Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2005
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Gnutzmann Küster SchrammFLuL 34.Jahrgang(2005) Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen l"\': 7 Gunter Narr Verlag Tübingen Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen Herausgeber: Claus Gnutzmann (Braunschweig) • Frank G. Königs (Marburg)· Ekkehard Zöfgen (Bielefeld) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Redaktion FLuL, Prof. Dr. Ekkehard Zöfgen, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Postfach 1001 31, 3350 l Bielefeld E-Mail: Ekkehard.Zoefgen@Uni-Bielefeld.de Prof. Dr. Frank G . Königs, Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Straße, 35032 Marburg/ Lahn E-Mail: Koenigs@staff.uni-marburg.de Prof. Dr. Claus Gnutzmann, TU Braunschweig, Englisches Seminar, Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik, Bienroder Weg 80, 38106 Braun schweig, E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Beratende Mitarbeit: Jens Bahns (Kiel) • Hans Barkowski (Jena) • Rupprecht S. Baur (Essen) • Wolfgang Börner (Hamburg)• Eva Burwitz-Melzer (Gießen)• Franz Josef Hausmann (Erlangen )• Jürgen Kut1z (Karlsruhe)• Manfred Raupach (Kassel)· Claudia Riemer (Bielefeld) Fremdsprachen Lehren und Lernen erscheint einmal jährlich mit einem Umfang von ca . 240 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 42,- (zuzüg l. Postgebühren). Vorzugspreis für private Leser € 34,- (zuzügl. Postgebühren/ Lieferung und Rechnung an Privatadresse), sofern sie dem Verlag schriftlich mitteilen, dass sie die Zeitschrift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch beziehen. Erfolgt keine Abbestellung bis zum 15 . November, so verlängert sich das Abonnement automatisch um ein Jahr. © 2005 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH+ Co. KG Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen , vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie , Mikrofilm oder andere Verfahren reprodu z iert oder in eine von Maschinen , insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen , verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag , Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergeste llt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gern. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebühren za hlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49 , 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Unive rsität Bielefeld und des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung der Philipps-Universität Marburg . Druck: Laupp & Göbel , Nehren Bindung: Nädele, Nehren Printed in German y ISSN 0932-6936 ISBN 3-8233-5955-X Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Franz-Joseph MEJjJNER Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 3 Claus GNUTZMANN Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (ELF): Has English as a Foreign Language (EFL) become obsolete? . . . . . . . . . . . . . . 15 Michel CANDELIER L'eveil aux langues une innovation europeenne 27 Werner BLEYHL Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterrichts oder: Weshalb ein Paradigmenwechsel, eine Umkehr, im Fremdsprachenunterricht erfolgen muss . 45 Helene MARTINEZ Lernerautonomie: ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht ... und die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung . . . . . . . . . . . . . . 65 Annette BERNDT Sprachenlernen lebenslang: Eine Schlüsselqualifikation 83 Eva BURWITZ-MELZER Kompetenzen für den Literaturunterricht heute. Ein Beitrag zur standardorientierten Didaktik des Fremdsprachenunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . 94 Peter DoYt Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Franz-Joseph MEißNER Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited : über Interkomprehensionsunterricht zum Gesamtsprachencurriculum ..................................... 125 (Fortsetzung umseitig) Britta HUFEISEN, Nicole MARX Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer spezifischen DaFnE-Didaktik .................................. 146 Wolfgang ZYDATiß Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten und Aufgaben des bilingualen Sachfachunterrichts .......... 156 Michael K. LEGUTKE, Dietmar RÖSLER Enhancing collaborative work by integrating digital media into foreign language teacher education ......................................... 174 Andreas MÜLLER-HARTMANN Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten. Die Entwicklung von Erfahrungswissen angehender Fremdsprachenlehrer/ innen .. 192 Armin Volkmar WERNSING Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten am praktischen Beispiel des Französischunterrichts. Ein Erfahrungsbericht ....................... 207 Jean-Antoine CARAVOLAS: Histoire de la didactique des langues au siecle des lumieres. Montreal: Presses de l'Universite 2000 & Tübingen: Narr 2001 (EKKEHARDZÖFGEN) .. 219 Handbuch Fremdsprachenunterricht, herausgegeben von Karl-Richard BAUSCH [et al.] Vierte[...] Auflage. Tübingen und Basel: Francke 2003 (EKKEHARDZÖFGEN) ....... 223 Antje STORK: Vokabellernen. Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien. Tübingen: Narr 2003 (WOLFGANG BöRNER) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Christiane NEVELING: Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren. Tübingen: Narr 2004 (WOLFGANG BöRNER) .............................................. 228 Johannes ECKERTH: Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen. Tübingen: Narr 2003 (HORST RAABE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Werner HÜLLEN: Kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005 (EKKEHARD ZÖFGEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Lars SCHMELTER: Selbstgesteuertes oder potenziell expansives Fremdsprachenlernen im Tandem. Tübingen: Narr 2004 (CLAUDIA RIEMER) ........................ 240 Eingegangene Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 lFLlllL 34 (2005) „Neokommunikativer" Fremdsprachenunterricht Franz-Joseph ME{/ JNER Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Die Beschreibung erfolgreicher Schlag- und Schlüsselwörter aus Theoriezusammenhängen greift soziolinguistisch dann zu kurz, wenn die Begriffe auf weit verbreitete Praxen treffen. Dies gilt auch für die Erfolgsformel kommunikativer Fremdsprachenunterricht, sofern die Fachlexikographie die Wirkungsperspektive von Fremdsprachenunterricht außer Acht lässt. Die Zahl der Rezipienten von Fremdsprachenunterricht und seiner didaktischen Konzepte beläuft sich allein im deutschen Rahmen auf über 200.000 Lehrende moderner Fremdsprachen, sodann auf eine mehrere Millionen starke schulische Abnehmerschaft von Fremdsprachenunterricht bzw. auf das wiederum um ein vielfaches Größere von 'Fällen' schulischen Fremdsprachenunterrichts. Die überschlägigen Schätzungen nehmen weder die erwachsenen Abnehmer von Fremdsprachenunterricht noch die Vorschulkinder ins Kalkül. All diese Personen und der von ihnen gebildete Markt geraten seit ca. drei Jahrzehnten mehr oder weniger regelmäßig mit der zumeist appraisativ benutzten Formel in Kontakt, wodurch nicht zuletzt die Lehrwerke und die Werbung der kommerziellen Anbieter sorgen, die das Lernziel an prominenter Stelle propagieren. Schließlich gehört die Formel zum Kernbestand der Richtlinien und Curricula. Das Paradigma 'kommunikativer Fremdsprachenunterricht' gewinnt im Kern jedoch seine Kraft aus einem impliziten und simplen Versprechen an die Lernenden bzw. Kunden. Es lautet: "Unterricht (Lehrwerk, Methode usw.), der (das, die) dich zur Kommunikation in der Zielsprache X befähigt". Das Versprechen trifft auf einen Markt, der europa-, ja weltweit nach mehrsprachiger Kommunikationsfähigkeit verlangt und diese von den einzelnen Menschen einfordert. Dies bedeutet, dass sich eher enge Methodenbegriffe dem Paradigma unterordneten: Superlearning, Suggestopädie, alternative Methoden ... und es stützen. - Zugleich fällt die Erfolgsgeschichte der Formel ursächlich mit einem enormen Aufschwung der Sprachenindustrien zusammen (der bislang kaum Gegenstand der Forschung seitens der Wissenschaften vom Lernen und Lehren fremder Sprachen wurde). Dass dieser Markt nicht ohne Einfluss auf die Erwartungshaltung der potentiellen Kunden blieb, versteht sich von selbst. Schlagwörter erscheinen hier als Werbeslogans und sind Mittel des Sprachenmarketings. Dies erklärt die semantische Reduktion der in den Begriff seitens der Theorie hineingelegten Polysemie bzw. Bedeutungsschattierungen. Denn Slogans müssen offen, vielversprechend, mehrdeutig und eingängig sein. Natürlich hat die Formel 'kommunikativer Fremdsprachenunterricht' eine Vorgeschichte. Da die historische Fachlexikographie nicht nur den semasiologischen Aspekt einer Prägung, sondern auch den onomasiologischen in den Blick nehmen sollte, ist die Frage nach den pragmatischen Zielen historischen Fremdsprachenunterrichts zu stellen. lFlLJ.nL 34 (2005) 4 Franz-Joseph Meißner Positive Antworten hierauf begleiten den Fremdsprachenunterricht seit seinen überlieferten Anfängen. Die Zeitstrecken hingegen, in der Unterricht zeitgenössischer Fremdsprachen vorwiegend als Mittel formaler Menschenbildung fungierte, sind bedeutend kürzer: Im gymnasialen Französischunterricht begegnet eine Vorform des kommunikativen Paradigmas in der „Schulung der Sprechfertigkeit" (Preußische Gyrnnasialpläne von 1882 bzw. die Sächsischen Richtlinien von 1880, nach CHRIST/ RANG 1985: I, 52f). Hier ist indes nicht der Ort, diese Entwicklung detailliert nachzuzeichnen. Historisierende Betrachtungen zeigen jedoch, dass 'kommunikativer Fremdsprachenunterricht' auf einem Fundament der Langue duree-Wirkung steht. Zeitgleich mit den Ereignissen des eingangs geschilderten Zusammenhangs entwickelte die Europäische Gemeinschaft Initiativen, um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern transkulturelle Kommunikation zu ermöglichen. Sie sind für die Wirkungsgeschichte des populären Fachwortes von besonderem Belang, stellen sie doch den Bedingungsrahmen, in dem der Begriff promoviert wurde. So formulierte TRIM (1978: 1) die Ziele des Europäischen Kultur- und Kooperationsrats: : ; t. faciliter la libre circulation des personnes et des idees en Europe en donnant les moyens linguistiques permettant une communication directe entre les personnes ; b. democratiser le processus d'apprentissage des langues en fournissant ! es outils conceptuels necessaires a la planification, a l' elaboration et a la mise en reuvre d' enseignements etroitement adaptes aux besoins [... ] des apprenants et leur permettant dans la mesure du possible de diriger et de contr6ler leurs propres progres ; c. fournir le cadre d'une cooperation internationale etroite et efficace pour l 'organisation de l 'apprentissage des langues, en mettant a la disposition des adultes un systeme d' apprentissage des langues centre sur l'apprenant et fonde sur la motivation, destine a repondre a leurs divers besoins sociaux et professionnels. Es geht um die. Herstellung eines europaweiten Organisationsrahmens für Sprachenförderung, um eine Demokratisierung des Fremdsprachenunterrichts und dessen Fokussierung auf die Bedürfnisse möglicher, hier: erwachsener, Zielgruppen. Die Förderungspolitik misst Fragen der fremdsprachlichen Methodik an deren Effizienz, wobei das Lernziel der 'transkulturellen Kommunikationsfähigkeit' nie in Frage gestellt wird (vgl. ECKERTH/ WENDT 2003). - Unübersehbar wurde die Europäische Initiative dann seit den 70er Jahren mit der Vorlage der Schwellenniveau-Listen für die damaligen EG-Sprachen. Von hier zieht sich eine Linie zum heutigen 'Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen'. Und in ihm geht es keineswegs nur um Kompetenzbeschreibung: „1. Praktiker aller Art im Sprachenbereich einschließlich der Lernenden selbst zu ermutigen, über Fragen wie die folgenden nachzudenken: • Was tun wir eigentlich, wenn wir miteinander sprechen (oder einander schreiben)? • Was befähigt uns, auf diese Weise zu handeln? • Wie viel davon müssen wir lernen, wenn wir eine neue Sprache zu benutzen versuchen? • Wie setzen wir uns Ziele, uo.d wie stellen wir Lernfortschritte fest auf dem Weg von völliger Unwissenheit zur effektiven Sprachbeherrschung? • Wie länft der Sprachprozess ab? • Was können wir tun, damit wir selbst uo.d Andere [sie} Sprachen besser lernen können? " (nach LUTJEHARMS 2005: 91) lFLlllL 34 (2005) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 Die Europäischen Texte signalisieren, dass die Fokussierung auf sprachliche und methodische Ziele im engeren Sinne, wie sie sich mit dem kommunikativen Ansatz verbinden (siehe unten), allein nicht ausreicht, um die zur transkulturellen Kommunikationsfähigkeit führende Praxis zu verbessern. Dies erklärt das Interesse der EU an Organisation, Standards und last but not least Lehrlernprozessen im Bereich der Sprachen. Eine weltweite Attraktivität bezeugt die Internationalität der Serie communicative approach, approche communicative, enfoque comunicativo ... Für die inhaltliche Beschreibung des Theoriebegriffs international relevant sind die Referenzen der nationalen Fachwörterbücher. CUQ (2003) nennt in den Artikeln COMMUNICATIF und APPRO- CHE COMMUNICATIVE HYMES (1971), AUSTIN (1962) und CHOMSKY (1959). Das CERVANTES-INSTITUT erwähnt HYMES, CANALE/ SWAIN (1980) und VANEK (1986). Keineswegs überraschend ist (vgl. MEißNER 2005), dass die in deutschsprachigen Publikationen genannten deutschen Autoren nur selten im Ausland Beachtung finden. Der Rückgriff auf HABERMAS und auf den von ihm stark hergestellten Zusammenhang zwischen Kommunikation und Empanzipation 1 erscheint im fremdsprachendidaktischen Diskurs dann eher als ein deutsches Spezifikum (auch REDDER 2001: 642; SCHMENK 2005). "[ ...] S. SAVIGNON (1972) utiliz6 la expresi6n ~ompetencia comunicativa para referirse a Ia capacidad de los aprendientes de lengua para comunicarse con otros compaileros de clase; distinguia asi esta capacidad, que les permite un uso significativo de la Iengua, de aquella otra que ! es permite por ejemplo repetir los dialogos de las lecciones o responder correctamente a una prueba de opciones multiples" (CERVANTES INSTITUT 2005). Ähnlich DUXA (2003: 306): "Kommunikativer Fremdsprachenunterricht muss daher immer interaktiver Fremdsprachenunterricht sein. Ein[ ... ] auf die sprachliche Dimension gerichtetes Einüben von Redemitteln ist nicht ausreichend..." Sie bezeichnet damit bereits eine wesentliche Abgrenzung des kommunikativen Unterrichts gegenüber vorausgehenden Methoden. Merkmale sind das Arbeiten an/ in Dialogen, das Rollenspiel, das Ausnutzen der sozialen Situation im Klassenzimmer zur Kommunikation in der Zielsprache und die Organisation versprachlichter Interaktivität. Dies impliziert den Einbezug extraverbaler Ausdrucksmittel, wie Mimik und Gestik usw. und die schon angeklungene Betonung der Mündlichkeit; nun differenziert nach Hörverstehen und Sprechen (MEißNER 2000). REINFRIED (2001: 4 f) zieht eine Linie von PIEPHO (1974) über SCHIFFLER (1980) zu 'Lernen durch Lehren' nach Jean-Pol MARTIN (1985: 85 f). 2 Schon hier wird sichtbar, dass das Konstrukt des 'offenen Klassenzimmers' (LEGUTKE 1996) und die Möglichkeit computer-vermittelter Kommunikation (FUCHS 2005) dem Paradigma eine neue Dimension verleihen, in der 'authentische interkulturelle Kommunikation', z.T. sogarface to face, hergestellt und das Phänomen der 'inhaltsarmen Dies bestätigt auch SCHMENK (2005), wenn sie auf ein heutzutage im angelsächsischen Diskurs entstehendes fachdidaktisches Interesse an HABERMAS verweist. 2 Einen ausgezeichneten Überblick liefert BERARD (1991). lFJLl.llL 34 (2005) 6 Franz-Joseph Meißner Kommunikation zum Zweck des Spracherwerbs' stark gemildert wird. Zu nennen sind sodann das (partnersprachliche) Tandem-, das interkulturelle Projektlernen und der inhaltsorientierte Spracherwerb (MARSH/ MARLSAND/ MAuERs 1999). 3 Hierneben gesellen sich Merkmale der bereits erwähnten Prozessorientierung und der Lernkompetenz. So erhält der 'kommunikative Fremdsprachenunterricht' eine neue Qualität, was die Frage einer neuen Nomenklatur für das nach wie vor unverzichtbare Leitparadigma heutigen Fremdsprachenunterrichts aufwirft. So sprechen PIEPHO (1990) und KÖNIGS (1991) vom „postkommunikativen" Fremdsprachenunterricht (vgl. SCHMENK 2005; GNUTZMANN 2005). Natürlich blieben die mit dem kommunikativen Ansatz verbundenen Merkmale nicht ohne Kritik. Genannt werden die Vernachlässigung des Schreibens und die trotz des Primats der Mündlichkeit weiterhin gängige Praxis der Schriftlichkeit der Prüfungen (GNUTZMANN 2005: 176). Dies aber provoziert die Frage, ob eine zweifelhafte Prüfungspraxis Grund zur Kritik an der Orientierung des Fremdsprachenunterrichts zur Mündlichkeit liefern kann? Schließlich versuchen die neuen Richtlinien als auch der GeR die kritikable Praxis zu korrigieren. Auch die empirische Lernerforschung bestätigt den Wunsch der Lerner, vor allem mündlich in der Zielsprache kommunizieren zu können (BOGDAN [et al.] 2006). Präfigurale Bildungen mit Post- oder auch Neodefinieren bekanntlich erst recht, wenn sie so etwas bezeichnen wie Paradigmata ein Neues über Überwindung und gleichzeitigen Bezug auf das schon BekannteNorhandene (postmodern, postkolonial, neokolonial... ). In diesem Sinne behält auch neokommunikativ seine Grundorientierung an kommunikativ, Kommunikation, interkulturelle Kommunikation bei. Zur inhaltlichen Füllung des Neologismus als Paradigma: Nach einer Zählung der in den einschlägigen Bibliographien genannten Deskriptoren versucht REINFRIED (2001: 10) unter der Überschrift „Prinzipien des neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts" eine Zusammenstellung seiner Merkmale. Als übergeordnet erscheinen 1. Handlungsorientierung, 2. fächerübergreifendes Lernen, 3. ganzheitliche Spracherfahrung und 4. Lernerorientierung. Auf einer zweiten, dritten und vierten Ebene werden diesen weitere Charakteristika zugeordnet: 1.1 kooperatives Lernen, 1.2 kreative Arbeitsformen, 1.3 Lernen durch Lehren, 1.4/ 2.1 Projektunterricht, 2.2 Mehrsprachigkeitsdidaktik (Interkomprehensionsdidaktik), 2.3 bilingualer Sachfachunterricht, 2.4/ 3.1 Inhaltsorientierung, 3.2 authentische und komplexe Lernsituationen, 3.3 inzidentelles Lernen, 4.1 Individualisierung des Lernens, 4.2 Lernerautonomie. Auf der dritten Ebene begegnen: 2.1.1 interlinguale Koordination des Sprachinputs, 2.1.2 interlinguale Lernstrategien, 2.1.3 kontrastive Sprachen- und Kulturbewusstheit, 3.1 Lernen mit allen Sinnen unter Einbezug von Emotionen, 3.2 nichtlineares Lernen, 4.2.1 Lernbewusstheit (Lernstrategien und -techniken), 4.2.2 Sprachbewusstheit, 4.2.3 interkulturelle Bewusstheit. Weiter bemerkt REINFRIED, dass dem neuen Paradigma die Makroebene fehle. Er nennt in "Content and language integrated learning (CLIL) is a generic term and refers to any educational sittiation in which an additional language and therefore not the most widely and used language of the environment is used for the teaching and learning of subjects other than the language itself' (MARSH! MARLSANDIMAuERS 1999: 14). lFLu! L 34 (2005) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 diesem Zusammenhang den Konstruktivismus. - Auch wenn man Kritik an den Zuordnungen und Hierarchisierungen üben kann, so ist doch kaum zu leugnen, dass die Liste wesentliche Elemente dessen fasst, was sich unter 'neokommunikativem Fremdsprachenunterricht' verstehen lässt. Damit verfügen wir bereits über ein partielles Raster für die Selektion möglicher Themen dieses Bandes. Andererseits lässt dieses aber noch wichtige Bereiche unberücksichtigt. Dies betrifft die in Folge der Globalisierung veränderte Stellung der Sprachen in der heutigen Welt als auch in unserem persönlichen Sprachenhaushalt. Zu denken ist etwa an die Rolle des Englischen als lingua franca 'number one', von dem kaum ein ernsthafter Bildungspolitiker behaupten würde, dass es nicht so etwas wie eine globale Pflichtfremdsprache sein sollte. Doch gerade aus dieser weltweit vertretenen Auffassung und ihrer Konsequenz für die Sprachen und Kulturen der Nichtanglophonen erwächst der Vorwurf, Englisch sei der 'language killer number one' (HAGEGE 2000; AHRENS 2003). Eine Politik, die einer einzelnen Sprechergemeinschaft alle Vorteile auf Kosten aller anderen gibt, ist keine Friedenspolitik, verbindet sich doch mit Sprachen kulturelle Gewalt. Eine Politik der Mehrsprachigkeit ist daher die einzig mögliche Antwort auf die als bedrohlich empfundene Situation. Beide Positionen finden einen Niederschlag in den in diesem Band versammelten Beiträgen. Von ähnlich fundamentaler Bedeutung wie die Rolle der Sprachen in einer miteinander dichter denn je zuvor kommunizierenden Welt ist die der Medien. Sie erlauben einerseits die ubiquitäre Erreichbarkeit der großen Zielsprachen in ihrer akustisch-visuellen Gestalt. Nie zuvor war es uns in Deutschland in solcher Fülle möglich, an der englischen, französischen, russischen ... Kultur 'live' zu partizipieren wie seit der Verfügbarkeit des digitalen Satellitenfernsehens. Spracherwerb qua Sprachverarbeitung beginnt bei komprehensiblen Sprachen, und Sprachen für immer mehr Menschen komprehensibel zu machen ist eine Aufgabe der Interkomprehensionsdidaktik. Andererseits vermitteln Email und Internet interkulturelle Kommunikation. Es entstanden neue Textarten und Sprachregister. Mit den neuen Möglichkeiten verbinden sich auch in vielfacher Weise neue Formen des Lehrens und Lernens. Die technologische Entwicklung verläuft so rasant, dass das von REINFRIED eingesetzte Mittel der bibliographischen Komputation in den betroffenen Bereichen versagt. Heutige Gesellschaften begreifen sich als Wissensgesellschaften. Da Sprachen letztlich dazu dienen, Inhalte zu vermitteln, und Sprachenkenntnisse dazu, Anschlussfähigkeit gegenüber anderssprachigen Kulturen herzustellen, spielen Sprachenkenntnisse eine herausragende Rolle. Das Erziehungswesen hat hierauf durch den Einsatz von Fremdsprachenunterricht bereits in der Grundschule reagiert, zugleich wächst die Zahl der Lernenden fremder Sprachen, welche sich bereits in fortgeschrittenem Alter befinden. Dabei ist erfolgreiches lebensbegleitendes Lernen nur möglich, wenn die Lerner selbst auch Lernkompetenz, d.h. auch Selbststeuerungskompetenz oder die Befähigung zum Autonomen Lernen, besitzen. - Auch dies konstituiert heutigen Fremdsprachenunterricht. Doch nun zu den Beiträgen. Die beiden ersten Artikel nehmen die erwähnte sprachenpolitische Perspektive auf. Claus GNUTZMANN (Universität Braunschweig) beleuchtet die globale Rolle des Englischen. Er tut dies durchaus mit Blick auf das angedeutete Spannungsverhältnis. lFL1.llL 34 (2005) 8 Franz-Joseph Meißner Seine Überlegungen betreffen mögliche Folgen für den Englischunterricht und den Umgang mit Mehrsprachigkeit einerseits; aber ebenso Konsequenzen für Mehrsprachigkeitsinitiativen im Hinblick auf die Funktion der linguafranca andererseits: "[...] what would be the use of a general plurilingual competence, if it is to be traded in for a reduced and perhaps insufficient competence in English? " Schließlich behandelt der Beitrag die Frage, welches Englisch denn eigentlich im Unterricht vermittelt werden soll, das der anglophonen Kulturen welcher denn und warum? - oder das der sogenannten amorphen intersociety von ca. zwei Milliarden, täglich wechselnden, nicht eigentlich anglophonen Nutzern des Englischen. Was wäre denn dann die Norm? So zumindest lautet die Frage, die PIEPH0s (1989: 43) Feststellung aufwirft: "Eine linguafranca muss als lingua franca gelehrt werden." Michel CANDEUER (Universite du Maine) stellt zwei Projekte zur Förderung der Mehrsprachenbewussheit und der Sprachlernkompetenz vor. Es setzt Ansätze fort, die in Deutschland mit dem 'Begegnungssprachenkonzept' verbunden wurden, ehe dieses ad acta gelegt wurde, um progressionsorientiertem grundschulischen Englisch- oder Französischunterricht zu weichen. In Eveil aux langues finden Sprachen Platz, die sonst kaum in der Schule gelehrt oder vermittelt werden. Zugleich zielt das Projekt darauf ab, affektive, eindrucksstarke und motivational nachhaltige Sprachen- und Kulturerlebnisse zu vermitteln. Solche Programme wollen der „Herausforderung durch die kulturelle Vielfalt" Rechnung tragen. Ziel ist eine positive Öffnung der Kinder für Fremdheiten und kulturelle sowie ethnische Verschiedenheit. Komplementäre Ziele verfolgt u.a. lehrseitig Janua Linguarum. Offensichtlich geht es heute darum, die positiven Ergebnisse solcher Sensibilisierungsprojekte für Sprachen in die Curricula der Grundschule hineinzuretten. In der zweiten Gruppe der Beiträge geht es um Kritik an Theorie und Praxis schulischen Fremdsprachenunterrichts, aber auch um ein besseres, weil kompetenteres Lernen und um 'Lernkompetenz' als Schlüsselkompetenz. Standards und Bildung werden in der gegenwärtigen Diskussion um die Qualitätssicherung schulischer Leistungen oft als Gegensätze genannt. Was bedeuten Standards für den Literaturunterricht? Die Antwort auf diese Frage fügt dem 'neokommunikativen Fremdsprachenunterricht' ein weiteres Merkmal hinzu. Werner BLEYHL (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg) hat immer wieder die Theorie und Praxis des gängigen Fremdsprachenunterrichts scharf kritisiert. Auf der Grundlage einer breiten Leseerfahrung in der Fremdsprachendidaktik und ihren Bezugswissenschaften von der Philosophie über die Neurowissenschaften bis hin zur Wissenschaftstheorie kritisiert er auch diesmal eine fehlende Effizienz des schulischen Fremdsprachenlernens und -lehrens. Dabei legt er überkommene Denkgewohnheiten frei, die auf das Praxisfeld 'Fremdsprachen lernen und lehren' einwirken. Angesprochen werden die unterschiedlichen Komponenten von Fremdsprachenunterricht: Progression, Methoden der Steuerung, sprachliche Fehler und Korrekturverhalten, Lehrerrollen und anderes mehr. Für Praktiker ist der Beitrag (vielleicht) ein Appell zur Umkehr von überholter Routine, den Theoretikern zeigt er, ausgehend von geschilderter Praxis in Verbindung mit der BLEYHL'schen Kritik, Forschungsfragen zur Effizienz von Sprachunterricht auf. Helene MARTINEZ (Universität Göttingen) zeichnet die Diskussion um das 'autonome FlLwL 34 (2005) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 Lernen' nach. Es handelt sich um eines der wesentlichen Orientierungskriterien für die Planung, Bewertung und Beurteilung von Unterricht. Das Lehrziel 'Autonomisierung' korrespondiert sozial mit der Wissensgesellschaft und dem in ihr notwendigen lebensbegleitenden Lernen. Im Zusammenhang mit dem von BLEYHL angesprochenen Konstruktivismus (für den sich ja starke und schwache Varianten finden lassen) nehmen die Positionen zur Autonomisierung eine Optimierung des Lernens durch metakognitive Steuerung an. MARTINEZ entwirft ein Schema, das divergente und konvergente Positionen zusammenführt. Auf diese Weise bietet sie nicht nur eine Übersicht in die inzwischen schier unüberschaubare Literatur englischer, französischer und deutscher Provenienz zur Autonomisierung, sondern auch wichtige Kriterien für die fremdsprachenunterrichtliche Praxis. Annette BERNDT (Universität Kassel) hat sich mit einer Arbeit über das Lernverhalten von Senioren habilitiert. In der vorliegenden Studie beleuchtet sie das lebensbegleitende Sprachenlernen als 'Schlüsselqualifikation' in der Lern- oder Wissensgesellschaft. Auch BERNDT geht Begriffsbildungen nach, und zwar jenen von 'Schlüsselqualifikation' und 'lebensbegleitendem Lernen'. Wie in der Autonomiedebatte so ist auch der Tenor des Diskurses um Schlüsselqualifikation mit der Warnung verbunden, das übergeordnete Lehrziel nicht eindimensional technizistisch simplifizierend anzugehen (so dass Schlüsselkompetenz schon über ein bloßes Abprüfen von oberflächlichen Verhaltensmustern erreichbar erscheint). BERNDT lässt keinen Zweifel daran, dass auf die Prozessebene zugegriffen werden muss, um Lernqualifikationen zu befördern. Eva BURWITZ-MELZER (Universität Gießen) geht dem Zusammenhang von Kompetenzen und Literaturunterricht nach. Dieser Zusammenhang ist notwendig, weil Literatur wie Kunst bzw. deren Unterricht sich nicht in mehr oder weniger starre 'Standards' einpassen lassen, wobei kein Zweifel an ihrem hohen Wert für die Menschenbildung bestehen kann. Man vergleiche allein die entsprechende Diskussion in der Fachdidaktik 'Deutsch (als Muttersprache)'. BURWITZ-MELZER wendet sich gegen pragmatische 'Verflachungen' des Englischunterrichts. Ihr kritischer Blick schließt auch den 'Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen' und die Lehrpläne mit ein. Fazit hier: "die Bildungsstandards (sind) keine Bildungs-, sondern Sprachstandards". Deshalb ruft sie die Literaturdidaktik zur Entwicklung eigener adäquater Kompetenzbeschreibungen auf und legt dann selbst einen Syllabus vor, den die Literaturdidaktik nicht wird unbeachtet lassen können. Die dritte Abteilung der Beiträge betrifft über das kommunikative Paradigma hinausreichende Weiterentwicklungen: grundschulisches Fremdsprachenlernen, Mehrsprachigkeits- und Interkomprehensionsdidaktik, bilingualer Sachfachunterricht. Peter DOYE (Universität Braunschweig) untersucht primarstuflichen Fremdsprachenunterricht als „integraler Bestandteil der Grundbildung" und behandelt damit ein angesichts der Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts längst überfälliges Thema. Nach D0YE ist der grundschulische Fremdsprachenunterricht traditionell von Begabungsförderung und Auslese geprägt. Zweifellos kommt dem frühen Fremdsprachenunterricht eine besondere Verantwortung zu, denn hier gewinnen Kinder ihre ersten und daher wohl auch besonders prägenden Lernerfahrungen mit Fremdsprachen und fremden Kulturen. Welches Gewicht gerade dem zuletzt genannten Punkt zu geben ist, zeigt die Breite, mit FLulL 34 (2005) 10 Franz-Joseph Meißner der DOYE diesem im Hinblick auf dessen Integration in ein Curriculum der Grundschule nachgeht. Dies schließt gerade auch methodische Aspekte ein. Der heutige Fremdsprachenunterricht der Grundschule muss zweierlei leisten: zum einen das Fundament für das Weiterlernen einer bestimmten Fremdsprache legen, zum anderen aber auch- und zwar gleichrangig eines für das Erlernen mehrerer Sprachen und den Erwerb von sowie den Umgang mit Mehrsprachigkeit. Bei alledem betont DOYE, dass die Primarstufe eine eigene Legitimation für ihre wichtige Aufgabe besitzt und diese nicht etwa im 'Vorlauf' auf ihr folgende Schulstufen und -formen gewinnt. Franz-Joseph MEißNER (Universität Gießen) versucht einen Überblick zum Stand der 'Mehrsprachigkeitsdidaktik'. Es handelt sich um eine jüngere Prägung, die sich inzwischen zu einem Großbegriff europäischer Dimension entwickelt hat, der in ganz unterschiedliche, nicht mehr nur den Fremdsprachenunterricht betreffende Kontexte hineinreicht. Für das Lernziel 'Kommunikationsfähigkeit' kommt der Interkomprehension eine zentrale Rolle zu, weil sie einerseits eine Ausweitung der individuell vorhandenen Sprachenkenntnisse auf eine breitere (zunächst) rezeptive Mehrsprachigkeit erlaubt und zur Begegnung mit 'mehr' fremden Kulturen führen kann, als dies herkömmliche Modelle erlauben; anderseits erweist sich Interkomprehensionsunterricht als ein sehr wirksames Mittel zur Beförderung von Sprachen- und Lernbewusstheit und steht damit in einem engen Verhältnis zur Lernerautonomie. Daher betrifft er auch alle Lernkontexte, von der Primarstufe bis hin zur Erwachsenenbildung. Dabei ist zu sehen, dass Interkomprehensionsunterricht im Einklang mit neuen Erkenntnissen der Wissenschaften vom Lernen steht. - Angesichts der Weite des Themas beschränkt sich der Artikel darauf, deutsche Entwicklungen nachzuzeichnen. Britta HUFEISEN und Nicole MARX (beide TU Darmstadt) sind mit mehreren Publikation zu 'Deutsch nach Englisch' hervorgetreten. So beleuchtet ihr Beitrag die Interkomprehension aus der Sicht des Faches Deutsch als weltweite Fremd- und als Zweitsprache. Dabei gehen die Autorinnen von Definitionen der Mehrsprachigkeit aus und zeigen, wie das „multiple Sprachenlernen" von ganz unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen untersucht wird. Sie stellen heraus, dass der Rückgriff auf Sprach- und Weltwissen nicht nur für die romanischen (oder slawischen) Zielsprachen von Belang ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt bei der Schilderung von Interkomprehensionsprojekten im Bereich der germanischen Sprachen sind doch beide Autorinnen mit der Entwicklung eines EuroComGerm befasst. Nur zu unterstreichen ist ihre Forderung nach einem „Gesamtsprachencurriculum", was auch zu einer tiefgreifenden Revision der Lehrwerke und der Lehrpraxen führen muss. Hierzu ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdidaktiken erforderlich. Wolfgang ZYDATJjJ (PU-Berlin) analysiert das „integrierte Sach-Sprachlernen als curriculares Desiderat in unserem Bildungswesen". Die Betrachtung fasst sehr breit, etwa im Sinne des lebensbegleitenden Lernens: von der Vorschule bis hin zum Tertiärbereich - und darüber hinaus, nämlich in den Bezirk der medial vermittelten Begegnung mit fremden Kulturen. Es geht um den Aufbau literater Techniken der mündlichen und schriftlichen Unterrichtssprache. ZYDATiß beschreibt die theoretische Verankerung des Sach-Sprachlernens zwischen soziokultureller Theorie, funktionaler Sprachtheorie, lFJLl.lL 34 (2005) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 11 Genre-Ansatz, Diskursgemeinschaften. Er beleuchtet u.a. den Zusammenhang zwischen Sprache, Inhalt und Denken und kognitive Operationen im sachfachlichen Unterricht. Weitere Stichworte: Unterrichtssprache, Sprachfähigkeit, Fachwortschatz, scaffolding, situativer Rahmen und Sprachbzw. Textform, Referenzrahmen für Wissensstrukturen und kognitive Operationen, Diskursfunktionen und Sachtext. Die Neuen Technologien, welche Ton, Bild, Text zusammenschalten und interaktive Fernkommunikation ermöglichen, bedeuten einen Quantensprung in der Methodengeschichte des schulischen Fremdsprachenlehrens, weil sie direkte Begegnungen mit der Zielkultur, rezeptiv oder face to face, erlauben. Sie können ihr innovatives Potential jedoch nur entfalten, wenn lehr- und lernseitig entsprechende Kompetenzen vorliegen. Das interkulturelle Projektlernen verlangt nicht nur interkulturelle Kompetenz, sondern auch den produktiven, authentischen transkulturellen Umgang mit der Zielsprache, wozu neokommunikativer Fremdsprachenunterricht befähigen muss. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das 'offene Klassenzimmer' auch eine 'offene Selektion von zielsprachlichem Material' verlangt, denn mit der 'Offenheit des Lernens' korreliert die 'Offenheit der real möglichen interkulturellen Kommunikation'. Dies verlangt viererlei: Öffnung des Inputs für unterschiedliche zentrale sprachliche Register sie ist Voraussetzung dafür, dass Anderssprachige überhaupt mündliche Kommunikation hinreichend verstehen können -, sodann das Lehren von Strategien zur Disambiguierung unbekannten Sprachmaterials, das von interkulturell wirksamen kommunikativen Strategien und last but not least der Rolle der Pragmatik in interkultureller Kommunikation (MEißNER 1995; FUCHS 2005). Michael K. LEGUTKE und Dietmar RöSLER (beide Universität Gießen) beschreiben Möglichkeiten im Bereich der Integration der Neuen Technologien in die Ausbildung von Lehrenden fremder Sprachen. Dabei kommen sie selbstverständlich auf inhaltliche Merkmale des Lernens zu sprechen, wenn sie an die amerikanische Debatte um den communicative approach (CANALE/ SWAIN 1980) anknüpfen. Deutliche Verbindungen zeigen sie zwischen der Klassenraumfunktion und den Neuen Technologien auf: "If it is the goal of the classroom activities to enable learners to communicate in the target language outside of the classroom, then communication needs to be experienced, practiced, experimented." Lehrerbildung kann gerade dies bewirken, indem sie gemeinsame Erfahrungs- und Lernstrecken zwischen deutschen und ziel- oder heterokulturellen Lernenden organisiert. Wie die Konklusion zeigt, stellen die Integration der digitalen Medien und das kooperative Lernen bzw. die transkulturelle Projektarbeit neue Fragen an die Forschung. Andreas MÜLLER-HARTMANN (Pädagogische Hochschule Heidelberg) beschreibt ein konkretes Telekommunikationsprojekt zwischen angehenden Lehrerinnen und Lehrer für Englisch und amerikanischen Studierenden. Derlei Projekte bedeuten interkulturelles Lernen 'live'. Daher entscheidet der Umgang der Teilnehmer mit Einstellungen, Wissen, Fertigkeiten, sprachlicher Pragmatik usw. über die Folgen sogenannter, in interkulturellen Projekten kaum zu vermeidenden, z.T. aber auch durchaus fruchtbaren critical incidents. Es ist offensichtlich, dass die unmittelbare Erfahrung aus gemeinsamer deutsch-amerikanischer Projektarbeit zu langfristig wirksamen Einstellungen gegenüber der Zielkultur ]Fl,u]L 34 (2005) 12 Franz-Joseph Meißner und zur Sensibilisierung für interkulturelle Kommunikation führt. Dabei besteht Grund zu hoffen, dass die auf ein Lehramt Studierenden die im Studium gewonnenen Lernlehrerfahrungen in ihre zukünftigen Praxen weitertragen. Armin Volkmar WERNSING (Studienseminar und Marienschule Krefeld) hat in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Fachleiter für Französisch, Lehrwerkautor und Lehrerfortbildner ein beachtliches berufliches Erfahrungswissen zusammengetragen. Sein Beitrag aus der Praxis zeigt, wie Schüler die fremde Sprache aktiv als Autoren, Email- Korrespondenten, Vortragende und Diskutanten verwenden lernen und, vor allem, wie eigentlich man sie so weit fördert, dass sie eine fremde Sprache authentisch und interkulturell (nicht nur im offenen Klassenzimmer) benutzen können. Die Selbsterfahrung, die ihnen der Umgang mit dem Französischen vermittelt, verstärkt ihre Motivation für den Umgang mit fremden Sprachen. Dabei sieht WERNSING, dass Unlust am Fremdsprachenunterricht eher auf Unterforderung und einem Mangel an Authentizität der Inhalte beruht denn darauf, dass z.B. Sprachen als 'zu schwer lernbar' erschienen. 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This can be attained by offering a greater variety of languages at school and by encouraging pupils to learn more than one foreign language thereby reducing the dominant role of English. • A policy of plurilingualism. According to the Common European Framework of Reference for Languages, plurilingualism is expected to result in the acquisition of a non-language-specific, but general and holistic communicative competence to which all knowledge and experience of language(s) contributes, andin which languages interrelate and interact. • Trying to establish English a Lingua Franca as a linguistic variety in its own right. Thus ELF is seen as more or less independent from the native varieties of English. After assessing the merits and possible shortcomings of the above mentioned positions the paper reexamines the role and function of English as a Foreign Language in European English language classrooms. lt concludes that the concept of EFL has not outlived itself (yet), and is still valid though in a modified and restricted version. 1. lntroduction: Some general and language policy aspects of globalisation The term globalisation has been around since at least the early 1960s, but it has only been widely used in the media during the last two decades. The term itself is a fairly recent coinage but the origin of the concept is much older and can be traced back to nineteenthand early twentieth-century sociological and geopolitical thinkers, who recognised how Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Claus GNUTZMANN, Univ.-Prof., Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien, Englisch als globale lingua franca. ** This article is dedicated to my colleague Günter ROHDENBURG from the University of Paderborn on the occasion of his 65th birthday in July 2005. The article originated from a paper which I presented at the "International Conference on Language and the Future of Europe: Ideologies, Policies and Practices" at the University of Southampton in July 2004. JFLILIL 34 (2005) 16 Claus Gnutzmann modernity was integrating the world (HELD/ MCGREW 2000a: 1). With reference to the concept of modernity GIDDENS (2000: 92) has defined globalisation "as the intensification of worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vice versa". Globalisation manifests itself in the rapid flow of trade, capital and people across the globe 1 and has been facilitated by the advances made in information and communication technologies, a process which has resulted in the overcoming of spatial andtemporal barriers. As a consequence of this development theorists of international relations have argued that the nation-states have suffered losses of sovereignty and, consequently, have less and less control over their own affairs although the emergence of a 'world-state' is not envisaged as a realistic perspective (cf. ibid.: 93). Though it may be tempting for 'globalists' to regard the processes and results of globalisation as preparing the way for a closely-knit cosmopolitan world with advantages for everybody, 'sceptics' like HELD/ McGREW (2000a: 4) have clearly dismissed "the emergence of a harmonious world society [... ]in which there is a growing convergence of cultures and civilizations". Since the benefits of globalisation are so unevenly distributed there is little justification in viewing it as a globally advantageous phenomenon, as can be seen from the following list ofwell-known negative characteristics of globalisation: • Exploitation of people living in lesser developed countries • Unemployment in the first world • Widening of the gap between rieb and poor, globally and locally • Possible erosion of traditional values and the loss oflocal self-determination due to the unconstrained commercialisation of global culture • Increasing deterioration of the environment, e.g. global warming • Lack of 'global responsibility' due to absence of transparency and democratic control in the management of the global system From a communicative point of view the phenomenon of globalisation is, above all, reflected in the use of English as a world-wide Lingua Franca. 2 At the same time, the ever increasing use of English as a world language also reinforces the process of globalisation. In view of the dynamic dialectical relationship between globalisation in general, and the globalisation of English in particular, it is not surprising that the statistics of According to HELD/ MCGREW (2000a: 4) these flows "are facilitated by different kinds of infrastructure physical (such as transport or banking systems), normative (such as trade rules) and symbolic (such as English as a lingua franca) which establish the preconditions for regularized and relatively enduring forms of global interconnectedness." 2 Traditionally, a lingua franca has been defined as a medium of communication between people or groups of people each speaking a different native language (cf. GNUTZMANN 2000). In view of the use of English as a global language an extended definition of lingua franca has also been suggested: "a language common to, or shared by, many cultures and communities at any or all social and educational levels, and used as an international tool (McAR.THUR 2002: 2)". The possible advantage of this definition is that it includes native speakers of English when communicating with non-natives in international contexts. lFlLulllL 34 (2005) Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (EFL) ... 17 W orld English 3 are far from being clear and consistent; especially with regard to the speakers of English as a foreign language, where there is a lot of uncertainty: the numbers differ widely and range from 100 million to one billion speakers, a highly unsatisfactory estimate. On the other hand, MCARTHUR (2002: 3) claims to have made out "three firmer facts", which underline the unchallengeable status of English as a world language. (1) English is used in over 70 countries as an official or semi-official language and has a significant role in over 20 more: 90 in all. (2) Worldwide over 1,400 million people live in countries where English has traditionally been in use (one billion ofthem in India). (3) Some 75% ofthe world's mail and the world's electronically stored information is in English. Of an estimated 40 million users ofthe Internet in 1997, amajority used English. 4 Thus the concept of globalisation can be viewed as a highly ambivalent phenomenon, and not surprisingly so can the globalisation of English. On the one hand, the role of English in the process of globalisation has been portrayed in very favourable terms. lt is understood as a language that unites the world (CRYSTAL 1997). lt enables speakers of different languages and cultures to participate actively in the globalisation process. On the other hand, English has been criticised as an oppressive language exerting linguistic imperialism (PHILLIPSON 1992) and not only that: it has also been described as a language that "kills" other languages (SKUTNABB-KANGAS 2003). W e cannot ignore the fact that the role of English in the globalisation process seems to be much less favourably assessed today than several years ago (cf. GNUTZMANN/ INTE- MANN 2005a). Among other things, this development can probably, in part, be related to the political and military role that the leading native English speaking nations have played in recent years. Richard ALEXANDER (2003) has expressed the ambivalent role of English, i.e. its 'yes-but-structure', quite effectively in the title of a recent article: "G.lobal L.anguages O.press B.ut Are L.iberating, too: The dialectics of English". No doubt, a lack of instruction in English limits a person's communicative potential and mobility and can thus lead to social inequalities on a national as well as international level. In an ethnographic study on language policy and the function of English in South Africa, BRUTT-GRIFFLER (2005) has demonstrated convincingly and sensitively how noncompetence in English can contribute to the perpetuation of social inequality. Furthermore, it has been argued by CREW (1999) that Singapore's language policy in favour of the spread of English was based on the idea that Singaporeans saw English as an indispensable prerequisite to participating in international economic affairs. On World English and World Englishes see, for example, BRUTI-GRIFFLER (2002), GRAMLEY (2001), JENKINS (2003), MELCHERS/ SHAW (2003), MCARTHUR (2002). 4 According to more recent figures, however, this situation has changed drastically: www.internetworldstats. com (accessed 27 April 2005) lists 888 million Internetusers of whom 32.8% are native speakers of English. This development suggests very clearly that the number oflnternet users will increase even further; there is also a clear trend that the proportion of native English users will be reduced at the expense of non-natives. lFLlllllL 34 (2005) 18 Claus Gnutzmann lt may also be interesting to note here that even the staunchest critics of the global role of English use the English language as a medium to encode their criticism (cf. PHILLIP- SON 1992 and 2003). This observation is somewhat reminiscent ofthe criticism that was launched against the deficit hypothesis by the proponents of difference linguistics. Linguists working within the difference framework continually pointed out the equivalence of all linguistic varieties. This meant, for example, that the standard variety of a language was not in any way 'better', in the sense of more functional than other, nonstandard varieties. Interestingly enough, in this case the positive aspects of non-standard varieties were always formulated in Standard English. 2. Responding to and counterbalancing the role of English Although a systematic survey into the foreign language policies of the countries of Europe is not available as yet, even an informal analysis suggests quite clearly that the majority of the countries of Europe have reacted to the supremacy of English by making it the first foreign language at school, very often starting at primary level, sometimes even in the children' s first year of schooling. In addition, English is used in 'Contents and Language Integrated Leaming' (CLIL), where the language is employed as a medium of instruction not only in non-language subjects such as history, politics and geography, but also in the natural sciences, though less frequently. In order to counterbalance the power of the English language in a global and specifically European context, several approaches have been put forward. 2.1 A policy of multilingualism Being able to communicate in several languages is generally seen as something very much worth aspiring to. Quite obviously, this ability increases a person's communicative range in an international context, it confers prestige and it can be a most decisive criterion for a successful job application. In addition, multilingual competence is assumed to overcome the limits of the mother tongue as well as to emphasise and value diversity in language and culture. The principle of diversity in language and culture is an essential feature of European language policy; indeed, in many respects it is a sacred cow. Therefore, VAN ELS' (2000: 31) criticism of diversity is certainly quite exceptional definitely amongst applied linguists, language planners and foreign language educators, though he would probably find a lot of agreement amongst the general public. lt is a myth that the great diversity of languages and cultures as such is a good thing and that, consequently, its present manifestation in the EU represents a great richness, a treasure that should be defended at all costs. lt is one of the myths that co-determine current EU policy on institutional language use. Diversity is in itself not a good thing, certainly not the concrete manifestation of it at the present moment. JFLIIL 34 (2005) Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (EFL) ... 19 Among experts it is a well-known fact tbat witbin tbe European Union quite substantial amounts of money are sperrt on translation services, 5 money wbicb could be used for different purposes if tbere was only one official language in the EU. On tbe otber band, tbe use of only one language could exclude many people from taking part in EUpolitics people wbo do not speak Englisb. For many Europeans tbe idea of an official and institutionalised Lingua Franca 'Englisb' is felt as a first and undesirable step towards cultural uniformity. Tbe above quotation also raises several unsolved questions, for example: How many languages sbould a person actually be able to communicate in to count as a multilingual individual: Motber tongue plus Englisb plus one, two or even more foreign languages? How important is in fact tbe sbeer number oflanguages? Wbat is tbe role of tbe four linguistic skills, are some more important tban otbers? What kind of competence levels do we bave in mind for multilingual competence? Wbat languages will actually 'count' for a European multilingual, considering tbat many people grow up bilingual witb one European and anotber non-European language. What will tbe status of tbese multilinguals be? How can their linguistic knowledge and competence be integrated more effectively into scbool curricula? 2.2 A policy of plurilingualism In tbe Common European Framework (CEF) (Council of Europe 2001) tbe concept of plurilingualism is put forward as tbe Council of Europe' s favoured approacb to language learning. In tbe CEF plurilingualism is clearly distinguisbed from multilingualism: multilingualism can refer eitber to an individual's knowledge of a number oflanguages, or to tbe co-existence of different languages in a given society. In accordance witb tbis distinction one can speak of individual plurilingualism and societal multilingualism. According to tbe CEF multilingualism may be reacbed by "simply diversifying tbe languages on offer in a particular scbool or educational system, or by encouraging pupils to learn more tban one foreign language, or reducing tbe dominant position of Englisb in international communication" (CEF: 4). Furtbermore, tbe CEF sees multilingualism in an individual as an additive, non-interactive concept. 6 On the otber band, plurilingualism is said to result in the acquisition of a non-language-specific, but general and bolistic communicative competence. Consequently, tbe CEF claims tbat a plurilingual person's knowledge and experience of languages is not stored in strictly separated mental compartments; tbis would be tbe case witb a multilingual individual. Instead, a plurilingual person's knowledge and experience of language interrelate and interact and tbus contribute to tbis non-language-specific and bolistic communicative competence. From tbe perspective of tbe CEF' s concept of plurilingualism, tbe aim of language learning bas drastically cbanged: 'Mastery' of one or two, or even tbree languages, eacb 5 The budget of the EU translation service is estimated tobe over 800 million Euros (http: / / news.bbc.eo.uk/ 1/ hi/ world/ europe/ 3604069.stm, accessed 27 April 2005). 6 On 'integrative plurilingualism' see BAUSCH/ HELBIG-REUTER (2003). lFLlllL 34 (2005) 20 Claus Gnutzmann taken in isolation is something of the past. As a consequence, native speaker competence as the ultimate goal in foreign language leaming is not sought after any more: "Instead, the aim of language education is to build up a linguistic repertoire, in which all linguistic abilities have a place" (CEF: 5). In the CEF it is conceded, however, that "the füll implications of such a paradigm shift have yet to be worked out and translated into action" (ibid.: 5). Such an assertion is not easy to follow: to proclaim something which in reality only exists as a fairly vague concept as a "paradigm shift" is to take the second step before the first. Also, from a practical point of view there are problems: it is hard to imagine learners not getting confused when they have to learn several languages at the same time. All the more so, when they are discouraged from keeping these languages apart since, according to the CEF, this would prevent them from developing a non-language-specific, plurilinguistic competence. "Reducing the dominant position ofEnglish in international communication" has been explicitly defined as one of the aims or methods of plurilingualism. Having said that, what would be the use of a general "plurilingual competence", if it is to be traded in for a reduced and perhaps insufficient competence in English? From a socio-political perspective the concept of plurilingualism seems tobe based on something along the lines of 'Europeanism' and the creation of some European identity. This would tie in with the idea that the CEF's notion of plurilingualism has seemingly dismissed the concept of national language as well as that of the native speaker. lt is doubtful whether the majority of Europeans would actually subscribe to these assumptions. Rejecting the concept of plurilingualism in its present, somewhat vague definition does not mean a retum to old style compartmentalised language teaching. There is certainly a need to bridge the current gap between the different language subjects despite the research and practice on language awareness and language leaming awareness. 7 By applying some of the following language-awareness related principles, the gap between the language subjects could become less wide. Such principles include: • Overcoming the isolation of the language subjects without abolishing their autonomy, e.g. by using at least in part the same grammatical terminology • Carrying out language-awareness exercises in order to help leamers develop language-awareness • Encouraging leamers to observe and analyse their language process in order to help them develop language learning awareness/ metacognitive competence • Initiating and strengthening cooperation among the different types of language teachers as well as non-language teachers (for CLIL) The application of these principles could contribute to making the learning process more efficient as well as to stressing its educational dimension. The communicative significance of English in world-wide communication is taken into account by many European language curricula, even at a very early stage in primary 7 For surveys on language (learning) awareness cf. GARRETT/ JAMES (2000) and GNUTZMANN (2003a). lFlLILIL 34 (2005) Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (EFL) ... 21 school. However, in order to avoid English monolingualism and monoculture in European language classrooms the teaching of English in Europe should stress the intercultural dimension of language learning. lt should aim to build up intercultural collllllunicative competence in learners. With regard to teaching methodology, it would be worth taking a closer look at the "continental European tradition of EFL" (VAN ESSEN 1989). At the same time, the development of methodology in other language subjects than English should be taken into consideration. In an analysis of the literature on language teaching methodology in Great Britain and the United States on the one hand, and Germany on the other KÖNIGS (1999: 250) discovered that "there seems tobe a one way street from the English speaking world to Germany which does not include a way back". Apart from very exceptional cases, English-speaking countries do not refer to publications in German. Since this state of affairs is unlikely to change in the future, publishing in English has been suggested as an alternative. However, there could be mixed feelings on · the part of (German) specialists of German as a foreign language as to whether they should publish their findings in English; after all language and education do not qualify per se as "anglophone disciplines" (cf. SKUDLIK 1990, GNUTZMANN/ lNTEMANN/ JANßEN/ NüBOLD 2004, MEißNER 2005), but are understood as subjects that are strongly shaped and influenced by the cultures (and consequently languages) in which they exist and develop. 2.3 English as a Lingua Franca: a linguistic variety in its own right A third way to come to grips with and to counterbalance the dominance of English and the alleged cultural and ideological baggage associated with it is "to profile ELF as a viable variety" of English (SEIDLHOFER 2001a: 144). At present, only sketches of such a profile are available, for example Jenkins' work on the phonological Lingua Franca Core (LFC) (JENKINS 2000: 135-158), which, according to JENKINS/ SEIDLHOFER (2001) could serve as the phonological basis for a variety of "Euro-English". 8 The LFC comprises those features which were found to be essential for intelligibility. They include all 1, consonant sounds except for voiced and voiceless 'th' and the dark 'l' as in 'Bill', the retention of vowel length contrasts as in 'bid' and 'bead', nuclear (tonic) stress (e.g. the stress indicated by capital letters in the following: 'I come from SPAIN. Where are YOU from? '). 9 SEIDLHOFER' s characterisation of "ELF as a use in its own right" (SEIDLHOFER 2001 a: 137) expresses a far weaker claim than her above description of "ELF as a viable variety" [Italics are mine, CG]. Lingua Franca English is English which is used by non-native 8 ALEXANDER (1999: 27-29) Iists some syntactic and Iexical features of Euro-English, which he collected from studeuts' academic papers and from the Internet, for example in the areas of "tense and temporal phrases" (I am working here for two years), "verb complementation" (is prohibited of transferring money abroad), "lexis" (economic (used when trade and industry matters are intended)). 9 For further discussion of Jenkins' LFC and the question of pronunciation models in English language teaching cf. GNUTZMANN (2003b). lFLl.lllL 34 (2005) 22 Claus Gnutzmann speakers of the language and which can serve many different purposes ranging from the use of very formal and academic written English to very mundane spoken communication. Since not all ELF speakers make use of the whole range of purposes it can be assumed that ELF speakers constitute a very heterogeneous group. When necessary, e.g. in spoken communication, ELF speakers employ certain communicative strategies such as simplification, paraphrasing and summons-answer sequencing. According to MEIER- KORD/ KNAPP (2002: 17) these strategies serve to "create a cooperative and collaborative atmosphere [... ] to cope with situations". The observation that speakers attempt "to collaboratively manage their communicative task" (ibid.: 19) has also led these authors to claim that "English as a lingua franca is a variety of its own right". The concept of variety, however, does not really lend itself to being applied to ELF. After all, linguistic varieties are conceived as distinct forms of a language. They are classified as regional, social or functional depending on the type of variation referred to. Varieties can differ in pronunciation, lexis, grammar and pragmatics. According to Crystal (1991: 370) a variety can be defined as "any system of linguistic expression whose use is govemed by situational variables". "System of linguistic expression" means the capacity to identify distinct linguistic sub-systems for the different linguistic levels. On the other hand, speakers from very different linguistic and cultural backgrounds participate in the use of English as a Lingua Franca. Many of these speakers use spoken forms which are strongly influenced by their mother tongue. Thus they use English "with its own pattem of interference from the mother tongue" (CRYSTAL 2001: 57). The result is an enormous spoken diversity and heterogeneity in ELF communication. In view of this situation it seems difficult, if not impossible, to adequately compare spoken products uttered in ELF communication. Such a comparison or calibration would be a requirement, however, if a concept such as ELF were tobe allocated the status of a linguistic variety. An analysis of several types of ELF communication has led JAMES (2005: 141) to conclude that "ELF is contingent, marginal, transitional, indeterminate, ambivalent and hybrid in various ways. lts users do not belong thereby to a well defined social group and their subjectivities are indeed diverse." The possible exclusion of the native speaker as a linguistic reference norm and as a model for the non-native users is seen as a major socio-political asset by proponents of ELF as a variety in its own right. This is an argument which should be taken seriously in the context of teaching English to non-native speakers, since insensitive enforcement of native speaker rules has generally demotivated students and has caused them to become tacitum in the foreign language. Obviously greater tolerance towards errors in foreign language teaching is needed. However, it is doubtful certainly at this stage whether the concept of ELF as a variety in its own right will enable ELF users to establish themselves as "competent and authoritative speakers of ELF with an identity of their own as users of an international language" (SEIDLHOFER 2001b: 46). 