorgegebenen (oder selbst gesuchten) Kategorien zugeordnet werden müssen; e) ranking and sequencing z.B. Häufigkeitsadverbien (always, often, never) auf einer lFLllllL 33 (2004) 208 Jens Bahns Skala anordnen oder die einzelnen Schritte beim Starten eines Autos in die richtige Reihenfolge bringen. Das Prinzip der kognitiven Verarbeitungstiefe bringt Thornbury auch mit der unterrichtlichen Wörterbucharbeit in Verbindung. Werden Wörterbücher im Unterricht in ihrer Funktion als learning aid (im Ggs. zur reference aid, vgl. 2.3) eingesetzt, so bieten sie reichlich Gelegenheit für 'Entscheidungsprozesse': "Every time learners consult a dictionary, they have initiated a decision-making process. And the fact that dictionaries contain such a wealth of information makes them ideal for use in multi-decision-making tasks" (65). Aufgabenstellungen, die diese Art von gezielter Wörterbuchkonsultation initiieren können, wären z.B.: - Lerner überprüfen mit Hilfe des Wörterbuchs vorgegebene Sätze auf ihre grammatische Korrektheit (wie z.B. *l'd like some informations about Italy oder *He explained me the lesson); - Lerner entscheiden durch Wörterbuchkonsultation, welche Adverbien (z.B. densely, fatally, narrowly, sorely, strictly, hopelessly) mit welchen Partizipien (injured, enforced, defeated, outnumbered, tempted, populated) kollokieren; - Lerner ermitteln mit Hilfe des Wörterbuchs fehlende Glieder von Wortfamilien (z.B. sind die Kategorien person (robber), crime (robbery), verb (roh) vorgegeben zu ergänzen sind nach diesem Schema hijacker (person), rape (crime), murder (verb) etc.; Lösung für diese drei ltems: hijacker highjacking highjack; rapist rape rape; murderer murder murder). Während die hier gegebenen Beispielaufgaben vor allen Dingen darauf abzielen, eine möglichst tiefgehende kognitive Verarbeitung zu erreichen, scheint auch der Faktor affective depth eine nicht unbedeutende Rolle für die Verankerung neuen Wortmaterials im Langzeitgedächtnis zu spielen. "Just as it is important for leamers to make cognitive judgements about words, it may also be important to make affective judgements such as Do I like the sound and look ofthe ward? Do I like the thing that the ward represents? Does the ward evake any pleasant ar unpleasant assaciatians ? " (26). 4. Von den decision-making tasks zu CRAIK/ LOCKHART (1972) Dass es inzwischen eine Vielzahl neuer Aspekte im Bereich der Wortschatzvermittlung gibt, sollte durch unseren Vergleich von Thornbury und Doye deutlich geworden sein. In diesem Abschnitt wollen wir fragen, wo diese neuen Aspekte ihre (fach)wissenschaftlichen Quellen haben: In welcher Weise gibt Thornbury Auskunft darüber, woher die Einsichten, Vorschläge und Ideen stammen, die er in seinem Buch präsentiert? Bevor wir auf die (fach)wissenschaftlichen Quellen eingehen, soll zunächst kurz konstatiert werden, dass die Dokumentation der vielen Beispielmaterialien aus publizierten Lehrwerken und Übungsbüchern detailliert und vollständig ist (nicht zuletzt aus Gründen des Copyrights). Bezüglich der wissenschaftlichen Literatur ist Thornbury dagegen weitaus weniger präzise. Hier findet sich zum einen die in 2.3 bereits erwähnte kurze Further-Reading- Liste, die er so einleitet: "The following books are recommended, if you would like to JFJLllllL 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 209 follow up some ofthe topics discussed in this book" (183). Dass damit der Lehrkraft, die tatsächlich an dem einen oder anderen topic so sehr interessiert ist, dass sie mehr darüber wissen bzw. lesen möchte, nicht gedient ist, dürfte klar sein; dazu sind diese Hinweise zu pauschal und undifferenziert. Aber Thombury weiß offenbar auch, dass praktizierende Lehrkräfte einfach nicht die Zeit haben, Forschungsliteratur zu studieren. Seine Einstellung, dass den Leserinnen mit konkreten Vorschlägen und Hinweisen für die Unterrichtspraxis mehr gedient ist als mit detaillierten bibliographischen Nachweisen der wissenschaftlichen Quellen, zeigt sich auch darin, dass er mehrfach auf Forschungsergebnisse Bezug nimmt, ohne Namen zu nennen: "research suggests that ... " (91 ), "(research) studies have shown that ... " (144, 155), "teachers can take heart from recent developments in research that ..." (159). Werden Namen genannt (Thomas Tinkham [S. 37] und Assia Slimani [S. 49]), fehlt der Hinweis, wann und wo die entsprechenden Studien publiziert worden sind. Wer genauer wissen will, aus welchen Quellen Thombury schöpft und welche Forschung den neueren Aspekten der Wortschatzvermittlung zu Grunde liegt, muss sich woanders informieren, z.B. bei Schmitt, auf dessen umfangreiche Bibliographie in Abschnitt 2.2 hingewiesen worden ist. Nehmen wir an, ein Leser möchte gern wissen, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen die decision-making tasks basieren. Aus der Lektüre von Thombury ist ein Zusammenhang zwischen dieser Art von Wortschatzaufgaben und den Stichwörtern cognitive depth und affective depth zu erkennen, die in Kap. 2 ("How words are learned") gemeinsam mit retrieval practice effect, distributed practice, personal organizing, attention/ arousal, etc. kurz erläutert werden. Eingeführt wird diese Stichwortliste in folgender Weise: "Research into memory suggests that, in order to ensure that material moves into permanent long term memory, a number of principles need to be observed. Here is abrief summary of some research findings that are relevant to the subject of word leaming" (24). Hier also wäre unser Leser auf der Suche nach den wissenschaftlichen Quellen praktisch bereits am Ende angelangt; es bliebe nur noch, Thomburys pauschalen Further-Reading-Hinweisen nachzugehen, wo erwartungsgemäß auch das Buch von Schmitt aufgeführt wird. Wie aus 2.2 hervorgeht, erwähnt Schmitt die depth-of-processing hypothesis im Kap. 7 ("Vocabulary acquisition"), und zwar im Abschnitt über 'incidental and explicit learning of vocabulary'. Dort finden wir zwar den Hinweis, dass es sich bei dieser Hypothese um ein "important concept relating to explicit language learning" (121) handelt und dass wir dieses Konzept dem "field ofpsychology (which actually has very close ties with the area oflanguage learning and processing)" (121) verdanken; wir finden hier aber überraschenderweise angesichts der 'üppigen' Bibliographie keinen konkreten Hinweis auf entsprechende wissenschaftliche Studien. Schmitt weist lediglich auf die Verbindung der depth-of-processing hypothesis mit der keyword method hin, da diese eine vergleichsweise große Verarbeitungstiefe erfordert und gibt HULSTIJN (1997) als Literaturhinweis an. (Dort findet sich zwar sehr viel über empirische Evidenz zur keyword method, aber kein Hinweis auf die Quelle der depth-of-processing hypothesis ). Falls unser Leser nicht berechtigterweise etwas frustriert die Suche jetzt einstellt, bliebe der Weg über den Sachindex weiterer Bücher, die Thornbury nennt. Hier würde lFLlllL 33 (2004) 210 Jens Bahns man sehr schnell fündig werden: In SCHMITT/ McCARTHY (1997: 3), CARTER (21998: 203) und NATION (2001: 310) wird übereinstimmend auf die Studie von CRAIK! LOCK- HART (1972) hingewiesen. 2 5. Schlussbemerkung Um zu Einsichten darüber zu kommen, auf welchen Wegen Forschungsergebnisse aus den verschiedenen Bezugswissenschaften der Fremdsprachendidaktik in Unterrichtshandbücher wie das von Thornbury gelangen, wäre es jetzt erforderlich, die 'andere Richtung' einzuschlagen, nämlich von CRAIK/ LOCKHART (1972) zu den decision-making tasks. Eine solche Analyse, die hier allerdings nicht mehr geleistet werden kann, würde vermutlich genug Material für einen separaten Aufsatz liefern und interessante Einsichten über das Verhältnis von Grundlagenforschung und Unterrichtspraxis zutage fördern. Was lässt sich zu diesem Thema auf der Basis unserer Ausführungen sagen? 1. In der Wortschatzdidaktikso wie sie sich für den Bereich English Language Teaching in THORNBURY (2002) darstellt lassen sich eine Reihe von neuen Aspekten und Entwicklungen erkennen (vgl. Abschnitt 3). Ob (und wenn ja, in welchem Maße) diese Entwicklungen inzwischen auch schon die alltägliche Unterrichtspraxis an deutschen Schulen verändert haben, wäre gesondert zu untersuchen. 2. Diese neuen Entwicklungen lassen sich auf Impulse aus verschiedenen Bezugswissenschaften zurückführen. Hier sind in erster Linie die Korpuslinguistik (für die Stichwörter Wörterbücher, Korpora/ Konkordanzen, lexical phrases/ chunks) sowie die Psycholinguistik/ Spracherwerbsforschung (für die Stichwörter mentales Lexikon, Verarbeitungstiefe, Strategien/ Techniken) zu nennen. 2 Bei CRAIKILOCKHART (1972) handelt es sich nicht um die Darstellung der Ergebnisse einer einzelnen empirischen Studie, sondern vielmehr um eine Neuinterpretation der Evidenz aus einer Vielzahl von Studien aus dem Bereich der Gedächtnispsychologie. Den etablierten "multistore models" (1972: 671) mit den drei Speicherstufen sensory registers (= Ultrakurzzeitgedächtnis), short-term store (= Kurzzeitgedächtnis) und long-term store ( = Langzeitgedächtnis) stellen sie das Konzept "depth or levels of processing" gegenüber. Bei der Übertragung der Einsichten, die sich aus den Ergebnissen der von CRAIKILOCKHART (1972) berücksichtigten empirischen Studien ergeben, auf die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht darf allerdings nicht übersehen werden, dass sich diese Studien nicht mit dem Behalten von unbekannten fremdsprachlichen Vokabeln befassen, sondern mit dem Behalten von den Probanden bereits geläufigen LI-Wörtern. Hierauf weist auch NATION (2001: 310) hin: "Experiments investigating the recall offamiliar non-foreign words (Craik and Lockhart, 1972; Craik and Tulving, 1975) indicate that words which do not receive füll attention and are analysed only at a superficial level do not stay long in the memory. On the other hand, words that are fully analysed and enriched by associations or images stay longer. Craik and Tulving consider (1975: 290) that what leamers do while studying words is more important than how motivated they are, how hard they work, how much time they spend and the number of repetitions of each word. These findings cannot be totally applied to foreign language vocabulary leaming. Foreign vocabulary leaming requires repetition even if only because one occurrence of a word will not contain enough information for a leamer to master the word. Also, recalling an already known form is a simpler task than leaming an unfamiliar word form and connecting it to a given meaning. However, Craik and Lockhart' s (1972) theory of the importance of the kind of operations or processing carried out on an item does receive support from experiments on the keyword technique". IFLw., 33 (2004) Was gibt's Neues in der Wortschatzdidaktik? 211 3. Für diejenigen, die sich über die neueren Entwicklungen in der Wortschatzdidaktik informieren möchten, ist THORNBURY (2002) eine sehr empfehlenswerte 'Adresse'. Will man darüber hinaus wissen, woher die neueren Entwicklungen kommen und auf welchen Einzelstudien sie basieren, so liefern die umfangreichen und detaillierten Verweise auf Forschungsliteratur bei SCHMITT (2000) wertvolle Hinweise, denen man nachgehen kann. Für einen ersten Einstieg in die korpuslinguistischen Aspekte des Themas Wortschatz lassen sich Kap. 7 in JACKSON/ ZE AMVELA (2000) und Kap. 5 in SCHMITT (2000) nutzen. Literatur AITCHISON, Jean (1987): Words in the Mind. An Introduction to the Mental Lexicon. Oxford: Blackwell. ALTENBERG, Bengt / GRANGER, Sylviane (eds.) (2002): Lexis in Contrast. Corpus-Based Approaches. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. ARABSKI, Janusz (ed.) (2002): Timefor Words. Studies in Foreign Language Vocabulary Acquisition. Frankfurt/ M.: Lang. BAHNS, Jens (1985): "[Rezension von] B. 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This article reviews research on the effectiveness and limitations of the keyword mnemonic method for the learning of foreign language vocabulary. lt discusses and compares the effectiveness of two versions of the keyword method (imagery/ verbal) with non-mnemonic techniques (rote repetition and semantic elaboration), exarnines the suitability of the keyword methods for different tasks (recall of word meaning vs. word form), for different learner types, and for use with different target words. 1. Einführung Mnemotechniken dienen, ganz allgemein formuliert, der Erhöhung der Gedächtnisbzw. Behaltensleistung. Es sind vom Lerner speziell angewandte Verfahren, deren Aufgabe darin besteht, das Einprägen, Speichern und Abrufen neuer Information effektiver und zuverlässiger zu gestalten. Mnemotechniken wurden schon in der Antike beschrieben und angewandt (Y ATES 1966) und werden bis heute zur Lösung zahlreicher Lernprobleme genutzt (vgl. HIGBEE 1996). Da es vor allem in der Anfangsphase des Fremdsprachenlernens darum geht, relativ schnell einen Grundwortschatz aufzubauen (KASPER 1993; NATION 2001; WEISE 1990a), sollten Mnemotechniken von Lernenden wie Lehrenden als ein mögliches Mittel zur Effektivierung des Lexikerwerbs in Erwägung gezogen werden. Dieser Artikel erörtert zwei Varianten der auch unter dem Namen der Keywordbzw. Schlüsselwort-Methode bekannten Mnemotechnik, die speziell für die Effektivierung des fremdsprachlichen (fs.) Lexikerwerbs entwickelt (ATKINSON 1975) und intensiv in empirischen Untersuchungen getestet wurde. Seit Anfang der 70er Jahre wurde eine Serie experimenteller Untersuchungen veröffentlicht, die in ihrer Mehrheit von einer beeindruckenden Überlegenheit der Schlüsselwort-Methode gegenüber anderen Lexiklerntechniken berichteten. Daneben wurden aber auch Studien publiziert, die sich kritisch mit der Schlüsselwort-Methode auseinandersetzten und auf negative Aspekte bzw. Grenzen dieser Technik aufmerksam machten. In diesem Artikel wird versucht den Stand der Korrespondenzadresse: Dr. Peter ECKE, Assistant Professor, University of Arizona, Department of German Studies, Learning Service Building 301, PO Box 210105, TucsoN, Arizona 85721-0105. E-mail: eckep@u.arizona.edu Arbeitsbereiche: Zweitsprachenerwerb, Psycholinguistik, Fremdsprachenmethodik. JF[,1.JL 33 (2004) 214 Peter Ecke Forschung zu resurmeren, auf offene Fragen zur Anwendung und Wirkung der Schlüsselwort-Methode hinzuweisen und auf jene Anwendungsmöglichkeiten beim Lernen und Lehren von fs. Wortschatz zu verweisen, die unter dem gegenwärtigen Erkenntnisstand als angemessen erscheinen. 2. Prinzip, Varianten und Beispiele der Schlüsselwort-Methode Ziel der Schlüsselwort-Methode ist es, die Form-Bedeutungsbeziehung eines neu zu lernenden Wortes zu festigen (ELLIS 1994; NATION 2001). Mit der Methode können also keine Bedeutungen einer unbekannten Wortform aus dem Kontext erschlossen werden. Der Lerner setzt sie erst dann ein, wenn die Bedeutung bzw. Übersetzung der Wortform geklärt wurde und behalten und später wieder abgerufen werden soll. Wenn dann die über die Mnemotechnik eingeprägte Wortform wieder erscheint, kann der Lernende ihre Bedeutung über assoziative Verbindungen (Mediatoren) entschlüsseln bzw. rekonstruieren. Zwei Lernphasen sind Bestandteil der visuellen Schlüsselwort-Methode: In einer ersten Phase erhält bzw. sucht der Lernende ein ihm bekanntes Schlüsselwort (SW), das lautlich dem neuen Zielwort (PIT' russ. = TRINKEN) ähnelt (z.B. PIPI). In einer zweiten Lernphase erhält bzw. generiert der Lernende ein Vorstellungsbild in dem Zielwort- und SW-Begriffe miteinander interagieren (z.B. ein Kind, das gleichzeitig PIPI macht und TRINKT; vgl. Abb. 1). Begegnet der Lernende später der neuen Wortform (PIT') in einem Vokabeltest oder Text, wird zunächst das ähnlich klingende SW (PIPI) assoziiert. Dieses generiert dann die bildliche Vorstellung, in der schließlich der Zielwortbegriff (TRINKEN) zu finden ist (Beispiel von ECKE 1999). Die verbale Variante der SW-Methode beinhaltet als erste Lernphase ebenfalls die Bildung eines, dem Zielwort (STROIT' russ. = BAUEN) phonologisch ähnlichen, gut bekannten Wortes (STROH). Allerdings wird in der zweiten Phase kein Bild, sondern ein Satz(teil) präsentiert bzw. gebildet, in dem Zielwort und Schlüsselwort sinnvoll miteinander verbunden werden (z.B. eine STROHhütte BAUEN). Der spätere Abruf der Wortbedeutung erfolgt folgendermaßen: Zum Zielwort (STROIT') wird das SW (STROH) assoziiert. Letzteres aktiviert dann die Wortgruppe (eine STROHhütte BAU- EN), die den Zielbegriff (BAUEN) der neuen Wortform enthält (Beispiel von WEISE 1990a). Die beiden Varianten der SW-Methode seien zur Verdeutlichung in Abb. 1 und 2 veranschaulicht. Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform PIT' (russ.) PIT' Bildliche Vorstellung: Zielbegriff TRINKEN PIPI ~ Schlüsselwort Ein Kind macht PIPI und TRINKT dabei. Schlüsselwort ___.. Zielbegriff Abb. 1: Vorgehensweise beim Lexiklemen nach der visuellen Schlüsselwort-Methode (Schema nach WEISE 1990a: 104; Beispiel von ECKE 1999: 70) lFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform STROIT' (russ.) STROIT' Verbale Interaktion: Zielbegriff BAUEN STROH +- Schlüsselwort eine STROHhütte BAUEN Schlüsselwort __.. Zielbegriff Abb. 2: Vorgehensweise beim Lexiklemen nach der verbalen Schlüsselwort-Methode (Schema und Beispiel von WEISE 1990a: 104) 215 Natürlich können visuelle und verbale Techniken auch kombiniert werden. So kann z.B. der Vorstellung des „PIPI machenden und TRINKENden Kindes" (Abb. 1), eine verbale Verknüpfung wie die Folgende zugefügt werden: "PIPI soll man nicht TRINKEN! " Auch akustische Attribute können einer bildlichen Interaktion beigefügt werden, wie im folgenden Beispiel zum Lernen der Wortbedeutung von russ. NOZH = MESSER illustriert wird. In dieser kombinierten Variante der SW-Methode könnte dem Zielwort (NOZH) zunächst eine Lautsequenz (NO! -SCH! ) zugeordnet werden, die in einem dramatischen interaktiven Bild wie folgt integriert sein kann: Ein Mann bedroht eine Frau mit einem MESSER (Zielwortbedeutung). Diese schreit laut auf: NO! (eng./ spa. Nein), worauf der Mann mit SCH! (Ruhe) reagiert. Begegnet dem Lerner später die Wortform NOZH wird die akustische Sequenz NO! -SCH! sowie das interaktive Gedächtnisbild (die mit dem MESSER bedrohte Frau) assoziiert, das den Zielbegriff MESSER beinhaltet. Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform Zielbegriff NOZH (russ.) MESSER NOZH NO! -SCH! +- Laut/ Schlüssel interaktives Bild (mit entsprechenden Ausrufen): Die Frau schreit NO! - Er entgegnet: SCH! (Ruhe), sie mit dem MESSER bedrohend. Abb. 3: Vorgehen bei einer visueWverbal/ akustischen Variante der Schlüsselwort-Methode 2.1 Effektivität der visuellen und verbalen Varianten der Schlüsselwort-Methode Sowohl visuelle als auch verbale SW-Methoden haben sich für bestimmte Lemergruppen als effektiv erwiesen (PRESSLEY/ LEVINIMILLER 1982), obgleich von einigen Forschem die visuelle Methode als allgemein leistungsfähiger erachtet wird (ATKINS0N 1975). So nimmt PAIVI0 (1971, 1986) in seiner Dual Coding Theory (DCT) an, dass es zwei unterschiedliche aber verbundene mentale Systeme gibt: ein verbales und ein visuelles (nichtverbales) System. Eine Aktivierung beider Systeme, d.h. eine multimodale Enkodierung über beide Systeme, wie sie in der visuellen SW-Methode erfolgt, hat Paivio zufolge eine additive Wirkung auf das Einprägen, Speichern und Abrufen von Information. Andere Forscher behaupten jedoch, dass der Erfolg der SW-Methode auf der elaborativen Qualität und Wirkung des Mediators beruht, nicht notwendigerweise auf lFLlllL 33 (2004) 216 Peter Ecke dessen Visualisierung (CR0WST0N 1993 in HULSTIJN 1997). Demnach bewirkt die SW- Methode durch die assoziative Verknüpfung neuer Information mit schon vorhandenen Strukturen eine besondere Tiefe der Verarbeitung neuer Lexik (vgl. CRAIK! L0CKHART 1972; CRAIKITULVING 1975). Eine Untersuchung mit Schülern der Sekundarstufe ergab höhere Reproduktionsleistungen beim Lernen mit der visuellen Variante der SW-Methode im Vergleich zur verbalen Version (KASPER 1983). Andere Untersuchungen, die verbale und visuelle Varianten hinsichtlich ihrer Effektivität verglichen, fanden nur leichte Vorteile für die visuelle Methode (ATKINS0N 1975; PRESSLEY/ LEVIN/ DELANEY 1982). Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Untersuchung mit Schülern einer fünften Klasse erzielt, allerdings erwies sich in dieser Lernergruppe die verbale Technik beim Lernen von abstrakten Zielwörtern als überlegen (PRESSLEYILEVIN! MILLER 1981 ). Außerdem ist erwiesen, dass jüngere Grundschüler Schwierigkeiten haben, selbst interaktive Vorstellungen mit SW- und Zielwort-Referenten zu bilden, dass sie aber problemlos Sätze formen können, in denen Zielwortübersetzung und Schlüsselwort 'etwas zusammen tun' (PRESSLEY/ LEVIN/ McCORMICK 1980). Auch Lernende mit hohen verbalen Fähigkeiten scheinen mehr von verbalen Techniken zu profitieren als Lernende mit geringen verbalen Fähigkeiten, obgleich auch berichtet wurde, dass visuelle Techniken für beide Lemergruppen von Nutzen sind (DELANEY 1978). Eine kombinierte SW-Methode mit zusätzlichen elaborativen Verbindungen wurde von H0GBEN/ LAWS0N (1994) und LAWS0N/ H0GBEN (1998) beschrieben und erfolgreich getestet. Eine andere Studie, die einfache Varianten der SW-Methode mit einer visuellakustischen SW-Methode verglich, konnte keine signifikanten Unterschiede in deren Effektivität feststellen (CARNEY/ LEVIN 1998). Obgleich multiple Assoziationen oft lernfördernd sind (vgl. ESSERIN0WAK 1986), ist es sicher in erster Linie die Qualität und weniger die Quantität der assoziativen Verknüpfung(en), die den Lernerfolg bestimmt. Lerner sollten m. E. sowohl mit der visuellen als auch verbalen Variante vertraut gemacht werden und jene assoziativen Verknüpfungen (möglicherweise auch kombiniert) verwenden, die unter den konkreten Bedingungen als günstig erscheinen. 3. Die Effektivität der SW-Methode im Vergleich zu anderen Vokabellemtechniken Die meisten empirischen Studien zur Wirksamkeit der SW-Methode sind experimentelle Laboruntersuchungen (ATKINS0N 1975; ATKINS0N! RAUGH 1975; DESR0CHERIGELINAS/ WIELAND 1989; PAIVIO/ DESROCHERS 1981; PRESSLEY 1980; PRESSLEY/ LEVINIMILLER 1982; RAUGH/ ATKINS0N 1975), deren Teilnehmer oft naive Lerner (ohne jegliche Vorkenntnisse der Zielsprache) sind. Weniger Untersuchungen sind im fs. Unterricht in intakten Klassen durchgeführt worden (vgl. aber AVILAISADOSKI 1996; BR0WNIPERRY 1991; CAMPOS/ GONZALEs/ AMOR 2003; H0GBEN/ LAWS0N 1994; LAWS0N/ H0GBEN 1998; LEVIN 1985; LEVIN/ PRESSLEY/ MCC0RMICKIMILLER/ SHRIBERG 1979; R0DRI- GUEz/ SAD0SKI 2000). Oft werden die durch die SW-Methode erlangten Reproduktions- IFLIIL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfiir den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 217 leistungen einer Lernergruppe mit denen anderer Lerntechniken verglichen, so vor allem dem mechanischen Wiederholen von fs. Zielwort und muttersprachigem Äquivalent (CARNEY/ LEVIN 1998; ELLISIBEATON 1993; VAN HELLICANDIA MAHN 1997; WANG/ THOMAS/ OUELLETTE 1992; W ANG/ THOMAS/ INZANAIPRIMICERI0 1993) sowie der eigenen (besten) Methode(n) der Lernenden einer Kontrollgruppe (ATKINS0N/ RAUGH 1975; A VILAISAD0SKI 1996; LA WSON/ HOGBEN 1998; LEVINIPRESSLEYIMCC0RMICKIMILLERI SHRIBERG 1979; CARNEY/ LEVIN 2000). Seltener wird die SW-Methode mit semantisch/ kontextuell orientierten Lernaufgaben verglichen (McDANIEL/ PRESSLEYIDUNAY 1987; MO0RE/ SURBER 1992; WANG/ THOMAS 1995) und kaum existieren Studien, die kombinierte Kontext-SW-Methoden in Vergleiche traditioneller Methoden mit einbeziehen (BROWNIPERRY 1991; R0DRIGUEz/ SAD0SKI 2000). In den meisten Forschungsberichten, vor allem der 70er und 80er Jahre wurde von einer Überlegenheit der SW-Methode gegenüber anderen Lerntechniken berichtet und zwar für ein breites Spektrum von Lernergruppen. Die SW-Methode erwies sich als effektiver gegenüber mechanischem Wiederholen bzw. eigenen Strategien in Untersuchungen mit jüngeren Kindern (AVILAISAD0SKI 1996; ELHELOU 1994; PRESSLEY 1977; PRESSLEY/ LEVIN/ MCC0RMICK 1980; PRESSLEYILEVINIMILLER 1981), Schülern der Sekundarstufe (PRESSLEY/ LEVIN 1978; LAWS0N/ H0GBEN 1998; ZHANG/ SCHUMM 2000), Collegebzw. Universitätsstudenten (ATKINS0N/ RAUGH 1975; M0ORE/ SURBER 1992; PRESSLEY 1980; RAUGH/ SCHUPBACHIATKINS0N 1977) und Untersuchungen mit älteren Erwachsenen/ Senioren (GRUNEBERGIPASC0E 1996). Positive Ergebnisse zugunsten der SW-Methode erzielte man auch in Experimenten mit Erwachsenen bzw. Kindern mit Lernschwierigkeiten (GRUNEBERG/ SYKES/ GILLETT 1994; MASTROPIERIISCRUGGS/ LEVIN 1985), geistig behinderten Lernern (SCRUGGS/ MASTROPIERIILEVIN 1985), sowie College-Studenten mit unterdurchschnittlichen Lernvoraussetzungen (MCDANIELIPRESS- LEY 1984; PRESSLEY/ LEVIN/ NAKAMURAIH0PEIBISPO/ TOYE 1980). In einer Reihe von Experimenten profitierten erfahrene Lerner allerdings weniger vom Benutzen der SW- Methode als unerfahrene Lerner (FuENTES 1976; WILLERMANIMELVIN 1979; H0GBEN/ LAWS0N 1994; LEVINIPRESSLEYIMCC0RMICKIMILLERISHRIBERG 1979; MooRE/ SURBER 1992). Entsprechend wurde vorgeschlagen, dass jüngere und unerfahrene FS-Lernende allgemein mehr Nutzen aus der SW-Methode ziehen können als erfahrene Lerner (AT- KINS0N! RAUGH 1975; PRESSLEYILEVIN 1984). Andererseits wurden auch Nachweise dafür erbracht, dass erfahrene Lerner von der SW-Methode profitieren können (z.B. HOGBEN/ LAWS0N 1997, LAWSON/ HOGBEN 1998). In den meisten Untersuchungen wurden die Lernenden meist unmittelbar und relativ kurze Zeit (einige Tage) nach der Instruktionsphase auf ihre Abrufleistung getestet. Einige Untersuchungen zeigten auch eine Überlegenheit der SW-Methode gegenüber anderen Techniken in Tests, die bis zu mehrere Wochen nach der Lernphase erfolgten. Allerdings waren in diesen Proben die Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe meist weniger stark ausgeprägt (CARNEYILEVIN 1998; LAWSON/ H0GBEN 1998). Schon ATKINS0N (1975) wies darauf hin, dass Schlüsselwörter mit der Zeit vergessen oder nicht mehr aktiviert werden können. Dies kann einerseits zu einer Reduktion der Abrufzeit führen, wenn direkte (nicht vermittelte) Form-Bedeutungsbeziehungen aufgelFLlllllL 33 (2004) 218 Peter Ecke baut und automatisiert wurden (CRUTCHER 1992; KASPER 1993). Andererseits kann es zu einer erhöhten Vergessensrate führen, wenn direkte Verbindungen noch nicht entwickelt wurden. Eine Reihe von Untersuchungen zeigte, dass die langfristige Vergessensrate von durch die SW-Methode gelerntem Material höher ist als die Vergessensrate von mechanisch wiederholtem Material, vor allem wenn die Lernenden keine Möglichkeiten zur unmittelbaren oder wiederholten Reproduktion nach der Lernphase erhalten (CAMPOS/ AMORIGONZALES 2002; HOGBEN/ LAWSON 1994; MCDANIELIPRESSLEY/ DUNAY 1987; WANGffHOMAS/ ÜUELLETTE 1992; W ANGffHOMAS/ lNZANA/ PRIMICERIO 1993; WANG/ THOMAS 1995, VANHELLICANDIAMAHN 1997). Allerdings stehen dem die Resultate der Untersuchungen von HOGBEN/ LAWSON (1997) und LA WSON/ HOGBEN (1998) gegenüber, sowie solche die zeigen, dass durch Mnemotechniken mit vorgegebenen bildlichen Interaktionen gelernte Wörter geringeren Langzeit-Vergessensraten unterliegen (CAR- NEY/ LEVIN 1998, 2000). Auch eine Fallstudie (BEATON/ GRUNEBERG/ ELLIS 1995) berichtet von beeindruckenden langfristigen Behaltensleistungen eines Lerners der zehn Jahre früher Vokabular mittels SW-Methode gelernt hatte. Wang und Kollegen jedoch betrachten die Verknüpfung von SW- und Zielwortbedeutung als entscheidende Schwachstelle für das langfristige Behalten der durch Mediation gelernten Lexik. Ihnen zufolge sind Interferenzen beim Abruf der Verknüpfung von SW- und Zielwort-Bedeutung wahrscheinlich, die leicht zu einer fehlerhaften Zuweisung bzw. Rekonstruktion der Zielwort- Bedeutung führen kann (W ANG! fHOMAS/ OUELLETTE 1992). Außerdem argumentieren diese Forscher, dass der häufig berichtete Erfolg der SW-Methode vor allem auf dem wiederholten Lern-Test-Rhythmus beruht, der dem Vergessen von durch Schlüsselwörter gelernter Lexik stärker entgegenwirkt als dem Vergessen mechanisch wiederholter Wortpaare (WANG 1991, WHEELERIROEDIGER III 1992, CARNEY/ LEVIN 1998). Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass mit der SW-Methode arbeitende Lerner über ein Mindestmaß an Training und Übung mit der Methode verfügen (BELLEZA 1996; CAMPOS/ GONZALEs/ AMOR 2003; ESPINOZA 1999) und genügend Zeit zum Einprägen der Zielwörter und deren assoziativer Verknüpfungen erhalten sollten (LAWSON/ HOGBEN 1998). Auch das mehrmalige Testen, einschließlich unmittelbar nach der Lernphase, das in gewisser Weise auch der schulischen Praxis Vokabeln häufig abzufragen entspricht, fördert die Behaltensleistung und reduziert schrittweise die vom Lerner zur Reproduktion benötigte Zeit (CRUTCHER 1992; GRUNEBERG 1998; LAWSON/ HOGBEN 1998; WANG/ THOMAS 1995; WHEELERIROEDIGERIII 1992). Einige Studien berichteten von einer Unterlegenheit der SW-Methode gegenüber eigenen Strategien bzw. mechanischem Wiederholen hinsichtlich der reproduzierten Zielwortbedeutungen, sowohl in unmittelbar der Lernphase folgenden Tests (DESRO- CHERS/ WIELAND/ COTE 1991; ELLIS/ BEATON 1993; HALL/ WILSON/ PATTERSON 1981; VAN HELLICANDIA MAHN 1997) als auch in später durchgeführten Tests (CAMPOS/ GONZALES/ AMOR 2003; WANG/ THOMAS 1992, 1995; WANG/ fHOMAS/ ÜUELLETTE 1992). HALL und Kollegen (1981) wiesen daraufhin, dass die SW-Methode für Lernende weniger effektiv als eigene Strategien ist, wenn Lerner einerseits wenig Zeit zum Einprägen der Lexik in vorgegebenen Lernphasen experimenteller Untersuchungen haben und wenn sie sich andererseits ihre Zeit selbst einteilen können. In gesteuerten experilFL11.! L 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfür den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 219 mentellen Lernphasen mit relativ viel Zeit sei jedoch die SW-Methode eher von Vorteil (auch HALL 1988). In verschiedenen Studien deutete sich auch an, dass vor allem erfahrene (z.T. multilinguale) Lerner sich als erfolgreicher erweisen, wenn sie mechanisches Wiederholen oder eigene Strategien statt vorgegebener Mnemotechniken benutzten (VAN HELL/ CANDIA MAHN 1997). Den Grund dafür vermuten letztgenannte Autoren in einem effektiven phonologischen Kodierprozess (beim wiederholten leisen Aussprechen der neuen Wortform) und einer größeren Sensibilität der erfahrenen PS-Lerner für formelle Strukturen, die auf einem umfangreichen phonologischen Vorwissen beruht. Eine Überlegenheit nicht mnemonischen Wiederholens zeigte sich auch in einem Vergleich der Abrufgeschwindigkeit von Wortbedeutungen für durch SW-Methode und mechanisches Wiederholen gelernte Lexik (VAN HELL/ CANDIA MAHN 1997). In dieser Studie wurden durch Wiederholung gelernte Wortbedeutungen von erfahrenen und unerfahrenen Lernern im Durchschnitt signifikant schneller abgerufen als durch die SW-Methode eingeprägte Übersetzungen. Andererseits wurde jedoch auch gezeigt, dass die Erhöhung der Verarbeitungszeit beim Lernen mit der SW-Methode minimal sein kann (ATKINSON 1975; KASPER 1993) und dass Lernende auch unter Zeitdruck erfolgreiche Lernresultate mit der SW-Methode erzielen können (PRESSLEY/ LEVIN 1978). Mit entsprechendem Strategietraining sowie wiederholtem und zunehmend automatisiertem Abruf kann die Abrufzeit über Mediatoren bedeutend reduziert werden (CRUTCHER 1992; KASPER 1993). Experimente, die eine Unterlegenheit der SW-Methode in den Reproduktionsleistungen zeigen, werden oft dafür kritisiert, dass sie entweder den Teilnehmern zu wenig Übung in der Methode gewähren, dass die vorgegebenen Schlüsselwörter nicht optimal (z.B. zu abstrakt und wenig anschaulich) sind bzw. durch die Lerner unter Zeitdruck selbst gebildet werden müssen, dass die Präsentationsphase des zu lernenden Materials zu kurz ist oder dass es keine unmittelbaren bzw. wenige Reproduktionsmöglichkeiten (Tests) gibt. Mnemotechniken wurden auch mit Lernaufgaben verglichen, die eine semantische (kontextuelle) Elaboration bzw. Bearbeitung des neuen Wortes zum Inhalt hatten. In solchen Aufgaben wurden den Lernern z.B. Zielwortdefinitionen oder Synonyme gegeben, Zielwörter in Beispielsätzen präsentiert oder Aufgaben zur Erschließung oder Anwendung des Zielwortes im Kontext gestellt. Die Reproduktionsleistungen nach solchen Aktivitäten waren in der Regel der SW-Methode klar unterlegen (LEVIN/ LEVIN/ GLASSMAN/ N0RDWALL 1992; MCDANIELIPRESSLEY 1984; PRESSLEY/ LEVIN/ MILLER 1982; PRESSLEY / LEVJN/ KUIPER/ BRY ANT/ MJCHENER 1982; SHAUGHNESSY/ DJNNELL 1999). Semantisch orientierte Aufgaben fördern zwar das Erschließen neuer Wortbedeutungen im Kontext (CARNINEIKAMEENUJ/ C0YLE 1984; STERNBERG 1987), strukturelle Elaboration dagegen favorisiert das Erlernen formaler Strukturen sowie die Stärkung von Form-Bedeutungsbeziehungen (ELLIS 1994). Alleiniges semantisches Elaborieren kann diese Beziehung nicht stärken (PRESSLEYILEVIN/ MCDANIEL 1987), sie kann sie sogar negativ beeinflussen (BARCR0FT 2002; McDANIELIKEARNEY 1984; PRESSLEY/ LEVJN/ MILLER 1982). Es kann daher nicht oft genug betont werden, dass mehrere Strategien bzw. Techniken für die verschiedenen Aspekte des Wortschatzerwerbs notwendig sind. Zumindest sollten das Erschließen der Wortbedeutung und das Einprägen der Wortform JFJLIIIL 33 (2004) 220 Peter Ecke und deren Bedeutung unterschieden werden. Letzteres ist am erfolgreichsten, wenn formale Aspekte der zu lernenden Lexik fokussiert werden (BARCROFT 2002; WEISE 1990a). Eine Unterscheidung beider Aspekte muss jedoch nicht heißen, dass semantisches und formelles Elaborieren nicht miteinander kombiniert werden können. Wie zumindest zwei Untersuchungen zeigten, kann eine Kombination von SW-Methode mit semantischen Aufgaben höhere Reproduktionsleistungen bewirken als Methoden, die ausschließlich auf semantischer oder formeller Elaboration beruhen (BROWN/ PERRY 1991; AVILA/ SADOSKI 1996). 4. Qualität von Schlüsselwort und interaktiver Verknüpfung Eine Reihe von Untersuchen beschäftigte sich mit Möglichkeiten und Varianten des Einsatzes der SW-Methode und deren Effizienz: Ist es effektiver den Lernern Schlüsselwörter und interaktive Bilder bzw. verbale Verknüpfungen vorzugeben oder sollen die Lerner diese selbst kreieren? Wie sollten optimale Schlüsselwörter und Gedächtnisbilder strukturiert sein? Welche Merkmale zeichnen sie aus? Als erwiesen dürfte gelten, dass es für jüngere Kinder effektiver ist, wenn sie Schlüsselwörter und bildliche Interaktionen vom Lehrer bzw. Untersuchungsleiter erhalten als wenn sie diese selbst bilden müssen (PRESSLEY/ LEVIN 1978; PRESSLEY/ LEVIN/ MCCOR- MICK 1980). Wie schon erwähnt, fällt es jüngeren Kindern bedeutend schwerer komplexe bildliche Vorstellungen zu generieren als verbale Zusammenhänge zu bilden. Des Weiteren scheint es von Vorteil zu sein, leistungsschwachen Lernern Schlüsselwörter und interaktive Bilder bzw. verbale Mediatoren vorzugeben (GRUNEBERG/ SYKES/ GILLETT 1994; MATz/ TESCHMERIWEISE 1988). Auch Lerner, die über längere Zeit systematisch mit der SW-Methode arbeiten, sollten davon profitieren, wenn SW und Interaktion vorgegeben werden. Im anderen Fall könnte das ständige Suchen bzw. Bilden von Mediatoren ermüdend und demotivierend wirken (GRUNEBERG/ JACOBS 1991). Für normale erwachsene Lerner ist es schwieriger entsprechende Empfehlungen zu geben, da sich die Forschungsergebnisse hier zum Teil widersprechen. Einige Untersuchungen fanden keine Unterschiede in der behaltensfördernden Wirkung von selbst generierten vs. vorgegebenen Schlüsselwörtern (CARNEYILEVIN 1998; PRESSLEY 1980; PRESSLEY/ LEVIN/ DELANEY 1982; PRESSLEY/ LEVIN/ NAKAMURAIHOPEIBISPOITOYE 1980). Demzufolge wären selbst gebildete Mediatoren und imaginäre Verknüpfungen ebenso effektiv wie vorgegebene. Einige Forscher vertreten die Meinung, dass selbst gebildete Mediatoren für erfahrene erwachsene Lerner günstiger sind (HALL/ WILSON/ PETTERSON 1981; WANG/ THOMAS 1992) als vorgegebene Schlüsselwörter, während andere behaupten, dass vom Untersuchungsleiter bzw. Lehrer vorgegebene Schlüsselwörter in jedem Fall mindestens so effektiv sind wie durch Lernende selbst gebildete Mediatoren (ATKINSON 1975; HALL 1988; PRESSLEY/ LEVIN/ MCDANIEL 1987; THOMAS/ WANG 1996). Auch LEVIN (1993) und CARNEYILEVIN (2000) vertreten die Ansicht, dass vorgegebene Schlüsselwörter und bildliche Interaktionen vor allem langfristig effektiver sind als selbst gebildete Mediatoren. Dies scheint zumindest für weniger erfolgreiche lFLuL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik fü,r den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 221 bzw. unerfahrene Lerner empfehlenswert zu sein. Beide Optionen haben m. E. ihre Vorteile: Einerseits kann durch das Vorgeben des SW und des interaktiven Images Zeit in der Lernphase gewonnen werden, was von Vorteil in Lernaufgaben mit starker Zeitbegrenzung wäre. Andererseits ist es wahrscheinlich, dass der kognitiv höhere Aufwand für das Selbstbilden von Mediatoren und bildlichen bzw. verbalen Verknüpfungen beim Lernen einzelner Wörter ohne Zeitdruck eine größere Verarbeitungstiefe und damit bessere Behaltensleistung vor allem in erfahrenen Lernern bewirken kann. Obwohl die große Mehrheit der Untersuchungen zur SW-Methode Mediatoren aus der Muttersprache (MS) nutzten, können prinzipiell auch Wörter aus anderen Fremdsprachen (FS) oder der Ziel-PS als Mediatoren genutzt werden (ECKE 1999; HULSTIJN 1997). Sie sollten jedoch wie alle Mediatoren möglichst konkret und gut vorstellbar sein. Wichtigstes Merkmal effektiver Schlüsselwörter ist ihre phonologische Ähnlichkeit zum Zielwort (WEISE 1990a). In welchen formellen Attributen Ziel- und Schlüsselwort übereinstimmen sollten, wurde jedoch bisher kaum empirisch untersucht. SPERBER (1989) hält solche Mediatoren, die in ihrer Anfangssilbe mit dem Zielwort übereinstimmen als besonders geeignet. Berücksichtigt man außerdem, dass Anlaut, erste/ betonte Silbe sowie Silbenzahl die für Wahrnehmung, Speicherung und Abruf einer Wortform wahrscheinlich wichtigsten Attribute sind (vgl. ECKE 2003), kann man davon ausgehen, dass ein SW im Idealfall in einem oder besser mehreren dieser Attribute mit dem Zielwort übereinstimmen sollte. Andererseits wurde vorgeschlagen, dass Schlüsselwörter den Zielwörtern nicht nur phonologisch, sondern auch semantisch ähnlich sein sollten (VAN HELLICANDIA MAHN 1997). Das Vorhandensein von Bedeutungsbeziehungen zwischen Zielwort und SW erhöhte in oben genannter Untersuchung die Abrufwahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit von Wortbedeutungen. WEISE (1990a) bezeichnete die Funktion des Schlüsselwortes über zwischenbegriffliche (episodische/ syntagmatische) Relationen die Zielwortbedeutung herzuleiten als semantische Induzierbarkeit, zeigte aber auch, dass dieses Induzieren (besonders für lernschwache Lerner) problematischer ist als das Erkennen und Nutzen phonologischer Ähnlichkeit zwischen Zielwort und SW. Bedeutungsbeziehungen zwischen Ziel- und Schlüsselwörtern dürften m. E. vor allem für die verbale SW-Methode wichtig sein, weniger für die visuelle Variante. Für erfolgreiche imaginäre Verknüpfungen (von Zielwort und SW-Referenten) scheinen andere Attribute mindestens genau so bedeutend zu sein, so z.B. Konkretheit/ Anschaulichkeit, Außergewöhnlichkeit, Bizarrheit, Lebhaftigkeit und eventuell die emotionale Wirkung der Interaktion (vgl. ATKINSON 1975; ELLISIBEATON 1993; SPERBER 1989: 73-82). 5. Die SW-Methode zur Reproduktion von Wortbedeutung und Wortform Der Großteil der Untersuchungen zur Nutzbarkeit der SW-Methode widmete sich dem Lernen der Bedeutung neuer Wortformen. Einsprechend wurde fast ausschließlich die Effektivität der SW-Methode für den rezeptiven Lexikerwerb untersucht. Weit weniger Studien beschäftigten sich mit dem Potenzial der Methode für die Reproduktion neuer JFLIIIL 33 (2004) 222 Peter Ecke Wortformen (GRUNEBERGIPASCOE 1996). Entsprechend existiert eine gewisse Skepsis darüber, ob Mnemotechniken auch für das produktive Lernen und Abrufen fs. Wortformen empfehlenswert seien (C0HEN 1987; ELLIS 1994; ELLISIBEATON 1993; HULSTIJN 1994). Als Hauptargument führen Skeptiker an, dass zur Produktion des fs. Zielwortes die assoziative Kette von der muttersprachlichen Bedeutung (TRINKEN) über das interaktive Bild (TRINKEN während dem PIPI machen) oft nur bis zur Aktivierung des Schlüsselwortes (PIPI) reicht, die Assoziation bzw. Rekonstruktion des lautähnlichen Zielwortes (PIT') aber letztendlich meist unzuverlässig oder unvollständig ist (PRESSLEY/ LEVIN/ KUIPERIBRYANT/ MICHENER 1982), es sei denn sw und Zielwort stimmen fast völlig in ihrer Form überein (ELLIS/ BEAT0N 1993). Einzelne introspektive Berichte von Lernenden demonstrierten jedoch, dass Mnemotechniken unter Umständen auch erfolgreich für das Reproduzieren schwieriger fs. Wortformen genutzt werden können (ECKE 2000). Auch experimentelle Untersuchungen zeigten, dass für das Lernen und Reproduzieren fs. Wortformen die SW-Methode für die meisten Teilnehmer effektiver war als eigene Methoden (GRUNEBERG/ PASCOE 1996; H0GBEN/ LAWS0N 1992; PRESSLEY/ LEVIN 1981; PRESSLEYILEVIN/ HALLIMILLER! BERRY 1980). Die erfolgreiche Nutzung der SW- Mnemonik ist auch für andere produktive Aufgaben dokumentiert worden, z.B. für das Erinnern an die Namen von Malern beim Anschauen eines Gemäldes (CARNEY/ LEVIN 1991, 1994, im Druck a) und für das Reproduzieren der Namen seltener Tierarten beim Anschauen entsprechender Bilder (CARNEYILEVIN im Druck b). Diese Ergebnisse für Lernaufgaben, die dem Reproduzieren fs. Wortformen im Prinzip ähneln, legen nahe, dass das Potenzial der Mnemotechniken für die Produktion schwieriger Wortformen möglicherweise unterschätzt wurde (ECKE 1999), und dass die SW-Methode prinzipiell auch für die Lösung produktiver Aufgaben genutzt werden kann (SPERBER 1989). 6. Die SW-Methode zum Erinnern verschiedener Wortkategorien Wie auch beim Lernen mit anderen Techniken werden mittels SW-Methode Nomen leichter gelernt als Verben, und Verben leichter gelernt als Adjektive (ATKINS0N 1975; ELLISIBEATON 1993; PAIVIONUILLEIMADIGAN 1968). Einige Forscher betonen, dass Mnemotechniken vor allem für das Lernen schwieriger Wörter geeignet sind und keineswegs zum Memorisieren aller Wortbedeutungen eingesetzt werden sollten (BELLEZA 1981; CüHEN 1987; HULSTUN 1997; LEVIN 1993; NATION 2001). Oft wird bemerkt, dass Mnemotechniken effektiver zum Lernen konkreter, leicht vorstellbarer Wörter sind, sich jedoch weniger nützlich für das Lernen abstrakter Lexik erweisen (ELLISIBEAT0N 1993; ELLIS 1995; JOHNSON/ ADAMSIBRUNING 1985). Konkrete Wörter werden ungeachtet der spezifischen Methode generell leichter gelernt als abstrakte Wörter (DE GR00TIKEIJZER 2000; ELLIS/ BEATON 1993; PAIVIO 1971), was m. E. jedoch nicht heißen muss, dass abstrakte Wörter nicht auch mit der SW-Methode gelernt werden können. Deren Effektivität zum Lernen abstrakter Wörter wurde in verschiedenen Unter~uchungen nachgewiesen (DELANEY 1982; ESPIN0ZA 1999; LAWS0N/ H0GBEN 1998; PRESLEY/ LEVIN/ MILLER 1981). Auch VAN HELL/ CANDIA MAHN (1997), deren vorgegebene SchlüssellFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfür den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 223 wörter zum Teil abstrakt und wenig anschaulich waren, fanden, dass die SW-Mnemonik für das Lernen abstrakter Zielwörter nicht disproportional schwächer war. Beim Lernen abstrakter Wörter sollte besonders beachtet werden, dass diese entweder via verbale Verknüpfungen oder aber mit möglichst konkreten Mecliatoren in anschaulichen Interaktionen memorisiert werden. 7. Spontane und gelernte Anwendung von Mnemotechniken Zur spontanen Verwendung von Mnemotechniken durch Lerner, die nicht explizit in der Nutzung der Techniken instruiert wurden, gibt es widersprüchliche Berichte. Allgemein kann festgestellt werden, dass mit zunehmendem Alter von der Kindheit zum Erwachsenensein die Nutzung elaborativer und mnemonischer Strategien zunimmt (vgl. PRESSLEY/ B0RK0WSKI/ J0HNS0N 1987). Trotzdem zeigen Fragebogenstudien zu Lexiklernstrategien, dass selbst erfahrene Lerner in erster Linie mechanische Wiederholung, seltener elaborierende Assoziationen, aber fast nie komplexe Mnemotechniken wie die SW- Methode benutzen (ESSERINOWAK 1986; LAWS0N/ H0GBEN 1996, 1998). Zwar wurde auch vereinzelt über Assoziationen mnemonischer Art berichtet (C0HEN/ APHEK 1980, 1981; SANAOUI 1995), allerdings erwies sich auch in diesen Tagebuchstuclien die Mehrzahl der angegebenen Strategien als nichtmnemonischer Natur (einfache formelle oder semantische Assoziationen). Einzelfälle spontaner Anwendungen von Mnemotechniken wurden für die Lösung von Wortfindungsproblemen, also zur erschwerten fs. Wortproduktion, dokumentiert (ECKE 2000), doch auch diese Fälle waren eher Ausnahmen. Von einer häufigen spontanen Nutzung von Mnemotechniken, einschließlich der SW- Methode, berichtete MANALO (1999). In dieser Studie lernten erwachsene Teilnehmer eine Liste fs. Wörter und Übersetzungen ohne jegliches Strategietraining und berichteten anschließend über die Art der angewandten Strategien. Mehr als die Hälfte der Lerner berichtete die SW-Methode angewandt zu haben. Diese Lernenden reproduzierten auch signifikant mehr Wortbedeutungen als jene, die keine Mnemotechniken berichtet hatten. MANAL0 (1999) vermutete, dass die Teilnehmer anderer Fragebodenstudien zu Lexiklernstrategien selten von Mnemotechniken berichten, weil sie unmittelbar davor keine Lexiklernaufgabe zu bewältigen hatten. Dem entsprechend fand man auch in anderen Lernerbefragungen unmittelbar nach Experimenten zur Effektivität verschiedener Lexiklernmethoden, dass Lerner mit der Instruktion eigene Strategien bzw. mechanisches Wiederholen zu nutzen, häufig Mnemotechniken verwandten (BELLEZA 1981; ELLIS/ BEATON 1993; HALLIWILS0NIPATTERS0N 1981; ÜTT/ BLAKEIBUTLER 1976). Leider wurden in Untersuchungen, die eine Unterlegenheit der SW-Methode bei erfahrenen Lernern suggerieren, die Teilnehmer selten anschließend befragt, ob sie Mnemotechniken nutzten bzw. welche individuellen Strategien sie ungeachtet der Instruktion anwandten (z.B. v AN HELLICANDIA MAHN 1997). Jugendliche und erwachsene Lerner, die Training und Übung in der Anwendung von Mnemotechniken erhalten hatten, wandten die gleichen bzw. verwandte Techniken auch beim weiteren Lexiklernen ohne spezielle Instruktionen an (PRESSLEY/ AHMAD 1986; RAUGH! SCHUPBACHIATKINS0N 1977). Beson- FJL! .! L 33 (2004) 224 Peter Ecke ders nützlich für die Akzeptanz und Nutzung der SW-Methode durch die Lerner im autonomen Lexiklernen scheint eine vergleichende Analyse und Reflexion über individuelle Lernleistungen nach dem Ausprobieren verschiedener Methoden zu sein (PRESS- LEY/ LEVIN/ GHATALA 1984). In einer Fragebogen-Aktion zur Anwendung von Lexiklehrtechniken im Unterricht durch FS-Lehrer gaben nur enttäuschende 2% der Befragten an, Mnemotechniken angewandt bzw. den Lernenden vorgeschlagen zu haben (SPERBER 1989: 112). 8. Schluss: Zukunft der Schlüsselwort-Methode Welche Schlussfolgerungen kann man nun aus 30 Jahren intensiver Forschung zum Potenzial der SW-Methode für den fs. Unterricht ziehen? Ungeachtet der nachgewiesenen Effektivität der Mnemonik in einer Vielzahl experimenteller Untersuchungen, wird die SW-Methode kaum den PS-Unterricht revolutionieren. Das soll sie m. E. auch nicht. Allerdings könnte eine Sensibilisierung der FS-Lerner und -Lehrer für Mnemotechniken sowie ein kurzes Training in der Anwendung der SW-Methode sicher zu einem reflexiveren, systematischeren und höchstwahrscheinlich auch erfolgreicheren Ausbau des Wortschatzes in der Anfangsphase des PS-Unterrichts beitragen (vgl. KASPER 1993; LEVIN 1993; WEISE 1990b). Man sollte die SW-Methode als eine Ergänzung bzw. Bereicherung der individuellen Lern- und Lehrtechniken betrachten und sie vor allem zum Lernen/ Lehren von schwer zu behaltender Lexik (sowohl deren Bedeutung als auch der Form) empfehlen. Sicher gäbe es Möglichkeiten die SW-Methode auch in Materialien (Lehrbücher, Computerlehrprogramme) mit einzuarbeiten, z.B. in Form eines kurzen Strategietrainings und/ oder als mnemonisch aufbereitete Wortlernlisten mit Übersetzung, Ziel- und Schlüsselwörtern, der Beschreibung interaktiver Bilder bzw. Sätze und dazugehörigen Tests (vgl. GRUNEBERG 1987). Ausschließlich oder hauptsächlich auf der SW-Methode aufbauende, längerfristige PS-Lehrgänge erscheinen mir jedoch weder wahrscheinlich noch praktizierbar. Allerdings wäre es durchaus möglich systematisch auf der SW-Methode beruhende Lehr- und Testphasen in den (kommunikativ orientierten) Unterricht mit einzubauen, um den schnellen Aufbau eines Grundwortschatzes zu fördern oder zumindest um Lexiklerntechniken zu illustrieren und zu konsolidieren. Gerade wenn es darum geht in einem kurzen Zeitraum einen relativ begrenzten und spezialisierten Wortschatz aufzubauen (z.B. für kurzfristige Arbeits-, Urlaubs- oder Militäreinsätze im Ausland) könnte die SW-Methode einen nicht unbedeutenden Platz in einem ausgewogenen Lehrprogramm einnehmen. Leider gibt es bisher kaum methodisch-didaktische Erfahrungen und Untersuchungen, auf die man bei der Ausarbeitung solcher integrierter Programme zurückgreifen könnte. Somit bleibt zu hoffen, dass nicht zuletzt auch durch diesen Beitrag weitere Forschungsarbeiten, vor allem aber Versuche der unterrichtspraktischen Erprobung und Nutzung der Methode angeregt werden. lFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 225 Literatur ATKINSON, Richard C. (1975): "Mnemotechnics in second language learning". In: American Psychologist 30, 821-828. ATKINSON, Richard C. / RAUGH Michael R. (1975): "An application of the mnemonic keyword method to the acquisition of a Russian vocabulary". In: Journal of Experimental Psychology 104, 126-133. AVILA, Enrique / SADOSKI, Mark (1996): "Exploring new applications of the keyword method to acquire English vocabulary". In: Language Learning 46, 379-395. BARCROFT, Joe (2002): "Semantic and structural elaboration in L2 lexical acquisition". In: Language Learning 52, 323-363. BEATON, Alan / GRUNEBERG, Michael M. / ELLIS, Nick C. 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After naming the most relevant criteria for quality I will deal with the various components of word knowledge and lexical competence and the most widely discussed ways to evaluate them. lt becomes obvious that the assessment methods are strongly determined by the definition of the respective construct. The complexity of the construct "vocabulary" and the goal to evaluate it adequately requires the combination of a number of different test formats. 0. Einleitung Wortschatzkenntnisse stellen eine unabdingbare Voraussetzung für einen effizienten und kompetenten Sprachgebrauch und eine erfolgreiche Verständigung dar. Entsprechend gilt er bei Lehrenden, Forschenden und auch Lernenden gleichermaßen als wichtig, wobei er von den Lernenden als besonders lernschwieriger und lernintensiver Bereich (KöSTER 1994: 2 ff) wahrgenommen wird. Dennoch lässt sich feststellen, dass der Wortschatz sowohl in der Forschung wie auch in der unterrichtlichen Praxis lange Zeit vernachlässigt wurde und erst in den letzten 10 Jahren allmählich stärker in den Fokus des Interesses gerückt ist (vgl. dazu die Ausführungen von Köster 2001). Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist die Diskussion ausgewählter Aspekte der Evaluation der fremdsprachlichen Wortschatzkompetenz. Die ihr zugeschriebenen Funktionen sind auf einer Meta-Ebene anzusiedeln und beziehen sich ebenso auf jede andere Komponente überprüfbarer sprachlicher Kompetenz. Zu nennen sind hier zum Einen die Sprachstandsdiagnose und zum Anderen die Lernfortschrittsmessung. Bei der Sprachstandsdiagnose wird mit meist zufällig zusammengestellten Items der Umfang des Wortschatzes als Komponente einer globalen Sprachbeherrschung gemessen. Da die Ergebnisse solcher Tests unmittelbare Auswirkungen beispielsweise auf Einstufungen oder Zulassungen und damit letztlich auf unterrichtliche Maßnahmen haben können, sollten sie so beschaffen sein, dass ihre Ergebnisse leicht zu interpretieren und umzusetzen sind (vgl. NATION 2001: 374). Bei der Evaluation von Lernfortschritten bzw. bei der Untersuchung der Wirkung von Lehrmaßnahmen und -materialien auf die Sprachkompetenz werden die zu testenden Items gezielt ausgewählt und zwar aus der Menge Korrespondenzadresse: Dr. habil. Karin AGUADO, Hochschuldozentin, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache, Postfach 10 01 31, 33501 BIELEFELD. E-mail: Karin.Aguado@Uni-Bielefeld.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Empirische Fremdsprachenerwerbsforschung, Forschungsmethodologie FLlUliL 33 (2004) 232 Karin Aguado der zuvor vermittelten lexikalischen Einheiten. Es geht hierbei nicht zuletzt auch um die Selbstüberprüfung von Lehrenden, um die Ermittlung der Effektivität des eigenen Unterrichts und um die Überprüfung der Angemessenheit von Unterrichtsmethoden und -verfahren. Die Zwecke, zu denen Wortschatzwissen evaluiert wird, können sich ebenfalls unterscheiden. Entscheidend ist, dass sie einen wesentlichen Einfluss auf die Konzeption bzw. die Auswahl der einzusetzenden Verfahren, auf die Art der Durchführung sowie auf die Verwendung der gewonnenen Ergebnisse ausüben. Es sind mindestens drei Zielgruppen zu unterscheiden, die je ein spezifisches Interesse an der Evaluation der Wortschatzkompetenz von Fremdsprachenlernern haben, nämlich Lehrende, Spracherwerbsforscher sowie professionelle Tester (vgl. READ/ CHAPELLE 2001). Die Überprüfung von Lernfortschritten stellt unzweifelhaft eine wichtige Komponente des Fremdsprachenunterrichts dar. So schreibt LöSCHMANN (1993) in Bezug auf die Wortschatzarbeit: "Das Überprüfen von Gelerntem, die Ermittlung, inwieweit bestimmte Lernziele realiter erreicht worden sind, ist integrierter Bestandteil der Prozessgestaltung. Sowohl Lehrer als auch Lerner haben ein ursächliches Interesse daran zu erfahren, in welchem Maße gezielte WSA [= Wortschatzarbeit, K.A.] erfolgreich war. Der Einprägungseffekt hängt zu einem Teil von der Bestätigung bzw. Nichtbestätigung des Lernerfolgs ab. So gehört zur Semantisierung unweigerlich die Kontrolle, ob die LE [ = lexikalische Einheit, K.A.J auch verstanden wurde" (LöSCHMANN 1993: 140). Meist handelt es sich hierbei um informelle, unterrichtsbegleitende Tests, denen einerseits zwar kaum statistische Relevanz zukommt, die dafür andererseits aber einen vergleichsweise hohen diagnostischen Wert aufweisen. Während es Lehrenden in erster Linie um die Diagnose des Sprachstands und um die Messung von Lernfortschritten geht, liegt das Interesse von Fremdsprachenerwerbsforschern in der Untersuchung von Entwicklungsprozessen beim Wortschatzerwerb, insbesondere in der Erforschung der Beschaffenheit und der Organisation des lernersprachlichen mentalen Lexikons. Professionelle Tester hingegen interessieren sich v.a. für die Ermittlung einer globalen Sprachkompetenz. Da die Ergebnisse, die sie mittels ihrer Evaluationen gewinnen, nicht selten erhebliche Konsequenzen für die getesteten Personen (wie Zulassungen zu Sprachkursen, Universitäten, Voraussetzungen für berufliche Positionen, Beförderungen o.ä.) oder Institutionen (wie Entscheidungen über Einführung oder Aufrechterhaltung von Sprachprogrammen) haben, verwenden sie hochgradig standardisierte Tests, deren Qualität an der Einhaltung einer Reihe von Gütekriterien (siehe nächsten Abschnitt) festgemacht wird. Trotz der unterschiedlichen Zwecke, die die genannten Interessengruppen im Einzelnen verfolgen, können sie dennoch auf vielfältige Weise voneinander profitieren. So tragen beispielsweise die Erkenntnisse von Forschern, deren Fokus auf erwerbsspezifische Fragestellungen gerichtet ist, zu einem vertieften Verständnis des Konstrukts "Wortschatz" bei was sowohl für Lehrende als auch für Tester von hoher Relevanz ist. Ferner entwickeln selbstverständlich nicht alle Forscher ihre Testinstrumente selbst, sondern greifen häufig auf bereits vorhandene, von Experten erstellte und überprüfte Tests zur Messung lernersprachlicher Wortschatzkompetenz zurück. Bereits an dieser lFlLwL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 233 Stelle kann das Desiderat formuliert werden, dass die Evaluation der Wortschatzkompetenz künftig stärker das Resultat kooperativer Zusammenarbeit sein sollte, bei der das Expertenwissen aller Beteiligten maximal genutzt wird. Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist es, die Komplexität des Konstrukts „Wortschatz" und die mit der Evaluation der Quantität und der Qualität fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz verbundenen Fragen und Schwierigkeiten sowie mögliche Perspektiven aufzuzeigen und zu diskutieren. 