10 In a similar fashion, MODIANO has criticised traditional ELT practices because they rely on British or 10 Fora critical view of SEIDLHOFER see also MACKENZIE (2003). lFLuL 34 (2005) Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (EFL) ... 23 American English and because they lead to "the erosion of cultural diversity within the Union" (MODIANO 2000: 33). In order to "counteract the impact of Anglo-American cultural, linguistic, and ontological imperialism" he proposes to develop a form of English which would enable Europeans to "retain their divergent cultural distinctiveness" (ibid.: 34). For MODIANO, this new form of English is Euro-English or Mid-Atlantic English. Mid-Atlantic English is associated with the young presenters on the satellite TV networks "who are difficult to place, being more 'European' and less 'Dutch' or 'Belgian' or 'French"' (ibid.: 34). lt is Modiano's vision that Euro-English can be adapted to the specific needs of non-native speakers ofEnglish in Europe and "support a democratic platform for social and cultural integration" (ibid.: 37). Although sociolinguistic research into ELF and suggestions for its pedagogical implementation have not stood the test of empirical verification and pedagogical appropriateness, they nevertheless deserve praise since they have undoubtedly strengthened the position of non-native speakers (and non-native researchers of English teaching and leaming) in international (academic) communication. 3. Has English as a Foreign Language (EFL) become obsolete? The propagation of ELF as a variety in its own right very much rests on the assumption that non-native speakers do not come into contact with native speakers of the language. lt may be true that the majority of communicative exchanges of ESL and EFL speakers, especially adult speakers, do not involve native speakers of English. On the other band, it would probably be short-sighted to conclude from this that pupils in schools should be taught English without being informed about the socio-cultural contexts in which the language is used. For many young Europeans, Great Britain and Ireland, but also the U.S.A. and Canada as well as Australia and even New Zealand, are popular destinations, not least because of their language and culture. For this reason it seems highly appropriate that pupils should leam English as a Foreign Language, i.e. as a language that explicitly refers to the native English-speaking territories and societies. Consequently, pupils in Europe should be taught how to communicate in ELF and EFL situations. The differences between ELF and EFL can be illustrated as follows (cf. GNUTZMANN 1999a). • ELF prepares leamers to communicate with non-native speakers of English from all over the world. • EFL prepares leamers to communicate with native speakers of English in Englishspeaking countries. • ELF is neutral with regard to the different cultural backgrounds of the interlocutors. Depending on how long the communication lasts, the interlocutors will 'negotiate' and establish some kind of common intercultural basis. • EFL is based on the linguistic and socio-cultural norms of native speakers of English and their respective cultures. • ELF communication is not based on any particular national linguistic standard of lFL111L 34 (2005) 24 Claus Gnutzmann English. Relying on native speaker norrns (or near-native nonns) cannot guarantee that the communication will be successful. On the contrary, using elaborate linguistic structures or vocabulary may even be harmful to the success of the communication, if the interlocutor does not share a similar linguistic repertoire. • EFL communication is based on Standard English, generally British or American English. The better the learners are able to handle the grammatical rules and lexis of the standard language, the more successful they tend to be in their communication with native speakers. There is no doubt that under the influence of globalisation, the topics and aims of English teaching will change in the direction of fewer Anglo-American and more global topics (cf. KUBANEK-GERMAN 2005). However, detaching communication in an international context entirely from the native English-speaking countries and their associated cultures seems problematic, for linguistic and pedagogical, as well as political reasons. Having said that, one other point needs tobe made with regard to language policy in Europe. In the National Curriculum of England and Wales modern foreign languages are now only part of the non-core subjects such as Art, Design and Technology, Geography, History, Information Technology (IT), Music and Physical Education (PE). The core subjects are English, Welsh (for schools that are Welsh-speaking), Mathematics and Science. As a consequence, it is no langer necessary for pupils to study a foreign language for GCSE [General Certificate of Secondary Education, exams that English and Welsh students take at the age of 16], let alone for GCE 'A' level [General Certificate of Education, exams that English and W elsh students take at the age of 18]. Quite obviously this does not contribute to European multilingualism and it does not correspond to the aims stated in the CEF. lt will be interesting to observe whether there will be any changes to the National Curriculum of England and Wales in the future concerning the status of foreign languages. If not, then this might be considered tobe a further step away from the European Union. 4. Conclusion There is little doubt that the role of English as an international Lingua Franca is highly ambivalent. The ideological implications of ELF oscillate between serving as an indispensable communicative prerequisite in order to participate in a multilingual national society, as well as a global cosmopolitan society and functioning as a means to oppress other languages. Elevating the use of English as a Lingua Franca to a variety in its own right and the propagation of plurilingualism or multilingualism have been discussed as two paths to counterbalance this ambivalence. However, the main question remains unanswered: will the individual benefit more from a multilingual/ plurilingual competence or from a very good competence in the world's leading language? lFfanL 34 (2005) Globalisation, plurilinguism and English as a Lingua Franca (EFL) ... 25 References ALEXANDER, Richard J. 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Moreover, they can easily be fitted to other socio-linguistic contexts and educational situations. 1. Qu'est-ce que « l' eveil aux langues » 1.1 Exemples d'activites D' experience, nous savons combien il est difficile de faire comprendre ce qu' est l' approche « eveil aux langues » uniquement en en parlant. Les representations initiales de la lectrice/ du lecteur relatives a ce qui peut etre fait avec les langues dans un cadre scolaire sont souvent trop pregnantes: il est difficile d'imaginer qu'on puisse faire autre chose a l'ecole avec les langues que de simplement les apprendre. C'est pourquoi quelques exemples d' activites pedagogiques sont souvent necessaires, des le depart, pour eviter des malentendus. Donc, entrons dans la classe ... Il s'agit d'une classe ordinaire, dans un petit village du departement de l'Eure, en France. Les eleves ont en moyenne 9 a 10 ans. Nous sommes en mars 2000, et cette classe participe depuis un an aux activites du programme europeen Evlang. Il aurait pu s'agir d'une autre classe, en ville, en banlieue, avec eventuellement de nombreux enfants migrants, ce qui n'est pas du tout le cas ici. Les eleves travaillent a l'aide d'un support didactique intitule "l, 2, 3 ... 4000 langues", dont un des objectifs consiste a faire decouvrir les relations de parente entre diverses langues du monde. Ils se trouvent a present dans la seconde activite de la premiere seance, et travaillent en petits groupes de trois a quatre eleves. La mai'tresse leur a distribue 9 petites cartes en papier portant des fleurs a 8 petales. Chacune des cartes porte le nom d'une langue (il y a 3 langues latines, 3 langues germaniques et 3 langues slaves) Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Michel CANDELIER, Univ.-Prof., Universite du Maine, LE MANS (Frankreich). Privat: 106, rue de l' Abbe Grault, F-75015 PARIS. E-mail: mcandelier@wanadoo.fr Arbeitsbereiche: Didaktik des Französischen als Fremdsprache, Sprachenpolitik, Sprachen an der Grundschule. lFLlllllL 34 (2005) 28 Michel Candelier et dans les petales, on peut lire les 8 premiers chiffres dans cette langue (jedan, dva, tri ... , eins, zwei, drej ... , uno, due, tri ... ). Les eleves cherchent a regrouper les langues en comparant les chiffres dans les petales. Ils savent qu' ensuite, un representant de quelques groupes ira expliquer a l'ensemble de la classe les resultats obtenus, ainsi que la fa9on dont le groupe a procede pour obtenir ces resultats ... Dans cette seance, il n'y a pas d'activite portant sur le son. 11 s'agit pourtant d'une dimension importante de l'approche. Le son est present dans la grande majorite des supports didactiques qui out ete con9us par les equipes d'enseignants et de chercheurs du programme Evlang. Il s'agit 1a bien sfir d'une activite parmi d'autres. Un mois plus töt, par exemple, nous aurions pu voir les eleves effectuer une toute autre täche: Les eleves ecoutent une cassette audio contenant le debut du conte Le Petit Chaperon Rouge dans quatre langues (finnois, portugais, allemand et italien). Devant les yeux, ils out l'expression "Le Petit Chaperon Rouge" ecrite dans ces quatre langues, qu'ils out deja entendue avec la cassette (Punahilkka, 0 Capuchinho Vermelho, Rotkäppchen, Cappuccetto rosso ). Les eleves doivent cocher chacune des quatre expressions lorsqu 'ils l' entendent, et reconnaitre ainsi la langue. 1.2 Definition, finalite et buts On peut retenir la definition qui a ete elaboree par les partenaires du programme europeen Evlang, dont il sera question plus loin: II y a eveil aux langues lorsqu'une part des activites porte sur des langues que l'ecole n'a pas l'ambition d'enseigner (qui peuvent etre ou non des langues maternelles de certains eleves). Cela ne signifie pas que seule Ja partie du travail qui porte sur ces langues merite le nom d'eveil aux langues. Une teile distinction n'aurait pas de sens, car il doit s'agir normalement d'un travail global - Je plus souvent comparatif, qui porte a la fois sur ces langues, sur Ja langue ou ! es langues de l' ecole et sur ! ' eventuelle langue etrangere (ou autre) apprise. C'est au niveau meme des effets de l'ecole sur la societe que l'on se place lorsqu'on formule ce que l'on appelle "les finalites" d'une approche. Pour le programme Evlang, ces finalites out ete exprimees comme suit : Finalite de l'approche « eveil aux langues » Contribuer a la construction de societes solidaires, linguistiquement et culturellement pluralistes. Quant aux buts, ils etaient formules pour Evlang de la fa9on suivante: Buts de l'approche « eveil aux langues » On attend de l'eveil aux langues qu'il induise chez l'eleve des effets favorables dans trois dimensions : A) le developpement de representations et attitudes positives : 1) d 'ouverture a la diversite linguistique et culturelle; 2) de motivation pour l'apprentissage des langues (= developpement des attitudes) ; lFLlllilL 34 (2005) L'eveil aux langues une innovation europeenne 29 B) le developpement d'aptitudes d'ordre metalinguistique / metacommunicatif (capacites d'observation et de raisonnement) et cognitiffacilitant l'acces a la maftrise des langues, y compris a celle de la au des langues de l'ecole, maternelle(s) au non (developpement des aptitudes ou savoir faire) ; C) le developpement d'une culture linguistique ( = savoirs relatifs aux langues) qui 1) sous-tend au soutient certaines composantes des attitudes et aptitudes ci-dessus ; 2) constitue un ensemble de references aidant a la comprehension du monde multilingue et multiculturel dans lequel l'eleve est amene a vivre. Aces buts que l'on peut considerer comme propres a l'approche « eveil aux langues », il convient d'ajouter deux dimensions tres importantes des visees de l'approche: • le point B ci-dessus indique clairement que l'approche vise egalement le developpement d' aptitudes relatives a la langue de l' ecole (I' allemand en Allemagne, le polonais en Pologne ... ). Mais gräce a ses potentialites interdisciplinaires, la "matiere pont" 1 que constitue l'eveil aux langues pennet de poursuivre egalement des objectifs propres ade nombreuses autres disciplines, non linguistiques: geographie, education artistique, education musicale, histoire, mathematiques, citoyennete ... ; • par le type et les methodes de travail qui sont pratiquees, d'inspiration resolument socio-constructiviste, l' approche, telle qu' elle a ete pratiquee le plus souvent, se revele susceptible de contribuer au developpement de ce que l'on appelle des "competences transversales", qu'il s'agisse de demarches de recherche (comprendre un questionnement, chercher des indices, elaborer un raisonnement ... ), de capacite a exposer et a negocier les points de vue, ou simplement d'attitudes de curiosite. En fonction des trois buts enonces plus haut, on peut tenter de decrire les enjeux auxquels l'eveil aux langues cherche a repondre en distinguant d'une part les enjeux sociaux et d'autre part les enjeux relatifs aux capacites d'apprentissage linguistique des individus (sans oublier bien sur que les apprentissages linguistiques des individus constituent egalement un enjeu social, puisqu'ils conditionnent les possibilites de communication). C' est ce qui sera fait ci-dessous, en accordant une part plus grande aux premiers, conformement a la perspective qu'il convient de privilegier dans la presente contribution. 1.3 Les enjeux sociaux de l'eveil aux langues 1.3.1 Repondre aux defis de la pluralite l'eveil aux langues, une dimension de l'approche interculturelle : Comme I'exprime la finalite enoncee plus haut, l'ambition premiere de l'eveil aux langues est d'aider a ce que la diversite, trop souvent synonyme de tensions et de rejets, puisse se vivre dans la solidarite, et non dans l'eclatement. 2 Selon l'expression de HAWKINS. Cf. plus loin. 2 On s'inspire par Ja suite du chapitre 1 de l'ouvrage Evlang l'eveil aux langues a l'ecole primaire JFLIUIL 34 (2005) 30 Michel Candelier Apprendre ensemble et l'un de l'autre constitue la reponse pedagogique qu'il convient de donner a l' existence de societes multiculturelles. Cela signifie par exemple, en Europe, l'ouverture aux cultures, langues et litteratures qu'apportent les migrants. 11 s'agit 1a d'ambitions que l'eveil aux langues revendique, mais qu'il n'est pas seul a revendiquer. Ce sont aussi celles dont se reclame l' education interculturelle, depuis son origine : « l'option interculturelle [. .. ] c' est la proclamation des solidarites, dans la conscience des specificites et des communautes » (PORCHER 1988: 121). La convergence est reelle. Et sous cet aspect, l' eveil aux langues apparait comme une dimension particuliere de l'approche interculturelle, dans laquelle il s'inscrit, avec ses propres caracteristiques. On peut regrouper ces specificites en trois rubriques : • Tout en n'ignorant pas la dimension culturelle, l'eveil aux langues a bien un centre de gravite d'ordre linguistique, reprenant ainsi a son compte l'affirmation commune en didactique des langues (et cultures! ) selon laquelle la langue est a 1a fois moyen d'expression d'une culture et d'acces privilegie a cette culture. 11 entend enrichir l' approche interculturelle par une meilleure prise en consideration, d'une part des objets culturels que sont la langue et la communication, et d'autre part par la mise en evidence de ce que langue et communication revelent des representations de ceux qui en font usage ainsi que des structures sociales dans lesquelles ces personnes se meuvent. • L' eveil aux langues s' inscrit resolument dans la perspective de la construction d' attitudes sous l' effet d' activites d' ordre cognitif portant sur la diversite. Tout comme l'approche interculturelle, l'eveil aux langues attend peu des discours sur la necessite de l' acceptation positive de la diffärence. Mais il ne croit pas plus aux effets d'une rencontre a valeur anecdotique de la diversite: pour assurer le developpement d'un veritable ancrage des attitudes d' ouverture et de solidarite, il faut faire de la diversite des langues et des cultures l'objet d'une veritable elaboration de savoirs et de savoir faire scolairementlegitimes, au cours de laquelle l' eleve pourra vivre le plaisir d'une veritable decouverte, d'une decouverte active. • On peut considerer qu'il s'agit 1a d'un chemin indirect. Mais c'est le plus sür. 11 ne s'agit pas de thematiser d'emblee l'injustice et l'inegalite des chances, mais d'amener a concevoir la diversite des langues et de leurs locuteurs comme quelque chose de normal, qui va de soi. 11 n' est pas besoin alors d' argumenter en "faisant la morale", comportement dont on sait qu'il est bien souvent contre-productif, en particulier aupres des jeunes. En faisant de langues habituellement devalorisees des objets pedagogiques legitimes, on favorise la construction d'attitudes positives a leur egard et a l'egard de leurs locuteurs et des cultures qu' elles refletent et expriment. Et cela non seulement aupres des eleves qui ne les parlent pas, mais aussi aupres des eleves qui les parlent, et qui s 'enferment trop souvent (CANDELIER 2003a). lFLllllL 34 (2005) L 'eveil aux langues une innovation europeenne 31 dans une auto-devalorisation nuisible au developpement harmonieux de leur sentiment identitaire. Enfin, alors que l'interculturel en Europe, en particulier a son origine, se cantonnait dans les questions posees par la presence dans l'ecole d'eleves issus de la migration, l' eveil aux langues s 'est situe d' emblee au niveau general de toutes les varietes linguistiques, de tout statut. C'est sans doute une de ses forces que de placer les langues socialement devalorisees dans le paradigme general des langues observees, a "egalite" avec toutes les autres langues. Les varietes habituellement denigrees deviennent un element parmi d'autres de la diversite, legitimees par le fait qu'elles sont etudiees dans le contexte de l'ecole (cf. a ce sujet de GOUMOENS/ de PIETRO/ JEANNOT 1999; PERREGAUX 1995 ; CANDELIER/ MA- CAIRE 2001; ÜOMEN-WELKE, 2003). 1.3.2 L'eveil aux langues et la Citoyennete democratique 11 existe egalement une forte convergence entre l' ambition que se donne l' eveil aux langues d'aider a ce que la diversite puisse se vivre dans la solidarite et les preoccupations qui ont amene le Conseil de l'Europe a developper des activites autour de la contribution de l'education a la Citoyennete democratique. L'action du Conseil de l'Europe dans ce domaine concerne particulierement les langues, puisque les travaux du Groupe de Projet Langues Vivantes se sont inscrits officiellement dans la perspective de la Citoyennete democratique (cf. le titre d'une confärence encore recente: La diversite linguistique enfaveur de la citoyennete democratique en Europe (CONSEIL DE L'EUROPE 2000a)). AUDIGIER (2000) passe en revue les competences-cles necessaires au plein exercice de la Citoyennete democratique et dont, de ce fait, l' education doit favoriser la mise en place. Nous en retiendrons deux apropos desquelles l'apport d'une approche d'eveil aux langues, compare a celui d'un apprentissage des langues plus "classique" est particulierement frappant: les « connaissances sur le monde actuel »et« l'acceptation positive des dif.ferences et de la diversite ». Ce sont la, si on en croit les programmes ou instructions officielles, deux domaines Oll l'enseignement des langues peut faire la preuve de sa valeur formatrice. Certes, l' enseignement des langues a pour ambition de "faire connaitre le pays et les gens". Mais, par nature y compris dans le cas d'une langue parlee dans de nombreux pays son apport est necessairement limite aux pays et aux societes "lies" a cette langue, et les connaissances auxquelles il ouvre la voie ne concernent qu'une partie du « monde actuel ». Les potentialites de l'eveil aux langues, on l'a vu, sont bien plus importantes: la demarche s 'applique bien a la plus grande diversite possible de langues et de cultures, y compris a celles qui sont presentes dans la classe, dans l'environnement immediat, ailleurs sur le territoire national, dans d' autres pays d'Europe et du monde, independamment de la place qu'elles peuvent avoir sur l'echiquier scolaire. Ce dernier point est capital pour ce qui concerne la seconde competence cle d' Aurn- GIER: l 'acceptation positive des dif.ferences et de la diversite. On peut penser que dans le cas evidemment majoritaire - Oll 1a langue etrangere enseignee est une langue mondialement dominante (ce qui vaut dans la plupart des contextes pour l'anglais), l'en- ]F]Llll, 34 (2005) 32 Michel Candelier seignement des langues contribue en fait a enfermer les eleves dans un « bi-ethnocentrisme », constitue de la langue/ culture dominante localement et de la langue/ culture dominante mondialement (CANDELIER 1996). Cette situation est particulierement favorable au rejet de taute langue/ culture tierce, en particulier si elle se trouve etre par ailleurs socialement devalorisee. 1.3.3 L'eveil aux langues et la diversite des langues apprises On a vu plus haut que l' eveil aux langues ambitionnait egalement a contribuer a ce que le choix des langues que les eleves apprennent soit plus diversifie. La necessite de renforcer la diversite des langues dans les systemes educatifs constitue un principe qui fait consensus depuis plusieurs decennies dans les institutions internationales, et tout particulierement europeennes. Malheureusement, les declarations auxquelles y souscrivent les Etats ne sont guere suivies d'effets. Avancer vers plus de diversification demande saus aucun doute un certain nombre d'efforts financiers. Pourtant, lors d'une enquete recente effectuee apropos des pays du Conseil de l'Europe, on a pu decouvrir et montrer que le niveau de diversite atteint n'est pas plus eleve dans les pays les plus riches, ce qui indique que la question financiere n' est peut-etre pas forcement la question ! 'essentielle (cf. CANDELIER/ DUMOULIN/ KOISHI 1999). Et si l' essentiel n' est pas la, il ne peut etre que dans les representations des langues et de l'interet de leur apprentissage quese font les diffärents acteurs. D'ou l'importance et la legitimite d'une question: que fait l'ecole elle-meme pour modifier les representations relatives aux langues dans le sens d'un plus grand interet pour la diversite, susceptible de conduire a une demande en langues plus diversifiee ? Ici aussi, la contribution attendue de l' eveil aux langues semble bien necessaire. 1.4 L'eveil aux Iangues et Ies apprentissages linguistiques Dans cette perspective, ne serait-ce qu' a cause du grand nombre de langues sur lesquelles l'eleve travaille (en general, plusieurs dizaines), la construction de competences de communication apparait essentiellement comme une visee "en seconde instance". Cela ne veut pas dire qu'elle est consideree comme secondaire, mais que l'on developpe des competences qui sont mises au service de l'acquisition de competences de communication, dans quelque langue que ce soit. Il s' agit bien de ce que le Cadre europeen commun de reference appelle la perspective d'une sorte d'education langagiere generale (CONSEIL DE L'EUROPE 2000b: 130), que l'on peut concevoir comme une preparation a l'apprentissage des langues, dont le lieu privilegie serait l' enseignement pre-scolaire et primaire. Cette preparation vise au developpement de l'interet pour les langues et les cultures, de la curiosite a leur egard, de la confiance de l'apprenant en ses propres capacites d'apprentissage, des competences a observer/ analyser les langues, quelles qu'elles soient, de la capacite a s'appuyer sur la comprehension d'un phenomene relevant d'une langue pour mieux comprendre par similitude ou contraste un phenomene concernant une autre langue ... FlLILlL 34 (2005) L 'eveil aux langues une innovation europeenne 33 Mais on peut egalement concevoir cette approche comme un accompagnement des apprentissages linguistiques en cours3, a l'ecole primaire et au-dela. Dans ce cas, la notion de visee "en seconde instance" n'a plus de dimension chronologique d'anteriorite, et renvoie a un developpement continu et parallele des savoirs, aptitudes et attitudes necessaires a la construction d'une competence de communication. Developpement auquel bien entendu, chaque apprentissage linguistique particulier va egalement contribuer. Avec l'eveil aux langues, on quitte donc (pour mieux y revenir) le terrain de l'enseignement/ apprentissage d'une langue particuliere et on entre, cette fois de plein pied, dans le domaine d'une education langagiere globale. 2. L' eveil aux langues dans deux prograrnrnes de recherche et d'innovation europeens 2.1 Auparavant, un peu d'histoire ... L'eveil aux langues tel que nous le concevons descend en ligne directe du concept de langage en tant que « matiere pont » ( "bridging subject") « a travers le curriculum » qui avait ete presentee en Grande-Bretagne par HAWKINS des 1974. L'approche s'est developpee dans ce pays dans les annees quatre-vingt gräce au travail theorique et pratique de HAWKINS (1984) et d'autres chercheurs et enseignants au sein du mouvement "Language Awareness", avec une extension certaine. 4 Le mouvement n'a ete suivi d'aucune reconnaissance institutionnelle au Royaume Uni, et a connu une reelle regression au cours des annees quatre-vingt dix. 5 Dans d'autres pays d'Europe, les idees issues du courant "Language Awareness" ont donne lieu, dans ces memes annees quatre-vingt dix, a plusieurs initiatives ponctuelles, comme celles menees en France a Grenoble. En Allemagne, a la meme epoque, lngelore ÜOMEN WELKE de la Pädagogische Hochschule de Freiburg travaillait dans la meme ligne, mais essentiellement en direction de classes a forte proportion d' enfants issus de la migration. En Allemagne et en Autriche, deux instituts regionaux de recherche pedagogi- D'une certaine fa9on, on peut penser que c'est toujours Je cas, si on considere que Je travail sur Ja Jangue matemelle (ou Ja Jangue de J'ecoJe), qui commence des Je pre-scoJaire, constitue egalement un « apprentissage linguistique ». 4 Une enquete effectuee en 1982 et 1984 faisait apparaitre J'existence d'activite de type "Janguage awareness" dans un peu plus de 250 ecoJes de Grande-Bretagne. II convient de signaler que cette approche etait egalement presente a la meme epoque en Australie, en particulier sous la forme d'une initiation successive a plusieurs Jangues. 5 Cependant, plus recemment, le Rapport NUFFIELD (The Nuffield Language lnquiry 2000) a indique que « Le programme d'action national pour l'enseignement precoce devrait » (article 6.6) « introduire [... ] des modules de 'language awareness' dont le contenu serait conc; ,u en vue d'etablir un pont entre la formation en anglais et ! es Jangues etrangeres » et devrait (article 6.7) « mettre en evidence Je lien entre ! es Jangues, Ja communication et la Citoyennete afin de mettre en place le plus töt possible ! es notions d'egalite et d'acceptation de la diversite » (p. 89). Rd 34 (2005) 34 Michel Candelier que (le Landesinstitut für Schule und Weiterbildung de Soest (Rhenanie-Westphalie) et le Zentrum für Schulentwicklung de Graz) ont introduit officiellement dans les ecoles de leur Land une approche s'inspirant partiellement du courant Language Awareness (repectivement sous les noms de Begegnung mit Sprachen in der Grundschule et de Sprach- und Kulturerziehung). En Suisse romande, des experiences ont ete menees sous le sigle "EOLE" (Eveil au Langage et Ouverture aux Langues), autour de chercheurs qui ont ensuite contribue a constituer l'equipe Evlang. 6 Toutes ces tentatives ne constituaient pas, bien sfir, l'essentiel de ce qui se deroulait alors en matiere d'introduction des langues a l'ecole primaire. On sait que les vingt demieres annees ont ete marquees, du moins en Europe occidentale car C, etait deja chose faite en Europe centrale et orientale -, par la mise en place progressive de l'apprentissage d'une langue etrangere dans l'enseignement primaire. On sait aussi que cette evolution a renforce les craintes concemant l'accroissement de l'hegemonie des langues deja dominantes dans les systemes educatifs, et que, du moins pour les formes courantes de cet enseignement (a raison d'une heure a deux heures par semaine), les doutes se sont accumules sur l'efficacite meme d'un tel apprentissage pour le developpement des capacites qu'il vise pour l'apprenant (cf. BLONDIN [et al.] 1998 et D. GAONAC'H 2002). Ces interrogations ont contribue a renforcer l'interet pour une approche differente, une approche plurielle, sans pour autant que celle-ci soit necessairement confue comme une alternative a l' approche "monolingue" dominante, dont elle pouvait apparaitre comme un complement. 2.2 Un premier programme europeen : le programme Evlang 2.2.1 L 'enjeu du programme Evlang Ace point de l'evolution de l'approche « eveil aux langues », et dans ce contexte relatif a l'introduction des langues a l'ecole primaire, l'idee qu'il etait necessaire de mettre en place un projet plus vaste susceptible de verifier avec une methodologie suffisamment assuree le bien fonde des attentes dont elle faisait l'objet ne pouvait que s'imposer. C' etait 1a l' ambition programme Evlang, soutenu par la Commission europeenne (Lingua Action D), commence a 1a fin de 1997 et termine en juin 2001. 7 II a reuni les efforts d'une trentaine de chercheurs en didactique des langues, dans cinq pays (Autriche, Espagne, Italie, France, Suisse ). 8 6 7 On reviendra en 2.4 sur ! es developpements actuels de l'approche dans divers pays europeens. On trouvera un bilan complet de ce programme dans CANDELIER (dir.) (2003a). II s'agissait des institutions suivantes: Zentrum für Schulentwicklung de Graz; Universitat Autonoma de Barcelona; Istituto Universitario Orientale di Napoli (et Universita Ca' Foscari di Venezia lors de Ja premiere annee); Universite Rene Descartes Paris 5, Universite Stendhal Grenoble III, Institut Universitaire de Formation des Maitres de La Reunion, Institut de recherche en economie de l'education de l'Universite de Bourgogne; Centre de Linguistique Appliquee de l'Universite de Neuchätel, Faculte de Psychologie et des Sciences de l'Education de l'Universite de Geneve, Institut de Recherche et de Documentation Pedagogique de Neuchätel, Institut pedagogique Neuchätelois. lFJLlllllL 34 (2005) L 'eveil aux langues une innovation europeenne 35 L' activite deployee s'est repartie sur trois domaines: la production de supports didactiques destines a alimenter un cursus de un an a un an et demi (a la finde l' ecole primaire), la formation d'enseignants susceptibles de mettre en ceuvre ces cursus dans leur classe habituelle, et l'evaluation, quantitative et qualitative de ces cursus. Une trentaine de supports didactiques ont ete produits souvent en cooperation etroite avec des enseignants et valides en classe. Ils s'inscrivent dans des domaines thematiques varies. 9 Plus de soixante langues, de tous statuts (officielles, minoritaires, de migration) et de tous continents ont ete ainsi utilisees. La formation des maitres pour le cursus Evlang s'est effectuee dans des actions de formation continue de deux a trois jours. 11 est necessaire de souligner, pour l'appreciation des resultats de l'evaluation, qu'il ne s'agissait pas de maitres "pre-selectionnes". Dans la quasi totalite des cas, ils ne connaissaient pas l'approche « eveil » a l'avance, et se sont souvent inscrits a la formation en pensant qu'on leur proposerait des solutions pour l'enseignement d'une langue particuliere. Dans ces joumees de formation, on a procede d'abord a une mise en question collective des representations de chacun sur les langues (moi et les langues, les langues et la societe, les langues et l'ecole). Les enseignants ont vecu "de l'interieur" la situation d'un apprenant utilisant des supports didactiques Evlang et ont decouvert le fonctionnement pedagogique de ces supports, ainsi que les finalite, buts et objectifs de l'approche. Ils se sont interroges sur le lien entre ces objectifs et ceux que l 'on trouve dans les instructions officielles, ainsi que sur le potentiel interdisciplinaire et transversal de l'eveil. Bien sfu, une formation plus longue aurait ete souhaitable, mais il importait de montrer que l'on pouvait atteindre des resultats avec des moyens qui restaient limites et seraient rapidement generalisables. 2.2.2 Le bilan du programme Evlang On ne peut bien sfu rentrer ici dans le detail des resultats de l' evaluation. 10 On se limitera a un resume de l' essentiel des resultats foumis par l' evaluation quantitative, et a quelques elements foumis par l'evaluation qualitative. L'evaluation quantitative a ete confiee a ! 'Institut de Recherches en Economie de l'Education (IREDU) de Dijon, et a porte sur pres de 2000 eleves (compares a environ la moitie d'eleves temoins), sur la base de tests prealables et terrninaux, et selon un protocole scientifique tres strict. L' evaluation qualitative a porte, pour sa plus grande part, sur un peu moins de vingt classes, avec entretiens (enseignants, eleves) et observation detaillee de la demarche (enregistrements video, 9 Inspires des domaines etablis a l'origine par Je mouvement Language Awareness en Grande-Bretagne, en particulier: ! es langues dans J'espace (l'environnement, l'Europe, Je monde), ! es relations entre ! es langues (histoire et evolution des langues, emprunts), les systemes d'ecriture, ! es sons, les relations entre langues et cultures. Mais aussi : quelques regularites morpho-syntaxiques et textuelles, Ja variation, Je bilinguisme, Je statut des langues, l'apprentissage des langues ... 10 Tous ]es details se trouvent dans ! es quelque mille pages du rapport scientifique qui a ete remis aux responsables du programme Lingua, et qui est consultable en ligne sur Je site du reseau Janua-Linguarum (http: / / jaling.ecml.at/ ). lFlLlUIL 34 (2005) 36 Michel Candelier elaboration d'une grille d'observation specifique). S'y sont ajoutes divers questionnaires adresses a un nombre plus eleve d'enseignants et de parents. L'objet principal de l'evaluation quantitative etait de prendre la mesure des effets du cursus sur les attitudes et les aptitudes des eleves. Les resultats sont la, indeniablement. Ils ne relevent pas du miracle (ce qui est en soi rassurant! ). Ils correspondent a ceux que l'on rencontre habituellement pour des innovations pedagogiques du meme type qui s'exposent aux memes outils d'evaluation, et dont on dit, sur cette base, qu'elles ont porte leurs fruits. Pour ce qui conceme l'effet d'Evlang sur les attitudes, on a teste d'une part l'interet des eleves pour la diversite, et d'autre part leur ouverture a ce qui est non familier. Pour le developpement d' aptitudes. relatives aux langues, l'examen portait sur la discrimination et la memorisation auditives ainsi que sur les capacites d' ordre syntaxiqµe, sous la forme d'une decomposition-recomposition d'enonces dans une langue inconnue. Dans les deux cas, attitudes comme aptitudes, l'impact de l'eveil aux langues sur la premiere des deux composantes citees (interet, competences auditives) est atteste dans une grande majorite d'echantillons. Pour la seconde composante (ouverture et maniements syntaxiques), l' effet est egalement avere, mais seulement dans quelques cas. Ces diffärences sont explicables: l'ouverture constitue a l'evidence une exigence plus forte que le simple interet, et les activites de composition-decomposition ont ete bien moins frequemment exercees que l'ecoute. La seule deception, relative, concerne les effets sur les competences en langue de l'ecole, qui ne sont pas constates, meme si les maitres, dans les entretiens et questionnaires qui ont ete menes, tendent a considerer qu'ils existent. Majoritairement, les initiateurs d'Evlang eux-memes formulaient quelques doutes a ce propos pour des activites intervenant a la fin de la scolarite primaire. Il est essentiel de noter que ces resultats valent pour un cursus d'une duree generale de 35 heures. Or, l'etude des liens entre le nombre d'heures (qui varie dans les classes de 7 heures a .. 95 heures ! ! ) et l'intensite des effets montre clairement qu'un cursus plus long a toutes les chances de conduire a des effets plus generalises et d'ampleur plus importante. On retiendra encore que l'apport d'Evlang au developpement des attitudes conceme essentiellement les eleves les plus faibles scolairement, et que l' eveil aux langues developpe significativement le desir d'apprendre des langues. Dans plusieurs cas, et tout particulierement en France, il renforce l'interet pour l'apprentissage de langues minorisees, y compris de langues de l'immigration. Du foisonnement de donnees recueillies par l'evaluation qualitative, on retiendra seulement ce qui suit : Globalement, les enseignants experimentateurs pensent que l' eveil aux langues developpe/ renforce chez les eleves les aptitudes metalinguistiques et attitudes d'interet et d'ouverture attendues, meme si, dans le detail, on peut constater, gräce aux entretiens, qu'ils sont plus dubitatifs pour les aptitudes que pour les attitudes. Diverses donnees montrent par ailleurs que la pratique de cette approche les a amenes a etre plus "sensibles" a la presence d' eleves allophones dans leur classe, dont ils ont sollicite les ressources et a qui ils n'ont pas hes.ite a donner le röle d'experts. La refärence a plusieurs lFLuL 34 (2005) L'iveil aux langues une innovation europienne 37 langues sinmltanement est vecue comme naturelle par la plupart d'entre eux. L'adhesion intellectuelle a l'approche d'eveil aux langues est predominante, et repose souvent sur la constatation qu' elle est en coherence et en complementarite avec les autres apprentissages de la classe. Les entretiens menes avec les eleves montrent qu'une majorite d'entre eux trouve Evlang utile, voire tres utile, meme si les raisons de cette utilite ne sont pas toujours per9ues ou exprimees clairement (pour apprendre les langues, pour voyager, pour connaitre le monde ... ). A l'exception notable des eleves suisses (beneficiant sans doute plus couramment de methodes "actives"), ils apprecient generalement la fa9on dont ils sont invites a travailler (le travail en grolJpes), qu'ils pen; oivent souvent comme differente de celle utilisee dans d'autres matieres. 2.3 Le reseau Janua Linguarum 2.3.1 Un reseau pour la dif.fusion de l'eveil aux langues et l'etude de son introduction dans les curricula Le programme Evlang ayant ete riche d' enseignements en ce qui conceme les possibilites de mise en place d'une approche d'eveil aux langues et les effets que l'on peut en attendre sur les eleves, l'etape suivante ne pouvait etre que placee SOUS le signe de la diffusion. Mais pour quiconque prend au serieux le principe selon lequel une innovation qui s'est developpee dans un contexte educatif donne n'estjamais directement transposable dans un autre contexte, la question de la diffusion d'une nouvelle approche est inseparable de l'etude des conditions de son implantation dans les curricula de divers systemes educatifs. C'etait bien 1a l'ambition du reseau Janua Linguarum 11 , qui s'est developpe dans le cadre du Premier programme a moyen terme du Centre Europeen pour les Langues Vivantes de Graz (Conseil de l'Europe) et a reuni, de 2000 a 2003, des formateurs d'enseignants et chercheurs en didactique de seize pays : Allemagne, Autriche, Espagne, Federation de Russie, Finlande, France, Grece, Hongrie, Lettonie, Pologne, Portugal, Republique tcheque, Roumanie, Slovaquie, Slovenie, Suisse. 12 Pour ce faire, des activites de divers types ont ete entreprises: • diffusion de la connaissance de l' approche (confärences, publications dans des revues specialisees, sites intemet) et contacts avec les autorites educatives ; • production/ adaptation de materiaux didactiques, y compris pour des enfants plus 11 Le nom meme de Janua Linguarum souvent abrege en Ja-Ling a ete emprunte il un ouvrage de Jan Arnos KoMENSKY, pedagogue tcheque plus connu sous Je nom de COMENIUS, qui a publie en 1631 un livre consacre il l'enseignement des langues: Janua linguarum reserata (La porte des langues ouverte). 12 On trouvera des renseignements sur ce reseau il l'adresse (http: / / jaling.ecml.at/ ). La majorite des partenaires du reseau se sont regroupes parallelement au sein d'un programme Comenius de ! 'Union europeenne qui a poursuivi ses activites jusqu' en septembre 2004. ]FJLJJL 34 (2005) 38 Michel Candelier jeunes, des la matemelle (et donc, non-lecteurs) et pour des eleves de l'enseignement secondaire 13 ; • formation / sensibilisation des enseignants et mise en place des activites dans les classes ; • production d' outils destines a l' observation de l'implantation de l' approche (representations des eleves sur les langues, questionnaires destines aux enseignants et aux parents, observations de classes), collecte et analyse des donnees recueillies. 2.3.2 La diversite des contextes et de l'interet pour l'eveil aux langues Dans les quelques lignes que nous pouvons consacrer ici a ces travaux, et en fonction meme de ce que nous avons dit en introduction a propos de l' adaptabilite de l' approche, il semble interessant de developper essentiellement ce qui touche a la diversite des contextes. 14 Pour des raisons de divers ordres, leur etude systematique n'a pu etre effectuee que sur dix pays (Allemagne, Autriche, Espagne, Finlande, France, Grece, Hongrie, Pologne, Portugal, Slovenie). Ces dix pays sont tres divers en ce qui conceme leur degre de multilinguisme et le statut des langues qui y sont parlees en plus de la ou des langues officielles. Cependant, seuls trois pays connaissent un pourcentage de locuteurs alloglottes ne depassant pas 4 % (Finlande, Pologne, Portugal). Parmi les sept pays restant, trois sont proches de la barre des 10 % ou 1a depassent (Allemagne, Autriche, Grece). 15 Dans six de ces sept pays, le multilinguisme est dü principalement a un nombre important de migrants (Allemagne, Autriche, Espagne-Catalogne, France, Grece, Slovenie), et dans un d'entre eux, a la presence de langues minoritaires autochtones (Hongrie). C'est dans deux pays d'Europe centrale (Hongrie et Pologne) que le pourcentage de migrants est le plus faible. Le Portugal se distingue par un nombre de locuteurs de langues minoritaires autochtones extremement bas. Dans l'ensemble des dix pays, l'anglais est la langue etrangere la plus enseignee, meme si c'est de justesse en Hongrie (ou l'allemand atteint presque le meme nombre d'eleves). A l'autre extreme, Oll trouve l' Autriche et la Catalogne, ou les eleves apprenant une autre langue que l' anglais sont respectivement cinq fois ou huit fois moins nombreux que ceux qui l'apprennent. L'anglais est premiere langue obligatoire du cursus en Grece. Dans plusieurs autres pays, elle est de fait la langue choisie en premier par la quasitotalite des eleves (Allemagne, Autriche, Catalogne, Finlande). Dans le domaine de l' enseignement des langues minoritaires autochtones, les compa- 13 Une des conclusions des travaux precedents etait que l'approche devait s'etendre, de fa<; ; on plus ou moins intensive, sur plusieurs cycles d' enseignement. Nous avons souvent rencontre des difficultes a la mettre en place dans l' enseignement secondaire, ou on accorde generalement peu de place a des enseignements qui ne sont pas strictement lies a une discipline particuliere. 14 On trouvera Je bilan complet de Janua Linguarum dans Candelier (dir.) (2003b). 15 On gardera bien a l 'esprit que dans beaucoup de cas, ! es chiffres dont on peut disposer sont approximatifs, beaucoup de pays ne procedant pas a un recensement rigoureux des locuteurs d'autres langues. lFLlllL 34 (2005) L'eveil aux langues une innovation europeenne 39 raisons sont beaucoup plus difficiles, en particulier parce que les chiffres disponibles sont souvent imprecis, incomplets, voire inexistants. Ce qui frappe cependant, a nouveau, c' est la diversite des situations. Dans plusieurs cas, l'offre peut etre qualifiee sans hesitation de satisfaisante. 16 C' est le cas du danois en Allemagne, du sami en Finlande, d 'une grande partie des langues minoritaires autochtones de Pologne ( Oll des droits sont ouverts des qu'un nombre suffisant de familles le demandent, avec aide de l'Etat), du mirandes au Portugal (gräce au secteur associatif) et tout particulierement de l'italien et du hongrois en Slovenie, qui sont enseignees egalement aux eleves de langue slovene dans les regions bilingues. C' est en Grece que la situation est 1a plus defavorable, le turc etant la seule langue beneficiant d'un enseignement bilingue, lirnite a une partie du pays oll s'impose l'application d'un traite internationalen fonction de considerations religieuses qui releguent au second plan les distinctions d'ordre linguistique. Parmi les langues particulierement defavorisees, on trouve regulierement les langues tsiganes. Pour les langues de migrants, la situation est au moins aussi diverse que pour les langues minoritaires autochtones, et globalement beaucoup plus insatisfaisante. 11 semble bien que les eleves migrants ou issus de la migration ne peuvent beneficier d'aucun enseignement de (ou dans) leur langue d'origine dans les systemes educatifs de Catalogne, Grece, et Pologne. Au Portugal et en Slovenie, cet enseignement est sporadique, lie ade rares experimentations ou innovations. A l'oppose, de reels droits sont ouverts a ces eleves en Autriche et Finlande, ainsi qu'en Hongrie (oll s'appliquent les memes possibilites et limites que pour les langues minoritaires autochtones). Dans d'autres pays encore (Allemagne, France), les autorites en charge de l' education s 'en remettent le plus souvent aux initiatives des pays d'origine, initiatives que seuls peuvent prendre les pays qui en ont les moyens et la volonte politique, ce qui exclut les pays d' Afrique subsaharienne et d' Asie du Sud-Est. On peut considerer que l'approche eveil aux langues etait inconnue dans quatre pays (Finlande, Grece, Hongrie, Slovenie) au moment Oll des contacts ont ete pris en vue de la mise en place du futur reseau Ja-Ling. II en allait quasiment de meme en Pologne, mais pas au Portugal, Oll en Allemagne, ni bien silr dans les trois pays (Autriche, Espagne- Catalogne, France) oll l'eveil aux langues avait deja connu une premiere diffusion par l'intermediaire du programme Evlang auquel des equipes de ces pays avaient participe. 2.3.3 Les resultats Une interrogation sur ce que le programme Janua Linguarum nous a appris des conditions et possibilites d'insertion de l'eveil aux langues dans les curricula fait ressortir les elements suivants : Dans les seize pays participant au reseau, en depit de de contextes sociolinguistiques et de traditions pedagogiques differentes, aucune "contre-indication" au recours a cette approche n'est apparue. 16 On laisse ici de c6te Je cas particulier du catalan, langue officielle de la Catalogne. lFLd 34 (2005) 40 Michel Candelier Du point de vue des origines de l'interet pour l'eveil aux langues dans ces divers pays, nous avons pu verifier l'effetevidemment facilitateur de la diffusion prealable qu'avaient assuree des programmes d'innovation anterieurs dans certains contextes nationaux. Il s' agissait souvent du programme Evlang, mais aussi plus generalement du mouvement Language Awareness et d'autres initiatives qu'il avait inspirees. Les traces pouvaient en etre visibles au sein meme des programmes officiels et en tout cas dans les representations des chercheurs en didactique et de certains enseignants. Nous avons vu aussi l'importance de la motivation que peut susciter un contexte national ou regional multilingue, et tout particulierement la presence d'eleves migrants. Et cela que cette presence soit clairement pers; ue comme une realite d'aujourd'hui ou de demain, ou que les enseignants et avec eux la societe en generaltardent a en prendre totalement conscience, auquel cas l' eveil aux langues apparait non pas tant comme une consequence de la perception de la diversite, mais plutöt comme une demarche qui favorise cette perception. Dans une certaine mesure, ce phenomene etait deja perceptible dans le cadre d'Evlang, ou certains enseignants montraient qu'ils avaient vraiment vecu, grace a ce programme, une experience personnelle de decouverte de la diversite. L'experience Ja-Ling a confirme l'interet que l'eveil aux langues rencontre tres generalement aupres des autorites educatives. Mais elle ne nous a guere permis d'en apprendre plus sur les raisons pour lesquelles cet interet, selon les cas, debouche ou ne debouche pas sur des mesures concretes d'officialisation. Sans doute parce que ces raisons constituent un reseau complexe de motivations qui se renforcent mutuellement et dans lesquelles il est bien difficile d'isoler un element particulier que l'on pourrait considerer comme determinant. Il etait interessant aussi de constater que les difficultes eprouvees par les coordinateurs nationaux lors de la mise en reuvre du programme semblent .etre plus d'ordre materiel que representationnel. Faute d'une inscription officielle dans des plages determinees du curriculum (comme c'est le cas en Grece), la question se pose sans cesse de la place a prendre dans les emplois du temps, et la solution deja formulee dans le cadre d'Evlang reste semble-t-il la meilleure: en tant que demarche interdisciplinaire, l'eveil aux langues doit s'inscrire simultanement dans plusieurs disciplines. L'etude des representations des enseignants a confirme que, comme cela etait deja apparu dans le bilan du programme Evlang, leurs attitudes vis-a-vis de l'approche sont tres generalement positives, et souvent tres positives. Ponctuellement, des difficultes peuvent apparaitre, que les coordinateurs nationaux ont contribue a cerner : a propos des langues sur lesquelles on travaille, a propos des publics (conception selon laquelle il s'agirait d'une approche valable uniquement pour les classes a forte proportion de migrants), en raison des cultures educatives dominantes. Comme cela etait deja apparu dans l' evaluation d' Evlang, on constate que les enseignants sont plus convaincus des effets potentiels de la demarche sur les attitudes des eleves vis-a-vis de la diversite des langues et des cultures que d'effets sur leurs aptitudes metalinguistiques. On ne peut s 'empecher de rapprocher ceci de ce qui a ete dit plus haut du multilinguisme en particulier issu de la migration en tant que facteur d'interet pour l'eveil aux langues. lFlLulL 34 (2005) L 'eveil aux langues une innovation europeenne 41 De l' observation de la pratique de classe, nous retenons essentiellement la conclusion selon laquelle la capacite de l'enseignant a adapter les materiaux d'enseignement a la situation particuliere de sa classe est determinante, pour peu cependant que cela se produise dans le cadre de l'approche socio-constructiviste de l'apprentissage, qu'il doit avoir suffisamment interiorisee. Generalement, les parents adherent a Ja-Ling, meme si des craintes sont exprimees de voir l'eveil aux langues remplacer l'enseignement d'une langue, auquel ils restent attaches. L'aspect de l'approche qu'ils remarquent le plus n'est autre que celui dont nous venons de dire qu'il convainc spontanement les enseignants et suscite le plus facilement l'interet : tout en notant que les enfants cherchent a comprendre des enonces en langue etrangere ce qui releve au moins partiellement du developpement d'aptitudes ils evoquent surtout des changements dans le domaine des attitudes que les enfants developpent face a ce qui est etranger. 2.4 Les progres de la reconnaissance institutionnelle de l'eveil aux langues en Europe Il ne servirait a rien de se le cacher: l'introduction officielle de l'approche plurielle des langues et des cultures dans les programmes scolaires doit surmonter diverses resistances, d'origines diverses. Il y ad' abord la volonte politique de satisfaire la demande parentale qui s 'exprime en faveur de l' enseignement d'une langue dans l' enseignement primaire, et tout particulierement de l'anglais : meme s'il est vrai qu'il n'y a pas en soi d'opposition entre cette demande et une approche destinee entre autres a equiper les eleves pour un meilleur apprentissage des langues, les contraintes materielles le temps disponible amenent souvent les acteurs a considerer que les deux options sont contradictoires. Mais il y a aussi la difficulte qu'ont beaucoup de didacticiens et de decideurs, impregnes de la culture educative dominante, a imaginer que les langues peuvent avoir a l'ecole un autre röle que celui d'etre apprises. Dans certains cas, cette incapacite peut amener a croire que l'objectif de l'approche est de faire apprendre plusieurs langues a la fois, ce qui renforce la crainte d'un surmenage et les doutes sur le realisme de ce qui est propose. Il y a aussi l'idee, contraire a la realite 17 , que l'approche est une simple "sensibilisation", sans objectifs d'apprentissage. Et peut-etre egalement le fait que des objectifs qui relevent d'un "equipement" de l'eleve pour un meilleur apprentissage des langues n'apparaissent pas comme ayant un effet immediat, contrairement a l'apprentissage lui-meme, dont les objectifs semblent plus tangibles. Dans certains pays, on a pu voir l' effet nocif de l'idee selon laquelle il s'agirait la d'une solution "au rabais" choisie par simple souci d'economie! Face ade tels freins, les progres recents de l"'institutionnalisation" de l'eveil aux langues peuvent surprendre. 17 On trouvera dans CANDELIER (dir.) (2003a), une ebauche de refärentiel d'objectifs que l'on a renonce a produire ici. lFlLllllL 34 (2005) 42 Michel Candelier On a deja mentionne le travail important accompli des avant Evlang par les chercheurs et enseignants de Suisse romande dans le domaine de l'innovation en eveil aux langues. On y trouvera 18 de larges echos des initiatives ministerielles prises au sein de la Communaute frarn; : aise de Belgique. En Grece, l'eveil aux langues est integre depuis septembre 2001 dans le curriculum du primaire et plus precisement dans la zone d'innovations et d' activites interdisciplinaires (duree: 2 heures hebdomadaires). Cette mesure a ete prise suite a l'experimentation reussie de Ja-Ling dans dix ecoles primaires en 2000-2001, qui a aide a convaincre de l'importance de l'approche aussi bien le Ministere de l'Education Nationale et des Affaires Religieuses que ! 'Institut Pedagogique et le Directeur de l'Enseignement Primaire. La production du materiel a ete financee par ! 'Institut Pedagogique qui a egalement mis en place des stages de formation pour les cadres de l' enseignement et plusieurs centaines de maitres. En Autriche, le Zentrum für Schulentwicklung, partenaire du programme Evlang et organisme de recherche pedagogique officiel, a entrepris la diffusion electronique des supports didactiques utilises pendant le programme. 19 Dans d'autres pays, comme au Portugal2°, l'approche trouve un echo dans les nouveaux programmes d' enseignement. En France, les nouveaux programmes parus au debut de 2002 ont manifestement ete sensibles aux idees vehiculees par Evlang, meme si l'approche n'a pas ete entierement et explicitement reconnue. On y trouve en effet a cöte de l'enseignement d'une langue particuliere dorrt la generalisation se poursuit la volonte que les eleves decouvrent « que l'on parle differentes langues dans leur environnement comme sur le territoire national», pour l'ensemble de l'ecole maternelle et le debut de l'elementaire. 3. Conclusion Les programmes d'innovation dont nous avons expose le deroulement et le bilan doivent etre consideres comme une source d'inspiration pour la reflexion et l'action, et non comme des banque de ressources dorrt il suffirait de tirer des elements "prets a porter", qu'il s'agisse de materiaux pedagogiques, de demarches ou de concepts. Si l'eveil aux langues doit vivre dans d'autres contextes et d'autres pays, il sera construit par ceux qui y vivent et y travaillent. 18 Sur Je site http: / / www.mag.ulg.ac.be/ eveilauxlangues/ commfranc.html. 19 Sur Je site http: / / www.zse3.asn-graz.ac.at/ (SKE-KIESEL: Lehrmaterialien). 20 Cf. ! es programmes parus en 2001 (Curricula Nacional do Ensino Basico - Competencias Essenciais - Unguas Estrangeiras). Le premier « principe d'orientation » pour Je Cycle 1 est Ja « Sensibilisation a Ja diversite linguistique et culturelle », explicitee de Ja fac; : on suivante: « Les apprentissages en langues etrangeres, au premier cycle, devront etre orientes dans Je sens d'une sensibilisation a Ja diversite linguistique et culturelle. L'ouverture de l'ecole a cette pluralite se traduira par Ja creation d'espaces de receptivite aux autres langues et aux autres cultures eventuellement presentes dans l'environnement -, a l'etablissement de relations entre celles-ci et Ja langue maternelle et au partage avec d'autres fac; : ons d'etre et de vivre » [traduction par moi, MC]. lFLIIIL 34 (2005) L 'eveil aux langues une innovation europeenne 43 C'est dans cet esprit que nous pensons que cette approche peut egalement, a l'avenir, faire partie de la panoplie des instruments pedagogiques destines a apporter des solutions aux problemes complexes auxquelles l 'ecole doit faire face dans des contextes fortement multilingues, dans toute region du monde. Des reflexions ont ete menees concemant l'Ile de la Reunion, la Guyane et des contextes africains (CANDELIERILAUNEY/ TUPIN 2003 ). Un nouveau terrain est ouvert, riebe d'espoirs et d'enseignements. Pour ce qui est des buts poursuivis, G. Mba et J. Messina Ethe indiquent: Chaque enfant apprend a aimer et a connaitre la culture de son prochain, en plus de savoir ce qu'il apprend. Une langue parlee par un eleve et qui n'est pas la sienne, ne sera plus un objet de raillerie de la part de ce dernier mais une curiosite qu'il voudra satisfaire: celle d'apprendre la culture et la langue de l'autre. Ce que la majorite des adultes n'ont pas su ou voulu entreprendre, ! es enfants le realiseront et seront moins tribalistes ou pas du tout. Comment ne pas penser a cet enseignant du programme Evlang, qui pratiquait l' eveil aux langues dans une ecole primaire plutöt monolingue de Bourges (ville situee en plein creur de la France) et qui notait avec une evidente satisfaction, lorsque nous l' avons interviewe, que si, au debut, il y avait bien eu quelques petits rires plus ou moins nerveux lors de l' ecoute de langues non familieres, tres vite, la surprise avait fait place a la curiosite, a l' interet, a l' attention ? En echo, un eleve disait: « Les langues etrangeres, Oll dit que C' est pas bien. Mais quand on les ecoute, on dit c'est bien ». 21 Bibliographie AUDIGIER, Frans; ois (2000): Concepts de base et competences cle de l'education a la citoyennete democratique. Strasbourg: Conseil de l'Europe. BLONDIN, Christiane/ CANDELIER, Michel/ EDELENBOS, Peter/ JOHNSTONE, Richard/ KUBANEK-GER- MAN, Angelika/ TAESCHNER, Traute (1998): Les langues etrangeres des l'ecole primaire au maternelle : quels resultats, a quelles conditions ? Bruxelles: De Boeck. CANDELIER, Michel (1996): « Et ! es effets sociaux dans tout s; a? » In: Cahiers de l'Asdifle 8, 24--36, CANDELIER, Michel / DUMOULIN, Berengere/ KOISHI, Atsuko (1999): La diversite des langues dans les systemes educatifs des Etats membres du Conseil de la cooperation culturelle - Rapport d'enquete preliminaire. Strasbourg: Conseil de I'Europe. 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Findings in all the neighbouring disciplines, such as the cognitive sciences, language acquisition research, including foreign language instruction research or the neuro-sciences, have been generous! y neglected. The challenge now feit through circumstances that no langer allow the blind continuation in the old way are: foreign language teaching in the primary school, content integrated language teaching, and finally, the Common European Framework for languages which officially resets the language teaching goals. The long demanded change in the underlying language learning theory can no langer be neglected. Wie war es früher doch so schön und Fremdsprachenlehren so bequem: Der Lehrer lehrte, der Schüler lernte. Und war das Schuljahr um, dann war der Lehrplan erfüllt und gekonnt das Pensum. Ja, mach nur einen Plan Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan Gehn tun sie beide nicht. BERTOLD BRECHT Wer mit einem fertigen Plan ins Klassenzimmer kommt, der kriegt immer ein Problem. Aussage bei einer Schülerumfrage Der Beitrag ist getragen von dem Unbehagen des Verfassers über die Diskrepanz des schulischen Fremdsprachenunterrichts zwischen dem Energieaufwand sowohl der Lehrer als auch der Schüler und dem letztlich nicht voll befriedigenden Ergebnis der Anstrengungen aller. Nach einer Einleitung, in der einige die gegenwärtigen Herausforderungen angesprochen werden, und zwei 'Erfolgs' -Beschreibungen des heutigen Fremdsprachenunterrichts, erfolgt eine Skizzierung tradierter, die Unterrichtspraxis entscheidend beeinflussenden, den Lehrern so gut wie nie bewussten Lernvorstellungen, die jedoch heute weder theoretisch noch empirisGh haltbar sind, die aber unverantwortlich kontraproduktiv wirken. Im vierten Abschnitt wird der Frage nachgegangen, inwieweit der Fremdsprachenerwerb überhaupt steuerbar ist und die natürliche Erwerbssequenz nach PIENEMANN Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Werner BLEYHL, vormals Pädagogische Hochschule LUDWIGSBURG. Englische Sprache und Literatur. Privat: Hohenackerstraße 34/ 1, 73733 ESSLINGEN. E-mail: wernerbleyhl@t-oniine.de Arbeitsbereiche: Spracherwerbsforschung, Fremdsprachendidaktik und -methodik. lFLulL 34 (2005) 46 Werner Bleyhl aufgelistet. Lernen und Sprachenlernen, aus jüngster biologischer und psychologischer Sicht, wird im nächsten Abschnitt skizziert, ehe rnit einem Abriss wesentlicher Bedingungen für einen effektiver Spracherwerb in institutionalisiertem Rahmen geendet wird. 1. Einleitung In einer Zeit der allgemeinen Verunsicherung scheint, relativ überraschend für manche, selbst in der bislang windstill gelegenen Nische des Fremdsprachenunterrichts eine gewissen Unruhe aufzukollllllen. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen will eine gewisse Umwertung mancher Werte bringen. Lernziel war für den von wem auch illllller mit Sprachenfragen Europas betrauten - TRIM schon früher klar: "collllllunicative effectiveness is the criterion of success, not the mere performance of linguistic exercises without error" (TRIM 1992: 8). Denn der schon in den 70er-Jahren vorgestellte Threshold Level bzw. Niveau-seuil machte deutlich: [...] the formal structure of a language has been displaced from its central position, command of grammar and vocabulary is seen as an indispensable means to a communicative end rather than an end in itself. Assessment and evaluation are increasingly based on the performance of communicative acts rather than on structural manipulation or discrete item testing. The criteria applied are those of communicative effectiveness rather than formal correctness [fett W.B.] (TRIM 1992: 10). Mit dem Hinweis auf die selbstverständliche Notwendigkeit von Grallllllatik und Lexik wollte er wohl den Traditionalisten den Übergang nicht so harsch erscheinen lassen. Dass TRIM Grallllllatik vor Lexik anführt weist darauf hin, dass er 1992, wie die meisten heutigen Lehrer, noch nicht wusste, dass Lexik nicht nur pragmatisch wichtiger ist als Grallllllatik, sondern dass nur eine kritische Masse an erworbener Lexik den Erwerb der Grallllllatik erst ermöglicht. 2. Die Leistung des heutigen Fremdsprachenunterricht Unstrittig ist, dass Abiturienten Studierfähigkeit erlangt haben sollten. Dies heißt heute u.a., dass sie englischsprachige Texte des entsprechenden Niveaus lesen und verstehen können müssen. Die mit der PISA-Studie bekannt gewordenen Experten für empirische Bildungsforschung KöLLER und BAUMERT haben Abiturienten in zwei Bundesländern mittels des in der Zulassungspraxis zu amerikanischen Universitäten langjährig bewährten TOEFL-Tests untersucht. Ergebnis: Natürlich haben die meisten Schüler erfolgreich abgeschnitten, nur: sie waren um so erfolgreicher, je mehr sie außerhalb des Lehrbuchs in der englischen Sprache aktiv waren. Die Befunde zum Auslandsaufenthalt belegen die überragende Bedeutung des Lernens in authentischen Kontexten. Ein Schüler, der mehr als 6 Monate im Ausland war, hat eine 11 bzw. 12mal höhere Chance, die kritischen Werte (des Tests) zu überschreiten als jemand, der nie im Ausland war, und zwar bei Kontrolle aller übrigen Prädikatoren (KöLLER u.a. 2004). lFLl.llL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 47 Mit anderen Worten: Die Durchnahme der Lehrbücher reicht nicht. 1 Der Pisa-Experte BAUMERT urteilt in einem Radio-Interview allgemein: "Wenn wir die Leistungsentwicklung angucken, wir haben für das Gymnasium Vergleiche von 1968 an aus unserem Institut, dann haben wir einen Abfall der Leistung bei gleichzeitig ansteigender Intelligenz. Das ist das eigentliche Problem" (in R. KAHL 2004, 18.12. 2004). In ihrem Bericht über einen deutsch-schwedischen Schüleraustausch stellte HUFEISEN (2005) u.a. fest, dass eines der Arbeitsprinzipien der schwedischen Schule der 'Einbezug der Lebenswirklichkeit in das Lernen' ist, dass dort außerdem eine andere 'Lernkultur' herrsche, dass die Schüler dort lernen wollten und nicht, wie viele der deutschen Schüler, die Schule weitgehend ablehnten. Bei ihrer vorgenommenen Leistungsuntersuchung fand die Autorin „eine Korrelation zwischen Alter (und Anzahl der Jahre mit Englischunterricht) und formaler Korrektheit der Texte... Die deutschen Schüler erzielten in Bezug auf Grammatik allgemein, Satzstellung und Wortwahl geringfügig bessere Resultate bei den Tests und in der mündlichen Kommunikation; allerdings zeigten sich die schwedischen Jugendlichen gewandter in der mündlichen Kommunikation, was die Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten, den Wortschatz und die Suche nach Alternativen anbetrifft." In Bezug auf Einzelfehler schreibt sie: „Laut Hessischem Lehrplan für das Unterrichtsfach Englisch Klassen 8 und 9 sollten Schülerinnen und Schüler nach viereinhalb bzw. fünfeinhalb Jahren Englischunterricht nicht mehr Äußerungen wie die folgenden produzieren: ' ...he don't teil me things .. ./ I think it's would be a funny time.' Auch bei den schwedischen Schülern finden sich vergleichbare Fehler: 'I taking part.../ They got a lots of cars'" (HUFEISEN 2005: 11). Angesichts solcher Befunde, die zeigen, dass sich die sprachlichen Lernprozesse nicht nach den Lehrplänen richten, ist die Frage nach der inneren Berechtigung bzw. nach der Sinnhaftigkeit solcher 'Lehrpläne', die Frage nach deren inneren Begründung und Logik, nicht von der Hand zu weisen. 3. Die heimlichen Theorien hinter dem traditionellen Fremdsprachenunterricht Es ist hier leider nicht der Rahmen gegeben, Unterricht näher und die sie tragenden Vorstellungen vom Lernen bei den Lehrern im einzelnen zu analysieren. Verwiesen sei auf BLEYHL (2005b). Dort wurde das Lehrerverhalten einer mit Video festgehaltenen Szene mit Anfängern eines Unterrichts analysiert, der sich als ausgesprochen „kommunikativ" verstand, faktisch wohl aber allenfalls 'pseudo-kommunikativ' zu nennen wäre, da Es wäre angesichts der schlechten Werte der über die Haupt- oder Realschule zum Abitur gekommenen Abiturienten einer weiteren Studie wert, näher zu untersuchen, inwieweit der Schluss berechtigt ist, dass die Schüler um so weniger können,je kleinschrittiger ihre Lehrbücher vorgehen und die Inhalte gleichzeitig banaler werden. nlillL 34 (2005) 48 Werner Bleyhl für niemand im Klassenzimmer eine neue Information angeboten wurde. Eine Reihe folgender traditioneller Sprachlernvorstellungen wurde erkennbar: • Lernen erfolge primär über Imitation. • Lernen wird verstanden als ein Input-Output-Geschehen. • Der Stoff soll linear, Schritt für Schritt, vom Einfachen zum Schwierigen, gelernt werden. • Wenn Lernschwierigkeiten auftreten, wird das Geschütz der Bewusstmachung, der Kognitivierung, aufgefahren. Man folgt dabei dem informationstheoretischen Ansatz in der Annahme, dass der Königsweg zum 'Können' über das 'Wissen' gehe. • Die lineare Logik erfordere so auch ein Vorgehen gemäß einer grammatischen Progression. • Wenn auch nicht sofort bei den beginnenden Anfängern, so holt man sich als Stütze die Schrift.2 (Immer wieder verweisen Lehrer auf ihre eigene Erfahrung, dass sie selbst erst sicher seien, wenn sie das unbekannte Wort geschrieben sähen. - Man befindet sich damit fest in der Tradition, da man im Unterricht des Lateinischen oder Griechischen immer nur vom geschriebenen Wort ausging.) • Getragen wird das methodische Vorgehen vom Glauben an die Steuerbarkeit des Sprachenlernens. Diesem Vorstellungskonglomerat liegt ein Gemenge von nicht nur einander sich widersprechenden, hier ungerechtfertigten, weil in ihrem Absolutheitsanspruch inzwischen falsifizierter Theorien zugrunde, die insgesamt zu der Situation führen, dass im deutschen Fremdsprachenunterricht mit sehr viel Energie seitens der Lehrer, wie auch seitens der zunächst durchweg hochmotivierten Schüler insgesamt ein nicht voll befriedigendes Ergebnis erreicht wird. Diese Theorien hier nur holzschnittartig skizziert gilt es zu erkennen und auf ihre Berechtigung für den Fremdsprachenunterricht zu befragen: (a) Der Lehrer spricht vor, der Schüler spricht nach. - Dahinter steht die Vorstellung, dass Sprachenlernen über Imitation erfolge. Der Lerner mache eine bestimmte Erfahrung, versuche die angebotene Information selbst wiederzugeben und „präge" sich so das Neue ein (input-output-Verfahren). Dies ist die Vorstellung des Empiristen JOHN LOCKE, wonach der Mensch ein Wachstäfelchen sei, eine tabula rasa, die durch Lehren entsprechend eingeritzt werde und so Lernen stattfinde. Notfalls gelte es die Verknüpfungen von Reizen und Reaktionen zu „drillen", wie es die technisch versierteren Behavioristen vorschlagen. Kommentar: Die Problematik der Wahrnehmung wird hier einfach negiert. Was KANT schon aufzeigte, hat auch die Gestalt- und die neuere Kognitionspsychologie hinreichend klargemacht: Wahrnehmung ist von entsprechenden Kategorien des Wahrnehmenden abhängig. Imitation ist erst dort möglich, wo die entsprechenden kognitiven, motorischen etc. Bedingungen gegeben sind. Imitation ist wichtig, aber sie ist ganz bestimmt im Zur Frage der Schrift vgl. BLEYHL (2006). lFLu.uL 3-4 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 49 Bereich Sprachenlernen sekundär, sie ist an Voraussetzungen wie einem Empfinden für Rhythmus u.a. gebunden. Wenige Hinweise müssen hier genügen: Trotz der angeborenen Fähigkeit zur Lautunterscheidung, die Evolution hat es so eingerichtet, dass der Säugling aus physiologischen Gründen erst nach sechs Monaten mit der eigenen Sprachlautproduktion beginnen kann, d.h. erst dann, wenn das Phonemsystem der ihn umgebenden Sprache sich in ihm mental stabilisiert hat. Im Erstspracherwerb geht Verstehen (Rezeptionsfähigkeit) von Wörtern der eigenen Produktion fünf bis sieben Monate voraus. Beim Zweitspracherwerb sind diese auch hier individuell unterschiedlich langen, aber notwendigen Rezeptionsphasen inzwischen neurobiologisch erklärbarkürzer. Im traditionellen Fremdsprachenunterricht werden sie dem Lerner nicht gestattet. (b) RENE DESCARTES ist im Fremdsprachenunterricht von heute oft noch in dreierlei Hinsicht präsent. 1. Er begründete die erkenntnistheoretische Methode des Aufspaltens des Komplexen in Einzelsegmente, kurz die reduktionistische Methode. Kommentar: Inwieweit dieses Isolieren der Einzelphänomene gerade bei lebender Sprache, die ja gerade immer simultan ein Geschehen auf mehreren Ebenen, in mehreren Dimensionen ist und die ohne die gleichzeitige Mehrdimensionalität eben nicht mehr lebendig ist, zu fragwürdigen Ergebnissen führt, habe ich in BLEYHL (2004) aufzuzeigen versucht. Die fatale Folge der didaktisch gut gemeinten, aber oft kontraproduktiven grammatischen Progression (BLEYHL 2005a) und der Reduzierung auf einen sprachlichen Aspekt mit der methodischen Konsequenz des PPP (presentpractise produce) kann sogar gerade ein Erschwernis, wenn nicht die Unmöglichkeit des Lernens zur Folge haben, da die notwendigen sozialen und intentionalen Bedingungen sprachlicher Kommunikation fehlen. 2. Für DESCARTES war der Mensch gespalten in die res extensa, seinen Körper, und in die res cogitans, den Geist. Diese Vorstellung liegt denn auch der ganzen Tradition im Fremdsprachenunterricht der Trennung zwischen Sprache / Geist einerseits und Körper andererseits zugrunde. Kommentar: Es ist die Tradition der "talking heads and dead bodies" (vgl. LEGUTKE/ THOMAS 1991). Heute noch ist es in der Praxis des Fremdsprachenunterricht keine Selbstverständlichkeit, dass „zum umfassenden Verständnis des menschlichen Geistes [und damit auch der Sprache, W.B.], eine organische Perspektive erforderlich ist, dass der Geist nicht nur aus einem körperlosen cogitum in das Reich von Körpergeweben verlegt, sondern auch zu einem ganzen Organismus in Beziehung gesetzt werden muss, der aus den vielfältig miteinander verflochtenen Teilen des Körpers im eigenen Sinn und des Gehirns besteht und der mit einer physischen und sozialen Umwelt interagiert" (DAMASIO 1997: 333). 3. Es muss noch der Aspekt Rolle des Bewusstseins beim Sprachenlernen angesprochen werden. Für DESCARTES war das Denken des Menschen, die Kognition, etwas Bewusstes. Alles Lernen war für ihn bewusstes Lernen. In diesem Denken fordert Lernen auch im Fremdsprachenunterricht Bewusstmachung. lFLUJJL 34 (2005) 50 Werner Bleyhl Kommentar: Auch diese Tradition ist in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts immer noch sehr lebendig (vgl. die Behandlung der Grammatik bis zur Betonung der 'language awareness'). Dabei erlebt jeder Lehrer mindestens einmal in jeder Stunde, dass ein Schüler einen Verstoß gegen eine Regel begeht, die er weiß, die dessen sicheres deklaratives Wissen ist und die er auch bewusst weiß, wie etwa, dass im Englischen im simple present die Form der 3. Person Singular die Endung -s bekommt. Dank der Unterrichtsforschung (etwa HECHT/ GREEN 1992) ist hinreichend bekannt, dass wir zwischen deklarativem und impliziten Wissen Korrelationen feststellen können, wie wir nur wollen. Wir wissen dank der neueren Kognitions- und Neurowissenschaften, dass unser Bewusstsein nur ca. 40 bis 60 bits 3 pro Sekunde verarbeiten kann. Wir wissen auch, dass unser kognitiver Apparat im Gehirn schon beim Anblick eines Bildes mehrere tausend bits pro Sekunde zu verarbeiten hat. Wenn auch die Sprachwissenschaft die zig-tausend bits, die bei sprachlichem Handeln, analytisch mit großen Zeit-, Kraft- und Papieraufwand ans Licht heben kann (ohne den Anspruch, damit alle zu erfassen), kann die Verarbeitung und Realisation im Leben (online) zum Großteil nur unbewusst erfolgen. Es bedarf hierzu interner, kulturell erworbener Kompetenzen, also solche, die sich im Sprachbenutzer historisch, evolutionär entwickeln müssen. Ob die einem Sprecher jeweils bewusste Theorie die für sein jeweilige Handeln die entscheidende ist, muss dahingestellt bleiben. (Die Selbsttäuschung ist nicht aus Zufall ein Ur-Thema der Literatur.) Auf die inzwischen unbestrittene parallele Arbeitsweise unseres Gehirn kann hier nicht eingegangen werden. Nur soviel: Manche wähnen sich schon sehr fortschrittlich, wenn sie auf die beiden Hemisphären unseres Großhirns zu sprechen kommen und betonen, die eine sei für die Analyse, die andere für Emotionen zuständig, die eine für Sprache, die andere für die nonverbalen Fertigkeiten. Hier soll nur verwiesen werden auf die führende britische Neurowissenschaftlerin SUSAN GREENFIELD. Sie fasst mit aller gebotenen Vorsicht die hier relevanten Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen: "Rather, the findings suggest that the difference between the left and the right hemisphere is one of degree rather than of absolute distinction. [...] The result ( of a great deal of research) is that our two hemispheres enable us to see the world at more than one level, to see detail and the bigger picture at once" (GREENFIELD 2000: 168). D.h. das menschliche Gehirn kann mehr leisten, als ihm die naive auf dem Stand eines DESCARTES stehen gebliebene Didaktik zutraut. Es braucht allerdings Zeit, um die für ein erstrebtes Verhalten notwendigen mentalen Strukturen wachsen zu lassen. Inwieweit deklaratives Wissen ein sinnvolles Lernziel sein soll, kann hier nicht erörtert werden. 4 Sicher ist, dass es Zeit (und entsprechende Erfahrung) braucht, ehe der Geist sich seiner selbst bewusst wird, und dass auch für Sprache gilt, wie es HEGEL ausdrückte, dass das Kennen dem Erkennen vorausgehen muss. 5 - Bei allem Respekt für DESCARTES, seine Irrtümer (vgl. Dabei sei mit BATESON (1981) ein bit als ein Unterschied definiert, der einen Unterschied macht. 4 Auf die Argumente gegen den kognitivistischen Ansatz von KARMILOFF-SMITH sei aufTOMASELLO (2002: 226-229) verwiesen. 5 In der Deutschdidaktik ist hier schon mehr Einsicht über die Begrenztheit des Sprachwissens für das Sprachkönnen zu finden. SPITTA (2003: 180) etwa betont, es sei nun für viele Lehrer Zeit, sich von der Meinung lFLlllll 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 51 DAMASIO 1995) brauchen den Fremdsprachenunterricht von heute nicht mehr zu belasten. Denn, im Umgang mit Sprache, "eine symbolisch verkörperte Institution, die sich zuvor aus sozio-kommunikativen Tätigkeiten entwickelte" (TOMASELLO 2002: 114), sind weit mehr als 40 bis 60 bits pro Sekunde zu verarbeiten. Sich der verschiedenen Dimensionen von Sprache bewusst zu bedienen oder auch nur bewusst wahrzunehmen, ist völlig unmöglich. 6 Unser Bewusstsein kann schließlich jeweils nur einen Aspekt fokussieren. Das mit den Sachverhalten vertraute Gehirn 'verrechnet' alles, was ihm wichtig scheint, selbstorganisatorisch (vgl. BLEYHL 1997). Je mehr jedoch das Bewusstsein bemüht wird, desto größer wird die Gefahr der, wie es RINV0LUCRI EARL STEVICK aufgreifend, genannt hat, der "linguistic semi-strangulation", der '"lathophobic aphasia' or inability to speak due to fear of making mistakes" (1997). Ehe später noch auf die Entwicklung der grammatischen Strukturen im Lerner eingegangen wird, sei in diesem Rahmen hier nur kurz darauf verwiesen, dass normalerweise wegen seiner beschränkten Reichweite unser Bewusstsein mit den Inhalten, die wir sprachlich fassen wollen, hinreichend beschäftigt ist. Nun will 'kommunikativer Fremdsprachenunterricht' ja gerade die Inhalte ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen, die Schüler das lehren und üben lassen, was sie später benötigen, nämlich die Sprache als Mittel der Verständigung zu gebrauchen. Die Lehrer betonen dies auch. Sie sind jedoch wie ihr Korrekturverhalten zeigt oftmals primär an der Sprachform oder anderen als von ihnen angegebenen Aspekten interessiert, wie es WULF in folgendem Splitter eines Schüler-Lehrer-Dialogs prägnant fasste: "[...] and they they died.- Very good." Selbst der gutmeinendste Lehrer wird oft unbewusst von seinem Primärinteresse 'Sprachform' verführt. Er ist Sklave seiner 'tunnel vision' auf sprachliche Korrektheit, schließlich gilt es den der grammatischen Progression verpflichteten Lehrplan zu erfüllen. Und diese innere Unaufrichtigkeit, dass der Lehrer Inhalt sagt und Form meint, wie sein Verhalten offenbart, merken die Schüler wohl, nicht aber die Lehrer. Hier verstößt ein Unterricht, wie sehr er sich auch kommunikativ gibt, gegen den ethischen Grundsatzes des "eo-operative principle of conversation" (GRICE). Die Schüler spüren die "phoniness" der Erwachsenen. Ist es dann ein Wunder, dass Schüler spätestens ab der Pubertät den Fremdsprachenunterricht bei der 2. Fremdsprache mehr als bei der 1., in der man früher sicherer istals eine Einrichtung der Verlogenheit ablehnen? bzw. der Hoffnung zu verabschieden, dass Sprachwissen, Wissen über Sprache, sich positiv auf die Sprachproduktion auswirke. Und INGENDAHL nennt unter den schwärzesten Einsichten aus der Tragödie des Grammatikunterrichts, die oftmals einer schulischen „Realsatire" gleiche, etwa, dass alle Fragen dort „handlungsirrelevant" seien oder dass „die selbstgeschaffenen Probleme zu diskutieren der einzige Sinn und Zweck der Grammatik-Konstruktion" sei (INGENDAHL 1999: 8). - Für die Kognitionsforscherin STERN ist als Ergebnis ihrer Forschungen klar: Wissen über Wissen, Metakognition ist sekundär (vgl. STERN 2002), und grammatische Begriffsbildung hat erlebte und verinnerlichte Erfahrung mit der Sprache als Voraussetzung. 6 Vgl. SCHULZ VON THUN, der die Kommunikationsmodelle B ÜHLERs und W ATZLAWICKs in seiner Kommunikationspsychologie kombinierte und aufzeigte, wie in jeder Nachricht mindestens simultan vier Nachrichten enthalten sind: neben dem Sachinhalt eben noch der Appell, die Selbstoffenbarung und die Implikationen über die Beziehungen der kommunizierenden Personen (SCHULZ VON THUN 1. Aufl. 1988; 41. Aufl. 2005). lFlLllllL 34 (2005) 52 Werner Bleyhl (c) Ein Ur-Vorbild allen Unterrichtens, so verwässert der Gedanke über die Jahrtausende auch wurde, ist die zur Weisheit führende Dialogtechnik eines SOKRATES, wie PLATON sie uns überlieferte. Hierin liegt die Berechtigung für das unterrichts-typische Frage-Antwort-Spiel des Lehrers, über das KAHL (2004) urteilt: "Das Gespräch im sogenannten 'fragend entwickelnden Unterricht' ist ein Pseudogespräch". Kommentar: Über dieses Erbe ist zumindest zweierlei zu bemerken. 1. PLATON ging davon aus, dass alles Wissen dem Menschen angeboren sei, weshalb der wahre Lehrer, wie SOKRATES, nur die Hebammenkunst anzuwenden habe, um das im Menschen schlummernde Wissen mäeutisch, mit Hebammengeschick, ins Bewusstsein zu heben. - Bei aller Anerkennung der angeborenen Disposition für Sprache beim Menschen, Sprache ist nicht genetisch gegeben. Indirekt hat dieser Ansatz im 20. Jahrhundert jedoch einen gewissen Auftrieb erhalten, insofern als CHOMSKYs Idee der dem Menschen angeborenen 'Universalgrammatik' diesen platonischen Vorstellungen so fern nicht ist. Abgesehen davon, dass keine Berichte über die im Fremdsprachenunterricht wirksam sich erweisende angeborene Universalgrammatik vorliegen, ergab die linguistische Forschung der nicht-europäischen Sprachen, dass die Idee der Universalgrammatik ein Mythos ist. "No single formal grammar would be adequate to account for the acquisition process in all ofthe world's many thousands oflanguages" (SLOBIN 1973, in: TOMASEL- LO 2005: 4). Natürliche Sprachen sind eben kein Satz abstrakter algebraischen Regeln, die, unempfindlich für Bedeutungen, sich algorithmisch kombinieren lassen und nur ein Lexikon aufweisen, das die Bedeutungselemente enthält. Der Stand seiner Spracherwerbsforschungen zusammenfassend betont TOMASELLO, dass wir stattdessen von einem einzigen Spracherwerbsprozess ausgehen können, bei dem der Lerner abstrakte Kategorien und Schemata auf Grund seiner konkreten Spracherfahrung konstruiert und dabei mit den Informationseinheiten beginnt, die er eben verarbeiten und kategorisieren kann. Die entscheidenden kognitiven Prozesse sind dabei das Deuten der Sprechabsichten und das Herausfinden der allgemeinen Muster, d.h. die psychologische Dimension ist für einen Lernerfolg bzw. für das Verstehen dieser Lernprozesse unverzichtbar. Sprachkönnen des einzelnen ist das Ergebnis eines komplexen Prozesses der Soziogenese. - Als 2. ist zu bemerken, - und dies impliziert die Hebammenleistung allemal -, dass mehr als ein halbes Jahr vor der Geburt bereits eine befruchtende Begegnung stattgefunden haben muss und dass eine Reifezeit möglichst ohne äußere Störungen gegeben war, soll die Geburt ein freudiges Ereignis werden. Mit ein Qualitätsausweis einer guten Hebamme ist schließlich, dass sie den rechten Zeitpunkt für ihre Hilfestellung erkennt. Ein Input- Output-Denken ist auch im geistigen Bereich schädlich, wenn nicht tödlich. (d) Ein Erbe des reduktionistischen Vorgehens von DESCARTES ist auch, dass etwa FERDINAND DE SAUSSURE und seine Gefolgsleute mit der deskriptiven, analytischen Aufspaltung eines 'Wortes' in signifiant (Symbol) und signifie (Referent) zufrieden waren. Die Ineffektivität des Wörterlernens im Fremdsprachenunterricht (bzw. als individuelle häusliche Tätigkeit) auf dieser Basis ist notorisch. Kommentar: Für das Sprachenlernen ist diese eingeschränkte Sichtweise der strukturalistischen Linguistik völlig unangemessen: theoretisch ist schließlich jede sprachliche RlllL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 53 Referenz ein sozialer Akt. Empirisch kann sprachliche Referenz, die jeweils eine momentan relevante Auswahl aus dem Weltgeschehen ist, immer nur in einem Kontext sozialer Interaktion verstanden werden (vgl. T0MASELL0 2002). Im natürlichen Sprachenlernen ist eine solche soziale Einbettung immer gegeben, und entsprechend leichter werden die Wörter behalten bzw. stellen sich in entsprechenden Sozialsituationen auch viel schneller wieder im Gedächtnis ein. - Erinnert sei an die unvergleichlich höhere Effektivität im Fremdsprachenunterricht mit TPR. Das methodische Vorgehen mit der Technik des TPR basiert auf der kreisenden Evokation eines Ensembles von Intentionen und in deren Folge von mentalen Begriffen, die sprachlich benannt werden: die Wirkung von Symbolen in der sozialen Interaktion wird im Raum erlebbar. So entsteht eine gemeinschaftliche Gruppe derer, die die Symbole verstehen und gebrauchen, es entsteht eine Sozialpartnerschaft, in der der Lehrer steuert, genau wie die Lerner über ihr Zögern, ihr Verhalten den Lehrer steuern. Beide erleben, dass die genaue gegenseitige Beachtung erfolgreich ist; alle erleben, dass ihr Vertrauen in den anderen nicht enttäuscht wird, und alle gewinnen so auch Selbstvertrauen. In diesem körperlich-sozialen Zusammenspiel organisiert und verinnerlicht der Lerner weitgehend unbewusst7 -, das kulturelle Symbolsystem der zunächst noch fremden Sprache. Reduktionistisches, formalistisches Denken hat im Bereich Sprache nur dort seine Berechtigung, wo von vorne•herein nur Aussagen zu Teilbereichen getroffen werden sollen. Das reduktionistische Weltverständnis neigt zum Positivismus, der sich im Fremdsprachenunterricht in der Vorstellung findet, man könne eine sprachliche Äußerung 'objektiv' beurteilen. Kommentar: Selbst im naturwissenschaftlichen Denken ist diese Vorstellung lange überwunden. 'Objektivismus' im strengen Sinne ist dort eine indiskutable Position geworden, genau wie in der modernen Philosophie. Wissenschaft bildet Wirklichkeit nicht ab, sie konstruiert sie. Sprache bildet Wirklichkeit genauso wenig ab, sie gliedert und konstruiert Wirklichkeit und zwar im sozialen Miteinander mit den kulturell evolutionär gewordenen Mitteln. Ihr Funktion ist, die Aufmerksamkeit anderer zu beeinflussen. Die jeweils vom Sprecher eingenommene Perspektive, seine Einschätzung der Kommunikationssituation etc. bestimmt die Wahl seiner Sprachmittel. (Das ist ein Fakt, der in der gegenwärtig im Schulischen ablaufenden Evaluationsdiskussion überhaupt nicht hinreichend beachtet zu werden scheint, zeigt allerdings einmal mehr die geistige Retardation im wissenschaftlichen Denken in der Fachdidaktik bzw. der Sprachlehr- und -lernforschung, wo die Problematik der 'Wahr'-'nehmung' und der Perspektive nie hinreichend bedacht wurde.) 7 Die Traditionalisten haben damit große Schwierigkeiten. Sie hängen immer noch am antiken Menschenbild vom Menschen als einem animal rationale, einem „mit Vernunft begabten Lebewesen". Sie haben oftmals noch nicht einmal KANT rezipiert, für den der Mensch ein „zur Vernunftfähiges Lebewesen" ist, d.h. dass gewisse Voraussetzungen für Vernunft (und Kultur) gegeben sein müssen. Sie haben erst recht nicht FREUDs Kränkung der Menschheit akzeptiert, wonach der Mensch wegen der Macht des Unbewussten nicht einmal „Herr im eigenen Hause ist". lFLIIIL 34 (2005) 54 Werner Bleyhl 4. Inwieweit ist der Erwerb einer Fremdsprache durch Unterricht steuerbar? Diese Frage pflegt sich der Fremdsprachenlehrer im allgemeinen gar nicht zu stellen. Er geht einfach von der Gegebenheit aus. Und übt man etwa eine Struktur auch lange genug im Unterricht, so schneiden die Schüler in einer diese Struktur alsbald überprüfenden Klassenarbeit auch gar nicht so schlecht ab. Das Problem ist nur, nach ein paar Wochen scheint bei zu vielen Schülern dieses Gelernte einfach nicht m6hr vorhanden. Das ist im Mathematikunterricht oder anderen Schulfächern genau so. Nur, immer wieder diese leidige Erfahrung machen zu müssen, strapaziert mit den Jahren die Nerven der Lehrer. (Von den Schülern soll hier gar nicht die Rede sein.) Inzwischen gibt es jedoch groß angelegte empirische Untersuchungen des Fremdsprachenunterrichts. Würden die Lehrer die vorgelegten Ergebnisse zur Kenntnis nehmen, müsste es ihnen eigentlich wie Schuppen von den Augen fallen: 1. "Der Erwerb der[ ...] Grammatik unter gesteuerten Bedingungen verläuft anders, als üblicherweise in der Fremdsprachendidaktik angenommen. [...] Der Grammatikerwerb unterliegt internen Gesetzmäßigkeiten, die durch den Unterricht nicht kurzgeschlossen und nicht geändert werden können. Der Weg über Erwerbsstrategien ist unvermeidlich; lernersprachliche Abweichungen sind konstituierender Bestandteil des Erwerbsprozesses. 2. (D)er Erwerb (erfolgt) in einer festen Abfolge von Phasen[...] 3. In keinem der (untersuchten) Bereiche verläuft der Erwerb parallel zum schulischen Grammatikprogramm[... ]." (DIEHL 2000: 359 f.). Die Daten dieser Untersuchung zeigten zudem, "dass schulischer Unterricht Fossilisierungen [...] geradezu verursachen kann, und zwar dann, wenn sich eine Schüler oder eine Schülerin vom Rhythmus der schulischen Grammatikprogression überrollt fühlt" (ib.: 375). Das Fazit lautet: "Implizite Lernmechanismen sind bei der Bewältigung komplexer Aufgaben (wie zum Beispiel Spracherwerb) effektiver als explizite" (ib.: 377). Das schon seit den 70er Jahren an kleineren Studien gewonnene und nun in einer breiten und langfristig angelegten Studie bestätigte Ergebnis besagt, dass schulischer Fremdsprachenunterricht die natürlichen Erwerbssequenzen nicht verändern kann (W ODE 1974; 1981), dass bezüglich der Abfolge der sprachlichen Entwicklung in den Lehrplänen stehen kann, was will (verwiesen sei auf die eingangs zitierten Beispiele von HUFEISEN). Die intern sich entwickelnde Reihenfolge ist allemal stärker. Es lohnt also, die Aufmerksamkeit auf diese Sequenzen zu lenken. Und diese Sequenzen wurden für das Deutsche (DIEHL 2000: 364) und das Englische (vgl. auch PELTZER- KARPF/ ZANGL 1998) erstellt. Die Reihenfolge PIENEMANNs (1998; 2004), der sich seit Jahrzehnten mit diesen Fragen beschäftigt, sieht folgendermaßen aus: JFLUJL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 2 3 4 5 6 Words Formulae S neg V(O) svo SVO-Question -ed -ing Plural -s (Noun) Poss -s (Noun) Do-SV(O)-? Aux SV(O)-? Wh-SV(O)-? Adverb-First Poss (Pronoun) Object (Pronoun) Copula S (x) Wh-copula S (x) V-particle Neg/ Aux-2 nd -? Aux 2nd-? 3sg-s Cancel Aux-2 nd Hello, Five Dock, Central How are you? Where is X? What's your name? Me no live here./ I don't live here. Me live here. You live here? John played. Jane going. I like cats. Pat 's cat is fat. Do he live here? Can I go home? Where she went? What you want? Today he stay here. I show you my garden. Mary called him. / s she at home? Where is she? Tumit offi Why didn't you teil me? Why can't she come? Why did she eat that? What will you do? Peter likes bananas. I wonder what he wants. (Acquisition sequence in English according to PIENEMANN's "Processability Theory", rearranged, aus: LENZING 2004: 37) 55 In aller Deutlichkeit muss betont werden, dass sich aus einer solchen Reihenfolge kein Curriculum, kein Lehrplan, keine grammatische Progression eines Sprachunterrichts ableiten lässt. Genau wie der Lerner die Erfahrung des Bedeutungskontrastes beim Erlernen der sich oftmals wechselseitig definierenden Wörter braucht, braucht der Lerner die Erfahrung der verschiedenen Strukturen. Denn erst im Kontrast zu einander, in der Erfahrung ihrer Opposition, lässt sich die Leistung einer bestimmten grammatischen Erscheinung erkennen und erwerben. Eine Progression im Gänsemarsch erlaubt diese Kontrasterfahrungen nicht und erschwert das Lernen der Spezifik der Leistungen jener Spracherscheinungen. Eine zu fürsorgliche Simplifizierung führt zudem oft zur Trivialisierung und wirkt dann kontraproduktiv, wie mancher Unterricht, viele Bilderbücher und etwa 'Bearbeitungen' von Märchen zeigen, die wegen zu großer sprachlicher Banalität langweilen und das Lesen verleiten. Jeder Lerner, der vom Inhalt angesprochen ist, holt sich aus dem sprachlichen Angebot, was er jeweils versteht und braucht; Weltwissen, inhaltliches Interesse und die nonverbalen Kommunikationskanäle bieten vielfältige Dekodierungshilfen. lFLllllL 34 (2005) 56 Werner Bleyhl Erkennt der Fremdsprachenlehrer, dass jeder Lerner diese Sequenz nach seinem Tempo und entsprechend der Intensität seiner mental verarbeiteten Sprache erwirbt, so gewinnt er - und der Unterricht gewaltige Freiheitsgrade. Hinzu kommt - und darüber besteht in der neueren Linguistik Konsens-, dass der Erwerb der Grammatik "lexicon driven" ist, abhängig vom verinnerlichten Wortschatz des Lerners. Der Beginn des Erwerbs grammatischer Strukturen setzt ein ab einem Wortschatz von 400 bis 500 lexikalischen Einheiten (MARCHMAN/ BATES 1994). Damit ergibt sich, dass Sprachenlernen nicht durch das Pauken von Grammatikregeln und von Listen leerer Vokabelhülsen erreicht wird, sondern durch den Aufbau mentaler Begriffe, wie sie die jeweiligen Sprachgemeinschaften im Laufe ihrer Geschichte entwickelt haben, und dies in sozialen Situationen, bei denen Sprache das Verhalten der Beteiligten koordiniert. 4.1 Focus on form Manche Fremdsprachendidaktiker wollen den alten Fremdsprachenunterricht retten, indem sie auf die Bedeutung des deklarativen Wissens als Königsweg des institutionalisierten Fremdsprachenlernens bestehen. Gerade in einer empirischen Studie, in der die Bedeutung vonfocus onform untersucht werden sollte, kommt jedoch Jessica WILLIAMS zu dem Schluss: Finally, it is evident that leamers at all levels are more concemed with sorting out lexical meaning than grammatical form, though, as they become more proficient, they are increasingly willing and/ or able to address more grammatical issues on their own. Teachers cannot expect learners to consistently ferret out and notice morphosyntactic features. Learners seem to be very good at working on some aspects of their language development independently, but the responsibility for calling learner attention to other aspects appears to remain with the teacher, especially at the early stages of acquisition" (WILLIAMS 2001: 341). Es bleibt also dabei, erst kommt Inhalt (sprich Lexik), dann das Interesse für Form; erst das Kennen, dann das Erkennen. Und ein Empfinden der Lehrperson dafür, was ihre Schüler brauchen und was sie voranbringt, ist Teil ihrer Professionalität. Das· Pferd am Schwanz aufzuzäumen, wie es oft genug im traditionellen Unterricht geschah, bedeutet 'Eile mit Weile', wenn nicht Verlust der Motivation. Natürlich war es immer ein Traum, dass Lehren und Lernen in einem Verhältnis von 1: 1 stehen. Gleichfalls ein Traum ist die Annahme, Sprachrezeptionsfähigkeit und Sprachproduktionsfähigkeit verhalte sich im Verhältnis 1: l. Eine Isolierung von Fachwissen, eine Verneinung des immer gegebenen Involviertseins von Emotion bei kognitiven Prozessen und sprachlichem Geschehen muss unfruchtbar bleiben. Ein Lernen isolierter Einzelinformationen, wozu der reine Sprach- oder Grammatikunterricht über die Jahrhunderte verführen konnte, ist für das Leben unsinnig und wird deswegen von Lernern möglichst gemieden oder zu umgehen versucht. Es ist auch kein Zufall, dass fast jeder der deutschen Literaturnobelpreisträger, von HERMANN HESSE zu THOMAS MANN oder GÜNTER GRASS sich recht negativ über die Lehrer geäußert hat, just weil sie die Urbedürfnisse nicht zuletzt kreativer Schüler so oft missachtet haben. Der fremdsprachliche Unterricht hatte damit lange genug nur zu Ergebnissen geführt, die schulintern bzw. für die Schullaufbahn lFLlllL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 57 wichtig waren. Auch heute steht er nicht außerhalb der literarischen Kritik, die von EUGENE IüNESCOs schon angegrautem Spott in La ler: ; : on bis zu LORIOTs Die Jodelschule reicht. Auf einen derartigen Unterricht trifft dann das vernichtende Urteil des Pädagogen HERRMANN zu, wenn er sagt: "Der übliche Schulunterricht missachtet alle elementaren Prinzipien des natürlichen erfolgreichen Lernens, er ist die organisierte Wirkungslosigkeit" (HERRMANN 2005). 5. Lernen - und Sprachenlernen aus biologischer und psychologischer Sicht Biologisch gesehen bilden Neugier, Spiel und Lernen ein charakteristisches Bündel. Damit diese Verhaltenssysteme aktiviert werden, bedürfen sie allerdings der Voraussetzung eines 'entspannten Feldes', das Anregung wie Sicherheit bietet. Ohne das Vorhandensein von Anregung, ohne soziale Interaktion, ohne eine anregungsreiche Umgebung, die eben nicht monoton, in ihrer Strukturiertheit eben nicht sofort durchschaubar ist, kann sich auch keine Intelligenz entwickeln, ob sie genetisch angelegt ist oder nicht. 8 Der Reichtum an Anregung ist dabei oftmals an Sozialpartnerschaft gebunden, bei der wieder ineinander fließend und nicht zu trennen gleichzeitig ein Maß an (emotionaler wie körperlicher) Sicherheit gegeben sein muss. Alle Säugetierjungen lernen am besten im Spiel, jenem "training for the unexpected" (SPINKA [et al.] 2001), wo sie zum einen sich in anregungsreichen Umgebungen befinden und wo sie sich zum zweiten emotional sicher fühlen. Dies sagt uns die Verhaltensforschung wie auch die Gehirnforschung, und die Neurobiologie sagt uns auch noch ein Stück, welche chemischen Reaktionen in welchen Gehirnarealen bzw. Neuronenensembles dabei ablaufen. 9 Trotzdem gibt es natürlich große individuelle Unterschiede in der Lerngeschwindigkeit und in der Höhe des letztlich erreichten Niveaus. Tiere, die in reichstrukturierter Umwelt aufgewachsen sind, machten später weniger Fehler bei Problemlösungsaufgaben und erwiesen sich unbekannten Situationen und Auch hier bedarf es eigentlich bei jedem Schritt, bei jeder Erfahrung des Zusammenspiels von Sinnlichkeit und Denken, wie es KANT ausführlich dargelegt hat (vgl. BLEYHL 2004). Genau so ist die Philosophie heute der Meinung, herausgefordert von engen Interpretationen neurobiologischer Erkenntnisse, dass das Zusammenspiel von Leib und Seele (KATHER 2004), und damit die sinnlichen Qualitäten, das Verhältnis des Menschen zur Umwelt bestimmen. 9 Der im Jahr 2000 mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnete Eric KANDEL etwa konnte aufzeigen, wie sich das Gedächtnis auf der Ebene des Gehirns als die Leistung eines sich laufend ändernden Netzwerkes darstellt. (Das Bild des Abspeichern von einzelnen Informationen ist unangemessen.) Das Kurzzeitgedächtnis nutzt bestehende Neuronenverbindungen, das Langzeitgedächtnis bedarf der Aktivierung von Genen, die die Vergrößerung bestehender und die Herausbildung zusätzlicher Synapsen bewirken. Proteine und Botenstoffe spielen bei der Überführung der Inhalte von Kurzzeitins Langzeitgedächtnis eine Rolle. Die wesentliche Nachricht für den Sprachlehrer besteht aber darin, dass es die Bedeutung ist, die für das Gehirn die Wirkung eines Filters für die Überführung ins Langzeitgedächtnis übernimmt. Die Leistung des Gehirns beruht zudem nicht nur im Zusammenspiel der einzelnen Neuronen und Neuronenensembles, auch innerhalb der einzelnen Zelle findet eine hochkomplexe Interaktion statt. lFJL! lllL 34 (2005) 58 Werner Bleyhl gegenüber neuen Objekten explorationsfreudiger. Verglichen mit in einförmigen Umgebung oder in ständiger Bedrohung aufgewachsenen Tieren korrespondierten die Unterschiede im Verhalten auch morphometrischen, neuroanatomischen und neurochemischen Unterschieden im Zentralnervensystem. Die in reicher Umgebung Aufgewachsenen wiesen einen größeren Cortex auf, eine stärkere Verzweigung der Dentriten und eine höhere Anzahl von Synapsen in den relevanten Hirnpartien. Ihr reicheres, lernerfahreneres und gebildeteres Gehirn erlaubt ihnen, mehr Informationen aus ihrer Umwelt zu verarbeiten und zu speichern. Der Trick der Natur, weshalb dieses einmal in Gang gekommene Neugierverhalten ein Selbstläufer wird, besteht darin, dass Neugier eine sich selbst belohnende Verhaltensaktivität darstellt und zwar dank der positiven Emotionen, die das Gehirn selbst erzeugt. - Hält man sich dieses alte Säugetiererbe vor Augen, so zeigt die Verwobenheit von Neugier, Spiel und Lernen aus neuro-, verhaltens- und evolutionsbiologischer Sicht sich ebenfalls als zur Natur des menschlichen Kindes gehörig. Sprache, auch im Unterricht, macht nur Sinn, - und dies ist ganz im Sinne des Volksschullehrers und jungen Philosophen LUDWIG WITTGENSTEIN wenn sie ihre Funktion erfüllt, die Tatsachen der Welt in der Sprache abzubilden. Sprachphilosophisch ist Sprache nun im Sinne des reiferen WITTGENSTEIN aber noch mehr. Sprache ist eine Vielfalt von Handlungen. In den verschiedensten sozialen, kulturellen, gemeinschaftlichen Situationen spielen wir jeweils das der Lebensform, das unserem Denken und Fühlen angemessene „Sprachspiel". Wir erwerben die Fähigkeit, es zu spielen, wir wachsen in es hinein, im gemeinschaftlichen Handeln. Und dieses Sprachspiel seinerseits hilft uns wiederum, die andern, und letztlich auch uns selbst, zu verstehen. Wir müssen erkennen, was SCHILLER 10 und auch HEGEL schon betonten: Erst über die andern können wir uns selbst verstehen 11, insofern ist unser Selbstverständnis wie unser Umgang mit der Welt, genau wie unsere Empfindungen, immer auch kulturell bestimmt. Wir sind als Menschen Kulturwesen, die man nur vor dem Hintergrund ihrer Sprach- und Kulturgemeinschaft verstehen kann. Der kognitivistische, traditionelle informationstheoretische Denkansatz dagegen sieht den Menschen als rationalen Informationsverarbeiter. Er missachtet die biologischen Gegebenheiten und wirkt psychologisch kontraproduktiv: Der Lehrer erklärt die Regeln; der kognitive Apparat des Schülers setzt sie um; die Sache wird gelernt. Dieser Ansatz verkennt alle Gesetze der Psychologie wie des Spracherwerbs, genau wie auch die Komplexität der Sprache. Dieser Ansatz ist jedoch insofern erfolgreich, als der über Spracherwerb unaufgeklärte Lehrer dank seiner Technik der doppelten psychologischen Mausefalle mit seinem Kleinmut sich selbst samt seine kleinmütig gemachten Schülern fängt. Dies geschieht folgendermaßen: Macht ein Fremdsprachenschüler einen sprachlichen Fehler, 'bewertet' der Lehrer seinem Selbstverständnis gemäß diese Äußerung. Diese Wertung erfolgt unwillkürlich und ist, so sie nicht zu einer verbalen Reaktion führt, 10 Musenalmanach 1797. 11 Insofern ist Fremdsprachenlernen als solches in sich schon der hermeneutische Weg des interkulturellen Lernens (vgl. BLEYHL 1989, 1994). lFLILIL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 59 an den nonverbalen Reaktionen von dem Sprachlerner, der mit einer Äußerung für einen Augenblick seinen Kopf aus seinem Schildkrötenpanzer herausgestreckt hatte und sensibel auf den Erfolg seiner Risikobereitschaft wartet, meist deutlich ablesbar. Bemerkt der Schüler die (negative) Wertung, muss er sie als 'Abwertung' seiner Leistung und seiner Person verstehen. Dadurch dass der Schüler einen Fehler gemacht hat, wurde er schuldig. Und wer schuldig ist, verdient Strafe, verdient zu leiden. Also muss ich, als Lehrer, den Schüler leiden lassen. Es 'muss', gemäß diesem althergebrachten Menschenbild, eine Beeinträchtigung der Würde des Individuums erfolgen, denn Leiden will der Mensch ja vermeiden, folglich wird er künftig diesen Fehler, sprich die Nichtberücksichtigung der besagten kognitiv und verbal fassbaren Regel, vermeiden. (Immer wird unterstellt, der Mensch würde beim Sprechen 12 oder Schreiben bewusst Sprachregeln anwenden, bzw. die Benutzung von Sprache sei ein kognitiv bewusst zu steuernder Mechanismus.) Kurz, durch die oftmals subtilen und dem Bewusstsein der Interagierenden meist überhaupt nicht bewussten Kränkungen wird die Würde des Lernenden beeinträchtigt, und der Wunsch solchen Kränkungen sich künftig zu entziehen, etwa dass man das Lernen dieser Sprache aufgibt oder (wenn man in der Schule das Fach nicht abwählen kann) die Person des Lehrers als widerlich und emotional nicht mehr satisfaktionsfähig einstuft. Das Stellen dieser „Mausefalle" ist übrigens der Hauptunterschied zwischen natürlichem Spracherwerb und Fremdsprachenunterricht. Die Sprachlernprozesse sind jeweils prinzipiell ähnlich (vgl. BLEYHL 2005a). Die psychologischen Bedingungen dafür jedoch nicht. Eine Mutter oder ein Vater reagiert bei seinem Kind dank einer „angeborenen Didaktik" (PAPOUSEK) nie in solcher Weise auf sprachformale Fehler. Eltern korrigieren allenfalls den Inhalt oder wiederholen die Passage sprachlich korrekt, indem sie ihr Kind zugleich emotional bestätigen. Der Förderaspekt dominiert über den Bewertungsaspekt, und Förderung findet statt, wenn die Selbstwirksamkeit vom Lerner erfahren wird. Bei Erfahrungen positiver Bestätigung der eigenen Risikobereitschaft jedoch floriert Lernen, floriert Motivation, floriert Leistung. Hier liegt volle Übereinstimmung vor in der neuen Kognitionswissenschaft, in der Schulforschung, Evolutionsbiologie, Verhaltens- oder Hirnforschung. Eine gewisse Spannung zwischen Sicherheit und Ungewissheit (völlige Angstfreiheit gibt es nicht), das Erfahren und Akzeptieren der Herausforderung, ist der Ort für Kreativität. Und dies gilt für jedes Lebensalter. Es wäre schon ein großer Schritt nach vorn, wenn Lehrer wie Eltern mehr Langmut aufbrächten, Lerneräußerungen beobachten, inhaltlich darauf reagieren und nicht gleich in Bezug auf sprachliche Form bewerten würden. Aber Lernen ist für Ältere, auch für Lehrer, schwieriger. Auch Umlernen ist für Ältere noch schwieriger. Doch wenn die Lehrer nicht erkennen, dass die Vorstellungen vom Sprachenlernen und die Denkstruktu- 12 In der traditionellen Fremdsprachendidaktik wird selten bedacht, dass Sprechen die komplizierteste feinmotorische Leistung ist, die der menschliche Organismus erbringt, gilt es schließlich das Zusammenwirken der ca. hundert verschiedenen Muskeln, die bei der Bildung nur einer Silbe involviert sind, auf genaues Funktionieren im Millisekundenbereich zu trimmen. Dass ein solches System stressanfällig sein muss, sollte einleuchten. ]F[,llll, 34 (2005) 60 Werner Bleyhl ren des sofortigen Bewertens, in denen wir alle aufgewachsen sind, uns als Lehrer letztlich daran hindern, gerade als Lehrer erfolgreich zu sein, wird es auch kein Ausbrechen aus dem Kreisverkehr des fremdsprachenunterrichtlichen Misserfolgs geben. Denn überall dort, wo Lehrer beim Lehren einer Fremdsprache erfolgreich waren und sind, dominiert nie eine Fokussierung der Sprachform, dort dominiert eine Interesse an Sachen, an Menschen; dort herrscht eben eine Atmosphäre, die Lernern primär Vertrauen, Zutrauen statt Misstrauen, entgegenbringt, ihnen Gelegenheit gibt, ausgehend von ihren Bedürfnissen im Sprachlichen selbst reiche Erfahrungen machen zu können, genau wie beim Erstspracherwerb oder dem erfolgreichen Zweitsprachenerwerb. 6. Effektiver Spracherwerb in institutionalisiertem Rahmen Sprachenlernen, das nachhaltig ist, also Spracherwerb, der Erwerb von Sprachkönnen, nicht von Sprachwissen, erfolgt im Erfahren des Gebrauchs der betreffenden Sprache in der Welt, im sozialen Miteinander. Das haben schon KANT gesagt "lebende Sprachen lernt man am besten im Umgang") und auch WITTGENSTEIN. 13 All dies besagt: Die Erfahrung des Gebrauchs von Sprache im sozialen Miteinander, bei der sich der eine Gesprächspartner auf den anderen einstellt, also das GRJCE' sehe "cooperative principle" beachtet, ist einem Buchunterricht überlegen. 14 Die in einer Kultur erwachsenen sprachlichen Symbole sind nicht in einer „blutleeren" Situation vermittelbar bzw. lernbar. Auch das Erlernen einer Zweit- oder Fremdsprache besteht ja nicht darin, dass man ein sprachliches Zeichen durch ein anderes sprachliches Zeichen, eben dem einer anderen Sprachgemeinschaft, ersetzen lernt. Theoretisch ist sinnvolle Verwendung sprachlicher Zeichen, sprachliche Referenz, immer ein sozialer Akt, "bei dem eine Person versucht, die Aufmerksamkeit einer anderen Person auf etwas in der Welt zu fokussieren. Und wir müssen ebenfalls die empirische Tatsache anerkennen, dass sprachliche Referenz nur in einem Kontext sozialer Interaktionen verstanden werden kann" (T0MASELL0 2002: 117). Es sei an das weiter oben schon angeführte Verständnis von Sprache als „einer symbolisch verkörperten Institution" erinnert. Entscheidend ist die Einsicht, "dass sprachliche Symbole die unzähligen Weisen der intersubjektiven Auslegung der Welt verkörpern, die in einer Kultur über einen historischen Zeitraum hinweg akkumuliert wurden; und der Erwerb des konventionellen Gebrauchs dieser symbolischen Artefakte, und damit die Verinnerlichung dieser Auslegungen, verwandelt die Eigenart der kognitiven Repräsentationen von Kindern (und älteren Lernern einer Zweitsprache, W.B.) grundlegend" (TOMASELL0 2002: 116). Deswegen ist das Lernen einer weiteren Sprache ja intelligenzfördernd, es eröffnet weitere Sichtweisen auf Welt, neue Wege des Umgangs mit Zeitge- 13 „Um das Symbol am Zeichen zu erkennen, muss man auf den sinnvollen Gebrauch achten. [... ] Wird ein Zeichen nicht gebraucht, so ist es bedeutungslos. (Wenn sich alles so verhält als hätte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.)" (WITTGENSTEIN 1963: 28) 14 Sprachunterricht mittels elektronischer Medien muss u.a. auch dieses Kriterium bestehen. lFLuL 34 (2005) Die Defizite des traditionellen Fremdsprachenunterricht oder: ... 61 nassen bzw. dem Denken früherer Epochen. Sprachenlernen findet dort statt, wo sich der Lerner als Teil der sprachlich begleiteten sozialen Interaktion erlebt. Erinnert sei auch an die eingangs erwähnten Untersuchungen von KöLLER u.a. über die Überlegenheit des Erlernens einer Fremdsprache bei Erfahrungen authentischen Sprachgebrauchs. D.h. ein inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht (vgl. BLEYHL 2005c) ist geboten. Und Inhalte brauchen entsprechende Lexik. Wie die Praxis zeigt, wird unter schulischen Bedingungen Sprache am effektivsten dort gelernt, wo gemeinsam um Sachverhalte gerungen wird. Die Effektivität des sogenannten 'bilingualen Sachfachunterrichts' bzw. des Immersionsunterrichts (WODE 2004) ist kein Zufall. Doch wie bricht der Lerner die Masse der Lexik auf? Auch hier gibt es empirische Untersuchungen. KAUSCHKE (2000) etwa konnte aufzeigen, dass bei den ersten 50 Wörtern, die ein Kind lernt, die sozial-persönlichen Wörter absolut dominieren. Das heißt, der Lerner muss sich erst der Zuverlässigkeit der persönlichen Beziehungen zu den ihn umgebenden Experten sicher sein, ehe er sich weiter in die Welt hinaus wagen kann, um dann im sozialen Miteinander die kulturell gewachsenen Symbole der Welterfassung kennenzulernen und zu übernehmen. Fazit: Sprachenlernen ist ein bio-psycho-soziales Geschehen, bei der keine einseitige Determinierung gegeben ist. Eine Scheuklappenperspektive ist einem Verstehen der unendlich komplexen Prozesse nicht förderlich. Spracherwerb, auch im schulischen Rahmen, ist kulturelles Lernen, ist ein fortwährender Kreiselprozess des auf seinen Körper angewiesenen Lerners, bei dem sich dessen kulturelle Kompetenz zusammen mit seiner Kognition und seinem Sprachvermögen in der sozialen Interaktion in der Welt entwickelt. Laufend heißt es dabei, vielfältige Perspektiven auf ein und denselben wahrgenommenen Gegenstand einzunehmen. Verstehen ist dabei unabdingbar, wobei wir, schon wenn wir HUMBOLDT 15 ernst nehmen, täglich erfahren, dass wegen des Anteils der Subjektivität in allem Verstehen die soziale Interaktion als Korrektiv zum Aushandeln des Gemeinsamen und den daraus folgenden Verinnerlichungen notwendig ist. "Spracherwerb ist eine Schlüsselschauplatz, auf dem wir das komplexe Wechselspiel zwischen den individuellen und kulturellen Linien der kognitiven Entwicklung beobachten können, insofern Kinder [und die Lerner weiterer Sprachen, W.B.] einerseits für sich abstrakte Sprachkonstruktionen bilden, andererseits jedoch die konventionellen symbolischen Artefakte (Konstruktionen) einer Kultur verwenden, die sie in ihren gesellschaftlichen Gruppen vorfinden" (TOMASELLO 2002: 177). „Um den konventionellen Gebrauch eines Werkzeugs oder Symbols von anderen zu erlernen, müssen Kinder [und die Lerner weiterer Sprachen, W.B.] daher zu einem Verständnis dessen gelangen, wozu, d.h. zu welchem äußeren Zweck, der andere das Werkzeug oder Symbol verwendet; das bedeutet, sie müssen die intentionale Bedeutung [...] der symbolischen Praxis verstehen lernen, wozu sie 'gut' ist, was 'wir', die Benutzer dieses [...] Symbols, damit tun" (TOMASELLO 2002: 16). Die Erfahrung der Funktionalität von Sprache, des Sinns, gerade in der Kommunikation, ist beim Lernen einer Sprache 15 "[..•] alles Verstehen (ist) aus Objectivem und Subjectivem zusammengesetzt" (HUMBOLDT 1820/ 1994: 54). FLlllL 34 (2005) 62 Werner Bleyhl unverzichtbar. Und Sprache verstehen heißt, dass man meint, die Absichten des Sprechenden, des Schreibers zu erkennen. (Aus diesem Grund kann Sprache ebenfalls gelernt werden beim Beobachten von Dritten, die sich über für den Lerner durchschaubare Sachverhalte unterhalten.) Auch traditioneller Fremdsprachenunterricht war immer dort erfolgreich, wo der Lehrer fachlich qualifiziert war UND wo das Menschliche höher als das Formale behandelt wurde. Sprachenlernen ist erfolgreich dort, wo die Sprachentwicklung im Lerner als ein historischer, nicht willkürlich steuerbarer Prozess theoretisch und emotional akzeptiert und für reichhaltige Spracherfahrung gesorgt wird, und wo die Beteiligten zugleich erleben, wie sprachliche Mittel die mentale Aufmerksamkeit gegenseitig, im sozialen Miteinander, leiten können. Wenn sich in diesem historischen, evolutionären Prozess des Lernens einer Sprache einzelne Einfluss-'Faktoren' benennen lassen, dann sind es dieselben wie beim Erstspracherwerb, von dem wir wissen, dass jene Mütter, die mit ihren Kindern mehr gemeinsamen Beschäftigungen nachgehen und tendenziell den Aufmerksamkeitsfokus des Kindes sprachlich begleiten, Kinder haben, die ein höheres Sprachverständnis und später auch eine reichhaltigere Sprachproduktion aufweisen. Literatur BATESON, Gregory (1981): Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Frankfurt/ M.: Suhrkamp. 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Building on models developed by BENSON (1997) and OXFORD (2003), the author proposes a conceptual framework of learner autonomy for protecting the concept from narrow interpretations deprived of validity and relevance to language education. Thus, learner autonomy appears to refer to a concept of capacity, or rather a concept of autonomization, which (can) integrate(s) various interdependent perspectives depending on a given context, and which is based on a self-regulated relationship between the learner and the process and content of his or her learning. Furthermore, this article aims to suggest directions for future research. 0. Vorbemerkung Das Konzept der Lernerautonomie (hinfort LA.) ist zu einem Schlagwort im fremdsprachendidaktischen Diskurs der letzten Jahre geworden. Sein inflationärer Gebrauch, der mit positiven Konnotationen verbunden ist, birgt die Gefahr, dass LA. zu einem Modewort entleert wird (LITTLE 1991). Neuerdings entstehen Vorbehalte bezüglich der Angemessenheit des Begriffs (z.B. HERMES 2000; SCHLAK 2004; SCHMENK 2004). In einer Analyse zur Verbindung von Konstruktivismus und autonomem Lernen folgert SCHLAK (2004: 74), dass der Begriff mangels deutlicher Konturen für experimentelle Forschung wahrscheinlich überflüssig, er aber für die Lehrerbildung notwendig sei, "da er einen griffigen und nicht zuletzt modischen Ansatzpunkt bieten kann, um neue methodische Ideen zu bündeln und zu verbreiten". Derlei Vorbehalte lassen sich darauf zurückführen, dass im fachdidaktischen Diskurs eine umfassende (einheitliche) Begriffsbestimmung für das Konzept der LA. fehlt. Daher hat das Konzept viele Missverständnisse hervorgerufen und eine Reihe von Verengungen und Verkürzungen erfahren. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass LA. ein beachtliches Potenzial für die Erforschung von Lehr- und Lernprozessen bietet und eine wesentliche Komponente neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts darstellt. Der erste Teil soll einige Konzep- Korrespondenzadresse: Helene MARTINEZ, Lektorin für Französisch, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37ITT3 GÖTTINGEN. E-mail: MartinezHelene@oal.com Arbeitsbereiche: Didaktik des Französischen, Autonomes Lernen. FLlJllL 34 (2005) 66 Helene Martinez tualisierungen von LA. vorstellen, die dazu beitrugen, dass das Konzept eine gewisse Trivialisierung erfuhr. Anschließend stelle ich auf der Grundlage einer (Re-) Lektüre der Fachliteratur ein umfassendes Rahmenmodell dar, mit Hilfe dessen LA. genauer gefasst wird. Im letzten Teil gehe ich auf die Merkmale von LA. ein. 1. Konzeptualisierungen von Lemerautonomie: Zwischen Konstruktion und Rezeption Einerseits definiert der fremdsprachendidaktische Diskurs LA. übereinstimmend, und zwar insofern sich die meisten Definitionen auf HOLECs ursprüngliche Fassung (1980) beziehen und LA. grob als Fähigkeit des Lerners verstehen, die Verantwortung für seinen eigenen Fremdsprachenlernprozess zu übernehmen. Andererseits eröffnen derlei Definitionen große Spielräume (SCHMENK 2004: 68), was zu einem Verlust klarer begrifflicher Konturen führt. Paradoxerweise scheinen im deutschsprachigen Raum gerade die fachdidaktischen Beiträge, die dem Konzept Anerkennung verschafft haben 1, auch diejenigen zu sein, die zu seiner Schwächung zu führen drohen. Dies zeigt sich an zwei thematischen Verknüpfungen. Die erste steht in der Verbindung von LA. mit kognitionspsychologischen Ansätzen der Informationsverarbeitung 2 bzw. mit der (Lern-)Theorie des (Radikalen) Konstruktivismus 3 (vor allem WOLFF 1994, 1997b); die zweite in deren Verbindung mit den 'Lern(er)strategien' (u.a. BlMMEL/ RAMPILLON 2000; RAMPILLON 1994; KLEPPIN/ TÖNSHOFF 2000; RAMPILLON/ ZIMMERMANN 1997). Es handelt sich im Folgenden um keine umfassende Kritik der Vernetzung des Konzepts LA. mit einer konstruktivistischen Lerntheorie bzw. mit Lern(er)strategien, sondern um eine Kritik des theoretischen Konstrukts, vor allem um dessen verengende Rezeption, welche dem Konzept Gültigkeit und Relevanz für die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung entzieht (auch BENSON 1997; PALFREYMAN 2003a). Zum einen hat die sehr deutsche Diskussion um dem (Radikalen) Konstruktivismus und die „Instruktion vs. Konstruktion"-Debatte (BACH/ VIEBROCK 2002; RüSCHOFF/ WOLFF 1999; WENDT 2000, 2002; WOLFF 1997a, 2002b) zu einer starken Betonung des selbstreferentiellen kognitiven Subjekts geführt, das den von außen nur bedingt beeinflussbaren Prozess der Sprachaneignung und Sprachverarbeitung weitgehend selbst organisiert. 4 LA. wurde im Zuge dieser Diskussion verstärkt mit isoliertem (Fremd- Im deutschsprachigen Raum verstärkt sich die Diskussion um Lernerautonomie mit einem von Wolff herausgegebenen Heft von Die Neueren Sprachen (1993: 4) zum Thema Lernerautonomie und Konstruktivismus (vgl. WOLFF 1994). Für eine frühere Auseinandersetzung mit LA. siehe auch z.B. NEHMNOGEL (Hrsg.) 1986 und NEHM/ RAMPILLONNOGEL (Hrsg.) 1988. 2 Zur kritischen Auseinandersetzung mit der kognitionspsychologischen Computermetapher siehe ZOTZMANN (2004). 3 Zur entgegen gesetzten Position: u.a. REINFRIED (2002). 4 Zu einer aktuellen Positionsbestimmung von Wolff, siehe Wolff (2002b). lFL1.lllL 34 (2005) Lernerautonomie: ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht... 67 sprachen-)Lernen (ohne Lehrer; was z.B. BREDELLA stark kritisiert) in Verbindung gebracht und mit selbstgesteuertem Lernen gleichgesetzt. Obwohl dieses situativ begründete Autonomieverständnis zu kurz greift, um die Komplexität des Gegenstandes zu fassen, bleibt es relativ verbreitet: "Als wohl prominentestes Beispiel dafür kann der Gemeinsame europäische Referenzrahmen dienen, wo es heißt: 'Sobald [...] der formale, organisierte Unterricht endet, muss das weitere Lernen autonom, d.h. selbst gesteuert erfolgen' (EUROPARAT 2001: 40)" (SCHMENK 2004: 69). Zum anderen hat die Diskussion um 'Lern(er)strategien' zu einer Reduktion des Konzepts auf die Beherrschung einer Reihe von (guten) Lernstrategien, welche es im Fremdsprachenunterricht zu vermitteln gilt, als grundlegendes Prinzip autonomen Lernverhaltens geführt. 5 Allgemein wurde angenommen, dass optimal eingesetzte Strategien erfolgreiches Lernen bewirken und gute Lerner auch autonome Lerner seien (NAIMAN [et al.] 1978; RUBIN 1975; STERN 1975; WENDEN/ RUBIN 1987). Ein entsprechendes Lernertraining6 bestand dann darin, die Lerner mit einem Strategienrepertoire und mit Strategienwissen auszurüsten (WENDEN 1991; RAMPILLON 1994). Dies führte zu einem eher technizistischen Verständnis von Lernstrategien und deren Vermittlung bzw. von learner training, welches "inevitably involves an implicit moulding of the learner to approved patterns ofbehaviour" (BENSON 1995: 2; auch PALFREYMAN 2003a: 245). Eine solche technizistische Engführung des Begriffs liegt leider auch dem Konzept der 'Methodenkompetenz' bei den hiesigen Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den mittleren Bildungsabschluss zugrunde. Aber auch die jüngste Rezeption des Konzepts ist nicht unproblematisch. Kritische Stimmen gegen eine mentalistisch ausgerichtete Vorstellung vom Lehren und Lernen einer Fremdsprache und gegen kognitivistische Modellierungen von Lernenden (etwa KURTZ 2001; SCHMENK 2004, SCHMELTER 2004) 7 neigen dazu, "das Pendel der Entwicklung in eine Richtung zu zerren" (KÖNIGS 2004: 524). Dabei klammern sie die langjährigen Bestrebungen aus, das Konzept in Bezug auf die Interdependenz der Lerner zu seiner sozialen Umwelt zu definieren (DAM 1994; LITTLE 1994, 1996; LITTLEWOOD 1997, 1999; MARTINEZ 2001, 2004a, 2004b; SINCLAIR 2000; NORTON/ TOOHEY 2001; TOOHEY/ NORTON 2003). Führen nun diese Ausführungen zu der Bejahung der kritischen Frage von BREEN/ MANN (1997: 149): "Do we need some unified theory of autonomy to protect the concept from dilution, trivialization or commodification in the wider language learning industry? " 5 Die als notwendig anerkannte Strategienvermittlung droht somit die traditionelle Lehrerrolle potenziell zu rehabilitieren: "The problem with learner training is that it runs the risk of merely relocating the language teacher: instead of transmitting a body of facts about the target language, the teacher' role is now to transmit a body offacts about the most efficient ways (according to expert linguists) to learn a language" (VOLLER 1997: 107). 6 The term learner training refers to activities that help learners to expand their repertoire of strategies and refine their knowledge ofthe learning process (WENDEN 1987a: 13; Fußnote 3). 7 Für einen integrativen Pluralismus, der von einer partiellen Gültigkeit unterschiedlicher Subjektmodelle ausgeht, vgl. GROTJAHN (2005). flLlllllL 34 (2005) 68 Helene Martinez 2. Von der Notwendigkeit, ein konzeptuelles Rahmenmodell zu entwickeln Wie oben angedeutet, ist LA. kein homogenes Konzept und Versuche, dieses zu definieren bzw. zu operationalisieren, münden in der Regel in eine Reihe von Verengungen und konzeptuellen Widersprüchen, die in der anglo-amerikanischen Literatur unter dem Begriff misconceptions bekannt sind (AOKI/ SMITH 1999; ESCH 1997; LITTLE 1991). Es genügt also offenbar nicht, zu einem sorgfältigen Umgang mit den Begriffen zu mahnen (KÖNIGS 2004; SCHMELTER 2004). In einer sozio-linguistischen Analyse von LA. verweist HOLTZER (1995: 6) mit Recht darauf, dass der schwer zu fassende Begriff einen semantischen Neologismus darstelle, der alte und neue Bedeutungen zusammenführe. Die älteren Bedeutungsschattierungen verweisen auf Diskussionen in Philosophie, Pädagogik und teilweise in den Fachdidaktiken. Die neuen Bedeutungen sind noch nicht hinreichend untersucht. Im Folgenden gehen wir nun dem Konstrukt LA. im Kontext der Theorie des Fremdsprachenlernens nach und entwickeln ein Rahmenmodell für das Konzept. Dabei wird versucht, die oben erwähnten begrifflichen Widersprüche aufzulösen, indem die Existenz von unterschiedlichen, voneinander abhängigen Auffassungen postuliert wird, die einen gemeinsamen semantischen Kern haben und jeweils auf einen speziellen Aspekt fokussieren. Ziel des Rahmenmodells ist es, unterschiedliche Konzeptualisierungen von LA. in ihrer Eigenart 8 und ihrer Abhängigkeit voneinander zu beschreiben. Dadurch soll auch deutlich werden, welche neueren Teilkonzepte (HOLTZER 1995) in das Großkonzept der LA. integriert wurden. Ein solches Procedere soll reduktionistischen und verengenden Tendenzen und ihrer in der Praxis trivialisierenden Folgen entgegen wirken. Die erste Systematisierung des Großkonzepts entwickelte BENSON (1996), der dessen Entwicklung in der Fremd- und Zweitsprachenerwerbsforschung nachzeichnete. Er machte deutlich, inwieweit das Konzept drei Sinnverschiebungen gegenüber HOLECs Konzeptualisierung erfahren hatte: Kennzeichnend für die von ihm beschriebene Entwicklung ist eine Art Psychologisierung des Konzepts, dessen Akzent nicht mehr auf der politischen und strukturellen Veränderung der Lehr- und Lernsituation liegt (wie zuvor bei HOLEC 1980), sondern auf den psychologischen Aspekten des Lernens und den internen Fähigkeiten der Lernenden sowie auf Lernmethoden. 1997 entwickelt BENSON auf dieser Basis eine Art Typologie und unterscheidet hierin drei unterschiedliche Versionen von LA.: die technische, psychologische und politische. Damit werden drei grundlegende Definitionen oder Interpretationen miteinander verbunden: Autonomy as the act of learning on one's own and the technical ability to do so (technical versions) Autonomy as the internal psychological capacity to self-direct one's own learning (psychological versions) 8 Unterschiedliche Theorien und Forschungsperspektiven liegen den Konzeptua! isierungen von Lemerautonomie zugrunde. lFLllll(, 34 (2005} Lemerautonomie : ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht ... 69 - Autonomy as control over the content and processes of one's own learning (political versions) (BENSON 1997: 25). Diese Aufteilung ist aus der Kritik der Entpolitisierung (Entradikalisierung) des Begriffs entstanden (vgl. PENNYCOOK 1997; BENSON 1996; 1997) und räumt sozio-politischen Versionen einen besonderen Platz ein. Ferner wird eine Art Technisierung des Konzepts beanstandet, die auf einer positivistischen Lerntheorie beruht. Eine soziale Version von LA., die auf der Interdependenz der Lernprozesse basiert (MARTINEZ 2001; 2004a; 2004b; SINCLAIR 2000), wird nicht wahrgenommen. 2003 erweitert OXFORD diese Aufteilung. Ihr Interesse ist weniger eine Kritik der Entradikalisierung des ursprünglichen Konzepts als vielmehr der Wunsch nach Ordnung, "a blessed rage for order" (OXFORD 2003: 76). Sie ergänzt die Überlegungen BENSONs um eine vierte Version, die sociocultural perspective. OXFORD, dies ist besonders wichtig, lehnt den reduktionistischen Ansatz von BENSON ab und verweist auf das Ergänzungspotential jeder Version: "No single perspective should be considered antithetical to any other perspective, although some theorists would have us believe that antagonism is inevitable" (OXFORD 2003: 90). 9 Zusammenfassend und weiterführend können vier Perspektiven oder Auffassungen herausgestellt werden, welche die Grundlage für das hier zu entwickelnde Rahmenmodell bilden: (1) Eine philosophische bzw. (kritisch-)politische Perspektive: Fokus auf den strukturellen Machtverhältnissen der Lehr- und Lernsituation und der Notwendigkeit, sich davon zu befreien (Independenz der Lerner); (2) Eine technische (situativ-strukturelle) Perspektive: Fokus auf dem Lernkontext bzw. der Situation ressources materielles et humaines - und auf den strukturellen Veränderungen der Lehr- und Lernsituation; (3) Eine psychologische Perspektive: Fokus auf den internen (kognitiv-individuellen) Charakteristika der Lerner; (4) Eine sozio-interaktive Perspektive: Fokus auf der sozialen Interaktion als menschliche Dimension. Zu (1): Eine philosophisch bzw. (kritisch-)politische Perspektive Sie definiert und misst LA. als den Grad bzw. die Fähigkeit der Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Diese Formulierung impliziert die Fähigkeit, über Lernziele und Lerninhalte zu bestimmen, Lernmethoden zu entwickeln und Lernprozess und -ergebnis zu evaluieren (Horne 1980). Der Fokus liegt auf der Unabhängigkeit (bzw. der non dependance, Horne 1980) des Lerners gegenüber fremdbestimmten Entscheidungen, auf dessen Partizipation an seiner (Sprach-)Bildung sowie seiner Fähigkeit, seinen Lernprozess selbst zu steuern. Die Konzeption lehnt sich an die Bildungsdiskus- 9 OXFORD macht auch deutlich, dass bestimmte Parameter wie Strategien, Agency etc. zu allen Perspektiven gehören, selbst wenn der Fokus nicht darauf liegt. Die Versionen werden grundsätzlich nicht mit Autoren verbunden, weil sie praktisch in einer 'reinen' Form nicht existieren. Vielmehr handelt es sich um eine analytische Trennung, welche die verschiedenen Fokussierungen verdeutlichen soll. lFL1.llL 34 (2005) 70 Helene Martinez sion im sozio-politischen Kontext der 60er- und 70er-Jahre an 10 und führt zu einer Veränderung der traditionellen heteronomen Lehr- und Lernbedingungen und Machtverhältnisse insbesondere in der Erwachsenenbildung (HENNER-STANCHINA/ RILEY 1978). Eine Neuauflage dieses Gedankenguts findet sich in den Arbeiten PENNYCOOKS oder LAMBS im Rahmen des Fremdsprachenbzw. Zweitsprachenlernens, wobei autonomiefördernde Maßnahmen weniger die strukturellen Veränderungen des Lehr-lernprozesses als vielmehr die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins bei den Lernenden betreffen: "Critical awareness also needs tobe developed not only to enable pupils to examine and monitor any possible power imbalance within the classroom , but also to enable them to see their group potential as agents of change, rather than as powerless individuals who can only resist by disrupting or withdrawing." (LAMB 2000: 123-124). Die Diskurse sind eher programmatisch (s. auch OXFORD 2003; PALFREYMAN 2003b: 15). Wie angedeutet, erfährt diese Version von LA. eine praktische Umsetzung in 2 (teilweise auch in 3). Zu (2): Eine technische (situativ-strukturelle) Perspektive Bei ihr geht es hauptsächlich um die Fähigkeit des Lerners, differentes composantes du dispositif pedagogique (cf. BARBOT 2000) selbst zu steuern, d.h. über Lerninhalte und -stoff, Zeit, Ort und Ressourcen zu bestimmen. Dies ist eng mit der politisch-kritischen Perspektive verbunden. Der Fokus liegt auf dem Lernkontext und auf der technischen Fähigkeit des Lernenden damit umzugehen. Autonomiefördernde Maßnahmen fokussieren auf die Bereitstellung und die Erstellung der Lernumgebung (meist im Sinne eines mit Technologie unterstützten Selbstlernzentrums bzw. "rich language learning environment") und der Befähigung des Lerners, hier zu lernen (learner training) (DICKINSON 1987). Im Französischen ausgedrückt durch die Begriffe apprentissage-autodirige oder auto-apprentissage (BARBOT 1993, 2000; HOLEC 1980, 1994). Mehrfach empirisch bewiesen ist, dass eine rein situativ-strukturelle Version noch nicht zur Entwicklung von LA. führt (etwa GREMMO/ RILEY 1995) und in Abhängigkeit von der psychologischen bzw. sozio-interaktiven Version von Autonomie gesehen werden muss (BARBOT 1993). Zu (3): Eine psychologische Perspektive Sie definiert und misst LA. als die psychologische Fähigkeit des Lerners, seinen Lernprozess zu steuern. Der Fokus liegt auf der Selbstregulierung von Lernstrategien, Einstellungen, Lernstilen und Motivation durch den Lernenden selbst. Autonomiefördernde Maßnahmen betonen die Vermittlung und die Aneignung von Lern(er)strategien (u. a. COHEN 1998; O'MALLEY/ CHAMOT 1990; OXFORD 1991; RAMPILLON 2000), die Wieder- IO Diese Zeit war durch gesellschaftliche Veränderungen wie z.B. die Emanzipationsbewegung der Frauen, die Minderheitenbewegungen und die Erhöhung der Bildungschancen für breite Bevölkerungsschichten geprägt (GREMMOIRILEY 1995: 152). Dies ging mit der Forderung nach einer größeren Einflussnahme des Individuums auf politische Entscheidungen (Partizipation) einher. lFLl.llL 34 (2005) Lernerautonomie : ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht ... 71 entdeckung der Lernstile (u.a. GROTJAHN 1998, 2003), die Bewusstmachung von Einstellungen und beliefs (WENDEN 1998, 1999) und die Förderung der Motivation (USHIODA 1996; AOKI 1999). Die psychologische Version klammert den sozialen (Lern-)Kontext jedes Lernprozesses aus und wird durch die 4. Perspektive ergänzt (LITILE 1996). Zu (4): Eine sozio-interaktive Perspektive Sie definiert LA. als die sozio-psychologische Fähigkeit des Lerners, seinen Lernprozess zu steuern. Der Fokus liegt auf den zwischenmenschlichen Interaktionen, von denen man annimmt, dass sie bei der kognitiven Entwicklung und Aneignung von Fremdsprachen entscheidend sind. Diese Perspektive beruht auf einer sozio-interaktiven Definition von Lernen (vgl. z.B. LITILE 1994 unter Berufung auf die Erstsprachenerwerbstheorie von Wygotzky) und die Anerkennung, dass der Mensch als soziales Wesen, das intrinsische Bedürfnis hat, in seiner Umwelt zu interagieren: « Acceder a l'autonomie, c'est avoir prise sur ses interdependances, c'est-a-dire etre capable de se situer dans ses relations avec les autres et de negocier les situations » (MAHIOU 1999: 18). Autonomiefördernde Maßnahmen betonen die Rolle des Lehrers bzw. des Lernberaters bei der progressiven Entwicklung der Selbständigkeit des Lernenden (LITTLE 1994, 1997). Betrachtet man die Dimensionen im Sinne einer chronologischen Entwicklung, kann man vielleicht mit KÖNIGS (2004: 522) von einer „Verwässerung" der ursprünglichen politisch emanzipatorischen Ausrichtung des Konzepts sprechen. Dennoch verweist eine derartige Beschreibung der neuen semantischen Inhalte auf ein ausdifferenziertes Konzept von Lernerautonomie und Fremdsprachenlernen 11 , welches unterschiedliche Dimensionen von Fremdsprachenlernprozessen umfasst und die soziale Dimension des guten Fremdsprachenlerners unterstreicht (NORTON/ TOOHEY 2001). LA. kann demnach als "capacity to take control of one's learning as one that establishes a space in which differences of emphasis can co-exist" (BENSON 2001: 50) definiert werden. Die folgende Abbildung stellt das Rahmenmodell dar. Sie zeigt, dass LA. im Wesentlichen ein konzeptuelles „Werkzeug" ist, das in Hinblick auf einen dispositif de formation (HOLTZER 2002: 17) und den der Autonomisierung definiert wird (wobei die Entwicklung von LA. das wesentliche Ziel von Lernarrangements ist) 12: [Les] potentialites inherentes au concept d'autonomie ne doivent pas faire oublier que ! es proprietes de l'outil n'en deviennent des qualites que dans son utilisation et que, en dernier ressort, c'est la perception claire des enjeux de l'autonomie qui doit occuper le premier plan de taute reflexion d'utilisateur." (HOLEC 1981: 7). 11 Unter Fremdsprachenlernen wird ein umfassender Aneignungsprozess verstanden, welcher in der französischsprachigen Fachliteratur mit dem Begriff appropriation bezeichnet wird (z.B. HOLTZER 2000) 12 L'autonomisation constitue une dimension fondamentale de Ja demarche du C.R.A.P.E.L. [Centre de Recherches et d'Applications en Langues]: eile en represente I'objectif, comme I'autodirection de I'apprentissage et Je soutien en represente la methodologie. Ce choix, dicte par une volonte de centration maximale sur I'apprenant, permet d'envisager Je progres pedagogique dans une perspective nouvelle et de se degager de ! 'alternative « traditionnelle » adaptation de l'apprenant a I'enseignement adaptation de I'enseignement a l'apprenant" (HOLEC 1981: 20 [Hervorhebung von mir]). lFlLl.lL 34 (2005) 72 Helene Martinez Lemerautonomie als Fähigkeit, die Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (HOLEC 1980) Philosophische kritischpolitische Perspektive: Fokus auf den strukturellen Machtverhältnissen der Lehr- und Lernsituation (Independenz der Lerner) t Technische (situativstrukturelle) Perspektive: Fokus auf dem Lernkontext/ der Situation (auf den strukturellen Veränderungen der Lehr- und Lernsituation) t Psychologische Perspektive: Fokus auf den internen (kognitivindividuellen) Charakteristika der Lerner t Sozio-interaktive Perspektive: Fokus auf der sozialen Interaktion als menschliche Dimension t Lernerautonomie als selbstbestimmte Beziehung zum Lerngegenstand und zum Lernprozess Abb.1 Das Rahmenmodell zeigt, dass das Konzept der LA. nicht dadurch bestimmt wird, dass der Lernende (physisch) unabhängig vom Lehrer bzw. Klassenzimmer lernt. Das Präfix 'auto' bedeutet nicht 'allein', sondern verweist auf den selbstinitiierten und selbstreflexiven Bezug des Selbst zum Lerninhalt und Lernprozess (auch PEYTARD 1975: 278 nach HOLTZER 1995: 5). Die Kernkomponente und das charakteristische Merkmal von LA. liegt in der besonderen Beziehung, die der Lernende zum Lerngegenstand und zum Lernprozess unterhält.« [L']autonomie s'est developpee en tant que notion didactique, axee [ ... ] sur la relation de l'apprenant au savoir, au detriment de la dimension educative, priorite du modele EP [Education Permanente: HM] » (HOLTZER 1995: 96; Hervorhebung von mir). Diese besondere Art von Beziehung zum Lerngegenstand und Lernprozess wurde von LITTLE (1991: 4) als psychologisch bezeichnet. BENSON (2001: 87, 98) versucht diese Beziehung zu konkretisieren und definiert sie als eine Kontrolle über die kognitiven Prozesse, welche attention, reflection und metacognitive knowledge umfassen und für die Ausübung wie auch für die Entwicklung von Autonomie grundlegend sind. Die Wechselbeziehung unterschiedlicher Faktoren sowie die Dynamik der Wissensverarbeitung veranschaulicht die folgende Abbildung (BENS0N 2001: 86). lFL1llL 34 (2005) Lemerautonomie: ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht ... 73 Reflection Building metacognitive knowledge Abb. 2: The psychology of autonomous leaming Dieses vereinfachte Modell der Regulation der kognitiven Prozesse beim autonomen Fremdsprachenlernen weist auf wichtige Dimensionen von LA., insbesondere die (Selbst-)Reflexion bzw. das Selbstmonitoring und die Metakognition, hin 13 : « [ ... ] nous pouvons seulement acquerir une conscience du caractere constructif de l' activite mentale, au moyen d'une reflexion attentive sur les mecanismes de construction, c'est-a-dire a travers l'acquisition d'une competence metacognitive » (BARBOT/ CAMATARRI 1999: 54). Unter Bezug auf die psychologische Theorie der Selbstbestimmung der Motivation 14 nach DECI/ RYAN kann behauptet werden, dass die Beziehung zum Lerngegenstand und Lernprozess selbstbestimmt bzw. selbstreguliert ist. Beide Autoren definieren LA. als einen Prozess der Selbstbestimmung, welcher zu den angeborenen psychologischen Bedürfnissen als generelle Antriebsmechanismen der Menschen gehört: "Wir gehen davon aus, dass der Mensch die angeborene motivationale Tendenz hat, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in diesem Milieu effektiv zu wirken (zu funktionieren) und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren" (DECI/ RYAN 1993: 229). 15 "In Autonomy one experiences the selfto be an agent, the 'locus of causality' of one's behavior ". A sense of autonomy produces actions which are "authentic" in the sense "that one identifies them tobe one's own." (RYAN 1991: 210f; zitiert nach LITILEWOOD 1997: 135). Der Begriff Selbstbestimmung verweist auf das in der Tradition der Attributionstheorie entstandene Konzept der internen vs externen Handlungsverursachung (Locus of causa- 13 Das Konzept des mehrsprachigen didaktischen Monitors nach MEißNER (2004: 26ff.) stellt eine vielversprechende Alternative zum Begriff metakognitives Wissen dar, da der exekutive Kontrollaspekt der Metakognition deutlich unterstrichen wird. 14 Diese Theorie postuliert u.a., dass"[... ] intrinsische Motivation nur dann auftritt, wenn sich die handelnde Person als hinreichend autonom oder selbstbestimmt wahrnimmt." "In vielen empirischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die intrinsische Motivation eine wichtige Bedingung für qualitativ anspruchsvolle Formen des Lernens darstellt." (vgl. KRAPP/ RY AN 2002: 59) 15 Wenn die Lernumgebung den Lernenden das Gefühl von Inkompetenz und Mangel an Wirksamkeit vermittelt, wenn die Lernenden das Gefühl haben, dass sie von außen kontrolliert sind, kann keine intrinsische Motivation entwickelt werden (vgl. KRAPP/ RY AN 2002). Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen können durch die Prozesse der Intemalisation und Integration in selbstbestimmte Handlungen überführt werden (vgl. DECI/ RYAN 1993: 227). lFLllllL 34 (2005) 74 Helene Martinez lity bzw. Ort der Handlungsverursachung) von DECHARMS (1968). DeCharms unterscheidet zwischen zwei Gefühlszuständen, die das Erleben eigener Wirksamkeit kennzeichnen und illustriert diesen Unterschied mit dem metaphorischen Paar "origin" vs. "pawn": "Ein Verursacher ( 'origin') ist eine Person, die sich als Initiator und Bestimmender seines eigenen Handelns fühlt, eine Schachfigur ('pawn') jemand, der sein Handeln als durch äußere Umstände initiiert und determiniert erlebt. 'Verursacher' verfolgen in der Regel realistische und anspruchvolle Zielsetzungen, erkennen eigene Handlungsmöglichkeiten zur Zielerreichung, vertrauen in die Wirksamkeit dieser Handlungen und fühlen sich für das Erreichen der selbst gewählten Ziele verantwortlich" (KNOPF/ BARANN 1983: 388). Dies korrespondiert mit der Beschreibung autonomer Lerner bei BREEN/ MANN (1997: 134): "the person's stance towards the world, their desire for what it is they are learning, their sense of self, their metacognitive capacity, their management of change, their independence from educational processes, their strategic engagement with learning, and their capacity to negotiate". (zur Verbindung zwischen Motivationsforschung und LA.: DICKINSON 1995). Nach BENSON (2001) und KONRAD (1997) können die Prozesse, die Lernerautonomie ausmachen, als übergeordnete Prozesse der (sozio-)kognitiven Selbstregulation bezeichnet werden: Nach neueren Studien scheint der theoretisch postulierte Zusammenhang zwischen Metakognition 16 und Selbststeuerungspotential gesichert (KONRAD 1997: 28; WENDEN 1998; ZIMMERMAN 1995): « L'autonomie presuppose la capacite du sujet de contröler non seulement les resultats de l'apprentissage, mais surtout le processus luimeme, c'est-a-dire les conditions et les modalites, irreversiblement subjectives, qui permettent au sujet d'apprendre » (BARBOT/ CAMATARRI 1999: 199). 3. (Lerner-)Autonomisierung oder die Förderung metakognitiver Reflexionen Wie im ersten Teil angedeutet, hat „in jüngster Zeit die Forschung zu Lernerstrategien ihre praktische Bedeutung vor allem durch die Einbettung in die Diskussion um autonomes Lernen erlangt" (TÖNSHOFF 2003: 352; WENDEN 1987a: 8) und umgekehrt. Der Einsatz adäquater Lernerstrategien spielt eine Schlüsselrolle bei der Ausübung bzw. der Entfaltung von LA. (u.a. HSIAO/ ÜXFORD 2002: 369). So behauptet HOLEC (1991), dass es bei der Autonomisierung dem Lerner u.a. darum gehe, über seine Lernmethoden nachzudenken. Allerdings wurden seither die Grenzen einer technizistischen Strategienvermittlung erkannt (VOGEL 2000; ZIMMERMANN 1997; zu einer Kritik des Konzepts von Strategien: DöRNYEI/ SHEKAN 2003): Es gilt nicht, eine Reihe von universell vermeintlich guten Strategien zu vermitteln, sondern vielmehr metakognitive Reflexion zu fördern, die erst die individuelle Generierung von Strategien erlaubt (BECK [et al.] 1991; CHAN 2000; ZIMMERMANN 1997). 16 Metakognition bzw. metakognitive Aktivitäten umfassen einen exekutiven Kontrollaspekt und einen deklarativen Wissensaspekt. lFLUJlL 34 (2005) Lemerautonomie: ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht ... 75 Dabei ist der Grad an Authentizität von Lernhandlungen von besonderer Bedeutung (zur Verbindung von Authentizität und Lernerautonomie vgl. u.a. VAN LIER 1996): "[...] a crucial aspect of strategy training is that leamers develop a sense of personal relevance or personal authenticity. Rather than asking them to use particular strategies simply because the teacher teils them to, we feel it is more beneficial to help individuals to discover and to develop those that are more significant and personally relevant to them. Within this process, the leamers' metacognitive knowledge, in its broader context ofknowledge ofthe seif, feelings and emotions, personal aims and motivation, are significant in discovering personal authenticity in how to learn" WILLIAMS/ BURDEN (1997: 164). Zusammenfassend kann mit SINCLAIR (1999, 2000) die Entwicklung der Lernerautonomie als metacognitive awareness, definiert werden, die folgende Bereiche umfasst: • den Lernenden selbst, • den Lerngegenstand, und • den Lernprozess. attitudes beliefs cultural context expectations leaming approach learning style motivation needs political context preferred environment experiences with languages, etc. language systems language varieties similarities and differences between first and target languages social appropriacy cultural appropriacy pragmatics, etc. activity evaluation strategy evaluation self-assessment goal-setting learning monitoring monitoring progress organizing (time, resources, environment) awareness and exploitation of available resources, etc In Anlehnung an SINCLAIR (2000: 9) LA. bzw. selbstbestimmtes Fremdsprachenlernen kann Lernen nicht vom Kommunizieren trennen. Obwohl die Verbindung in der Fachliteratur immer wieder betont wurde (etwa BENSON 2002; HOLEC 1980; LITTLEWOOD 1996; WOLFF 1997b), ist dieser Aspekt durch den Akzent auf der Vermittlung von Lernstrategien bzw. durch den Ansatz des Lernen des Lernens in den Hintergrund geraten. Jüngste empirische Studien (z.B. in BENSON 2002) zeigen, dass die Bedeutung, die Lernende Fremdsprachen zuweisen und die Entwicklung ihrer Lernfähigkeit insofern verbunden sind, als jede Gelegenheit die Fremdsprache zu benutzen auch eine Gelegenheit ist, diese Fremdsprache zu lernen und umgekehrt. Entscheidend bei der Ausübung bzw. Entwicklung von LA. scheint die Frage zu sein, inwieweit die Fremdsprache lediglich als Schulfach begriffen wird, das bearbeitet wird, oder als Mittel zur Sicherung der Kommunikation. 17 17 In diesem Zusammenhang kann m.E. von einer selbstbestimmten Beziehung zum Lerngegenstand gesprochen werden. lFLIIIL 34 (2005) 76 Helene Martinez 4. Schlussfolgerung LA. kann nicht auf die bloße Beherrschung von Lernstrategien reduziert werden. Sie beruht auf einem erweiterten Verständnis von Fremdsprachenlernen, das (individuell) konstruktiv, reflexiv und sozio-interaktiv ist. LA. bzw. die Fähigkeit, selbstbestimmt zu lernen, ist ein Grundbedürfnis menschlicher Wesen sowie ein Merkmal authentischer intrinsischer Fremdsprachenlernprozesse. Sie hängt von der Fähigkeit des Lerners ab, die Komponenten des Lernprozesses zu steuern und von der Unterstützung der Kompetenz- und Autonomieerfahrungen der Lernenden durch die soziale Umgebung sei es im Klassenzimmer sei es im Rahmen selbstgesteuerten Fremdsprachenlernens. Arbeiten aus der Psychologie und der Pädagogik im Rahmen selbstregulierten Lernens ermöglichen neue Einsichten in die kognitiven Prozesse und könnten neue Anregungen für die Autonomieforschung liefern. Die Großbegriffe des Fremdsprachenunterrichts stehen nicht unabhängig nebeneinander. Die Dokumentationen von 'Mehrsprachenunterricht' (BöING 2004; BÄR [et al.] 2005; MEißNER 2005) belegen, dass sich die Interkomprehensionsmethode (welche ja dazu anleitet, das Lernwissen und die Lernerfahrungen für das weitere Lernen zu nutzen) mit einer starken Förderung von LA. verbindet: „Schließlich hätte ohne den Interkomprehensionskurs auch das Nachdenken über effizientes Sprachenlemen nicht so anschaulich und vor allem derart natürlich von den Schülern am eigenen Leib erlebt werden können. Natürlich deshalb, weil die Reflexion über Sprachenlemen in diesem Kontext gleichermaßen unabdingbar wie authentisch war und sich aus dem Lernkontext ergeben hat und nicht künstlich herbeigeführt wurde." (BÖING 2004: 28) LA. und Autonomisierung implizieren eine Umkehr der pädagogischen Perspektive: weg von der Vermittlungsperspektive durch den Lehrenden hin zu der Aneignungsperspektive durch den Lernenden, die in der Praxis schwierig zu umzusetzen ist, denn sie ähnelt einem Paradigmenwechsel im Sinne KUHNS (ALBERO 2000 bzw. REINFRIED 2001). Die Förderung von LA. stellt demnach einen wichtigen Bestandteil neo-kommunikativen Fremdsprachenunterrichts und eine Herausforderung an diesen dar. Literatur ALBERO, Brigitte (2000): L'autoformation en contexte institutionnel. Du paradigme de l'instruction au paradigme de l'autonomie. Paris: L'Harmattan. AOK! , Naoko (1999): "Affect and the role of teachers in the development of leamer autonomy". In: ARNOLD, Jane (Hrsg.): Affect in language learning. Cambridge: Cambridge University Press, 142- 154. AOK! , Naoko / SMITH, Richard C. (1999): "Learner autonomy is more than a westem construct". 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Foreign language teaching methodology names learning strategies, learning techniques and motivation as basic competences for a successful language learning process. Nevertheless, key-qualifications are also situated in a more personal area of the learning individual and are mainly developed through an educational component (called "Bildung"). 1. Ein neues Bild vorn Menschen: Der lebenslange Lerner Das ist doch eine Utopie: Welcher vernünftige Mensch will sich das wirklich antun, ein Leben lang lernen? Ich finde, man hat doch auch das gute Recht, mal den Kopf ruhen zu lassen. Wir sollten uns da keine Illusionen machen: Wir hier, an den Unis, wir sind Lernexperten. Unser Job ist ewiges Weiterlernen, damit die Studierenden an das neue Wissen kommen. Als ich selbst Studentin war, habe ich das Lernen gelernt und dann eben weitergemacht, eben nie mehr aufgehört damit. Das ist mein Beruf. Aber ich möchte auch dazu sagen, dass es immer wieder Phasen gegeben hat, und die haben nicht nur Monate gedauert, wo ich einfach nichts mehr dazulernen konnte. Aus welchen Gründen, das war mir selber ein Rätsel. Und es war schwer, mich selbst zu motivieren, das musste ich ja selbst machen. Also: "Autonom", wie man heute so schön sagt, war ich da gerade nicht. Und irgendwann ging es dann wieder. Warum? Das kann ich nicht so genau sagen. Das scheint ein komplexes System zu sein, das dahinter steht. Ich glaube nicht, dass man sich selbst in seinem Verhalten so stark beeinflussen kann. Aber was immer wieder siegt, ist die Gewohnheit. Ich lerne eben seit Jahrzehnten dazu, um Wissen weiter zu geben. Und in diese Gewohnheit falle ich immer wieder zurück. Gott sei Dank. [... ] Ja, eine Fremdsprache würde ich schon noch gerne dazu lernen. Aber unter ganz klaren Bedingungen: Ich möchte mich dann in dem Land aufhalten, wo die Sprache gesprochen wird. Außerdem möchte ich Kommunikationspartner, mit denen es sich lohnt, in der neuen Sprache zu sprechen, dass da wirklich ein inhaltlicher und persönlicher Austausch stattfindet. Ansonsten gibt es keinen Grund für mich, noch eine Fremdsprache zu lernen. Jeder kann Englisch, und für gute Bücher gibt es immer auch gute Übersetzungen ins Deutsche oder Englische. Es gibt sicherlich wichtigere Dinge, als sich den Kopf mit Vokabeln einer neuen Sprache voll zu stopfen. Studienrätin im Hochschuldienst, 56 Jahre Was ganz wichtig ist, das ist die Motivation. Und die kann man ja ziemlich genau orten. Für mich wäre ein Grund, noch eine Fremdsprache zu lernen, zum Beispiel ein längerer Arbeitsaufenthalt in einem anderen Land. Aber ich weiß nicht so richtig: Irgendwie gehört das Fremdsprachenlernen doch in das Korrespondenzadresse: Dr. Annette BERNDT, Hochschuldozentin, Universität Kassel, Fachbereich 09: Didaktik Deutsch als Fremdsprache, Georg-Forster-Straße 3, 34109 KASSEL. E-Mail: aberndt@uni-kassel.de Arbeitsbereiche: Sprachenlernen im Alter, Sprachenlernen unter lebenslanger Perspektive, Einsatz von Hörspielen im Fremdsprachenunterricht. ]F]Ll.l][, 34 (2005) 84 Annette Berndt jüngere Alter; da hat es einen Sinn, der außerhalb des Lernens selbst liegt. Mir kommt es oft so vor, dass dieses Thematisieren von Greisen in Hörsälen eine kurze Mode ist. Was hat es für einen Sinn, dass jemand, der seinen Beruf gefunden hat, oder gar in Pension ist, sich noch promoviert? Mir erscheint das heute eher als frivol. Und wenn ich mich jetzt so erinnere vor zehn Jahren fand ich diese Entwicklung noch interessant. Da sieht man eben, wie ökonomische Umwälzungen - und das erleben wir ja wohl seit einiger Zeit den Blick auf den Menschen verändern, auf das was wir uns als Gesellschaft vorstellen, dass ein Mensch für die Gesellschaft, in der er lebt, zu leisten hat. [... ]Ich hätte auf jeden Fall lieber ältere Leute, die auf die kleinen Kinder der arbeitenden Mütter aufpassen, während die für ihre Rente aufkommen keine grauhaarigen Studenten, die die sowieso schon überfüllten Hörsäle mit bevölkern. [... ]Wenn jemand noch nach der Ausbildung eine Fremdsprache lernt, dann muss das triftige Gründe haben -und dann wird er sicher auch die richtige Motivation haben dazu - und dann wird das wohl auch klappen. Wissenschaftlicher Angestellter, 45 Jahre So weit zwei Abschnitte aus einem von mir erstellten Korpus von Interviews, bei denen die Frage im Vordergrund stand, warum und wie Menschen im Laufe ihres Lebens fremde Sprachen lernen. Einige der hier angesprochenen Aussagen werden im Weiteren diskutiert: das veränderte Bild vom älteren Menschen, die Fragwürdigkeit des Entwurfes eines lebenslang lernenden Menschen und die Wichtigkeit persönlichkeitsbezogener Komponenten. Die Idee des lebensbegleitenden Lernens ist eine Idee der 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, einer Zeit also, in der der ältere Mensch einerseits durch seine zahlenmäßige Präsenz stärker in den Mittelpunkt rückte und die Wissenschaften andererseits die Potenziale älterer Menschen entdeckten; im Gegensatz zu einer bis dahin eher defizitären Sicht. Innerhalb der letzten Jahre wurde zunehmend die mit der Idee eines Bürgers, der bis in sein höheres Alter erwerbstätig bleibt, verbundene Brisanz klar. Aus der Kombination der Instabilität von Arbeitsplätzen mit der Notwendigkeit möglichst kontinuierlich erwerbstätiger Bürger entstand der Anspruch, dass Menschen sich immer wieder im Laufe des Erwachsenenlebens fortbilden. Ergo: Es wurde eine Leitvorstellung entworfen, die den Menschen zu einem lebenslang Lernenden macht. So trägt der Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert der UNESCO aus dem Jahre 1997 den programmatischen Titel „Lernfähigkeit. Unser verborgener Reichtum": Ein Bild wird entworfen und der Mensch in dieses eingepasst. Über Jahrhunderte hinweg war die Biografie gesteuerten Lernens auf einen sehr kurzen Lebensabschnitt begrenzt, nämlich auf die Schulzeit was das Sprachenlernen betrifft für wenige privilegierte Menschen auch auf die Studienzeit. Es folgte dann eine lange Anwendungsphase des Gelernten und schließlich eine kurze Phase des Ruhestands. Diese Drei-Phasen-Vorstellung der menschlichen Entwicklung wurde in den letzten 20 Jahren hin zu einem zyklischen Bild modifiziert, das Lernphasen über das gesamte Leben hinweg vorsieht. Grund dafür sind die bekannten demografischen Entwicklungen (bei deren Kontinuität werden in den Industrieländern gegen Ende des 21. Jahrhunderts über 50% der Menschen über 80 Jahre alt werden) und die mit dem Sinken der Geburtenrate verbundene Unmöglichkeit einer frühen und hohen Verrentung vieler Menschen. Vor allem die Psychologie der Lebensspanne versucht seither Modelle zu entwickeln, die Alterung zunächst als einen dynamischen Prozess in der Dialektik von Wachstum und lFlLlllllL 34 (2005) Sprachenlernen lebenslang: Eine Schlüsselqualifikation 85 Abbau beschreibt und im Anschluss daran, Konzepte erfolgreichen Alterns zu entwerfen versucht (BALTES 1990). Lebenslanges, bzw. lebensbegleitendes Lernen wird hierbei als eine der wichtigsten Komponenten angesehen. So schreibt Paul B. BALTES in dem Wochenmagazin Der Spiegel (2000: 178): "Die permanente Lern-Gesellschaft des kommenden Jahrhunderts erfordert eine neue Strukturierung der Institutionen. Die Idee lebenslanger Entwicklungsprozesse muss Dreh- und Angelpunkt sein." 2. Schlüsselqualifikationen: Das Motto lebensbegleitenden Lernens Als Voraussetzung für das lebensbegleitende Lernen sieht BALTES Schlüsselqualifikationen und nennt damit ein Schlagwort, das seit einigen Jahrzehnten in Bildungszusammenhängen akzentuiert wird. Der Begriff wurde Anfang der 70er Jahre im Kontext eines zu dieser Zeit erstmals wahrgenommenen, beschleunigten Wissenszerfalls und dem daraus resultierenden beschleunigten Wandel von Anforderungen eingeführt. MERTENS definierte in einem Grundlagenartikel im Jahre 1974 (das Zitat ist einer rezenteren Publikation des Textes entnommen) Schlüsselqualifikationen "[... ] als Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten[ ... ] Tätigkeiten erbringen, sondern vielmehr a) die Eignung für eine große Anzahl von Positionen und Funktionen [... ] und b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz (meist unvorhersehbarer) Änderung von Anforderungen im Laufe des Lebens sicherstellen" (1991: 566). Innerhalb der letzten drei Jahrzehnte hat sich der Terminus weiterentwickelt: weg von einer auf materiale und formale Kompetenzen bezogenen Definition zu einer Auffassung, die sowohl formale instrumentale Kompetenz (Methodenkompetenzen) als auch Selbstkompetenzen (Sozialkompetenzen) beinhaltet. Das von KNAUF (2003: 14) auf dieser Basis entworfene Vier-Komponenten-Modell kann als wegweisend genommen werden. KNAUF isoliert folgende Hauptbereiche: 1. Sozialkompetenzen, die den Bereich der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit umfassen. 2. Methodenkompetenzen, die sich auf Problemlösefähigkeit und Entscheidungsvermögen beziehen. 3. Selbstkompetenzen, worunter allgemeine Persönlichkeitseigenschaften wie Leistungsbereitschaft, Ausdauer, Zuverlässigkeit und Motivation subsumiert werden. 4. Fachkompetenz, die Fertigkeiten und Fähigkeiten beschreibt, die fächerübergreifend eingesetzt werden können, und hierzu zählt Knauf neben EDV-Kenntnissen auch Fremdsprachenkenntnisse. Auch BALTES, ein Vertreter der Psychologie der Lebensspanne, verweist auf die hohe Relevanz von Elementen, die im Vier-Komponenten-Modell unter „Selbstkompetenzen" zusammengefasst werden: JFL1.IIL 34 (2005) 86 Annette Berndt „Lebenslanges Lernen nonstop und das Szenario des permanent unfertigen Menschen suggerieren allerdings auch eine Art von Schlüsselkompetenz, die weniger im intellektuellen als vielmehr im emotionalen und motivationalen Bereich liegt. Der aus meiner Sicht wichtigste Eckpfeiler einer guten psychologischen Architektur lebenslanger Entwicklung und des produktiven Umgangs mit Unfertigkeit ist das, was ich als Plastizität oder auch die adaptive Flexibilität des Ichs bezeichne. Damit meine ich das Ausmaß, in dem einzelne sich als veränderbar, als entwicklungsfähig und entwicklungswillig erleben. In der Sprache der Psychologie handelt es sich dabei um Eigenschaften wie Optimismus, positives Denken, adaptive Selbstwirksamkeit und persönliche Handlungskontrolle" (2000: 178). Die Persönlichkeitsmerkmale, die BALTES hier als Garanten einer hohen Wahrscheinlichkeit erfolgreicher lebenslanger Adaptionsfähigkeit, i.e. Lernfähigkeit aufführt, erinnern an das Konzept der Differentiellen Persönlichkeitspsychologie der so genannten BIG FIVE. Dabei handelt es sich um fünf große Persönlichkeitsfaktoren, die über in Oppositionspaaren gegliederte Unterfaktoren erhoben werden. Die meist verwendete Differenzierung erfolgt bei AMELANG/ BARTUSSEK (2001: 366) über folgende fünf Charaktereigenschaften: 1. "Extraversion": gesprächig vs. schweigsam/ gesellig vs. zurückgezogen/ usw. 2. "Agreeableness": kooperativ vs. feindselig/ freundlich vs. starrköpfig/ usw. 3. "Conscientiousness": sorgfältig vs. nachlässig / zuverlässig vs. unzuverlässig / usw. 4. "Emotional stability": ausgeglichen vs. nervös/ entspannt vs. ängstlich/ usw. 5. "Culture": phantasievoll vs. phantasielos/ intellektuell vs. ungebildet/ usw. Die Schwäche dieser Taxonomie macht bereits diese kurze Auflistung offenbar. Sie liegt im sprachlichen Bereich, denn wer kann beispielsweise "Starrköpfigkeit" näher definieren, und reagiert ein Mensch nicht oft auch ambig, i.e. je nach Situation „starrköpfig" oder „freundlich"? So gibt es eine Vielzahl von Auflistungen, die dieses Phänomen zu relativieren versuchen. Wie AMELANG/ BARTUSSEK richtig anmerken, liegt das Problem in der Semantik der jeweils verwendeten Attribute: "Nach dem lexikalischen Ansatz muss eine Taxonomie der Persönlichkeit aus der Analyse des individuellen Vokabulars einer Sprachgemeinschaft hervorgehen" (2001: 367). Schon die Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche stellt ein Problem dar. Auch die Sprachlehr- und -lemforschung versuchte über die Differenzierung von Persönlichkeitsmerkmalen, diese mit bestimmten Lernleistungen in der Fremdsprache zu korrelieren. Allein die knappe Auflistung in ELLIS (1996: 518) verweist auf eine geringe Aussagekraft und Inhomogenität der Ergebnisse. Auch die Annäherung über das Modell des „erfolgreichen Fremdsprachenlerners" ist ähnlich inkonsistent (ebd.: 547 f). Resümierend fordert ELLIS (ebd.: 523) dann auch von einer noch ausstehenden Theorie über die Einflüsse individueller Merkmale der Lernerpersönlichkeit: "lt will also have to make clear what effect (if any) IDs have on the process of L2 acquisition." Die im Jahre 1997 erschienene Studie RIEMERS Individuelle Unterschiede im Fremdsprachenerwerb weist zudem auf die schwere Erfassbarkeit von Einzelkomponenten hin, die einen Lerner erfolgreicher bzw. weniger erfolgreich eine Fremdsprache lernen lassen. Die Untersuchung (allerdings in einem Design mit nur drei fLlllL 34 (2005) Sprachenlernen lebenslang: Eine Schlüsselqualifikation 87 Probanden) korreliert mit der sogenannten 'Einzelgängerhypothese'. Diese fasst in einem Schlagwort, was mit den heutigen Möglichkeiten und Methoden der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung nicht zu leisten ist: die Offenlegung bestimmter individueller Merkmale und deren Interdependenz beim Fremdsprachenlernen. Zudem zeigt die Studie, dass bestimmte Faktoren, wie zum Beispiel der Faktor „Motivation", nicht nur interindividuell, sondern auch intra-individuell über kürzere Zeiträume variieren. Was Fremdsprachendidaktik und Fremdsprachenlehr- und -lernforschung also bewegt, ist die Suche nach klaren Aussagen über die beim Fremdsprachenlernen involvierten Vorgänge. Niemals enden wird allerdings diese Suche, denn das lernende Subjekt ist ja der Mensch in seiner individuellen Komplexität (lernerinterne Faktoren), seiner Verstricktheit in Lernzusammenhänge, in politische, ökonomische, soziale Implikationen (lernerexterne Faktoren). Diese erschöpfend zu erfassen ist kaum möglich (vgl. SCHWERDTFEGER 2000). Diese Einsichten vernichten alle Hoffnung auf Erfolg einer deterministisch geprägten Didaktik. Lehrende können Lernergebnisse nur über sprachlichen Output konstatieren, das Wie und Warum des Lernvorgangs bleiben meist im Dunkel. LEUPOLD (2004: 70) schreibt hierzu: „Da das Lernen heute als ein konstruktiver Vorgang verstanden wird, haben Unterrichtende nur die Möglichkeit, auf dem Wege der Interaktion mit dem Lerner und der Gestaltung der Lernumgebung eine positive Grundlage für den individuellen Lernprozess zu schaffen. Inwieweit der Lerner dann tatsächlich einen Lernprozess initiiert, liegt in seiner eigenen Verantwortung". Und diese Eigenverantwortung impliziert Motivation, ebenfalls ein Wort mit hoher Konjunktur in der Fremdsprachendidaktik; ein Konstrukt, das sehr komplex und flexibel ist in seinen Komponenten und daher nur schwer zu fassen (BERNDT 2002) über dessen Notwendigkeit jedoch kein Zweifel besteht. Da Lernmotive und -inhalte stark personenabhängig sind, erfordern sie individualisiertes Lernen. Die Erwachsenenbildung verbindet erfolgreiches lebenslanges Lernen (LLL) primär mit Selbststeuerung (DOHMEN 1997). Auch BIMMELIBLOM (1997) sehen in der Autonomisierung des Lerners durch die Vermittlung von Lernstrategien eine gute Grundlage, um fremde Sprachen immer wieder im Laufe des Lebens zu erlernen. Wenn der Lerngegenstand eine Begegnung mit fremden Kulturen impliziert, was bei fremden Sprachen in unterschiedlich starkem Maße der Fall ist, muss auch interkulturelles Wissen und Handeln als eine Schlüsselqualifikation angesehen werden (BREDELLA 2001; KONTOS 2000). Es ist jedoch anzunehmen, dass im Zuge einer beschleunigten Globalisierung Kulturdifferenzen einerseits vermehrt über Medien wahrgenommen werden und andererseits in einem übergeordneten globalen Kulturhandlungskonsens abflachen, in eine Art 'Transkultur'. Über die Notwendigkeit von Medienkompetenz, über den Einsatz Neuer Medien als Instrument des Fremdsprachenlernens besteht kein Zweifel. 1 Wegweisend für die Erwachsenenbildung ist seit Anfang der 90er Jahre der 'anthropologisch-pädagogische Ansatz' nach BUNK (1990). Er definiert 'Schlüsselqualifikationen' abgelöst von einzelnen Fächerdisziplinen: Siehe Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht (2005: 10, 1). f'Ll.llL 34 (2005) 88 Annette Berndt "Schlüsselqualifikationen sind im Grunde nichts anderes als die Wiederentdeckung einer ganzheitlichen Lern- und Arbeitsqualifikation, die durch das schUlisch organisierte Teillernen und die betrieblich organisierte Arbeitsteilung verlorengegangen sind. [... ] Aufgrund ihres ganzheitlichen und integrierenden Charakters können Schlüsselqualifikationen nicht Gegenstand, sondern nur Prinzip des Lernens sein" (1990: 175 ff). BUNK geht davon aus, dass Schlüsselqualifikationen nicht operationalisierbar sind und sich einem direkten didaktischen Zugriff entziehen; oder einfacher gesagt: Schlüsselqualifikationen können kein expliziter Gegenstand unterrichtlicher Vermittlung sein, besonders auch deswegen nicht, da Bunk in seiner Drei-Bereiche-Taxonomie neben den "Formalen Fähigkeiten (das Selbständige)"und den „Materialen Kenntnissen und Fertigkeiten (das Allgemeine)" eine sehr starke lndidvidualkomponente „Personale Verhaltensweisen (das Menschliche)" vertritt. Die Förderung von Schlüsselqualifikationen geschieht demnach mittels der methodischen und didaktischen Umsetzung bei der Vermittlung von fachbezogenen Qualifikationen, also implizit. An dieser Stelle ist ein kurzer Exkurs zum Thema des älteren Sprachenlerners angebracht: Zu beobachten ist, dass ältere Lerner sich in neuen Sprachlernsituationen ganz automatisch der Techniken und Strategien bedienen, die sie in ihrer Schul- und Studienzeit über die damaligen Methoden implizit vermittelt bekommen haben (BERNDT 2003: 165 ff). So wird beispielsweise die Technik des Übersetzens und Rückübersetzens angewendet, die eine Jahrhunderte währende Tradition hat und im Rahmen der Grammatik-Übersetzungsmethode nach wie vor Einsatz findet. Auch WEINERTs psychologischer Ansatz folgt der Ansicht, dass Schlüsselkompetenzen an Inhalte angebunden sein sollten: „Es ist weniger wirksam, Lern- und Denkstrategien in separaten Kursen zu lehren, als sie im Kontext des Erwerbs von wichtigem, inhaltlichem Wissen zu vermitteln" (zit. nach ORTH 1999: 34). Soziologische Ansätze gehen primär von den pragmatischen Bedingungen des Arbeitsmarktes aus, der, wie schon angedeutet, durch eine zunehmende Flexibilisierung charakterisiert ist. GEißLER/ ÜRTHEY (1998), die in zahlreichen Artikeln die Auflösung der traditionellen Berufsidee dokumentieren, sehen als den wichtigsten Ausgangspunkt das 'Ich' des Menschen an. Als Kernpunkt nennen sie die Antwort auf die Frage: Inwieweit ist der ausgeübte Beruf bei der Konstruktion des Ichs eines Menschen beteiligt? Wenn die berufliche Kontinuität nicht mehr gegeben ist, dann tritt anstelle des Berufes eine Lernkomponente, um Identität aufrecht halten zu können. LANDWEHR (1996), der Schlüsselqualifikationen .ebenfalls aus soziologischer Perspektive betrachtet, argumentiert wie GEißLER/ ÜRTHEY aus der Annahme heraus, dass sich die gegenwärt1gen Industriegesellschaften in einem rasanten Umstrukturierungsprozess befinden, den er als Veränderung von einer mimetischen zu einer transfonnativen Kultur sieht: „Eine mimetische Kultur ist notwendigerweise eine konstante KUltur mit einem relativ stabilen Wissensbestand und einem Verhaltenskodex, der im wesentlichen über mehrere Generationen hinweg unverändert bleibt. Die Reproduktion des Bewährten ist in dieser Auffassung die wichtigste Aufgabe von SchUle und Erziehung" (LANDWEHR 1996: 90). FLmL 34 (2005) Sprachenlernen lebenslang: Eine Schlüsselqualifikation 89 Er fordert daher die Überführung einer mimetischen in eine transformative Unterrichtskultur, die es ermöglicht, immer wieder flexibel auf Änderungen zu reagieren. Schlüsselqualifikationen sind daher „transformative Kompetenzen", die sich primär auf Persönlichkeitskompetenzen wie „Offenheit", "Kreativität", "Problemlösefähigkeit" usw. beziehen. Dieser Ansatz ist so gut wie identisch mit dem Ansatz der Life-Span-Psychology nach BALTES, der weiter oben dargestellt wurde. Nach LANDWEHR haben diese Reflexionskategorien folgende Funktion: „Die Vorstellung, Schlüsselqualifikationen könnten im Sinne eines Jernzielorientierten Lehrgangs Schritt für Schritt vermittelt werden, ist vermutlich irreführend. Schlüsselqualifikationen Jassen sich nicht wie Lernziele umsetzen, sondern eher wie Reflexionsziele: Erfüllt werden sie dann, wenn die Lernenden ihr eigenes Handeln unter dem Gesichtspunkt der als relevant erachteten Schlüsselqualifikationen reflektieren" (1996: 97). Der 'Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen' (GeR) als Regelwerk innereuropäischen, institutionalisierten Sprachenlemens operiert mit dem Begriff der 'Kompetenzen'. Das entsprechende Kapitel wird mit den folgenden Sätzen eingeleitet: „Sprachverwendende und Sprachenlernende setzen eine Reihe von 'Kompetenzen' ein, die sie im Laufe früherer Erfahrungen entwickelt haben, um die in kommunikativen Situationen erforderlichen Aufgaben und Aktivitäten auszuführen, denen sie gegenüberstehen. Aber auch die Teilnahme an kommunikativen Ereignissen (natürlich einschließlich solcher, die speziell zur Förderung des Sprachenlernens gedacht sind) führt zur weiteren Entwicklung der Kompetenzen der Lernenden, die sie dann sofort, aber auch langfristig einsetzen können. Auf die eine oder andere Weise tragen alle menschlichen Kompetenzen zur Kommunikationsfähigkeit der Sprachverwendenden bei, sodass man sie als Aspekte der kommunikativen Kompetenz betrachten kann" (GOETHE-INSTITUT INTER NATIONES 2001: 103). Die Autoren differenzieren hier eine als übergeordnet angenommene Kompetenz der Kommunikationsfähigkeit, die einem nicht näher erklärten Kanon „menschlicher Kompetenzen" zugeordnet ist, von „den linguistischen Kompetenzen im engeren Sinne" (ebd.). Auf den folgenden Seiten werden diese beiden Kategorien aufgenommen als "allgemeine Kompetenzen" (ebd.: 103 ff) und „kommunikative Sprachkompetenzen" (ebd.: 109 ff), worunter die speziell fremdsprachenbezogenen Kompetenzen aufgeführt sind. Die Kategorie „allgemeine Kompetenzen" ist unterteilt in die Bereiche des „deklarativen Wissens (savoir)", des „prozeduralen Wissens (savoir-faire)" und der „persönlichkeitsbezogenen Kompetenz (savoir-etre)". Vor allem dieser letztgenannte Kompetenzbereich bezieht sich auf die oben genannten Schlüsselqualifikationen. Die Autoren des GeR listen eine lange Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen auf, wie „Einstellungen", "Motivation", "Wertvorstellungen" usw., die"[ ... ] nicht nur die Rollen der Sprachverwendenden/ Lernenden in kommunikativen Handlungen, sondern auch ihre Lernfähigkeit [... ] beeinflussen" (ebd.: 107). Auf die Wichtigkeit dieser Schlüsselkompetenzen, i.e. persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen, verweist die Frage, die in Richtung allgemeinpädagogischer Aufgaben zielt, nämlich: "Inwieweit kann die Persönlichkeitsbildung ein explizites Erziehungs- und Bildungsziel sein? " (s.o.). An dieser Stelle übersehen die Autoren die Tatsache, dass Persönlichkeitsfaktoren primär in informellen Kontexten lFLIIIL 34 (2005) 90 Annette Berndt ausgebildet werden, in unterrichtsfernen Situationen also. Einzig dem hermeneutisch orientierten Fremdsprachenunterricht kann so etwas wie eine übergeordnete Bildungsintention zugesprochen werden. Geht man nun von der Wichtigkeit persönlichkeitsbezogener Kompetenzen aus, müsste dieser Ansatz in der Fremdsprachenmethodik bzw. -didaktik mehr Berücksichtigung finden. Der GeR fordert die Bildung des Menschen über institutionalisierten Unterricht ein, stellt jedoch kommunikative Kompetenzen in den Vordergrund, nach Möglichkeit interkulturell geprägt. Dass Bildung zwar auch, aber nicht nur über kommunikative Akte verläuft, dürfte klar sein. Bildung funktioniert über inhaltsvolle Lernangebote, wie sie z.B. über literarische Texte transportiert werden. Diese sind im GeR jedoch nur kurz im Rahmen einer Textsortenau: flistung genannt (95 ff). Was ein hermeneutisch orientiertes Konzept für Fremdsprachenunterricht längst ermöglicht, nämlich die (interkulturelle) Bildung des Menschen über das einfache Sprachenlernen hinaus, fordert der GeR zwar ein, stellt die dazu notwendigen Instrumente jedoch nicht zur Verfügung (vgl. HUNFELD (2004: 55 f). 3. Fazit Es sind drei Hauptkomponenten, die meiner Ansicht nach pädagogische Kontexte und somit auch das Fremdsprachenlernen nicht nur älterer Menschen beeinflussen. Es ist erstens die Sicht des Lerners seiner selbst mit der Frage: "Sind Sprachenlernen und Verwendung einer Fremdsprache an der Konstruktion meiner Identität beteiligt? " Ob diese Frage mit ja oder nein beantwortet wird, hängt stark von außerunterrichtlichen Faktoren ab wie dem sozialen Umfeld und dem Stellenwert des Lernens dort und übergeordnet sicher auch dem Stellenwert des Lernens in der Gesellschaft. Zudem werden intraindividuelle Prozesse aktiv, denn Lernen kann durch punktuelle Erlebnisse und Einschnitte attraktiv bzw. unattraktiv werden (z.B. integrative Motivation durch den Wunsch, in einer Fremdsprache mit einer bestimmten Person zu kommunizieren). Die zweite Komponente ist die Sicht des Lehrenden auf den Lernenden, denn kaum wird man folgern können, dass anthropologische Modelle, auf denen bestimmte Methoden oder methodische Ansätze basieren, automatisch von Lehrpersonen adaptiert werden. Die Sicht des Lehrenden auf den Lernenden ist stark individuell geprägt und entwickelt sich im Laufe seiner spezifischen Sozialisation und auch im Zusammenhang mit seiner Lern- und Lehrbiografie. Vorstellbar ist - und vielleicht ist das gar nicht die Ausnahme eine Lehrperson, die nach Gesichtspunkten der Autonomieförderung zum Beispiel den Bereich der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht gestaltet. Die Lehrperson hat jedoch den Wunsch, alle Lerner auf demselben Wissensstand zu wissen; über Testinstrumente wird sie erfahren, dass der Wissensstand inhomogen ist. Die hohe Ambiguitätstoleranz, die konstruktivistisch organisierter Unterricht fordert, kann von dieser Lehrperson nicht eingefordert werden, da Lernende für sie keine Individuen mit individuellen Kompetenzen und Wissensdesideraten sind, sondern Teil einer homogen gewünschten Menge von Lernenden. In ähnlichem Zusammenhang verweist BLEYHL auf die Brisanz individueller Modelle vom Lernenden seitens des Lehrenden: lFLllllL 34 (2005) Sprachenlernen lebenslang: Eine Schlüsselqualifikation „Insgesamt scheint das auf sein Menschenbild zurückgehende Verhalten des einzelnen Lehrers von entscheidender Bedeutung zu sein, wenn es darum geht, ob er den Lernbedingungen seiner Schüler gerecht werden kann oder nicht" (2004: 210). 91 Als dritte Komponente ist die Transformativität nicht nur der beruflichen Bereiche, sondern auch der Bedingungen unterrichtlichen Geschehens zu nennen, denn der Fremdsprachenunterricht wird im Laufe der Jahrzehnte vor immer neue Aufgaben gestellt werden. Die 'Rettung' aus einer derartigen, ein hohes Maß an Flexibilität verlangenden Situation bringen Instrumente, die situationenübergreifend intervenieren: eben Schlüsselqualifikationen. Da diese keine getrennten Lernaufgaben darstellen, sondern inhaltsgebunden sind, ist die Frage nach den Kompetenzen, die ein Mensch haben sollte, um lebensbegleitend immer wieder (Sprach-)lernaufgaben meistern zu können, nur über den Bereich der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen zu beantworten. In einer Umwelt mit beschleunigten Veränderungen kann einzig der Rückzug auf das lernende Subjekt und seine Konstanz in bestimmten lernfördernden Charakteristika (Offenheit, Kommunikationsfähigkeit usw.) zu einer positiven Prognose lebensbegleitenden Lernens führen. Die vorangegangene Argumentation basiert allerdings auf der Idee einer Kontinuität der breiten Verteilung von Wissen und damit einem institutionalisierten Angebot von Lernmöglichkeiten, wie sie demokratische Systeme im Idealfall anbieten. Diese Kontinuität scheint plausibel, denn Schlüsselqualifikationen sollen ja kompensieren, was heutige Berufsangebote offenbar nicht mehr leisten können, nämlich die Adaptation einmal erworbenen Wissens über einen langen Zeitraum (s.o.) an neue Situationen. Schlüsselqualifikation gelten daher als Rettungsanker in transformativen Entwicklungen. Wie besagte Transformationen auch Veränderungen in der Kontinuität von Lernangeboten mit sich bringen, bleibt dabei offen, denn die Voraussetzungen, die lebensbegleitendes Lernen und auch Fremdsprachenlernen im Laufe der kommenden Jahrzehnte vorfinden werden, können noch nicht erfasst werden. Ob diese Sprachlernbegegnungen erfolgreich sein werden, hängt im Wesentlichen von der Persönlichkeit der Lernenden und von den Angeboten ab, die über Medien und Institutionen zugänglich sein werden. Denkbar sind auch Szenarien, zumindest innerhalb Europas, wo Europäer entsprechend ihrer Sprachkenntnisse (Ll plus L2 Englisch plus weitere) eingesetzt werden: An die Stelle der Flexibilität des Individuums vor Ort könnte die Flexibilität des Individuums bezüglich der Orte treten (eine Entwicklung, die in den USA längst stattfindet). Und auch hier müsste das Individuum die Konstruktion seines Ichs transformieren, denn der Pfeiler der örtlichen Konstanz, wenn vorhanden, fällt weg. Schlüsselqualifikationen fremdsprachenlernspezifisch zu isolieren ist also nicht sinnvoll, es sei denn, man subsumiert Lernstrategien- und -techniken unter diesen Begriff, was aber nach den vorangegangenen Definitionen seitens der Bezugswissenschaften nicht angebracht erscheint. Vielmehr sind für erfolgreiches Fremdsprachenlernen im Laufe des Lebens die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen hilfreich, die Menschen in den unterschiedlichsten Lernaufgaben, die Leben stellt, erfolgreich sein lassen. Die große Ablehnung, die die Idee lebenslangen Lernens erfährt - und an dieser Stelle verweise ich auf die ersten Sätze des Interviews am Beginn dieses Artikels beruht auf der irrtümlichen Annahme, lebenslanges Lernen geschehe nur in formalen Zusammenhängen. Sieht lFLllllL 34 (2005) 92 Annette Berndt man einmal von den Menschen ab, deren Beruf auf permanentem Weiterlernen basiert, so sind Lernvorgänge im Laufe des Lebens primär informeller Natur und somit der Selbststeuerung des Menschen überlassen. Eine Diskussion von Bildungsaspekten in Lernzusammenhängen wäre daher eine wünschenswerte Komponente einer zeitgemäßen Didaktik, die auf vorgegebene Floskeln verzichtet und auf aktuelle Entwicklungen reagiert. Literatur AMELANG, Manfred / BARTUSSEK, Dieter (2001): Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer. BALTES, Paul B. (1990): "Entwicklungspsychologie der Lebensspanne: Theoretische Leitsätze". In: Psychologische Rundschau 41, 1'---21. 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Die Situation des fremdsprachlichen Literaturunterrichts heute Die fremdsprachliche Literaturdidaktik steht mit dem Rücken zur Wand. Viele Fremdsprachendidaktiker mag diese Behauptung erstaunen, denn der Umgang mit authentischen literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht hat in den letzten Jahren in Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten große Aufmerksamkeit erhalten. Besonders die enge Verbindung, die literaturdidaktische Überlegungen mit der Didaktik des Fremdverstehens eingegangen sind, hat der Diskussion um den fremdsprachlichen Literaturunterricht neue Impulse gegeben. Wichtig war dabei die Absicht, den schulischen Umgang mit authentischen Texten enger an die lebensweltlichen Bedingungen der Lernenden zu binden (NÜNNING 2000, BREDELLA/ BURWITZ-MELZER 2004). Die Erschließung fremder, zielsprachiger Kulturen in einem multikulturellen Klassenzimmer in Deutschland ist heute ein realistisches fach- und literaturdidaktisches Ziel. Zugrundeliegend sind dabei vor allem Konzepte des interkulturellen Lernens und der Rezeptionstheorie, die in der Literaturdidaktik große Wirkung entfaltet haben. Lerntheoretische und entwicklungspsychologische Überlegungen haben dafür gesorgt, dass für den Umgang mit Literatur im Fremdsprachenunterricht eine größtmögliche Methodenvielfalt entwickelt wurde, die kognitive und kreative Aufgaben zur Erschließung der literarischen Texte miteinander verbinden sollte (CASPARI 1994, BURWITZ-MELZER 2003). Der Einbezug elektronischer Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eva BURWITZ-MELZER, Univ.-Prof'in, Justus-Liebig-Universität Gießen, Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Otto-Behaghel-Str. l0B, 35394 G1EßEN. E-Mail: Eva.Burwitz-Melzer@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Literaturdidaktik, empirische Unterrichtsforschung, Frühenglisch-Unterricht und die Übergangsproblematik, Portfolio-Assessment. lFLll.lL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 95 Kommunikationsmedien in den Literaturunterricht soll es Lernenden ermöglichen, sowohl mit anderen Kulturen selbst in Kontakt zu treten und über Literatur zu kommunizieren als sich auch zusätzlich web-basierte Informationen über Literatur und fremde Kulturen zu erschließen. Diese ausgesprochen fruchtbare literaturdidaktische Diskussion findet neue Anregungen auch in der Literaturwissenschaft, die die Kulturwissenschaften noch stärker als bisher als Bezugswissenschaft auch für die Literaturdidaktik empfiehlt (BACHMANN-MEDICK 1996, NüNNING & NüNNING 2000, HALLET 2002). Betrachtet man allerdings die unterrichtliche Realität, so scheinen die eben skizzierten Konzepte nur wenig Resonanz im Alltag zu finden. Zumindest zeigen die wenigen empirischen Forschungsprojekte, die zum fremdsprachlichen Literaturunterricht durchgeführt wurden, diese Tendenz: Im Literaturunterricht scheint die Zeit eher stillzustehen, es herrscht zumeist noch der „heimliche Kanon" (BENZ 1990) in der Literaturdidaktik; aktuelle Texte der letzten Jahre, Minderheitenliteraturen und postkoloniale Literaturen werden nur selten mit einbezogen. Kreative Verfahren werden zwar benutzt, doch werden sie oft nicht in die mündliche Textarbeit eingebunden und durch sinnvolle Unterrichtsgespräche gestützt (BURWITZ-MELZER 2004). Zahlreiche Fallstudien (DELANOY 1999, KüPPERS 1999, HELLWIG 2000, BURWITZ-MELZER 2003) belegen erhebliche handwerkliche und methodische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der interkulturell ausgerichteten literaturdidaktischen Konzepte in den Schulalltag und nur wenige erfolgreiche Bemühungen, multikulturelle Realität in den Klassenzimmern des FU anzuerkennen (Hu 2003). Viele Lehrkräfte, die zu dieser Problematik befragt wurden, äußern eine große Unkenntnis der neuen, interkulturell ausgerichteten Literaturkonzepte, und nur wenige, besonders engagierte Lehrkräfte setzen die im letzten Jahrzehnt diskutierten neuen Theorien und Methoden im fremdsprachlichen Literaturunterricht wirklich um (HELLWIG 2000, BURWITZ-MELZER 2003, BURWITZ-MELZER 2004). Auch die flächendeckende Einführung des grundschulischen Fremdsprachenunterrichts, die seit zwei Jahren eigentlich dafür Sorge tragen soll, dass Lernende zu Beginn der Sekundarstufe bereits auf ein gesichertes Vokabular, auf eine rudimentäre Beherrschung der vier Fertigkeitsbereiche und auf eine Lese-Enkulturation in der ersten Fremdsprache zurückgreifen können (CHRIST [et al.] 2002, BURWITZ-MELZER 2004), hat bisher nicht dazu beigetragen, den Einsatz von literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht zu verstärken. Das liegt zum großen Teil in der Übergangsproblematik begründet, in der Tatsache nämlich, dass der Englischunterricht der Primarschuljahre und der der Sekundarstufen immer noch nicht als Kontinuum wahrgenommen und in den heute noch gültigen, nach Primar- und Sekundarstufe geteilten Curricula auch kaum berücksichtigt wird. Erst sehr langsam setzt sich bei Lehrkräften der Sekundarstufe der Gedanke durch, dass man auf den in zwei oder sogar vier Jahren bereits erworbenen Englischkenntnissen durchaus sinnvoll aufbauen und dieses Basiswissen gerade auch gewinnbringend für das Lesen fremdsprachiger authentischer Texte nutzen könnte. Eine so defizitäre Praxis lädt natürlich zu Attacken auf den Literaturunterricht förmlich ein. Diese kommen wie schon öfters zu beobachten auch heute im Zuge bildungspolitischer Entwicklungen auf den Fremdsprachenunterricht zu. Zu beobachten sind sie (a) im Entwurf neuer Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe und (b) bei der EinlFJLu][, 34 (2005) 96 Eva Burwitz-Melzer führung bundesweiter „Bildungsstandards" und der damit eng verbundenen Auseinandersetzung um Lehrinhalte des Englischunterrichts. 