1. Testtheoretische Gütekriterien Gemäß der von GROTJAHN (2000) recht weit gefassten und somit komplexen Definition sind unter Tests Prüfungsverfahren zu verstehen, die „Individuen unter kontrollierten Bedingungen zu Handlungs- und Verhaltensweisen" veranlassen, "die Rückschlüsse ermöglichen sollen auf zugrundeliegende Persönlichkeitsmerkmale wie Sprachfähigkeit oder Wissensstrukturen, auf spezifische Fertigkeiten wie das Schreiben von fremdsprachigen Zusammenfassungen und/ oder auf den Stand in bezug auf einen bestimmten Maßstab, wie z.B. Lehrziele oder Leistung einer Vergleichsgruppe" (GROTJAHN 2000: 304 f). Für die Konstruktion eines „guten" Tests, aber auch für einen rationalen Diskurs über dessen Qualität bedarf es der Einhaltung von explizit zu machenden Beurteilungskriterien. Dazu zählen klassischerweise die teilweise interdependenten Kriterien Objektivität, Validität und Reliabilität, die in jüngster Zeit immer häufiger um die von BACHMAN/ PALMER (1996) zusammenhängend beschriebenen Kriterien Praktikabilität, Nützlichkeit, Transparenz, Fairness sowie Authentizität ergänzt werden von denen einige im Folgenden knapp skizziert werden (für eine ausführliche und kritische Darstellung siehe GROTJAHN 2000). Voraussetzung für die Einhaltung des Kriteriums der Objektivität d.h. die Unabhängigkeit der Ergebnisse von demjenigen, der den Test durchführt ist die größtmögliche Standardisierung des Vorgehens und zwar in allen Phasen des Evaluationsprozesses, i.e. sowohl bei der Durchführung und der Auswertung des Tests als auch bei der Interpretation der Ergebnisse. Da Tests größtenteils schriftlich durchgeführt werden - und somit verhältnismäßig wenige Interaktionsmöglichkeiten zwischen Testern und Getesteten vorhanden sind ist die Durchführungsobjektivität im allgemeinen recht hoch. Auf den Ebenen der Auswertung und der Interpretation ist der Grad an Objektivität abhängig davon, welche Art von Daten erhoben werden (i.e. "geschlossene" oder „offene") bzw. ob und inwieweit vor der Durchführung des Tests Antwortmöglichkeiten und Bewertungsverfahren verbindlich festgelegt werden bzw. festgelegt werden können. Die Validität eines Tests sozusagen das „Königskriterium" einer jeglichen empirischen Untersuchung bezieht sich auf das Maß, mit dem ein Test misst, was gemessen werden soll bzw. was er zu messen beabsichtigt. Es ist von der Validität eines Verfahrens abhängig, inwieweit es als geeignet betrachtet wird, das jeweilige Erkenntnisinteresse zu verfolgen, gestellte Forschungsfragen zu beantworten sowie Akzeptanz der gewonnenen Ergebnisse durch die Forschergemeinschaft zu erzielen. Auch hier werden verschiedene Sub-Typen unterschieden, von denen im vorliegenden Kontext v.a. die Inhaltsvalidität, die Konstruktvalidität und die kriterienbezogene Validität von Bedeutung sind. Mit der Inhaltsvalidität ist gemeint, dass die Gültigkeit einer Messung plausibel aus den einzelnen Teilen des Messinstruments deutlich wird. Sie beurteilen zu können, bedarf genauen Wissens über den Gegenstand. Mit Konstruktvalidität ist die Frage angesprochen, ob und inwiefern das zu messende Konstrukt adäquat lFLlllL 33 (2004) 234 Karin Aguado operationalisiert worden ist und die ermittelten Testergebnisse gültige Indikatoren für die zugrundegelegten theoretischen Konstrukte sind. Die kriterienbezogene Validität betrifft die Frage, ob und inwiefern die Ergebnisse eines Tests mit den Ergebnissen eines anderen Tests übereinstimmen, inwieweit sie also miteinander korrelieren (je nach dem zeitlichen Verhältnis der Verfahren zueinander spricht man von Übereinstimmungsvalidität bzw. von Vorhersagevalidität). Eine wichtige Voraussetzung zur Einhaltung des Gütekriteriums der Validität ist die genaue Bestimmung des Testzwecks, bevor die Evaluation im Detail geplant und konzipiert wird. Die Reliabilität eines Tests bezieht sich auf die Genauigkeit bzw. Zuverlässigkeit, mit der ein Test eine Eigenschaft erfasst. So bestimmt beispielsweise die Anzahl der Test-Items, mit der etwas gemessen werden soll, die Genauigkeit bzw. Zuverlässigkeit, mit der gemessen werden kann. Also: je höher die Anzahl der Items ist, desto reliabler ist der Test. Auch wenn unter gleichen Bedingungen gleichzeitig oder wiederholt durchgeführte Tests zu den gleichen Ergebnissen führen, ist dies ein Indikator für eine hohe Reliabilität. Einschränkend ist hier anzumerken, dass eine hohe Reliabilität allein kein ausreichendes Kriterium ist. So ist ein Verfahren, das zwar reliabel also genau und zuverlässig aber nicht valide misst, unbrauchbar. Die Güte eines Verfahrens wird jedoch nicht ausschließlich von theoretischen Aspekten bestimmt; auch forschungspraktische Aspekte sind in Betracht zu ziehen. So ist im vorliegenden Kontext u.a. das Kriterium der Praktikabilität relevant. Damit ist gemeint, dass die zum Zweck der Evaluation eingesetzten Verfahren gut handhabbar, d.h. leicht zu erklären, zu bearbeiten und auszuwerten sein müssen. Gleichzeitig ist jedoch folgendes zu beachten: Je einfacher und schneller ein Test bearbeitet werden kann, desto weniger Information ist erwartbar, d.h. desto weniger Tiefe kann erreicht werden. Die Durchführbarkeit eines Tests ist nicht zuletzt aber auch von ökonomischen Aspekten abhängig, also den entstehenden Material- und Personalkosten für seine Planung, Durchführung und Auswertung. Damit sich ein Verfahren also letztlich amortisiert, müssen Aufwand und Nutzen in einem „guten" und ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Es steht außer Frage, dass Tests auch der Wiederholung, der Übung und damit der Erhaltung des jeweiligen Gegenstands (hier: dem Wortschatz) dienen und ihnen somit eine gewisse Nützlichkeit zukommt. In diesem Zusammenhang relevant sind auch die Auswirkungen, die Tests auf die Einstellungen und damit letztlich auf das Verhalten von Testteilnehmern haben können - und zwar sowohl vor als auch nach der Evaluation. Denn: welchen Stellenwert beispielsweise Fremdsprachenlerner Unterrichtsinhalten beimessen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob und auch wie diese Inhalte getestet werden. In Bezug auf das Kriterium der Nützlichkeit koexistieren je nach „Testkultur" sehr unterschiedliche Einschätzungen. Während zum Einen die Funktion eines Tests darin gesehen wird, möglichst genau lediglich den Ist-Zustand im Hinblick auf eine spezifische sprachliche Struktur bzw. Ebene festzustellen, vertreten beispielsweise READ/ CHAPELLE (2001) die Position, dass gewünschte Wirkungseffekte ( washback effects) bereits beim Design von Tests berücksichtigt und somit als eine Komponente des Testzwecks in die Konzeption einbezogen werden sollten. Eine ähnliche Ansicht wird von Nation (NATION 2001: 372) vertreten, der meint: Gute Tests sorgen für Lernfortschritt! In Bezug auf die Evaluation der Wortschatzkompetenz könnte dies heißen: Tests sind nicht nur eine sinnvolle Wiederholung des Wortschatzes und dienen somit dessen Festigung, sondern stellen je nach Format sogar eine Möglichkeit dar, das Wortschatzwissen zu erweitern. Nicht alle genannten Gütekriterien sind ohne Weiteres miteinander zu vereinbaren zumal sie recht unterschiedlicher Provenienz sind. So besteht beispielsweise ein Konflikt bezüglich der gleichzeitigen Einhaltung der Gütekriterien Validität und Reliabilität auf der einen und der Praktikabilität auf der anderen Seite: Um die Validität und die Reliabilität von Tests zu erhöhen, müssen möglichst viele Items getestet werden. Gleichzeitig erschwert ein großer Umfang von Items die Durchführung und die Auswertung von Tests, schränkt also seine Praktikabilität ein. Ein bekanntes Beispiel für ein äußerst praktikables Vorgehen stellen multiple-choice-Tests dar, die aufgrund ihrer leichten Handhabbarkeit und ihrer Effizienz bezüglich Durchführung und Auswertung eine ausgesprochen hohe Popularität aufweisen. So besteht für NATION (2001: 350) der einzige Nachteil JFLIIIL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 235 dieses Typs in dem relativ hohen Arbeitsaufwand bei der Erstellung der einzelnen Items, insbesondere hinsichtlich der Sicherstellung der Gleichwertigkeit der Distraktoren also deren Beschaffenheit bzgl. Umfang, Komplexität oder Verständlichkeit. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Konstruktion dieses Tests umso schwieriger ist, je mehr Antwortmöglichkeiten eingeräumt werden. Im Folgenden sollen die in der Literatur genannten Mängel dieses Formats knapp skizziert werden, um zu verdeutlichen, inwiefern es für sich allein genommen im Widerspruch zu den Prinzipien moderner, integrativer Verfahren zur Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz steht. Die folgenden Aspekte werden genannt: - Multiple-choice-Aufgaben verleiten zum Raten. So besteht je nachdem, ob vier oder fünf Antwortoptionen angeboten werden eine 25%ige bzw. 20%ige Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort nicht auf Wissen bzw. Können, sondern auf Zufall beruht oder per Eliminierung der anderen drei bzw. vier Möglichkeiten zustande kommt. Es ist außerdem zu beachten, dass sich der größte Teil des getesteten Wissens auf die Distraktoren und nur ein verhältnismäßig geringer Anteil auf die Bedeutung des eigentlich im Fokus stehenden Ziel-Items bezieht. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil, der in einem engen Zusammenhang mit dem zuvor thematisierten washback-Effekt zu sehen ist, ist die Gefahr, dass sich Lernende für den Fall, dass sie das getestete Item nicht kennen durch die Distraktoren falsche Lösungsmöglichkeiten einprägen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mittels multiple-choice-Tests nur ein vergleichsweise kleiner Ausschnitt des Lernerwortschatzes evaluiert werden kann und v.a. dass dieses Verfahren der Gradualität des Wortschatzwissens nicht gerecht wird (siehe Abschnitt 3.2). Die zentralen Gütekriterien der Objektivität, Validität und Reliabilität sowie das der Praktikabilität auf allen Ebenen eher erfüllenden Testformate sind der Cloze- und der C-Test. Hinsichtlich des Cloze-Tests werden verschiedene Typen unterschieden: rein statistische, bei denen jedes nte Wort getilgt wird solche, die nur bestimmte Wortarten überprüfen und daher nur diese tilgen solche, die nur eine ganz bestimmte Auswahl an Items überprüfen Es ist offensichtlich, dass bei diesem Test die Fähigkeit zu inferieren bzw. gezielt zu raten also den Kontext heranzuziehen eine zentrale Rolle für die erfolgreiche Bewältigung der betreffenden Aufgaben spielt. Der Zweck des C-Tests bei dem die zweite Hälfte jedes n-ten Wortes getilgt wird-ist allerdings die Messung allgemeiner Sprachbeherrschung; d.h. es geht hierbei nicht gezielt um die Evaluation des Wortschatzes. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Art des Wissens, das mittels dieser beiden Testformate überprüft wird, u.a. entscheidend vom Sprachtyp der jeweiligen Zielsprache abhängig ist. So steht insbesondere bei stark flektierenden Sprachen v.a. grammatisches Wissen im Fokus. Ferner ist kritisch anzumerken, dass nur zuvor festgelegte lexikalische Einheiten zugelassen werden, obwohl andere Wörter ebenso korrekt oder angemessen sein könnten. Nicht zu unterschätzen ist bei diesen Formaten außerdem die Tatsache, dass der Kontext ein erhebliches Maß an Leseverstehen erforderlich macht und der Test damit auch Wissen überprüft, das nicht Testgegenstand ist. An dieser Stelle wird deutlich, dass das Testformat einen starken Einfluss darauf hat, welches Wissen mit seiner Hilfe überhaupt evaluiert werden kann: je nach Verfahren werden unterschiedliche Kenntnisse bzw. Fertigkeiten ermittelt. Während für Übersetzungen „volles" Wortwissen benötigt wird, reicht für die Bearbeitung von multiple-choice-Aufgaben in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Distraktoren - Teilwissen aus. Gleichzeitig sagt beispielsweise die Fähigkeit zur Angabe einer Übersetzung eines Wortes nichts über die Fähigkeit aus, das betreffende Wort in einem fremdsprachlichen Kontext selbstständig verwenden zu können. Ein Argument, das aus durchführungspraktischen Gründen für den Einsatz von Übersetzungen spricht, ist die Tatsache, dass sie bereits auf niedrigen Sprachniveaus verwendet werden können und dass insbesondere die Übersetzung von Einzel-Items eine leichte Aufgabe darstellt und mittels dieses Verfahrens vergleichsweise viele Wörter auf einmal getestet werden können. 1 Für ein Plädoyer für Übersetzungen als effizientes Verfahren zur Evaluation der Wortschatzkompetenz, siehe NATION (2000: 351). ]F]Ll.11][, 33 (2004) 236 Karin Aguado Abschließend sei an dieser Stelle nochmals betont, dass die Auswahl und die Beschaffenheit von Verfahren oder Instrumenten, mittels derer die fremdsprachliche Wortschatzkompetenz evaluiert werden soll, vom Zweck der Evaluation abhängt. D.h. im Zentrum steht der Zweck bzw. das Erkenntnisinteresse, die jeweils einzusetzenden Mittel sind nachgeordnet. SCHMITT (2000) stellt daher die folgende Forderung auf: Je weitreichender die Konsequenzen eines Tests für die Testteilnehmer sind, desto sorgfältiger sollte die Auswahl der Items vorgenommen werden und desto umfangreicher sollte ihre Menge sein. 2. Wortschatz und Wortschatzkompetenz Wie bereits oben angedeutet, ist es für die angemessene Evaluation eines Gegenstands und die Auswahl der zu diesem Zweck einzusetzenden Verfahren unabdingbar, den Gegenstand vorab eindeutig zu definieren. Eine mögliche Definition von Wortschatz könnte lauten: Wortschatz besteht aus Wörtern, und Wörter sind die „kleinsten selbständigen Träger einer Bedeutung" (BOHN 2000: 19). Auf der Basis einer solchen Konstruktdefinition konzentrieren sich einschlägige Forscher wie beispielsweise Laufer oder Nation in ihren Untersuchungen auf Einzelwörter, die sie als separate Komponente des Sprachwissens betrachten und ungeachtet ihrer Funktionen in grammatischen Konstruktionen, Texten oder ganzen Diskursen untersuchen (vgl. zu einer kritischen Einschätzung dieser Sichtweise READ/ CHAPELLE 2001: 2). Auf der anderen Seite gehen Fremdsprachenforscher wie beispielsweise SINGLETON (1999) davon aus, dass lexikalische Phänomene die gesamte Sprache durchdringen, dass es also unzulässig ist, einzelne Items zum Gegenstand einer Evaluation zu machen. Um Auskunft über die Definition dessen zu erhalten, was in einzelnen Forschungsarbeiten unter Wortschatzkompetenz verstanden wird, macht HENRIKSEN (1999) den Vorschlag, diese Studien nicht nur im Hinblick auf ihren Untersuchungsfokus näher zu betrachten, sondern insbesondere auf die in ihnen verwendeten Evaluationsinstrumente (vgl. HENRIKSEN 1999: 304). Je nach Definition des Konstrukts ergeben sich entsprechend verschiedene Verfahren zu seiner Evaluation. Wenn Wortschatz als separates, aus Einzelwörtern bestehendes Konstrukt definiert wird, bieten sich als klassische Verfahren zu seiner Messung weitgehend geschlossene Verfahren wie multiple-choice-Aufgaben, Zuordnungsaufgaben oder Wortübersetzungen an. Geht man hingegen davon aus, dass die Wortschatzkompetenz komplexes sprachliches Wissen umfasst, das nicht separat evaluiert werden kann, sind umfassendere, kontextualisierte Verfahren wie beispielsweise Cloze-Tests, C-Tests oder Produktionsaufgaben angezeigt. Die Meinungen darüber, ob es sinnvoll ist, die zu evaluierenden Wörter mit oder ohne Kontext zu präsentieren, gehen jedoch auseinander. So wird auf der einen Seite dafür argumentiert, dass die Nutzung und Interpretation des Kontextes eher die Leseverstehensfertigkeit überprüfe als die Wortschatzkompetenz, denn: "the more we contextualize the assessment of vocabulary, the less clear it may be to what extent it is vocabulary knowledge that is influencing the test-takers' performance" (READ 2000: 116). D.h. wenn das reine und tatsächlich bereits vorhandene Wortschatzwissen eines Lerners und nicht dessen „Inferierungs-Fähigkeit" evaluiert werden soll, muss der Kontext, in dem das betreffende Lexem präsentiert wird, so knapp wie möglich gehalten werden. lFILtnlL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 237 Auf der anderen Seite steht die Ansicht, dass eine stärker kontextualisierte Präsentation der betreffenden Items aus Gründen der „Augenscheinvalidität" günstiger sei als die isolierte Darbietung, da sie eben dem Lesen ähnele und deshalb für die Lernenden eine natürliche, bekannte Auseinandersetzung mit der Zielsprache darstelle (vgl. READ 2000). Ein weiteres wichtiges Argument für die Kontextualisierung von Test-Items ist das der Authentizität, d.h. die Test-Bedingungen sollten dem „normalen" Sprachgebrauch weitestgehend entsprechen. NATION (2001) spricht hier von "normal access to the meaning" (NATION 2001: 353). Ferner ist für den Fall, dass eine spezifische Bedeutung eines Wortes überprüft werden soll, unverzichtbar, mehr Kontext zur Verfügung zu stellen, um dem Lerner Hinweise darauf zu geben, welche Bedeutung des betreffenden Wortes evaluiert werden soll. 2.1 Komponenten der Wortschatzkompetenz Die Frage, was es heißt, ein Wort zu kennen, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Grundsätzlich wird die Antwort zum Einen von sprachtheoretischen Annahmen (z.B. bezüglich der Funktion von Sprache oder des Stellenwerts, der dem Lexikon eingeräumt wird) und zum Anderen von sprachunabhängigen Faktoren bestimmt, wie z.B. dem Sprachstand des betreffenden Lerners. Handelt es sich um einen Anfänger, heißt ein Wort zu kennen, es zu verstehen oder es übersetzen zu können. Handelt es sich um fortgeschrittene Lerner, heißt ein Wort zu kennen, es selbständig und aktiv gebrauchen zu können. Die von RICHARDS (1976) aufgestellte recht umfassende aber dennoch nicht erschöpfende - Liste bezüglich der Komponenten der Wortschatzkompetenz enthält eine Reihe von Annahmen, die sich in erster Linie auf die verschiedenen Aspekte des Wortwissens (i.e. Semantik, Morphologie, Syntax) beziehen. Ein Wort zu kennen, heißt für ihn: seinen semantischen Wert zu kennen verschiedene Bedeutungen dieses Wortes zu kennen das Netzwerk von Assoziationen zwischen dem Wort und anderen Wörtern zu kennen die Wahrscheinlichkeit zu kennen, mit der das Wort auftritt und zu wissen, mit welchen anderen Wörtern es ko-okkurriert die Grenzen seines Gebrauchs zu kennen seine Basisform sowie seine Ableitungen zu kennen sein syntaktisches Verhalten zu kennen. Neuere Konzeptionen gehen über diese rein deklarative Ebene hinaus und messen dem Verwendungsaspekt eine wichtigere Funktion bei. So unterscheidet NATION (1990, 2001) drei für die Evaluation relevante Aspekte, nämlich Form, Bedeutung und Gebrauch wobei er diese noch weiter ausdifferenziert. Ein Wort zu kennen, heißt für Nation demnach, dass man es auf der Ebene der Form zunächst einmal erkennen (akustisch und optisch) und produzieren (aussprechen und schreiben) kann. Ferner müssen die Wortbestandteile erkannt und zugehörige Flexions- und Derivationsformen produziert werden können. JFLIIIL 33 (2004) 238 Karin Aguado Auf der Ebene der Bedeutung geht es um die Fähigkeit, zu einer Form die entsprechende Bedeutung abrufen sowie für eine bestimmte Bedeutung eine entsprechende Form auswählen und verwenden zu können. Die nächste Sub-Ebene bezieht sich auf den Bedeutungsumfang von Wörtern, der ebenfalls rezeptiv und produktiv verfügbar sein sollte. Auf der nun folgenden Ebene wird danach gefragt, ob ein Lerner die allgemein mit einem Wort verbundenen häufig kulturspezifisch geprägten - Assoziationen kennt bzw. ob er das entsprechende Wort benennen kann, wenn er mit assoziierten Wörtern oder Konzepten konfrontiert wird. Der dritte große Aspekt betrifft den Gebrauch eines Wortes. An erster Stelle steht das Erkennen und die eigene korrekte Verwendung eines Wortes im Kontext. Neben dem Erkennen und Anwenden von Kollokationen spielt auch das Wissen über Verwendungsregularitäten eine wichtige Rolle, d.h. die Kenntnis darüber, ob ein Wort häufig oder selten vorkommt, zu welchem Register es gehört etc. und auf der produktiven Ebene die im Hinblick auf die Frequenz und die Pragmatik angemessene eigene Verwendung. Ein Vergleich zwischen den Aufstellungen von Richards und Nation zeigt, dass sie im Wesentlichen deckungsgleich sind und sich in erster Linie hinsichtlich des Gebrauchsaspekts unterscheiden. CHAPELLE (1994) basiert ihre Definition der Wortschatzkompetenz auf BACHMANs (1990) integriertem Konzept der Sprachbeherrschung, d.h. es handelt sich hierbei eher um ein rein theoretisches Konzept und weniger um eine aus praktischen Erwägungen entstandene Definition. Dieses Konzept umfasst drei Komponenten, nämlich den sprachlichen, kulturellen und situativen - Kontext des Wortschatzgebrauchs, das Wortschatzwissen (i.e. Umfang des Wortschatzes, Wissen über Wörter, Organisation des mentalen Lexikons und eng damit verknüpft - Prozesse der Wortschatzverarbeitung, d.h. Zugang zu und Abruf von Wörtern) sowie metakognitive Strategien des Gebrauchs. Letztere beziehen sich auf die von BACHMAN (1990) und später von BACHMAN/ PALMER (1996) für die Sprachbeherrschung als unabdingbar bezeichnete strategische Kompetenz. Da wie bereits oben angedeutet die Wortschatzkompetenz nicht nur (deklaratives) Wissen, sondern auch den Zugang zu diesem Wissen umfasst, es im Bedarfsfall abrufen und anwenden zu können, ist hier auch strategische Kompetenz unverzichtbar insbesondere dann, wenn es darum geht, nicht vorhandenes bzw. nicht ausreichendes Wortwissen zu kompensieren. Es zeigt sich, dass der Wortschatz sowie dessen Erwerb komplex sind und vom Lerner entsprechend komplexe kognitive Aktivitäten verlangen. Um dieser Komplexität bei der Evaluation gerecht zu werden, bedarf es angemessen differenzierter Instrumente. Da Evaluationen immer nur Ausschnitte des Lernerwortschatzes erfassen können, ist offensichtlich, dass die Grenzen dessen, was im Rahmen einer einzigen Evaluation erhoben bzw. überprüft werden kann, relativ schnell erreicht sind. 2.2 Verfügbarkeit des Wortschatzwissens Eine als grundsätzlich konsensfähig zu bezeichnende Unterscheidung im Hinblick auf die Wortschatzkompetenz betrifft den Zugang zu bzw. die Verfügbarkeit von Wortschatz. Es lFILuL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 239 wird zwischen aktivem und passivem bzw. produktivem und rezeptivem Wortschatzwissen unterschieden (siehe die Aufstellung von NATION (2001)), wobei die Operationalisierung der hier getroffenen Unterscheidung als problematisch gilt. So kritisiert HENRIKSEN (1999) mit Bezug auf die einschlägige Literatur, dass eine eindeutige und adäquate Definition dessen, was unter Rezeption und Produktion zu verstehen ist, ein dringendes Desiderat darstelle (vgl. HENRIKSEN 1999: 307). Durch eigene empirische Untersuchungen dieses Aspekts lernersprachlicher Wortschatzkompetenz hat LAUFER (1998) festgestellt, dass die quantitative Diskrepanz zwischen rezeptivem und produktivem Wortschatz von Nichtmuttersprachlern mit zunehmendem Spracherwerb größer wird, insofern als der rezeptive Wortschatz beständig zunimmt und schließlich etwa das lüfache des produktiven Wortschatzes umfasst. Es lässt sich also nicht nur feststellen, dass das rezeptive Wortschatzwissen das produktive übersteigt, sondern darüber hinaus auch, dass sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Wissenstypen im Laufe des Erwerbsprozesses zugunsten des rezeptiven Wissens entwickelt. Dies hängt m.E. unmittelbar mit der Tatsache zusammen, dass der intra- und interindividuell hochgradig variable Wortschatzerwerb dynamisch und inkrementell verläuft. Somit kann das Lernerwissen über ein einzelnes Lexem auf einem „Verfügbarkeits"-Kontinuum angesiedelt werden. Die Dynamik bezieht sich darauf, dass durch allmählich zunehmendes Wissen im Laufe des Erwerbs vielfältige Umorganisierungsbzw. Restrukturierungsprozesse stattfinden. HENRIKSEN (1999) ist zuzustimmen, wenn sie den Unterschied zwischen rezeptivem und produktiven Wortschatzwissen nicht als dichotom, sondern als graduell betrachtet. Dies impliziert, dass Wörter im Laufe der Zeit ihren Status verändern können. Es können aber auch nur einzelne Aspekte eines Wortes bzw. Bedeutungsvarianten produktiv sein, während andere ausschließlich rezeptiv verfügbar sind. D.h. ein Wort verstehen zu können, heißt nicht zwingend, es auch produzieren zu können. Genauso gilt: ein Wort produzieren zu können, heißt nicht zwingend, es auch zu verstehen. Es werden hinsichtlich der genannten Modalitäten die folgenden Begrifflichkeiten verwendet, nämlich a) Wiedererkennen ("recognition") vs. Abruf ("recall") und b) Verstehen ("comprehension") vs. Verwendung ("use"). In Bezug auf die Wortschatzkompetenz lassen sich die beiden zuerst genannten Fähigkeiten relativ leicht vermittels selektiver und kontextunabhängiger Verfahren überprüfen. Die Wiedererkennung ist kognitiv einfacher und schneller als der Abruf, da auch nur partielles Wissen genügen kann, um einem dargebotenen Wort eine Bedeutung zuzuordnen. Verstehen und Gebrauch hingegen sind eher umfassende und stark kontextabhängige Prozesse, so dass sich ihre angemessene Untersuchung insgesamt schwieriger und aufwendiger gestaltet. Hinsichtlich des Gebrauchs ist die Möglichkeit der Kontrolle durch den Tester/ durch das Testverfahren offenkundig stark eingeschränkt. Hinsichtlich des Verstehens liegt die Schwierigkeit vor allem darin sicherzustellen, dass das zu evaluierende Wortschatzwissen tatsächlich bereits vorhanden ist. So ist nicht auszuschließen, dass sich der Lerner durch Einbeziehung des Kontexts und die erfolgreiche Anwendung von Inferenzstrategien den zu messenden Wortschatz erst während der Evaluation erschließt. Das heißt, dass ohne die Erhebung zusätzlicher Daten (wie z.B. lautes Denken oder retrospektive Interviews) JFLIWL 33 (2004) 240 Karin Aguado die Interpretation solcher Ergebnisse zu einem großen Teil auf Spekulation beruhen muss. 2.3 Umfang und Tiefe des Wortschatzes Bevor im folgenden Abschnitt Überlegungen zu Umfang und Tiefe des Wortschatzes aus "darstellungspraktischen" Gründen getrennt voneinander angestellt werden, ist festzuhalten, dass für eine kompetente Sprachbeherrschung sowohl Breite als auch Tiefe des Wortschatzwissens erforderlich sind. Viele Wörter zu kennen, ohne zu wissen, mit welchen anderen Wörtern sie ko-okkurrieren, ist für die Verständigung ebenso wenig nützlich, wie einige Wörter in all ihren Bedeutungsnuancen zu kennen. 2.3.1 Zur Evaluation des Umfangs Hier ist zunächst einmal danach zu unterscheiden, ob der rezeptive oder der produktive Wortschatz evaluiert werden soll. In Bezug auf die rezeptive Wortschatzkompetenz sind eine Reihe von Testtypen zu unterscheiden. Dazu zählen u.a. Korrektheitsurteile, Zuordnungen von Wörtern und Definitionen, Zuordnungen von Wörtern und Bildern/ Illustrationen, Vervollständigungen von Definitionen, multiple-choice-Aufgaben, Checklisten-Verfahren oder Übersetzungen 2 um nur einige zu nennen. Auf die am häufigsten eingesetzten und in der Fachliteratur ausgiebig diskutierten Verfahren nämlich Zuordnungen, Vervollständigungen und Checklisten werde ich weiter unten näher eingehen. Zunächst jedoch einige Anmerkungen zu den Kriterien, die Evaluationen der Wortschatzkompetenz von Fremdsprachenlernern zugrunde gelegt werden. Bei der Untersuchung des rezeptiven Wortschatzes werden in der Regel Häufigkeitslisten 3 herangezogen, deren Basis im Idealfall ein repräsentatives Korpus sowohl gesprochener als auch geschriebener Sprache bildet, wobei die Auswahl der zu evaluierenden Items nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Auf der Basis von NATION (1983) hat SCHMITT (1993) ein Verfahren entwickelt, bei dem pro Zuordnungsaufgabe jeweils sechs Wörter und drei verständliche und mit hochfrequentem Wortschatz formulierte - Definitionen angeboten werden. Da nicht das Leseverstehen überprüft werden soll, werden die einander zuzuordnenden Wörter und Definitionen kontextlos präsentiert. Der Vorteil dieses Vorgehens wird von Nation darin gesehen, dass nicht nur die zu testenden (i.e. drei), sondern auch die übrigen (i.e. sechs) Items mit den Definitionen abgeglichen werden müssen. Ob dies allerdings auch im 2 Die Übersetzung ist ein Verfahren, das je nach Übersetzungsrichtung entweder als rezeptiv oder als produktiv zu bezeichnen ist: Wenn die Richtung von der Fremdsprache (L2) in die Erstsprache (Ll) verläuft, handelt es sich um ein rezeptives, wenn sie von der Erstsprache in die Fremdsprache verläuft, um ein produktives Verfahren. 