2. Die Diskussion um ein Kerncurriculum der Oberstufe Die Diskussion um ein Kerncurriculum für die Oberstufe im Fach Englisch wurde angeregt durch Expertisen im Auftrag der KMK (vgl. TENORTH 2001). Zwar wäre es bei der Planung einer Neuorientierung der gymnasialen Oberstufe sinnvoller gewesen, zunächst empirisch einen Sachstand festzustellen, dann Standards zu formulieren und schließlich ein Kerncurriculum zu entwerfen, doch mussten hier offenbar Expertisen ohne empirische Fundierung genügen, was einige der Experten auch erwähnen und beklagen (KUPPEL 2001: 203, SCHRÖDER 2001: 183 f). Für die Autoren stellen sie aber dennoch wichtige Schritte auf dem „Weg zu einer reflektierten Normierung und Qualitätssicherung" des Oberstufenunterrichts dar, wobei ihr Schwerpunkt im Wesentlichen auf der „Reflexion der gegebenen und in der Kritik von überholten Lehr- und Lernformen, im Vorschlag einer anderen Praxis der Gestaltung von Unterricht" (TENORTH 2001: 17) liegt. Eine empirische Bestandsaufnahme des Ist-Zustands in gymnasialen Grund- und Leistungskursen können diese Expertisen aber nicht ersetzen, gerade ihre Äußerungen über den Einsatz von Literatur im Englischunterricht sind oft impressionistisch oder basieren auf eigenen, weit zurückliegenden Erfahrungen der Autorinnen und Autoren bzw. auf Betrachtungen aus der Perspektive der Universität. Obwohl die in dem Band zusammengefassten Expertisen für das Fach Englisch sich in ihrer Kritik und in ihren Verbesserungsvorschlägen stark voneinander unterscheiden, ist den Beiträgen von SCHRÖDER (2001), KUPPEL (2001) und ZYDATiß (2001) doch eines gemeinsam: Ihre durchgängig kritische Einstellung gegenüber dem traditionellen Literaturunterricht wissenschaftspropädeutischer Ausprägung in der Oberstufe, wie er ihrem Vernehmen nach heute in den Grund- und Leistungskursen des Englischunterrichts zu finden sei. An dieser Stelle soll jedoch aus Platzgründen nur der Beitrag von Konrad SCHRÖDER näher betrachtet werden. SCHRÖDER stellt zu Beginn seiner Expertise Zielsetzungen für ein Kerncurriculum Oberstufe Englisch auf, das sieben „Bausteine" enthält, womit vor allem sprachliche Lernziele gemeint sind: "anspruchsvolle Korrespondenz", "telephone skills", "strategisches kommunikatives Verhalten", die „Einübung in anspruchsvolle Formen des Hörverstehens", "kreatives Schreiben", ein „kommunikativer Umgang mit Affekten und Emotionen" und „anspruchsvolle Reparaturtechniken" (SCHRÖDER 2001: 167). Die Berücksichtigung neuer Medien und eine metasprachliche Aufarbeitung der Lernprozesse sind ihm im Zusammenhang mit diesen sprachlichen Lernzielen besonders wichtig. Seine Desiderata für einen verbesserten Landeskunde-Unterricht und interkulturelles Lernen zeigt noch eine starke Bindung an deklaratives Wissen und veraltete eurozentrische Konzepte, wenn er den „Erwerb eines exakten historischen Überblickswissens bezogen auf Großbritannien und die USA" und sehr global „Erziehung zur Toleranz" fordert, die Zusammenhänge zwischen der Förderung von Empathie, Perspektivenwech- ]Fl,ruJ]L 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 97 sel und Perspektivenkoordination aber noch nicht einmal erwähnt (SCHRÖDER 2001: 169). Polemisch und „bewusst holzschnittartig" (ibid.: 166) kritisiert SCHRÖDER die heutige Ausrichtung des Englischunterrichts auf der Sekundarstufe II, wobei er allerdings zugeben muss, nicht ausreichend auf empirisches Material zurückgreifen zu können. In seinen Ausführungen schickt er daher anonyme „Kritiker" vor: „Die Kritiker des Englischunterrichts der Sekundarstufe II führen ins Feld, dass der bisherige Oberstufenunterricht kommunikationspraktisch wenig effektiv arbeite. Die Zuwachsrate im Bereich des sprachlichen und kommunikativen Könnens flache nach Klasse 10 in dramatischer Weise ab; der Aufbau pragmatischer und kultureller Kompetenz werde gänzlich versäumt. Wichtige lebenspraktische Teilbereiche wie etwa anspruchsvolle telephone skills oder das Training der Verhandlungsfähigkeit, aber auch der Erwerb der Fähigkeit, wohl dosiert Kritik zu äußern, und schließlich der Gesamtbereich der language of emotion gerieten gar nicht erst ins Blickfeld. Dies hänge mit der Tatsache zusammen, dass der gesamte Englischunterricht der Sekundarstufe II immer noch zu literarisch ausgerichtet sei (nicht zuletzt als Frucht der einseitig literarischen Ausbildung einer überalterten Lehrerschaft) und dass bedingt durch die Einseitigkeiten der Textaufgabe des Abiturs die kognitive Textkommentierung alle anderen sinnvollen kommunikativen Ausdrucks- und Übungsformen an den Rand dränge" (ibid.: 165). SCHRÖDER gibt zwar zu, dass der Literaturunterricht in der Sekundarstufe II das Ziel hat "auf einen anspruchsvollen lebenslangen Umgang mit Literatur und Literaturbetrieb vorzubereiten" (ibid.: 172), doch spricht er dem heutigen Literaturunterricht im FU den „mündigen Umgang mit fremdsprachlicher Literatur vor dem Hintergrund eines soliden Überblickswissens" rundweg ab (ibid.: 172). Er fordert ein solches Überblickswissen in wenig nachvollziehbarer nationaler Beschränkung für „englische und amerikanische Literaturgeschichte" (ibid.) und glaubt, durch ein verstärktes Heranziehen von Anthologien den Unterricht bereits verbessern zu können. Anstelle von Themen, die er für den „mündigen Umgang mit Literatur" vorschlagen möchte, kann er allerdings nur recht vage Fragen aufwerfen: "Worin liegt das besondere eines fiktionalen Textes? [...] Was konstituiert die 'Größe' eine Autors? " (ibid.: 173) Eine solche Kritik am Literaturunterricht ist zu pauschal und vorurteilsbeladen, die „Verbesserungsvorschläge" für einen mündigen Unterricht erscheinen kurzsichtig und in unzulässiger Weise auf landeskundliche Wissensvermittlung ausgerichtet (vgl. ibid.: 168 f). Der Einsatz literarischer Texte als Repräsentanten kultureller Vielfalt, als fruchtbare Belege für das Zusammenspiel von Sprache und Kultur wird hier noch nicht einmal angedacht. Die von Schröder für den Oberstufenunterricht vorgeschlagenen Themenbereiche oszillieren zwischen „Soap Operas als angelsächsischem Phänomen" und „dem Phänomen Hollywood", dem "Londoner Theaterleben heute" und „spezifisch angelsächsischen Beiträgen zur literarischen Entwicklung" (ibid.: 172). Damit hat er einen auf Großbritannien und die USA begrenzten Katalog entworfen, der die Fülle postkolonialer Kulturen mit ihren wertvollen literarischen Beiträgen einfach negiert. Gerade in einem Englischcurriculum der Oberstufe, das sich auf mehr als zehn Jahre Sprachunterricht stützen kann, sollte eine solche unzulässige Einengung des Kanons aber vermieden werden. Dass der Umgang mit authentischen literarischen Texten zu einer verstärkten Auseinanderset- FL11L 34 (2005) 98 Eva Burwitz-Melzer zung mit interkulturellen Lerninhalten und zur Empathiebildung bei Lernenden beitragen kann, wie inzwischen erwiesen ist (BURWITZ-MELZER 2003), wird in Schröders Text einfach ignoriert. Die Expertise, die SCHRÖDER im Auftrag der KMK erstellt hat, zeigt m. E. zwei Dinge sehr deutlich: 1. Wir wissen zu wenig über den tatsächlich stattfindenden Literaturunterricht in der Oberstufe, aber auch in allen anderen Schulformen und -stufen. So kann man Behauptungen, der Literaturunterricht schule nicht die kommunikative Kompetenz oder wirke sogar den sprachlichen Lernzielen des Fremdsprachenunterrichts entgegen, nur Verweise auf wenige Fallstudien und die vielfältigen potentiellen Möglichkeiten des Einsatzes literarischer Texte entgegensetzen. 2. Es ist eine Tendenz in der fremdsprachlichen Fachdidaktik zu verzeichnen, die wie in den 70er Jahren schon einmal fremdsprachliche und kommunikative Lernziele als abgetrennt von jenen Lernzielen wahrnimmt, die mit dem Einsatz von Literatur erreicht werden können. Diese Tendenz ist wenig fruchtbar und auch realitätsfern; zudem ignoriert sie die Tatsache, dass Arbeit an und mit Literatur immer auch Spracharbeit ist - und zwar auf einem sehr hohen Niveau. Wenn man Schröders eingangs erwähnte kommunikative Lernziele noch einmal genauer betrachtet, erkennt man sehr deutlich, dass diese auch bei einem geschickten Einsatz literarischer Texte erreicht werden können, denn: Eine sorgfältige Textarbeit erfordert sowohl die Bewältigung schriftlicher Aufgaben wie auch eine angeregte mündliche Auseinandersetzung der Lernenden miteinander, die kommunkationstechnisch anspruchsvoll und auch hinreichend strategisch geschickt sein muss, um im multiethnischen Klassenzimmer erfolgreich zu sein. Sie verlangt nach „anspruchsvollen Formen des Hörverstehens" (SCHRÖDER 2001: 167) etwa beim Besuch fremdsprachiger Theaterstücke oder beim Anschauen eines Spielfilms sowie den Umgang mit komplexen Affekten, Emotionen und emotionaler Sprache. Warum z.B. ausgerechnet die language of emotion laut SCHRÖDER im Literaturunterricht nicht geübt werde, wird von ihm ohnehin nicht weiter begründet. Eine metasprachliche Aufarbeitung der Lernleistungen kann auch im Rahmen einer Unterrichtseinheit mit literarischen Texten problemlos erfolgen ab Ende der Mittelstufe auch in der Zielsprache Englisch (vgl. dazu die Fallstudie von BURWITZ-MELZER 2003). Schröder glaubt, in seinem Kerncurriculum eine deutliche pragmatische Wende unternehmen zu müssen, um diese Lernziele irn Unterricht der Oberstufe zu erreichen. De facto kann man aber die oben zitierten wie auch viele weitere Lernziele ohne Schwierigkeiten auch mit einem anspruchsvollen interkulturell ausgerichteten Literaturunterricht realisieren. SCHRÖDER hat diese Lernleistungen nur in einem alltagssprachlich ausgerichteten Kontext angesiedelt und nicht erkannt, dass auch die Auseinandersetzung über Literatur pragmatischen Nutzen haben kann: Damit hat er den Literaturunterricht in der Oberstufe erheblich unterschätzt. Diese Attacke gegen den Literaturunterricht läuft folglich meines Erachtens schon aus diesem Grund ins Leere. lFL1llllL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 99 3. Die „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss" Die ernüchternden Resultate der PISA-Studien und das mit Sorge erwartete Ergebnis der DESI-Studie haben Schulpolitiker in Bund und Ländern unter Druck gesetzt. Öffentlichkeitswirksam einigte sich die Kultusministerkonferenz im Dezember 2003 auf die Verabschiedung von sogenannten „Bildungsstandards", die ohne gesicherte Forschungsgrundlage unter Mitwirkung von Erziehungswissenschaftlern sowie einiger weniger Fachdidaktiker entstanden sind. Neben politischen Motiven sind es auch inhaltliche Gründe, die zur Entstehung der „Bildungsstandards" beitrugen: Die KMK hofft, durch ein Fundament aus Standards eine einheitlichere Struktur in das deutsche Bildungswesen zu bringen, indem Schülerleistungen in verschiedenen Bundesländern vergleichbar gemacht werden. Vielleicht strebt man sogar einen internationalen Vergleich an sowie mehr Transparenz in der Notenvergabe, da die Standards und die zugehörigen Aufgabenbeispiele auch den Testgütekriterien Validität, Objektivität und Reliabilität genügen sollen. Sicher waren die Ländervertretungen in der KMK auch der Meinung, durch „Bildungsstandards" den Anteil der Lernenden verringern zu können, die es nur bis zu den unteren Kompetenzstufen schaffen oder in ihren Lernerfolgen sogar darunter bleiben. Man versprach sich darüber hinaus wohl auch gewisse Erleichterungen für die Lehrkräfte: Sie würden sich auf die „Bildungsstandards" verlassen können, sie erhielten valide Aufgaben und methodische Hinweise, wie die Kompetenzstufen zu erreichen seien, sie könnten endlich aussagekräftige Beiträge zur Schullaufbahn-Beratung ihrer Lernenden leisten. Ganz abgesehen von diesen wünschenswerten Erleichterungen glaubte man, auch die Einführung von „Bildungsstandards" nehme Lehrkräfte stärker in die Pflicht, da sie ergebnisorientiert lehren müssten (vgl. BECKER 2004: 16 f). Die Kultusministerien der Länder tun auf der länderpolitischen Ebene ein Übriges: Sie entwickeln Kerncurricula, diskutieren über Lernstandserhebungen und -diagnosen, ohne dass bisher hinreichende Klarheit über diese Begriffe herrscht. Auch die Länder handeln und diskutieren ohne solide empirische Grundlage, oft sogar ohne wissenschaftliche Beratung. Die so entstehenden Konzepte und Vorlagen werden das pädagogische, didaktische und fachdidaktische Handeln im Fremdsprachenunterricht unserer Schulen aber über Jahre hinaus bestimmen. Für den Fremdsprachenunterricht stellen die „Bildungsstandards" zwar die Chance dar, den Unterricht über eine stärkere Ergebnisorientierung erfolgreicher zu machen, mit Regel- oder Mindeststandards eine Lehrleistung zu garantieren und Lehrenden klarere Vorgaben zu machen, doch beinhalten sie bei genauer Lektüre auch die Gefahr, den fremdsprachlichen Literaturunterricht über einer stark favorisierten pragmatischen Lernzielorientierung in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein Blick auf die Struktur dieses bildungspolitischen Dokuments, seine Formulierungen und vor allem auf seinen Umgang mit der Literaturdidaktik in den Beispielaufgaben soll dies erläutern. Die „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss" sind nach Kompetenzbereichen gegliedert. Zum einen wird damit die seit den 70er Jahren bekannte Diskussion um Operationalisierbarkeit von lFLllllL 34 (2005) 100 Eva Burwitz-Melzer Lernzielen aufgegriffen, zum anderen lehnt man sich im Teil „Fremdsprachen" stark an das Kompetenzstufenmodell des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (EUROPA- RAT 2001) an. Während es in Lernbereichen wie Mathematik, Naturwissenschaften, Sport etc. recht leicht sein mag, Leistungen zu standardisieren und zu operationalisieren, fällt eine solche Normierung in Lernbereichen, die auf kreativen Sprachleistungen mit schöpferischen und oft langwierigen Lernprozessen, mit Variabilität, Flexibilität sowie Originalität gründen, ungleich schwerer. Es wird gerade unter Geisteswissenschaftlern eine große Zahl von Gegnern dieser Operationalisierungsversuche geben, die meinen, dass Wertvorstellungen, Einstellungen, Meinungen, um die es im Fremdsprachenunterricht auch immer gehen muss und soll, nicht so leicht in Kompetenzstufen definiert werden können (vgl. BAUSCH [et al.] 2005). Die Autoren der „Bildungsstandards" ziehen sich auf drei Kompetenzbereiche für den Fremdsprachenunterricht zurück, die Bereiche der kommunikativen, der interkulturellen und der methodischen Kompetenzen. Stringent, wenn auch nicht ohne Mängel (vgl. hierzu QUETZ 2002, 2004) sind die Formulierungen der „funktionalen kommunikativen Kompetenzen", die in enger Anlehnung an den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (EUROPARAT 2001) Leistungen in den fünfFertigkeitsbereichen und im Struktursystem der Fremdsprache beschreiben. In diesem Bereich geht es auch um den Einsatz von Texten im Fremdsprachenunterricht. Doch ist bereits der Gebrauch des Textbegriffs problematisch für die Literaturdidaktik, da in der Regel nicht literarische Texte gemeint sind und sich nur selten Aufgabenbeispiele auf beide Textsorten, nicht-literarische und literarische Texte gleichzeitig beziehen. So werden in dem Bereich „Kommunikative Fertigkeiten" auch Filme und Texte erwähnt, die für das Hör- und Leseverstehen wichtig sind. Einen Verweis auf Spielfilme gibt es aber nicht, der auf Texte erfolgt zunächst global: "Die Schülerinnen und Schüler können weitgehend selbstständig verschiedene Texte aus Themenfeldern ihres Interessen- und Erfahrungsbereichs lesen und verstehen" (KMK 2004: 12). Im Folgenden wird diese Kompetenz für literarische Texte näher spezifiziert: Die Schülerinnen und Schüler können ■ in kürzeren literarischen Texten (z.B. Short stories) die wesentlichen Aussagen erfassen und diese zusammentragen, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen, ■ die Aussagen einfacher literarischer Texte verstehen (ibid.). Bemerkenswert sind an dieser Kompetenzbeschreibung zwei Aspekte: zum einen ist die Formulierung selbst sehr vage, wie viele Kompetenzbeschreibungen im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen: Was bedeutet es, einen literarischen Text zu „verstehen"? Ist damit ein oberflächliches Verstehen der Handlungszusammenhänge gemeint, sollen die Protagonisten „verstanden" werden, ist an Perspektivenwechsel und ein „Mitleiden" gedacht? Oder geht es vielmehr um das Entschlüsseln historischer oder kultureller Details (vgl. QUETZ 2002: 218)? Der Begriff ist, wie im Referenzrahmen, in einem alltagssprachlich naiven Sinn gebraucht und nicht unter Bezug aufkognitionspsychologische Modelle z.B. nach Verarbeitungstiefe differenziert. Literarisches Verstehen verlangt ja eine tiefere Verarbeitung als etwa die selektive Informationsentnahme aus einem Fernsehprogramm. fl,m., 34 (2005) Kompetenzen fur den Literaturunterricht ... 101 Hier tappen die Standards in die gleiche Falle wie der Referenzrahmen (vgl. ALDERSON [et. al.] 2004, QUETZ 2004). Zum anderen scheint mir in den sehr vage gehaltenen Kompetenzen eine beklagenswerte Unterforderung der Lernenden zu liegen. Wesentliche Aspekte eines Textes können auch bereits Lernende der 3. und 4. Klassen „erfassen" und „zusammentragen", wenn es sich um inhaltliche Aussagen handelt. Ein literarischer Text enthält aber auf vielen verschiedenen Ebenen viele facettenreiche Aussagen, die z.B. kultureller, emotionaler, metaphorischer oder ästhetischer Natur sein können. Hier fehlt den Autoren offensichtlich nicht nur die Kenntnis kognitionspsychologischer Forschung, sondern auch die von literarischen Texten und der Mut zum Operationalisieren von Schülertätigkeiten im Umgang mit ihnen, die es Lehrkräften erst ermöglichen, Texte im Unterricht sinnvoll einzusetzen und dabei für die Jahrgangsstufe 10 passende und realistische Ziele zu verfolgen. Im Bereich der „interkulturellen Kompetenzen", die systematisch in Form eines Orientierungswissens zu exemplarischen Themen und Inhalten auszubilden sind, wird die Operationalisierung noch schwieriger: Auf der Basis des Orientierungswissens soll "Interesse und Verständnis für andere kulturspezifische Denk- und Lebensweisen, Werte, Normen und Lebensbedingungen" entwickelt werden (KMK 2004: 10). Es sollen tolerante und kritische Vergleiche mit englisch- und französischsprachigen Kulturen vorgenommen werden, um „soziokulturelles Orientierungswissen", "Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Differenz", sowie „Strategien und Fähigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen" auszubilden (ibid.). Die Autoren erwähnen explizit, dass interkulturelle Kompetenzen „mehr als Wissen und mehr als eine Technik" seien (ibid.: 16), eine interkulturell ausgerichtete Unterrichtsarbeit mit literarischen Texten, Spielfilmen, Theateraufführungen etc. erwähnen sie jedoch nicht, obwohl durch empirische Unterrichtsforschung bereits belegt wurde, dass mit Hilfe authentischer Literatur der Weg ins interkulturelle Lernen erheblich gefördert werden kann (BURWITZ- MELZER 2003). Da die interkulturellen Kompetenzen in diesen Ausführungen ohne inhaltliche Anbindung, Aufgabenbeispiele oder Unterrichtsmodelle formuliert werden, bleiben sie für Lehrkräfte in allen Schulformen vage und schwer umsetzbar. Es steht zu befürchten, dass vor allem leicht überprüfbares deklaratives Wissen weiterhin schwerpunktmäßig im Unterricht behandelt werden wird, zumal es dezidiert von den Standards eingefordert wird. Der dritte Kompetenzbereich bezieht sich auf methodische Lernziele, d.h. fachliche und fachübergreifende Arbeitstechniken wie Lernstrategien und Lernorganisation, schließt aber auch Lese-, Interaktions- und Darbietungstechniken und die Fähigkeit zur Selbstevaluation ein. Die „methodischen Kompetenzen" erwähnen nur an einer Stelle die Arbeit mit „literarischen Kleinformen" (KMK 2004: 17), dabei bleiben die Definitionen im Kompetenzbereich unklar, die Methoden selbst zeichnen sich durch Redundanzen und Oberflächlichkeit aus. Hier das Beispiel aus dem Bereich Hör- und Leseverstehen: Textrezeption (Leseverstehen und Hörverstehen) Die Schülerinnen und Schüler können JFL1.lllL 34 (2005) 102 Eva Burwitz-Melzer ■ verschiedene Hör- und Lesetechniken auf unterschiedliche Textarten (z.B. Sachtexte, Artikel, literarische Kleinformen) anwenden, ■ sich schnell einen groben Überblick über den Inhalt eines Textes verschaffen, ■ wichtige Details durch Unterstreichen markieren, ■ wichtige Textstellen durch farbliches Hervorheben, durch das Notieren von Stichworten und durch ordnende ergänzende Randnotizen besonders kenntlich machen. (KMK 2004: 17) Wieder stößt man auf die aus dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen übernommenen semantischen Ungenauigkeiten (vgl. ALDERSON et al. 2004; QUETZ 2002 und 2004): Was bedeutet es zum Beispiel sich einen „groben Überblick" über einen Text zu „verschaffen": Ist damit gemeint, dass Lernende den Inhalt eines Textes wiedergeben können, seine Protagonisten benennen, sich mit wenigen Sätzen zu seinem Aufbau, seinen Gattungsmerkmalen äußern oder zunächst einmal einen persönlichen Eindruck vom Text formulieren sollen? Die Aufzählung der anderen „Feinkompetenzen" macht diese Formulierungen nicht anschaulicher: Hier wird in bester Klippertscher Manier sogar zweimal auf farbliches Markieren und Unterstreichen verwiesen, während der große und inhaltlich weitaus zentralere Komplex des Textverstehens rasch und oberflächlich abgehandelt wird. Was bedeutet es aber, verschiedene Hör- und Lesetechniken anzuwenden? Ist hier auch an Unterrichtsgespräche und Perspektivenwechsel gedacht worden? Auf die verschiedenen Textsorten mit ihren unterschiedlichen Anforderungen an die unterrichtliche Umsetzung wird ebenfalls nicht weiter eingegangen. Die Aufgabenbeispiele, die den Kompetenzbeschreibungen in dem Dokument folgen, sollen diese konkretisieren und gleichzeitig eine Grundlage für die Feststellung des Lernstandes beim Erwerb des Mittleren Schulabschlusses darstellen. Zwar ist es richtig, dass Beispielaufgaben für Lehrkräfte eine gewisse Erleichterung bedeuten, doch gibt es auch hier einige eklatante Mängel. Erstens gibt es leider nicht für alle drei Kompetenzbereiche gleichermaßen Beispiele, sondern nur für den ersten Bereich, der die kommunikativen Fertigkeiten definiert. Diese Aufgaben sind relativ einfach zu erstellen, während Aufgaben, die den zweiten Bereich, die interkulturellen Kompetenzen, konkretisieren könnten, nicht erstellt worden sind, da interkulturelles Lernen hier (wie oben bereits beschrieben) losgelöst von Lerninhalten betrachtet wird. Der Bereich der methodischen Kompetenzen ist wegen seiner oberflächlichen Ausführung bei komplexen Fertigkeiten wie Hör- und Leseverstehen einerseits und seiner banalen Kompetenzbeschreibungen wie Unterstreichen und Markieren andererseits ebenfalls nicht befriedigend abgebildet. Hier besteht die begründete Gefahr, dass bei teaching to the test Lehrkräfte dazu übergehen werden, nur das zu lehren, was später gut geprüft werden kann. Damit ist ein großer Verlust an zentralen Lerninhalten insbesondere in jenen Bereichen, die sich mit dem Einsatz von Literatur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I beschäftigen, zu befürchten. Zweitens bedeutet eine Konkretisierung, die sich in einem Aufgabenbeispiel erschöpft, auch immer eine Festlegung auf dieses Beispiel. Die Lehrkräfte, denen von den Autoren aufgetragen wird, die Aufgaben in situative Kontexte einzubetten, werden ihren Unter- JFLl.llL 34 (2005) Kompetenzenfar den Literaturunterricht ... 103 richt also in Hinblick auf die Beispiele ausrichten und „verschlanken". Eine größere Auswahl an Aufgaben würde für mehr Freiheit beim Prüfen und beim vorhergehenden Unterricht sorgen. Drittens gibt es auch inhaltlich etwas zu bemängeln: Ein Beispiel illustriert die Kompetenzbeschreibung, sich aus einem längeren Text „gewünschte Informationen" zu beschaffen und eine „bestimmte Aufgabe zu lösen" (ibid.: 32 f). Zur Lösung der Aufgabe bieten die Autoren einen Auszug aus einem literarischen Text, einer asiatisch-amerikanischen Kurzgeschichte, an. Die Aufgabenstellungen nach dem Lesen des Textes erfordern das Füllen eines Lückentextes und das Erstellen einer mind map zu den verschiedenen Charakteren. Hier wird Lehrkräften vorgeführt, wie man das Lesen interkulturell bedeutsamer Texte mit hohem Fantasie- und Kreativitäts-Potenzial reduzieren kann auf einfach überprüfbare Lückentextübungen, die sich besser an einem Sachtext durchführen ließen. Literatur wird so ihr wichtigster Nährboden entzogen. Die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels, eines Einfühlens in fremde Lebensweisen und Wertvorstellungen wird von vornherein abgeblockt. Lehrkräfte, die solche Arbeitsaufgaben übernehmen, lernen nicht mehr, einen kreativen, persönlichkeitsbildenden und kulturell anspruchsvollen Unterricht mit Literatur durchzuführen, sie werden ihn auch nicht mehr anstreben, da er mit den angebotenen Kompetenzen und den Prüfverfahren nicht vereinbar erscheint. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die gut gemeinte Absicht, Beispielaufgaben zu formulieren, nicht ausreicht. Hier muss entschieden und mit literaturdidaktischem Sachverstand nachgebessert werden, falls die Beispielaufgaben die Standards für den Fremdsprachenunterricht sinnvoll erläutern sollen. Als Fazit dieser Bestandsaufnahme bleibt festzuhalten, dass die „Bildungsstandards" genau genommen keine „Bildungs-", sondern Sprachstandards sind, da sie den Bereich dessen, was man üblicherweise der „Bildung" zurechnet, aussparen. Zwar wird im Vorwort auf die „aktive Teilhabe [der Schülerinnen und Schüler; Anm. d. Verf.] am gesellschaftlichen und kulturellen Leben" hingewiesen, die auch „Themen- und Handlungsfelder in ihrer literarischen und ästhetisch / gestalterischen Qualität erfahrbar" machen soll (KMK 2004: 8). Diese Bemerkung muss jedoch nach einer gründlicheren Untersuchung der angebotenen Kompetenzen und Aufgaben geradezu zynisch anmuten, da zentrale Lern- und Inhaltsbereiche des heute von Fachdidaktikern als relevant angesehenen Fremdsprachenunterrichts einfach ausgeblendet worden sind: Die Arbeit mit authentischen literarischen Texten, ein Kerngebiet des Fremdsprachenunterrichts, das mit vielen anderen Kernbereichen eng verknüpft ist, spielt in der Auflistung der fachlichen Kompetenzen keine Rolle. Ein allmähliches, die Jahrgangsstufen kontinuierlich durchschreitendes Stufenmodell von Lernzielen und Kompetenzen, die von der ersten Enkulturation mit fremdsprachlichen Texten (z.B. Bilderbüchern) bis zu einer vielfältigen, projektorientierten Arbeit mit authentischen Texten verschiedener Gattungen aus unterschiedlichen Zielkulturen reicht, ist noch nicht einmal angedacht, ganz abgesehen von so grundlegenden Lernzielen wie dem Vermitteln von Lesefreude, dem extensiven und intensiven Lesen von Literatur, dem vielfältigen Verstehen der Texte von einer ersten affektiv gesteuerten Rezeption bis zu einem close reading, das auch textanalytische Verfahren erfordert. lFL1111lL 34 (2005) 104 Eva Burwitz-Melzer Nun muss es allerdings die fremdsprachliche Literaturdidaktik auch schaffen, ein stimmiges und realisierbares Konzept zu entwickeln, dass diesen einseitigen, pragmatisch ausgerichteten Standards entgegengesetzt werden kann. Ansonsten wird dem Literaturunterricht vor allem in der Oberstufe die Grundlage entzogen, die er dringend braucht. Hierzu soll der folgende Abschnitt einen Beitrag leisten. 4. Neuorientierung der schulischen fremdsprachlichen Literaturdidaktik an einem Kompetenzmodell Nachdem das Gesagte gezeigt hat, wie der fremdsprachliche Literaturunterricht zum einen von Bildungspolitikern, aber auch von Sprachpolitikern und von pragmatisch ausgerichteten Fachdidaktikern systematisch vernachlässigt und in seiner Bedeutung für den Spracherwerb und den Erwerb einer interkulturellen Kompetenz heruntergeredet wird, ist es an der Zeit, noch einmal zu verdeutlichen, warum Literatur im Fremdsprachenunterricht eine Rolle spielen muss. Begründungen für Literaturunterricht, vor allem für muttersprachlichen Literaturunterricht, hat es immer gegeben, sie bezogen sich seit dem 19. Jahrhundert vor allem auf den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung, auf die Ausbildung eines ästhetisch / künstlerischen Bewusstseins, und auf die moralische und kulturelle Erziehung. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts diente die schulische und universitäre Beschäftigung mit Literatur auch der Entwicklung eines politischen Bewusstseins, bevor in den 80er Jahren die Theoriediskussion und die philosophische Ausrichtung eine mimetische Bedeutung von literarischen Texten und ihre Analyse überlagerte (BREDELLA 1995, SHOWALTER 2003). Die fremdsprachliche Literaturdidaktik hat zumindest für die Jahrgangsstufen 10 bis 13 stets eine abgeschwächte Variante dieser wechselnden Begründungen mitgetragen und dementsprechende Fragestellungen auch im Fremdsprachenunterricht vorwiegend im Englisch- und Französischunterricht verfolgt. Erst in den 90er Jahren begann der fremdsprachliche Literaturunterricht mit einer konsequenten Einbeziehung interkultureller Themen sein ganz eigenes Profil zu entwickeln, das nicht eine Kopie des muttersprachlichen Literaturunterrichts war, sondern sich auf den ihm eigenen Umgang mit authentischen Texten aus jeweils mehreren Zielkulturen konzentrierte. Daraus konnte sich ein zentraler Zweig der „Didaktik des Fremdverstehens" bilden, in dem literatur- und fremdsprachendidaktische Lernziele, aber auch Grundzüge des interkulturellen Lernens verfolgt wurden. Wenn der heutige Fremdsprachenunterricht also aus bildungspolitischen Gründen sich immer stärker auf den Erwerb von alltagssprachlichen Kompetenzen konzentriert, sollte die fremdsprachliche Literaturdidaktik sich nicht etwa ausgrenzen, indem sie sich auf schwer zu operationalisierende Bildungsaspekte zurückzieht, sondern versuchen, eigene Kompetenzbeschreibungen zu entwickeln, die unmissverständlich darlegen, wie unverzichtbar der Umgang mit authentischen literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht gerade heute geworden ist. Dieses Konzept sollte die Neustrukturierung des Fremdsprachenunterrichts, die durch eine flächendeckende Einführung von Sprachen in der Primarstufe notwendig wird, lFLlllL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 105 ebenso berücksichtigen wie einen offenen, an vielen Zielkulturen orientierten Literaturkanon, der einem. weiten Textbegriff verpflichtet ist. Beim. Formulieren von Kompetenzen für einen fremdsprachlichen Literaturunterricht darf m.an aber nicht vergessen, dass diese sowohl dem. sukzessiven Lernprozess an literarischen Texten verpflichtet sind und gleichermaßen das interkulturelle Lernen und ein Erlernen der fremden Sprache berücksichtigen müssen. Dabei ist es von großer Bedeutung, diese Kompetenzen so zu operationalisieren, dass sie nicht auf eine simple „output-Orientierung" abzielen, sondern auf eine langsame und reflektierte Entwicklung von Wertvorstellungen, Einstellungen und Einsichten gegenüber Texten, Kulturen und Personen Rücksicht nehmen, also bewusst den Prozesscharakter des Umgangs m.it Literatur erfassen. Indem. Kompetenzbeschreibungen vom. Lernenden und nicht von der Lehrkraft her gedacht werden, erfüllen sie besser als traditionelle Lehrziele ihre Funktion, zu erklären, was im. Unterricht erreicht werden sollte. Leselust in der Fremdsprache zu fördern sowie die Entwicklung von zunehmend komplexeren Lesestrategien sind dabei sicher zwei übergeordnete Ziele, die unabhängig von literarischen Schulen und Lerntheorien für alle Jahrgangsstufen und Schulformen gelten können. Elaine SHOWALTER (2003) hat ein Kom.petenzm.odell für den amerikanischen muttersprachlichen Literaturunterricht an Colleges und Universitäten entworfen, das auf der Idee basiert, die Ziele im. Literaturunterricht so herunterzubrechen, dass realistische um.setzungsfähige Unterrichtskonzepte entstehen könnten: "Assuming that we decide to adopt a program like the craft of reading, how do we break it down into specific, measurable, agreed, realistic, and timebound learning objectives? (Note that these form the acronym SMART, which some teachers use as a mnemonic.) And how do we devise activities for students that will actively engage them in meeting these objectives? " (2003: 26) Ausgehend von der Annahme, dass solche Kompetenzvorschläge gerade in der momentanen bildungspolitischen Situation auch für einen deutschen fremdsprachlichen Literaturunterricht nützlich sein könnten, hat die Verfasserin eigene Kompetenzbeschreibungen formuliert, die sie zunächst auf einem. Niveau für die Klassen 10 bis 13 ansiedelt. Sie enthalten sprachliche, m.etasprachliche, literaturdidaktische, literatur- und kulturwissenschaftliche, interkulturelle, soziale, kognitive und affektive sowie reflexive Aspekte, die zunächst in einer allgemeinen Form., also nicht für eine bestim.m.te Jahrgangsstufe formuliert wurden. Sie lehnen sich an die Erfahrungen an, die die Autorin in zahlreichen empirischen Fallstudien m.it Lernenden der Prim.ar- und der Sekundarstufen I und II in Unterrichtseinheiten m.it fremdsprachigen literarischen Texten machen konnte. Eine Konkretisierung in bezug auf Schulformen, Jahrgänge und vor allem. auch auf Texte und Textsorten muss noch erfolgen. Solange nicht umfangreichere empirische Erforschung von Schülerkompetenzen vorliegen, müssen die Vorschläge als vorläufig betrachtet und überprüft werden. Im fremdsprachlichen Literaturunterricht sollen die Lernenden ... 1. ... emotional und persönlich auf einen literarischen Text reagieren und diese Reaktion auch mündlich und schriftlich adäquat ausdrücken können. Dazu gehört es auch, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, wenn sie nicht der eigenen entspricht. IFLlllL 34 (2005) 106 Eva Burwitz-Melzer 2. .. . rhetorische und gattungsspezifische Merkmale und deren Funktion in einem fremdsprachigen literarischen Text erkennen sowie mündlich und schriftlich benennen können. Dabei sollten sie auch lernen, zwischen metaphorischem Sprachgebrauch und wörtlicher Bedeutung zu unterscheiden. Dazu gehört auch, dass sie je nach Jahrgangsstufe die Interpretationsweise des close reading in der Fremdsprache zunehmend beherrschen, indem sie Stil, Syntax, Diktion, und Metaphern beachten. Die Lernenden sollten die Ergebnisse mündlich und schriftlich ausdrücken können. Als Texte sollten Werke aller Genres aus einem erweiterten literarischen Kanon sowie Spielfilme und Produkte der Populärkultur herangezogen werden. (Dabei sind Umfang und Auswahl der rhetorischen Redernittel und der gattungsspezifischen Merkmale abhängig von der Jahrgangsstufe.) 3. ... sich mündlich oder schriftlich Informationen beschaffen können über das literarische Werk selbst, seinen Autor, seinen Inhalt, seine Interpretation. Dabei sollten traditionelle Medien und Materialsammlungen wie Bibliotheken und auch Neue Medien in der Zielsprache benutzt werden. 4. ... fremdkulturelle Aspekte wie Kulturprodukte, Werte, Inhalte und Einstellungen der Epoche und/ oder der Gesellschaft, die im Werk dargestellt werden, mündlich und schriftlich benennen können, saillilleln und diskutieren. Im Laufe dieses Bewusstwerdungsprozesses sollten sie auch lernen, über die eigenen Werte und Einstellungen gegenüber der eigenen und den fremden Kulturen nachzudenken und mündlich oder schriftlich Stellung zu ihnen zu beziehen. 5. ... auch zunächst scheinbar unterschiedliche fremdsprachige literarische Texte aufeinander beziehen können. Dabei soll erlernt werden, welche Faktoren synthetisierend erfasst werden können und was diese Faktoren über die dargestellte Epoche, die dargestellten Menschen oder die dargestellten Kulturen aussagen. Die Lernenden sollen die Ergebnisse diese Lernprozesses mündlich und schriftlich ausdrücken können. 6. .. . verstehen lernen, wie fremdsprachige literarische Werke als kulturelle Sinnträger encodiert und decodiert werden können. Dabei sollten sie auch mündlich und schriftlich erklären können, wie dies zur Koillillunikation mit anderen Menschen oder zur Klärung ihrer eigenen Ideen zur eigenen oder zu fremden Kulturen beitragen kann. 7. ... eigene fremdsprachige fiktionale Texte nach Modellen oder auch ohne Modelle erstellen lernen. 8. .. . im Fremdsprachenunterricht mit literarischen Werken mit anderen Lernenden kreativ, produktiv und sinnvoll in verschiedenen Sozialformen in mündlicher und schriftlicher Form zusaillillenarbeiten, wobei das literarische Werk der Fokus des Interesses aller Beteiligten ist. Dabei sollten die Schüler lernen, die eigene Meinung gegen das kritische und informierte Urteil der anderen in einer Diskussion in der Fremdsprache sachlich und korrekt zu vertreten und gegebenenfalls auch zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass sich die Lernenden mit Schülern aus anderen Kulturen in traditionellen oder Neuen Medien schriftlich über die gelesenen Texte respektvoll auseinander setzen und so einen zusätzlichen interkulturellen Lernprozess erleben. 9. ... verstehen lernen, dass fremdsprachige literarische Werke Sinnwelten darstellen, lFbilL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 107 die man mit den eigenen Erfahrungen entschlüsseln aber auch zur Bereicherung eigener Erfahrung nutzen kann. Dabei sollten sie erkennen, dass die Lektüre literarischer Texte auch Auswirkungen auf ihre persönliche Lebenswelt haben kann. Dazu gehört, dass sie lernen, verschiedene Ziele bei der Beschäftigung mit Literatur zu unterscheiden: Neben Lernzielen, die auf eine systematische wissenschaftlich-propädeutische Beschäftigung mit literarischen Texten abzielen, sollten sie auch die Lernziele kennen lernen, die der Persönlichkeitsbildung und Kreativitätsentfaltung dienen, sowie jene, die der Ausbildung des kulturellen Bewusstseins und dem interkulturellen Lernen verpflichtet sind. Die Jugendlichen sollten in ihrem fremdsprachigen Literaturunterricht aber auch erkennen, dass die Beschäftigung mit Literatur der Entspannung und dem Spaß dienen kann. 10 .... lernen, ihren literarischen und interkulturellen Lernprozess von einer Metaebene aus zu betrachten und abschließend ihre eigene Lernleistung zu bewerten. Dabei sollten sie Verknüpfungen herstellen können zwischen vorangegangenen Unterrichtseinheiten und einer aktuellen sowie Vergleiche ziehen zwischen vorab, privat oder in anderen Fächern gelesenen literarischen Werken und den aktuell besprochenen Texten. Neu an einer Formulierung von Kompetenzen für den Literaturunterricht ist, dass nicht länger ein Autor, eine Epoche, eine oder zwei Kulturbereiche, ein Analyseverfahren oder ein Genre im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Lehrkräften und Lernenden stehen. Es handelt sich bei der Formulierung der Kompetenzen letztendlich um die Operationalisierung der einzelnen Tätigkeiten der Lernenden, die kognitive und affektive Aspekte umfassen. Obwohl der Prozesscharakter der Textarbeit in den Kompetenzbeschreibungen berücksichtigt wird, scheint eine Evaluation der meisten Einzelkompetenzen doch möglich und sinnvoll. Die Kompetenzbeschreibungen zeigen deutlich, dass die unterrichtliche Arbeit mit Literatur nicht nur in propädeutisch-literaturwissenschaftlichem Analysieren und dem Verfassen und Lösen von Textaufgaben besteht. Im Literaturunterricht werden vielschichtige und vielseitige mündliche, schriftliche, soziale und interkulturelle Kompetenzen ausgebildet, die fachspezifische und fachübergreifende Aspekte vereinen. Eine solch umfassende und gut strukturierte Arbeit mit literarischen Texten sollte unbedingt neben sprachlichen und pragmatisch ausgerichteten Lerninhalten Eingang in ein fremdsprachliches Gesamtcurriculum finden und in sinnvollen konsequenten Kleinschritten über den gesamten Fremdsprachenunterricht, d.h. im Englischunterricht von Klasse 3 bis zur 13. Klasse verfolgt werden. Voraussetzung ist allerdings eine kompetente Begleitung der schwierigen und langwierigen Lernprozesse durch Lehrkräfte mit einer soliden literaturdidaktischen Ausbildung. 5. Konsequenzen für die Lehreraus- und -weiterbildung und ein Fazit Wie sich in Schröders Aufsatz, aber auch in Klippels Kritik an der momentanen Situation des fremdsprachlichen Literaturunterrichts abzeichnet, werden vor allem die wenig engagierten Lehrkräfte für die einseitige Ausrichtung und eine zu enge Begrenzung auf JFLUJJL 34 (2005) 108 Eva Burwitz-Melzer veraltete Texte verantwortlich gemacht (vgl. KUPPEL 2001, SCHRÖDER 2001). Fallstudien zeigen aber, dass Lehrkräfte, die ausreichend sensibilisiert und fachgerecht angeleitet werden, durchaus in der Lage sind, mit interkulturell ausgerichteten Texten, mit einem breit angelegten Textbegriff und mit neuen Kommunikationsformen im fremdsprachlichen Literaturunterricht erfolgreich zu arbeiten (MÜLLER-HARTMANN 1999, BURWITZ-MELZER 2003). Gleichzeitig erschyecken aber Berichte, die von einer Ausdünnung des Literaturunterrichts in den Fremdspracheninstituten an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sprechen, wie es MÜLLER-HARTMANN für die PH Heidelberg in einem seiner jüngsten Aufsätze getan hat: Dort werden literaturdidaktische Inhalte weitgehend aus dem normalen Lehrbetrieb ausgegliedert, und es wird den Studierenden ein kurzer Literaturkanon zum Selbststudium überlassen; in einem Lehrerportfolio berichten die Studierenden später zusammenfassend über ihre Eindrücke und ihren Lernprozess beim Umgang mit literarischen Texten (vgl. MÜLLER-HARTMANN 2005). Aus dieser Notsituation in der Ausbildung einerseits und den hohen Ansprüchen an Lehrkräfte, die literarische Texte im Fremdsprachenunterricht einsetzen wollen, ergibt sich ein deutlicher Arbeitsauftrag für die Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase sowie für die Lehrerweiterbildung: Der Umgang mit Literatur im Fremdsprachenunterricht muss sorgfältig vorbereitet und geübt werden. Fachwissenschaftliche, fachdidaktische und fächerübergreifende Begründungen, die lerntheoretisch und entwicklungspsychologisch fundiert sind, müssen einer solchen Ausbildung zugrunde liegen. Eine Ausrichtung des Literaturunterrichts an Kompetenzmodellen ist heute noch ungewohnt für ein Arbeitsgebiet, das sich stets als kreativ und schöpferisch definiert hat und damit auch als schwer evaluierbar galt und gilt. In der Tat soll auf die kreativen, schöpferischen und erkenntnisorientierten Lernziele des fremdsprachlichen Literaturunterrichts ja auch nicht verzichtet werden, wenn ein Kompetenzmodell benutzt wird, vielmehr wird der Blick auf alle Lernbereiche des Fremdsprachenunterrichts gelenkt, auf die pädagogischen, die interkulturellen, die sprachlichen und die literaturdidaktischen. Sie werden durch das Kompetenzmodell nebeneinander projiziert, auf ihre Brauchbarkeit für die Lernenden geprüft und in ihrer möglichen Evaluierbarkeit abgeschätzt. Dabei versteht es sich von selbst, dass die oben angeführte Liste von Kompetenzen natürlich für die Jahrgangsstufen 3 bis 13 konsekutiv erweitert werden muss. Darüber hinaus ist es ratsam, sie durch schulformspezifische Kompetenzbeschreibungen zu ergänzen, die nach einer realistischen Einschätzung des Leistungsvermögens der jeweiligen Lernerklientel zunächst als Hypothesen formuliert werden und dann empirisch überprüft werden sollten. Eine solch verifizierte Liste von Kompetenzen benötigt auch eine methodische Kommentierung, die zu den einzelnen Lernzielbereichen eine vielfältige Auswahl erprobter Arbeitsmuster liefert sowie eine Beispielsammlung von Texten, in der sich für die verschiedenen Leistungsstufen nach einem sehr breit angelegten Textbegriff Beispiele aus einem „offenen Kanon" finden lassen. So ausgestattet, kann das Kompetenzmodell als Grundlage der literaturdidaktischen Ausbildung von Lehrkräften helfen, den Fokus der Arbeit mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht neu zu strukturieren, diese Arbeit breiter anzulegen, in sprachliche, literarische sowie in interkulturelle Aufgaben einzuteilen, die sowohl kognitive wie lFlLl.lllL 34 (2005) Kompetenzen fur den Literaturunterricht ... 109 auch kreative Unterbereiche umfassen. Von einer traditionellen Textarbeit, die maßgeblich auf schriftlichen Textanalysen und kurzen, frontal gesteuerten Unterrichtsgesprächen besteht, ist diese Literaturarbeit weit entfernt, da sie durch das Kompetenzmodell auch neuere Arbeitsformen, wie zum Beispiel die Literaturrecherche am Computer oder das Metagespräch der Schülerinnen und Schüler über den eigenen Lernprozess mit einem literarischen Text fördert und fordert. Den oben dargestellten Entwürfen zu einem Kerncurriculum der Oberstufe und den „Bildungsstandards" der KMK von 2003 kann mit dem hier vorgelegten Konzept für den Umgang mit fremdsprachlichen literarischen Texten ein Kompetenzmodell an die Seite gestellt werden, das es erlaubt, auch in Zukunft literaturdidaktische und interkulturelle Lernziele zu verfolgen und sie nicht als Widerspruch zum notwendigen Erwerb alltagssprachlicher Kompetenzen zu empfinden. 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Its chief function should therefore not be conceived as "anticipation" or "preparation", but as an important first step in the process of developing intercultural communicative competence. The present article deals with the consequences that have to be drawn from this challenging assignment; they concem the selection of linguistic and cultural content and the choice of method. 1. Einleitung Die deutsche Grundschule sah sich seit ihrer Gründung im Jahre 1920 mit einem fundamentalen Problem konfrontiert: Sie sollte zwei Funktionen erfüllen, die kaum miteinander zu vereinbaren sind. Sie sollte einerseits der harmonischen Entfaltung der Anlagen und Begabungen der Kinder dienen, andererseits die Kinder aber auf weiterführende Schulen in Deutschland drei verschiedene vorbereiten (FOLLING-ALBERS 1994). Die beiden Aufgaben sind deshalb so schwer in Einklang zu bringen, weil sie ganz unterschiedliche Maßnahmen erfordern. Für die Begabungsförderung ist viel Freiraum nötig mit der Möglichkeit, Anlagen zu entfalten, Neigungen zu entwickeln und Interessen zu wecken. Das bedeutet, dass die Lehrerinnen und Lehrer eine Fülle von Angeboten machen und die Kinder über weite Strecken gewähren lassen, damit diese ihren Weg selbst finden. Spontaneität, spielerisches Erproben, Kreativität und das Lernen über Versuch und Irrtum spielen eine große Rolle. Für die Vorbereitung auf die Sekundarstufe und die damit verbundene Auslese für eine von drei Schulformen ist dagegen zielgerichtetes Hinarbeiten auf die von der Gesellschaft gesetzten Normen angesagt. Das heißt: Planvolles Vorgehen, stringente Ausrichtung, straffe Organisation und klare Profilierung werden benötigt. Nun kann man natürlich argumentieren, dass das beschriebene Dilemma in dem veralteten dreigliedrigen Sekundarschulsystem deutscher Prägung begründet liegt. In der Grundschule gleichzeitig Begabungsförderung und Auslese zu betreiben, ist eben nicht miteinander zu vereinbaren. Diese Argumentation ist prinzipiell sicher richtig. Eine Korrespondenzadresse: Prof. em. Peter DOYE, Univ.-Prof, TU Braunschweig. Privat: Blumenstraße 23, 38162 CREMLINGEN. E-Mail: p.doye@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Interkulturelle Erziehung, Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, Interkomprehension. lFLlllL 34 (2005) 112 Peter Doye einheitliche Grundschule und eine nach (angeblich) festgestellten Fähigkeiten auseinanderdividierende Sekundarschule passen halt nicht zusammen. Aber das Problem der Passung gibt es auch in anderen europäischen Ländern mit einem weniger rückständigen Schulsystem als dem deutschen. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Problem vor allem durch die strikte Trennung von Primar- und Sekundarstufe verursacht wird, und eine Reihe von Untersuchungsergebnissen zeigt, dass die Schwierigkeiten dort am wenigsten auftreten, wo man die beiden Schulstufen als eine Einheit versteht und entsprechend organisiert: als integrale Bestandteile eines pädagogischen Ganzen. Das sogenannte Übergangsproblem ist also offensichtlich hausgemacht. 2. Grundlegung und Weiterführung Das in der Einleitung Gesagte gilt für alle Lernbereiche: für die muttersprachliche, die mathematische, die soziale, die sachliche, die musische und nun nach der Aufnahme von fremden Sprachen und Kulturen in den Kanon der Grundschule auch für die fremdsprachliche Bildung. Doch bei der letztgenannten kommt sie am stärksten zum Tragen. Deshalb sprechen viele Vertreter des Fremdsprachenunterrichts auch so oft von der „Übergangsproblematik" und ganz Verbissene fordern sogar die Schaffung einer „Übergangsdidaktik". Die Dokumente des Europarats zum Fremdsprachenunterricht enthalten eine ganz andere Sicht. Sie verstehen das Sprachenlernen in der Schule als eine Einheit und weisen dabei der Grundschule die Aufgabe der Grundlegung und der Sekundarschule die Funktion der Fortführung und Ausdifferenzierung zu. "The primary school is an institution in its own right. lt represents a first phase of schooling and a very important one. In primary education the foundations are laid for a great many fields of learning and for basic skills and strategies. That they are basic and that their promotion has to be continued at the secondary level of schooling is obvious" (DOYE/ HURRELL 1997: 94). Eine ausführliche Beschreibung der Rolle der Sekundarschule schließt sich an. Sie bezieht sich 'im Wesentlichen auf die Funktion der Weiterführung und Ausdifferenzierung. Aus dieser grundsätzlichen Aufgabenzuweisung, die im Wesentlichen eine Aufgabenverteilung auf zwei Stufen ist, folgern nun die Experten des Europarats, dass mit der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in die Grundschule für den neuen Lernbereich logischerweise dieselben Prinzipien gelten müssen wie für alle anderen. Ähnlich wie die Vertreter des Europarats argumentiert LEGUTKE (2000: 49). Er schlägt vor, "die Vorstellung des Übergangs von der Grundschule zur Sekundarstufe zugunsten eines Konzepts der Weiterführung aufzugeben. Denn der Begriff Übergang signalisiert eher den Bruch zwischen zwei unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, was bezogen auf Fremdsprachenerwerb häufig mit der falschen Vorstellung einhergeht, dass nach dem lediglich spielerisch-unsystematischen Lernen in der Grundschule in der Sekundarstufe I der richtige, systematische Fremdsprachenunterricht einsetze". lFLlllllL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 113 Diese Argumente sind zwar sehr konsequent, aber dennoch weit davon entfernt, generell akzeptiert zu werden. Zu tief sind die Gräben, die durch die lange Tradition zwischen den beiden Institutionen entstanden sind, vor allem in den Köpfen der Lehrkräfte; und ein radikales Umdenken ist erforderlich. Zunächst einmal müssen Lehrerinnen und Lehrer aufhören, das Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe und das auf der Sekundarstufe als etwas prinzipiell Unterschiedliches zu sehen. Kinder der Grundschule lernen fremde Sprachen nicht grundsätzlich anders als Schüler der weiterführenden Schule. Gewiss gibt es altersbedingte Unterschiede; aber die Gemeinsamkeiten sind viel größer. Immer handelt sich um den Erwerb neuer Zeichensysteme zum Ausdruck von Gedanken und Gefühlen, zur Erfassung der Realität und zur Kommunikation mit anderen Menschen. In der Regel sind diese Menschen anderer kultureller Herkunft, was zu der Formulierung „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit" für das Globalziel des schulischen Fremdsprachenunterrichts geführt hat. Dieses Ziel gilt daher zu Recht für die gesamte Schulzeit, von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II. Es findet sich deshalb in unterschiedlichen Formulierungen, aber inhaltlich kongruent in allen Lehrplänen wieder. Die nordrhein-westfälischen Richtlinien für die Sekundarstufe II (Englisch) fordern: „Die Schülerinnen und Schüler sollen ... sprachlich handlungsfähig sein in komplexen, für sie bedeutsamen Begegnungssituationen mit Englisch sprechenden Menschen und den anglophonen Kulturen" (MINISTERIUM FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG, WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG 1999: 8). Die niedersächsischen Rahmenrichtlinien für die Integrierte Gesamtschule (Zweite Fremdsprache) nennen als allgemeine Lernziele: „Der Unterricht[ ... ] trägt dazu bei, die sprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu erweitern [... ] und Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber den Angehörigen einer anderen Sprachgemeinschaft zu wecken" (NIEDERSÄCHSISCHER KULTUSMINISTER 1989: 6). Der Hamburger Bildungsplan für die Grundschule postuliert „erste grundlegende Kommunikationsfähigkeiten, Sprachbewusstsein und interkulturelles Lernen" (RAHMENPLAN ENGLISCH 2002: 5 f). 3. Konsequenzen Die gerade beschriebene ganzheitliche Sicht, die das Fremdsprachenlernen in der Schule als eine Einheit und allein aus organisatorischen Gründen in zwei Phasen geteilte Aufgabe betrachtet, hat weitreichende Konsequenzen. Diese sind sprachlicher, inhaltlicher und methodischer Art. Die sprachlichen und inhaltlichen Unterrichtsgegenstände der beiden Schularten müssen aufeinander abgestimmt und die Unterrichtsmethoden in Einklang gebracht werden. lFLl! iL 34 (2005) 114 Peter Doye 3.1 Sprachliche Konsequenzen Diese betreffen die Auswahl und Anordnung der sprachlichen Gegenstände, also das zentrale didaktische Problem allen Fremdsprachenunterrichts. · Wenn das Fremdsprachenlernen einheitlich organisiert werden soll, müssen neue Curricula erarbeitet werden, die für jede zu lernende Sprache Leitlinien zur Stoffverteil_ung vom Anfang bis zum Ende des schulischen Lehrgangs enthalten. Dass das Sprachenlernen in der Schule Lehrgangscharakter tragen müsse, ist nach wie vor unbestritten, und deshalb ist auch die sprachliche Dimension so besonders wichtig. Kommunikative Kompetenz lässt sich eben am besten dadurch entwickeln, dass man sie systematisch aufbaut. Das bedeutet eine Progression nach psychologisch sinnvollen Prinzipien. Eine ganze Reihe solcher Prinzipien kommt in Frage: das Fortschreiten vom Einfachen zum Komplexen, das Fortschreiten vom Konkreten zum Abstrakten, das Fortschreiten vom Leichten zum Schwierigen, das Fortschreiten vom (zum Zwecke der Kommunikation) dringend Benötigten zum weniger Benötigten, usw. Welches dieser Prinzipien im konkreten Fall angewandt wird, ist abhängig von der pädagogischen Situation; aber der Unterricht auf der Primarstufe und der auf der Sekundarstufe dürfen sich nicht prinzipiell widersprechen. Es stört den Lernprozess erheblich, wenn etwa die Grundschule eine kommunikative Progression verfolgt, die weiterführende Schule aber eine grammatische oder gar eine phonologische. MACKEY hat in seiner groß angelegten "Language Teaching Analysis" die Frage des "ordering of the language for teaching purposes" zu einer Kernfrage des Sprachunterrichts erklärt und auf eine einfache Formel gebracht: "What goes with what? What comes before what? " Er nennt das Ganze "Gradation" (MACKEY 1966: 204), und seine Erläuterungen dazu können auch heutigen Curriculumplanem sehr hilfreich sein. Ein einheitliches Curriculum ist auch aus Gründen der Motivation wichtig. Nichts ist der Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler abträglicher, als wenn sie beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule von den neuen Lehrkräften gesagt bekommen, dass es nun erst richtig losgehe und all ihr bisheriges Lernen von geringem Wert war. Eine solche Sichtweise kann den Kindern die Lust am Sprachenlernen generell verleiden, nicht nur in der gerade betroffenen Sprache. Zu der grundsätzlichen Frage der Auswahl der sprachlichen Gegenstände hat der Europarat wertvolle Vorschläge gemacht. Der gemeinsame europäische Referenzrahmen und die in ihm vorgesehenen Stufen sprachlicher Kompetenz (Waystage, Threshold, Vantage usw.) sind im Wesentlichen kommunikativ orientiert. Sie regen an, die jeweils zu lernenden sprachlichen Gegenstände auf dem Wege logischer Ableitung festzustellen (COUNCIL FOR CULTURAL CO-OPERATION 1998). Die Curriculumplaner mögen also zunächst die Situationen ermitteln, für die die Lernenden ausgerüstet werden sollen, sodann die Kompetenzen bestimmen, die diese zur sprachlichen Bewältigung der Situationen brauchen und schließlich die sprachlichen Mittel festlegen, durch die die Kompetenzen erlangt werden. Auf diese Weise entstehen Lernkataloge, die sowohl die kommu- JF]Ll.11][, 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 115 nikativen Akte wie auch die zu ihrem Vollzug benötigten linguistischen Einheiten (lexikalischer, grammatischer und phonologischer Art) enthalten. Wegen ihrer logischen Stringenz sind denn auch diese Ideen des Europarats zur Basis für die Erstellung vieler Curricula geworden, in Deutschland wie in etlichen anderen europäischen Ländern. Entsprechendes empfiehlt sich nun auch für die Grundschule. Wenn sie die Aufgabe der Grundlegung der kommunikativen Kompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler erfüllen will, muss sie ihre sprachlichen Gegenstände nach logischen Kriterien festlegen; und dafür bieten die genannten Vorschläge eine gute Grundlage. Sie kann diese am besten dadurch realisieren, dass sie Kataloge für die Vermittlung der fundamentalen sprachlichen Akte, der wesentlichen grammatischen Strukturen und des Grundwortschatzes in ihre Curricula aufnimmt. Entscheidend ist, dass diese Kataloge grundlegend und ausbaufähig angelegt sind, grundlegend wegen der intendierten Fundierung allen weiteren Lernens und ausbaufähig wegen der später nötigen Weiterführung und Ausdifferenzierung. Hierin liegt eine große Verantwortung der Grundschule, die nicht unterschätzt werden darf. 3.2 Die inhaltlichen Konsequenzen Hiermit sind die an die Sprache geknüpften Inhalte sachlicher und kultureller Art gemeint. Diese sind ja mit der kommunikativen Progression nicht zwingend vorgegeben. Die gewählten sprachlichen Einheiten können sehr wohl verschiedene sachlich-kulturelle Informationen transportieren, und deshalb muss auch in diesem Bereich eine eigene Auswahl und Anordnung der Unterrichtsgegenstände erfolgen. Auch hierfür gibt es in der didaktischen Literatur zahlreiche Vorschläge, die sich zum Teil widersprechen, aber per Kompromiss durchaus koordiniert werden können. Am häufigsten werden von Theoretikern wie Praktikern des Fremdsprachenunterrichts die folgenden Auswahlkriterien genannt: - Interessenlage der Lernenden, Bezug zu den intendierten sprachlichen Kompetenzen, - Kulturelle Repräsentativität, - Multiperspektivität, - Differenzierte Darstellung und - Bildungswert. Welche der genannten Kriterien man auch verwendet, wichtig ist (wie bei der Bestimmung der sprachlichen Gegenstände) vor allem, dass die Inhalte auf beiden Schulstufen nach den gleichen Prinzipien ausgewählt und angeordnet werden. Aber es lässt sich ja durchaus eine didaktische Leitlinie aus dem übergeordneten Ziel des Fremdsprachenunterrichts ableiten. Wenn man die „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit" zum Globalziel erklärt, ergeben sich daraus auch inhaltliche Konsequenzen. BYRAM hat die Anregungen der Interkulturellen Pädagogik aufgreifend den Fremdsprachenunterricht in den Dienst der interkulturellen Erziehung gestellt und deshalb das lFJLl.lL 34 (2005) 116 Peter Doye Konzept der "communicative competence" durch das qualifizierende Adjektiv "intercultural" erweitert (BYRAM 1997). Eigentlich war in der kommunikativen Didaktik die interkulturelle Dimension des Fremdsprachenlernens schon immer mitgedacht: Denn zu welchem anderen Zweck sollten die Lernenden denn qualifiziert werden, wenn nicht zu dem der Kommunikation mit Menschen anderer kultureller Herkunft? Aber erst die ausdrückliche Nennung der Interkulturalität in der Zielformulierung hat allen Theoretikern wie Praktikern verdeutlicht, worin letztlich die Aufgabe besteht. Diese Klarheit ist auch für die Bestimmung der Inhalte förderlich. Es müssen vor allem solche Inhalte ausgewählt werden, anhand derer die interkulturelle Dimension gelehrt und gelernt werden kann. Nun ist allerdings die Möglichkeit einer interkulturellen Orientierung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule oft bezweifelt worden. Der Gesamtunterricht in den ersten vier Schuljahren habe doch vor allem die Aufgabe, den Kindern bei der Orientierung in ihrer Umwelt zu helfen und müsse daher seine Gegenstände vor allem aus dieser Umwelt nehmen. Dem müsse sich auch der neu eingeführte Fremdsprachenunterricht anpassen. Dieses Argument lässt zwei Fakten außer acht: Erstens gehören zur Umwelt der meisten Grundschulkinder heute bereits viele Objekte und Personen aus anderen Kulturen und zweitens lassen sich die Gegenstände und menschlichen Verhaltensweisen der eigenen Kultur ja leicht in Beziehung setzen zu entsprechenden Phänomenen in anderen Kulturen, speziell denen der Zielsprache. Hierzu gibt es einen sehr interessanten Vorschlag. CURTAIN und PES0LA referieren ein Programm, das dem Fremdsprachenunterricht in den Elementary Schools der Montgomery County, Maryland, zugrunde liegt. Es greift die kulturellen Gegenstände auf, mit denen sich der Sachunterricht in diesen Schulen ohnehin zu befassen hat, wenn er den Kindern bei der Orientierung in ihrer Umwelt helfen will. Da treten dann die großen Themen des Alltags auf: Food, Clothing, Housing/ Shelters, Interpersonal Relations, Communication and Transportation, Leisure Activities, Literature, Music (CURTAIN/ PESOLA 1994: 419 ff). Diese Bereiche werden mit der Gründlichkeit behandelt, die ihrer Rolle bei der kindlichen Erfassung der heimischen Kultur zukommt, aber dann im fremdsprachlichen Teil des Unterrichts gleich in Beziehung gesetzt zu den korrespondierenden Bereichen der Zielkultur. An die Frage „Wie sieht es bei uns aus? " schließt sich bald, d.h. mit dem gebührenden zeitlichen Abstand, den eine gründliche Behandlung nun einmal erfordert, die zweite Frage an: "Wie sieht es bei den Anderen aus? " Dieses Programm ist deshalb so bemerkenswert, weil es mit dem Inter in der Konzeption der interkulturellen Erziehung Ernst macht. Von Anfang an lernen die Kinder ihre eigene Kultur als eine von mehreren Lebensformen kennen, denen andere gegenüberstehen. Der Vergleich wird zum Prinzip erhoben: "Wie leben wir? " fragen Kinder und Lehrer, und „Wie leben die Anderen? " erkunden sie dann. Dass es 'die' Anderen nicht gibt, dass die Vorstellung von einer einheitlichen anderen Kultur ebenso wie die von einer geschlossenen eigenen Kultur in dieser Generalisierung falsch ist, kann als vorläufige Inkorrektheit hingenommen werden, wenn sie, sobald die lFL1lllL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 117 Möglichkeit dazu besteht, berichtigt wird. Stereotypen dienen ja auch sonst immer als vorläufige Mittel der Groborientierung und werden, wenn mehr Informationen vorliegen, durch differenziertere Denkformen ersetzt. So hat der geistige Vater der modernen Stereotypen- und Vorurteilsforschung, GORDON W. ALLPORT, die Notwendigkeit, "stereotypes" durch "differentiated categories" zu ersetzen, eindeutig belegt, aber auch auf die Tatsache hingewiesen, dass Stereotypen dem Menschen gute Dienste bei der Groborientierung leisten können, sofern sie als vorläufige Denkmuster angesehen werden (ALLPORT 1979). Der Wert des Prinzips der vergleichenden Gegenüberstellung besteht vor allem darin, dass sie die Einbeziehung des Fremden in das Curriculum der Grundschule ermöglicht, indem sie diese an die Darstellung des Eigenen anschließt. Es müssen nicht erst Gegenstände aus der Zielkultur gesucht und dann gesondert behandelt werden; sie ergeben sich als Counterpart der eigenen Kultur quasi von selbst. Deshalb ist dieses Prinzip auch so vorzüglich geeignet für die Grundlegung fremdsprachlicher und interkultureller Bildung in der Grundschule. Dass es auch auf der Sekundarstufe weiter verfolgt werden kann, leuchtet unmittelbar ein, und würde, wenn generell und konsequent angewandt, den Fremdsprachenunterricht dort von der oft mühsamen Suche und häufig willkürlichen Entscheidung bei der Wahl der kulturellen Inhalte befreien (BYRAM 1993; DOYE 1999). 3.3 Die methodischen Konsequenzen Die wichtigste methodische Konsequenz aus der empfohlenen einheitlichen Konzeption des schulischen Fremdsprachenunterrichts besteht darin, Brüche zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule zu vermeiden. Diese sind in der Vergangenheit meist mit der Notwendigkeit, den Unterricht altersgemäß zu gestalten, begründet worden, aber auch mit der unterschiedlichen Funktion der beiden Schulstufen. So enthalten denn die Richtlinien und Empfehlungen für die Grundschule stets eine Reihe von Prinzipien für die methodische Durchführung des Unterrichts. Die meistgenannten sind (z.B. HESSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1995): - Handlungsorientierung, - Anschaulichkeit, - Spielerisches Lernen, - Einsprachigkeit, Authentizität, - Ganzheitliches Lernen. Eine kritische Betrachtung dieser Prinzipien führt aber schnell zu der Einsicht, dass ihre Befolgung keineswegs nur der Grundschule gut täte. Sie ganz oder teilweise im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe zu befolgen zusammen mit weiteren, schulspezifischen, versteht sich könnte auch das Lernen älterer Schülerinnen und Schüler befördern. Keineswegs läuft deren Sprachlernprozess so grundsätzlich anders ab, dass die genannten methodischen Maßnahmen sie dabei nicht unterstützen könnten. JFL1JIL 34 (2005) 118 Peter Doye Es täte deshalb den Lehrkräften der Sekundarstufe keinen Abbruch, wenn sie die für die Grundschule gemachten Vorschläge auf ihre Anwendung in ihrem Bereich prüften und die ihnen geeignet erscheinenden in ihr methodisches Repertoire aufnähmen. Dies gilt aber auch in umgekehrter Richtung. Vieles in der Methodik des Fremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe ist ja nicht an diese gebunden. Die dort bevorzugten methodischen Maßnahmen haben nicht nur Gültigkeit für die weiterführenden Schule: - Die systematische Wortschatzvermittlung, der induktive Grammatikunterricht, die Schulung von Aussprache und Intonation, die hermeneutische Textarbeit enthalten allesamt Prinzipien, deren Beachtung cum grano salis auch dem Fremdsprachenunterricht der Grundschule Vorteile brächte. Zu den methodischen Konsequenzen gehören aber nicht nur die Verfahren des Lehrens und Lernens, sondern auch die der Feststellung der Ergebnisse. Auch in diesem Bereich sind bisher die Unterschiede zwischen der Grundschule und den weiterführenden Schulen erheblich. Angesichts der Bedeutung der Ergebnisfeststellung für den gesamten Lernprozess (Information, Feedback, Bewertung) müssen jedoch auch hier Wege zur Vereinheitlichung der Prinzipien gefunden werden. Da Kinder der Grundschule fremde Sprachen, wie gesagt, nicht grundsätzlich anders lernen als auf den späteren Stufen, sollten für die Ergebnisfeststellung im Grundschulunterricht dieselben Gütekriterien gelten wie die, welche sich auf der Sekundarstufe bewährt haben, also vor allem Validität, Reliabilität, Objektivität und Ökonomie. Eine gute Hilfe bei der Harmonisierung bietet das Europäische Sprachenportfolio. Von einer Arbeitsgruppe des Europarats entworfen und in mehreren europäischen Ländern erprobt, stellt es eine wertvolle Ergänzung zu den herkömmlichen Verfahren der Leistungsfeststellung dar. "A language Portfolio is a document, or an organised collection of documents, in which individual leamers (the 'holders') can assemble over a period of time, and display in a systematic way, a record of their qualifications, achievements and experiences in language leaming, together with samples ofwork they have themselves produced" (COUNCILFOR CULTURALCO-OPERATION 1997). Es bietet den Vorteil einer einheitlichen Dokumentation aller wichtigen sprachlichen Kenntnisse und Kompetenzen, welche die Lernenden von der Primarstufe bis zum Ende ihrer Schulzeit erworben haben und schließt auch den außerschulischen Erwerb weiterer Sprachen mit ein. Es besteht aus drei Teilen: einem Sprachenpass, der die Sprachlernerfahrungen und erreichten Niveaus registriert, einer Sprachenbiografie, in der die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Lernwege beschreiben und eine Selbsteinschätzung der erzielten Ergebnisse vornehmen und einem Dossier, in welchem die Lernenden repräsentative Produkte ihrer Arbeit nach eigener Wahl zusammenstellen. lFLIIL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 119 Anfänglich gab es allerdings erhebliche Zweifel daran, dass das Sprachenportfolio schon in der Grundschule einsetzbar sei. Ein Haupthindernis schien in der Schwierigkeit zu liegen, für die in einem solchen Dokument geforderten Daten klare Kategorien und altersgemäße Formulierungen zu finden, die den Kindern verständlich sind und ihnen sachgemäße Reaktionen ermöglichen. Inzwischen ist es gelungen, dieses Problem zu lösen. Eine Reihe von Bundesländern (z.B. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz) haben Entwürfe für das erste Sprachenportfolio vorgelegt und in einer beträchtlichen Zahl von Grundschulen mit Erfolg eingesetzt. Der neueste Entwurf stammt aus Rheinland-Pfalz: "Mein erstes Sprachenportfolio" (MINISTE- RIUM FÜR BILDUNG, FRAUEN UND SPORT 2004) ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie es möglich ist, die anspruchsvolle Portfolio-Idee in einer Form zu realisieren, die auch siebenbis zehnjährigen Kindern verständlich ist. In seiner kindgemäßen Klarheit liefert es den überzeugenden Beweis für die Praktikabilität des Portfolio-Konzepts schon auf der Primarstufe (MINISTERIUM FÜR BILDUNG, FRAUEN UND SPORT 2004). Es ist so gut gelungen, dass die Lehrkräfte der Sekundarstufe ihm wertvolle Informationen über den Lernstand der Kinder entnehmen und mit einem zweiten Portfolio unmittelbar an den Vorgänger anschließen können. 4. Mehrsprachigkeitsdidaktik Das im vorigen Abschnitt Gesagte bezog sich gänzlich auf das Lehren und Lernen 'einer' Sprache, nämlich der ersten Fremdsprache. Die ganzheitliche Sichtso unsere Argumentation erfordere eine Aufteilung der Gesamtaufgabe in Grundlegung und Fortführung in der Weise, dass die Grundschule die Vermittlung einer fundamentalen Kommunikationsfähigkeit in der ersten Fremdsprache übernimmt und die weiterführende Schule deren Ausbau und Differenzierung. Dabei müsse die Grundschule ihren Unterricht so gestalten, dass er ein Fundament für alles weitere Lernen in dieser Sprache schafft. Wie steht es nun aber mit der Schaffung einer Basis für das Erlernen weiterer Sprachen? Kann auch hier die Grundschule einen grundlegenden Beitrag leisten? Für die Beantwortung dieser Fragen ist ein Blick auf die Erkenntnisse der europäischen Mehrsprachigkeitsdidaktik hilfreich. MEißNER und REINFRIED haben mit ihrem gleichnamigen Buch den Stein ins Rollen gebracht und das Problem der optimalen Koordination des Lehrens und Lernens der einzelnen Sprachen zu einer zentralen didaktischen Frage erhoben (MEißNERIREINFRIED 1998). In Deutschland wie in den anderen Ländern, die der Empfehlung des Europarats zur schulischen Vermittlung (mindestens) zweier Fremdsprachen folgen wollen, heißt dies, dass ihre pädagogischen Institutionen in Zukunft die Vermittlung der verschiedenen angebotenen Fremdsprachen aufeinander abstimmen müssen (COMMITTEE OF MINISTERS 1998). Dies hat wiederum Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, die über die oben beschriebenen hinausgehen. Deren Lehrkräfte müssen zu der Einsicht gelangen, dass sie mit ihrem Unterricht auch die Grundlagen schaffen für das künftige Sprachenlernen der Kinder überhaupt. JF]Llll, 34 (2005) 120 Peter Doye Ein zu hoher Anspruch? Angesichts der zahlreichen Anregungen zur Gestaltung eines solchen, im besten Sinne vorausschauenden Unterrichts wohl kaum. MEißNER selbst hat die Mehrsprachigkeitsdidaktik mehrfach eine „Transferdidaktik" genannt und auf die zahlreichen Möglichkeiten der Übertragung deklarativen wie prozeduralen Wissens von zuvor gelernten Sprachen auf später gelernte hingewiesen (MEißNER 2000). Das (leider) in den meisten Bundesländern ad acta gelegte „Begegnungssprachenkonzept" enthält wertvolle Anregungen zur Ausweitung des Blicks auf andere Sprachen und Kulturen über den Horizont der hier und jetzt gelernten hinaus (THÜRMANN 1990). Das von HAWKINS 1984 vorgelegte Programm ,Language across the curriculum' bietet vielfältige Möglichkeiten der Bewusstmachung des Zusammenhangs aller von den Schülern zu erwerbenden Sprachen zum Zwecke der besseren Beherrschung derselben. Schließlich hat der Verfasser dieses Artikels detaillierte Vorschläge zur Anwendung des „Prinzips des Exemplarischen"(KLAFKI) gemacht und gezeigt, auf welche Weise der Unterricht in einer gerade gelernten - Sprache zum Exempel für Sprachenlernen überhaupt gemacht werden kann (DOYE 1999: 59 ff). - Was bedeuten diese Vorschläge für die Praxis? Transferdidaktik: Die sprachlichen Einheiten der zuerst gelernten Sprache können auf ihre Eignung als Transferbasen hin geprüft werden und überall dort, wo sich die Möglichkeit dazu bietet, zur Erleichterung und Beförderung des Erlernens der nachfolgenden Sprache(n) herangezogen werden (MEißNER 2000: 56). Begegnungssprachenkonzept: Sieht man einmal von dem (inzwischen als nachteilig erkannten) Verzicht auf den Erwerb der Basiskompetenz in einer bestimmten Sprache ab, so liegt der wesentliche Vorteil dieses Konzepts darin, dass es den Kindern von Anfang an deutlich macht, dass es neben der gerade gelernten Sprache weitere gibt, die in anderen kulturellen Kontexten, versteht sich die gleiche kommunikative Funktion haben und für die man aus der Aneignung der ersteren wertvolle Hilfe beziehen kann (THÜRMANN 1990: 38 ff). Language across the curriculum: Dieses Programm vernetzt die von den Lernenden anzueignenden Sprachen einschließlich der Muttersprache mit dem Ziel, eine bessere kommunikative Kompetenz in all diesen Sprachen zu erreichen. Das zentrale Konzept ist das der „awareness of language", also der Bewusstheit der Rolle_ der Sprache(n) im Leben der Menschen einschließlich ihrer Funktionen und Formen, welche den Schülerinnen und Schülern auch zu effektiverem Lernen ihrer Fremdsprache(n) verhelfen soll. Hawkins' Buch enthält viele praktische Empfehlungen hierzu (HAWKINS 1984: 292 ff). Exemplarischer Fremdsprachenunterricht: Dieses Konzept resultiert aus der konsequenten Anwendung des Klafkischen „Prinzips des Exemplarischen" auf das Fremdsprachenlernen in der Schule und führt hin zu der Forderung, die Beschäftigung mit der einen gerade gewählten Sprache nicht mit Ausschließlichkeit zu betreiben, sondern von vornherein mit dem Blick auf weitere Sprachen und Kulturen. Die gerade gelernte Sprache dient als Beispiel für fremde Sprachen generell und soll als Basis für die Aneignung nachfolgender Sprachen fungieren (DOYE 1999: 59ff.). Eine Synopse all dieser Konzepte offeriert ein breites Repertoire an methodischen Möglichkeiten, die den Unterricht in der ersten Fremdsprache auch zur Schaffung von ]F]Ll]][, 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 121 Grundlagen für die Aneignung weiterer Sprachen geeignet erscheinen lassen. Allerdings ist diese Idee so neu, dass sie erst noch der weiteren theoretischen Klärung und empirischen Erprobung bedatf, ehe sie als ein ausgereifter methodischer Vorschlag gelten und als solcher an die Praxis herangetragen werden kann. 5. Offene Fragen 5.1 Sprachenwahl In den bisherigen Darlegungen ist die Frage der Sprachenwahl bewusst ausgeklammert worden, und die Überlegungen waren absichtlich nicht auf ein bestimmtes Szenario ausgerichtet. Aber die Frage, welche Sprache als erste gelernt und gelehrt werden soll und welche als zweite oder dritte, ist natürlich von großer Bedeutung (vgl. MEißNER, in diesem Band SS. 125-145). Bis vor kurzem galt es als ausgemacht, dass die Kinder der Grundschule abgesehen von den Grenzregionen als erste Fremdsprache Englisch lernen sollten. Die Begründung war die, dass dem Englischen wegen seiner weiten Verbreitung und seiner dominanten Stellung in der Welt der Vorrang vor allen anderen Sprachen gebühre. Diese Begründung hat in den letzten Jahren einer differenzierteren Argumentation Platz gemacht. Heute werden drei Möglichkeiten erörtert: Die erste Fremdsprache solle eine Migrantensprache, eine Nachbarsprache oder eine Weltsprache sein. Eine Migrantensprache bietet den Vorteil, dass sie zum „Nahbereich der kindlichen Etfahrungswelt" (BAUR/ CHLOSTA 1999: 30) gehört. Wenn deutsche Kinder in einer Region, in der auch viele Türken oder Portugiesen wohnen, deren Sprache lernen, dann dient dies der praktischen Lebensbewältigung und kann das Verständnis für die andere Kultur fördern. Als Nachbarsprachen werden solche Sprachen angesehen, die in Nachbarländern als Muttersprachen gesprochen werden. Für Nordrhein-Westfalen z.B. sind dies das Niederländische und das Französische. Sie verbinden den Vorteil konkreter Erfahrbarkeit mit einem zweiten, nämlich dem hohen Gebrauchswert bei grenzüberschreitenden Begegnungen. Als Weltsprache kommt vor allem das Englische in Betracht. Seine Nützlichkeit ist unbestritten, bringt aber auch einen schwerwiegenden Nachteil mit sich: "Das Englische öffnet nicht für Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, sondern führt zu einer frühen Beschränkung, da die Lerner das Englische als universelles Kommunikationsmittel kennenlernen,[...] als linguafranca, losgelöst von einzelnen Kulturen" (BAuRICHLOSTA 1999: 29). Die Entscheidung für eine dieser Alternativen ist schwierig, weil auch mit politischen Präferenzen verbunden. Jede der drei Optionen hat Vor- und Nachteile; aber gerade deswegen sollte keine von ihnen prinzipiell ausgeschlossen werden, weder auf regionaler noch auf nationaler Ebene. lFILulL 34 (2005) 122 Peter Doye In den Entscheidungsprozess zur Sprachenwahl könnte angesichts der erörterten Funktion der Grundschule gewiss auch die Überlegung einfließen, welche der in Frage kommenden Sprachen sich am besten eignet, die Aufgabe der Grundlegung für weiteres Lernen zu übernehmen. Jedoch ist auch diese Frage schwer zu beantworten. Es gibt keine eindeutigen Aussagen von den einschlägigen Wissenschaften, weder von der Psychologie noch von der kontrastiven Linguistik, und erst recht keine generell verwertbaren Ergebnisse von frem.dsprachendidaktischen Untersuchungen. Da zudem. keine überzeugenden Erfahrungsberichte aus der Praxis hierüber vorliegen, bleibt die Frage bis auf Weiteres offen und die Entscheidung der Sprachenfolge weiterhin den praktischen Erwägungen vor Ort überlassen. Mit anderen Worten: Jedwede Abfolge ist zulässig. 5.2 Gesamtkonzept Eine Realisierung der im. dritten Abschnitt angesprochenen Konsequenzen ist zugegebenermaßen schwierig. Sie wäre leichter durchsetzbar, wenn es ein Gesamtkonzept für den Frem.dsprachenunterricht gäbe. Mangels einer übergeordneten Instanz haben sich in den vergangenen Jahren einzelne Bundesländer vorgenommen, ein solches Gesamtkonzept für ihren Bereich zu entwickeln. Niedersachsen und Hessen haben 1999 und 2001 Expertentagungen zu diesem. Thema durchgeführt und deren Ergebnisse in zwei Dokumentationen zusammengefasst. Es liegen vor und sind bei den zuständigen Ministerien zu beziehen: - Die Dokumentation 'Entwicklung eines Gesam.tkonzepts für den schulischen Frem.dsprachenunterricht' (Niedersachsen). Die Weilburger Erklärung 'Mehrsprachigkeit und Europäische Dimension' (Hessen). Beide Dokumentationen enthalten wertvolle Anregungen für die Umsetzung der ganzheitlichen Konzeption des Frem.dsprachenunterrichts in der Schule. Da ist von einem. Kerncurriculum. die Rede für alle in der Schule unterrichteten Sprachen (Hessen) und von einem. Konzept, welches das Verhältnis der Schulsprachen regelt und Wege aufzeigt, in welchen Abfolgen und m.it welcher Verzahnung die Fremdsprachen in der Schule angeboten und gelernt werden können (Niedersachsen). In der Weilburger Erklärung heißt es darüber hinaus: „Die Grundschule und die weiterführenden Schulen haben die gemeinsame Verantwortung für das Fremdsprachenwachstum der Schülerinnen und Schüler und informieren sich gegenseitig über Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts." Mit diesem. Zitat ist nun aber auch ein notwendiger nächster Schritt angesprochen. Solange es das geforderte Gesamtkonzept m.it einem. wünschenswerten Kerncurriculum. nicht gibt, sind die Lehrkräfte der beiden Schulstufen auf eigene Initiativen vor Ort angewiesen, m.it denen sie die erforderliche Koordination selbst in die Hand nehmen. Eine Reihe von Maßnahmen hat sich dabei bereits bewährt. Die niedersächsischen 'Handreichungen für den Übergang' nennen die folgenden (NIEDERSÄCHSISCHES KUL- TUSMINISTERIUM 2000: 27): lFLlJIL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 123 Austausch von Informationen in schriftlicher Form Wechselseitige Hospitationen Gemeinsame Fachkonferenzen Gegenseitige Informationen in Gesamtkonferenzen Gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen Gemeinsame Materialbörsen Abstimmung der Unterrichtskonzepte Die hier genannten Maßnahmen haben sogar den Vorteil, dass sie den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können. Wenn sie professionell realisiert werden und zum Erfolg führen, dann stellt sich die Frage, ob es eines Gesamtkonzepts auf Länderebene oder gar auf Bundesebene überhaupt noch bedarf. Literatur ALLPORT, Gordon W. (1979): The Nature of Prejudice. Reading, Mass.: Addison-Wesley. BAUR, Rupprecht / CHLOSTA, Christoph (1999): "Begegnung mit Sprachen- Reform oder Konkurs". In: GERLING, Ursula / THÜRMANN, Eike / NIEWELER, Andreas (Hrsg.): Wege zur Mehrsprachigkeit. Soest: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 25-34. BEHÖRDE FÜR BILDUNG UND SPORT- HAMBURG - (Hrsg.) (2002): Rahmenplan Englisch. Bildungsplan Grundschule, Klassen 3 und 4. Hamburg: Amt für Schule. BYRAM, Michael (ed.) (1993): Germany. lts Representation in Textbooksfor the Teaching of Germanin Great Britain. Frankfurt/ Main: Diesterweg. BYRAM, Michael (1997): Teaching and assessing intercultural communicative competence. Clevedon: Multilingual Matters. 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This not only explains why it encounters so much interest, but why this notion has developed into a 'catch-word' in the world of language education. Thus, it covers different contexts related to languages, interand multiculturalism. Considering the German discussion, the following paper sketches the areas of linguistic education and educational theories that are connected to the didactics of plurilingualism. As multi-language and leaming awareness have been revealed to be fundamental in various areas related to this concept, and as teaching and learning intercomprehension proves tobe an efficient tool for increasing the learner's autonomy, the second focus of the articles concems the leaming and teaching of intercomprehension. In seinem grundlegenden Aufsatz zum Paradigmenwechsel im Objekt- und Theoriebereich des Lehrens und Lernens fremder Sprachen zieht REINFRIED (2001: 6 f) als wesentliches Kriterium die Anzahl der Nennungen eines Phänomens in den einschlägigen Bibliographien innerhalb eines gegebenen Zeitintervalls heran. Danach zählt die Mehrsprachigkeitsdidaktik (MsDid) oder Didaktik der Mehrsprachigkeit (hinfort Ms) mit wachsender Gewichtung zu den zentralen Themen der fremdsprachendidaktischen Diskussion nach 1995. Die Tendenz hat sich seit dem Europäischen Jahr der Sprachen 2001 weiter verstärkt. Die Gründe hierfür sind so augenfällig wie mehrschichtig und weit gestreut. 1. Sprachenpolitische Grundorientierung: zwischen Multilingualismus und Plurilingualismus Den Erfolg des facettenreichen Begriffs MsDid erklären verschiedene, in ihrer Wirkung einander verstärkende Faktoren. Politisch entspricht er dem Willen der Europäischen Union, die Ms und das Verstehen ihrer heteroglotten Bürger zu erhöhen. Hier hinter zeichnet sich eine von der Fremdsprachendidaktik zumeist übersehene, politische Dimension ab. Es handelt sich um den in Demokratien funktionalen Zusammenhang der Machtkonstitution über die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger ... und damit über Sprache Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Franz-Joseph MEißNER, Univ.-Prof., Justus-Liebig-Universität, Institut für Romanistik, Didaktik der romanischen Sprachen, Karl-Glöckner-Str. 21 G, 35394 GIEßEN. E-Mail: franz-joseph.meissner@sprachen.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Romanische Mehrsprachigkeitsdidaktik, Didaktische Lexikographie, Didaktik des gesprochenen Französisch, Quantitative Lernerforschung. lFLuL 34 (2005) 126 Franz-Joseph Meißner und einer hinreichenden Sprachenkenntnis. So verlangt die Herstellung des politischen Handlungswillens immer wieder den legitimierenden Appell an das souveräne Volk. Da politische Kommunikation keine Einbahnstraße zwischen Regierenden und Regierten sein darf, sollten möglichst viele Bürgerinnen und Bürger in der Lage sein, die in unterschiedlichen Sprachen gefassten Interessen und Meinungen der nationalen Teilgruppen wahrzunehmen und sich darauf einzustellen. Der Politologe VON KIELMANSEGG (1992) weist mit Blick auf die EU darauf hin, dass es niemals eine Demokratie gab, in der die Mehrheit der Bürger die Sprache(n) der Mitbürger nicht verstand. Hierneben stellen Sprachen einen zentralen Faktor in der Identitätsbildung von Völkern und Staaten dar. Halten wir fest: Wer nur ein Europa der Wirtschaft möchte, benötigt lediglich die Sprachenkenntnis der nur an Produktion und Vertrieb Beteiligten; wer die Teilhabe der europäischen Völker an der gemeinsamen Gestaltung Europas und an seiner Mehrkulturalität will, muss auch deren transnationale Kommunikationsfähigkeit d.h. auch immer vor allem die rezeptive Ms fördern, denn eine europäische lingua franca kann, für sich genommen, die gewünschte mehrsprachliche Teilhabe der Bürger nicht herstellen. Auch im wirtschaftlichen Raum ist der Zusammenhang zwischen Sprache als Marktfaktor, kultureller Gewalt und Chancen(un)gleichheit längst diskutiert (GALTUNG 1993) und erkannt. Während auf der einen Seite die Bedeutung des Englischen anwächst, sieht KONRAD (2004) Anzeichen dafür, dass es andererseits in gewissen interkulturellen Situationen nicht mehr unbedingt als politisch korrekt gilt, auf die lingua franca zurückzugreifen, insbesondere wenn mittels der Kommunikation soziale Nähe hergestellt werden soll. DOYE (2005) betont (erneut) als Vorteil der rezeptiven Mehrsprachigkeit deren politische, ökonomische und kulturelle Neutralität. Den Vorläufer eines Modells, in dem die heteroglotten Sprecher rezeptiv einander in ihre Sprachen folgen, findet POSNER (1992) im polyglotten Dialog der Humanisten, und TRABANT (2002) zeichnet einen kenntnisreichen Apen; : u zur Geschichte der europäischen Identitäten, zu Mehrsprachigkeit und den linguae francae unseres Kontinents. Im Zusammenhang mit Ms erscheint die in Frankreich geläufige Unterscheidung zwischen multi- und plurilinguisme erwähnenswert. Während multilinguisme (wie multiculturel) ein durch Immigration von Menschen unterschiedlicher Herkunftssprachen entstandenes, recht unübersehbares Nebeneinander von Sprachen meint, bezeichnet plurilinguisme ein planbares Miteinander. Da Multilingualismus pädagogisch kaum greifbar ist, führt der steuernde Zugriff auf die Ms über die Plurilingualität. Beide Typen von Ms ergänzen einander. Kritiken an der MsDid so blieb ja der Interkomprehensionsdidaktik (hinfort / Did) der Vorwurf nicht erspart, sie kümmere sich nur um die romanische Ms übersehen die operativ notwendige Trennung. 1 Während nun die Union den Multilingualismus der angestammten Minderheiten und der Migranten durch rechtliche Der Vorwurf ist weitgehend verstummt, seitdem Programme breit bekannt sind, welche die Interkomprehension zwischen unterschiedlichen Sprachenfamilien vermitteln: IGLO (lntercomprehension in Germanic Languages Online) (BöRESTAMM ULLMANN 1999), Union latine, GALATEA, Eurom4 oder EuroCom mit -Rom, -Slav, -Germ und -Didact. lFLllllL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 127 Regelungen schützt, stärkt sie den Plurilingualismus durch pädagogische Leitlinien und Förderprogramme. Die nationalen Erziehungssysteme misst sie daran, inwieweit sie die Bürgerinnen und Bürger dazu führen, neben ihrer Muttersprache mindestens [sie] zwei weitere lebende Sprachen der Union zu erlernen. Dabei übersieht sie weder die Qualität des Fremdsprachenlernens noch die Notwendigkeit, das lebensbegleitende Lernen zu fördern; was nicht zuletzt wiederum dem Mehrsprachenerwerb (hinfort Mn.-) und der Mn.pflege zugute kommt (EU 1995). Daher verweisen BEACCO und BYRAM auf die Kontinuität der didaktischen Programmatik (in DOYE 2005), die zuletzt zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (2001) führte. Neue Europäische Projekte verbinden Ms mit interkulturellem Lernen (CANDELIER 2003) 2 und/ oder mit bilingualem Sachfachunterricht (KRECHEL 2003; MüRKÖTTER 2003). Die intendierte, breite Ms der Europäer verändert den schulischen Fremdsprachenunterricht insoweit, als dessen Richtziel 'Kommunikationsfähigkeit in vier Grundfertigkeiten in zwei modernen Fremdsprachen' um 'plus rezeptive Kompetenz in weiteren Fremdsprachen' erweitert werden muss. Die dann notwendigen Orientierungen für das Schulwesen entwickelt H. CHRIST (2002a/ b). Ohne den Ausbau der IDid sind die Ziele einer differenzierten Ms - und die anhängigen Vorteile auf dem Feld des interkulturellen Lernens schlechterdings nicht erreichbar, was die folgende Fokussierung auf die Interkomprehension (hinfort [) erklärt. 2. Begrifflicher Aufriss von Mehrsprachigkeitsdidaktik und didaktische Verortung eines work in progress Als didaktischer Programmbegriff der EU ist MsDid (didactique du plurilinguisme, didattica del plurilinguismo, didactics of plurilingualism ... ) inzwischen europaweit präsent und mit unterschiedlichen Lernkontexten verknüpft. Dies erklärt die Stärke des Hochwertwortes. Verengt man den Blick auf den deutschsprachigen Raum und die Wissenschaften vom Lehren und Lernen fremder Sprachen, so finden sich zumindest folgende, von MsDid mehr oder weniger stark berührte Bezirke: die „lebensweltliche Ms" (HU 2004; THÜRMANN 2002), Mehrkulturalität und Literaturunterricht (BURWITZ-MEL- ZER 2003a), Sprachenpolitik und Sprachenberatung (MEißNER 1993b), mehrsprachiges Lexikon, Neue Technologien, Englisch als lingua franca in schulischen Curricula (BURWITZ-MELZER 2003b; NEUNER 2005), Lehrerausbildung (MEißNER 2001), Schulentwicklung und bilingualer Sachfachunterricht. Wie diese Aufzählung bereits verdeutlicht und es in der operativen Komplementarität von Multi- und Plurilingualismus schon anklang, fasst MsDid die pädagogische Zielorientierung bzw. Steuerung, die breit eingesetzt werden soll, um Ms zu befördern. Der Vielzahl der referentiellen Bindungen des Begriffspaares Ms und MsDid entsprechen seine Verortungen in zahlreichen Lehrkontexten. Dies betrifft die 'Exportdidaktik' Zum Verhältnis des GeR zur Ms: C0STE/ MOORE/ ZARATE (1997). lFLllllL 34 (2005) 128 Franz-Joseph Meißner Deutsch nach Englisch (HUFEISEN 2003a bzw. HUFEISEN/ MARX in diesem Band) ebenso wie die Muttersprachen-, Zweitsprachen- und die deutschen 'Importdidaktiken' Didaktik des Englischen usw. oder die 'Sensibilisierung für Sprache und Sprachen in der Grundschule' (z.B. RASTNER 2002; LUCHTENBERG 2002; ÜOMEN-WELKE 2003); den tertiären Lernbereich genauso wie die Fortbildung nicht nur von Lehrenden fremder Sprachen. Soweit die MsDid ursprünglich als eine auf lingualem, enzyklopädischem und didaktischem Transfer (hinfort T) beruhende, das Mn.lernen fördernde 'Transversaldidaktik' konzipiert worden war (MEißNER 1993a) - DOYE (2003) spricht treffend von einer „Transferdidaktik"-, erreicht sie alle sprachlichen Fächer sowie solche, in denen Sprache und Fremdsprachen indirekt eine Rolle spielen. 1 als Lernziel und Methode ist daher ein zentrales Element des Gesamtsprachencurriculums. Die Bedeutungsvielfalt und Referenzbreite des Terminus MsDid sowie seine hohe Konjunktur als didaktisches 'Hochwertwort' führen inzwischen manche Autoren dazu, eine „echte MsDid" zu fordern (was die Konnotation einer unechten MsDid generiert). So postulierte man die Erforschung der Faktorenkomplexion als notwendige Vorbedingung für die Existenz einer veritablen MsDid, obwohl dies bislang nicht einmal für den traditionellen Fremdsprachenunterricht geleistet wurde. Ebenso wenig fruchtbar ist angesichts der Breite der Referenzstruktur von MsDid und des Handlungsbedarfs der EU im pädagogischen Raum die Forderung nach einer „konsistenten Theorie". Es ist mit Skepsis zu fragen, ob denn eine solche schon für den herkömmlichen Fremdsprachenunterricht vorliegt und wann eine solche als erreicht gilt? Andere werfen konkurrierende, z.T. notwendige, weil klärende Begriffe in die Debatte: "language learning across the curriculum" (THÜRMANN 2002), "integratives Mehrsprachigkeitskonzept" (BAUSCH/ HELBIG- REUTER 2003), "multipler Spracherwerb" (HUFEISEN 2003b), "kohäsive Sprachdidaktik" (WENDEN 2003) oder „curriculare Ms". Hinter den verschiedenen Etiketten zeichnet sich zentral jene übereinzelsprachliche Lernökonomie ab, wie sie der englische Titel von HUFEISEN/ NEUNER (2003) signalisiert: Synergy in the learning of subsequent languages. 3 Halten wir fest: Die Ablösung eines bloß additiven Mn.lernkonzepts durch ein integrativ vernetzendes und transferbasiertes ist auf dem Weg der Umsetzung. Der Wunsch nach einer Ökonomisierung der Erwerbswege zur Ms hat zahlreiche Vorläufer. Schon 1923 stellt THORNDIKE den vermeintlichen Vorteil von Lateinkenntnissen für das Erlernen moderner Sprachen, dessen Erwähnung sich schon bei Zeitgenossen des Erasmus von Rotterdam findet, in Frage und thematisiert damit den zwischensprachlichen T. Mehr oder weniger begegnet das sprachenübergreifende Lernen im Kern ebenfalls in Lehrwerken. Auch hier reicht die Tradition des Vergleichens weit zurück; wofür wir mit SILVESTRI (2001: 15) auf G. M. Alessandri DI URBINOs 1l Paragone delta lingua Toscana e Castigliana (Neapel 1560) verweisen. SILVRESTRI (ebd.: 17) sieht einen Zusammenhang zwischen dem Topos der 'leichten Sprache' und der morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Ähnlichkeit (lnterkomprehension) zwischen einer Ausgangs- und Zielsprache; so in Francisco TRENADO DE AYLL6Ns Arte mvy curiosa por Wir finden allerdings das Epithet subsequent kritikabel, weil Mn.lernen ein alle vor- und nachgelernte Sprachen miteinander vernetzendes Lernen ist. IFLlllL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 129 la cual se ensefia mvy de rayz el entender, y hablar la Lengua ltaliana, con todas las reglas de la prononciacion y acento, y declaracion de las partes indeclinables, q a esta lengua nos oscurecen (Medina del Campo: Sanctiago del Campo 1596). Schon die explizite Titelformel weist aus, worauf es Spanischsprachigen beim raschen Erlernen des Italienischen ankommt. Im 'Prologo al lector', 24r) liest dieser: "[...] si para estudiar Ja Grammatica Jatina se gastan tres o quatro aiios, en mvy pocos dias, quese gasten en esto [nello studio di quella italiana], entenderan y gozaran con gran gusto Ja suauidad,y excellencia desta Jengua." Halten wir fest: Bereits 1596 unterscheidet man nach Teilfertigkeiten und verbindet die Interkomprehensibilität einer Zielsprache mit der Leichtigkeit ihres Erwerbs zu rezeptivem Zweck. - "Das Bedürfnis, die[ ...] gelehrten Sprachen systematisch aufeinander zu beziehen[...] und die besten Wege für ihre Erlernung [...] zu zeigen", fühlte GLINZ vier Jahrhunderte später, "vom Beginn [seiner] Lehrertätigkeit an" (1994: XI), wobei er auf eigene Arbeiten aus den sechziger Jahren verweisen konnte. All dies signalisiert die kaum zu überschätzende Rolle des lernrelevanten Vorwissens, das natürlich nicht auf den schulischen Rahmen begrenzbar ist. Deshalb ist dessen empirisch abgesicherte Beschreibung für repräsentative Lernerpopulationen überfällig (die nicht nur dem Sprachenlernen zugute kommen dürfte). Eine solche ist zur Zeit nicht in Sicht. Dabei betont schon AUSUBEL dessen tragende Rolle für das Lernen (1968: vi): "If I bad to reduce all of educational psychology to just one principle, I would say this: The most important single factor in influencing leaming is what the leamer already knows." Für die deutschen Entwicklungen des Ms.skonzepts waren die 'Homburger Empfehlungen' (H. CHRIST 1980) wesentlich. Dort finden sich die Grundbegriffe einer der Ms verpflichteten Schulsprachenplanung: Begegnungs-, Fundamental-, Verkehrs- und Erschließungssprache (RUTKE 2002: 92 ff). Einen weiteren Schritt in der Entwicklung zu einer Theorie der MsDid taten die 'Vorschläge für einen erweiterten Fremdsprachenunterricht' (BERTRAND/ CHRIST 1990). Auch sie waren dem Ziel der sprachenteiligen Gesellschaft verpflichtet. Beide Konzepte gingen in die 'Umrisse der Mehrsprachigkeitsdidaktik' ein (MEißNER 1993a), welche als Leitlinien der zu entwickelnden Mn.methodik deren empirische Fundierung, die übereinzelsprachliche Lernökonomie und die Verbindung von Ms und Mehrkulturalität zusammenführten. Während die MsDid, indem sie sprachenübergreifend und lernökonomisch fokussierte, die additive Ms ablöste, verbindet sich die Weiterentwicklung des Ms.skonzepts mit der Forderung nach einem (integrativen) Gesamtsprachencurriculum (BAUSCH/ HELBIG-REUTER 2003; HUFEISEN/ LUTJE- HARMS 2005). Es erlaubt die Verzahnung von Muttersprachen-, Zweit- und Fremdsprachenunterricht, beginnend bei der Ausbildung der Lehrenden bis hin zur mikroskopischen Steuerung des Unterrichts in den unterschiedlichen Lernkontexten und -materialien. Dabei zeigen Beobachtungen von Mn.unterricht (hinfortMUnt), dass dieser gerade eine Sensibilisierung der Lernenden für das eigene Lernen bewirken muss (BÄR [et al.] 2005). Dies liefert ein entscheidendes Kriterium für seine Qualität. Indes fasst MsDid, wie gesagt, sehr weit. Die Vielzahl der Referenzen zu MsDid, von betroffenen Lehrkontexten und Forschungsgegenständen macht schon für sich genomlFLuL 34 (2005) 130 Franz-Joseph Meißner men klar, dass es sich nur um ein work in progress von beachtlichen Ausmaßen handeln kann. Dem entspricht auch die Ms.spflege von der Vorschule bis zum lebensbegleitenden Lernen als Leitprinzip. Hier zeichnet sich in der Tat die MsDid als ein zentraler Teil der neuen Lernkultur ab, wie sie die 'Wissensgesellschaft' (EU 1995) fordert: Es wird daher die wesentliche Aufgabe der mehrsprachigen Union sein, das methodische Instrumentarium der einzelzielsprachenbezogenen Fachdidaktiken mit denen der MsDid in Einklang zu bringen und den Erwerb von Sprachen zusammenzudenken (MEißNER 2004a). Die MsDid antwortet also auf eine neue, durch Mehrkulturalität und Ms hergestellte Herausforderung, weshalb sie als politisches und pädagogisches Leitprinzip weit fassen muss. Man ist auf dem Weg: Hiermit korreliert etwa, wenn der Geographiedidaktiker LENZ (2002) mit zwei gewichtigen Gründen für die Hineinnahme des interkomprehensiven Lesens in mehreren Sprachen in den Geographieunterricht plädiert, und zwar des propädeutischen Effekts und des interkulturellen Lernens halber. Längst öffnet sich der so erfolgreiche bilinguale Unterricht für das Mn.lernen. Vergleicht man die genannten Segmente der MsDid auf ihre Gemeinsamkeiten hin, so lassen sich mindestens vier Kernbereiche ausmachen: Die / und die lernökonomische Nutzung von den Lernern mental verfügbaren Sprachen- und ihrer Weltkenntnis zum raschen Aufbau von Mn.kompetenz (Synergien entfalten), die Sensibilisierung für Sprachen, wobei dieser weit greifende Punkt auch deren unterschiedliche politische und soziale Rollen (als Minderheiten- oder Migrantensprachen) im Kontext von Ms thematisiert, drittens: das an der Didaktik des Fremdverstehens orientierte interkulturelle Lernen und last but not least die Autonomisierung der Lernenden, die kaum in der Beschränkung auf nur eine Fremdsprache erreicht wird. Befragt man diese vier Bereiche auf das Gemeinsame hin, so tritt die Rezeptionsfä.higkeit als das elementar verbindende Element entgegen. Dies rechtfertigt es, dass wir im Weiteren unsere Aufmerksamkeit dem Lernbewusstheit fördernden l.sunterricht widmen. 3. lnterkomprehension und das Lernen von Sprachen lernen als Kern der Mehrsprachigkeitsdidaktik Vorab: Gegenüber den Skeptikern der / Did ist zu betonen, dass es aller Unzulänglichkeiten aktueller Forschung zum Trotz keine Zeit gab, in der didaktische Entscheidungen empirisch so gut fundiert werden konnten, wie dies heute der Fall ist. Das gilt gerade für die noch in Entwicklung befindliche / Did. Die gegenwärtige Phase der praxisbezogenen Forschung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie anhand von Fallbeispielen zu MUnt und im Gespräch mit den beteiligten Lehrenden und Schülern eine empirisch begründete Methodik erarbeitet. Die Empirie ist also ein begleitendes und zugleich steuerndes Element der Entwicklung von / und MUnt. Dass mehrsprachige Menschen 'ihre' Sprachen implizit oder explizit miteinander vergleichen (weil das mentale Lexikon dies oft so will), ist eine nicht zu bezweifelnde Alltagserfahrung: Lerner einer zweiten europäischen Sprache mit asiatischen oder afrikanischen Muttersprachen wählen das ihnen bereits bekannte europäische Idiom als FLILIL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 131 Brückensprache (SINGH/ CARROLL 1979; AHUKANNA [et al.] 1984). DEFLORIO-HANSEN (1994) beobachtet bei ltalienischlemern der Volkshochschulen, wie stark diese ihr Vorwissen zur Semantisierung neuer Vokabeln zu nutzen versuchen. Alle Dokumentationen von MUnt (CARRASCO 1994; CAPARELLI 2003; BöING 2004; BÄR [et al.] 2005) bestätigen die Fruchtbarkeit des auf das Vergleichen von Sprachen und gleichwertig von Lernwegen begründeten Mn.lernens. Die Fälle von praktischen Erfahrungen mit l.sunterricht mit Schülern, VHS-Studierenden und solchen der Hochschulen aus allen Fachbereichen bzw. der Romanistik gehen inzwischen in die Hunderte. Auch lehrseitig liegen entsprechend weit gefächerte Erfahrungen vor. Auf der Ebene der Lehrwerke lassen sich indes, wie angeklungen, vielfache Vorläufer finden, die Ansätze eines impliziten Mn.konzept verraten, etwa allein in 1995 DOCA oder ALMEIDA FILHO. Allerdings fehlt all diesen die umfassende Systematik, welche die heutige / Did auszeichnet. Was die ausländischen Erfahrungen angeht, so ist für den hiesigen Kontext zu bemerken, dass die um Eurom4 und GALATEA entstandenen Lernprogramme nicht ohne weiteres von deutschsprachigen Lernern nutzbar sind, da diese eben in der Regel nicht über hinreichende Kenntnisse in einer romanischen T.sprache verfügen. EuroComDidact versucht im Rahmen von EuroCom daher, wie angeklungen, eine auf den deutschen Lernkontext zugeschnittene Methodik zu entwickeln (MEiß- NER [et al.] 2004; auch RIEDEL 2001 bzw. NIEWELER 2002). 3.1 Zur Entwicklung der Interkomprehensionsdidaktik in Deutschland, einer integrierten Sprachendidaktik und eines Gesamtcurriculums Von indirektem Einfluss auf die heutige / Did waren im romanistischen Bereich zunächst die Studien von ABEL (z.B. 1971). 4 Darauf folgte die Hinwendung der noch jungen Sprachlehrforschung (SLF) um K.-Richard BAUSCH zur Ms (KOORDINIERUNGSPRO- GRAMM 1983). Allerdings fehlte dieser noch ein integrativ-synergetisches Ms.skonzept, wenn auch ZAPP (1979) bereits von der „Verzahnung von Zweit- und Drittsprachenerwerb" gesprochen hatte (und dabei das Spanische als dritte Schulsprache im Blick hielt). Vielleicht erklärt das damals noch fehlende didaktische Ms.konzept, weshalb sich die SLF zunächst den so verstandenen 'Tertiärsprachen' zuwandte 5 (SCHRÖDER 1979 bzw. das einschlägige Themenheft der Neueren Sprachen 1979). Hufeisen setzt, aus der DaF- Didaktik kommend und mit Blick auf Deutsch nach Englisch, hingegen Tertiärsprache mit „L3" (lingua 3) gleich, wobei LI die zuerst erworbene (Mutter)Sprache meint. 6 Dabei liegt die Verbindung zwischen MsDid und Tertiärsprachen in dem oben genannten 4 Natürlich haben die hier geschilderten Entwicklungen ihre 'Vorgeschichten': So sprachen FRIES (1945) und LADO in ihren Arbeiten zur Fehleranalyse von "two systems involved" (LADO 1957: 2), wie SELINKER (1992) bemerkt. Während hier jedoch T stets als fehlerverursachend thematisiert wurde, gewann der Begriff in dem Maße eine Wendung ins Positive, wie die Theorie weniger auf Interferenzen zu blicken begann denn auf das Sprachenwachstum. 5 Verursachend war die Öffnung der Schulen für Tertiärsprachen im Anschluss an die Einführung der Reformierten Gymnasialen Oberstufe im Jahr 1972 (ff.). 6 Vgl. die von HUFEISEN herausgegebene Reihe Tertiärsprachen und Mehrsprachigkeit. IFLlllL 34 (2005) 132 Franz-Joseph Meißner Gedanken der Lernökonomie begründet, der schon beim Erwerb einer zweiten Fremdsprache (bzw. L3) greifen kann. So zeigen bereits die Unterrichtsmitschnitte der SLF, wie in schüler- und lehrersprachlichen Produktionen in der Zielsprache verschiedene, ihnen bekannte Sprachen interagierten (BAHR [et al.] 1996). Ähnliches stellen auch DEANGE- LIS/ SELINKER fest, wenn sie das Sprechen Mehrsprachiger analysieren (2001: 37): "On the whole, this study confirms findings from other L3 research: knowledge of prior L2s can exertconsiderable influence on the learner's L3." Ms begegnet in den Unterrichtsmitschnitten der SLF als Stör- und Stützfaktor des Zielspracherwerbs, wobei die Steuerung durch die Lehrenden eine ausschlaggebende Rolle spielt. Es fehlen in den Unterrichtsmitschnitten der SLF Indizien auf die systematische retro- und proaktive Vernetzung der beteiligten Sprachen sowie auf ein lehrwie lemseitiges didaktisches Monitoring. Dabei ist zu sehen, dass faktisch vor allem lernersprachliche Produktionen im Rahmen ihrer mehrfaktoriellen Einbettung im Fokus der Studien standen. - Zugleich sei unterstrichen, dass bislang weder der offene noch der gesteuerte Erwerbsweg von der Rezeptionszur Produktionsfähigkeit zufriedenstellend beschrieben wurde. - Wie sehr sich indes die von Anfang an auf Empirie setzende SLF der Ms verpflichtet fühlte, zeigte schon BIERITZ (1974). Er wies nach, dass die einzelzielsprachliche Kenntnis von T.basen noch nicht ausreicht, um einen zwischensprachlichen T zu realisieren. Die Analyse von Lernersprache im 'Kasseler Textkorpus' (DECHERT/ MöHLE/ RAu- PACH 1984; MöHLE/ RAUPACH 1989) bewirkte eine Neueinschätzung des T.s - und zwar keineswegs mehr nur als Interferenz. Die Entdeckung der Interlanguage (SELINKER 1972) und die Modellierung der mentalen Sprachverarbeitung (etwa DE BOT 1992) waren ebenfalls grundlegend für die Beschreibung der psychischen Dimension von / . Allerdings, dies sei vorweggreifend erwähnt, entwickelte die / Did jene auch weiter, etwa im Sinne der 'Hypothesengrammatik' und einer differenzierten, auf Mehrsprachigkeit bezogenen T.typik (MEißNER 1998, 2004b). HUFEISEN (2003b) stellt in Modellen zum multiplen Spracherwerb lernerinterne und -externe Faktoren zusammen. Als lernerinterne Variablen nennt sie: interlanguage und supplier languages, proficiency und recency ("learners are more likely to borrow from a language they actively use than from other languages they may know", CENOZ 2001: 9 f), perceived language competence, Komplexität und Holistik, Variabilität und inconsistency, Sprachverlust, Aufrechterhaltung, self-extension, Motivation, self-esteem, anxiety, metalinguistisches Bewusstsein, pragmatische Sensibilität, Fremdsprachenlernstrategien, Wissen um den eigenen Lerntyp, language acquisition capacity und aptitude; als externe Faktoren: Lernumwelt, Multifunktionalität und Funktionskomplexe, nonreplication. Ein weiterer Ansatz erfolgte im Umfeld der Diskussion um im Sinne der Ms lernökonomisch günstige Schulsprachenfolgen (vgl. DOYE in diesem Band [SS. 111-124]). In diesem Zusammenhang entstanden sprachvergleichende Komputationen von interlingualen 'T.basen' in den Grundwortschätzen, dem grammatischen Inventar der romanischen Schulsprachen und den Lehrwerken von Englisch und Französisch (MEißNER 1989, 1991a/ b; NEVELING 2005). Kriterien für deren Zusammenstellung waren 'interlinguale Ähnlichkeit', Sprachendistanz und Lernökonomie sowie die Orientierung an der lFL1.llL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 133 'westeuropäischen Ms' (vgl. MEißNER 1993b: 25). Blieben diese Arbeiten jedoch allein auf schulische Lernmaterialien und Fremdsprachencurricula beschränkt, so entwickelten KLEIN/ STEGMANN (1999) eine linguistische Systematik, die das gesamte Material der romanischen Sprachen in die Kategorien 'T.basis' und 'nicht-transferabel' bzw. "Profilwort" oder "-funktion" trennte. In sieben Sieben beschreiben sie für sechs romanische Sprachen für den interromanischen Identifikationstransfer Nutzbares: (1) internationaler und (2) panromanischer Wortschatz, (3) Morphemik, (4) Aussprachen und Graphien, (5) panromanische Syntax, (6) Morphosyntax, (7) Fixe. Leider stellen die Siebe weniger die opaken Formen (Hemmnisse) für einen interlingualen Tals die interlingualen Korrespondenzen zusammen. Dabei würde eine starke Fokussierung auf Profilformen und-funktionen eine Beschleunigung der Progression erlauben; sie wäre für Lehrwerkautoren daher äußerst wertvoll. Hier kann nachgebessert werden. - In der Romania selbst wurden schon früh ähnliche interlinguistische Beschreibungen vorgelegt (z.B. DELATTRE 1965; jüngst SCHMIDELY [et al.] 2001), welche allerdings nicht die filternde Systematik der Siebe umfassten. Deren Selektionsmethode stellt die sprachlich-materiale Grundlage des EuroCom-Programms dar, das über EuroComRom, -Slav und -Germ zu einer umfassenden rezeptiven Ms der Europäer beitragen will (KLEIN/ STEGMANN 1999; ZYBATOW 1999; DUKE/ HUFEISEN/ LUTJEHARMS 2004). Weil bekanntlich die linguistische Erfassung von interlingualen T.potentialen noch keinen Tbewirkt, umfasst EuroCom neben den Sprachfamilien zugeordneten Abteilungen auch ein EuroComDidact (MEißNER 2003), dem folgende Aufgaben zufallen: 1.) Erforschung der romanischen I bei Germanophonen, 2.) Entwicklung und Erprobung von MUnt oder Lsunterricht im hiesigen Kontext, 3.) Entwicklung einer I.smethodik, 4.) Herstellung von Anschlussfähigkeit Deutschsprachiger an simultanen romanischen I.sunterricht, 5.) Erstellung und Qualitätssicherung von Lernmaterialien. 3.2 Lehren und Lernen von Interkomprehension in der Forschungsperspektive (Grundlagen des Interkomprehensionsunterrichts) Ich glaube, ich habe sehr viel gelernt[... ]. Es hat mich überrascht, dass man mit dieser Methode so viel erreichen kann.[... ] Ich finde auch, dass der Unterricht in etwa so ablaufen sollte. Man lernt viel schneller und besser. Man lernt auch, wie man am besten lernen kann. Ich denke, dass ein solcher Unterricht durchaus Zukunft haben könnte. (Schüler einer Klasse 8 nach MUnt; bei RING 2004) Spätestens an dieser Stelle sind Arbeiten zu 'Meinungen' über Ms und Ms.lernen zu erwähnen (MißLER 1999; 2000; HUFEISEN 2000). Diese Forschungen zeigen ein mehrdeutiges Bild: Während die Probanden einerseits Ms überwiegend schätzen, betonen sie andererseits Interferenzerfahrungen. Allerdings blenden diese Untersuchungen den Einfluss von konkreten Unterrichtserlebnissen auf die jeweilige subjektive Theorie aus. KALLENBACHs (1996) Studie ist zwar qualitativ angelegt, hat jedoch nicht den MUnt im Fokus. Grundsätzlich ist einzuwenden, dass all diese Forschungen nur Probanden erfassen, die ihre Erfahrungen mit dem Sprachenlemen unter den Bedingungen des methodisch 'monolingualen' traditionellen Fremdsprachenunterrichts machten und daher aus lFlLlllL 34 (2005) 134 Franz-Joseph Meißner der Sicht der dort geprägten Vorurteile werten. Deshalb ist die Reichweite ihrer Aussagen für die MsDid begrenzt. - Keine dieser Arbeiten gewinnt ihre Daten aus der Beobachtung von mentalen Verarbeitungs- und Kommunikationsprozessen zur Ms, obwohl die Unterschiede zwischen realen Prozessen und den Eindrücken der Probanden von diesen erheblich sind, wie es schon die in der Didaktik geläufige Trennung von vermeintlichem und realem Input, vermeintlichem und realem Intake betont. - Von den Studien zu den subjektiven Theorien über die Ms zu trennen sind also solche zur mentalen Verarbeitung zu romanischer / ; hierzu: in Lese- und Hörprozessen bei Deutschsprachigen MEißNER (1997), MEißNER/ BURK (2001) und MüLLER-LANCE (2003); zum Lesen und Hören in nahverwandten romanischen und/ oder nicht-romanischen Sprachen allgemein: LUTJE- HARMS (1999), CLERC (1999), MASPERI (2000), LÖPEZ ALONSO (2001); zum Lernen des Lernens von Sprachen qua/ : CAPARELLI (2003), S. NEUNER (2004) und BÄR et al. (2005). Erwähnenswert ist, dass sich die empirischen Aussagen zu unterschiedlichen Kontexten weitgehend decken (CENOZ 2001 bzw. passim: CENOZ/ HUFEISEN/ JESSNER 2001). Sie bestätigen nicht nur das von der / Did so betonte didaktische Synergie-Potential der Ms, sondern auch die Frage des optimalen Zuwegs zur Ms, bei dem neben der Methode die oft zitierte Sprachenfolge hochrelevant erscheint. „Transfer ist[ ...] zu sehen als Aktivierung relevanter Muster derjenigen Sprache, die mental am stärksten wirksam ist", so schon MöHLEIRAUPACH (1993: 126). Man würde dem heutzutage hinzufügen, dass der zwischensprachliche T bei Mehrsprachigen nicht auf den Einfluss einer einzigen Sprache zurückzuführen ist und die T.sprache bei ein und demselben Individuum durchaus wechseln kann. - Auf der Grundlage von 32 analysierten Fällen zu Lese- und Hörprozessen in nicht formal erlernten romanischen Sprachen entwickelte EuroComDidact das Modell des 'Didaktischen Mehrsprachenmonitors' (MEißNER 2004c). Es spiegelt die vielfach belegte Tatsache wider, dass der (spontane) Entwurf von Sprachhypothesen bzw. der Hypothesengrammatik im Moment der verstehenden Begegnung mit interkomprehensiblen Sprachen allein noch nicht nachhaltig zum Aufbau von Rezeptionskompetenz führt. Es bedarf daher der Stützung durch eine entsprechende Lernmotivation (LINDEMANN 2001: 225), der Beobachtung der eigenen Lernsteuerung und der konkreten Lernwege und in der Regel auch einer linguistischen Anleitung zur Erhöhung der Reichweite des 'Re-Identifikationstransfer'. Ist dies gegeben, so führt MUnt zum Wachstum von Sprachen- und Sprachenlernbewusstheit, zum selbstreflexiven Lernen und zur Optimierung der Lernkompetenz. Hier liegt die Verbindung zum Autonomen Lernen (vgl. MARTINEZ in diesem Band [SS. 65-82)). - Obwohl eine Erhöhung der lernbezogenen Reflexivität seitens der Lerner in allen Fällen von MUnt beobachtet wurde, steht bislang eine longitudinale empirische Studie zur Nachhaltigkeit bzw. zur Einwirkung von MUnt auf die Autonomisierung aus. Dies hat vor allem mit den bislang fehlenden Möglichkeiten der pädagogisch unaufwendigen Integration von interkomprehensiven Vorschaltmodulen zur Beschleunigung des Spracherwerbs in die vorhandenen Lehrwerke der Tertiärsprachen zu tun; sodann mit der fehlenden Vertrautheit der Lehrenden mit der Vermittlung von Lernkompetenz qua/ , mit der fehlenden Beschreibung einer Progression im Bereich des Lernens des Lernens von Sprachen (vgl. RAMPILLON 2003) sowie mit der gängiger Praxis naiv zugrunde liegenden, längst widerlFLlllllL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 135 legten Annahme, dass sich alle vier Fertigkeiten mit gleicher Geschwindigkeit entwickeln ließen (BLEYHL in diesem Band [SS. 45-64]). Ohne an dieser Stelle andernorts Gesagtes zu wiederholen, sei daran erinnert, dass mit der erheblichen Beschleunigung des Sprachenwachstums im rezeptiven Bereich die Notwendigkeit einer qua I.smethodik effizienteren Organisation des Sprachencurriculums (bzw. des Gesamtsprachencurriculums) einhergeht. Und zwar lautet in der Regel die Reihenfolge der Fertigkeitsschulung: vom Lesen über das Hörverstehen zum Schreiben und Sprechen. Ein hieran orientiertes Curriculum bewirkt eine signifikante Erhöhung der mentalen Verarbeitung zielsprachlicher Daten, was wiederum ein reicheres Sprach- und Lernerlebnis nach sich zieht. Die herkömmliche Methodik der parallelen Entwicklung der vier Fertigkeiten bremst die hier entgegentretende Mechanik aus. Ein Gesamtsprachencurriculum wird daher die / in starker Weise und in ihren unterschiedlichen Anwendungen zu berücksichtigen haben. Während sich Tals kommunikative Strategie, als Lernstrategie, prozeduraler T, von kognitiven Prinzipien geleiteter T, T als Überlagerung und T von Lernerfahrungen auflisten lässt (EDMONDSON 2001: 141 ff nach SELINKER 1969; TIMMERMANN 2000), legen die Studien zu/ und MUnt den Fokus auf die Vernetztheit der Sprachen im mehrsprachigen mentalen Lernerlexikon (z.B. intralingual 'in' der Ll/ L2 ...) und/ oder auf die zwischensprachliche Richtung des T.s (interlingual 'von' der L2 zur U, oder umgekehrt). Die / Did spricht vom retro- und proaktiven T und mit Bezug auf den transferierten Gegenstand vom (lingualen) Form-, Inhalts- und Funktionst., hierneben mit Blick auf das Lernen vom didaktischen T. Eine Besonderheit ist, dass ein Tin einer nachgelernten Sprache über den Sprachenvergleich zu einer Reorganisation des Wissens in einer vorgelernten Sprache oder aber mehreren involvierten Sprachen führen kann. Da sich mit dem Sprachenwissen auch ein Wissen über die Korrespondenzen 'zwischen' Sprachen aufbaut und explizit gemacht werden kann, ist immer auch das plurilinguale deklarative wie prozedurale Wissen betroffen, wodurch ein Multiplikationseffekt erreicht wird. Der didaktische Tals 'Übertragung von Lernerfahrungen' speist die Lernsteuerung durch das Didaktische Mehrsprachenmonitoring. Auch hierzu sind weitere Forschungen erforderlich. Während die herkömmliche Didaktik pauschal von T spricht, trennt die / Did zwischen Re-Identifikations- und Produktionst. Nahezu alle in der didaktischen Literatur beschriebenen Interferenzen betreffen den Produktionst., was die ungeheure Verengung des traditionellen Blickfeldes auf T.phänomene erklärt. Völlig übersehen wird die Tatsache, dass jede verbale Kommunikation auf linguales, enzyklopädisches und situatives Vorwissen, also auch auf Inferenz, beruht und dass Inferieren eine fundamentale Rolle bei jeglicher Sprachaktivität, nicht zuletzt beim Spracherwerb, spielt. Bei jedem T.typ lassen sich des Weiteren T.basen, -auslöser und -effekte beschreiben. Die Sensibilisierung für T.- und Steuerungsphänomene verbessert den T.auslöser: Je transparenter einem Lerner mögliche T.basen erscheinen, desto rascher generiert er T.effekte. Die I.smethode macht die vom Lerner entworfenen, mehrere Sprachen umfassenden Hypothesengrammatik sichtbar und bedient sich ihrer. Da sich die Verarbeitung von rezeptiven Prozessen beim Sprachenkontakt nicht unterbrechen lässt, unterliegt auch die Hypothesengrammatik einem ständigen und raschen Wandel. Die hier angelegte Reiteration der T.prozesse erklärt ebenfalls zu einem gut Teil den Erfolg der I.smethode. lFLuL 34 (2005) 136 Franz-Joseph Meißner Eine in der l.sforschung ungeklärte Frage betrifft die Notwendigkeit der sprachlichen Produktivität für den Spracherwerb. "Swain (1985) argues that learners need the opportunity for meaningful use of their linguistic resources to achieve füll grammatical competence [...] that when learners experience communicative failure, they pushed into making their output more precise, coherent and appropriate [... ] that production may encourage learners to move from semantic (top down) to syntactic (bottom up) processing. Whereas comprehension of a message can take place with little syntactic analysis of the input, production forces learners to pay attention to the means of expression" (ELLIS 1994: 282). Die comprehensible output hypothesis ist indes kein Einwand gegen die I.smethode, da diese ja gerade bereits auf der Rezeptionsebene in starker Weise bewusstmachende Strategien verwendet. Überdies ist die I.phase im Tertiärsprachenunterricht auf maximal 35 Unterrichtsstunden begrenzt. Letztlich hat auch die IDid niemals behauptet, produktive Kompetenz sei allein auf der Grundlage von rezeptiver Sprachverarbeitung erwerbbar. J scheitert, wenn die unbekannten cues mehr als 25 bis 30 von Hundert der tokens erreichen. Daher ist unter den romanischen Sprachen die Interkomprehensibilität des Rumänischen fragwürdig (LOPEZ ALONSO/ SERE 2001: 74) 7 • Die Einschränkungen gelten auch bezüglich der Textsorten und Sprachregister. Wer die Sprache einer europäischen Sprachenfamilie kennt, erreicht damit noch nicht per se interkomprehensiv 'alle' anderen in den Sprachen der Familie ausgelegten Sprachmanifestationen. Den beachtlichen Einfluss des Faktors Selbststeuerung belegen Vergleiche von Schülerleistungen im MUnt. So schnitt in einer Lernsequenz 'Italienisch lesen von Anfang an' in einem Spanischkurs der Klasse 13 (nach zweijährigem Spanischunterricht) die bilingual deutsch-russische Schülerin Tanja als beste ab, obwohl sich ihre Kenntnis romanischer Sprachen auf das Spanische (plus Englisch) beschränkte. Hingegen verfügten ihre monolingual deutschsprachigen Mitschülerinnen 'formal' über zusätzliche schulische Kenntnisse in Latein und/ oder Französisch. - Nach Ausweis der l.sanalysen profitierte Tanja von ihrer in lebensweltlicher Ms erworbenen natürlichen l.skompetenz. Sie zeigte sich mit Strategien des intelligent guessing und den verschiedenen Typen des T vertraut. Ihre 1.sprozesse zeigen vor allem das hartnäckige Verstehen-Wollen der Zielsprache, das bewusste Ausprobieren von Erschließungswegen, das Rückvergleichen des Re-Identifikationstransfers mit der eingesetzten Brückensprache und über diese hinaus einen sprachlich mehrdirektionalen Abgleich. Dies bewirkte eine tiefe und breite Mehrsprachenverarbeitung mit zahlreichen Wiederholungsroutinen und hohen Behaltenseffekten. T.analysen der monolingualen Mitschülerinnen dokumentierten die Charaktistika in weitaus geringerem Umfang. - Man mag dies als ein Indiz für mögliche Defizite des hiesigen Fremdsprachenunterrichts im Bereich Sprachensensibilisierung deuten, was die quantitative Lernerforschung (die Erwachsene nach ihren Erinnerungen an das schu- 7 "( ... ] en rumano [ ...], la transferencia morfosintactica es parcialo nula; gran parte de los elementos relacionales no son identificables, y el proceso de comprensi6n [ ... ] es totalmente insuficiente." lFLllllL 34 (2005) Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited ... 137 lische Fremdsprachenlernen befragt) bestätigt (BOGDAN [et al.] 2006). Die Kritik hebt auf das 'Zwischen-meinen-Sprachen-Lernen' und das Selbstmonitoring ab. Dies folgt aus einer Steuerung, die die Prozessebene ausblendet. Zur Verdeutlichung: Wenn ein deutschsprachiges Kind Englisch lernt, bildet es nicht nur Kompetenzen in der Zielsprache aus, sondern es erfährt implizit auch etwas über die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten zwischen seiner Ll und der L2; daneben durchläuft es neue Lernerfahrungen, die es mit Selbstbeobachtung verbinden kann (oder auch nicht). Zu Beginn des Erwerbens einer weiteren Fremdsprache kann der Unterricht diese Erfahrungen für die neu beginnende Lernstrecke 'kapitalisieren' (oder auch nicht). Diese prozeduralen Erfahrungen werden jedoch fast nie Thema des Unterrichts noch einem systematischen und nachhaltigen Monitoring zugeführt. Dabei würde dieses die für das weitere Lernen so wichtige affektive Seite des Sprachen- und -lernerlebnisses und die langfristige motivationale Befindlichkeit im Lernbereich Sprachen erfassen. Interkomprehensive Verfahren könnten hingegen, gezielt, adressatengerecht und komplementär in den einzelsprachlichen Methodiken angewandt, die Autonomisierung der Lerner unterstützen. Denn sie demonstrieren deren eigene Lernprozesse und -wege (ECKERTH 2004). Um Missverständnissen vorzubeugen: Wie sich zwischen der Sprachbeschreibung einerseits und dem Spracherwerb andererseits eine Dichotomie auftut, die darin begründet ist, dass Grammaiko- oder Lexkographie Sprache nur sequentiell darstellen können, mentale Sprachverarbeitung hingegen parallel die zu einer Äußerung notwendigen Elemente der lingualen Architektur zusammenführt, so ist auch der l.serwerb von der bloßen Beschreibung lingualer T.basen zu trennen. Entscheidend für die Nachhaltigkeit der 1.prozesse und den Mehrwert auf dem Feld des Lernens sind die über das didaktische Verfahren initiierte Breite und Tiefe der Mn. verarbeitung, das didaktische Monitoring und der Motivierungseffekt. Als genuin lernerzentrierte Methodik ist die IDid konstruktivistisch (MEißNERISENGER 2001; MAZZA 2004). Wenn hingegen Sprachenkundige ihre T.baseukenntnisse in Kommentaren zu 1.stexten zur Anschauung bringen, so ist dies noch keine l.s'methodik'. Auch die Verwendung Neuer Technologien (blended learning) sagt nichts über die Qualität didaktischer Steuerung aus. Wenn die 1.sdidaktik zu einer Optimierung des Lernens beitragen soll, muss sie darauf setzen (können), dass bewusstes, explizites Lernen folgende Etappen umfasst: Definition des Lernziels durch die Lerner, Auswahl und Ausprobieren der Lösungswege, Sicherung des lingualen und didaktischen Ergebnisses. Auch implizites Lernen als "an unconscious process of induction resulting in intuitive knowledge that exceeds what can be expressed by learners" (ELLIS 1994: 38) verlangt nicht das Nachmachen (also auch nicht das Vorsagen von T.lösungen), sondern das Selber-Tun. Die Is.methodik bringt Beispiele für die streng auf die Eigenaktivität der Lerner abhebende Lernorganisation und Steuerung (MEißNER 2004c). 3.3 Statt einer Konklusion: eine Zwischenbilanz Obwohl die Entwicklung von MUnt alles andere als abgeschlossen ist, lassen sich im Vergleich zu 1995 deutliche Fortschritte erkennen. Zu nennen sind: • Die Konzeption einer politisch gewollten MsDid und ihre europaweite Förderung. lFLl! L 34 (2005) 138 Franz-Joseph Meißner • Die Forderung eines Gesamtsprachencurriculums, in dem / . ein wichtige Funktion übernimmt. • Eine bessere Kenntnis der mentalen Verarbeitung von Ms. Dies betrifft nicht nur die interromanische Ms, sondern auch die mentale Verarbeitung von romanischen Sprachen durch native Sprecher des Deutschen. • Eine bessere Einsichtin Inferenz und Tbeim Fremdsprachenerwerb. • Eine weitere Differenzierung des T.modells im Sinne des sprachenvernetzenden Lernens bzw. des integrativen Mn.erwerbs. • Die Entwicklung des empirisch basierten Lernmodells des 'Didaktischen Mehrsprachenmonitors'. • Die Entwicklung einer empirischen, auf Unterrichtsbeobachtungen basierten Methodik für MUnt. • Die Entwicklung einer Selektionsmethode zur Erfassung interlingualer T.basen sowie der opaken Formen und Funktionen bzw. die Optimierung von Sprachcurricula ('mehr und früher viel verstehen'). • Eine bessere Kenntnis der subjektiven Theorien von Lernern zur Beziehung zwischen Ms und Fremdsprachenunterricht. Zumindest für den I.sunterricht bleiben folgende Desiderata zu nennen: • Erforschung des lernrelevanten Vorwissens repräsentativer Lernerpopulationen. • Erforschung/ Erstellung von Lehrlernmaterialien für ein Gesamtsprachencurriculum. • Konkretisierung der Lernziele im Bereich 'Lernen des Lernens von Sprachen'. • Optimierung der Lehreraus- und -fortbildung im Sinne des Gesamtsprachencurriculums. Wie man sah, ist die MsDid sehr weit gespannt. Daher würde es den hier verfügbaren Rahmen sprengen, wollte man auch nur einigermaßen erschöpfend die bisherigen Ergebnisse der relevanten Forschung darstellen. Dies liegt daran, dass die MsDid in die verschiedensten Bezirke der Fremdsprachenforschung hineinreicht und umgekehrt aus diesen ihre Impulse erhält. Wir beschränkten uns daher darauf, die wesentlichen Entwicklungen nachzuzeichnen (vgl. Bibliographie der MsDid: MEißNER 2004c). 