3 Vgl. hier beispielsweise die von NATION (1983) zugrundegelegten fünf Häufigkeitslevels (Level 1: die 1000 häufigsten Wörter, Level 2: die 2000 häufigsten Wörter, Level 3: die 3000 häufigsten Wörter, Level 4: University Word Level(= akademischer Wortschatz in universitären Textbüchern), Level 5: die 10000 häufigsten Wörter). lFL1UilL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 241 Hinblick auf einfache ltems gilt, die vom Lerner spontan und sicher zugeordnet werden können, ist fraglich. Bezüglich der Anzahl der zu testenden ltems besteht die Möglichkeit zu variieren; so können entweder mehr Wörter als Definitionen oder vice versa mehr Definitionen als Wörter vorgegeben werden. In jedem Fall wichtig ist es, dass es eine ungleiche Anzahl von Wörtern und Definitionen gibt; wie dieses Verhältnis im Einzelnen beschaffen ist, hängt vom Testfokus ab. Die Hauptkritik an diesem Verfahren besteht darin, dass pro Level insgesamt zu wenige Wörter (i.e. 6 x 6 Wörter= 36 Wörter) getestet werden (vgl. dazu READ 2000). Auf der Grundlage der genannten fünf Häufigkeitslevels haben LAUFERINATION (1995, 1999) eine Variante entwickelt, bei der anstelle von Zuordnungen - Wörter in vorgegebenen Sätzen vervollständigt werden sollen. Um sicherzustellen, dass tatsächlich das jeweils gesuchte Wort eingesetzt wird, wird eine (unterschiedlich hohe) Anzahl von Buchstaben vorgegeben. Es werden also die Antwortmöglichkeiten eingegrenzt und somit handelt es sichden Ausführungen von LAUFERINATION (1999) zufolge -um eine kontrollierte Produktion. Methodisch problematisch im Hinblick auf die Validität des Venahrens ist hierbei v.a. die Tatsache, dass jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Buchstaben vorgegeben wird, da auf diese Weise bei verschiedenen ltems möglicherweise unterschiedliche Fertigkeiten „gemessen" werden. Bei einer anderen Variante des Verfahrens, die LAUFERINATION (1999) als freie Produktion bezeichnen, handelt es sich um einen Cloze-Test. Ob die Fähigkeit, vorgegebene Lücken unterschiedlichen Umfangs auszufüllen, Schlüsse auf die produktiven Fähigkeiten eines Lerners erlaubt, möchte ich mit READ (2000: 126) bezweifeln, da es sich hier eher um eine besondere Variante der Evaluation rezeptiven Wissens handelt. Problematisch ist dieses Vorgehen darüber hinaus insbesondere in den Fällen, in denen ein anderes Wort ebenso gut passen würde. Ein mögliches Verfahren der Erhebung des Wortschatzes in freien Produktionen besteht darin, die mündlichen oder schriftlichen Lernerproduktionen nach Wortfamilien 4 „auszuzählen". Da in der einschlägigen Literatur Meinungsverschiedenheiten bei der Frage bestehen, was genau eine Wortfarnilie ausmacht und aufgrund welcher Kriterien die Zugehörigkeit eines Wortes zu einer Wortfarnilie bestimmt wird, ist erforderlich, was READ (2001) in Bezug auf den Einsatz von Häufigkeitslisten ohnehin grundsätzlich fordert, nämlich "a clear statement of how the word forms were classified" (READ 2001: 227). Mehrheitlich wird eine Wortfamilie so definiert, dass sie die Basisform eines Wortes, dessen Flexionsformen und Ableitungen sowie deren jeweilige Bedeutungen umfasst. Allerdings ist zu beachten, dass Wörter durch Wortbildungsprozesse zuweilen erhebliche Bedeutungsveränderungen erfahren können (Bsp.: "Anzug" ➔ "anzüglich", "Art" ➔ „Unart", "Art" ➔ "artig" oder „lassen" ➔ "verlassen"), so dass sich die Frage stellt, ob es legitim ist, semantisch derart verschiedene Wortbildungsresultate zu derselben Wortfarnilie zu zählen. Festzuhalten ist, dass die auf Wortfamilien basierende Evaluation über die rein lexikalisch-semantische Ebene hinausgeht, da aufgrund erforderlichen Wortbildungswissens auch die morphologische Ebene von zentraler Bedeutung ist. 4 Hier sei angemerkt, dass nach NATION (1990) und LAUFER (1992) für ein flüssiges Verständnis eines Textes die Kenntnis von etwa 3000 Wortfamilien benötigt werden. FJL1.! IL 33 (2004) 242 Karin Aguado Ein insgesamt relativ einfaches, schnelles und spätestens seit ANDERSON! FREEBODY (1983) etabliertes Verfahren, die Wortschatzkompetenz von Lernenden zu evaluieren, besteht darin, sie direkt zu befragen. Ausgehend von der Annahme, dass Wissen graduell ist und dass diese Gradualität bewusstseinsfähig und von den Befragten benennbar ist, wurden differenzierte mehrstufige Skalen entwickelt, auf denen Lerner angeben können, ob sie über „kein Wissen", "unsicheres Wissen", "rezeptives/ produktives Wissen" und/ oder über die „Fähigkeit zum Gebrauch" verfügen (siehe SCARCELLAIZIMMERMAN 1998). Zunächst einmal stellt sich hier die Frage, ob und inwiefern Lernende überhaupt in der Lage sind, sich selbst angemessen einzuschätzen. So können Testteilnehmer und Tester verschiedene Konzepte dessen haben, was sie jeweils unter „Wissen" oder „Beherrschen" verstehen (vgl. in diesem Zusammenhang KNAPP-POTTHOFF 2000). Ferner ist kritisch anzumerken, dass der Wortbedeutung hier offenbar keine allzu große Relevanz beigemessen wird und "formats of this kind will not distinguish between items of which the learner has a vague versus a fairly precise knowledge" (HENRIKSEN 1999: 305). Solchen kritischen Einwänden Rechnung tragend haben PARIBAKHTIWESCHE (1997) im Rahmen ihrer Forschungen zum inzidentellen Wortschatzerwerb eine 5stufige Vocabulary Knowledge Scale entwickelt, die die folgenden "self-report categories" (PARI- BAKHTIWESCHE 1997: 180) umfasst: I I don't remember having seen this word before. II I have seen this word before, but I don't know what it means. III I have seen this word before, and I think it means __ . (synonym or translation) IV I know this word. lt means __ . (synonym or translation) V I can use this word in a sentence: __ . (Write a sentence.) (lf you can do this section, please also do Section IV.) Die in Bezug auf die Kategorien I und II von Befragten gegebenen Antworten lassen sich nicht „objektiv" überprüfen; zwischen III und IV besteht ein Unterschied bzgl. des „Sicherheitsgrades" "think" vs. "know"); da Synonyme oder Übersetzungen angegeben werden müssen, ist es möglich zu überprüfen, inwieweit die zuvor abgegebene Selbsteinschätzung zutreffend ist. Kategorie V bezieht sich auf die Fähigkeit, das betreffende Wort in einem Kontext zu verwenden und dabei auch erforderliches kollokatives sowie grammatisches Wissen zum Einsatz zu bringen. Trotz ihrer vergleichsweise guten empirischen Absicherung (vgl. dazu READ 2000: 133) können auch gegen diese Skala eine Reihe von Einwänden erhoben werden. So gibt es keine Begründung dafür, warum es ausgerechnet fünf Kategorien sind, hinsichtlich derer die eigene Wortschatzkompetenz eingeschätzt bzw. demonstriert werden soll. Auch ist unklar, ob die zwischen den einzelnen Skalenpunkten angenommenen Abstände tatsächlich gleich bzw. gleichwertig sind. Da nur schwer zu kontrollieren ist, ob die Befragten wahrheitsgemäße Angaben machen, wird jeder Liste ein bestimmter Prozentsatz von Pseudo- oder Unsinns-Wörtern hinzugefügt. Im Hinblick auf die Auswertung der Selbsteinschätzungen ist zu sagen, dass sie unproblematisch ist, solange die Befragten nur „echte" Wörter als bekannt bezeichnen; sobald sie „unechte" Wörter ebenso häufig als bekannt bezeichnen, bedeutet das zwar nicht, dass sie über keinerlei Wortschatzkennt- ]F]Lu][, 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 243 nisse verfügen; dennoch können aus ihren Antworten keine zuverlässigen Schlüsse gezogen werden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Tatsache, dass jeweils wird nur eine Bedeutung eines Wortes erfragt wird. Dies könnte allerdings leicht durch eine weitere Kategorie kompensiert werden, bei der die Befragten aufgefordert werden, sämtliche Bedeutungen des betreffenden Wortes anzugeben. Hinsichtlich der Aufforderung zur Produktion durch den Lerner (Kategorie V) könnte es problematisch sein, dass sie zwar (grammatisch) korrekte, nicht jedoch idiomatische bzw. "einschlägige" Sätze produzieren, anhand derer erkennbar wäre, dass die Bedeutung des Wortes wirklich verstanden worden ist. Trotz der genannten kritischen Einwände die größtenteils leicht zu auszuräumen sind ist dieses Verfahren in Bezug Einfachheit der Konstruktion, Durchführung und Auswertung bestechend. Auch die Tatsache, dass auf diese Weise eine große Menge an Items gezielt getestet werden kann, und zwar ohne weitere kontextuelle Einbettung, stellt ein Plus dar. 2.3.2 Zur Evaluation der Tiefe von Wortschatzwissen 5 In jüngster Zeit ist eine Entwicklung zugunsten einer verstärkten Erhebung der Qualität des Wortschatzes festzustellen. Hierbei geht es um die Genauigkeit des Wortwissens, um die Berücksichtigung der Komplexität von Wörtern, um ihre vielfältigen Bedeutungen sowie um ihre (paradigmatischen und syntagmatischen) Beziehungen zu anderen Wörtern. Von besonderer Relevanz ist dabei die Tatsache, dass viele Wörter ihre Bedeutung erst im Kontext erhalten. 2.3.2.1 Maße zur Bestimmung der lexikalischen Qualität Ein allgemein anerkanntes Maß zur Evaluation der grammatischen Qualität eines lernersprachlichen Textes ist die t-unit. Je fortgeschrittener ein Lerner ist, desto umfangreicher sind die von ihm produzierten t-units. Im Hinblick auf die lexikalische Qualität eines Lernertextes existiert kein vergleichbares Einzelmaß. Stattdessen werden eine Reihe von Maßen zur Bestimmung der lexikalischen Qualität lernersprachlicher mündlicher oder schriftlicher - Produktionen angenommen. Die hier angewandte lexikalische Statistik vermittelt oberflächlich betrachtet den Eindruck eines hohen Grades an Objektivität. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass sowohl die Definition als auch die Klassifikation der zu evaluierenden lexikalischen Kategorien „menschliche" Urteile erfordert, also in hohem Maße subjektiv ist. a) Type-token-ratio: Dieses Verhältnis wird berechnet, indem die Anzahl der verschiedenen Wörter in einem (Lerner)Text durch die Anzahl aller verwendeten Wörter geteilt wird. Je höher der Wert, desto größer die Varianz des vom Lernenden verwendeten Wortschatzes. Methodisch besteht hier das Problem, dass sich die Länge eines Textes i.a. ungünstig auf das zu untersuchende Verhältnis auswirkt: je mehr Text produziert 5 Vgl. dazu auch HENRIKSEN (1999), die vorschlägt, den Begriff depth ausschließlich auf Wissensaspekte lexikalischer Kompetenz zu beziehen "whereas questions in relation to the control or accessibility aspect should be viewed as part ofthe receptive-productive dimension" (HENRIKSEN 1999: 306). lFlLlllllL 33 (2004) 244 Karin Aguado wird, desto weniger verschiedene Wörter werden gebraucht. Daher muss darauf geachtet werden, dass im Falle eines Vergleichs zwischen verschiedenen Lernern nur gleich lange Texte dieser Analyse unterzogen werden dürfen. b) Lexikalische Dichte: Die lexikalische Dichte eines Textes wird bestimmt, indem die Anzahl der Inhaltswörter durch die Anzahl aller Wörter geteilt wird. Auch hier gilt: je höher der Wert, desto höher die lexikalische Dichte. O'LOUGHLIN (1995) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass aufgrund ihrer semantischen Entleerung besonders frequente Wörter (wie z.B. "machen", "tun", "Sache" u.ä.) wie grammatische Wörter behandelt und bei der Berechnung der lexikalischen Dichte nur zur Hälfte gezählt werden sollten. c) Lexikalische Variation: Bei diesem Maß wird die Anzahl der verschiedenen lexikalischen Einheiten durch die Anzahl aller lexikalischen Einheiten geteilt. Also auch hier: Je höher der Wert, desto größer die lexikalische Variation. d) Angemessenheit des Gebrauchs: Nicht zu vernachlässigen ist selbstverständlich die Frage, ob die Wortwahl des Lernenden der jeweiligen Aufgabenstellung, der Textsorte, dem Register etc. angemessen ist. Spätestens an dieser Stelle ist die Grenze der Automatisierbarkeit der Auswertung erreicht: Während die Klassifikation von Inhaltswörtern und Funktionswörtern sowie deren Auszählung mittels entsprechender software durchgeführt werden kann, ist bezüglich der Entscheidung hinsichtlich der Angemessenheit des Gebrauchs das muttersprachliche Urteil unverzichtbar. 3. Welches ist das beste Verfahren zur Evaluation der Wortschatzkompetenz? NATION (2001) beantwortet die Frage nach dem „besten" Wortschatztest folgendermaßen: "In general, a good vocabulary test has plenty of items (around 30 is probably a minimum for a reliable test). lt uses a test item type which requires learners to use the kind of vocabulary knowledge that you want to test. lt is easy enough to make, mark and interpret, and it has a good effect on the learning and teaching that leads up to the test and follows it" (NATION 2001: 345). Es wird erkennbar, dass für Nation neben den traditionellen Gütekriterien Validität und Reliabilität vor allem Praktikabilität und Nützlichkeit (genauer: washback) wichtige Merkmale eines guten Verfahrens zur Evaluation der Wortschatzkompetenz darstellen. Es stellt sich hier zunächst einmal die Frage, wie gewährleistet werden kann, dass Wortschatztests konstruktvalide sind, d.h. dass sie tatsächlich und ausschließlich lexikalisches Wissen bzw. lexikalische Kompetenz evaluieren. So stellt beispielsweise allein die Tatsache, dass jeder Wortschatztest, der mehr als ein Wort pro Item enthält, strenggenommen ein Leseverstehenstest ist, ein methodisches Problem dar. Daher fordert Schmitt, dass Lehrende bei Vokabeltests den Schwierigkeitsgrad des Lesens, Schreibens, Sprechens und Hörens weitgehend minimieren, damit Einschränkungen bezüglich dieser Fertigkeiten die Lerner nicht darin beeinträchtigen, ihr Wortschatzwissen zu demonstrieren (vgl. SCHMITT 2000: 172). Hier besteht ein klarer Widerspruch zu dem in jüngster Zeit stärker propagierten Vorgehen der integrativen Evaluation der Wortschatzkompetenz (vgl. dazu auch LöSCHMANN 1993: 141). lFlLllllL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 245 READ (2001) führt eine Reihe von polaren Begriffspaaren zur Charakterisierung von Evaluationsverfahren ein. Diese sind: a) "discrete" vs. "embedded", b) "selective" vs. "comprehensive" und c) "context-independent" vs. "context-dependent". Ada) Während „diskrete" Tests Wortschatz als distinkte sprachliche Komponente betrachten und gezielt deklaratives Wortschatzwissen erheben, handelt es sich bei „eingebetteten" Tests eher um eine indirekte Messung. Der Testteilnehmer soll zeigen, dass er das betreffende Wissen anwenden kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bei einer so einer komplexen Aufgabe wie der freien schriftlichen Produktion auch die Auswahl und die Angemessenheit des Wortschatzes betrachtet und beurteilt wird. Ad b) Während es bei selektiven Tests um festgelegte lexikalische Einzel-Items geht (z.B. solche, die zuvor im Fremdsprachenunterricht vermittelt und geübt worden sind), evaluieren umfassende Tests die Kompetenz im Hinblick auf sämtliche Inhaltswörter bzw. ohne eine vorherige Auswahl zu treffen. Ad c) Diese Unterscheidung erklärt sich weitgehend von selbst: Während beim kontextunabhängigen Test die Präsentation der Items ohne Einbeziehung des Kontexts vonstatten geht, gibt es andere Typen, in denen der Kontext eine zentrale Rolle spielt. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei den genannten Begriffspaaren nicht um dichotome Gegensätze. Im Gegenteil: in der Praxis werden sie verschiedentlich sogar miteinander kombiniert, wobei sich jedoch einige Kombinationen wie z.B. "umfassend" ("comprehensive") und „kontextunabhängig" ("context-independent") gegenseitig ausschließen. LöSCHMANN (1993) formuliert das Ziel der unterrichtlichen Wortschatzarbeit als „die Aneignung eines intentions- und situationsgerecht anwendbaren, dauerhaften, schnell abrufbaren, disponibel verknüpfbaren sowie normgerecht verwendbaren Wortschatzbesitzes" (LöSCHMANN 1993: 29). Gemäß dieser Definition wird die Qualität des Wortschatzbesitzes in erster Linie in der Anwendbarkeit sowie in der Korrektheit und Genauigkeit der Verwendung erkennbar. So ist es letztlich das prozedurale Wissen eines Lerners, was im Zentrum der Evaluation stehen sollte, also die Fähigkeit zur Rezeption und Produktion, während der Fokus auf dem Inhalt der Mitteilung liegt (vgl. dazu NATION 2001: 361). Nation geht noch einen Schritt weiter, indem er die Beurteilung eines Wortes als „beherrscht" davon abhängig macht, ob ein Lerner es in einem neuen Kontext verwenden kann: "Using language is a creative activity which involves understanding and using words in new contexts. Unless leamers can do this we cannot be sure ifuseful leaming has occurred" (NATION 2001: 372). Den Ausführungen von READ (2000) zufolge konnte bislang keine Evidenz dafür erbracht werden, dass der Wortschatz eine separat messbare Komponente der Sprachfähigkeit darstellt. Entsprechend warnt er vor voreiligen Schlüssen: "we need to be cautious in making assumptions about what aspect of language is being assessed just on the basis of the label that a test has been given" (READ 2000: 99). Mit SINCLAIR (1991) nehme ich die Untrennbarkeit von Wortschatz und Grammatik an: jeder lexikalischen Einheit sind immer auch grammatische Informationen inhärent, sei es bezüglich ihrer Wortart, sei es bezüglich ihrer Valenz oder der mit ihr untrennbar verbundenen kollokativen und/ oder syntagmatischen Relationen. D.h. es ist nicht möglich, ausschließlich Wortschatz zu evaluieren, es wird zugleich immer auch anderes sprachliches Wissen lFLl! llL 33 (2004) 246 Karin Aguado mitevaluiert. Ferner gilt, dass die dafür jeweils einzusetzenden Verfahren nicht zuletzt auch vom Niveau der Lerner abhängig sind. Es mag möglich sein, bei Anfängern eher rein lexikalisches Wissen zu erheben, d.h. einfache Wörter mit nur einem geringen Bedeutungsumfang, für die es einfache Entsprechungen in der L1 der Lerner gibt. Dies könnten sogenannte psychologische Basiswörter sein, die als separate Einheiten im Langzeitgedächtnis gespeichert sind und die nicht vermittels morphologischer Analysen dekodiert werden können (vgl. dazu NATION 2001: 366). Traditionelle Verfahren zur Evaluation der Wortschatzkompetenz hält READ (2001) unter den folgenden Prämissen für nützlich und effizient: "They work best in assessment situations where it makes sense to focus on vocabulary as a discrete form of language knowledge and to treat lexical items as individual units of meaning" (READ 2001: 222). Dies betrifft einerseits einen stärker formfokussierten Fremdsprachenunterricht und andererseits sämtliche Untersuchungen, in denen der Umfang des Wortschatzes gemessen werden soll; hinsichtlich der Evaluation der Qualität der Wortschatzkompetenz eines Fremdsprachenlernenden bzw. im Rahmen eines kommunikativ-kognitiv orientierten Ansatzes der Fremdsprachenvermittlung erscheinen sie unzweckmäßig. Wenn es zu den Prinzipien einer adäquaten, i.e. behaltensgerechten Wortschatzvermittlung gehört, vernetztes und mehrkanaliges Lernen zu fördern, wenn das Gedächtnis nicht länger als Speicher, sondern als dynamische Struktur bzw. konstruktiver Prozess betrachtet wird, ist es an der Zeit, auch die Evaluation von Wortschatzwissen entsprechend zu konzipieren, d.h. kontextuell eingebettet und in Sinn- und Textzusammenhängen (vgl. dazu auch KöSTER 2001). 4. Desiderate für künftige Evaluationen von fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz Die in der einschlägigen Literatur anerkannte Tatsache, dass ein großer Anteil des kompetenten muttersprachlichen Sprachgebrauchs auf vorgefertigten, ganzheitlich gespeicherten und abgerufenen Äußerungen basiert, gilt in vergleichbarer Weise auch für den nicht-muttersprachlichen Sprachgebrauch (siehe AGUADO 2002). So stellt READ (2001) in Anlehnung an die Ausführungen von PAWLEY/ SYDER (1983) fest: "Fluent performance is made easier if the learner has command of a range of multi-word items which can be readily accessed as the occasion demands" (READ 2001: 233). Da diesen komplexen lexikalischen Einheiten jedoch bisher nicht einmal im Hinblick auf die unterrichtliche Vermittlung angemessen Rechnung getragen wird, verwundert es nur wenig, dass sie auch in der Testpraxis weitgehend vernachlässigt werden, denn: was nicht vermittelt wird, kann auch nicht überprüft werden! Ein weiterer Grund, warum diese Ausdrücke bei der Evaluation des Wortschatzes bisher kaum eine Rolle spielen, ist darin zu sehen, dass sie sich einem „klassischen" Vokabeltest verschließen. Da es sich hier nicht um distinkte sprachliche Items handelt, die mittels selektiver Tests evaluiert werden können, sondern um Mehrwortsequenzen, die aufgrund ihrer v.a. sozio-pragmatischen Funktionen nur kontextuell eingebettet sinn- JF[,IIL 33 (2004) Evaluation fremdsprachlicher Wortschatzkompetenz: ... 247 voll sind, weisen kontextualisierte Tests hier eine deutlich höhere Gegenstandsangemessenheit auf. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang zunächst einmal die Identifizierung dieser Einheiten, die nur z.T. automatisch vorgenommen werden kann. Zwar gibt es inzwischen bereits statistische Programme zur Bestimmung der „kollokativen Stärke" (READ 2001: 23 2) komplexer Ausdrücke dies betrifft die Häufigkeit und die Konsistenz des gemeinsamen Auftretens von Wörtern. Allerdings besteht die „Kunst" des angemessenen Gebrauchs gerade darin, die betreffenden Ausdrücke in genau der „richtigen" Frequenz (d.h. nicht zu selten, aber auch nicht zu häufig) zu verwenden. Dies zu beurteilen, erfordert muttersprachliche Kompetenz. Ferner ist insbesondere in Bezug auf den lernersprachlichen Gebrauch die Frage relevant, ob der Ausdruck auf einem prä-analytischen oder einem post-analytischen Niveau verwendet wird. Da dies für eine angemessene Evaluation des Sprachstands wesentlich ist, dürfen solche Ausdrücke nicht nur gezählt werden, sondern müssen differenziert betrachtet werden (vgl. dazu READ (2001) und SKEHAN (1996)). Trotz des allmählich, aber stetig steigenden Bewusstseins hinsichtlich der zentralen Rolle komplexer lexikalischer Einheiten wie z.B. Kollokationen, Routinen, Idiomen und anderen Typen formelhafter Sprache 6 liegt der Fokus nach wie vor größtenteils auf Einzelwörtern. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Schwerpunkt der Evaluation von Wortschatzkompetenz in erster Linie auf der geschriebenen Sprache liegt, was sich u.a. zuungunsten der Erhebung pragmatischer Aspekte des Wortschatzgebrauchs auswirkt. D.h. wenn es um die Evaluation der Fähigkeit zum Wortschatzgebrauch gehen soll, müssen andere Tests eingesetzt werden. Hier ist SCHMITT (2000) zuzustimmen, wenn er schreibt: "the more test writers wish to measure learners' ability to actually use words in real-world situations, the further tests need to move toward the embedded, comprehensive, and context-dependent ends of the continuum" (SCHMITT 2000: 174; vgl. zu einer ähnlichen Position auch READ 2001: 223). Ein wichtiger Kritikpunkt ist die Tatsache, dass der Gebrauch eines Wortes nicht unbedingt die genaue Kenntnis seiner Bedeutung voraussetzt. Oder einen Schritt zurück: die reine Benutzung eines Wortes bedeutet nicht, dass es vollkommen beherrscht wird, also jederzeit und mit allen Nuancen abrufbar ist. Umgekehrt gilt, dass aus dem Nicht- Gebrauch nicht zwingend die Nicht-Kenntnis geschlossen werden kann, denn ein großer Wortschatz muss sich nicht zwingend im frequenten Gebrauch sämtlicher Einheiten zeigen. Zur Wortschatzkompetenz gehört neben der Fähigkeit, Wörter angemessen verstehen und verwenden zu können auch strategisches Wissen bzw. strategische Fertigkeiten, wie z.B. Erschließungsstrategien, denn: "Inferencing is a desirable strategy because it involves deeper processing that is likely to contribute to better comprehension of the text as a whole and may result in some learning of the lexical item that would not otherwise 6 Siehe dazu den soeben von N. SCHMITT (2004) herausgegebenenallerdings im vorliegenden Beitrag noch nicht berücksichtigten - Sammelband mit dem Titel Formulaic Sequences. Acquisition, processing and use und darin insbesondere der Artikel von READINATION: "Measurement of formulaic sequences". lFILl.lL 33 (2004) 248 Karin Aguado occur" (READ 2000: 53). Entsprechend müssen neben dem deklarativen Wortschatzwissen auch die im Fremdsprachenunterricht vermittelten Strategien des Wortschatzlernens, -erschließens und -behaltens zum Gegenstand der Evaluation gemacht werden. Hierbei geht es um den potentiellen Wortschatz als Fähigkeit (Weltwissen, Sprachwissen, kognitive und metakognitive Strategien, Analogiebildung, Klassifizierung). Löschmann plädiert für eine stärkere Durchführung individueller Tests und fordert, dass das Prinzip der „Lernerorientierung vor dem Testen nicht haltmachen" (LöSCHMANN 1993: 145) dürfe, denn „Individuelle Tests haben[ ...] ihren Sinn[ ...] darin, daß sie den individuelldifferenzierten Wortschatzbesitz erfassen" (LöSCHMANN 1993: 145). Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Tatsache relevant, dass der Wortschatz „unendlich" und der Wortschatzerwerb damit praktisch niemals abgeschlossen ist - und zwar weder beim Fremdsprachenlerner noch beim Muttersprachler. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zur angemessenen Evaluation der Wortschatzkompetenz von L2-Lernern der folgenden Forderung von HENRIKSEN (1999) Rechnung getragen werden sollte: "researchers must ideally use a combination of test formats that tap different aspects of knowledge" (HENRIKSEN 1999: 306). D.h. für eine adäquate Evaluation lernersprachlicher Wortschatzkompetenz sind verschiedene, komplementäre Verfahren einzusetzen, im Rahmen derer möglichst integrativ sowohl rezeptives Wissen erhoben als auch die produktive Verwendungsfähigkeit überprüft werden sollte (vgl. auch NATION 2000: 175 sowie READ 2000: 4). Auch um gleichzeitig die Breite und die Tiefe des Wortschatzwissens von Fremdsprachenlernenden zu evaluieren, müssen Einzelverfahren miteinander kombiniert werden. 7 Eine moderne, lernerorientierte und sämtlichen validen Verfahren kombinierbare Methode erscheint mir die Vocabulary Knowledge Scale nach PARIBAKHTIWESCHE (1997) und JoE (1998) zu sein. So sollte wie Joe es vorschlägt die Skala nicht nur schriftlich, sondern auch im Rahmen von Interviews eingesetzt werden. Die außerdem von ihr zwischen den Kategorien II und III (siehe oben) eingefügte Kategorie, nämlich: "I have not seen this word before, but I think. .." berücksichtigt die Fähigkeit von Lernern, ihr vielfältiges Vorwissen (wie z.B. LI-Wissen und/ oder andere Sprachkenntnisse, L2-Wortbildungskenntnisse) zur Anwendung zu bringen eine für den erfolgreichen Spracherwerb unverzichtbare Strategie. Literatur AGUADO, Karin (2002): "Formelhafte Sequenzen und ihre Funktionen für den L2-Erwerb". 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Furthermore, the various activities of involved persons are rarely sufficiently coordinated. In order to promote more efficient learning, a didactic framework is hence needed that allows for the integrated matching of different learning measures with the learner' s individual preconditions. Learning management constitutes a general framework that conceptualises learning processes as learning projects. As a result, some of the weil established and proven techniques of project management can be applied to the specific conditions oflearning. The focus of learning management on the learner himself, its methodological openness, its transparency, a couple of instruments to thoroughly plan and monitor learning processes, and a better resource management are supposed to result in significantly better learning as weil as in a higher motivation of the learner. 1. Einleitung Weltweit werden jährlich Milliarden von Euro für Fremdsprachenunterricht oder damit in Verbindung stehende Maßnahmen ausgegeben, sei es von der öffentlichen Hand für Schulen 1 und Sprachenzentren an Hochschulen, sei es von einzelnen Lernern für den Unterricht bei privaten (Nachhilfe-)Lehrern, an kommerziellen Sprachschulen, Volkshochschulen, Goethe-Instituten, am British Council, bei der Alliance Frani; aise, am Instituto Cervantes etc. Zu den aufgewendeten Beträgen kommen noch beträchtliche Summen für Sprachprüfungen (z.B. TestDaF, Kleines Deutsches Sprachdiplom, TOEFL, IELTS, DELE) sowie für Lehr- und Lernmaterialien hinzu, also etwa für Lehr- und Übungsbücher, Sprachlernspiele, die Einrichtung bzw. Nutzung von E-Leaming-Umgebungen, die Anschaffung und den Unterhalt von Sprachlaboren, authentische Medien etc. Korrespondenzadresse: Dr. Olaf BÄRENFÄNGER, Wissenschaftlicher Assistent, Universität Leipzig, Herder-Institut - Deutsch als Fremdsprache, Beethovenstr. 15, 04107 LEIPZIG. E-mail: baerenfaenger@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Testmethodik, Psycholinguistik des Fremdsprachenerwerbs, Discourse Studies. 1 Im Schuljahr 2002/ 2003 mussten allein in der Bundesrepublik Deutschland an allgemeinbildenden Schulen 6.755.400 Schüler mit Englischunterricht versorgt werden, 1.644.000 Schüler mit Französischunterricht und immerhin noch 654.000 Schüler mit Lateinunterricht. Quelle: Statistisches Bundesamt (2004). lFLd 33 (2004) 252 Olaf Bärenfänger Nicht selten erhoffen sich Lerner auch durch Sprachferien oder Exkursionen, für die selbstverständlich weitere Gelder aufgewendet werden müssen, eine Verbesserung ihrer zielsprachlichen Kompetenz. Unabhängig vom finanziellen Aspekt müssen Fremdsprachenlerner darüber hinaus in erheblichem Umfang zeitliche Ressourcen in ihren Spracherwerb investieren, und zwar für den Unterricht selbst, aber auch für Hausaufgaben, Übungen, das Lernen von Vokabeln, die Vorbereitung auf Prüfungen und Tests usw. Im Lichte so gearteter bildungsökonomischer Überlegungen erscheint die Frage entscheidend, ob die beim Fremdsprachenerwerb eingesetzten Mittel im Hinblick auf die jeweiligen Ziele der Lerner effizient verwendet werden bzw. welche Möglichkeiten bestehen, die genannten Ressourcen im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzepts möglichst effektiv zu nutzen. Ein vergleichsweise neuer Ansatz bei der Organisation komplexer Arbeitsabläufe besteht im Projektmanagement. In zahlreichen Wirtschaftsunternehmen setzt sich das Projektmanagement seit den achtziger Jahren mehr und mehr durch und kommt heute in so unterschiedlichen Bereichen wie der Automobil-, Luft und Raumfahrtindustrie, dem Baugewerbe, der Pharmaindustrie, in der Chemiebranche, im Gesundheitssektor, bei der öffentlichen Verwaltung und sogar bei der UNO zum Einsatz. Für den Siegeszug des Projektmanagements lassen sich eine ganze Reihe charakteristischer Stärken verantwortlich machen: ► Konsequente Zielorientierung: Durch eine eindeutige Benennung des Projektziels bzw. von Teilzielen besteht für alle Beteiligten jederzeit Klarheit darüber, was mit der Arbeit am Projekt erreicht werden soll. ► Differenziertheit: Die Projektplanung und -Steuerung ist im Hinblick auf ein spezifisches Projektziel maßgeschneidert; insofern hierbei die spezifischen Ausgangsvoraussetzungen und vorhandenen Ressourcen berücksichtigt werden, gibt es keine Lösungen „von der Stange". ► Effektivität: Der koordinierte Einsatz von Ressourcen im Hinblick auf das Projektziel führt zu einer effektiven Nutzung der verwendeten Mittel, d.h. zu einer Kostenund/ oder Zeitersparnis. ► Transparenz: Der so genannte Projektstrukturplan, das Kernstück jedes Projekts, enthält sämtliche durchzuführenden Arbeitsschritte und macht Aussagen über ihren zeitlichen Umfang. Auf diese Weise entsteht eine maximale Transparenz, d. h. es ist stets nachvollziehbar, welche Arbeitsschritte bereits abgearbeitet und welche noch zu vollziehen sind. Der Projektstrukturplan erlaubt zudem auf der Grundlage der einzusetzenden Ressourcen eine verlässliche Schätzung der entstehenden Kosten. ► Identifikation kritischer Ereignisse: Durch die Darstellung der Arbeitsprozesse und ihrer Dauer in geeigneten Diagrammen ist die Identifikation von zeitlichen Beschränkungen bei der Ablauf- und Terminplanung möglich. Kritische Ereignisse, die das Projektziel gefährden können, lassen sich so von Anfang an leichter identifizieren. ► Projektmonitoring: Durch eine systematische Überwachung des Projektverlaufs können die Erreichung des Projektziels gefährdende Probleme frühzeitig erkannt und in ihrer Wirkung auf den gesamten Projektverlauf eingeschätzt werden. lFJLlllllL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 253 ► Planungssicherheit: Die verbindliche Festlegung von Zielen, die gute Planbarkeit von Kosten sowie die hohe Transparenz der Arbeitsprozesse gewährleisten Planungssicherheit. ► Motivation der Projektmitarbeiter: Insofern sich die Projektmitarbeiter stärker mit ihrer Tätigkeit identifizieren als bei anderen Arbeitsformen, sind sie meist hoch motiviert. Angesichts der weiten Verbreitung des Projektmanagements in der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor sowie seiner vielfältigen Vorteile drängt sich die Überlegung auf: Lässt sich nicht auch das Lernen einer Fremdsprache als „Projekt" im oben skizzierten Sinne auffassen, bei dem für das mittelfristige Ziel eines Lerners, eine fremde Sprache zu einem bestillllllten Kompetenzgrad zu erwerben, vorhandene Ressourcen möglichst intelligent und sparsam eingesetzt werden sollen? Gesetzt den Fall, die vielleicht mancher erfahrenen Lehrkraft unkonventionell, wenn nicht ketzerisch anmutende Frage ließe sich positiv beantworten, könnte damit eine in zahlreichen Arbeitsbereichen vielfach bewährte Organisationstechnik (vgl. LITKE 2004: 25) auf die spezifischen Gegebenheiten von Lernprozessen übertragen bzw. angepasst werden. Unter dem Schlagwort „Lernmanagement" wird im vorliegenden Beitrag der Versuch unternollllllen, den gesteuerten Fremdsprachenerwerb stellvertretend für jegliche Form von Lernprozessen als Projekt im Sinne des Projektmanagements zu konzeptualisieren. Insofern dabei nicht an erster Stelle der fremdsprachliche Unterricht im Mittelpunkt steht, sondern generell auf Fremdsprachenerwerb abzielende Lernumgebungen, stellt das Lernmanagement ein sehr allgemeines Rahmenkonzept für die Ermöglichung bzw. Steuerung von Sprachlernprozessen dar. Mit diesem Bezugsrahmen soll es insbesondere möglich sein, für jedes Lernprojekt (und somit für jeden individuellen Lerner) die am besten geeignete Kombination von Lernmaßnahmen zu ermitteln, also etwa Unterricht, auf den Lerner(typ) zugeschnittene Übungsformen, adressatenspezifische Medien usw. Das vorgelegte Konzept versteht sich dabei lediglich als sicherlich noch ergänzungsbedürftiger und verbesserungswürdiger Entwurf, der in erster Linie im Interesse von Fremdsprachlernern die Schaffung günstigerer Lernbedingungen anstrebt. Wenn Lernmanagement einer ähnlichen Logik folgt wie das Projektmanagement, so lassen sich bei der Durchführung eines Lernprojekts vier thematische Blöcke unterscheiden: der Projektstart, bei dem auf dem Hintergrund einer Problembzw. Bedarfsanalyse ein Projektziel definiert wird und die Rollen und Befugnisse der Beteiligten festgelegt werden; der Planungsblock, in dem sämtliche zur Erreichung des Projektziels notwendigen Arbeitspakete und die zeitliche Abfolge ihrer Abarbeitung identifiziert werden; der Block der Projektüberwachung und Projektsteuerung, in dem der zuvor festgelegte Plan sukzessive umgesetzt und seine zielgerichtete Ausführung kontrolliert wird; und schließlich der Projektabschluss, an dem geprüft wird, ob das vereinbarte Projektziel auf effektivem Weg erreicht wurde. Die nachfolgende Darstellung des Lernmanagementkonzepts orientiert sich an den vier genannten thematischen Blöcken. JF[,1JL 33 (2004) 254 Olaf Bärenfänger Start des Lernprojektes - Formulierung des übergeordneten Lernziels - Formulierung von Teilzielen - Etablierung der Projektorganisation - Erstellung eines Lernportfolios - Kick-off-Meeting Projektplanung - Projektstrukturplan - Ablaufplanung/ Terminplanung - Kostenplanung - Risikoanalyse Überwachung und Steuerung Abschluss des Lernprojektes - Abschlussbericht - Abschlussveranstaltung Abb. 1: Die vier Phasen des Lernmanagements 2. Lernmanagement Das Lernmanagement begreift Lernprozesse wie den Erwerb einer Fremdsprache als Durchführung von Lernprojekten. Der Terminus „Projekt" versteht sich dabei, einer klassischen Definition des Projektmanagements folgend, als "any task which has a definable beginning and a definable end" (MARTINO 1964: 17). Weitere Charakteristika sind, dass Projekte aus zwar verschiedenen, jedoch miteinander zusammenhängenden lFILiuilL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 255 Arbeitspaketen bestehen, für deren Erledigung auf unterschiedliche Ressourcen zurückgegriffen werden muss (ibidem). Im Hinblick auf solchermaßen beschaffene Projekte ist es die Aufgabe des Projekt- und Lernmanagements gleichermaßen sicherzustellen, "daß vereinbarte System- und Projektziele im Rahmen der personellen, terminlichen und finanziellen Randbedingungen erreicht werden" (LITKE 2004: 25). 