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Finally, the relevance oftertiary language teaching concepts for foreign language classrooms in Germany is emphasised. 1. Einleitung: Varianten eines übergeordneten allgemeinen Mehrsprachigkeitskonzepts und Beispiele für Projekte und Forschungsinitiativen Bevor wir mit einem kurzen Überblick über die Forschung zur Mehrsprachigkeitsdidaktik beginnen, soweit sich aus diesen die Spezifika eines DaFnE-Konzeptes (Deutsch als [zweite] Fremdsprache nach Englisch als [erster] Fremdsprache) herleiten lassen, um danach einen Ausblick auf weitere ähnliche Fragestellungen wie beispielsweise eag (English after German) anzuschließen, möchten wir unseren Beitrag definitorisch und forschungstheoretisch verorten. Mit 'Mehrsprachigkeit' meinen wir alle Sprachsituationen und Lern- und Erwerbssequenzen, die sich auf mehr als zwei Sprachen oder Sprachvarianten beziehen, nämlich auf die Muttersprache(n) und wenigstens zwei weitere (Fremd)Sprachen. Dem jüngsten Trend, bereits Zweisprachigkeit oder bilinguale Schulerziehung als mehrsprachige Ansätze zu bezeichnen, möchten wir nicht folgen. Vielmehr glauben wir, dass das Konzept der Mehrsprachigkeit der übergeordnete theoretische Rahmen ist. Dabei ist Mehrsprachigkeit die lebensweltliche Norm (WEINRICH 2002, 33), Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Britta HUFEISEN, Univ.-Prof'in, Sprachenzentrum der TU Darmstadt, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, Hochschulstraße 1, 64289 DARMSTADT. E-mail: hufeisen@spz.tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Tertiärsprachenunterricht, Mehrsprachigkeit, EuroComGerm, Schreibunterricht im Fremdsprachenunterricht. Nicole MARX, Wiss. Mitarbeiterin, Sprachenzentrum der TU Darmstadt, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft. Hochschulstraße 1, 64289 DARMSTADT. E-mail: nmarx@spz.tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Tertiärsprachenunterricht, Neue Medien im Fremdsprachenunterricht, EuroComGerm-Online. lFLl.llL 34 (2005) Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer ... 147 und nicht etwa die mitteleuropäisch allzu häufig übliche Monolingualität, an die sich eine, vielleicht zwei Fremdsprachen anschließen. Wir nehmen aufgrund verschiedener Forschungsergebnisse an, dass das Lernen einer ersten Fremdsprache insofern eine Besonderheit ist, als dass es die Grundlage für eine allgemeine Mehrsprachigkeit legt, da mit dem Lernen einer zweiten oder auch dann weiterer Fremdsprache(n) auf Vorerfahrungen zurückgegriffen werden kann, die beim Lernen der ersten Fremdsprache noch nicht vorlagen. (Da dies nicht der Platz für linguistische Ausführungen ist, möchten wir auf einen entsprechenden Forschungsüberblick z.B. in MARX 2004 verweisen.) Die Sprachen, auf die wir im Folgenden eingehen, zählen wir chronologisch im Erwerbs- oder Lernverlauf durch: Erstsprache und primäre Zweitsprache(n) als LI, zeitlich gesehen die zuerst danach gelernte (Fremd)Sprache als L2, die danach gelernte (zweite Fremd)Sprache als L3 usw. Damit übernehmen wir die inzwischen in der Spracherwerbs- und Sprachlehr~ und -lernforschung etablierte Nomenklatur. Demzufolge ist der Begriff der Tertiärsprache insofern nicht präzise zu benutzen, weil er meistens auf eine L3 hinweist, aber in manchen Kontexten eben auch auf eine L4 oder L5. Weiterhin diskutieren wir nicht ausführlich die hinter den Begriffen stehenden theoretischen Konzepte von Lernen und Erwerben, weil wir glauben, dass sie für die Beschreibung spezifischer Aneignungsmodi wichtig und richtig, ihre detaillierte Unterscheidung für die im Folgenden zu beschreibenden Projekte jedoch nicht relevant ist. Erwerben beschreibt für uns den alle Modi umfassenden Aneignungsvorgang, von dem Lernen eine durch bestimmte externe Faktoren (z.B. Lehrwerk, regelgeleitet, außerhalb des Zielsprachenlandes) spezifizierte Unterform ist. So konturiert sich für uns das multiple Sprachenlernen durch Faktorenkomplexe (vgl. Abb. 1), die dynamisch auf den Lernprozess Einfluss nehmen (vgl. HUFEISEN/ GIBSON 2003). Dabei möchten wir für das L3- (und auch Lx)-Lernen besonders auf den Faktorenkomplex Fremdsprachenspezifische Lernerfahrungen verweisen, der das L3-Lernen grundsätzlich vom L2-Lernen unterscheidet und somit eine eigenständige linguistische Mehrsprachigkeitsforschung und eine Mehrsprachigkeitsdidaktik überhaupt erst begründet und rechtfertigt (---t Abb. 1, Multiples Sprachenlernen [S. 148] Lernende, die schon eine erste Fremdsprache erlernt haben, verfügen bereits über Fremdsprachenlernstrategien und haben schon verschiedene Lerntechniken ausprobiert, sie kennen das Gefühl, einen Text nicht gleich zu verstehen, sie gehen eher Raterisiken ein und sie kennen mehr als ein (muttersprachliches) Sprachsystem. lFLlllL 34 (2005) 148 Britta Hufeisen, Nicole Marx Neurophysiologische Faktoren : Generelle Spracherwerbsfähigkeit, Alter, ... Lernerexterne Faktoren: Lernumwelt(en), Art und Umfang des Inputs, Ll-Lemtraditionen, ... Emotionale Faktoren: Motivation, (Lern)Angst, Einschätzung der eigenen Sprachliteralität, empfundene Nähe/ Distanz zwischen den Sprachen, Einstellung (en) zu den Sprachen, zu den zielsprachigen Kulturen , zum Sprachenlernen, individuelle Lebenserfahrungen , .... Kognitive Faktoren: Sprachbewusstsein, metalinguistisches Bewusstsein, Lernbewusstsein, Wissen um den eigenen Lerntyp, Lernstrategien, individuelle Lernerfahrungen, ... Fremdsprachenspezifische Faktoren: Individuelle Fremdsprachenlernerfahrungen und Fremdsprachenlernstrategien (z.B. interlinguale Vergleichs-, Transfer- und Rückbezugsfähigkeit), lnterlanguages der vorgängigen Fremdsprachen, Interlanguage der jeweiligen Zielfremdsprache, ... Linguistische Faktoren: LI, L2, Lx, ... Abb. 1: Multiples Sprachenlernen 1.1 Innerskandinavische Kommunikation In den verschiedenen Fremdsprachenphilologien haben sich in den letzten Jahren je eigene Mehrsprachigkeitskonzepte etabliert: Die längste Forschungstradition hat hier allerdings sicher die Skandinavistik mit zahlreichen Projekten und Untersuchungen zur inter-! innerskandinavischen Kommunikation (BRAUNMÜLLER 2002, ZEVAERT 2004). Die Grundidee ist, dass die Gesprächspartnerinnen und -partner ihre jeweilige (festlandskandinavische) Muttersprache verwenden, vielleicht panskandinavische Anpassungen vornehmen, um die Verständigung zu erleichtern, und jeweils über rezeptive Kenntnisse der anderen Sprachen verfügen. So entstehen polyglotte Dialoge nach der Definition POSNERS von 1991. 1.2 DaF-bezogene Projekte Nachdem romanische und slawische Interkomprehension in der Romanistik und der Slawistik breite Aufmerksamkeit fand und das Bochumer Tertiärsprachenprojekt das Lehren der dritten Schulfremdsprache erforschte (hierzu MEißNER in diesem Band [SS. 125-145]), kann auch das Mehrsprachigkeitskonzept der DaF-L3-Forschergemeinschaft auf eine einige Jahre alte Tradition in der Erforschung von DaFnE zurückblicken. Vor dem Hintergrund, dass Deutsch weltweit heute meistens als zweite oder weitere Fremdsprache nach Englisch als erster Fremdsprache gelernt wird, scheint es sinnvoll zu sein, lFLlllL 34 (2005) Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer ... 149 diese praktisch immer vorhandenen vorgängigen Fremdsprachenkenntnisse und die damit verbundenen Lernerfahrungen auszunutzen. Hierzu gab es über zwei Kampagnen hinweg das Projekt Deutsch nach Englisch - Synergien beim europäischen Fremdsprachenzentrum in Graz, das sich auf der Basis der vorhandenen neuen linguistischen Erwerbsmodelle auf die Verbreitung des Konzeptes, damit verbundene curriculare Fragen (z.B. DIKOVA [et al.] 2001) und die Erstellung regionaler Lehrwerke (siehe weiter unten) und Lehrmaterialien konzentriert hat. Das beim Goethe Institut angesiedelte Projekt zur Lehrmaterialerstellung ist in vielfältigen Lehrerfortbildungen pilotiert und eingesetzt worden. Eine in Kürze erscheinende Fernstudieneinheit ist das daraus entstandene Kondensat (NEUNER [et al.] 1m Druck). 1.3 EuroComGerm Das germanische Pendant zu den Interkomprehensionsprojekten in den romanischen und slawischen Sprachen (vgl. MEißNER in diesem Band [SS. 125-145]) hat im Januar 2005 mit einer Auftakttagung seine Arbeit aufgenommen und entwickelt derzeit vor dem sprachlichen Hintergrund Deutsch Ll, Englisch L2 als zwei Brückensprachen - Miniportraits einiger anderer germanischer Sprachen sowie die Sieben Siebe (DUKE/ HUFEISEN/ LUTJEHARMS 2004), die Basis für die rezeptive Kompetenz in den anderen germanischen Sprachen. Mit ersten Ergebnissen ist zum Ende des Jahres 2005 zu rechnen. 1.4 Regionale Lehrwerke Die auslandsgermanistische DaFnE-Arbeit ist in Bezug auf die Lehrmaterialentwicklung, aber auch auf curriculare Diskussionen vielfach weiter als das inländische DaF-Engagement. Es gibt inzwischen einige nennenswerte Initiativen regionaler Lehrwerke, die die DaFnE-Prinzipien ein- und umsetzen. Wir möchten hier einige exemplarisch nennen, ohne auf Details einzugehen: - Das schwedische Lust auf Deutsch, das sein erstes Kapitel Deutsch gratis nennt, weil es mit Hilfe englischer Wörter zeigt, wie nah die beiden Sprachen sind und wie vergleichsweise einfach der Beginn im Deutschen ist, weil die Lernenden ja schon eine Menge verstehen. - Das bulgarische Deutsch ist in, ein Lehrwerk für Nullanfänger, bezieht ebenso viele aus dem Englischen schon bekannte Vokabeln in die Lektionen mit ein. Das Lehrwerk ist für eine ältere Zielgruppe nämlich Jugendliche konzipiert, die schon Englisch als erste Fremdsprache gelernt haben. Das polnische DACHfenster ist ein weiteres Beispiel eines regionalen Lehrwerks, das stets versucht, die Vorkenntnisse der Lernenden im Deutschunterricht auszunutzen. Die Frage ist, ob es ein universalistisch ausgerichtetes DaFnE-Lehrwerk geben kann, d.h. in der Regel eines, das in Deutschland für die Situation in deutschsprachigen Ländern konzipiert ist, das aber vielleicht auch auslandsgermanistisch eingesetzt werden soll oder IFlLIIL 34 (2005) 150 Britta Hufeisen, Nicole Marx kann. Wir meinen ja, wenn es so offen angelegt ist, dass es für die regionale Verwendung geeignet ist, d.h. wenn eigenkulturelle Aspekte wie die L1 -Lerntradition dabei nicht ignoriert oder ausgeblendet werden müssen (auch HUFEISEN 2001). Einen ersten diesbezüglichen Versuch machte Deutsch international (1999), ein Lehrwerk für Jugendliche, und jüngst folgte Dimensionen (2002), ein Lehrwerk für Erwachsene, das bereits wesentlich Merkmale eines Mehrsprachigkeitsansatzes einbezogen hat. 1.5 Kritische Zusammenfassung Von den Befunden der skandinavischen Projekte, die keinen direkten didaktischen Anspruch haben, einmal abgesehen, gehen alle Ansätze von der prinzipiellen Möglichkeit aus, die angedachten und geforderten Ideen, die sich aus dem Mehrsprachigkeitskonzept ergeben, auch tatsächlich umzusetzen. Nun zeigen erste Forschungsergebnisse aus dem asiatischen Raum, dass die Lernenden beispielsweise nicht die möglichen und wünschenswerten Transferleistungen erbringen, weil sie die Transferbasen schlichtweg nicht sehen, weil ihnen oft die sprachlichen Grundlagen fehlen und/ oder die LI-Lerntraditionen es ihnen verbieten, solche eigenständigen Lernleistungen durchzuführen (KÄRCHNER-ÜBER 2005, MERKELBACH 2003), oder weil die Ll-Lerntraditionen einfach anders funktionieren (z.B. die orale Tradition Afrikas, persönliche Berichte von Dieudonne Ouedraogo, Fremdspracheninspektor für Deutsch in Burkina Faso). Das Mehrsprachigkeitskonzept war zunächst vom good language learner ausgegangen; nun müssen weitere Aspekte beforscht werden, etwa wie die Lerntraditionen mit einbezogen werden können, und wie auch schwächere Lerner von diesem Konzept profitieren können. In diesem Zusammenhang unterscheidet die Interkomprehensionsdidaktik zwischen den onomasiologischen und semasiologischen Formen des Erschließens und Lernens einer neuen Sprache. Wie MEißNER (2001) schildert, erlernen sprachlernungewohnte deutsche und französische Bauhandwerker die jeweilige Zielsprache über ihre berufsspezifische Weltkenntnis (von der Situation zur Sprache) und nicht wie üblich über eine Analyse der Form. Ähnliche Verfahren werden zwischen nah verwandten romanischen Sprachen und lernungewohnten Erwachsenen etwa in Südamerika erprobt. Wenn die Interkomprehension nur auf die Gruppen der universitären oder bereits mehrsprachigen Lerner beschränkt bleibt, riskiert sie es, nach einer kurzen Euphorie im Archiv der Sprachlehr- und -lernforschung bzw. der Didaktik zu verschwinden, um allenfalls als deskriptiv-linguistischer Forschungszweig bestehen zu bleiben. 2. Forderung an eine DaFnE-Didaktik Nach den Vorarbeiten der letzten Jahre im Bereich Deutsch nach Englisch und in der Mehrsprachigkeitsdidaktik im Allgemeinen bleibt zu überlegen, wie Fremdsprachendidaktiker den aufgestellten Anforderungen gerecht werden und die bisherigen Erkenntnisse in einen lernergerechten Unterricht umsetzen können. Hierzu gehört zum einen die Tatsache, dass der Lernstand eines DaFnE-Lernenden weitaus differenzierter ist als der JFL1Jll[, 34 (2005) Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer ... 151 eines Deutsch-als-L2-Lernenden (umfassende Lernerfahrungen und Lernstrategien, mehr - und durchaus unterschiedliches, auch in „homogenen" Schulgruppen linguistisches Vorwissen, Erwartungen an das Fremdsprachenlernen und an den Unterricht an sich siehe Abb. 1 [S. 148]), und dass er bereits Erfahrungen mit dem Fremdsprachenlernen gesammelt hat, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Deutschlernen haben können. Wenn wir aus der Mehrsprachigkeitsforschung und -didaktik Konsequenzen ziehen sollen (auch MEißNER 2004 und NEUNER [et al.] im Druck), müssen wir das Lehren sowie das Lernen der Tertiärsprache Deutsch grundlegend neu überlegen. Das heißt noch längst nicht, dass komplett neue Unterrichtskonzepte und -methoden erarbeitet und eingesetzt werden müssen, noch dass heutige Deutschlehrende in aufwändigen Fortbildungen geschult werden sollten. Jedoch müssen wir unsere Auffassung der Lehr- und Lernsituation öffnen, erweitern und vielleicht etwas umstellen. Dies passiert jedoch nicht ins Leere, denn die Forderungen an eine DaFnE-Didaktik entsprechen im Wesentlichen den Prinzipien des selbstgesteuerten, lernerzentrierten Fremdsprachenunterrichts, die in den letzten Jahren immer mehr gefördert und gefordert werden. Zunächst muss ein gewisser Grad an Flexibilität von Lehr- und Lernprogrammen geleistet werden. Vorbei sind die Tage gab es sie eigentlich in der Wirklichkeit je? -, als Lehrende und Lernende mit einem bestimmten Lehrbuch zum Unterricht erschienen sind, die Aufgaben eine nach der anderen erarbeiteten und mehr oder weniger Teilnehmende bis zum Kursende auf den gleichen Wissensstand brachten. Statt dessen müssen Lehrkräfte (und vor ihnen, Curriculumentwickler) mit sehr differenzierten, weniger homogenen Lernergruppen zusammenarbeiten: Nicht einmal Klassenkameraden haben die gleichen Lernerfahrungen, wenn sie in den Fremdsprachenunterricht kommen, jedoch sollten die vielen individuellen Erfahrungen und Vorkenntnisse möglichst berücksichtigt werden. In dieser Situation ist ein flexibles Unterrichtsverfahren wichtig. Schüler, die schon zumindest eine Fremdsprache in unserem Falle, das Englische gelernt haben, können ihre Erfahrungen und ihr Vorwissen anwenden. Dafür darf ihnen aber die Gelegenheit nicht fehlen. Ein Lehrer, der vom Lehrwerk öfter wegschaut und eine Diskussion über schon bekannte Strukturen, Begriffe oder Handlungen aus anderen Kulturkreisen und anderen Sprachen auffängt, wird seine Schüler dazu aufmuntern, das eigene Wissen zu bedenken, Querverbindungen zwischen verschiedenen Wissensknoten zu ziehen und dadurch das gerade Gelernte im Gedächtnis zu verstärken (und gleichzeitig den Forderungen nach einer konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik, vgl. u.a. WOLFF 2002, nachzukommen). Genau weil Lernende in diese besondere L3-Lernsituation eintreten, muss ihnen neben der notwendigen Flexibilität in der Lehre mehr Autonomie ermöglicht werden. In diesem Sinne sollte Autonomie eben nicht heißen, dass Lernende nicht mehr auf den Unterricht angewiesen sein sollten, sondern, dass von ihnen eine Eigeninitiative bzgl. des Lernplanens und Lernvorgehens verlangt wird. EuroComDidact versucht zur Zeit, diesen Weg zu entwickeln (vgl. MEißNER in diesem Band [SS. 125-145]). Autonomes Lernen im Klassenzimmer kann verschiedene Ausprägungen annehmen. lFLulL 34 (2005) 152 Britta Hufeisen, Nicole Marx So kann z.B. mit einer Besprechung und einem Ausprobieren von Lernstrategien angefangen werden, wie in mehreren modernen Lehrwerken schon umgesetzt. Auch wenn das eigene Lehrwerk dies nicht vorsieht, kann eine Diskussion von Lernstrategien und Lerntechniken ohne Schwierigkeiten einbezogen werden (RAMPILLON 1999). Dies ist vor allem beim Unterricht der ersten Fremdsprache notwendig, da dieser auf das Lernen aller weiteren Fremdsprachen vorbereitet, aber auch bei Tertiärsprachenlernenden ist eine Reflexion des Lernprozesses und der bevorzugten Lernstrategien und Lernumgebungen wichtig (vgl. NEUNER 2005). Weitere Möglichkeiten zur Förderung der Lernerautonomie sind z.B. Lernportfolios, in denen Lernende ihre eigenen Fortschritte festhalten können - und auch sehen können, woran sie noch arbeiten müssen. Flexibilität im Unterricht und Förderung der Lernerautonomie sind zwei große Ziele des DaFnE-Unterrichts. Nicht weniger wichtig - und gar das Offensichtliche aller Forderungen ist der Einbezug schon bestehenden Wissens in den Unterricht. Viele Lehrkräfte und Lehrprogramme nehmen schon Rücksicht auf die Muttersprache des Lernenden, vor allem, wenn eine Fremdsprache im Ausland gelernt wird (s.o.). Dazu sollte auch auf weitere Fremdsprachen (oder Muttersprachen, sofern vorhanden) Bezug genommen werden. So gehen schon manche deutsche Französischlehrwerke zumindest bei Wortschatzlisten auf das vorher gelernte Englisch ein. Zu überlegen ist, wo und wann eine erste Fremdsprache beim Lernen einer weiteren hilfreich sein kann, und wo sie einen Lernenden vielleicht nicht weiterbringen wird. Im Falle eines DaFnE-Kurses kann davon ausgegangen werden, dass ein Rückgriff auf das Englische in vielen Fällen äußerst positiv sein kann (z.B. bei den vielen Übereinstimmungen im Wortschatzbereich), dass aber manchmal ein Vergleich weniger hilfreich oder sogar irreführend wäre (z.B. bei der Wortstellung im Aussagesatz, wenn schwedische Studierende Deutsch lernen). Wie sollen diese Forderungen nun umgesetzt werden? In einer idealen Situation bestünden schon Lehrwerke, die besonders mit Blick auf DaFnE-Lernende entwickelt wären. Da dies selten der Fall ist (s.o.), müssen DaFnE-Konzepte in bestehende Lehrprogramme eingearbeitet werden. So wäre es sinnvoll, die Forderungen nach einem DaFnE-Unterricht immer dann einzuarbeiten, wenn damit der Lernprozess gefördert wird, und Kurskonzepte so aufzubauen, dass die Flexibilität und Dynamik jedes Unterrichts gewährleistet wird. Gleichzeitig können wir von Konzepten lernen, die versuchen, der Situation von Deutschlernenden mit Vorkenntnissen des Englischen gerecht zu werden, wie im Kapitel 1 bereits besprochen. 3. Ausblick Eine prinzipielle Überlegung zu den Prinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik darf zu einer Zeit der verstärkten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wichtigkeit vom multiplen Fremdsprachenlernen nicht fehlen. Sprachen werden seltener vereinzelt unterrichtet und gelernt, sondern in großen Zügen zusammengebracht und schnellstens erlernt. Zum lebenslangen Fremdsprachenlernen gehören Fähigkeiten, die ein autonomeres, von individuellen Wünschen geleitetes Herangehen an eine Sprache ermöglichen. Wie bereits IF'LllllL 34 (2005) Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer ... 153 besprochen, bestehen auch für den DaFnE-Unterricht schon Konzepte, die auf die Erleichterung des Deutschlernens abzielen; des Weiteren laufen derzeit mehrere Projekte, die das gleichzeitige Erlernen (rezeptiver Kompetenzen in) mehreren verwandten Sprachen fördert. Nun besteht noch ein großer Bedarf an weiterer Forschung, am Einbezug solcher Konzepte in die Lehreraus- und -fortbildung sowie an konkreten Unterrichtskonzepten, die diese Prinzipien umsetzen. Dies gilt natürlich nicht nur für DaFnE, sondern gleichermaßen für z.B. Spanisch nach Französisch (wie unter anderen bei dem romanistischen EuroComDidact), Bulgarisch nach Russisch (EuroComSlav) oder sogar Englisch nach Deutsch, wie z.B. das laufende online eag-project (English after German) im Rahmen des EuroComGerm, das Lernende ein Leseverstehen im Englischen auf der Basis vom Deutschen ermöglichen soll. Diese Projekte haben gemeinsam, dass sie die Verbindungen zwischen (verwandten) Sprachen im Kopf des Lernenden auszunutzen versuchen, und dadurch Lernende in ihrem eigenen Lern- und Strategienentwicklungsprozess zu fördern. Diese und auch weitere Projekte sind auf dem besten Weg, ein erleichtertes multiples Sprachenlernen zu ermöglichen. 4. Relevanz des DaFnE-Konzeptes für den schulischen (Fremd)Sprachenunterricht in Deutschland Zum Schluss ein paar Gedanken zum Mehrsprachigkeitskonzept für deutsche Schulen bzw. die Übertragung von Erkenntnissen, die im DaF-Rahmen entstanden sind, auf andere Sprachfächer. Die DaF-Didaktik kann die Konsequenzen der Ergebnisse ihrer Forschung rascher in Lehrwerke berücksichtigen als die anglistische oder romanistische, ist sie doch im Gegensatz zu letzteren weitgehend frei von ministeriellen Zulassungsregelungen. Mit einer konsequenten Einführung eines Mehrsprachigkeitskonzeptes in den schulischen und außerschulischen Fremdsprachenunterricht müssten natürlich auch curriculare Konsequenzen gezogen werden. So scheint die Konzeption und Implementierung eines Gesamtsprachencurriculums wichtig, in dem alle Sprachen gleichermaßen berücksichtigt werden, damit u.a. im jeweiligen Sprachfach auf die anderen Sprachen verwiesen werden kann, was rezeptive Kenntnisse in den anderen Sprachen, zumindest aber Interesse an ihnen auf Seiten der Lehrenden voraussetzen würde. Dies heißt für den schulischen Englisch als L2-Unterricht selbstverständlich nicht, dass im Englischunterricht Französisch oder im Französischunterricht Spanisch unterrichtet werden soll. Aber die Sprachen sollten nicht isoliert gesehen werden, es darf im Unterricht der Sprache x nicht so getan werden, als gäbe es die Sprachen y und z in den Köpfen der Lernenden nicht (vgl. hierzu KÖNIGS 2004: 522). Die Lehrenden in einer Klasse müssten wissen, was im Unterricht der anderen Sprachen passiert, Einzelsprach-Fachkonferenzen wären weitgehend durch Sprachenkonferenzen zu ersetzen (hier sei auf die Diskussionen in HUFEISEN/ LUTJEHARMS 2005 verwiesen). Das ist nicht neu. Dass in einem solchen Mehrsprachigkeitskonzept, das über ein Gesamtsprachencurriculum institutionell verankert ist, auch die Muttersprache, natürlich die Herkunftssprachen, erst recht Deutsch als FLwL 34 (2005) 154 Britta Hufeisen, Nicole Marx Zweitsprache (letzteres übrigens keineswegs nur für Sprachlehrende, sondern eigentlich für alle, die an Schulen bzw. in Klassen unterrichten, an denen Deutsch eine Zweitsprache ist) und im Idealfalle auch weitere Minderheiten- und Nachbarsprachen (hierzu besonders KRUMM 1999) ihren Platz haben, ist evident. Literatur BRAUNMÜLLER, Kurt (2002): "Variation in receptive bilingualism: what is received and what is not received". In: KISCHEL, Gerhard (Hrsg.): EuroCom. 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Language is the medium of content learning in all institutional settings, with an increasing number of leamers doing their academic tasks in a second language or in some other language of which they have only a limited proficiency. Content and language integrated leaming is therefore a goal that all educational and institutional settings will have to strive for, including those grassroots curricular concepts at the German secondary school level which are equivalent to what is known as "late partial immersion" in the anglophone world (= bilingualer Sachfachunterricht). Drawing on the insights of sociocultural theory, systemic functional linguistics and the genre approach, the article puts forward a framework for the integration of content, thought and language in "bilingual" subject-matter teaching. The intersection ofthe three domains yields a curricular unit (called discourse functions) which is of great "scaffolding" value in an analytic text and task based syllabus geared towards the integration of content and language. 1. Ausgangsthese: Das integrierte Sach-Sprachlemen als Herausforderung für einen „neokommunikativen Sprachunterricht" Das deutsche Bildungswesen von den Vorschuleinrichtungen bis zur Hochschule steht das soll die These dieser einleitenden Bemerkungen sein durchgehend vor einer strukturell-curricularen Herausforderung, die sich daraus ergibt, dass in allen institutionell gesteuerten Vermittlungskontexten auf die Sprachlichkeit von Lehr-Lernprozessen (als zentralem Faktor von Unterricht und Erziehung) reagiert werden muss. Da dieses Phänomen (Sprache als Medium inhaltsbezogenen Lernens) von den Beteiligten nicht selten als problernhaft wahrgenollllllen wird (nicht nur in Deutschland sondern weltweit: z.B. aufgrund von zunehmender beruflicher Mobilität, von Migration und der Existenz von nicht-autochthonen Amts- und Verkehrssprachen), stellt sich unseren Bildungseinrichtungen die Aufgabe, ihr Bildungsangebot unter dem Aspekt eines integrierten Sach- Sprachlernens (= content and language integrated learning) zu reflektieren und zu modellieren. Dies betrifft inzwischen alle Unterrichtssituationen; unabhängig davon, ob das Deutsche für die Lernenden Muttersprache oder Zweitsprache ist, ob es um Sprachunterricht (im engeren Sinne) oder Fachunterricht geht (in den vermeintlich nichtsprachlichen Fächern), oder ob eine 'fremde' Sprache als so genannte Arbeitssprache im Unter- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Wolfgang ZYDATiß, Univ.-Prof., Freie Universität Berlin, Didaktik der Englischen Sprache und Literatur. Habelschwerdter Allee 45, 14195 BERLIN. E-Mail: WBKZydatiss@t-online.de Arbeitsbereiche: Lemersprachenforschung, integrierte Text-Spracharbeit, Evaluation von Schulversuchen (i.A. bilingualer Unterricht) lFLllllL 34 (2005) Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 157 richt benutzt wird: wie etwa in den Immersionskonzepten genuin 'bilingualer Schulen' (ZYDATiß 2000) oder im 'bilingualen Sachfachunterricht' weiterführender Schulen (WILDHAGE/ ÜTTEN 2003). 2. Problemaufriss: Integriertes Sach-Sprachlernen als curriculares Desiderat in unserem Bildungswesen Nachstehend sollen einige Problemareale benannt werden; Unterrichtskontexte, in denen sich unser Bildungswesen den Herausforderungen im Hinblick auf die Verzahnung von Inhalt und Sprache stellen muss: Der inhaltliche Bildungsauftrag von Kindergärten und Kindertagesstätten, die in Zukunft Kinder nichtdeutscher und deutscher Herkunftssprache nicht mehr allein nach dem Leitbild einer rein spielerisch-nonverbalen Betreuung 'versorgen' dürfen. - Der Aufbau einer flüssigen wie differenzierten (alters- und situationsgerechten) mündlichen Alltagssprache bei Kindern aus unterprivilegierten Familien, nicht zuletzt was die 'oralen Vorformen' der Alphabetisierung in der Eingangsphase der Primarstufe angeht. Die Bewältigung des vorfachlichen Unterrichts in den sachbezogenen Lernbereichen der Grundschule, insbesondere wiederum in den multiethnischen, mehrsprachigen Klassen mit nicht wenigen Kindern aus eher bildungsfernen Schichten. Der Aufbau 'literaterTechniken' der mündlichen und schriftlichen Unterrichtssprache, wie sie im Fachunterricht vorausgesetzt bzw. eingefordert werden (vgl. CUMMINS 1978, 1979: 'Cognitive Academic Language Proficiency' oder CALP); PORTMANN- TSELIKAS 2002; ZYDATiß 2004 (Textbzw. Diskurskompetenzen). Schwierigkeiten von Sekundarschülern mit grammatischen Instruktionstexten im Fremdsprachenunterricht (ZIMMERMANN 1998, 1999) oder mit naturwissenschaftlichen Lehrbüchern (SUMFLETH/ SCHÜTTLER 1995, LABUDDE 1997 und CLARKIRu- THERFORD 2000). Immersionskonzepte an genuin bilingualen Schulen (vgl. ZYDATiß 2000 zur 'Staatlichen Europa-Schule Berlin') und natürlich der 'bilinguale Unterricht' der weiterführenden Schulen (vgl. WILDHAGE/ ÜTTEN 2003). Die Existenz der 'neuen' elektronisch-digitalen Medien, die authentisches Material in Fülle bereitstellen und die die Schule in die Pflicht nehmen, die dafür notwendigen Texterschließungstechniken zu vermitteln. Die Notwendigkeit, im Studium und in qualifizierten Ausbildungsberufen immer mehr Fachliteratur in einer Fremdsprache lesen zu müssen (mit Englisch an vorderster Stelle). Die Ausweitung des Angebots an fremdsprachlichen Lehrveranstaltungen und ganzen Teilstudiengängen im tertiären Sektor der Hochschulen und Universitäten (mit weitreichenden Konsequenzen für die akademisch-konzeptuelle Sprachhandlungsfähigkeit im rezeptiven wie im produktiven Bereich). JFLIIIIIL 34 (2005) 158 Wolfgang Zydatiß Wir brauchen didaktische Zugänge zur Verzahnung von Sache und Sprache, die die Sprachlichkeit der Unterrichtsgegenstände und der Lehr-Lernprozesse ernst nehmen. Die meisten Elemente eines verstärkten Sach-Sprachlernens können im Vorfeld des Unterrichts antizipiert werden; und zwar er einen 'analytischen' Zugriff auf die textgebundenen Unterrichtsmaterialien. Die 'analytisch' vorgehende curriculare Planung von Unterrichtsvorhaben führt zu einem gezielten 'Abgleich' der fachlichen und der sprachlichen Lernziele; wobei sich dieser Begriff an der bereits 1976 von WILKINS eingeführten Unterscheidung eines 'synthetischen' (= bottom up) und eines 'analytischen' (= top down) Lehrplans (= syllabus) orientiert. Das implementierte Curriculum eines Faches manifestiert sich in den textgebundenen Materialien (z.B. in den Lehrbüchern und lehrwerksergänzenden Artefakten: Quellen, Atlas, Graphiken, Schaubilder, Filme, Versuchsanordnungen und dergleichen) zusammen mit dem damit einhergehenden Unterrichtsdiskurs, der seinerseits ganz erheblich von der jeweiligen Aufgabenstellung für die Lernenden geprägt wird. Die Aufgabe(= task) ist die Basiseinheit der schulisch-fachlichen Unterrichtsarbeit: mit Anforderungen an das Sachwissen(= content domains), das Denken (thought processes bzw. cognitive operations) und den rezeptiven wie produktiven, text(sorten)gebundenen Sprachgebrauch (= meaning-making): realisiert als Sinn stiftendes Verstehen von Sachtexten oder als kohärentes diskursives Sprachhandeln über fachbezogene Inhalte. 3. Theoretische Verankerung: Interdependenzen von soziokultureller Theorie, funktionaler Linguistik und Genre-Ansatz 3.1 Soziokulturelle Theorie Spracherwerb ist Teil des Sozialisationsprozesses eines Menschen: des primären in der Familie, des sekundären in der Schule und des tertiären in nachschulischen Kontexten. Sprache und Denken sind nicht allein endogene Charakteristika des Individuums, sondern sie entwickeln sich in der sozialen Interaktion des Kindes und (später) des Heranwachsenden mit anderen Mitgliedern einer Sprach- und Kulturgemeinschaft; insbesondere mit den erwachsenen Bezugspersonen und/ oder weiter entwickelten peers (verallgemeinert: 'Novize/ Lerner' und 'Experte/ Lehrer'). Die Position einer 'soziokulturellen Theorie' (auch als 'sozialer Konstruktivismus' bezeichnet: 'a sociocultural theory of mind') wurde bereits in den 20er und 30er Jahren von WYGOTSKIJ in der Auseinandersetzung mit PIAGET erarbeitet, erlangte jedoch erst durch die englischen Übersetzungen seiner (russischen) Schriften eine breitere Beachtung (vgl. VYGOTSKY 1978, WERTSCH 1985). Die soziokulturelle Theorie unterstreicht die kooperativen Momente des Umgangs von 'Experten' und 'Novizen' und sieht in der Erziehung einen soziokulturell vermittelten, komplementär aufeinander bezogenen Instruktions- und Konstruktionsprozess. Spracherwerb und Sachlernen vollziehen sich im Rahmen situativ kontextualisierter, interaktiver Handlungsmuster (BRUNER 1983: 'formats'), die für den Novizen wie Unterstützungssysteme(= 'scaffolding') wirken, sukzessiv höhere, reifere und eigenständigere Leistungen (verbaler und nonverbaler Art) zu erbringen. Das soziale Miteinander befördert die lFLlUllL 34 (2005) Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 159 Entwicklung des Novizen erheblich mehr (da eine 'zane of proximal development' konstituiert wird) als das rein individuelle Lernen (wenn ein 'Zögling' auf sich allein gestellt die 'gleichen Dinge' lernen müsste). In den Spracherwerb (als Sozialisationsprozess betrachtet) geht sowohl das interaktive Aushandeln von Bedeutungen(= a social meaning-making process) als auch das von Identitäten ein(= representations of seif and social roles). Sprache, Identität und Kultur sind engstens miteinander verwoben. Lernen wird dementsprechend als komplexe, soziokulturell eingebettete Tätigkeit gesehen (= activity theory), die immer individuelle (kognitive wie affektive), soziale, gesellschaftliche und historische Momente miteinschließt. Das Handeln in sozial-situativen Kontexten wird über 'kulturelle Werkzeuge' vermittelt (= mediation by cultural tools), von denen Sprache das wichtigste ist. Sobald dem Individuum Sprache als Mediationsinstrument für die jeweiligen Ziele (= goals) funktional verfügbar ist (mediation: the ability to use mental capacity or cognitive disposition), erlaubt sie ihm, inhaltliche Beziehungen zur außersprachlichen Welt und zu anderen Menschen aufzunehmen und zu erhalten sowie Erfahrungen, Einstellungen, Einsichten und Haltungen in das eigene Bewusstsein zu überführen bzw. seine 'nach außen' gerichteten Interessen und Aktivitäten zu organisieren. Themenzentrierte, zwischenmenschliche Interaktionsprozesse erweitern und differenzieren die Sprache als Kommunikationsmittel und als kognitives Werkzeug der Erschließung von Welt. Spracherwerb hat folglich sehr viel mit sozial situierter Tätigkeit, mit sozialen Rollen, mit Akkulturation und mit einer soziokulturell eingebetteten Identitätsfindung zu tun. 3.2 Funktionale Sprachtheorie Funktionale Sprachtheorien, für die exemplarisch die 'systemic functional linguistics' von HALLIDAY (1985) genannt sein soll (ferner HALLIDAY/ HASAN 1989, HALLIDAY/ MARTIN 1993) überwinden die strukturalistisch-systemlinguistische Dichotomie von Kompetenz und Performanz, indem sie zu explizieren versuchen, wie Sprecher und Schreiber Bedeutungen 'erzeugen' können (= what speakers can mean). Kommunikativer Sprachgebrauch materialisiert sich in Texten als Ausgangs- oder End'produkt' eines diskursiven, soziokulturell eingebetteten Prozesses der rezeptiven oder produktiven Sprachverwendung, in dessen Vollzug Bedeutungen 'konstruiert' werden. Sprache wird als ein Bedeutungen generierendes sozio-semiotisches System gesehen(= a meaning-making system). Diskursive Prozesse sind grundsätzlich zweck- und adressatenorientiert; d.h. sie realisieren spezifische Funktionen des Sprachgebrauchs im Kontext eines situativ eingebetteten, inhaltsbezogenen zwischenmenschlichen Handelns, das seinerseits für die an der sozialen Interaktion Beteiligten sinnvolle Bedeutungen erzeugt(= 'making sense'). HALLIDAY unterscheidet drei Hauptfunktionen von Sprache(= metafunctions): lFLllllL 34 (2005) 160 Wolfgang Zydatiß Textuelle Funktion / (textualfunction / meaning) ' / ._ __ _.~ Kognitiv-referentielle Funktion (ideational I reflective meaning) Adressatenbezogenes Sprachhandeln (interpersonal function) Abb. 1: Übergeordnete Funktionen von Sprache (nach HALLIDAY 1985) Die textuelle Funktion, die die zu transportierenden Informationen kohärent vermitteln muss (über die linguistischen Subsysteme der thematischen Progression, der Informationsstruktur, der Kohäsion und Kohärenz= 'texture'), ist das Bindeglied zwischen den beiden anderen Bedeutungskomponenten: Sie vermittelt einerseits zwischen der Sachebene sprachlichen Handelns, für die Funktionsbestimmungen wie referential, cognitive, epistemic, heuristic oder eben ideational in der Linguistik üblich sind (als Verweis auf externe oder interne außersprachliche Realitäten). Sie stellt andererseits Verbindungen zur Beziehungsebene der sprachlichen Tätigkeit her, wenn Sprache als Mittel der sozialen Zuordnung(= tie, identity bzw. contactfunction) oder als Instrument der sozialen Kontrolle bzw. Beeinflussung eingesetzt wird (= regulatory, directive, instructive functions ). Im sozio-semiotischen Ansatz der Beschreibung und Erklärung von Sprache-in- Gebrauch kommt der Primat der zwischenmenschlichen kommunikativen Interaktion in einer bestimmten Situation zu. Die Grundfrage diskursiven Handelns ist folglich die: Wer produziert für wen unter welchen Bedingungen einen inhaltlich 'bedeutsamen' (= Sinn stiftenden) Text? HALLIDAY bezeichnet diese komplexe Konfiguration von Thema(= field), Konstellation sozialer Rollen(= tenor) und Modalität der Sprachverwendung(= mode) als 'Register'(= register). Die linguistische Konkretion des 'Registers' (als Netzwerk bestimmter Bedeutungsressourcen) ist eine spezifische Textvarietät(= genre), die in einem gewissen Ausmaß (situationsabhängig) konventionalisiert ist(= generic). Dabei ist für den hier gegebenen Diskussionszusammenhang wichtig, dass man von einem erweiterten Textbegriff ausgehen muss. Es gibt mit anderen Worten einerseits eine Vielzahl schriftlicher Textsorten (PISA spricht von 'kontinuierlichen' Fließtexten), aber auch mündliche Diskursgenres (wobei der „Gemeinsame europäische Referenzrahmen" die didaktisch sinnvolle Unterscheidung von monologisch-zusammenhängenden und dialogisch-interaktiven Textarten eingeführt hat: vgl. COUNCIL OF EUROPE 2001 ). Andererseits ist es insbesondere für den Sachfachunterricht hilfreich (vgl. DEUTSCHES PISA- KONSORTIUM 2001), daneben von 'diskontinuierlichen' Text- oder Materialsorten zu sprechen, die abgesehen von sprachlichen Elementen immer auch nonverbale, visuelle Komponenten enthalten: Graphiken, Diagramme, Tabellen, Bilder, Karten, Karikaturen, Dokumentarbzw. Spielfilme (mit fließenden Grenzen zum fiktionalen Sprachgebrauch). lFLllL 34 (2005) Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 161 3.3 Genre-Ansatz und Diskursgemeinschaften Register- und Genrebegriff orientieren sich an sozial-kommunikativen Aspekten des Sprachgebrauchs, die zum einen zur Variabilität der linguistischen Realisierung beitragen, die zum anderen jedoch Normen für die Angemessenheit der Sprachverwendung in bestimmten, sich teilweise wiederholenden situativ-diskursiven Kontexten darstellen. Dies führt zu einem gruppenbezogenen Konzept von Sprachverwendern, den so genannten 'discourse communities', insbesondere was den textgebundenen Sprachgebrauch in spezifischen Schul-, Studien-, Ausbildungs- und Berufskontexten betrifft. Schulfächer und wissenschaftliche Disziplinen konstituieren ihre 'eigenen' soziokulturellen Domänen (ebenso wie die Politik, die Presse, die Werbung oder einzelne Freizeitbereiche) mit sehr spezifischen Fragestellungen, Intentionen, Problemen, Daten, Begrifflichkeiten, Erklärungsmustern und Argumentationsstrategien (sprich: mit sehr spezifischen Diskursen). Der Textproduzent geht dabei durch eine Abfolge von rhetorisch-pragmatischen 'Stufen' (= stages), um die für das Genre distinktive Textstruktur zu realisieren, die die funktionale Einheit des Textes in Ausrichtung auf den kommunikativen Zweck der Interaktion gewährleistet. Der Primat liegt bei der Textpragmatik und Textsemantik, demgegenüber die linguistischen Entscheidungen auf der Satz-, der Satzglied- und der Wortebene nachgeordnet sind (Syntax, Lexik, Wortbildung und Idiomatik). An dieser Stelle kommt das integrierte Sach-Sprachlernen im 'bilingualen Unterricht' ins Spiel, und zwar im Sinne eines analytischen top down-Zugriffs auf die Textbzw. Materialsorten der verschiedenen Fächer. Dies betrifft sowohl das Dekodieren als auch das Enkodieren der fachspezifischen Genres. Die PISA-Studien haben uns gezeigt, dass Defizite in der Lesekompetenz (d.h. in der schriftsprachlichen Literalität: literacy) für die Lerner Schwierigkeiten in Schule und Ausbildung beinhalten. Wer dagegen als Leser/ Hörer oder Sprecher/ Schreiber über die entsprechenden Kompetenzen verfügt, dem eröffnen sich Möglichkeiten für eine erfolgreiche Teilhabe am schulischen wie nachschulischen gesellschaftlichen Leben. Schulfächer können bzw. müssen diese grundlegenden, aber transferfähigen 'literaten' Techniken vermitteln. Sie tun das üblicherweise über curricular-kommunikative Aufgaben(= tasks), die über eine spezifische Anweisung(= rubric) eine bestimmte Ausrichtung erfahren. Zwischen den übergeordneten Funktionen von Sprache (gemäß Abb. 1 [S. 160]) und dem Registerbegriff, der über die drei Variablen.field, tenor und mode den Situationskontext des Sprachgebrauchs konstituiert, gibt es enge Beziehungen. Diese gehen ihrerseits in der komplexen, durchstrukturierten Ganzheit des Genres auf, wobei die jeweilige Text- oder Materialsorte das linguistisch-textuelle Substrat (inklusive graphisch-nonverbaler Elemente) der sozialen Interaktion darstellt (vgl. Abb. 2 [S. 162]). lFLllllL 34 (2005) 162 Wolfgang Zydatiß ideational meaning textual meaning interpersonal meaning Functions of representations of providing text-bound establishing or maintaining Language experience (extemal messages in context and social interactions: contact and intemal) creating textual coherence and control field mode tenor Register content, topic or the medium of language in relationships among the subject matter the situation: oral / written, people involved: role, status, verbal / visual, planned / age, gender, formality etc. unplanned etc. Genre varieties of texts involve all three types of meaning and address all three situational variables Abb. 2: Textvarietäten (genres) und funktionale Sprachtheorie Da es in diesem Beitrag um einige grundlegende Überlegungen zum integrierten Sach- Sprachlernen im Rahmen des bilingualen Sachfachunterrichts gehen soll (also vorrangig um den Inhaltsaspekt fachlichen Lernens: content bzw. subject matter), wird die weitere Diskussion mit fachbezogenen Beispielen auf die kognitiv-referentielle Funktion von Sprache fokussiert (HALLIDA YS ideational meaning ). Der sachfachliche Lehrgang ist mit anderen Worten für die Lernenden so etwas wie ein Initiationsprozess in eine spezielle Diskursgemeinschaft, in der bestimmte Arten gegenstandsbezogenen Denkens sowie spezifische Formen des rezeptiven wie produktiven textgebundenen Sprachgebrauchs 'üblich' sind(= 'how language is done'). 4. Lösungsansatz: Diskursfunktionen als curriculares Bindeglied zwischen fachbezogenen Inhalten, kognitiven Operationen und sprachlicher Realisierung Vorarbeiten zur nachfolgenden Darstellung lassen sich in ZYDATiß (2002) nachlesen, aufgenommen und in Planungsfelder für ein systematisch verzahntes Sach-Sprachlernen integriert bei WILDHAGE (2003: 91). Im Folgenden soll der Ansatz vertieft begründet und an ausgewählten Beispielen weitergeführt werden. 4.1 Wechselbeziehungen zwischen Sprache, Inhalt und Denken Den Ausführungen der ersten drei Teilkapitel entsprechend geht es in erster Linie darum, Sprache als kognitives 'Werkzeug' inhaltsbezogenen Lernens in einer Weise zur Geltung zu bringen und zu unterstützen, dass damit sachangemessene, pädagogisch zufriedenstellende Leistungen im schulischen Fachunterricht ermöglicht werden, und zwar vor allem dann, wenn die Sprachfähigkeit (= proficiency) in der jeweiligen UnterrichtslFLuruL 34 (2005) Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 163 sprache (noch) nicht auf einem altersbzw. schulgerechten Entwicklungsstand sein sollte. In unterrichtlichen Kontexten greift die jeweilige Aufgabenstellung (= task) eines bestimmten Lern- oder Ausbildungsbereichs bzw. eines spezifischen Schul- oder Studienfaches fokussiert auf eine spezifische Text- oder Materialsorte(= genre) auf die drei Parameter des inhaltlichen, kognitiven und sprachlichen Lernens zu (Abb. 3 [S. 164]). Die dabei entstehenden Schnittflächen sind für den (bilingualen) Sachfachunterricht besonders interessant und relevant, denn in diesen Bereichen kann bzw. muss das integrierte Sach-Sprachlernen didaktisch-intentional inszeniert werden. Dies betrifft gleichermaßen die fachspezifischen Notionen (also die generellen und die speziellen Konzepte sowie die basalen Kategorien eines Faches), die fachspezifischen Methoden und Arbeitstechniken sowie die kognitiven Operationen als Realisierung übergreifender Klassen von Wissensstrukturen (vgl. Abb. 3 bei WILDHAGE 2003: 90 f, der am Beispiel des Faches Geschichte ein Planungsmuster zur Verzahnung von Sprache und Inhalt vorlegt). Es ist den Arbeiten von Bernard MOHAN zu verdanken (1986, 1990, 1998; weitergeführt von HUANG 2002, 2004 sowie MOHAN/ HUANG 2002 und HUANG/ MORGAN 2003), darauf verwiesen zu haben, dass die referentielle Bedeutungskomponente in einer funktionalen Sprachtheorie (HALLIDAY: 'ideational meaning') in inhaltlich-themenfundierten Kontexten (HALLIDAY: 'field'), die diskursiv-textuell transportiert werden, ein kognitives Äquivalent in einer bestimmten Systematik von Wissensstrukturen haben (MOHAN: 'knowledge structures'): siehe Abb. 4 [S. 167]. Die kognitiven Operationen beruhen auf Strukturen und Prozessen des Denkens, das seinerseits auf 'organisierte' Wissensschemata (deklarativer wie prozeduraler Natur) zurückgreifen kann. Die gemeinsame, zentrale Schnittmenge von Sprache, Inhalt und Denken bilden die so genannten Diskursfunktionen (siehe das innerste, durch : : ): : : : : (: : : gekennzeichnete Feld der grau unterlegten Fläche in Abb. 3). Wenngleich in ihrer Anzahl begrenzt dürften sie auf eine Vielzahl von fachlichen Kontexten transferfähig sein. Die stärkste Affinität haben die Diskursfunktionen sicher zur kognitiven und zur sprachlichen Ebene, weil sie kognitive Operationen in einer spezifischen lexikogrammatischen Realisierung widerspiegeln (die inhaltliche Dimension kommt über die fachlichen Gegenstände mit den entsprechenden Konzept- und Begriffsbildungen zum Tragen). Diskursfunktionen sind im bilingualen Sachfachunterricht besonders zu reflektieren, da sie eine zentrale Gelenkstelle zum integrierten Sach-Sprachlernen darstellen; und zwar zum einen über ihre linguistischen Exponenten und zum anderen über graphische Repräsentationen, die in vielen Fällen möglich sind. Beide Aspekte können in Unterrichtssituationen (im Sinne des scaffolding der soziokulturellen Theorie) als verbale und/ oder visuelle Unterstützungssysteme für die kognitive wie sprachliche Verarbeitung der Inputmaterialien bzw. für die sprachlichinhaltliche Realisierung des Output der Lernenden dienen. lFLllllL 34 (2005) Fachspezifische Notionen (concepts & categories) Aufgabe (task) INHALT (content) SPRACHE (language) Fachspezifische Methoden und Arbeitstechniken (modes of enquiry & study skills) Wissensstrukturen und kognitive Operationen (knowledge structures) DISKURS- FUNKTIONEN (discourse functions) DENKEN (thought) Abb. 3: Aufgaben und Textvarietäten im Spannungsfeld von Sprache, Inhalt und Denken im Sachfachunterricht Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 165 In sachfachlichen Unterrichtskontexten sollte mit anderen Worten den Lernenden deutlich werden, dass es systematische Beziehungen zwischen dem sprachlichen Ausdruck und der sprachlichen Bedeutung auf der einen Seite sowie den themenzentrierten Fachinhalten und kognitiven Prozessen auf der anderen Seite gibt. Das materiell-linguistische Korrelat und Bindeglied dafür ist (vgl. HALLIDAY 1985) die situativ-diskursiv eingebrachte sachfachliche Text- oder Materialsorte, die es im Sinne einer bestimmten Aufgabe zu verstehen, zu interpretieren, zu reflektieren und zu bewerten gilt, was immer auch sprachproduktive, textgebundene Leistungen beinhaltet und freisetzt: im Unterrichtsgespräch wie in schriftlichen Lernzielkontrollen oder (später) in Klausuren. Diskursive Sprache ist im Sozialisationsprozess eines Kindes und Heranwachsenden sowohl das Mittel als auch das Ziel eines familiär wie institutionell gesteuerten Entwicklungsvorgangs (BRUNER 1983 spricht von 'highly framed situations'), zusammen mit vielfältigen konstruktiven Eigenleistungen des Individuums. Diskursiver Sprachgebrauch spielt einerseits eine zentrale Rolle für das Hineinwachsen in eine bestimmte soziokulturelle Realität; und er ist andererseits die Voraussetzung dafür, zu 'kompetenten' (d.h. 'literaten') Mitgliedern spezifischer sozialer Gruppen bzw. Diskursgemeinschaften zu werden: sicherlich mit die wichtigste erzieherische Aufgabe von Schule und Unterricht überhaupt. 4.2 Ein Referenzrahmen für Wissensstrukturen und kognitive Operationen im sachfachlichen Unterricht Aufbauend auf der funktional-pragmatischen Bildungstheorie von John DEWEY (1900, 1938) sieht M0HAN (1986) Erziehung als Einführung(= 'initiation') von Lernenden in die Aktivitäten einer Gesellschaft, wobei diskursiver Sprache die zentrale Rolle zufällt, für ein Verständnis auf Seiten der Lernenden im Hinblick auf den Stellenwert gesellschaftlich relevanter Tätigkeiten, Fähigkeiten, Haltungen und Wissenskomplexe zu sorgen. M0HAN unterscheidet deshalb sehr sorgfältig zwischen einer eher praktischen Ebene des erfahrungsgestützten Verhaltens und Lernens(= action or modes of conduct) und einer stärker theoretischen Ebene des generalisierten, symbolisch vermittelten Verstehens über verbal-literate Techniken und reflektierendes Denken (= reflective thought and deeper understanding). Beide Ebenen sind im Curriculum zusammenzuführen, und zwar über eine didaktisch reflektierte Serie von Aufgaben (academic tasks oder activities), die Inhalt, Denken und Sprache miteinander integrieren. Der entsprechende Referenzrahmen für Wissensstrukturen (Mohan: "knowledge framework: ' siehe Abb. 4) spiegelt die übliche Klassifikation der Makrofunktionen des 'bilingualen Unterrichts' wider (z.B. bei WILDHAGE 2003: 93): DESCRIBE, EXPLAIN, CONCLUDE, EVALUATE. Es dürfte ferner interessant sein hervorzuheben, dass sich die fachspezifischen graphisch-visuellen Materialsorten (in Abb. 4 in englischer Sprache, Kursiv- und Fettdruck) in gewissen Grenzen durchaus der eher konkreten oder der stärker abstrakten Ebene zuordnen lassen (was zum Teil ihren Stellenwert in der Progression fachspezifischer Lehrgänge erklärt), wobei letztendlich darüber allerdings die Formulierung der Aufgabe entscheidet. Aus dem Referenzrahmen für Wissensstrukturen der Abb. 4 [S. 167] lassen sich nunmehr sachfachlich relevante kognitive Operationen gewinnen (Abb. 5 [S. 168]), JFLlJIL 34 '2CXE) 166 Wolfgang Zydatiß wobei an dieser Stelle einige Fragen offen bleiben müssen, etwa wie universell ein derartiges System ist, oder ob man die verschiedenen Kategorien eher vernetzt bzw. überlappend sehen muss. Sehr schwierig ist in einem solchen 'Raster' die Frage der Theoriebildung (in einer spezifischen Disziplin) zu handhaben. Man sollte damit nicht zu schnell und leichtfertig umgehen. In der Regel folgt der Datensammlung in einer Domäne eine Analyse dieser Daten mit der Formulierung einer Hypothese im Hinblick auf einen erwarteten bzw. einen vorhergesagten Zusammenhang. ➔ Abb. 4 [S.167] Induzierte oder deduzierte Zusammenhänge können aber auch in ein Konstrukt oder ein Modell einmünden. Hypothesen oder Konstrukte können (empirisch) überprüft werden, was zur Ablehnung, Untermauerung oder Modifizierung der ursprünglichen Hypothese führen kann. Theorien sind üblicherweise aus vielen Zusammenhängen und Hypothesen abgeleitet, und sie sind deshalb 'mächtiger' (in ihrer Gültigkeit), so(dass man ihnen gewissermaßen mehr 'glaubt' als Hypothesen. Allerdings können und müssen auch Theorien immer wieder empirisch überprüft werden, und die Befunde ziehen dann eine Bestätigung oder Zurückweisung der Theorie nach sich. Das Verstehen oder Anwenden von Konstrukten, Modellen und übergreifenden Theorien liegt 'quer' zur Systematik der Abb. 5. Es bleibt abzuwarten, ob sich dafür linguistische Operationalisierungen finden lassen im Hinblick auf funktionale Kategorien wie Zweifel, Skepsis, Risiken, Streitfragen und dergleichen dürfte das sicherlich möglich sein. 4.3 Sprachliche Realisierung und graphische Visualisierung von Diskursfunktionen in einem analytischen Zugriff auf einen geographischen Sachtext In der Abb. 3 wurden die Diskursfunktionen als zentrale Schnittstelle der sich überlappenden Parameter von Inhalt, Sprache und Denken im sachfachlichen Unterricht herausgestellt. Damit ist ein hoher Konkretisierungsgrad für das integrierte Sach-Sprachlemen erreicht, zumal Diskursfunktionen immer über sprachliche Exponenten verfügen und häufig auch einprägsame graphische Repräsentationen erlauben, die sowohl eine Visualisierung der Textstruktur ermöglichen als auch eine Hilfe bei der sprachlichen Eigenleistung der Schüler(innen) darstellen können (= scaffolding). Da gerade der 'bilinguale Unterricht' einen analytischen top down-Zugriff auf die fachbezogenen Sachtexte braucht, lässt sich hiermit das zweitsprachenerwerbstheoretisch wichtige Prinzip des noticing bestens einlösen (vgl. SCHMIDT 1990, SKEHAN 1998). Das Prinzip der 'Aufmerksamkeitslenkung' beinhaltet eine Form der Bewusstmachung im Hinblick auf das Prototypische in der spezifischen Sprachgebung einer bestimmten Textart. Die Identifizierung von Diskursfunktionen stellt zugleich eine didaktisch-methodische Vorkehrung dar, die funktionale Verfügbarkeit über die kognitiven Strukturen und Operationen der Fächer einzuleiten (was ein übergeordnetes Ziel eines jeden Sachfachunterrichts ist). Da diese Wissensstrukturen aufgrund ihrer Abstraktheit nicht direkt 'beobachtbar' sind, müssen konkrete Operationalisierungen gefunden werden. ➔ Abb. 5 [S. 168] lFLllllL 34 (2005) ~ "' .,. 1 Spezifische und praktische Handlungssituationen BESCHREIBUNG/ DESCRIPTION ZEITLICHE REIHENFOLGE / ENTSCHEIDUNGEN/ CHOICE SEQUENCE orDECISION Wer, was, wo? Was geschieht (als nächstes)? Welche Alternativen, Konflikte, Individuelle Objekte, Personen, Materialien, Wie ist der Ablauf einer Handlung bzw. Problemlösungen, Wahl- oder Szenen, Schauplätze; spezifischer Zeitbezug eines Vorgangs oder Geschehens? Welche Entscheidungsmöglichkeiten gibt es? Prozesse, Routinen, Prozeduren, Zeitabläufe gibt es? Was ist deren interne Struktur? Materialien: pictures, photographs, Materialien: time-line, action strips, Materialien: flowchart decision, decision diagrams, maps flowcharts etc. tree / table etc. KLASSIFIKATION und PRINZIPIEN/ PRINCIPLES BEWERTUNGEN/ EVALUATION KONZEPTUALISIERUNG / CLASSIFICATION and CONCEPTS Welche Klassifikationen sind möglich? Welche Prinzipien, Regeln, Gesetze, Welche Ziele, Werte oder Standards sind Welche Kategorien und Konzepte gelten? In Normen, Strategien, Methoden, Techniken angemessen? Was kann als 'gut' bzw. welchen Beziehungen stehen sie zueinander: gibt es? Wie stehen Ursache-Wirkung oder 'schlecht' gelten? Was sind übliche oder z.B. Inklusion, Exklusion, Hierarchien? Mittel-Ziel zueinander? Gibt es kausale akzeptable Begründungen für bestimmte Ketten? Welcher Art sind die notwendigen, Präferenzen? Was sind Kriterien für hinreichenden oder wahrscheinlichen nachhaltige Entscheidungen? Bedingungen für bestimmte Vorgänge und Entwicklungen? Materialien: tree / venn diagram, table Materialien: line graph, graph of function Materialien: rank ordering, rating scale, headings etc. etc. value labelling etc. Generalisiertes und theoretisches Hintergrundwissen Abb. 4: Ein Referenzrahmen für Wissensstrukturen ("knowledge framework" nach MOHAN 1986) t, ~ " '? [. ~ ; : , s· "' s· ~ ~ ~ ~- " ~ ; : , " ~ I'; · : : , [ ; : , ~ ~ ~ .: , q., ~ ~ : : ? . "' B: ~ ,_. 2l 8, .g N' § ~ ~ 00 \0 .-< BESCHREIBUNG: ERKLÄRUNG: BEWERTUNG: 1 Klassifikationen und Konzeptbildung Zeitliche Reihenfolge und Prinzipien Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen 1. Klassifikation 1. Interpretieren von Daten und 1. Äußern von Meinungen und Präferenzen "1- "' ~ . observing objects, persons, situations ... Schlussfolgerungen . forming and expressing personal opinions . describing objects: number, size, shape, . chronology of a chain of events . checking facts and ideas dimensions, weight, colour, material, . describing a process: stages, phases, . giving evidence on the basis of facts, appearance ... duration figures or sources . describing movement: location, relative . distinguishing different types of . distinguishing between fact and opinion (or position, direction processes belief) . describing use or function ... . giving and following instructions . expressing and justifying preferences, . classifying: taxonomies . processes and their results attitudes or choices . comparisons and contrasts, similarities . interpreting data (including tables, . assessing the truth of statements, making and differences graphs, charts) qualified statements . part-whole relations . drawing conclusions 2. Gewichtungen und Bewertungen 2. Kategoriensysteme . making inferences . ranking and rating of objects or opinions . identifying individuals, groups, types, 2. Generieren und Testen von . establishing and applying criteria for classes, symbols, dates ... Hypothesen evaluation . identifying stance, position, perspective, . formulating and testing hypotheses . judging and criticizing sources, methods point of view ... . refuting or modifying a hypothesis and presentations . correspondence, equivalence . prediction of changes and . critical reading and appreciation of texts or 3. Konzeptbildung developments studies . naming things, people ... . explaining processes 3. Lösungen und Entscheidungen . labelling objects, drawings ... . explaining the structure or function of . analysing and understanding goals, policies . understanding, applying, developing adevice or strategies concepts 3. Generalisierung . deciding on values . defining: using operational and formal . causes and their effects or . suggesting and justifying solutions or definitions consequences recommendations . developing generalizations about . building up complex arguments for and motives, means or purposes against something continuity and change Abb. 5: Kognitive Operationen im sachfachlichen Unterricht Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 169 Nachstehend soll ein Beispiel aus dem 'bilingualen' Erdkundeunterricht 1 angeführt werden, das die bisher vorgetragenen Überlegungen hoffentlich überzeugend und anschaulich 'auf den Punkt bringt'. Die Aufgaben strukturieren auf präzise aber subtile Weise das Textverstehen und die Textproduktion, wobei die dabei geforderten sprachlichen Veränderungen auf tiefer gehende inhaltlich-kognitive Verarbeitungsprozesse hindeuten. Basistext: "Chinese Agriculture -A Success Story? " Throughout Chinese history there have been different systems of land ownership. Tue communist govemment which took power in 1949 organisedall the small farmers into communes with about 15,000 people each. The land and equipment was all owned by the state and it was not possible for individual farmers to own land or grow what they wanted. Since the early 1980s the system has begun to change. Under what is called the "responsibility system", the land is still owned by the commune, but individual farmers can now make a 15-year-contract with the commune. The farmers can lease some land for themselves. They must agree to sell a certain amount, they can sell whatever they want on the free market where prices are set by supply and demand and not by the state. Many farmers have become relatively rich through this system. They can afford to build new houses and have more than one child. But there are also many poor families, those who have not been able to adapt well to the new system, especially those who live far away from towns where they can sell their goods and who live where the land is poor. On the whole, Chinese agriculture has improved greatly in the last years. Since farmers have been able to work independently, they have produced much more than before. China can grow enough food to feed its own people as well as some agriculture products for export, such as tea, spices and vegetables. In: W. BIEDERSTÄDT / K. CARLSON-KREIBOHM / D. HAUPT (Hg.) (1999): Around the World. Vol. 2. Berlin: Comelsen, S. 50. Tasks 1. Describe the old system of land ownership in China. 2. Explain the new system of land ownership in China, especially the farmers' rights and obligations. 3. Name the conditions that create winners and losers ofthe "responsibility system" in Chinese agriculture. 4. Draw conclusions as to the effects and consequences of the new system of land ownership. 5. On the basis of the information provided in the text, give a personal evaluation of the overall efficiency of the new system. Weitere Beispiele für Texte des Geschichtsunterrichts finden sich in ZYDATiß (2005, in Vorber.). JFL111L 34 (2005) 170 Wolfgang Zydatiß Erwartungshorizont Aufgabe 1 • das zentrale Datum (1949), Größe der Kommunen, Staatsbesitz • Verwendung der past tense als Bezug auf 'abgeschlossene' Vorgänge in der Vergangenheit Aufgabe2 . definition: dass characteristics "the responsibility system is a system under which ..." ~ "can be defined as a system ...", "is known as ...", "means that ...", " ... is definable as ..." etc. • X y whichlwho ... concept . permission +modality ➔ obligation - " ... can make a contract with" - " .. .must agree to sell a - " ... can sell any amount of .. " certain amount at fixed - " ... can lease their own private prices" land! ' Aufgabe3 . "winners" +contrasts ➔ "losers" - "some have become rich" - "some are still poor" - "some have built new houses" - "some live far away from - "some have more than one child! ' towns and markets" . N.B.: present perfect = - "some own very poor land" 'achievement' . N.B: simple present = 'states' . Focus on conjunctions and sentence adverbs expressing contrast: but, unlike, by / in contrast to, however, whereas etc. . Conditionals (realistic conditions): focus on if-clauses (type 1) The farmers can lease some land for if they agree to seil a certain amount of their themselves, crops to the state at a fixed price (and to pay taxes). If they produce more than that amount, they can seil whatever they want on the free market. Many farmers cannot adapt weil to the new ifthey live far away from town and markets system where they can seil their goods. if they live in areas where the land is poor. lFLlllL 34 (2005) Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten ... 