2.1 Start eines Lernprojekts Im Zuge der Startphase eines Lernprojekts sind in erster Linie vier Aufgaben zu erledigen: (1) die Formulierung des übergeordneten Lernziels; (2) eine Verständigung darüber, welche Personen an dem Lernprojekt mitwirken; (3) die Einrichtung der Projektdokumentation; und (4) die Durchführung einer Startveranstaltung "Kick-off-Meeting"). 2.1.1 Formulierung des übergeordneten Lernziels Der wohl wichtigste Teil des Projektstarts besteht in der Formulierung des Projektziels, das sich in der Regel in verschiedene inhaltliche Teilziele gliedert. In der Literatur zum Projektmanagement wird ein Ziel beschrieben als zukünftiger realistischer Soll-Zustand, dessen Erreichen wünschenswert ist, der bewusst gewählt wird und der nur durch Handlungen erreicht werden kann (PLATZ/ SCHMELZER 1986: 89). Im Allgemeinen ergibt sich das Projektziel als Ergebnis eines Abstimmungsprozesses zwischen einem Auftraggeber und dem Projektleiter. Die Teilziele eines Projekts werden häufig in einem so genannten Pflichtenheft festgehalten, das dann die Grundlage für die Planung der Projektstruktur, d.h. der innerhalb eines Projektes zu erledigenden einzelnen Aufgaben und ihres inhaltlichen Zusammenhangs, bildet. Bei den Teilzielen ist zu unterscheiden zwischen Pflichtzielen, die im Rahmen der Projektarbeit auf jeden Fall erreicht werden müssen, und Wunschzielen, deren Erreichung zumindest wünschenswert ist. Wichtige Teilziele sind neben inhaltlichen Teilzielen in den meisten Fällen die Kostenziele sowie die Terminziele eines Projekts. Für die Realisierung von Lernprojekten ist die sorgfältige Ausbuchstabierung des übergeordneten Lernziels aus drei Gründen zwingend geboten: Erstens stellt das Lernziel die Grundlage für alle Planungen und die gesamte Arbeit am Projekt dar; zweitens wissen die Projektbeteiligten jederzeit verbindlich, was für ein „Produkt" zum Projektabschluss vorliegen soll; drittens ist es nur mithilfe der Zieldefinition möglich, das Projektende bzw. die Kriterien für ein erfolgreiches Lernprojekt zu bestimmen. Mit dem Ansatz, Fremdsprachenlernern eine klare Vorstellung über die Ziele ihrer Lerntätigkeit zu ermöglichen, besteht eine deutliche Parallele zum Konzept der Sprachlernberatung (vgl. beispielsweise KLEPPINIMEHLHORN, erscheint). Wird der Fremdsprachenerwerb als Planung und Realisierung eines Lernprojekts verstanden, so ergibt sich als unmittelbare didaktische Konsequenz: Anders als bei vielen klassischen Unterrichtsmethoden muss systematisch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Lerner mit ihrem Fremdsprachenerwerb in der Regel sehr unterschiedliche, JFLlllL 33 (2004) 256 Olaf Bärenfänger für sich durchaus legitime Ziele verfolgen. Zu den möglichen Motiven für den Fremdsprachenerwerb können neben einem vorrangigen Interesse an der Fremdsprache selbst beispielsweise auch der Wunsch gehören, elterlichen Forderungen zu genügen oder einem Lehrenden zu gefallen; die Notwendigkeit, eine Sprachprüfung abzulegen um die Studierfähigkeit nachzuweisen; der Wunsch, lediglich eine kommunikative Minimalkompetenz in der Sprache eines Urlaubslands zu erwerben; Berufschancen zu verbessern; andere Menschen kennen zu lernen usw. (einen Überblick über die Rolle von Motivationen beim Fremdsprachenerwerb geben RIEMER 2001 sowie KLEPPIN 2001 und 2002). Insofern diese Ziele nur von jedem Lerner individuell erreicht werden können, ist grundsätzlich für jeden Lerner ein eigenes Lernprojekt anzusetzen. In dieser Hinsicht ist das Lernmanagement prinzipiell lernerzentriert. Wie schon angedeutet, ist das Lernmanagement bezüglich der denkbaren Lernziele völlig neutral: Es kommt für alle an einem Lernprojekt Beteiligten einzig darauf an, die vereinbarten Ziele so effizient wie möglich Wirklichkeit werden zu lassen. Als Folge dieser Überlegung kommt natürlich auch Fremdsprachenlehrern als Schlüsselfiguren in Lernprojekten eine neue Rolle zu: Ihre Aufgabe ist es, den Unterricht konsequent an den Projektzielen ihrer Lernenden auszurichten. Ein solches verändertes Rollenverständnis, bei dem Lehrer mehr Lernhelfer und Lernpartner sind, wurde bereits allerdings mit anderer Begründung von den Befürwortern der Lernerautonomie gefordert (vgl. beispielsweise BENSON 2001, BIMMELIRAMPILLON 2000, LITTLE 1997: 236 ff, SCHLAK 2002: 70 f, VIEIRA 1997). Kennzeichnend für das Lernmanagement ist schließlich auch die Verbindlichkeit der Zielfestschreibung. Wurde das Projektziel als konsensuales Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen dem Auftraggeber und dem Projektleiter erst einmal vereinbart, sind Änderungen des ursprünglichen Ziels nur mit der Zustimmung dieser beiden Akteure möglich. Auch für die Fremdsprachendidaktik scheint dieser Vertragscharakter der Zielvereinbarung von Vorteil zu sein (CULLEY 1996), denn alle arn Lernprozess Beteiligten wissen um ihre Verpflichtungen. Besonders im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts sollte auf diese Weise eine stärkere Einbeziehung der Lerner möglich sein. Darüber hinaus wirkt sicherlich auch das Bewusstsein, dass alle arn Lernprozess Beteiligten das gleiche Ziel verfolgen, motivationsfördernd. 2.1.2 Akteure im Lernmanagement Eine zweite wichtige Aufgabe in der Startphase eines Lernprojekts stellt die Etablierung der Projektorganisation dar. Hierbei wird der „Ordnungsrahmen geschaffen, der das zielgerichtete Zusammenwirken der arn Projekt Beteiligten und den reibungslosen Ablauf des Projekts sicherstellen soll" (LITKE 2004: 63). Im Detail müssen bei diesem Arbeitsschritt die Zuständigkeiten, Verantwortungen und Kompetenzen eindeutig festgelegt werden, wobei sowohl auf eine stabile wie auch auf eine flexible Organisationsstruktur zu achten ist (ibidem). Klassischerweise gibt es im Hinblick auf die Projektorganisation drei Gruppen von Akteuren: den Auftraggeber, den Projektmanager und das Projektteam. Als Auftraggeber für Sprachlernprojekte kommen unterschiedliche Akteure in Frage: lFlL1.lllL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 257 Im öffentlichen Bereich tritt in großem Umfang der Staat in dieser Funktion auf, der Schulen und Hochschulen bzw. Lehrer mit der Durchführung von Sprachlernprojekten betraut. Auch erteilen Wirtschaftsunternehmen privaten Sprachlehrern oder Sprachschulen entsprechende Aufträge. Des Weiteren kommen Eltern als Auftraggeber für (private) Sprachlernprojekte in Frage. Eine Sonderstellung nehmen solche Sprachlernprojekte ein, bei denen eine Person zugleich Auftraggeber und wichtigster Projektmitarbeiter ist, etwa im Zusammenhang der Erwachsenenbildung, wenn sich ein Lerner selbst für den Erwerb einer Fremdsprache entscheidet. Für den Projekterfolg unmittelbar verantwortlich ist der Projektmanager. Bei ihm laufen alle Informationen zusammen, er koordiniert die Projektplanung und -durchführung und überwacht den plangemäßen Fortgang der Arbeiten (LITKE 2004: 169). LITKE (2004: 164) weist auf die vielfältigen vom Projektleiter geforderten Kompetenzen hin, der als „Führer, Motivator, Trainer, Psychologe, Konfliktmanager [...] in einer Person" tätig werden muss. Klassischerweise ist als Manager von Sprachlernprojekten in erster Linie an Lehrer zu denken, die allerdings, wie bereits angedeutet, ein erweitertes Verständnis ihrer Rolle entwickeln müssen. So sind es meist Lehrer, die über die bloße Vermittlung von Unterrichtsstoff weit hinausgehend die Zielvorgaben des Auftraggebers (etwa niedergelegt im Curriculum) umsetzen und den Projektmitarbeitern, also vor allem den Lernern, plausibel machen; Lehrer entwickeln einen detaillierten Arbeitsplan, wie das abstrakte Ziel des Auftraggebers durch das Abarbeiten von Arbeitspaketen in einer sinnvollen Reihenfolge zu realisieren ist; Lehrer motivieren sämtliche am Lernprojekt Beteiligten, nach Kräften zum Projekterfolg beizutragen; Lehrer evaluieren kontinuierlich den Lernfortschritt und leiten ggf. Modifikationen des ursprünglichen Plans ein. Im Kontrast zu dieser konventionellen Sichtweise ist es auch denkbar, Lerner selber als Projektmanager zu konzeptualisieren. Unter den Bedingungen der Lernerautonomie ist es nämlich der Lerner selbst, der für die Erreichung des übergeordneten Lernziels auch unter Miteinbeziehung anderer Personen - Verantwortung trägt. Dass im Rahmen des vorgestellten Lernmanagementkonzepts sowohl eher traditionelle Formen des Lernens und Lehrens als auch selbstgesteuertes Lernen modellierbar sind, deutet auf die methodisch-didaktische Offenheit des Entwurfs hin. Zu den Mitarbeitern von Lernprojekten zählen schließlich alle diejenigen Personen, die für die Erledigung mindestens eines Arbeitspakets zuständig sind. Bei Sprachlernprojekten ist selbstverständlich der Lerner der wichtigste Projektmitarbeiter, denn ein Großteil der Projektarbeit findet „in seinem Kopf' statt. Weitere denkbare Projektmitarbeiter sind Sprachlehrer, die für die Stoffvermittlung zuständig sind; Tutoren, die Übungen begleiten; Kommilitonen bzw. Klassenkameraden, die bei Lernprozessen Unterstützung leisten; Tandempartner; Lernberater, die konkrete Hilfestellungen bei der Organisation von Lernprozessen leisten; Verwalter von Lehr- und Lernmaterialien (z.B. Mitarbeiter in Bibliotheken und Mediatheken); und schließlich Prüfer im weitesten Sinne, deren Aufgabe in der Evaluation (von Teilen) der Projektarbeit besteht. Führt man sich vor Augen, wie viele Personen oft an der Arbeit an einem Lernprojekt beteiligt sind, liegt es auf der Hand, dass Konflikte oder sonstige „Reibungsverluste" auftreten können (LITKE 2004: 55-64). Für die koordinierte Arbeit der unterschiedlichen lFJLlLIL 33 (2004) 258 Olaf Bärenfänger Projektmitarbeiter, d.h. für die zielgemäße Nutzung der Ressourcen, ist ausschließlich der Projektmanager zuständig. Seine Aufgabe ist es zudem, den sachdienlichen Informationsaustausch der verschiedenen Projektmitarbeiter zu ermöglichen (LITKE 2004: 169). Ein weiterer Konflikt kann entstehen, wenn Lerner (in ihrer Eigenschaft als Projektmitarbeiter) andere Ziele verfolgen als der Auftraggeber eines Lernprojekts. In diesem Falle muss der Projektmanager in der Regel wohl ein Lehrer zwischen den beiden anderen Parteien vermitteln und die Lerner auf die Erreichung der vorgegebenen Projektziele einschwören. 2.1.3 Die Dokumentation von Lernprojekten: Lernportfolios Keinen Akt unnützer Bürokratie, sondern fundamentaler Bestandteil eines jeden Projekts stellt die Projektdokumentation in Form eines Lernportfolios dar. Das Lernporfolio enthält alle zentral wichtigen Dokumente zum Nachvollzug des Projektverlaufs, also etwa zu den vereinbarten Lernzielen und zum aktuellen Stand der Projektplanung. Folgende Dokumente sollten im Lernportfolio enthalten sein: ein Festschreibung des übergeordneten Lernziels; das Pflichtenheft, d.h. die Auflistung der aus dem übergeordneten Lernziel abgeleiteten Teilziele; eine Darstellung der Projektorganisation mit den Namen und Funktionen der beteiligten Akteure einschließlich ihrer Telefonnummern bzw. Email-Adressen; Lernstrukturpläne; Modifikationen der ursprünglichen Lernstrukturpläne; Statusberichte zum Fortgang der Lernprojekts; und schließlich ein Schlussresümee. Im Rahmen von Sprachlernprojekten sind Dokumentationen von Lehr- und Lernprozessen ohnehin keineswegs unüblich, ob es sich dabei nun um von Lehrern geführte Klassenbücher handelt, "Notenbücher" mit Notizen zu den Leistungen von Schülern, kommentierte Zeugnisse, Beraternotizen im Kontext von Sprachlernberatungen oder auch Lerntagebücher. Eine konsequente Anwendung des Projektansatzes auf Sprachlernprozesse bedeutet lediglich, die oben aufgeführten Informationen systematischer zusammenzutragen, um eine bessere Übersicht und detailliertere Informationen über Ziele und den Weg der Zielerreichung präsent zu haben. Da Lerner selbst an der Erstellung des Lernportfolios beteiligt sind, sollte dies eine tiefer gehende Reflexion ihres Lernens (einschließlich ihrer Lernstrategien) bewirken und ihre Motivation erhöhen. Außerdem lässt sich der Gang eines Lernprojekts retrospektiv betrachten und mögliche Fehler bei künftigen Lernprojekten vermeiden (in diesem Sinne allgemein LITKE 2004: 29). Schließlich dürften ausführliche Dokumentationen von Sprachlernprojekten auch für die Fremdsprachenerwerbsforschung und die Fremdsprachendidaktik eine wertvolle empirische Erkenntnisquelle darstellen. 2.1.4 Startveranstaltung Der Projektansatz sieht als offiziellen Beginn eines Projekts eine Startveranstaltung, häufig auch „Kick-off-Meeting" genannt, vor. Dieses Treffen aller an einem Projekt Beteiligten verfolgt dreierlei Ziele: Als erstes sollen die Akteure sich und ihre spezi- IFLiruL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 259 fischen Kompetenzen kennen lernen; zweitens soll eine Vorstellung des Projekts und besonders der übergeordneten Projektziele erfolgen; drittens werden „Spielregeln" für die Projektarbeit einschließlich möglicher Sanktionen bei Nichteinhaltung festgeschrieben (LITKE 2004: 185). Es mag trivial klingen, aber nur, wenn die an einem Projekt arbeitenden Personen angemessen miteinander kommunizieren, ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit möglich und damit die Erreichung des Projektziels. Die Startveranstaltung schafft den äußeren Rahmen dafür, dass die an einem Projekt Beteiligten eine Kommunikationskultur entwickeln können, d.h. ein Wissen darüber, welche Informationen auf welche Weise an welche Personen mitgeteilt werden müssen. Voraussetzung hierfür ist eine besonders für Lernprozesse entscheidende konstruktive Atmosphäre, für deren Schaffung vor allem der Projektleiter Verantwortung trägt. Für erfolgreiche Lernprojekte ist des Weiteren ein Wissen der Projektbeteiligten darüber ausschlaggebend, wer innerhalb des Projekts über welche spezifischen Kompetenzen verfügt und deshalb welche Funktionen im Projekt übernimmt. Gerade bei Lernprojekten müssen die Lerner permanent dazu ermutigt werden, auf die Kompetenzen anderer zurück zu greifen, etwa in deren Funktion als Experten für die Evaluation von Lernfortschritten, als Spezialisten für die Vermittlung von Lern- oder Informationsverarbeitungsstrategien, als Experten für interkulturelles Wissen usw. Im Hinblick auf Projektziele soll die Startveranstaltung bei allen Projektmitarbeitern einen gemeinsamen Informationsstand entwickeln helfen. Um den Beteiligten an einem Lernprojekt eine stärkere Identifikation mit den Lernzielen zu ermöglichen und sie somit besser für die Projektarbeit zu motivieren, ist eine gemeinsame Diskussion der Projektziele sinnvoll. Wünschenswert ist es in diesem Zusammenhang auch, die individuellen Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche der Projektmitarbeiter zu thematisieren. Unter Umständen ist es für den Projektmanager notwendig, hier korrigierend einzugreifen, um nicht den Projekterfolg aufgrund enttäuschter und in der Folge demotivierter Projektmitarbeiter zu gefährden. Nicht selten dürften nämlich Fremdsprachenerwerbsprozesse deshalb unbefriedigend verlaufen, weil die Lerner zu Beginn unrealistische Erwartungen hegen. Den dritten zentralen Gegenstandsbereich der Projektstartveranstaltung stellt die Vereinbarung von „Spielregeln" für die gemeinsame Arbeit an einem Lernprojekt dar. Neben einer Absprache von allgemeinen Regeln für den Umgang miteinander (z.B. die o.g. Kommunikationskultur) sind Abmachungen darüber zu treffen, welche Pflichten die einzelnen Projektbeteiligten übernehmen und welche Sanktionen bei Nichterfüllung greifen sollen. Lerner könnten sich so beispielsweise zu einer termingerechten Erfüllung von Übungsaufgaben, zur Pünktlichkeit oder einer konsequenten Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen verpflichten, Lernberater hingegen zu regelmäßigen Konsultationen oder Prüfungsexperten zu kontinuierlichen Evaluationen des Lernerfolgs. Aus der autonomen gemeinsamen Aushandlung von „Spielregeln" resultiert deren Selbstverpflichtungscharakter, der wiederum zu einer reibungsloseren Projektarbeit führen soll. Wenn es auch kaum gangbar erscheint, für jedes einzelne Lernprojekt alle daran JFLllll[, 33 (2004) 260 Olaf Bärenfänger beteiligten Personen zu einer gemeinsamen Startveranstaltung zu versammeln: Sinnvoll ist es in jedem Fall, ein solches Treffen für ein „Bündel" von Lernprojekten anzubieten, etwa in der Form einer Semesterauftaktveranstaltung für studentische Sprachlerner, bei der alle Lehrkräfte, Tutoren, Lernberater, Mitlerner, Vertreter aus der Bibliothek/ Mediathek usw. zugegen sind. Bei hochbezahlten Sprachkursen für die Industrie empfiehlt es sich allemal dem Lerner auf solche Weise zu signalisieren, dass er ernst genommen wird. 2.2 Die Planung von Lernprojekten Es ist unschwer nachzuvollziehen, dass der Projekterfolg in einem direkten Zusammenhang mit einer sorgfältigen und sachgemäßen Planung steht. Nachdem in der Phase des Projektstarts ein übergeordnetes Lernziel und daraus abgeleitete Teilziele festgelegt und dokumentiert wurden, kommt es im darauffolgenden Schritt darauf an, Lösungswege zur Erreichung der Teilziele zu finden und darauf aufbauend entsprechende Arbeitsaufgaben zu definieren. Als Schritte bei der Lösungsfindung werden zunächst die Zerlegung eines komplexen Problems in einzelne, übersichtlichere Teilprobleme genannt, anschließend die Findung von Lösungsvarianten (z.B. mit der Hilfe von Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder Brainwriting), die Lösungsbewertung und -auswahl sowie schließlich die Detailausarbeitung (LITKE 2004: 39). Die Projektplanung zielt dann letztendlich auf der Basis der gewählten Lösung auf die Ermittlung sämtlicher zukünftiger Aufgaben ab, die von den Projektmitarbeitern zur Erreichung des Projektziels zu erledigen sind (PLATZ 1987: 131). Diese werden im Zuge der Erstellung eines Projektstrukturplans in eine hierarchische Struktur gebracht. Auf dieser Grundlage sind dann die Ablauf-, Termin- und Kostenplanung des Projekts sowie eine Einschätzung potenzieller Projektrisiken möglich. 2.2.1 Planung der Projektstruktur: Der Lernstrukturplan Der Projektstrukturplan als Kernstück der Projektplanung lässt sich bündig definieren als "ein hierarchisches Schema, an dessen Spitze die Hauptaufgabe steht. Diese ist in Teilaufgaben gegliedert, die ihrerseits in Unteraufgaben der nächstniedrigeren Ebene unterteilt werden können. Eine nicht mehr zu teilende Aufgabe heißt Arbeitspaket" (Litke 2004: 93). Die Formulierung der (Teil-) Aufgaben seitens des Projektmanagers (und ggf. weiterer Personen) erfolgt dabei im Hinblick auf das vom Auftraggeber vorgegebene Projektziel bzw. die mit ihm in Verbindung stehenden Teilziele. Die Grafik auf der folgenden Seite stellt den rudimentären Projektstrukturplan für ein Lernprojekt, im Folgenden als Lernstrukturplan bezeichnet, aus dem Bereich des Vokabellernens dar. Aus Übersichtsgründen ist nur die Teilaufgabe resp. der Lernstoff „Alltagsleben" in Arbeitspakete ausdifferenziert; natürlich ist dieser Schritt für sämtliche Teilaufgaben vorzunehmen. JFLIIL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... Teilaufgabe/ Lernstoff: Hauptaufgabe: Erwerb des Grundwortschatzes Englisch (2000 Wörter) Teilaufgabe/ Lernstoff: Teilaufgabe/ Lernstoff: Teilaufgabe/ Lernstoff: Der menschliche Körper Alltagsleben Hotel und Reisen Arbeitspaket: 200 Vokabeln im Selbststudium Arbeitspaket: Präsenzunterricht: Lektüre eines geeigneten Textes Arbeitspaket: Vertiefung durch Selbststudium mit Arbeitsbuch Arbeitspaket: Selbstevaluation des Lernerfolges Abb. 2: Beispiel für einen Lernstrukturplan für ein Projekt "Erwerb des Grundwortschatzes Englisch" 261 Welche Aufgaben sich letztlich im Lernstrukturplan wiederfinden, hängt allein vom gewählten Lösungsweg zur Erreichung des Projektziels ab. Im Hinblick auf die Wege zur Erreichung von Zielen, also auf Methoden, ist das Lernmanagement also neutral. Für den Projekterfolg entscheidend ist vielmehr, dass die einzelnen Arbeitspakete bestimmten Akteuren zugeordnet werden, die für ihre terrnin- und kostengerechte Erledigung verantwortlich zeichnen (Produktkontrolle statt Verfahrenskontrolle). Des Weiteren verknüpfen sich mit Arbeitspaketen Informationen zu ihrer Dauer sowie zum benötigten Personen- und Materialeinsatz. Ferner sind als Bestandteile von Lernstrukturplänen so genannte Meilensteine (milestones) zu nennen, unter denen wesentliche Teilergebnisse eines Projekts zu verstehen sind. Meilensteine bilden den Abschlusspunkt einer Projektphase, also einer Gruppe von Arbeitspaketen. Im gegebenen Beispiel wären die Teilaufgaben „Der menschliche Körper", "Alltagsleben", "Hotel und Reisen" usw. Meilensteine. Als wesentliche Schlüsselereignisse ermöglichen sie einerseits eine Kontrolle des Projektverlaufs (LITKE 2004: 29) und andererseits ggf. eine Korrektur des ursprünglichen Projektplans. Als Vorteile von Projektstrukturplänen nennt LITKE (2004: 96 f) unter anderem folgende: Insofern sich Projektstrukturpläne graphisch darstellen lassen, ermöglichen sie einerseits allen Projektbeteiligten einen schnellen und vollständigen Überblick über das Projekt und führen damit zu Transparenz; ihrer großen Übersichtlichkeit wegen eignen sich Projektstrukturpläne deshalb auch besonders gut für Präsentationen. Andererseits kann dieses Instrument aber auch bei der Kontrolle hilfreich sein, ob bei der Planung tatsächlich auch alle notwendigen Arbeitspakete berücksichtigt wurden. Auf der Basis ]F[.,lJIL 33 (2004) 262 Olaf Bärenfänger der Projektstrukturpläne, die Angaben zu Art, Dauer und den für die Erledigung notwendigen Ressourcen enthalten, sind schließlich detaillierte Aussagen über den anfallenden Personal- und Materialeinsatz treffen. Was bedeutet nun der Einsatz der vorgestellten Planungstechnik in Bezug auf das Lernmanagement? Vor allem ist wiederum auf die methodisch-didaktische Offenheit des Lernmanagements zu verweisen: Auf welchem Weg ein bestimmtes Lernziel erreicht wird, ist zunächst einmal unerheblich. Ausschlaggebend ist allein, dass die Planer von Sprachlernprozessen Experten im Bereich der Fremdsprachendidaktik bzw. der Fremdsprachenerwerbsforschung sind, damit sie für das gesetzte Lernprojektziel die pädagogisch am besten geeignete Lösung finden. Dies setzt natürlich ein breites und aktuelles Wissen über Forschungen in den relevanten wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen voraus. KLEPPIN (2003: 81) nennt beispielsweise für den Kontext von Sprachlernberatungen Wissen in den folgenden Bereichen: Erfahrungswissen aus eigenen Lernprozessen oder aus Lernprozessen anderer Lerner; linguistisches Wissen; Kenntnisse über Fremdsprachenerwerbsprozesse; Kenntnisse über unterschiedliche Lernsituationen; Kenntnisse über individuelle Variablen beim Fremdsprachenlernen (z.B. Alter, Geschlecht, Motivation, Sprachlerneignung, Lernstile); Kenntnisse über Lernerautonomie und selbstgesteuertes Lernen; Kenntnisse über Lernstrategien; Kenntnisse über häufig auftretende Lernschwierigkeiten; frerridsprachendidaktische Kenntnisse; Kenntnisse über interkulturelles Verhalten; Wissen über Zertifizierungsanforderungen unterschiedlicher Institutionen; Wissen über Ressourcen zum Lernen von Fremdsprachen; Wissen über die Grenzen fachdidaktischer Forschung und die Grenzen des eigenen Wissens. Möglicherweise stellt der Lernstrukturplan bei der Vermittlung von Fremdsprachen ein ungewohntes Novum dar. Bislang dürften Fremdsprachenlerner in den seltensten Fällen einen detaillierten, zudem graphisch veranschaulichten Überblick über die im Zuge ihres Lernprojektes anfallenden Aufgaben sowie geeignete Anhaltspunkte für die Erfolgskontrolle erhalten. Eben diese Transparenz, die Möglichkeit, aufbereits Erreichtes zurückzublicken und den Aufwand der bis zur Zielerreichung noch abzuarbeitenden Aufgaben einzuschätzen, sollte indessen für Fremdsprachenlerner in besonders hohem Maße motivierend wirken. Ebenso ist davon auszugehen, dass Meilensteine in ihrer Eigenschaft als für die Zielerreichung wichtige Zwischenschritte bezüglich des Fremdsprachenerwerbs stimulierend wirken. 2.2.2 Ablaufplanung/ Terminplanung Im Zuge der Ablaufplanung eines Projekts werden die logischen Zusammenhänge zwischen Arbeitspaketen betrachtet. Ausgangspunkt hierfür ist der Projektstrukturplan, der auf seiner untersten Ebene, der Arbeitspaketebene, darauf hin zu untersuchen ist, welche Aufgaben die vollständige Bearbeitung von anderen Aufgaben voraussetzen bzw. bedingen (LITKE 2004: 98). Ein Element der Projektplanung, das in engem inhaltlichen Zusammenhang mit der Ablaufplanung steht, ist die Terminplanung. Hierbei wird zunächst die für die Erledigung eines jeden Arbeitspakets notwendige Dauer geschätzt. Auf dieser Basis erfolgt dann die lFLl.lllL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 263 Berechnung der Terminsituation, und zwar sowohl ausgehend vom Starttermin (Vorwärtsrechnung) als auch ausgehend vom anvisierten Endtermin (Rückwärtsrechnung) und unter Berücksichtigung der logischen Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen. Ein sehr leicht umzusetzendes und übersichtliches Verfahren zur graphischen Darstellung der Terminplanung ist das Balkendiagramm. Auf der y-Achse sind die im Projektstrukturplan enthaltenen Arbeitspakete aufgelistet und auf der x-Achse in Form eines Balkens ihre Dauer. Diese Darstellungsweise erlaubt es auf einen Blick zu sehen, welche Aufgaben zu welchem Zeitpunkt durchzuführen sind, wie lange sie dauern und welche Aufgaben gleichzeitig bearbeitet werden. Wegen seiner großen Übersichtlichkeit eignet sich das Balkendiagramm hervorragend zur Verständigung innerhalb des Projektteams über terminliche Aspekte; die Transparenz sollte bei Sprachlernprojekten wiederum motivierend auf die Lerner wirken. Folgendes Balkendiagramm bildet die Terminplanung für den im Lernstrukturplan spezifizierten Teillernstoff „Alltagsleben" ab: studium Lektüre eines geeigneten 13.05.04 13.05.04 lt Textes Vertiefung durch Arbeits- 06.05.04 12.05.04 5t buch Selbstevaluation des Lern- 14.05.04 14.05.04 lt erfolges Abb. 3: Gantt-Diagramm für den Teillernstoff "Alltagsleben" 2.2.3 Kostenplanung Das Vorgehen bei der Ermittlung der Gesamtkosten besteht analog zur Terminplanung darin, auf der Basis von Schätzungen die Kosten zunächst für jedes einzelne Arbeitspaket zu berechnen, dann für übergeordnete Projekteinheiten und schließlich für das Gesamtprojekt (LITKE 2004). Berücksichtigt werden müssen bei Sprachlernprojekten u.a. die Aufwendungen für Fremdsprachenlehrer, Tutoren, Unterrichtsliteratur, Medien, Unterrichtsräume, Schreibmaterial, PCs, Telefonkosten, Verwaltungskosten, ggf. Lizenzgebühren für Software und Online-Lernmaßnahmen, ggf. Kosten für Aufenthalte im Land der Zielsprache. Für Lerner dürften Kosten vermutlich nur dann von Interesse sein, wenn sie direkt von ihnen getragen werden müssen. Allerdings mag eine Übersicht über JFJLIUllL 33 (2004) 264 Olaf Bärenfänger die mit dem Sprachlernprojekt in Zusammenhang stehenden Kosten die Motivation steigern, das gesetzte Projektziel tatsächlich auch zu erreichen. Da viele Manager von Sprachlernprojekten wenig Erfahrung mit der Kostenrechnung haben und derartige Informationen beim Fremdsprachenerwerb nicht selten nur von marginaler Bedeutung sind, wird der Kostenplanung bei Lernprojekten tendenziell eine untergeordnete Rolle zukommen. 2.2.4 Risikoanalyse In der Praxis scheitern allzu viele Fremdsprachenlernbemühungen oder verlaufen doch zumindest lediglich suboptimal. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es unerlässlich, sich bereits bei der Projektplanung eingehend Gedanken darüber zu machen, welche Risiken den Projekterfolg hauptsächlich gefährden können. Allein schon das Wissen um die wesentlichen Risiken bringt es mit sich, dass bei Problemen schneller und gezielter Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Den Ausgangspunkt für die Risikoanalyse von Lernprojekten bildet wiederum der Lernstrukturplan, dessen einzelne Arbeitspakete auf mögliche Risiken hin abgeklopft werden. Durch die Darstellung des Zusammenhangs von Arbeitspaketen lässt sich auch leichter abschätzen, welche Konsequenzen die verzögerte oder gescheiterte Erledigung eines Arbeitspakets für das gesamte Lernprojekt nach sich zieht. Als potenzielle Risikofaktoren für Fremdsprachenerwerbsprozesse kommen u.a. in Frage fehlende oder nachlassende Motivation des Lerners, Ausfall von Lehrbzw. Betreuungspersonal, fehlende Akzeptanz für Lehrbzw. Übungsmaterialien oder für Arbeitsformen, Auslastung der Projektmitarbeiter durch projektfremde Aufgaben, lernerinterne Störfaktoren (z.B. emotionale Hemmungen, Lernblockaden, Prüfungsangst, Konzentrationsstörungen), gruppendynamische Prozesse (z.B. Kommunikationsprobleme mit anderen am Projekt beteiligten Personen, Ausgrenzung). Auch wenn das Konzept der Risikoanalyse in Zusammenhang mit dem Lernen von Fremdsprachen sicherlich ungewohnt ist, so stellt die systematische Erfassung von Lernrisiken und die diesbezügliche Erarbeitung von Gegenmaßnahmen doch ein entscheidendes Charakteristikum des Lernmanagements dar, das zu nachhaltig besseren Lernerfolgen führen sollte. 2.3 Die Überwachung und Steuerung von Lernprojekten Die vergleichsweise aufwändige Planungsarbeit kann nur dann die gewünschten Früchte tragen, wenn die termin- und kostengemäße Erreichung der gesetzten Zwischenziele permanent überwacht wird, oder mit anderen Worten: wenn ein ständiger Abgleich der im Projekt anfallenden Ist-Daten mit den durch den Lernstrukturplan vorgegebenen Soll- Daten erfolgt. Die Überwachung und Steuerung von Lernprojekten lässt sich am besten als Regelkreis modellieren, bei dem immer dann Interventionen seitens des Projektmanagers stattfinden, sobald im Zuge von Kontrollprozeduren Abweichungen von einem vorgegebenen Soll-Zustand auftreten. Nach LITKE (2004: 153) können solche PlanabweilFlLl.lL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 265 chungen durch unrealistische Planungen (z.B. Fehleinschätzung der Komplexität eines Projekts, ungenügende Planungserfahrung, unzureichende Planungsgrundlagen), unvorhersehbare Änderungen im Projektablauf (z.B. neue Erkenntnisse, neue Methoden, Verschiebung von Termin-, Kosten oder inhaltlichen Prioritäten) sowie durch Fehler in der Arbeitsausführung (z.B. ungenügende Arbeitseffizienz, ungenügende Qualität der Arbeitsergebnisse) entstehen. Im Falle von Planabweichungen ergibt sich für den Projektmanager die Notwendigkeit, adäquate Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den ursprünglichen Plan entsprechend zu modifizieren. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die präzise Formulierung der zu erreichenden Ziele sowie die Erhebung aussagekräftiger Ist- Daten. 2.4 Projektabschluss Gemäß der weiter oben angeführten Definition des Terminus „Projekt" spricht man vom Projektende dann, wenn allgemein nachvollziehbar das übergeordnete Projektziel erreicht wurde (im Sonderfall können Projekte allerdings auch mit einem Abbruch enden und sind dann als gescheitert zu betrachten). Um eine Entscheidung über den Erfolg eines Projekts treffen zu können, muss das Projektziel so formuliert sein, dass seine Erreichung objektiv gemessen werden kann. Bei Sprachlernprojekten bietet es sich förmlich an, dies mit Hilfe von Sprachtests zu überprüfen. Das Ende eines Projekts wird in einem Abschlussresümee dokumentiert, das insbesondere eine Gegenüberstellung der ursprünglichen Ziele mit den erreichten Ergebnissen vornimmt. Sinnvoll erscheint es in diesem Zusammenhang auch, kompetente Ansprechpartner zu benennen, die noch nach Projektende für Nachfragen und bei Problemen zur Verfügung stehen. Um ein Projekt, wie in der Literatur zum Projektansatz gefordert (LITKE 2004: 242), auch äußerlich sichtbar zu einem Abschluss zu bringen, sollte als Pendant zur Auftaktveranstaltung eine Abschlusssitzung dui: chgeführt werden. Während dieser wird das Erreichen der Projektziele diskutiert, es werden Anerkennung und Kritik ausgetauscht und die während der Projektarbeit gemachten Erfahrungen kritisch reflektiert. Im Sinne einer Erfahrungssicherung ist es sowohl möglich, für künftige Projekte aus den begangenen Fehlern zu lernen als auch auf der Grundlage der Erfahrungen zuverlässigere Planungen vorzunehmen. Für die weitergehende Motivation von Fremdsprachenlernern ist es mit Sicherheit förderlich, den Abschluss von Lernprojekten mit einer Feier zu begehen. 3. Zusammenfassung und Ausblick: Die sieben Prinzipien des Lernmanagements Das Konzept des Lernmanagements, wie es im vorliegenden Beitrag entworfen wurde, enthält zweifellos eine Reihe bislang im Fremdsprachenunterricht ungewohnter Vorgehensweisen. Um abschließend die wesentlichen Charakteristika noch einmal deutlich hervortreten zu lassen, sind hier sieben Prinzipien des Lernmanagements aufgelistet: lFLw.. 33 (2004) 266 Olaf Bärenfänger 1. Lernmanagement ist lernerzentriert: Im Zentrum aller Bemühungen steht das Ziel, jedem Lerner einen optimalen Lernerfolg'Zu ermöglichen. Insofern Lernen in letzter Instanz individuell „im Kopf' jedes Lerners stattfindet, ist das Lernmanagement konsequent auf die spezifischen Bedürfnisse und Voraussetzungen eines jeden Lerners ausgerichtet. 2. Lernmanagement ist im Hinblick auf die Lernziele neutral: Es wird der Umstand respektiert, dass sich die Ziele eines jedes Lernprojekts unterscheiden können. Die individuellen Ziele werden nicht als „besser" oder „schlechter" bewertet. 3. Lernmanagement ist didaktisch-methodisch offen: Das Konzept versteht sich in erster Linie als Heuristik, Ziele zu definieren und Arbeitsaufgaben daraus abzuleiten. Lernmanagement macht darum keine Vorgaben, wie die Ziele umzusetzen sind. Die Erarbeitung von Lösungswegen liegt allein im Zuständigkeitsbereich und Ermessen des Projektleiters bzw. seines Projektteams. 4. Lernmanagement zielt auf Transparenz: Die Explikation der Ziele, die Abstimmung über Zuständigkeiten, die Veranschaulichung der Aufgaben und ihres logischen Zusammenhangs sowie ein Überblick über bereits erreichte Zwischenziele fördern die Transparenz von Lernprozessen. 5. Lernmanagement fördert die Motivation von Lernern: Lerner werden systematisch in die Gestaltung ihres Lernprozesses eingebunden. Dieses Vorgehen führt zu einem größeren commitment für den Lernprozess. Ähnlich ermöglicht auch das messbare Erreichen von Zwischenzielen motivierende Erlebnisse. 6. Lernmanagement trägt der Tatsache Rechnung, dass Lernprozesse kollaborativ in Gruppen stattfinden: Anders als bei zahlreichen konventionellen didaktischen Entwürfen wird berücksichtigt, dass an der Realisierung erfolgreicher Sprachlernprozesse meist eine Vielzahl unterschiedlicher Personen beteiligt sind. Das Lernmanagement intendiert, die Tätigkeiten dieser Personen im Sinne der Lernzielerreichung zu koordinieren. 7. Lernmanagement ist risikobewusst: Der Konzeption von Lernprozessen liegt nicht nur eine Idealvorstellung über deren Verlauf zugrunde. Vielmehr werden in systematischer Weise auch Faktoren einbezogen, die das Scheitern des Lernprojektes zur Folge haben können. Aus dem Dargelegten sollte deutlich geworden sein, dass es sich beim Lernmanagement um ein äußerst flexibles und sehr offenes Instrument zur Planung und Durchführung von Lernprozessen bzw. zur Gestaltung von Lernumgebungen handelt. Ein Einsatz bietet sich sowohl im Zuge von Lernberatungen zur Ermöglichung selbstgesteuerten Lernens an, aber auch bei der Planung von Sprachkursen, dem Design von Online-Lernmaßnahmen oder der Eimichtung von Sprachenzentren mit einer Kombination von Präsenz- und Onlinelernformen (blended learning). Es ist davon auszugehen, dass sich durch den Einsatz des Lernmanagements in all den genannten Sprachlernkontexten größere Lernerfolge erzielen lassen. lFJL1JilL 33 (2004) Fremdsprachenlernen durch Lernmanagement ... 267 Literatur BENSON, Phil (2001): Teaching and Researching Autonomy in Language Learning. London: Longman. BIMMEL, Peter/ RAMPILLON, Ute (2000): Lernerautonomie und Lernstrategien. Fernstudieneinheit 23. Berlin [etc.]: Langenscheidt. 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STATISTISCHES BUNDESAMT (2004): Allgemein bildende Schulen, Schüler/ innen mitfremdsprachlichem Unterricht. [online]. [Verfügbar im Internet unter: http: / / www.destatis.de/ basis/ d/ biwiku/ schu1tabl5.htm] VIEIRA, Flavia (1997): "Pedagogy for autonomy: exploratory answers to questions any teacher should ask". In: MÜLLER-VERWEYEN, Michael (Hrsg.): Neues Lernen - Selbstgesteuert -Autonom. München: Goethe-Institut (Standpunkte zur Sprach- und Kulturvermittlung 7), 53-72. lFLlllllL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte LANGENSCHEIDTe-Handwörterbuch Französisch. Französisch-Deutsch, Deutsch-Französisch. CD- ROM. Berlin und München: Langenscheidt 2003 [79 €] Bereits in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde darüber spekuliert, dass elektronische Wörterbücher mit entsprechend innovativem Potential „die papierorientierten in absehbarer Zeit verdrängen werden"'. So recht mochte man dieser Prognose in der Anfangsphase keinen Glauben schenken; zu oft wurden die großen Erwartungen, die man hinsichtlich der „Fähigkeiten" der Software hegte, enttäuscht. Aufgrund der enormen Fortschritte auf dem Gebiet der Datenverarbeitung ist die anfängliche Skepsis nicht zu Unrecht einer gewissen Euphorie gewichen. Längst haben sich die mit der neuesten Technologie verbundenen Vorteile nicht nur schnelles, sondern vor allem komfortables und differenziertes Durchsuchen großer Datenbestände herumgesprochen. Wer einmal mit der CD-ROM-Version der 4. Auflage des PETIT ROBERT (2001) gearbeitet hat, der möchte die dadurch sich eröffnenden vielfältigen Retrieval-Möglichkeiten 2 nicht mehr missen. Mit ProfiLine, der elektronischen Version von Langenscheidts Handwörterbuch (1995), hat diese Technik (komplexe Abfragen durch Verknüpfung mehrerer Suchbedingungen, gezielte Suche nach Mehrworteinträgen, usw.) für das Sprachenpaar Deutsch-Französisch bereits 1997 Einzug in die zweisprachige Lexikographie für semi-professionelle Ansprüche gehalten. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis auch der Klett-Verlag den Datenbestand seiner neu entwickelten (zweisprachigen) PONS Großwörterbücher in elektronischer Form präsentieren würde. Im (Spät-)Sommer des Jahres 2001 erschienen unter dem Namen PONS Lexiface professional die lang erwarteten CD-ROM Fassungen für die Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch. Wie an anderer Stelle erläutert 3, hat das PONS Lexiface-Wörterbuch Französisch den Rezensenten allerdings in keinem Punkt zu überzeugen vermocht. Trotz einfacher und problemloser Bedienung weist es in Bezug auf Präsentation und Recherche-Optionen unübersehbare Schwächen auf, die z.T. mit der Philosophie der (i-Finger) Nachschlage-Software zusammenhängen. Unverständlich zumal ein gutes Stück hinter das mit ProfiLine bereits in der Version 1.0 Erreichte zurückfallend ist insbesondere die (wenig durchdachte) Beschränkung der Zugriffsmöglichkeiten, die es dem Benutzer u.a. nicht erlaubt, den Datenbestand nach bestimmten Kriterien gezielt abzusuchen und die Lexiface gegenüber der Benutzung der Papierversion lediglich einen Geschwindigkeitsvorteil verschafft. Ganz anders dagegen das e-Handwörterbuch Französisch aus dem Hause Langenscheidt, dessen völlig neu entwickelte Software eine konsequente Weiterentwicklung von ProfiLine darstellt und das um es gleich vorwegzunehmen in der aktuellen Version 4.0 (März 2003) einen Klassenunterschied zum Konkurrenzprodukt aus dem Hause Klett markiert. Andrea LEHR: "Zur neuen Lexicographica-Rubrik 'Electronic Dictionaries' ". In: Lexicographica 12 (1996), 316. 2 Dazu gehören beispielsweise: Volltextabfragen oder Suche nach verschiedenen Kriterien, und zwar einzeln oder kombiniert; Index aller phraseologischen Verbindungen, mit dessen Hilfe feststehende Wendungen über jedes einzelne in der « locution » enthaltene Element zu erfragen sind; enzyklopädische Informationen zu den zitierten Autoren oder Hintergrundwissen zu den Sprachen der Welt. 3 Vgl. Ekkehard ZöFGEN: "[Rez.] PONS Lexiface professional. Elektronisches Wörterbuch Deutsch-Französisch, Französisch-Deutsch. CD-ROM. Stuttgart: Klett 2001". In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 31 (2002), 250-253. JFLlllL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 269 Installation: Laut Hersteller sind die e-Wörterbücher für die Windows Betriebssysteme 95, 98, ME, NT 4.0, 2000 und XP ausgelegt 4, wobei sich die Hardware-Anforderungen sehr bescheiden ausnehmen: IBM kompatibler PC mit der Prozessorleistung eines Pentium I oder höher, 8 MB RAM, ca. 50 MB freier Festplattenspeicher, Grafikkarte mit mindestens 800x600 Auflösung (High Color, mind. 32.000 Farben), CD-ROM Laufwerk sowie Soundkarte. Nach (problemlos) erfolgter Installation der e-Wörterbücher-Anwendung und Neustart des Rechners fügt man in einem zweiten Schritt das Handwörterbuch Französisch von der CD hinzu und speichert es komplett auf die Festplatte. Beim ersten Programmstart sucht die Software nicht nur nach (weiteren) installierten e-Wörterbüchern, sondern auch nach Wörterbüchern aus der PC-Bibliothek bis einschließlich Version 3.0, die dann zur Übernahme angeboten werden. Bei entsprechender Einbindung kann die jeweilige Recherche somit auf den Datenbestand der PC-Bibliothek ausgedehnt werden. Einige wenige Funktionen wie etwa die Pop-up-Suche und die Flexisuche werden dabei allerdings nicht unterstützt. Konfiguration und individuelle Anpassung der Einstellungen: Für die Benutzeroberfläche stehen wahlweise die Sprachen Deutsch und Englisch zur Verfügung-eine Option, die bei einem zweisprachigen Wörterbuch mit Französisch nicht einleuchtet. Um so mehr mag die optische Gestaltung des Anwendungsbildschirms zu gefallen. Dank der übersichtlichen Gliederung sind die einzelnen Bereiche und Elemente klar voneinander getrennt: am oberen Rand Menüleiste, Hauptsymbolleiste, Eingabefeld für die Schnellsuche und Schaltflächen für die Auswahl der Bücher, darunter links der Listenbereich mit den Suchergebnissen und der Stichwortliste, anstelle derer auch das Managerfenster (vergleichbar dem Dateimanager) angezeigt werden kann, sowie rechts daneben das Fenster mit dem jeweiligen Wörterbucheintrag und dem einblendbaren Scroll-Bereich. Eine ausreichend dimensionierte Suchzeile sorgt dafür, dass weder lemmatisierte Komposita wie Nacht-und-Nebel-Aktion noch Phraseologismen vom Typ ne pas savoir sur quel pied danser abgeschnitten werden. Diese so genannte Standardansicht lässt sich in vielfältiger Weise an individuelle Bedürfnisse anpassen: angefangen vom Aussehen der Schrift (Schriftart und Schriftgröße) über die Darstellung der Hervorhebungen und Markierungen sowie der Festlegung der Größe einer Abbildung bis hin zum Datenformat beim Kopieren in die Zwischenablage. Ähnlich flexibel zeigt sich das Programm auch bei der Konfiguration der Pop-up-Suche, wo über insgesamt fünf Registerkarten diverse Veränderungen an den Voreinstellungen vorgenommen werden können: Darstellung des Suchergebnisses als Liste oder Sprechblase, Schriftgröße und Hintergrundfarbe des Textes, Mehrworterkennung sowie Komfortmodus ein- und ausschalten, u.v.m. Suchfunktionen: Entscheidend für die Beurteilung der Qualität der Software ist natürlich die Frage, welche Suchfunktionen das Programm zur Verfügung stellt. Und hier glänzt das e-Handwörterbuch mit einer bislang nicht gekannten Funktionsvielfalt. Im Handwörterbuch (i.e. der Standardansicht) hat der Benutzer die Wahl zwischen einer Schnellsuche und einer Profisuche. Erstere verbindet bis zu fünf verschiedene, ineinander greifende und jeweils einzeln zuschaltbare Suchmethoden miteinander: (inkrementelle) Suche in der Stichwortliste, Flexisuche (automatisches Erkennen flektierter Wortformen), erweiterte Suche (unter Einbeziehung der Nebenstichwörter bei Mehrworteinträgen), Volltextsuche (Ausdehnung der Suche auf den gesamten lexikographischen Text) und schreibungstolerante Suche (bei fehlerhaftem Schriftbild ist die dann eingeblendete alphabetische Stichwortliste sehr hilfreich, in der man das gewünschte Wort in der Regel findet). 4 Auf einwandfreie Funktion wurde das Produkt vom Rezensenten allerdings nur unter Windows 98 SE und Windows ME getestet. Jt1Ll! i[, 33 (2004) 270 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Flektierte Wortformen werden vom Suchalgorithmus fehlerlos verarbeitet. So „weiß" das Prograillill, dass es sich bei j' acquiers, (il a) tenu oder (je) vais um flektierte Formen von acquerir, tenir bzw. aller handelt; selbst ambige Formen wie atteinte, tenue oder mise werden korrekt als weibliche Form des participe passe identifiziert und führen demzufolge sowohl zum jeweiligen Nomen als auch zum Infinitiv der zugehörigen Verben atteindre, tenir und mettre. Nur bedingt tauglich ist die Schnellsuche für Mehrwortgefüge. Eindeutige Suchergebnisse (1 Treffer) sind lediglich bei Kompositemen wie Tante-Emma-Laden, assurance-vie, notion cle, bouffee de chaleur, bei Kollokationen vom Typ un scandale eclate oder Phraseologismen wie se mettre le doigt dans l' reil zu erwarten. Unübersichtlich werden die Ergebnislisten aufgrund der Volltextsuche hingegen insbesondere bei Adverbien wie pour le moins oder taut a fait, wo mit hohen Trefferquoten zu rechnen ist (20 bzw. 91) und wo das Mehrwortgefüge häufig nur unter einem der aufgeführten Stichwörter verzeichnet ist. 5 Für komplexe Suchanfragen dieser Art ist die Profisuche besser geeignet. Neben der Verwendung von verschiedenen Platzhalterzeichen verdient hier u.a. die Möglichkeit Erwähnung, mehrgliedrige Suchbegriffe einzugeben und nur die Einträge herauszufiltern, in denen die gesamte Phrase in der angegebenen Reihenfolge vorkoillillt, oder aber mehrere Wörter mit entsprechenden Operatoren zu einem Suchbegriff zu verknüpfen. Als sinnvoll erwies sich auch die Option, Filter für Sachgebiete, Stilebenen oder sonstige Marker (wie etwa figure, proverbe, etc) zu setzen. Wer sich z.B. einen Überblick über den Wortschatz der Informatik oder über den französischen argot verschaffen will, der kann sich mit zwei Mausklicks alle zur jeweiligen Kategorie im Wörterbuch verzeichneten Ausdrücke (insgesamt 252 bzw. 104) auflisten lassen. Natürlich kann man auf die Schnellsuche auch aus einer beliebigen Windows-Anwendung per Hotkey zugreifen und ein markiertes Wort direkt im e-Wörterbuch nachschlagen. Voraussetzung dafür ist, dass das e-Wörterbuch im Hintergrund läuft (d.h. geöffnet ist) und dass die Kurztasten aktiviert sind. Bequemer geht es mit der Pop-up-Suche, die speziell für diese Aufgabe konzipiert ist und die dabei optimalen Komfort bietet. Im Komfortmodus muss das Wort nicht einmal markiert werden. Es genügt, mit der Maus auf das Wort zu zeigen, um die Übersetzung in einer Sprechblase anzeigen zu lassen, wobei zusätzlich sogar Listenfenster und Stichwortliste eingeblendet werden. Nach Installation eines seit März 2004 auf der Internetseite bereitgestellten kostenlosen Patches unterstützen jetzt auch die Betriebssysteme Windows 2000, NT und XP den Komfortmodus. Lediglich die kleine Fan-Gemeinde von WordPerfect wird sich selbst in der aktuellen Version 11.0 mit dem Standardmodus begnügen und somit die nachzuschlagenden Wörter vorher markieren müssen. Mit Einträgen (als Ergebnis der Suche) arbeiten: Nach erfolgreicher Suche erscheint in der Standardansicht der zum jeweiligen Stichwort gehörige lexikographische Artikel im so genannten Eintragsfenster. In der Regel lassen sich in elektronischen Wörterbüchern Teile des Textes oder auch der gesamte Eintrag nur durchsuchen, in die Zwischenablage kopieren, als Datei speichern oder ausdrucken; in seltenen Fällen kann der Eintrag zudem mit benutzerspezifischen Anmerkungen versehen werden. Wiederum hat Langenscheidt erheblich mehr zu bieten. Abgesehen davon, dass ein Doppelklick auf ein beliebiges Wort im aktiven Eintrag eine Schnellsuche mit den aktuellen Einstellungen auslöst, stehen diverse Optionen zur Verfügung, um den Eintrag in individueller Weise zu bearbeiten bzw. zu ergänzen. Alle vorgenoillillenen Erweiterungen sind dabei über das Managerfenster abrufbar und können bei der Profisuche per Mausklick in den Suchbereich mit einbezogen werden. Im Einzelnen ist es möglich, (a) einen Eintrag mit einem Lesezeichen zu Nicht bestätigen können wir die Aussage von Silke Geißler und Jan Winkelhagen, die im Rahmen ihrer Besprechung des e-Handwörterbuches (In: Der Fremdsprachliche Unterricht-Französisch 37.6 (2003), S. 49) monieren, dass tout afait als zusammengesetztes Wort erkannt wurde, nicht jedoch tout de suite. In unserem Test führte die Eingabe von tout de suite zu 10 Treffern und lieferte unter suite die gesuchte Information. JFLIIIL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 271 versehen, um ihn schneller wieder aufzufinden; _(b) Teile des lexikographischen Textes mittels Leuchtstiftmarkierung hervorzuheben; (c) einem Eintrag eigene Anmerkungen zuzuordnen, wobei man die Anmerkungen über das Managerfenster in einen beliebigen Ordner verschieben kann; (d) einen Eintrag an einer beliebigen Stelle im Text mit einem anderen fest zu verknüpfen und auf diese Weise ein individuelles Netz von Querverweisen aufzubauen; (e) einem Eintrag oder einer Textpassage darin ein Schlagwort zuzuweisen, das in einem Schlagwortkatalog abgelegt wird und das den schnellen Zugriff auf die im Eintrag enthaltene Information sicherstellt. Benutzerwörterbücher: Umfang und Einsatzmöglichkeiten des e-Wörterbuches lassen sich darüber hinaus mit bis zu zehn mit individuellen Symbolen versehenen - Benutzerwörterbüchern steigern. Aufgebaut wird ein Benutzerwörterbuch wahlweise durch Erstellen bzw. Anlage eigener Einträge, durch Import (in einzelne Einträge) von Textdateien, die im RTF- oder TXT-Format vorliegen, oder durch Übernahme kompletter Datenbanken. Eine professionelle Gestaltung des Textes, durch die das Benutzerwörterbuch das gleiche Aussehen erhält wie der übrige Datenbestand, ist mit Hilfe diverser Formatierungsoptionen zu erreichen. Um auch bei umfangreichen Benutzerwörterbüchern den Überblick zu behalten, können die neuen Daten sogar auf mehrere Ordner verteilt werden. Beim Vergleich mit PONS Lexiface professional ist als Positivum hervorzuheben, dass Benutzerwörterbücher sowohl mit der Profisuche als auch mit der Schnellsuche durchsucht werden können und dass die neuen Einträge insofern nahtlos in das Programm integriert sind, als es gegenüber den anderen Einträgen keinerlei Einschränkungen hinsichtlich individueller Bearbeitung und Erweiterung gibt. Online-Aktualisierung des Datenbestandes: Für Aktualität sorgt Langenscheidt mit einem besonderen Kundenservice. Zwölf Monate lang lassen sich aus dem Internet mit einem Mausklick auf einen Eintrag im Pull-Down-Menü „Datei" bequem Aktualisierungsdateien herunterladen. Wir haben den kostenlosen Online-Dienst Ende Februar 2004 in Anspruch genommen. Art und Zahl der Neueinträge waren mit dem in der Profisuche versteckten Filter „Wortschatz der Internet-Aktualisierung" leicht zu ermitteln. Für die Sprachrichtung Französisch-Deutsch werden 577 Treffer angezeigt, darunter Fachtermini wie acouphene = Tinnitus, ferroutage = Huckepackverkehr und tarification a la seconde = (Tel.) sekundengenaue Abrechnung; in der Sprachrichtung Deutsch- Französisch sind 551 Lemmata hinzugekommen, darunter Babyklappe= (un) tour, saisonbereinigt = desaisonnalise und Stammzellen = cellules souches. Schade nur, dass vorhandene Einträge offenbar nicht systematisch ergänzt wurden und dass man somit in den zweisprachigen Wörterbüchern eine so frequente Wendung wie mouiller sa chemise (= keine Mühe scheuen) weiterhin vergeblich sucht. 6 Fazit: Eine leistungsstarke Software, die blitzschnelles Nachschlagen per Mausklick in praktisch jeder Computer-Arbeitsumgebung mit einer beeindruckenden Fülle von Suchfunktionen, individuellen Einstellungsmöglichkeiten sowie einer Funktionsvielfalt verbindet, die kaum Wünsche offen lässt. Einziger Wermutstropfen: Von einem Handwörterbuch kann man schlechterdings nicht erwarten, dass es alles Wünschenswerte enthält. Insbesondere in puncto Vielfalt der übersetzten Kontexte hält es dem Vergleich mit einem Wörterbuch von der Qualität des P0NS Großwörterbuch Französisch (Neubearbeitung 2003) nicht stand. Bleibt zu hoffen, dass Langenscheidt der 6 Auf diese Lücke habe ich bereits in meiner Rezension von Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Französisch-Deutsch, Deutsch-Französisch hingewiesen (In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 31 (2002), S. 249), das mit dem Handwörterbuch weitgehend textidentisch ist. Dass die Wendung tatsächlich nicht nur in der Presse verbreitet ist, belegt auch folgendes Zitat: "La biologie moleculaire ne necessite aucune creativite, aucune invention; [...] pour decouvrir Je principe de Ja synthese des proteines, Ja, oui, il fallait un petit peu mouiller sa chemise." (Michel Houellebecq: Les P.articules elementaires. Paris: Flammarion 1998, S. 18). JFILIIL 33 (2004) 272 Buchbesprechungen • Tagungsberichte angekündigten elektronischen Version des Muret-Sanders bald ein e-Großwörterbuch Französisch folgen lässt, das man mit Fug und Recht als würdigen Nachfolger des sowohl im Hinblick auf Präzision als auch bezüglich Vollständigkeit der Äquivalente und der übersetzten Beispiele immer noch vorbildlichen, im Übrigen aber hoffnungslos veralteten Sachs-Villatte bezeichnen kann. Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Els ÜKSAAR: Zweitspracherwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung. Stuttgart: Kohlhammer 2003, 222 Seiten [28 €] Els OKSAAR, emeritierte Professorin für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft in Hamburg, war Leiterin der von ihr gegründeten Forschungsstelle für Sprachkontakte und Mehrsprachigkeit und ist bis heute Mitglied des Hamburger Zentrums für Mehrsprachigkeit und Sprachkontakte (HAZEMS). Mit ihrer Einführung in den Zweitspracherwerb hat sie sich zum Ziel gesetzt, das komplexe Beziehungsgefüge des Gegenstandes interdisziplinär zu beleuchten. Dies soll zum einen unter Einbezug verschiedener relevanter Wissenschaften geschehen wie Sprachwissenschaft, Psychologie, Psycholinguistik, Pädagogik, Soziolinguistik, Soziologie, Politikwissenschaft, Kulturanthropologie und Medizin. Zum anderen wird eine methodische Synthese angestrebt durch "die Einbeziehung von verschiedenen der Problematik konformen Techniken, theoretisch-methodischen Ansätzen, Interpretationsmustern und grundlegenden Paradigmen in der Weise, die als eine sich am Forschungsgegenstand orientierende kreative Integration gelten kann" (12). Das Buch besteht aus fünf Kapiteln. Sieht man sich die Gliederung im Inhaltsverzeichnis an, so fällt auf, dass einige Unterkapitel nur in einen einzigen Punkt untergliedert sind. So umfasst Kapitel 1 sechs Unterpunkte, 1.1 untergliedert sich jedoch nur in einen einzigen Punkt, nämlich in Punkt 1.1.1. Gleiches gilt für die Abschnitte 2.2.1, 3.1.1, 3.2.1, 4.2.1., 5.2.1, 5.3.1 und 5.4.1. Diese Gliederungsweise wirkt störend, da die Aufnahme einer weiteren Ebene nur dann sinnvoll ist, wenn mehrere Aspekte differenziert werden sollen. In Kapitel 1 "Zweitspracherwerb als interdisziplinärer Forschungsbereich" [11-36]) verdeutlicht OKSAAR zunächst ihre Herangehensweise an den Spracherwerb, für den vier Komponenten von zentraler Bedeutung sind: Sprache, Kultur, Individuum und Gesellschaft. Da es im Bereich der Zweitspracherwerbsforschung eine Reihe von Termini gibt, zu denen (noch) keine allgemein akzeptierten Definitionen vorliegen, nimmt sie einige Begriffsbestimmungen vor. In Bezug auf den zentralen (aber auch problematischen) Begriff des Zweitspracherwerbs geht die Autorin nach einer ausführlichen Diskussion benachbarter Bezeichnungen und Dichotomien "Erstsprache", "Muttersprache", "Lernen", "Erwerben") von einem weiten Bedeutungsumfang aus und versteht darunter "jede Art des Erwerbs einer Sprache, die konsekutiv zum Erwerb der Erstsprache erfolgt" (15). Auch die im Titel bereits genannten Themen Mehrsprachigkeit und interkulturelle Verständigung werden angesprochen, wobei der Mehrsprachigkeit "Fähigkeit eines Individuums, hier und jetzt zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen Sprache in die andere umzuschalten, wenn die Situation es erfordert" [31]) das Konzept der Mehrkulturheit zur Seite gestellt wird. Sie zeigt sich in der Fähigkeit eines Individuums, "sich in beliebigen Situationen nach den Normen und Regeln der Kultursysteme zu verhalten und bei der Interaktion von dem Behaviorem der einen Kultur auf die anderen hinüberzuwechseln, wenn es notwendig ist" (32). Kapitel 2 (37-48) stellt den Zweitspracherwerb unter der Prämisse, dass man jeglichen Spracherwerb als Kulturerwerb bezeichnen kann als kulturelles Lernen dar. Anhand der KultulFJLlUIL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 273 remtheorie wird verdeutlicht, dass neben den in der Erst- und Zweitspracherwerbsforschung häufig fokussierten Bereichen Aussprache, Wortschatz und Grammatik weitere Fähigkeiten für die Verwendung einer Sprache notwendig sind. 1 Da sich das Konzept der kommunikativen Kompetenz als zu allgemein herausgestellt hat und einer Differenzierung bedarf, wird zur Beantwortung der Frage, was man beim Erwerb von Sprachen lernt, der Begriff interaktionale Kompetenz eingeführt. Damit bezeichnet ÜKSAAR „die Fähigkeit einer Person in Interaktionssituationen verbale, parasprachliche und nonverbale kommunikative Handlungen zu vollziehen und zu interpretieren gemäß den soziokulturellen und soziopsychologischen Regeln einer Gruppe oder einer Gesellschaft, unter Beachtung der extraverbalen Behavioreme" (43). Kapitel 3 (49-82) beschreibt als Rahmenbedingungen für den Zweispracherwerb neurophysiologische Voraussetzungen (kritische Periode Hypothese, optimales Alter für den Zweitspracherwerb, früher Zweitspracherwerb, Faktor „steigendes Alter"), soziopsychologische Voraussetzungen (Motivation und Attitüden, Akzent und ethnische Identität) sowie den Zusammenhang von Sprache und Kognition (Modularität- Holismus, Sprache und Denken, Sapir-Whorf Hypothese). Den mit knapp 70 Seiten umfangreichsten Teil nimmt Kapitel 4 (83-150) ein, das sich mit Theorien, Modellen und Methoden des Zweitspracherwerbs beschäftigt. Nach einer Diskussion der erkenntnistheoretisch gegensätzlichen Ansätzen Behaviorismus und Nativismus, die die Berücksichtigung einer Konvergenztheorie nahe legt, skizziert ÜKSAAR den Forschungsstand der Zweitspracherwerbsforschung. Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte Spracherwerbstheorie, obwohl insbesondere in den letzten 30 Jahren viele Theorien, Modelle und Hypothesen des Zweitspracherwerbs vorgelegt worden sind. Da sie sich um die beiden Pole Sprachsystem und Individuum zentrieren, stellt ÜKSAAR zunächst einige zentrale Ansätze in der Richtung vom Sprachsystem zum Individuum vor (Kontrastivhypothese, Fehleranalyse, Identitätshypothese) und geht anschließend auf die individuumzentrierten Modelle ein (lnterlanguagehypothese, Fossilisierung und Pidginisierung, Charakterisierung des erfolgreichen Lerners, Verhältnis Lernersprache - Zielsprache, Sprachbewusstsein des Lerners, Sprachkontakt und Kulturkontakt im Lernprozess). In Kapitel 5 (151-186) werden gesellschaftspolitische Aspekte des Zweitspracherwerbs erörtert. Dazu gehören neben Mobilität, Migration und Minderheiten die Sprachenpolitik in der Europäischen Union sowie die internationale Stellung des Deutschen als Zweitsprache. Letztere wird in Bezug auf Deutsch als Zweitsprache in der Wirtschaft und Deutsch als Zweitsprache in der Wissenschaft untersucht. Komplettiert wird der Band durch das 21 Seiten umfassende Literaturverzeichnis (187-207) sowie ein Sachregister (208-214) und ein Namenregister (215-222). Leider scheint es so, als ob das Manuskript - oder Teile davon bereits in früherer Zeit fertiggestellt worden sei, allerdings ohne es einer sorgfältigen Überarbeitung zu unterziehen. Folgende Beobachtungen bieten Anlass zu einer solchen Vermutung: (1) Obgleich das Buch im Wesentlichen den Regeln der neuen Rechtschreibung entspricht, finden sich über 50 Fälle, in denen der alten Schreibweise gefolgt wurde, z.B. im folgenden (viermal), in ! z.ezug auf (fünfzehnmal), im "! f_eiteren (zweimal), im gJlgemeinen (zweimal), da./ 1. (einmal), umfaßt (einmal), selbg_ändiges Lernen (einmal). Auf der anderen Seite gibt es Schreibfehler, die sich als „Überkorrekturen" bezeichnen lassen, also Fehler, in denen bei einer Überarbeitung des Textes nach der neuen Rechtschreibung möglicherweise „übereifrig" korrigiert wurde, z.B. Abschiedsgru,g_ (40) oder Benutzung der neuen Schreibung in Texten, die vor der Rechtschreibreform entstanden sind, z.B. im Zitat von BUTTJES (1991) auf Seite 38, im Zitat von Vgl. hierzu auch Els ÜKSAAR: Kulturemtheorie. Ein Beitrag zur Sprachverwendungsforschung. Göttingen 1988. JE1LlllL 33 (2004) 274 Buchbesprechungen • Tagungsberichte STERN/ STERN (1928) auf Seite 59, im Zitat von LENNEBERG (1972) auf Seite 70, im Zitat von CHOMSKY (1969) auf der gleichen Seite oder im Zitat von LA WTON (1970) auf Seite 72. Fehler in Orthografie, Interpunktion, Grammatik und Syntax finden sich allerdings leider auch unabhängig von der Rechtschreibreform, z.B. Konno! I.tationen (13), mit dem ebenso komplexe! ! ! : . Begrif.f (127), dass die Kinder, die zu Hause. gstnisch sprechen (164 f). (2) ÜKSAAR zitiert einen Aufsatz von Dieter BUTTJES aus der 2. Auflage des Handbuch Fremdsprachenunterricht von 1991. Mittlerweile ist im Jahr 2003 die 4. Auflage dieses Standardwerkes erschienen, in der allerdings BUTTJES nicht mehr vertreten ist. Der Aufsatz hätte zumindest aus der 3. Auflage von 1995 zitiert werden müssen. 2 (3) Wie ÜKSAAR zu Beginn ihres Buches anführt, hat sie bewusst eine breite Darstellung gewählt, die problemorientierte Rückblicke bietet und die neueren Standpunkte kritisch mit den früheren Forschungsergebnissen in Verbindung bringt. Dies ist sicherlich eine der großen Stärken ihrer Einführung und auch ihrer folgenden Einschätzung ist prinzipiell zuzustimmen: "Im Laufe der Erörterungen wird sich nämlich mehrfach herausstellen, dass das jeweils Neue gar nicht so neu ist und dass der fast zum Sprichwort gewordene Ausspruch 'Literaturkenntnis schützt vor Neuentdeckungen' auch in der Zweitspracherwerbsforschung nützlich sein kann" (12). Trotzdem sollte der Leser auch über den neuesten Stand auf dem Gebiet der Zweitspracherwerbsforschung gründlich informiert werden. Ein Blick ins Literaturverzeichnis stützt die Annahme, dass die neueren Entwicklungen nicht ganz so akribisch aufgearbeitet wurden: Von den 352 Literaturangaben stammen zwei Drittel aus der Zeit vor 1990, nur ein Drittel der Titel ist in der Zeit seit 1990 entstanden. 3 Diese Kritikpunkte sind umso bedauerlicher als es sich bei dieser Einführung um ein äußerst lesenswertes und lesbares Lehr- und Fachbuch handelt. Es besticht nicht nur durch seinen interdisziplinären Ansatz, sondern auch durch die bereits angesprochenen Rückgriffe in die Forschungsgeschichte, die problemorientierte Darstellung und kenntnisreiche Diskussion der unterschiedlichen Themengebiete. Verpackt sind diese Inhalte in eine leserfreundliche Form, die sich durch einen klaren Gedankenaufbau, gut verständliche Sprache, Querverweis sowie Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels auszeichnet. ÜKSAAR illustriert und belegt ihre Ausführungen immer wieder mit Sprachbeispielen und empirischen Sprachdaten, die vornehmlich aus dem Estnischen oder Schwedischen stammen. Dies ist wohl zum einen ihrer estnischen Herkunft zu verdanken, zum anderen aber ihren Forschungsprojekten, in denen u.a. das verbale und nonverbale kommunikative Verhalten von Esten und Deutschen in Australien, USA, Kanada und Schweden sowie von Schweden in der Bundesrepublik Deutschland untersucht wurden. Wünschenswert wäre, dass diese hervorragende Einführung in den Zweitspracherwerb in einer zweiten korrigierten und aktualisierten Auflage erscheint. Marburg ANTJESTORK 2 Dieter BUTTJES: "Landeskunde-Didaktik und landeskundliches Curriculum". In: Handbuch Fremdsprachenunterricht. Herausgegeben von Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 1995, 142-149. Die von ÜKSAAR gewählten Zitate (38) befinden sich in dieser Auflage auf Seite 147. 3 In neuerer Zeit hätten um nur zwei Beispiele zu nennen die Arbeiten von Pienemann (Manfred PIENEMANN: Language processing and second languagedevelopment: processability theory. Amsterdam 1998) oder Peltzer-Karpf [et al.J (Annemarie PELTZER-KARPF [et al.]: Sprachstandserhebung bei Schulanfängern: bilingualer Spracherwerb in der Migration. Wien 2000) Berücksichtigung finden können. lFLlllL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 275 Radegundis STOLZE: Hermeneutik und Translation. Tübingen: Narr 2003 (Tübinger Beiträge zur Linguistik; 467), 348 Seiten [39 €] STOLZE führt die mangelnde Berücksichtigung des hermeneutischen Ansatzes in der Übersetzungswissenschaft [ÜW] auf herkömmliche Auffassungen von Hermeneutik zurück, die der neueren Entwicklung dieses Ansatzes nicht gerecht werden. Zu dieser haben vor allem Heideggers und Gadamers Überlegungen beigetragen, die das Zursprachekommen der Wahrheit als einen autopoietischen Prozess darstellen, der sich durch einfühlende „Teilhabe" des Textrezipienten am „Mitteilungsgeschehen" des Textes vollzieht. Wichtig ist, dass der Textrezipient dabei die Textwahrheit nicht zu erarbeiten hat, sondern dass diese sich ihm durch einfühlendes „leibhaftiges" Wahmehmen aufdrängtdie Hermeneutik spricht von einem« Ergriffensein von der Wahrheit» (108) 1, bzw. von dem« Überwältigtwerden von der Wahrheit» (111) ein fundamentaler Unterschied zum kognitiven Ansatz, dem sich der hermeneutische ansonsten sehr nahe fühlt, bei dem der Verstehensprozess jedoch als eine aktive Textverarbeitung dargestellt wird. Auch mit der als etabliert geltenden Vorstellung einer jeglichem Übersetzen obligatorisch vorgeschalteten „übersetzungsrelevanten Textanalyse", die bereits von STEFANINK (1997) und KußMAUL (2000) in Frage gestellt wurde, räumt STOLZE auf: "Textverständnis wird nicht durch eine Textanalyse geschaffen" (162). 2 Wie entsteht der zielsprachliche Text? Textverstehen und zieltextliches Formulieren verschmelzen in einem gemeinsamen Prozess. Das Sichaufdrängen der Textwahrheit ist so stark, dass es zu einem „intuitiven Formulierungsimpuls" kommt, der in den Zieltext mündet (203, 211). Fillmore's „Scenes-and-Frames"-Semantik veranschaulicht den Prozess: Die linguistischen Frames des Ausgangstextes [AT] rufen im Übersetzer Kognitive Szenen wach, für die sich, aufgrund seiner Bilingualität und Bikulturalität zielsprachliche Frames aufdrängen. So verschmelzen im Gadamerschen „inneren Dialog", der sich im Übersetzer abspielt, die Verstehenshorizonte in einem dialektischen „Spiel" zwischen sprachlichen Elementen des AT und des zu produzierenden Zieltextes (207, 302). Dieser Prozess ist sisyphusartig zur Unvollendung verurteilt. Es gibt nicht die endgültige „Musterübersetzung" (302). Wir haben es nur mit jeweilig zeitlich begrenzt „stimmigen", "geglückten", "symmetrischen" Entwürfen zu tun, in denen das „Mitteilungsgeschehen" "solidarisch" und „verantwortungsvoll" "präsentiert" wird. Die entlastende Grundlage für diese „Unabschließbarkeit des tentativen [übersetzerischen] Entwurfs" (222) liefert Heideggers ontologischer Ansatz in der Hermeneutik: Verstehen erscheint nun nicht mehr als eine „Methode", mit der fremder Sinn angeeignet wird. Verstehen ist vielmehr ein Akt der Sinnstiftung. Heidegger sieht den hermeneutischen Zirkel als ein Verstehen zwischen Gewusstem und Neuem. Da das Gewusste jeweils individuell verschieden ist, ist auch die Sinnstiftung, durch Teilhabe am Sinn, jeweils unterschiedlich. Es gibt keine objektive Wahmehmung. Dies ist jedoch kein Negativum, sondern birgt die Chance, der Wahrheit in jeweiligen individuellen Entwürfen näherzukommen (69). Die Sinnstiftung im Heideggerschen Sinn ist möglich, weil der Text stets das Potential eines Sinnüberschusses birgt, der dazu führt, dass jede Lektüre bis hin zur erneuten Lektüre durch den Autor selbstzu einem neuen Verständnis führt (73, 160, 161, 280). Vergleicht man den didaktischen Ertrag von STOLZES Ansatz mit dem anderer Übersetzungs- Die Zahlen in Klammem ohne Jahresangabe beziehen sich auf das hier besprochene Buch. 2 Vgl. Bernd STEFANINK "'Esprit de finesse' - ,Esprit de geometrie': Das Verhältnis von ,Intuition' und ,übersetzerrelevanter Textanalyse' beim Übersetzen". In: R. Keller (Hrsg.): Linguistik und Literaturübersetzen. Tübingen: Narr 1977, 161-183), wo eine« epistemologische Wende» im übersetzungstheoretischen Denken gefordert wird. Vgl. weiter Paul KußMAUL: Kreatives Übersetzen. Tübingen: Stauffenburg 2000. JFLl! L 33 (2004) 276 Buchbesprechungen • Tagungsberichte theoretiker, so nimmt er sich auf den ersten (täuschenden) Blick etwas mager aus: Weder groß angelegte Schemata semantischer Vernetzungen des texthintergründigen Weltwissens noch ein methodisches Regelwerk das zu einer „wiederholbaren regelgeleiteten Schrittfolge" würde, wie es z.B. GERZYMISCH-ARBOGAST/ MUDERSBACH zur Sicherung des wissenschaftlichen Status fordern, ebenso wenig sprachenpaarbezogene Äquivalenzmuster, wie kürzlich noch von HENSCHELMANN geliefert, mit denen man „Übersetzungsfertigkeiten" im Sinne von WILSS ausbilden könnte. Vielmehr geht es darum, in einem Deverbalisierungsprozess „den mitgeteilten Gedanken zu erfassen, um diesen dann, von den Fesseln der Interferenz befreit, in einem kreativen Entwurf frei zu formulieren" (249). Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Person des Übersetzers. Aber auch hier haben wir es nicht mit dem Versuch zu tun, sein übersetzerisches Verhalten in Algorithmen festzuhalten wie es z.B. LÖRSCHER (mit epistemologischem Anspruch) oder KRINGS (mit einer bescheideneren didaktischen Zielsetzung) versucht haben. Das wichtigste Element ist, das Bewusstsein von den eigenen Vorurteilen im Verstehensprozess zu wecken. Der Übersetzer muss Sensibilität und Sprachgefühl entwickeln; dies ist nicht etwas Mysteriöses, Undefinierbares, sondern kann „trainiert" werden (308). Wer von einem solchen Training allerdings klare „Transpositions"-anweisungen im Sinne der stylistique comparee erwartet bzw. ein Einüben von Bewegungsabläufen, die zu „Fertigkeiten" im Sinne von WILSS führen würden, wird enttäuscht sein. Eher wird man an die Pascalschen Anweisungen an den Ungläubigen erinnert: "Faites le geste et vous aurez la foi! " Bei STOLZE heißt es: „Eine ,aktuell-spontane Beziehung' zu einem Text kann einer nicht als Leistung herstellen, sie passiert eben, oder auch nicht" (90). Man kann sich nur wie die weisen Jungfrauen des Neuen Testaments vorbereiten und warten bis es einen überwältigt, man hat die Gnade (im Sinne der Pascalschen „Grace", oder auch nicht). Sicher etwas frustrierend, aber es entspricht den Erfahrungen professioneller Übersetzer. STOLZES Kritik an anderen Theoretikern ist manchmal etwas ungerecht. So der Vorwurf der Fixiertheit auf mikrostrukturelle Äquivalenzkriterien an K. REIB, bei der doch die intra-textuelle Kohärenz an erster Stelle steht. Desgleichen der Vorwurf an KußMAUL und STEFANINK durch die Arbeit mit Methoden des Lauten Denkens die Aufmerksamkeit der Lerner vom Gesamttext abzulenken. Verkannt wird, dass diese Methoden nicht präskriptiver, sondern deskriptiver Art sind und in erster Linie der didaktischen Bedarfsanalyse dienen. Eine gewisse Unsicherheit scheint zu bestehen, wenn es sich um die Determinierung des Übersetzens als "Entscheidungsprozess" handelt. Etwas widersprüchlich klingen zumindest auf den ersten Blick die diesbezüglichen Erörterungen auf den Ss. 211-240 und 309. Dies gilt auch für die Rolle der Methodik im Übersetzungsprozess, wo sich die Darlegungen auf S. 90 u. auf S. 297 zu widersprechen scheinen. Vielleicht sollte auch ein wenig konkreter aufgezeigt werden, wie das „in wissensbasierter Lektüre intuitiv gewonnene Textverständnis auhand semantischer Textelemente zu fundieren [ist]" (203), wenn im gleichen Atemzug die „linguistische Analyse der Textebene" als Fundierung verworfen wird (203). Ähnlich widersprüchlich wirken die Ausführungen auf den Ss. 240 und 241. Fazit: Es gelingt STOLZE, durch die Verbindung von philosophischer Fundierung mit neueren kognitivistischen Erkenntnissen die Praxis eines deontologisch korrekten, unvoreingenommenen Übersetzens theoretisch zu untermauern. Ein anspruchsvolles, nachdrücklich zu empfehlendes Buch, das von tiefgründiger Auseinandersetzung mit der Thematik zeugt und das zum Nachdenken anregt. Daran vermag selbst die außergewöhnlich große Zahl von Druckfehlern, auf deren Nennung wir hier aus Platzgründen verzichten, nichts zu ändern. Bielefeld BERND STEFANINK IFLI.IL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 277 Inez de FLORIO-HANSEN, Adelheid Hu (Hrsg.): Plurilingualität und Identität. Zur Selbst- und Fremdwahrnehmung mehrsprachiger Menschen. Tübingen: Stauffenburg Verlag 2003, 183 S. [24,50 €] Der Sammelband will Einblicke eröffnen, und zwar „in die engen Wechselbeziehungen zwischen Identität und Zweibzw. Mehrsprachigkeit, Globalisierung, Internationalisierung und Migration sowie die damit verbundenen Änderungen in der sprachlichen Ökologie der Gesellschaft" und "bislang gültige Normen und Gewohnheiten in Bildungsinstitutionen [...] grundlegend in Frage" (VII) stellen. So die Herausgeberinnen in der Einleitung. Hier arbeiten sie in großen Zügen Entwicklungslinien heraus, welche den Identitätsdiskurs durchziehen (u.a. Vygotsky, Bakhtin, Kristeva, Bourdieu, ...) . - "Als noch utopisch" kennzeichnen sie „die Vorstellung, möglichst viele Menschen in die Lage zu versetzen, anwendungsbezogene Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen zu erwerben" (X). Der Rezensent kann diese Skepsis nicht nachvollziehen. Ein Hindernis für die Förderung der Mehrsprachigkeit sehen beide Forscherinnen in der Art des gängigen Fremdsprachenunterrichts und seiner institutionellen monolingual-einzelzielsprachlich fokussierenden Steuerung. - Hier ist in der Tat eine Veränderung der Unterrichtskultur anzumahnen, welche überholte Praxen aus ihrem „monolingualen Habitus" holt (um es in eine Formel der ebenfalls im Bande vertretenen Hamburger Erziehungswissenschaftlerin Ingrid GOGOLIN zu kleiden). Leider blendet der Band Möglichkeiten einer sprachenübergreifenden Praxis des Fremdsprachenunterrichts und ihrer empirischen, konzeptuellen und methodologischen Fundierung aus. Dabei ist ein solcher Ansatz auch im Rahmen plurilingualer und plurikulturell integrativer Konzepte von Belang. In dem eröffnenden Aper9u „Mehrsprachigkeit, Identitäts- und Kulturtheorie: Tendenzen und Konvergenz" geht Adelheid Hu Fragen der pluriellen Identität vor dem Hintergrund von Sprache, Sprachlichkeit, Migration und Globalisierung nach. Dies führt in das Spannungsfeld kulturell divergenter, oft konfligierender Normendifferenzen und zu der Art, wie Menschen hiermit umgehen. Bei ihrem umsichtigen (und doch notwendigerweise [zu] kurzen) tour d'horizon fasst Vf.in weit: Lacan, Foucault, Bruner, Maclntire, Ricreur und weitere kommen per Zitat zu Wort oder werden integrativ behandelt. Dekonstruktion, Bedeutungsstiftung, Untrennbarkeit von Sprache und Kultur, Synkretismus, Schreiben über Mehrsprachigkeit sind Schlüsselbegriffe. Ulrike JESSNER beleuchtet „Das multilinguale Selbst: Perspektiven der Veränderung" vor dem Hintergrund der schillernden Begrifflichkeiten von 'Identität' und 'Ethnizität'. Die Psychologie zieht dem den Band durchziehenden Leitbegriff 'Identität' überwiegend 'Selbstkonzept' vor. Dieser Terminus kommt dem Rezensenten entgegen, weil er die Frage der 'Selbstdefinition' im betroffenen Subjekt belässt. Wie kürzlich Rita FRANCESCHINI zeigte 1 (der Beitrag konnte von J. noch nicht erfasst werden), sind Sprachbiographien ein beredtes Werkzeug der Mehrspracherwerbsforschung. Diese Perspektive ergänzt J., wenn sie verschiedene Bereiche zu Mehrsprachenerwerb und Mehrsprachigkeit erhellt. "Mehrsprachige Repertoires und plurielle Identität von Migranten: Chancen und Probleme" behandelt Georges Lüor auf dem Boden helvetischer Erfahrungen. Interessant fällt seine Analyse zu den „gewinnbringenden" kommunikativen Ressourcen aus. In netzwerkartigen Soziogrammen der Sprachendomänen von Individuen erläutert er mehrsprachige Praxen: Gerard Z. benutzt Französisch in den Domänen: Freunde, Ferien, Medien, Einkauf, Beruf; Deutsch und/ oder Schwyzertütsch in allen Domänen; Englisch: Ferien, Beruf, Medien; Italienisch: Beruf. Zum Konnex von Sprache und Identität der „sukzessiven Ichs" (42) äußert sich L. aus der Sicht der linguistischen "Sprachbiographien: Erzählungen über Mehrsprachigkeit und deren Erkenntnisinteresse für die Spracherwerbsforschung und die Neurobiologie der Mehrsprachigkeit". In: Bulletin vals-alsa 76, 2002, 19-33. F]Lw., 33 (2004) 278 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Migrationsforschung 2, was das hier Besprochene um interessante Aspekte ergänzt. Das Konfliktpotential von praktizierter Zweisprachigkeit zwischen erweiterter Identität und „Bastardisierung" (44) wird nach L.s Erhebungen unterschiedlich erlebt: "Die vertrauten Fixpunkte geraten ins Wanken." (53) Der Migrant wird zu einer Selbstverortung zwischen Ausgangs- und Zielgesellschaft aufgefordert. Wer kennt ihn nicht, den flotten Vorwurf der Monolingualen? "Das ist doch kein gutes Deutsch - Über Vorstellungen von guter Sprache und ihren Einfluss auf Mehrsprachigkeit" referiert Ingrid GoG0LIN. Ein Satz wie der zitierte versteckt letztlich 'kulturelle Gewalt' im Sinne des Friedensforschers Johan GALTUNG 3, den die Erziehungswissenschaftlerin überraschenderweise nicht bemüht. Inci DIRIM berichtet zur „Gestaltung sozialer Beziehungen durch multilinguale Sprachpraxis". Fazit in einem kurzen Satz: Sprachmischung und Code-Switching sind gruppenbildende Konstituenten. Eine neue Perspektive bietet Martina LIEDKEs Beitrag „Eindruck und Diskurs. Zur auditiven Wahrnehmung von Sprecheridentität und Fremdsprachigkeit". Auch hier verändern sich die Selbstkonzepte, so wenn Lazo, ein 30jähriger Grieche, berichtet: "Aber, ich konnte schon mal gut Griechisch sprechen/ äh, äh gut Deutsch sprechen. [...] Und das ist wieder weggegangen ..." Wechsel im kulturellen Selbstkonzept von Individuen und Spracherwerb bzw. Sprachverlust wirken ineinander. Fremdheit im Diskurs Zweisprachiger entsteht auch durch gezielte kommunikative Strategie oder durch interkulturelle und sprachliche Lakunen. Und natürlich können Zwei- oder Mehrsprachige das jeweils 'Fremde' als (vermeintlichen) Ausweis der eigenen Fremdheit missbrauchen(? ) oder es verstecken. Zu den Lernzielen meint Vf.in: "Die Lernenden sollen in die Lage versetzt werden, sich aussuchen zu können, welcher 'Typ' (Kompetenzmuster, Rezensent) sie sein wollen. [ .. .]" (103). Claire KRAMSCHs Beitrag "The multilingual Subject" beleuchtet nach einer grundlegenden Einführung in das theoreticalframework, the study, the mirror of language folgende Perspektiven: Split between Seif and Other, Seif in the mirror of the Other, Narrational Appropriation and Ownership. C. Kramsch resümiert: "Their [von jungen Bilingualen] deep understanding that languages are fundamentally non-interchangeable has made them cautious of words, but, at the same time, it has given them a rich repertoire of linguistic means to express irreconcilable paradoxes, and an uncommon talent for humor, language play, and authorial manreuvres between distance and closeness." In ihrem ebenfalls lesenswerten Beitrag „Sprachenvielfalt und Sprachenmischung in der litterature beur'' nimmt Adelheid SCHUMANN Merkmale des metissage - Stil, sprachliche Ausdrucksformen des Zugehörigkeitsgefühls zwischen frans; ais standard, parler jeune, dialecte arabe, frans; ais des immigres, jeux de mots in den Blick. Susanne DANNHORN verfolgt „Mehrsprachigkeit und kulturelle Identität in der Musik am Beispiel des spanisch-französischen Sängers und Komponisten Manu Chao". Hiphop-Musik, patchwork-Identität, Migration, Zerrissenheit, Musik - Sprache - Identität sind Schlüsselbegriffe des Aufsatzes. "Manu Chao ist eine Art 'Transmigrant', der sich an vielen Orten der Welt zu Hause fühlt..." "Un populo diventa poviru e servu, quannu ci arrobanu a lingua, addutata di padri, a perdi pi sempri". Diesen Satz des Sizilianers Ignazio Buttata die Kehrseite von Nebrijas "Siempre la 2 Man vergleiche hierzu auch den von Jürgen ERFURT, Gabriele BUDACH und Sabine HOFFMANN herausgegebenen Sammelband: Mehrsprachigkeit und Migration. Frankfurt a. M.: Peter Lang 2003. 3 Johann GALTUNG: "Kulturelle Gewalt. Zur direkten und strukturellen Gewalt tritt die kulturelle Gewalt". In: Zeitschrift für Kulturaustausch 4, 1993, 473--487. IFL1.ilL 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 279 lengua fue compafiera del imperio" (1492) setzen Mark WARSCHAUER und Inez DE FLoruo- HANSEN ihrem Artikel "Multilingualim, ldentity, and the Internet" voran. Ausgehend von postkolonialen Identitätstheorien diskutieren sie die spannende Frage der Rolle des Internets zwischen Sprachentod und Sprachenförderung. "lt is just incredible when I hear people talking about how open the Web is. lt is the ultimate act of intellectual colonialism. The product comes from America so we either must adapt to English or stop using it. [...] But if you are talking about a technology that is supposed to open the world to hundreds of millions of people, you are joking." So die Kritik des russischen Internetprovider Glasnet, Anatoly Voronov. Im Jahr 1996 waren 82 Prozent der Webseiten in englischer Sprache gehalten. Vf. zeigen, dass der ASCII-Code, der ja lange Zeit nicht-englische Zeichen ignorierte, keine 'innozente' quantite negligeable war. Benutzer des PC wissen um die Verbreiterung der Zeichenbasis und der im Internet präsenten Sprachen. Vf. verfolgen diese Perspektive allerdings, etwa im Hinblick auf das Chinesische und andere zunehmend wichtige Sprachen, nicht weiter. Auf der Grundlage von Erfahrungen in Hawai vor dem Hintergrund der 'Zwangsamerikanisierung' beschreibt Warschauer statt dessen die Revitalisierung einer indigenen Sprache durch das Internet, um sodann zu Fragen der Mehrsprachenerziehung und Sprachensicherung vorzudringen. Aufschlussreicher im Sinne der Sprachenfuturologie als die Präsenz von Seiten und die Erfahrungen einzelner Autoren wäre allerdings die quantitative und grob qualitative Analyse der Nutzer gewesen. Immerhin ist dies heute ja technisch möglich. Inwieweit die geschilderten Fälle und Erfahrungen auf andere Kontexte übertragbar oder gar generalisierbar sind, bleibt eine offene Frage. Der an Projektunterricht interessierte Praktiker wird Warschauers (indirekte) 'Anregung' aufgreifen, Webseiten von vom Sprachverlust Bedrohten aufzusuchen und sie unterrichtlich zu verwerten. Würden Schüler dies tun, so trügen sie schon durch die bezeugte Aufmerksamkeit für die 'kleinen' Sprachen dazu bei, den Lebenswillen der kleinen Sprachgemeinschaften zu stärken. Diesen Zusammenhang aufzuzeigen, wäre aus unserer Sicht eine Botschaft an die europäische Leserschaft Warschauers gewesen immerhin verfolgt das Buch ja eine didaktische Absicht. Insgesamt bietet der Band neben Bekanntem aufschlussreiche Beiträge zu Plurilingualität und Identität. Eine weitere Annäherung an didaktische Fragen im engeren Sinne steht indes noch aus. Schade in diesem Zusammenhang, dass Arbeiten wie die von Eva BURWITZ-MELZER (2003) nicht mehr herangezogen werden konnten 4, die eine Verbindung zwischen empirischer Forschung, interkulturellem Lernen in kulturell-heterogenen Klassen und Praxis herstellen. Aus der Vielzahl der gebotenen Aspekte konnte diese Besprechung nur einige wenige herausgreifen und selbst diese nicht detailliert diskutieren. Gießen FRANZ-JOSEPH ME! l]NER The Globalisation of English and the English Language Classroom Internationales Kolloquium des Englischen Seminars der Technischen Universität Braunschweig Der Begriff Globalisierung ist in der allgemeinen öffentlichen Diskussion hauptsächlich mit ökonomischen Faktoren wie zum Beispiel der Herausbildung - und Macht internationaler Konzerne sowie mit der zunehmend aufklaffenden Schere zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern besetzt. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit wird dabei die englische 4 Eva BURWITZ-MELTZER: Allmähliche Annäherungen: Fiktionale Texte im interkulturellen Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe/ . Tübingen: Narr 2003. lFLll.llL 33 (2004) 280 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Sprache als die internationale beziehungsweise globale Lingua Franca akzeptiert. Der Prozess der Globalisierung hat sowohl für die Sprachbenutzer des Englischen wie auch für die Entwicklung der englischen Sprache erhebliche Auswirkungen: Zum einen ist das Vorhandensein von englischer Sprachkompetenz unabdingbare Voraussetzung für Individuen, gesellschaftliche Gruppen und Gesellschaften, um an globalen Prozessen teilhaben zu können, zum anderen verändert sich die englische Sprache dadurch, dass mittlerweile mehr Menschen Englisch als Zweit- und Fremdsprache denn als Muttersprache sprechen. Für die angewandte Linguistik und Fremdsprachendidaktik ergibt sich aus dieser Entwicklung die Notwendigkeit, die Veränderung der Sprache und die damit einher gehende Veränderung der Position der Sprecher und Lerner zu diskutieren und neu zu bestimmen. Dies hat Auswirkungen auf Lernziele, Inhalte, Vermittlungsmethoden, Lehr- und Lernmaterialien, die Beziehung von Lehrenden und Lernenden und damit auch auf die Ausbildung von Englischlehrern. Die vom 16. bis 18. Juni 2003 an der Technischen Universität Braunschweig durchgeführte Tagung „The Globalisation of English and the English Language Classroom" (organisiert von Prof. Dr. Claus GNUTZMANN und Dr. Frauke INTEMANN) hatte sich zum Ziel gesetzt, die Globalisierung des Englischen hinsichtlich sozialer, politischer·und ökonomischer Aspekte zu erörtern, Veränderungen im Gebrauch der Sprache aufzuzeigen und die sich daraus ergebenden Fragen zu Standards und Normen für den Fremdsprachenunterricht zu diskutieren. 19 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa, Asien und den USA betrachteten drei Tage lang die verschiedenen Aspekte aus einer angewandt-linguistischen und fremdsprachendidaktischen Perspektive. Während eines Empfangs thematisierte der Präsident der TU Braunschweig, Prof. Dr. Jochen LITTERST, in seiner Begrüßungsrede die Globalisierung des Englischen zudem in einem hochschulpolitischen Zusammenhang. Er hob dabei die Bedeutung des Englischen in Forschung und Lehre hervor 1, wies aber auch auf die Kommunikationsprobleme hin, die in der wissenschaftlichen Kommunikation bei unzureichender Sprachkompetenz der Beteiligten entstehen können. Die Globalisierung des Englischen und die Auswirkungen auf das Lehren und Lernen dieser Sprache sind seit mehreren Jahren ein Arbeitsschwerpunkt in Forschung und Lehre am Englischen Seminar der TU Braunschweig; es bestehen internationale Kontakte zu anderen Universitäten mit ähnlichen Forschungsschwerpunkten. Die Einbindung des Themas in die Lehre wurde von zwei Studierenden, Bettina BEINHOFF und Nicole STENGRITT, verdeutlicht. Sie gaben nach der Begrüßung der Konferenzteilnehmer eine kurze Einführung in die von ihnen im Rahmen eines Hauptseminar-Projekts erarbeitete Ausstellung „The World of English- Englishes of the World", die nicht nur zeitlich in engem Zusammenhang mit der Tagung stand. Während der Tagung wurden verschiedene Themenbereiche behandelt, die einerseits jeweils einen unterschiedlichen Schwerpunkt legten, andererseits in ihrer Gesamtheit einen Überblick über die aktuelle Forschungsbreite im Bereich Globalisierung des Englischen gaben. Zu Beginn wurde die politische und soziokulturelle Dimension diskutiert. Janina BRUTT-GRIFFLER (University of Alabama) referierte über die politischen und sozialen Auswirkungen des Zugangs beziehungsweise mangelnden Zugangs zu einer englischen Sprachkompetenz. Sie exemplifizierte dies am Beispiel Südafrikas, einem Land, in dem elf Sprachen offiziellen Status haben, aber nur sehr gute Englischkenntnisse einen sozialen Aufstieg ermöglichen. Ihr Fazit war, dass durch die offizielle Vielsprachigkeit die Vermittlung des Englischen insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten zu kurz kommt und ihnen so von vom herein eine Verbesserung ihrer Lebenssituation verwehrt Vgl. .hierzu Claus GNUTZMANN, Frauke lNTEMANN, Hera JANßEN, Peter NüBOLD: "Die englische Sprache in Studium, Wissenschaft und Verwaltung- Ergebnisse einer Online-Umfrage". In: Fachsprache/ International Journal ofLSP 26.1/ 2 (2004), 14-34. IFLl.! L 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 281 wird. Die ökonomische Relevanz dieser Sprachkompetenz wurde auch von Mahendra K. VERMA (University of York) verdeutlicht. Er betrachtete in seinem Beitrag die englische Sprache als einen wachsenden Wirtschaftsfaktor in dem ebenfalls vielsprachigen Staat Indien und bezog sich dabei auf die wachsende Popularität von Schulen, deren Unterrichtssprache Englisch ist. Die Kosten für eine solche Ausbildung werden von den Eltern als eine lohnende Investition in die Zukunft der Kinder gesehen und englischsprachige Schulen werden nicht mehr, wie es früher häufig der Fall war, als Tribut an die vormaligen britischen Besatzer abgelehnt. Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war der linguistischen und soziolinguistischen Exemplifikation der Globalisierung des Englischen gewidmet. Ulrich BUSSE (Universität Halle-Wittenberg) referierte über die Einstellungen gegenüber Anglizismen in Deutschland und gab einen historischen Überblick zur Entwicklung von Anglizismen in der deutschen Sprache. Anglizismen werden heute vorwiegend von jungen Leuten benutzt, um sich abzugrenzen, ansonsten kommen sie überwiegend in Fachsprachen (zum Beispiel in der Betriebswirtschaft) oder bei informeller Kommunikation vor. Es wurde deutlich, dass Anglizismen keine ,neumodische' Erscheinung sind, sie treten jedoch irn Zuge der Globalisierung vermehrt auf. In mehreren Beiträgen wurde Englisch als Lingua Franca thematisiert. Franke INTEMANN (Technische Universität Braunschweig) analysierte das Englische als Lingua Franca des internationalen zivilen Luftverkehrs. Englisch wird als offizielle Sprache zwischen Piloten und Bodenstation international von einer UN-Behörde, der International Civil A viation Organisation, definiert, so dass es eine standardisierte Weltsprache zu sein scheint. Der tatsächliche Gebrauch dieser Sprache ist jedoch sehr unterschiedlich, abhängig vorn Ort des Geschehens, der Qualität der Funkverbindung und davon, ob die Sprecher Muttersprachler des Englischen sind oder nicht. Bei Nicht-Muttersprachlern ist vor allen Dingen die englische Sprachkornpetenz der entscheidende Faktor. Muttersprachler tendieren oftmals dazu, die definierten Konventionen zu missachten und in ihre sonst üblichen Sprachmuster zu wechseln. Die in diesem Vortrag vorgeführten Dialoge zwischen Piloten und Bodenstation ließen manche Teilnehmer mit Unbehagen an ihren Rückflug denken! Christiane MEIERK0RD (Universität Erfurt) analysierte in ihrem Beitrag sprachliche Strukturen von Sprechern unterschiedlicher Nationalitäten. Sie stellte fest, dass in der Lingua Franca-Kommunikation einfache Satz- und Wortstrukturen bevorzugt werden. Jeder Sprecher bringt seine Form des Englischen in die Kommunikation ein, jedoch bilden das Amerikanische oder das Britische Englisch mit ihren Gesprächskonventionen die Grundlage. Meierkord forderte, dass Lerner des Englischen auf den Umgang mit Varietäten des Englischen vorbereitet werden müssen, um sich in Lingua Franca-Situationen verständigen zu können. Die Entwicklung und Setzung von Standards und Normen für den fremdsprachlichen Englischunterricht wurde in mehreren Beiträgen erörtert. Claus GNUTZMANN (Technische Universität Braunschweig) diskutierte das Konzept des Standard English bezüglich seiner linguistischen und funktionalen Merkmale und betrachtete dabei verschiedene Standpunkte. Die daraus resultierenden Ergebnisse verglich er mit dem Konzept des World Standard English. Dabei wurde deutlich, dass letzteres Modell nur sehr wenig Ähnlichkeit mit dem vorher diskutierten Standard English hat und auch nicht von diesem abgeleitet werden kann. Das Fazit dieses Vortrags war, dass sowohl in der Vermittlung von Englisch als Fremdsprache als auch im Zusammenhang mit Englisch als Lingua Franca, das Standard English als Modell beibehalten werden sollte. Da der Begriff „Modell" als Idealisierung verstanden wird, ergibt sich daraus nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit einer erhöhten Fehlertoleranz im Englischunterricht. Svenja ADOLPHS (University of Nottingham) befasste sich in ihrem Vortrag mit den Einstellungen von Lernenden zu den verschiedenen Varietäten der englischen Sprache. Der von ihr untersuchte Personenkreis bestand aus Studierenden verschiedener Länder und Kulturen, die in Nottingharn Sprachkurse in Englisch FLulL 33 (2004) 282 Buchbesprechungen • Tagungsberichte absolvierten. Sie stellte fest, dass die Studierenden durch den Kontakt mit native speakers des Englischen ihr eigenes Konzept des native speaker veränderten. Adolphs kam zu dem Schluss, dass Lerner des Englischen, die über längere Zeit Kontakt zu native speakers und deren Kultur hatten, ihre Lernziele neu definierten und mehr Wert darauf legten, sich auf internationaler Ebene auf Englisch verständigen zu können. Jennifer JENKINS (King's College London) diskutierte die Aussprache des Englischen als Lingua Franca; sie stellte den native speaker als das bisherige Ideal im Ausspracheunterricht angesichts der wachsenden Zahl von Lingua Franca-Interaktionen in Frage. Sie legte die Hauptmerkmale des von ihr erstellten Lingua Franca Core (LFC) dar und verglich diese mit den in der Lehre gebräuchlichen Aussprachemodellen. Jenkins erörterte zahlreiche Gründe, warum Lerner des Englischen Schwierigkeiten mit der Aussprache haben und schloss mit dem Fazit, dass die Abweichungen des LFC von den üblichen Aussprachemodellen die Verständigung zwischen den Sprechern nicht beeinträchtigen und darum ein an native speaker- Normen ausgerichteter Ausspracheunterricht nicht mehr zeitgemäß sei. Eine ähnliche Auffassung vertrat auch Barbara SEIDLH0FER. Sie erläuterte das Vienna-Oxford International Corpus of English (VOICE), ein Korpus von mündlichen Interaktionen, in denen Englisch als Lingua Franca verwendet wird, und betonte die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Lingua Franca-Varietät des Englischen entstehen könnte, die sich nicht mehr am Standard English orientieren würde. Dies würde eine veränderte Rolle des Englischen zur Folge haben, was wiederum Einfluss auf die zu vermittelnden Standards haben werde. Seidlhofer sprach sich angesichts der globalen Verbreitung des Englischen gegen das Konzept nativeness als Lernziel für nichtmuttersprachliche Lerner aus. Sowohl Jennifer Jenkins als auch Barbara Seidlhofer vertreten die kritisch diskutierte These, dass bestimmte immer wiederkehrende „Fehler" von Lernern des Englischen als Merkmale einer Lingua Franca-Varietät des Englischen gesehen werden können. Auch Allan JAMES (Universität Klagenfurt) beschäftigte sich in seinem Beitrag mit dem Gebrauch des Englischen als Lingua Franca und kam anders als Jennifer Jenkins und Barbara Seidlhofer zu dem Schluss, dass die Sprecher in Europa sich stark am Britischen und Amerikanischen Englisch orientieren. Die Variation, die dabei zu beobachten ist, hängt von der Art der Kommunikation und von den individuellen sprachlichen Fähigkeiten ab. Er entdeckte auch Unterschiede in der Form und Funktion, die Englisch als Lingua Franca in den verschiedenen Regionen Europas haben kann. James sieht jedoch bisher keine Ansätze für eine uniforme Lingua Franca-Varietät des Englischen in Europa. Die sich insbesondere aus außerunterrichtlichen Faktoren ergebenden Fragestellungen wie Einstellungen von Lernenden zur englischen Sprache wurden in vier Beiträgen behandelt. Vergleichende Studien zu den Sprachkenntnissen europäischer Schüler wurden von Margie BERNS (Purdue University) und Kees DE BOT (Rijksuniversiteit Groningen) vorgestellt. Das Leistungsniveau ist denrnach in den verglichenen Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande) sehr unterschiedlich; besonders positiv fielen in dieser Studie niederländische Schüler auf, die bilingual unterrichtet wurden. Es wurde dabei auch offensichtlich, dass der Kontakt, den die Schüler mit dem Englischen außerhalb der Schule haben, in direktem Zusammenhang mit ihren englischsprachlichen Fertigkeiten steht. Die Referenten forderten, dass der Englischunterricht vermehrt auf die außerschulischen Kontakte der Schüler mit der englischen Sprache eingehen muss. Auch Janet ENEVER (London Metropolitan University) problematisierte in ihrem Vortrag den Einfluss der globalen Verbreitung des Englischen auf den Englischunterricht in Europa, sie betrachtete insbesondere den früh beginnenden Englischunterricht in verschiedenen europäischen Staaten. So berichtete sie, dass die ungarische Regierung ein Curriculum erstellt hat, welches den Interessen der Wirtschaft gerecht wird, aber nicht die notwendige Reform für die Schulen bringt. Enever bemerkte, dass Fremdsprachendidaktiker und Erziehungswissenschaftler in den Entstehungsprozess des Curriculums nicht einbezogen wurden. Auf deutsche Studierende der Anglistik konzentrierte sich Elizabeth J. JF[,d 33 (2004) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 283 ERLING (University of Edinburgh/ Freie Universität Berlin) in ihrer Studie. Sie stellte einen Wandel in den Einstellungen der Studierenden zur englischen Sprache fest. Neben den Studierenden, die sich mit der US-amerikanischen oder der britischen Kultur identifizieren, gibt es in zunehmenden Maße Studierende, die Englisch als Weltsprache sehen und somit als Mittel, um mit anderen, auch nicht-englischsprachigen Kulturen zu kommunizieren. Erling sieht dies als charakteristisch für die Globalisierung des Englischen an. Die universitäre Ausbildung thematisierte auch Peter NüB0LD (Technische Universität Braunschweig). Er referierte über Englisch als internationale Fachsprache in technischen Berufen und die daraus resultierenden Anforderungen an die Ausbildung. Dies ist besonders an der TU Braunschweig von Interesse, da eine enge Zusammenarbeit mit der Universität von Rhode Island in gemeinsamen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen besteht. In diesen Studiengängen ist es möglich, ein Doppeldiplom beider Universitäten zu erwerben. Drei Vorträge befassten sich mit dem Komplex der Lehrerbildung und Lehrerausbildung. Angelika KUBANEK-GERMAN (Technische Universität Braunschweig) näherte sich dem Thema der Globalisierung des Englischen aus einer philosophischen Sichtweise. Aus dem Konzept des Weltbürgers von Kant begründete sie den hohen Stellenwert einer globalen Sichtweise im Englischunterricht. Kubanek-German stellte fest, dass globale Themen in deutschen Schulbüchern für den Englischunterricht meist in Texten angesprochen werden, die sich mit der Dritten Welt beschäftigen. Um die Distanz zu den Protagonisten zu überwinden, so schloss sie, brauchen die Schüler mehr Zeit, um einen besseren Zugang zu den Texten zu finden. Maike GRAU (Universität Gießen) ging der Frage nach, inwieweit sich Englisch-Studierende über die Thematik und die Auswirkungen des Englischen als weltweite Sprache bewusst sind. In ihrer auf Fragebögen basierenden Umfrage stellte sich heraus, dass sich die Mehrheit der Befragten gegen near-nativeness als Lernziel im Englischunterricht der Sekundarstufe I aussprach. Gleichzeitig war jedoch eine große Zahl von Studierenden mit neuen Konventionen in der Vermittlung des Englischen nicht einverstanden. Diese Studierenden wollen sich vor allem hinsichtlich der Aussprache weiter an den bisherigen Standards orientieren. Zum Abschluss warf George BRAINE (Chinese University Hong Kong) einen kritischen Blick auf Studien über die Effizienz von nichtmuttersprachlichen Englischlehrern. Obwohl erste Veröffentlichungen zu diesem Thema bereits Anfang der 90er Jahre erschienen sind, werden weitergehende Studien erst seit einigen Jahren im größeren Umfang durchgeführt und dies zumeist von Nichtmuttersprachlern des Englischen. Aus einem Vergleich der Studien folgerte er, dass sich die Lehrer der unterschiedlichen Varietäten des Englischen bewusst werden müssen und die Schüler lernen müssen, dass Englisch auf der globalen Ebene keine "Besitzer" hat, sondern auch ihre Sprache ist. Die Tagung war von einer durchgehend sehr guten Atmosphäre geprägt, was sich nicht nur in den lebhaften und sicherlich manches Mal kontrovers geführten Diskussionen bemerkbar machte. Die positive Resonanz aller Teilnehmer wurde von Alan James beim gemeinsamen abschließenden Abendessen aller Referenten in einer Ansprache zum Ausdruck gebracht, und so schloss er mit der Frage: "When can we come back? " Nach der im Jahr 1998 vom Englischen Seminar durchgeführten Tagung über „Teaching and Learning English as a Global Language. Native and Non-Native Perspectives" 2 könnte es vielleicht im Jahr 2008 der Fall sein. Braunschweig Claus GNUTZMANN, Frauke INTEMANN, Bettina BEINHOFF 2 Vgl. Clans GNU1ZMANN (Hrsg.): Teaching and Learning English as a Global Language. Native and Non- Native Perspectives. Tübingen: Stauffenburg 1999. JFLI.UL 33 (2004) 284 Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher Eingegangene Bücher * BARDOSI, Vilmos / ETTINGER, Stefan/ STÖLTING, Cecile: Redewendungen Französisch/ Deutsch. Thematisches Wörter- und Übungsbuch. Dritte Auflage. Tübingen und Basel: Francke 2003 (UTB 1703), XXVIII+ 259 Seiten. BARKOWSKI, Hans/ FAISTAUER, Renate (Hrsg.): ... in Sachen Deutsch als Fremdsprache. Sprachenpolitik und Mehrsprachigkeit • Unterricht • Interkulturelle Begegnung. Festschrift für Hans-Jürgen Krumm zum 60. Geburtstag. Hohengehren: Schneider Verlag 2002, XVI + 459 Seiten. BAUMGARTEN, Nicole/ BöTTGER, Claudia/ MOTZ, Markus/ PROBST, Julia (Hrsg.): Übersetzen, Interkulturelle Kommunikation, Spracherwerb und Sprachvermittlung das Leben mit mehreren Sprachen. Festschrift für Juliaue House zum 60. Geburtstag. Bochum: AKS-Verlag 2004 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; Band 34), VIII+ 278 Seiten. KoHN, Martin: Leitfaden Moderne Medien. PC-Einsatz im Englischunterricht. Hannover: Schroedel/ Diesterweg & Bad Heilbronn: Verlag J. Klinkhardt 2003 (Unterrichts-Perspektiven Fremdsprachen), 160 Seiten. Langenscheidt Muret-Sanders Großwörterbuch Englisch. Teil I: Englisch-Deutsch von Helmut Willmann. Herausgegeben von der Langenscheidt-Redaktion. Berlin [usw.]: Langenscheidt 2001, 1327 Seiten.(**) Langenscheidt Muret-Sanders Großwörterbuch Englisch. Teil II: Deutsch-Englisch. Völlige Neubearbeitung. Herausgegeben von der Langenscheidt-Redaktion. Berlin [usw.]: Langenscheidt 2004, 1341 Seiten.(**) Langenscheidts Handwörterbuch Englisch. Teil I: Englisch-Deutsch von Heinz Messinger und der Langenscheidt-Redaktion. Teil II: Deutsch-Englisch von Sonia Brough und der Langenscheidt- Redaktion. Berlin [usw.]: Langenscheidt 2001, 1660 Seiten (mit Langenscheidt Grammatik Englisch. Von Dr. Sonia Brough und Dr. Vincent J. Docherty. Berlin [usw.]: Langenscheidt 1998, 160 Seiten).(**) Langenscheidt Muret-Sanders e-Großwörterbuch Englisch. 4.0. Englisch-Deutsch Deutsch-Englisch. Völlige Neuentwicklung„ CD-ROM. Berlin [usw.]: Langenscheidt 2004, 1341 Seiten.(**) PONS Großwörterbuch Französisch. Französisch-Deutsch/ Deutsch-Französisch. Vollständige Neuentwicklung 2004. Mit Extraheft Französisch Aktiv. Stuttgart: Klett 2004, XIX+ 738 + 753 + (Extraheft) 128 Seiten. (**) PONS Handwörterbuch Französisch. Französisch-Deutsch/ Deutsch-Französisch. Vollständige Neubearbeitung 2004. Privat- und Geschäftsbriefe auf CD-ROM. Stuttgart: Klett 2004, XVIII + 975 + 922 Seiten. (**) SCHART, Michael: Projektunterricht subjektiv betrachtet. Eine qualitative Studie mit Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache (mit CD ).Hohengehren: Schneider Verlag 2003, X+ 285 Seiten. WESKAMP, Ralf: Fremdsprachenunterricht entwickeln. Grundschule - Sekundarstufe I - Gymnasiale Oberstufe. Hannover: Schroedel/ Diesterweg & Bad Heilbronn: Verlag J. Klinkhardt 2003 (Unterrichts-Perspektiven Fremdsprachen), 168 Seiten. Das Sternchen(*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen(**) deutet an, dass eine Besprechung für den Jahrgang 34 (2005) vorgesehen ist. JF[,i.lllL 33 (2004) ________ I_n_f_o_r_m_a_t_i_o_n_e_n __ •_V_o_r_s_c_h_a_u _______ _.l „Wie man Fremdsprachen lernt" eine Website Sprachlehrforscher an der Universität Hamburg arbeiten seit drei Jahren (freilich mit erheblichen Unterbrechungen) an einer Website mit der Bezeichnung „Wie man Fremdsprachen lernt". Das Projekt ist nun unter der Internetadresse www .uni-hamburg.de/ fremdsprachenlernen verfügbar und wird demnächst auch von der Homepage der Universität Hamburg aus erreichbar sein. Die Website umfasst mehr als 400 durch Hypertext vernetzte Internet-Seiten, die Tipps, Anregungen, Vorschläge, Argumente, wissenschaftliche Befunde (und bei Bedarf Literaturangaben) zu allen Aspekte des Fremdsprachenlernens bieten. Die Grundidee des Projekts ist, dass Fremdsprachenlernen bei Erwachsenen unter eigener Verantwortung (sog. "autonomes Lernen") von entscheidender Bedeutung ist und dass Sprachlernbewusstheit, "Know-how" und fachliches Wissen dabei relevant und wichtig sind. Die Website ist kursunabhängig, sprachübergreifend und lernniveauneutral und stellt ein Hilfsmittel für jugendliche und erwachsene Fremdsprachenlerner innerhalb und außerhalb von Bildungsinstitutionen dar. Der Inhalt kann aber auch als didaktische und methodische Fundgrube für Fremdsprachenlehrer und Fortbilder benutzt werden. Wir, die Mitarbeiter/ -innen der Hamburger Sprachlehrforschung, hoffen hiermit eine neue und interessante Ergänzung zu vorhandenen fremdsprachlichen Lernmitteln entwickelt zu haben. Die Bekanntgabe der Website bei Kolleg/ -innen und Studierenden in den sprachbezogenen Fächern, im Schuldienst und in weiteren relevanten Kreisen würden wir begrüßen. Ebenso sind Anregungen in Form von Verbesserungsvorschlägen, Entwicklungsperspektiven und Kooperationsmöglichkeiten willkommen. Rückmeldungen bitte an: fremdsprachenlernen@uni-hamburg.de. Willis Edmondson, Projektleiter Johannes Eckerth, Projektkoordinator Der von Franz-Joseph MEißNER (Universität Gießen) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 34 (2005) heißt „Neokommunikativer Fremdsprachenunterricht". Verschiedene Entwicklungslinien haben die Theorie und auch schon die Praxis des Lernens und Lehrens fremder Sprachen deutlich verändert, so dass sich seit mehreren Jahren eine Tendenz abzeichnet, die Neuerungen in dem Paradigma des „neokommunikativen Unterrichts" zusammenzufassen. Demgemäß behandelt der Band die konstitutiven Schnittmengen des neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts. Hierzu gehören ein den Kognitionswissenschaften verpflichteter Lernbegriff, die Europäischen Vorgaben für das Lehren und Lernen fremder Sprachen, die Sprachenteiligkeit/ Mehrsprachigkeit innerhalb der europäischen Kommunikation, die 'frühe' Fremdsprachenerfahrung als Vorbereitung auf den lebensbegleitenden Mehrsprachenerwerb, das interkulturelle Lernen, die lebensweltliche Mehrsprachigkeit und die Optimierung des Mehrsprachenerwerbs, offene Lernarrangements, Neue Technologien und neue methodische Ansätze wie simulation globale, Lernen an Stationen, Lerntandems, interkultureller Projektunterricht und das inhaltsorientierte Fremdsprachenlernen. lFLllllL 33 (2004) 286 Informationen • Vorschau Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen von folgenden Autorinnen und Autoren vor (bei den mit (*) markierten Titeln handelt es sich um Arbeitstitel, die deshalb als vorläufig anzusehen sind): Annette BERNDT (Universität Kassel): The Age Factor: Lernziele, Methodenwissen, Lernpraxis für das lebensbegleitende Lernen (*). Werner BLEYHL (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg): Kritik an der überkommenen Fremdsprachenmethodik (*). Eva BURWIIZ-MEL'ZER (Universität Gießen): Theoriegeleitete fremdsprachenunterrichtliche Praxis im englischen Literaturunterricht. Peter DOYE (TU Braunschweig): Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung. Claus GNUTZMANN (TU Braunschweig): Globalisation plurilingualism and English as a Lingua Franca (ELF). Has English as a Foreign Language become obsolete? Michael K. LEGUTKE, Dietmar RöSLER (Universität Gießen): Offenes Klassenzimmer, Neue Technologien, Neue Lehrwerke (*). Helene MARTINEZ (Universität Gießen): Autonomes Lehren und Lernen im Zusammenhang eines neokommunikativen Lernkontextes. Franz-Joseph MEißNER (Universität Gießen): Mehrsprachigkeit und sprachenübergreifendes Lernen und Lehren. Zum Stand der Forschung. Andreas MÜLLER-HARTMANN (Pädagogische Hochschule Heidelberg): Interkultureller Projektunterricht: zwischen Neuen Technologien und neuen Lehrerrollen. Jürgen QUEIZ: (Universität Frankfurt): Lernstandskontrollen. Tests und Standards im kommunikativen Fremdsprachenunterricht heute. Marcus REINFRIED (Mannheim): Neue Tendenzen im neokommunikativen Fremdsprachenunterricht: Handlungsorientierung, Lernen im Tandem, Lernen an Stationen, Simulation globale, Ganzheitlichkeit. Armin V. WERNSING (Krefeld): Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten. Wolfgang ZYDATiß (FU Berlin): Diskursfunktionen als curriculare Basiseinheiten eines analytischen Lehrplans für den bilingualen Sachfachunterricht. Gedächtnis und Fremdsprachenlernen lFILlllL 33 (2004) Neu bei Francke Wolfgang Butzkamm Lust zum Lehren, Lust zum Lernen Eine neue Methodik für den Fremdsprachenunterricht 2004, XII, 403 Seiten, zahlr. Abb., kt.€ [D] 24,90/ SFr43,70 ISBN 3-7720-8039-1 Wolfgang und Jürgen Butzkamm Wie Kinder sprechen lernen Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen 2., vollst. neu bearb. Auflage, 2004, 408 Seiten, zahlr. Abb., kt.€ [D] 24,90/ SFr 43, 70 ISBN 3-7720-8057-X A. Francke Verlag · Tübingen und Basel k ......................................................................................... Bestellcoupon • Bestellcoupon • Bestellcoupon • Bestellcoupon Gleich ausfüllen und senden an A. Francke Verlag, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Name Straße PLZ / ort' E-Mail '6' (07071) 9797-0 (0707I) www.francke.de 75288 Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht: Expl., Wolfgang Butzkam.m Lust zum Lehren, Lust zum Lernen € [D] 24,90, ISBN 3-7720-8039-l Expl., Wolfgang und Jürgen Butzkamm Wie Kinder sprech.en lernen € [D] 24,90, ISBN 3-7720-8057-X Datum Unterschrift GIESSENER BEITRÄGE Katja Nandorf Selbstlernen mit Sprachlernsoftware Multimedia in der fremdsprachlichen Weiterbildung Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 2004, ca. 360 Seiten, ca. € [D] 39,-/ SFr 67, 50 ISBN 3-8233-6105-8 Die Autorin untersucht, wodurch sich multimediale Selbstlernprogramme für Fremdsprachen auszeichnen. Am Beispiel von Englischlernprogrammen für Erwachsene zeigt sie neuere technische und didaktisch-methodische Entwicklungen auf. In einer empirischen Studie untersucht sie, wie Erwachsene mit einem multimedialen Lernprogramm lernen, welche Lernwege sie gehen und auf welche Probleme sie beim Lernen stofsen. Christiane Neveling Wörterlernen mit Wörternetzen Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 2004, 452 Seiten, € [D] 42,-/ SFr 72,50 ISBN .3-8233-6065-5 Antje Stork Vokabellernen Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 2004, 256 Seiten, € [Dj 30,-/ SFr 52,40 ISBN 3-8233-6045-0 Karl-Richard Bausch Frank G. Königs Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.) Fremdsprachenlehrerausbildung Konzepte, Modelle, Perspektiven Arbeitspapiere der 23. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 2003, 264 Seiten, € [D] 35,-/ SFr 60,50 ISBN 3-8233-6043-4 Lothar Bredella Werner Delanoy Carola Surkamp (Hrsg.) Literaturdidaktik im Dialog Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 2004, 265 Seiten, € [D] 29,-/ SFr 50,70 ISBN 3-8233-6083-3 Inez De Florio-Hansen Vom Reden über Wörter Vokabelerklärungen im Italienischunterricht mit Erwachsenen Giessencr Beiträge zur Fremdsprachendidaktik, 1994, X, 640 Seiten, € [D] 48,-/ SFr 82, 50 ISBN 3-8233-4374-2 grn'l Gunter Narr Verlag Dischingerweg 5 · D- 72070 Tübingen www.narr.de · E-Mail: info@narr.de Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1987-2006)* Jg . 16 ( 1987): Worts chatz und Wortschatzlernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 17 ( 1988): Übersetzung und Übersetzen (hrsg . von Ekkehard Zöfgen) Jg . 18 ( 1989): Historis che Sprachstufen (hrsg. von Kurt Otto Seidel) Jg . 19 ( 1990): Fachsprachen und ihre Vermittlung (hrsg. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 20 (1991): Grammatik und Grammatiklernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg . 21 ( 1992): Idiomatik und Phraseologie (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 22 (1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koord. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 23 ( 1994): Wörterbücher und ihre Ben utzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) Jg . 24 ( 1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) Jg. 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) Jg. 26 ( 1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) Jg. 27 ( 1998): Subjektive Th eo rien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) Jg. 28 ( 1999): Neue Medien im Fremdspra chenunterricht (koord. von Erw in Tschimer) Jg. 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) Jg. 30(200 1 ): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjah n) Jg . 3 1 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) Jg . 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) Jg . 33 (2004): Wortschat z - Wortschatzerwe rb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) Jg. 34 (2005): .,Neokommunikativer" Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) Jg. 35 (2006): Gedächtnis und Fremdsprachenlernen (geplant) * Bis Jahrgang 15 (1986) e in schließ li ch ersc hi en die Zeitschrift unter dem Titel Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachen lehren/ -lernen im Aus land. Grundlage für jeden Beitrag so llte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Beiträge, die den schulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen wi ll kommen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausfü hrli chen 'sty le sheet' zu entnehm en, das bei der Redaktion (Ansc hri ft siehe 2. Umschlagseite) angefordert werde n kann . Anglistik/ Amerikanistik fSABEL VOLLMUTH Englisch an der Grundschule Wie Handreichungen den Frühbeginn sehen. Eine didaktisch-methodische Analyse 2004. 273 Seiten. (Anglistische Forschungen, Band 327) Geb.€ 48,rsBN 3-8253-1560-6 Vorliegende Arbeit untersucht Lehrwerke des frühbeginnenden Englischunterrichts aus didaktischer Perspektive. Insbesondere die Lehrerhandbücher stellen wichtige Infonnationsquellen und Sprachvorbilder für die Unterrichtsgestaltung dar. Hierzu werden aus Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung, Grundschulpädagogik, Fachdidaktik, Lehrwerkkritik und Pragmalinguistik Analyseebenen zur Evaluation des Textkorpus ISSN 0932-6936 ISBN 3-8233-5954-1 Universitätsverlag • WINTER Heidelberg entwickelt. Die sprachliche Ebene der Untersuchung fragt nach der Verteilung der Fertigkeiten und nach der Auswahl und Anordnung von Sprachfunktionen. Die methodische Ebene beschäftigt sich mit der Umsetzung von Lehr- und Lernverfahren. Die inhaltliche Ebene untersucht thematische Strnktur und kulturelle Lernangebote.