171 Aufgabe4 CAUSE / CONDITION 1 EFFECT/ CONSEQUENCE A C ~ D E ........ t------------ --., ······························································► etc. • Causal chains: focus on conjunctions and sentence linking adverbs CAUSES EFFECTS/ CONSEQUENCE The Communist govemment of China owned so that it was not possible for individual the land and equipment farmers to own land or grow what they wanted. Because of the "responsibility system" individual farmers can now make a contract with the commune and lease some land for themselves. Some farmers have not been able to adapt weil } to the new system. Some farmers live far away Therefore they are poor. from town and market places. Some farmers live on poor land. Aufgabe5 • Giving reasons and explanations Since farmers have been able to work they have produced much more than before. independently, As a result, Chinese agriculture has improved greatly in the last years. Because of / due to improvements in China can grow enough food to feed its people agriculture (and can also export some of its products). • Conclusions, summary statements on the whole, all in all, in sum, to sum up A B thus, and therefore, hence (it can be concluded) • Duration since [point of time] for [period oftime], throughout 1980s since I*. NOW lFlLllllL 34 (2005) 172 Wolfgang Zydatiß 5. Ausblick: Aspekte des Fachwortschatzes Vergleichsweise wenig fokussiert wurden in diesem Beitrag Aspekte des Fachwortschatzes, weil dafür eigene detaillierte Ausführungen notwendig sind. An dieser Stelle sollen einige Hinweise genügen. Die Grenzen zwischen allgemein- und fachsprachlichem Vokabular sind fließend, wobei ein Großteil des so genannten semi-technical vocabulary einen hohen Transferwert auf eine Vielzahl von fachsprachlichen Kontexten hat: z.B. Begriffe wie factor, method, growth, development, tendency; rise, raise, expand, produce, occur; absolute, relative, intense, dense u. dgl. einschließlich vieler Kollokationen wie build up, break up, bring s.th. about, lead to, have effects on s.th., agree with; pass an act, impose a tax on, be at war usw. Weiterhin sollten im 'bilingualen Unterricht' gezielt (sprich: relativ früh) Wortbildungsprozesse reflektiert werden, da dies der eigenständigen Bedeutungserschließung von Komposita, Ableitungen und Wortfamilien (d.h. dem Aufbau eines potentiellen Wortschatzes) sowie dem Textverständnis (insbesondere beim Lesen) dienlich ist. Literatur BRUNER, Jerome S. (1983): Child's Talk: Learning to use language. Oxford: Oxford University Press. 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Key CLT issues such as group composition, development ofpositive interdependence between group members, development of social skills, autonomy and self-direction, or the acquisition of procedural and negotiatory language, are still of vital importance for foreign language ]earning in this new leaming environment. The analysis of data from two current research projects on the computer-mediated training of teachers of foreign languages shows both continuity the results being within the communicative framework and variance brought about by the new technological possibilities. Variance is shown, amongst other aspects, in the changing role of the tutor and the avoidance of available CMC tools for cooperation due to a perceived Jack of privacy. 1. lntroduction: dimensions of change The steady increase of access to computers in educational settings has enhanced the possibilities for leamers and teachers to engage in meaningful interaction in foreign and second language classrooms. lt is also changing the shape of linguistic material used for learning purposes in ways that are both productive and problematic. There are some obvious improvements: there is more room for individualization, certain elements of books traditionally not profitable and hence often neglected by publishers (teachers' manuals, glossaries etc.), can now be distributed in a more cost-effective and differentiated manner, up-to-date digital add-ons can compensate for the loss of topicality of textbooks, the space constraints of the traditional textbook which often lead to a shortage of visual and audio-visual information, differentiated sequences of exercises and so on, become less relevant when textbooks can be digitalized, Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Michael LEGUTKE, Univ.-Prof, Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Anglistik, Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Otto-Behaghel-Str. 10 B, 35394 GIEßEN. E-mail: Michael.K.Legutke@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Didaktik des Englischen, Englisch im Grundschulbereich, Neue Technologien. Prof. Dr. Dietmar RÖSLER, Univ.-Prof, Justus-Liebig-Universität Gießen, FB: Sprache, Literatur, Kultur, Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache, Otto-Behaghel-Str. 10 B, 35394 GIEßEN. E-mail: Dietmar.Roesler@germanistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, E-Learning Fremdsprachen, Grammatikvermittlung, interkulturelle Kommunikation. lFL11.! L 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 175 a concept such as 'textbook on demand' can, in the long term, lead to a new type of textbook being produced which contains a common core element with a multitude of digital material tailor-made for the needs of specific learners (cf. RöSLER 1999). There are problematic aspects, too: the revival of a na1ve version of the concept of authenticity, for example, over-individualization, a reduction of 'Landeskunde' to facts and figures which ignores the progress made as a result of the discussion of intercultural learning since the 1980s, or a constructivist approach which refuses to engage seriously with the intricacies of textbooks for beginners and the function of the classroom as a sanctuary for the learners, to name just a few. The way in which the digital media have contributed to the development of textbooks will not be a focus of this article (cf. the summary of the current discussion in RöSLER 2004). We will focus, instead, on the new possibilities for interaction in the classroom offered by the digital media, discussing them within the context of the debate on communicative language teaching. Such possibilities derive from at least five dimensions of change that the availability of digital media seems to bring about. 1 These are (1) Encounters beyond classroom walls: teachers and learners can overcome traditional constraints of classroom learning, because digital media provide them with various channels for interacting with speakers of the target language through e-mail, web-conferencing, and chat. (2) Enhanced access to a great variety of resources: the traditional textbook will not lose its significance. For the first time, however, learners have unlimited access to a wide rage of target language resources. Therefore they can play an important role in co-creating a rich and meaningful learning environment by contributing texts and topics according to their needs and interests. (3) Learning formats: the chances for learning the digital media afford cannot be unlocked within the confines of teacher-centered methods. Rather, they require cooperative learning formats and project work. This entails not only effective modes of division of labor (pair and group work) but also the taking over of teaching functions by the learners. (4) Learner roles: the chance for learners to co-create the learning environment and thus being allowed to participate in negotiating the curriculum greatly expands the role of learners. They simultaneously need to act as researchers, co-producers of diverse texts, as managers of their own leaming, and, of course, as peer teachers. (5) Teacher roles: the shift of responsibility to the individual learners and/ or small cooperative groups, and the use of project formats require a high degree of flexibility on the part of the teacher, because the leaming process is far less predictable. Even if managerial competencies are of great importance, the teacher will not cease to function in his pedagogical role promoting interest in relevant topics or supporting critical authorship, and, of course, in his role as language instructor providing language resources and monitoring language use. Although the challenges implied for teachers and leamers in each of these five dimensions pertain to the issue of integrating digital media into the leaming environment, they go beyond the computer and can be traced back historically to the early times of Commu- For each of the five dimensions we could refer the reader to recent publications. In order not to inflate the bibliography, we only mention the comprehensive survey of current research provided in RöSLER (2004). lFLUJL 34 (2005) 176 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler nicative Language Teaching (CLT). In the following paper we will narrow our perspective and we will focus on issues of cooperative leaming in teacher education. We will start by exploring the notion of collaborative work by, first of all, revisiting CLT, followed by focusing on cooperative work in computer-supported leaming environments. This will pave the way to a discussion of two current projects in teacher education, which will indicate that collaborative work needs to be re-conceptualized in order to do justice to affordances and constraints of language teacher education with digital media. 2. The collaborative language classroom: CL T revisited 2.1 The strong version of CLT In his History of English Language Teaching, HOWATT (1984) characterizes two fundamentally different versions of Communicative Language Teaching (CLT), which had emerged as an approach in the 1970s and rapidly gained prominence among theoreticians, textbook authors and practitioners in Europe and North America. 2 Whereas the 'weak version' attempts to integrate a communicative coi: nponent into a traditional language program following a basically grammar-oriented approach, the strong version takes a more radical stance: "The strong version of the communicative approach, on the other hand, advances the claim that language is acquired through communication, so that it is not merely a question of activating an existing but inert knowledge of language, but of stimulating the language system itself. If the former could be described as 'leaming to use' English, the latter entails 'using English to leam it"' (HOWATI 1984: 279). In 1980 the newly founded joumal Applied Linguistics had joined the debate by publishing two programmatic articles on CLT: both of them can be interpreted as supporting a 'strong version' of CLT. In the first one, CANALE/ SWAIN (1980) presented a critical framework for the consideration of communicative competence, which led them to identify various shortcomings of the emerging approaches. They called for classroombased research to investigate among other things the following issues: ( 1) the manner in which and extent to which communication is focused on in different second language classes, (2) the suitability of CLT for young leamers, (3) the interpretation ofthe significant differences between and among groups of leamers with reference to implementing a communicative approach, and (4) the relationship between CLT and motivation. The second programmatic article presented the potential characteristics of CLT in terms of a curriculum framework (BREEN/ CANDLIN 1980). The authors called for a radical departure from objectivist curriculum models, which had tumed the language classroom into a hierarchically structured, teacher dominated arena of knowledge and skill transmission, whose procedures and forms of interaction were neither compatible with what we had come to know about leaming, nor with educational values of democra- 2 Fot the development in Germany, see LEGUTKE/ SCHOCKER-V. DITFURTH (2003). IFLlllL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 177 tic societies. The objectivist model sui generis could not provide, as was argued, for the development of communicative competence and participatory citizenry. The language classroom is the main focus both of Canale/ Swain's rigorous research agenda and Breen/ Candlin's work within the discussion of the curriculum framework. The classroom is understood as a unique social environment with its own activities and conventions. lt is an environment where a particular cultural reality is constructed, which implies a communicative potential to be exploited for leaming rather than constraints which have to be compensated for. In other words: If it is the goal of the classroom activities to enable learners to communicate in the target language outside of the classroom, then communication needs to be experienced, practiced, experimented with and analyzed in the classroom itself while the L2 is the main means through which these activities are managed and realized (CANDLIN 2003). This radical turn towards the classroom as the location where the ability to communicate had to be fostered raised a number of crucial questions, such as: What are the appropriate topics for leamers to engage in? What are the appropriate texts for learners tobe exposed to? What are the most suitable tasks and activities which could help to unlock the communicative potential of such texts? What are the conditions in terms of task and task management which would help learners to invest their energy into finding ways to express their view of the world, their feelings and beliefs while trying to use the L2. In short, the key question was: What conditions would help to authenticate L2 practice and use as a way towards genuine communication in the classroom? lt comes as no surprise that teachers and researchers alike began to question the traditional separation of the classroom from the outside world by searching for ways in which the two worlds could be connected by Living Language Links, so that leamers could test themselves in real-life communicative situations, such as visits to international locations, explorations of target language communities in the immediate environment, but also in letter and cassette exchanges. These Living Language Links were seen as important supplements to the unavoidable simulation of target language use in the classroom. After all, the staple diet of classroom activities required the students to embark on 'playing the game' of speaking the L2. 2.2 Project work and issues in cooperative language learning A substantial corpus of 'retrospective syllabus accounts' (CANDLIN 1984), which has been published since the late 1970s, provides evidence for the way teachers and leamers have realized different forms of the strong version of CLT, given the particularities of diverse contexts. 3 Retrospective syllabus accounts are, according to CANDLIN (1984: 36), ways to gain access to both teachers' theories and classroom practice. They consist of a great variety of documents such as video and audio recordings, lesson plans, teacher comments and learner texts. A comprehensive overview of such retrospective syllabus accounts for the late 1970s and 1980s can be found in LEGUTKEITHOMAS (1991); also see LEGUTKE (1993). IFLIIL 34 (2005) 178 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler In spite of their diversity two salient features of these attempts can be extracted from these reports. (1) Almost all ofthem can be conceptualized as examples of 'leaming in projects'. They are a collection of a large variety of tasks, each of which have a specific objective, focusing on either topic information (e.g. researching into the history of a famous landmark) or contact with native speakers (e.g. interviewing native speakers) or working with literary texts (e.g. exploring and writing poetry). How these tasks are sequenced and relate to one another depends on the main objective of the project, a central task or 'target task' (LEGUTKE/ TH0MAS 1991: 167). Typical target tasks are: to produce and sell an anthology of student poetry, to interview passengers at an international airport, to design a feature film on the basis of a novel, to design a brochure for foreign tourists about one 's home town, or to stage a play for the school audience. 4 (2) The second common characteristic is the complex balance of leaming formats centered on the cooperative group: Hardly any central project task could be dealt with by forms of individualistic leaming organized in the lockstep-formation of the transmission classroom. On the contrary, their successful completion requires leaming groups whose members collaboratively seek outcomes that are beneficial to all those with whom they are cooperatively connected; they have to meet the challenges among others to divide their labor, to negotiate goals and procedures, to give presentations and function as peer teachers. Although these retrospective syllabus accounts on experimental classrooms give evidence of a strong version of CLT as realized in cooperative projects, they simultaneously highlight a range of the key issues of the cooperative classroom that had not yet been addressed appropriately. The most important of them that emerged with CLT in the 1980s 5 are: (1) (2) (3) (4) (5) (6) 4 5 the problem of group composition: Who is to work with whom? Who makes the decisions about group composition? the development of positive interdependence between group members: What makes leamers rely on each other and support each other in reaching group goals? How does a community of leamers come about? How is a climate of trust built and maintained? How are group goals negotiated, how is work divided, how are roles assigned and leamers awarded? the development of sufficient social skills; autonomy and self-direction; group assessment; the accountability ofboth the individual and the group and the do-ability of task; and finally Regarding the relationship between language learning and project work, also see ST0LLER (2003). See LEGUTKE/ TH0MAS (1991: 219-236). lFJLl.llL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 179 (7) language in face-to-face encounters: whereas content language is given ample treatment in the accounts, the issues of procedural and negotiatory language is widely ignored. Unless the question of how the cooperative teams go about organizing their learning linguistically, i.e. by using the target language, is addressed, the potential of the language classroom for authentic communication cannot be utilized to its füllest extent. All of these 'old' issues have re-emerged in connection with the use of digital media, and, therefore, need to be reconsidered, and require special attention in foreign language teacher education. 2.3 Collaborative work and the digital media If, as in 2.2, key issues of the collaborative classroom are described without reference to digital media, it is a powerful reminder of the fact that the debate about their introduction into foreign language leaming is only meaningful within the ongoing discussions of foreign language leaming and not as a 'point zero' which takes the advent of digital media as a pretext to ignore what is already known. 'Inventing' collaborative work as a trademark of a constructivist-humanist approach which transcends the traditional instructivist approach conveniently 'forgets' that all the activities suggested by this approach as new did, in fact, previously exist, going back to 'Reformpädagogik', FREIRE, FREINET and others (cf. RöSLER 1998). The seven key issues raised in 2.2 are therefore not surprisingly also key issues of collaborative work when using digital media. An interesting research angle involves the new questions and insights into these issues which might arise from the changes brought about by digitalisation. At first sight it may seem that the added digital dimension which enables collaborative projects between individuals and groups in different places, raises new challenges to be overcome. The difficulties related to the composition of groups and the development of social skills and of interdependence between group members (issues 2 and 3), challenging enough in face-to-face leaming environments, can multiply if a project involves a group recruited from members of classrooms in two different cultures, because serious intercultural interferences as well as superficially banal constraints such as time-tables can be an additional hindrance to collaboration. Issues such as group assessment and accountability (issues 5 and 6) can hit a dead end if the specific interpretation of these concepts differs significantly in the respective cultures of the leamers (BELZ/ MÜLLER- HARTMANN 2003). The discussion of the procedural and negotiatory language (issue 7) is traditionally not an essential element in textbooks (cf. the survey in RöSLER 1985) and frequently not given enough focus in face-to-face cooperative work due to the implicit understanding that the shared frames ofthe face-to-face group make an elaborate analysis superfluous. lt is given heightened attention in CMC-collaboration due both to the crossing of geographical/ cultural boundries which demands an awareness of different norms and to the fact that complex negotiations through CMC demand a meta-communilFLIIIL 34 (2005) 180 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler cative clearing of procedures and modes of negotiation, especially if the negotiations are predominantly in written form. As long as this does not find its way into the learners' awareness, a potential source of failure in cooperation is not being adequately addressed. Issue 4, the development of autonomy and self-direction, has always been a key factor in bringing about successful cooperation. lt took centre stage in current debates within the constructivist framework partly for the wrong reasons when autonomy was equated with self-learning and the individualization of the learning process, and partly because of the vital role played by the self-directedness of the learners in negotiating process and products within cross-cultural digital learning environments, especially in projects in which the parties involved initially join the cooperation with fairly different ideas as to what the product should or could look like and how it might be achieved. The ensuing discussion of the collaborative dimension of two teacher training projects which Giessen university participated in will address some of these issues in greater detail. The following chapter will use the analysis of email exchanges within one-to-one tutorials straddling two continents to discuss: the way in which cultural knowledge can be acquired during the interaction of tutors and tutees, the factors contributing to the success of an email collaboration and, finally, the subtle interplay of the expectation of tutors/ teachers of themselves having to set tasks for their tutees/ learners and their refusal to set tasks when the interaction is perceived by them tobe too personal to do so leading, arnongst other things, to their setting 'masked' tasks. lf online-tutoring is to develop into something more than a human correction service which compensates for the shortfalls of prograrnrned feedback, then the questions raised here about the balance between professional distance and (penpal) friendship between tutors and tutees are of vital importance. The other project presented here will allow us to explore how teacher trainees working in groups of three (tridems), whose members are located in different parts of Germany, use a virtual learning environment (VLE) to cope with cooperative tasks provided within the VLE. These tasks are an integral part of a Blended-Learning master's course which aims at qualifying students to teach English or French as a foreign language to young learners. 3. CMC as basis for integrated work experience The use of digital media in work experience integrated into the Giessen degree Course for teachers of German as a foreign language will be discussed from three angles factors contributing to successful collaboration of tutors and tutees, incidental acquisition of knowledge about the target language during the collaboration and the tutors' perception of exercises and tasks deemed by them to be either necessary or not for the ongoing cooperation. lFJLIIJlL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 181 3.1 Setting the scene: the Giessener Elektronisches Praktikum Reflection on individual foreign language learning and teaching processes is the point of departure for the Giessen electronic work experience 6 , in which future teachers of German as a foreign language are confronted with individual learning processes and their own role as teacher, advisor or tutor. Using the possibilities offered by the internet, they communicate with learners of German who are based in a far-away place (Hongkong, Wisconsin). They experience their role as being somewhere on a sliding scale between penpal and teacher, and the range of behavioral modes of teaching, advising and communicating is wide. Their own work is the subject of an accompanying seminar in which topics are addressed, such as assessing of language learning difficulties, initiating and carrying out corrections, evaluating teaching and learning material, the function of specific tasks and exercises and, of course, the whole area of how to deal with problems posed by taking on the role of tutor. Media-related questions are also considered. All possible means of communication and distribution beyond the traditional form of email communication used by those involved in the process can be reflected by the tutors in the accompanying seminar. In the process, general and technical media competence is acquired through almost incidental learning which runs parallel to dealing with questions of foreign language teaching and learning. One of the particularities of this work experience is that the tutors' perception of the interaction is one of being rather unstructured and not task-led, the 'openness' of the initial task 'help the learners at the other end of the line and negotiate the way, scope and contents of your interaction' leads to a great variety of interaction (which forms a perfect base for the ensuing discussions in the accompanying serninar) but also to frustration about rnissing guidance. The data from the work experience the actual emails, interviews with the tutors, tutors' diaries and data from the accompanying serninar have been and are being analyzed from different points of view. 3.2 Tutor-Tutee-Collaboration TAMME 2001 analyzes 465 mails which passed between tutors and tutees with a total volume of 85,688 words. Special attention is paid to four areas: the topics addressed, frequency of writing and length of mails, the role of emotions and correction (see TAMME 2000 on emotions and TAMME/ RöSLER 1999 on corrections). Tue results ofthe analysis of the length of mails and frequency of writing, an area which initially seemed to be of mere formal interest and relatively harmless, turned out to be extremely interesting in terms of the development of positive interdependence as discussed in issue 2 in chapter 2.2. On the basis of the statistical details, the interpretation of lengthy passages of text and the interpretation of an entire exchange between a tutor and a tutee in regard to the 6 See RöSLER (2003) or WüRFFEL (2002) for a more detailed introduction. IFLlilllL 34 (2005) 182 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler speed of response and the length or brevity of the emails, TAMME (2001: 102) was able to formulate concrete recommendations for writing strategies for email tutors: In her analysis of the data, TAMME provides interesting facts about the topics addressed by tutors and tutees and the similarity and differences in the degree of intensity of the communication on the topics (see TAMME 2001: 111). She also establishes that a special form of learning about the target culture can develop as a result of extended interaction between two individuals. 3.3 Personalized 'Landeskunde' 7 Tue new forms of cooperation which entered the classroom in connection with CLT inevitably led to increased attention to classroom interaction, which in turn meant that less or even too little energy was spent on the subject matters dealt with in the classroom. This in turn led, especially in the so-called 'weak' version of CLT, to the 'banalization' of the contents due to the dubious claim that everyday topics as such were 'learner centered' 8 and to the unnecessary antagonism of 'grammar vs. communication' (RöSLER 1994), both of which were detrimental to specific groups of learners, in particular prospective university students (cf. the analysis by TOWNSEND/ MUSOLFF 1993). This focus on interaction and exciting new forms of cooperation in CLT with its concurrent reduction of interest in subject matters can also be observed in research in applied linguistics as demonstrated by the seven issues listed in 2.2. However, this smoldering indifference towards non-interactional matters is short-sighted: a fresh look from a CLT and CMC perspective at traditionally 'endless' debates like the .one on appropriate forms of teaching and acquiring Landeskurule shows how closely progress in the analysis of traditional teaching conundrums can be linkedwith the choice of forms for working together. 7 We won't go into the details ofthe discussion about 'Landeskunde', 'cultural studies' etc. here. An attempt to deal with the terrninological difficulties can be found in DOYE (1999). 8 Cf. RöSLER (1994: 104 ff) as a criticism of this assumption with which the newly reigning CLT approach claimed a kind of universal scope, ignoring that this version of CLT was everything but centered on the needs of quite a few groups of Iearners with specific aims. fLlllL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 183 Collaboration via the intemet offers a form of intercultural learning which, in the long term, can liberate cultural studies from the circular debate between exemplification and broad survey. Through personal interaction with a partner in one of the countries of the target language, it is possible for learners to experience, in a narrative context, the complexity of another part of the world. In the exchange process between Giessen students and leamers of German in other places we could repeatedly observe sequences of conversations in which a mixture of telling about one' s experiences, subjective assessment, amazed questions etc. lead not only to a topic being dealt with in depth and being contextualized, but also to the partners trying to anticipate and consider each other' s perspective and to relate it to their own cultural context. TAMME (2001: 128-130) 9 provides extensive documentation and analysis of a lengthy exchange of this nature between a Hongkong student and her tutor in Giessen on the topic of men and women. These two correspondents do not write to one another in order to leam or teach facts about the target culture. Such facts that are leamt are incidental; what happens here is a dialogue about their own prior knowledge and about themselves and others. Despite grave linguistic problems, the topic itself is the central issue and the acquisition of facts and information about the target culture is constantly accompanied by assessments and an emotional component. If the potential of the digital media can be used to develop this kind of 'personalized cultural studies', then the old distinction between the different types of cultural studies: factual information, communicative person-based information and intercultural studies 10 will become irrelevant because in this kind of 'personalized cultural studies' with its subjective narratives, facts, everyday life and assessment are mingled and accepted as a natural part of a dialogue across borders. 3.4 Exercises and tasks The open way in which the tutors of the Giessen electronic work experience are introduced to their activity allows interesting insights into their concept of tutor-tutee collaboration and the role tasks play within that collaboration. Tue tutors of the second cohort were asked which tasks and exercises they set for their tutees and how they would assess the success ofthese tasks and exercises. The tutors' answers clearly show how low they rate what they regard as tasks and exercises in their tutorials. In their own opinion the majority of tutors never set any tasks and exercises as, for them, the tutorials are mainly about contact and they regarded tasks and exercises as belonging to the area of traditional teaching or felt they might demotivate tutees. They primarily associate "tasks and exercises" with grammar. One of the tutors wrote in her leamer diary: 9 Welches meiner Ziele habe ich erreicht? Ihm macht das tutorial Spaß Welches Ziel hab ich nicht erreicht and warum? Er macht meine exercises nicht, womöglich weil er keine Zeit hat, oder weil er andere Bedürfnisse hat and sich von dem tutorial etwas anderes verspricht, als seine Grammatik zu verbessern ... Reprinted in RösLER (2004: 146-148). IO Cf. the survey in PAULDRACH (1992). FJLIIIL 34 (2005) 184 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler Which of my goals have I achieved? He is enjoying the tutorial Which of my goals have I not achieved and why not? He doesn't do any of my exercises, probably because he doesn't have any time or because he is keener on other aspects and his expectations ofthe tutorial do not include improving his grammar ... (RösLER/ WüRFFEL 2005: 326). The analysis of the emails both confirms and contradicts the self-assessments of the tutors. They are confirmed by the fact that the explicitly set exercises in the tutorials are primarily grammar exercises. However, beyond that there are some exercises on listening comprehension, reading comprehension, cultural studies and on intercultural learning. When the exercises and tasks are clearly the kind which focus on form, then it is more likely that the tutors will refer to them as exercises; if the tasks are more open, then it is more likely that they are implicit tasks which aren't tasks at all in the self-assessment of the tutors. RöSLER/ WüRFFEL (2005) analyze a lengthy sequence which shows that the conversation esteemed by the tutors can actually involve setting tasks, even if they don 't regard them as such due to their concept of exercises as having something to do with imparting forms. And when tasks are perceived as such, the tutors try to play them down. In the following excerpt the tutor notices that her question could be taken for a task and she immeditely plays it down by saying that the tutee shouldn't answer it because otherwise their communication might seem like a teaching situation. Although a task is being set here, the tutot tries to mask the task character either because she shouldn't set a task according to her own assessment of the tutor-tutee relationship or else because she may think that declaring the task invalid might lead to it being clone. "[... ] Jetzt bin ich aber abgeschweift, habe rumphilosophiert and mehr von meinen Ansichten als dem Text geschrieben. Was meinst du denn zu dem Text? Was meinst du, kann man daraus lernen? (Vielleicht vergisst du die Frage besser, sonst hast du noch das Gefühl, du sitzt im Deutschunterricht...)" "[ ...] But now I've gone off on a tangent, I've written more about my thoughts and opinions than about the text. What do you think about the text? Do you think you can leam anything from it? (Maybe you shouldjust forget about the question straight away, otherwise you might feel like you are sitting in a German dass ... )" This passage is, however, an excerpt from a longer sequence, in which the tutor's ability to gently lead in a collaboration (see issue 3 in 2.2.) is the precondition for the task being dealt with successfully. In reflecting on their own activities, the tutors learn that the technical brilliance of the way tasks are presented is not the decisive factor goveming the success or otherwise of the exercises they offer. Far more significant is the fact that they found or produced exercises in the course of their dialogue with their tutees which are actually tailored to the needs of the tutees at that point in time in their leaming process, something which has to be negotiated explicitly or 'read between the lines' in an ongoing cooperation. IFI.m.. 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 185 4. Collaborative work in Action Research Projects of future language teachers in the primary school In the following section we will address the collaborative work of future primary school teachers of English in a blended-leaming environment from two angles. Taking a curricular perspective, we will first of all present some of the cooperative tasks which make up the action research project, one of the pivotal components of the master' s course. This will secondly be followed by a closer look at how the students so far have used the potential of the VLE to negotiate their plans of action and to carry out these group tasks. 4.1 Setting the scene The Blended-Learning master's course 'E-LINGO - Teaching Languages to Young Learners' represents work in progress, because it is still being developed and continuously evaluated. lt seeks to prepare students for a career as cultural and language mediators for leamers at the pre-school, kindergarten and primary level. 11 The t~o-year coursework includes 12 thematic modules covering issues from the language acquisition of children and intercultural leaming to working with different text types and implementing a multi-skill approach to language learning. Special emphasis is placed upon the integrated development of pedagogical content knowledge and practical language teaching. Both the content and tasks of the modules and the face-to~face meetings at the beginning of the course and at the end of each semester are in the target language. Furthermore, it is understood that all communication in the VLE should be done in the target language. Each semester has a key module which follows the same structure of four distinctive phases. (1) Always taking the students' experiences as language learners as a point of departure, the modules then (2) ask the students to read a selection of essential texts from the field with a three-fold goal. Students should be helped to critically review their experiences, they should familiarize themselves with core texts of language teaching theory, and they should recognize goals and develop their own exploration of and performance in particular language classrooms. (3) Focusing on the personal experience and practical knowledge of teachers the third phase of the key modules incorporates teachers' expertise. Students may be asked to analyze an interview with a teacher or a video recording of a lesson. (4) Adding to this preparation students finally concentrate on the development, implementation and analysis of a mini action research project (ARP) to be carried out in a complex mixture of individual and group work in three different classrooms. There are two different types of project work: (a) planning and teaching a lesson based on a particular question students want to research on the basis of their readings and the analysis of different experiences, (b) researching a 11 The project was commissioned and is sponsored by the Baden Wuerttemberg Foudation (Landesstiftung Baden Württemberg gGmbH). The State of Hesse has joined the project and is co-sponsoring it. E-LINGO is currently being jointly developed by the University of Education of Freiburg and by the Justus-Liebig-University of Giessen. For more details see www.e-lingo.de lFLwL 34 (2005) 186 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler particular aspect of a lesson given by an experienced teacher. In both cases, findings are documented and presented to the other students of the course at a face-to-face meeting concluding this module and the semester. 4.2 Cooperative tasks as workplans Since the basic working unit of the online and face-to-face sections of the course consists of three students (tridems) from different locations, and since the quality of several joint products is assessed as part of the final grade, successful cooperation is called for throughout the course. How forms of individual and cooperative work constantly intertwine can best be demonstrated through the action research project (ARP). Following a classical project mode of leaming (see LEGUTKE 2003a; LEGUTKE/ THOMAS 1991: 157 ff), the ARP ends with a target task, the joint presentation of the research findings in the faceto-face session. Since the three group members will not only have to explain the research question(s) in the presentation, but also include video and/ or audio data from the different contexts, the presentation is, undoubtedly, very demanding and presupposes a number of steps clearly outlined in the course material. 12 Having explored personal experiences and reviewed these within the framework of core theoretical texts which have been worked through individually and partly discussed with group members, students are asked to formulate and negotiate a research question that all group members agree to. Once the question(s) has/ have been accepted, each student will plan a lesson tobe taught either by the student himself/ herself or by a cooperating teacher. Each lesson is to be recorded on video and analyzed from the angle of the research question. Findings have to be discussed in the group with the aim of selecting issues tobe presented in the face-to-face meeting whereby the theoretical texts read in the module's content section should be taken into consideration. Activities and working formats in the ARPs are summarized in table 1 [---+ page 187] The deliberate inclusion of these cooperative tasks into the blended leaming environment follows the insight that they not only help to overcome the isolation of students in traditional distance leaming programs, but also enable them to engage in multi-perspective discourse on language learning, such as considering the impact of diverse contexts. Last but not least they should provide ample opportunity for extended and differentiated use of the target language (issue 7). 12 The online materials provide a detailed "Classroom Research Guide" spelling out 8 steps starting with formulating the research question(s) and leading up to the preparation of thejoint presentation. lFLirnL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... Exploring personal experiences Reading key texts from the professional Iiterature with individual hand-ins to tutor Reviewing selected issues from literature Developing a research question Negotiating a joint research question Planning a lesson (including analysis of contextual factors) Teaching and documenting a Iesson Data analysis Planning the presentation Delivering a presentation (target task) Individual group sharing individual individual group sharing individual group task individual individual individual; group sharing group task group product Table 1: Tridem cooperation in the action research project 4.3 Cooperative tasks in action 187 To enable students to handle the cooperative tasks, the VLE offers two channels for communication. Each tridern has its own private forurn for discussions which can be read only by the tutors but not by other students. Secondly, each tridern has its own chat-roorn, which is private and therefore cannot be entered by the tutors and/ or other students. Group rnernbers are, however, encouraged to save their chat-logs for inclusion into their portfolios. lt is understood, though, that chat-logs are being saved for research purposes and for prograrn evaluation by prograrn cornputer staff. Both, the forurn and chat-roorns can be activated at the task level when students are working with the rnodule's content and independently of specific tasks. A review of the forrun entries frorn the first 2 ½ sernesters of the course has shown that the groups have so far not used the forurn for task negotiation. If used at all, the forurn rnainly serves as a tool to distribute attachrnents arnong the group rnernbers, send group products to the tutor and receive feedback frorn her. In sorne cases the forrun is additionally used to boost group rnoral and give feedback to group rnernbers. This use will be elaborated upon below in conjunction with the third sernester ARP on issues of assessrnent and portfolio work. Feedback reports during the face-to-face session corroborate this finding, because students consistently report that, although they enjoy the content and the way it is being delivered in the VLE, they prefer to exit the VLE to use JFJLIIIL 34 (2005) 188 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler other tools for negotiation. The tools range from private email to telephone and to extra meetings especially before the presentation of the ARP, even if these require long trips by car or train. When the chat-room was introduced at the end of the second semester, course designers were curious as to whether students would turn to their chat-room for task negotiation of at least the easier and shorter group tasks. Since students continued to refrain from using the tools, even when some of them expressed delight that it was made available, course designers decided to make the use of chat-room part of an assignment in the third semester's ARP. Having studied different forms of learner assessment including the use of portfolios in the primary classroom, students were asked to enter the chat-room for a virtual simulation: either taking over the rnle of a teacher trying to convince parents that portfolios should be introduced in their children's classes, or imagining a discussion with a supportive and a very skeptical teacher. Students were to evaluate the introduction and the use of portfolios in the primary English classroom, save the chat and send it to the tutor who would comment on the quality of the arguments and the discussion. Whereas one of the experimental groups did not succeed in saving the chat data, the two other groups opted for a similar procedure: not only did they edit their chat documents, but they also deleted the negotiatory preliminaries leading towards the simulation. What they handed in was not the chat log, but a scripted simulation which had originated from a chat discussion. The following exchange in one of the team forums is worth noting here. The first three messages are followed by an attachment from the continuously edited 'portfolio chat file'. Re: Portfolio chat Author: [s1] Date: 2005-04-28 11: 52: 13 Hi [s2] and [s3] I have edited the script, deleted the comments at the start, corrected typing errors and sometimes moved comments around to where they made more sense. I don't think the product of our long discussion is bad. After all, they asked us to discuss in this way via the chat facility .... This is not a graded assignment and since we are all busy people I would suggest you look through it and unless you find something you would like to see changed, let's send it off. Re: Portfolio chat Author: [s2] Date: 2005-04-28 16: 02: 27 I've found tow repeated lines and cancelled them. That was all. Weil, done. Thanks for editing the work ... a bit stressful to keep up with the conversation and think of saying all the time. But I do think we managed it. Have a nice day [s2] Can you send it off after reading. [s3]? Thanks a lot Re: Portfolio chat Author: [s3] Date: 2005-04-28 23: 29: 46 Read through is all, thought it was o.k. and sent it off to [tutor]. Hated this hand in task. I almost started to cry during it. At least it will not be graded. Have a nice statt for the weekend girls. [s3] lFlLlllL 34 (2005) Enhancing collaborative work by integrating digital media ... 189 Re: Portfolio chat Author: [sl] Date: 2005-04-29 15: 48: 31 Thanks a lot. Relax! Enjoy the sunny weekend. You did very weil although I suppose it was rather stressful for you. [sl] Next time we have to think about shifting the roles in a different way. Within the framework of this article this forum exchange is interesting for at least three reasons. If it was the course designers' intention to raise students' awareness of the chat tool as a means of negotiation, one might critically argue that the task was counterproductive to this intention, because it asked for a hand-in to the tutors, which changed the text type from the students' perspective. At least for this group it seems to have reinforced the practice of excluding the spontaneous, less orderly exchanges from the VLE. The latter, therefore, is seen as a means of academic product and content delivery, and not as an arena for multi-level discourse. Furthermore, one might assume that the processes of negotiation in other private channels will more likely be carried out in German and not in English. The question of why such separation between different modes of communication happens needs further investigation. The issue of grading is certainly important here. With students moving away from the VLE to negotiate their work, the chance for an integrated development of academic and language skills is reduced. Is this integration a viable goal of teacher education that should be pursued? If so, what needs tobe done to keep student discourse within the VLE? On the other hand, the exchange shows in one instance, how a group not only succeeds in redesigning the task according to its needs and understanding (we want to show that we write English well, and therefore we only publish texts which we have revised and which we support unanimously), it also demonstrates how the forum is used to celebrate one's success, deal supportively with the frustrations of one member, and simultaneously foster the coherence of a group (issue 2). Finally, the exchange underscores the need for further research into the complex processes of blended-leaming, in particular into the relationship between public discourse, which in an evaluative environment as a degree course is subject to grading and teacher assessment, and the other more subterranean domains of communication, where, as we assume, group building, maintenance and cooperation are achieved, and lost. Can and should these domains be made accessible to researchers and teachers interested in integrating the digital media into language teacher education? 5. Conclusion The analysis of the projects discussed above shows that the integration of digital media into teacher education environments raises new questions for research into the cooperative dimension. Amongst them are the changing role of the tutor and the avoidance of using available CMC tools for cooperation due to a perceived lack of privacy. If the didactic integration of digital media into the foreign language classroom can lFlLl.lL 34 (2005) 190 Michael K. Legutke, Dietmar Rösler only succeed if the classromn changes its structure 13 and if forms of cooperative leaming and project work at the university level are not only taught as theoretical possibilities but are actually experienced in seminars 1 4, then third-level didactics has to address the role of digital media in such a way that forms of training will have to be found which enable future teachers to reflect on individual learning processes, which make it possible to try out pedagogically sound uses of the digital media and which, above all, make cooperative learning something which can be experienced in the context of university learning. Literature BELZ, Julie / MÜLLER-HARTMANN, Andreas (2003): "Teachers as Intercultural Leamers. Negotiating German-American Telecollaboration along the Institutional Fault Line". In: The Modern Language Journal 87.1, 71-89. 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JF]Li.ü, 34 (2005) Andreas MÜLLER-HARTMANN* Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsproj ekten Die Entwicklung von Erfahrungswissen angehender Fremdsprachenlehrer/ innen Abstract. Telecollaboration offers an opportunity to develop intercultural communicative competence (ICC) in pre-service teacher training seminars. This contribution describes best practice in form of a seminar model that is based on a five-year long research project between a German college of education and an American university. Future foreign language teachers first of all must become intercultural speakers themselves before they can teach ICC in schools. To develop their kuowledge base via experiential learning and model teaching, EFL student teachers engaged in a collaborative project with leamers of Germanin an American university over the period of half a semester. The second half of the semester was used to reflect on the experience and to begin to develop a knowledge base for possible future school settings. Data from these five project seminars show how student teachers developed ICC in the process. 1. Einleitung Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (EUROPARAT 2001) stellt die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz ins Zentrum des Sprachenlemens: „Weder endet die muttersprachliche und kulturelle Kompetenz mit dem Erwerb einer zweiten oder fremden Sprache und Kultur, noch besteht die neue Kompetenz unabhängig von der alten: Die Sprachenlernenden erwerben nicht einfach zwei verschiedene, unverbundene Weisen des Handelns und Kommunizierens, sondern werden mehrsprachig und entwickeln Interkulturalität. Die linguistischen und kulturellen Kompetenzen in der einen Sprache modifizieren die in einer anderen, und sie fördern interkulturelles Bewusstsein, Fertigkeiten und prozedurales Wissen" (Europarat 2001: 51). Die herausragende Bedeutung der Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz wird damit europaweit zur Kenntnis genommen (siehe auch BYRAM 1997, BYRAM/ FLEMING 1998, BYRAMINICHOLS/ STEVENS 2001). Gleichzeitig macht sie einen wichtigen Baustein eines neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts aus (passim in MEißNER/ REINFRIED 2001, vor allem die Beiträge von BECHTEL, CASPARI, LEOPOLD und NIE- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Andreas MÜLLER-HARTMANN, Univ.-Prof., Pädagogische Hochschule Heidelberg, Institut für Fremdsprachen, Abteilung Englisch, Postfach 104240, 69032 HEIDELBERG E-Mail: Andreas.Mueller-Hartmann@ph-heidelberg.de Arbeitsbereiche: Didaktik des netzbasierten Fremdsprachenlernens, Lehrerausbildungsforschung, Literaturdidaktik (Jugendliteratur), Didaktik des interkulturellen Lernens. lFLlllL 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 193 KAMP/ Ru). Zukünftige Lehrer und Lehrerinnen müssen diese Kompetenz in der Regel allerdings erst in ihrem Studium bzw. im Rahmen von Auslandsaufenthalten entwickeln, das heißt, sie müssen erst einmal selber zu intercultural speakers werden, bevor sie in der Lage sind, diese Kompetenzen im späteren Berufsfeld zu vermitteln (BYRAM 1997: 33- 38). Während Auslandsaufenthalte face to face-Kommunikation mit Sprechern der Zielsprache ermöglichen, ist der Ausbildungskontext an der Hochschule ebenso wie der fremdsprachliche Klassenraum der unterschiedlichen Schultypen in der Regel durch eine mehr oder weniger intensive Simulation geprägt. Die Telekommunikation bietet hier einen Ausweg an, um Kontakt mit Sprechern der Zielsprache aufzunehmen. Sie ermöglicht soziale Interaktion, Dialoge und interkulturelle Aushandlungsprozesse im Rahmen von gemeinsamen Telekollaborationsprojekten (BELZ 2003, FURSTENBERG [et al.] 2001, MÜLLER-HARTMANN 1999, 2000, MÜLLER-HARTMANN/ RICHTER 2000, O'DOWD 2004, WARSCHAUER 1996). Die Neuigkeit und Komplexität derartiger Projekte (Aushandlung eines Organisationsrahmens mit den Partnern, lernerzentrierter Unterricht, Verbindung von Phasen im Klassen- und Computerraum, Unsicherheit in Bezug auf die eingehenden Lernertexte, Umgang mit möglichen kulturellen Missverständnissen etc.) führt allerdings zu erheblichen Barrieren in der Entscheidung für das Projekt im Fremdsprachenunterricht. Wie EGBERT/ PAULUS/ NAKAMICHI (2002: 3) hervorheben, "even when teachers do believe that technology has 'empowering potential', they do not always know how to make this happen in the classroom". Damit angehende Fremdsprachenlehrende die Telekommunikation tatsächlich später im Fremdsprachenunterricht nutzen, um ihren Schülerinnen und Schülern authentische Lernumgebungen zur Verfügung zu stellen, müssen sie selbst entsprechende blended learning Umgebungen in ihrer Ausbildung erfahren haben. Denn erst ein Erfahrungswissen erlaubt ihnen, die genannten Barrieren zu überwinden. Der vorliegende Beitrag versucht anhand eines Seminarmodells darzustellen, wie die Ausbildung eines solchen Erfahrungswissens und die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz mit Hilfe von Telekollaborationsprojekten im Rahmen der ersten Ausbildungsphase von Fremdsprachenlehrenden möglich ist. Das Unterrichtsmodell, das dazu vorgestellt wird, beruht auf einem fünfjährigen Forschungsprojekt mit Julie Beiz an der Pennsylvania State University, USA. Neben Ausführungen zum Konstrukt 'Lehrerwissen' ist BYRAMs Modell (1997) der Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz die theoretische Grundlage für die Analyse der erhobenen Daten in den deutsch-amerikanischen Austauschprojekten. 2. Theoretische Basis 2.1 Interkulturelle kommunikative Kompetenz Angehende Lehrerinnen und Lehrer müssen zunächst selber zu intercultural speakers werden, bevor sie in der Lage sind, Lernende bei der Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz anzuleiten und zu fördern. Das heißt, sie müssen die Fähigkeit entwickeln, "of establishing relationships, managing dysfunctions and mediating" (BYlFLl! lL 34 (2005) 194 Andreas Müller-Hartmann RAM 1997: 31-32). Die Durchführung eigener E-Mail-Projekte und die damit verbundene Aushandlung von Kursinhalten mit internationalen Partnern sowie der Umgang mit institutionellen Zwängen (siehe BELZ/ MüLLER-HARTMANN 2002: 77) ist sicherlich die beste Form, um diese Kompetenzen zu erwerben. Die Durchführung von Telekollaborationsprojekten im Rahmen von Seminaren bietet allerdings dieselben kognitiven und affektiven Herausforderungen. Gleichzeitig erlaubt die Leitung des Projektes durch einen Dozenten eine gewisse Sicherheit und erleichtert es Anfängern, sich auf diese komplexe Lernumgebung einzulassen. Vor allem die möglicherweise emotionale Belastung, mit jemandem zusammen zu arbeiten, den man nicht kennt, nicht sieht und mit dem man nichtface-to-face kommunizieren kann, wird durch die regelmäßige Reflexion während des Projektes ein Stück weit aufgefangen. Denn es ist gerade die emotionale Erfahrung, die es den Studierenden erlaubt (oder auch nicht), eine positive Einstellung gegenüber einer solchen Lern- und Arbeitsumgebung zu entwickeln und so die Basis zu legen, später selbst ein solches Projekt im Unterricht durchzuführen. Aus diesem Grunde hat BYRAM auch Einstellungen als "foundation" seines Konzeptes zur Entwicklung interkultureller kommunikative Kompetenz bezeichnet (BYRAM/ NI- CH0LS/ STEVENS 2001: 5). Abgesehen von den affektiven Faktoren umfasst das Modell kognitive und interaktionale Fertigkeiten der Interpretation und des in Bezugsetzens von Texten, wobei hier ein weiter Textbegriff angelegt wird, der sowohl geschriebene Texte wie auch mündliche Äußerungen und Ereignisse subsumiert. Der letzte Faktor betrifft die Entwicklung eines kritischen kulturellen Bewusstseins. Zusammen genommen machen diese Faktoren und Fertigkeiten den "intercultural speaker" aus (BYRAM 1997: 33-38, siehe auch KRAMSCH 1998). Als intercultural speakers Lernende "may also be called upon not only to establish a relationship between their own social identities and those of their interlocutor, but also to act as mediator between people of different origins and identities" (BYRAM 1997: 38). Da die Analyse der gesammelten Lernerdaten aus den Projekten auf den vier genannten Faktoren basieren, sollen sie im Folgenden kurz erläutert werden: 1. Einstellungen (attitudes): Einstellungen müssen nicht unbedingt positiv sein, aber sie sollten zumindest durch Offenheit und Neugier charakterisiert sein: "They need tobe attitudes of curiosity and openness, of readiness to suspend disbelief and judgement with respect to others' meaning, beliefs and behaviors. There also needs to be a willingness to suspend belief in one' s own meanings and behaviors, and to analyse them from the viewpoint ofthe others with whom one is engaging" (BYRAM 1997: 34). Die Lernenden sollten in der Lage sein, sich von ihrer eigenen Position zu lösen, "to decentre", wie BYRAM es in Anlehnung an KOHLBERG und andere (1983) ausdrückt. Das kann im Verlauf des Lernprozesses auch zu einer teilweisen oder kompletten Resozialisation in einer anderen Sprache und Kultur führen. 2. Wissen (knowledge ): Byram unterscheidet zwischen Wissen über "social groups and their products and practices in one's own andin one's interlocutor's country," und dem Wissen "ofthe general processes of societal and individual interaction" (BYRAM 1997: 58). Dies schließt Wissen über unterschiedliche KommunikationsmöglichlFLIIL 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 195 keiten, wie z.B. der Telekommunikation, und die Konventionen von Kommunikation, ein. Beide Bereiche sind notwendig, um Missverständnisse zu vermeiden oder aushandeln zu können. Während die primäre und sekundäre Sozialisation in einer Kultur oft zu einer ausgeprägten nationalen Identität führt, hebt BYRAM die Tatsache hervor, dass es auch andere soziale Identitäten gibt, wie diejenigen, die auf dem Geschlecht, der sozialen Klasse oder der ethnischen Zugehörigkeit basieren. Gleichzeitig ist das Wissen über andere gesellschaftliche Gruppen nicht isoliertes Faktenwissen, sondern '"relational', i.e. it is knowledge acquired within socialization in one's own social groups and often presented in contrast to the significant characteristics of one's national group and identity". Dies betrifft einen Aspekt, der zur Bildung von Vorurteilen und Stereotypen führen könnte. Wenn die beteiligten Partner allerdings wissen, wie die Interaktionsprozesse von Mitgliedern der anderen sozialen Gruppe(n) erworben wurde(n), dann sind sie wesentlich kompetenter, wenn es darum geht, die Wahrnehmung, die diese Gruppe von sich selbst und anderen hat, zu verstehen, was zu einer besseren Interaktion mit Mitgliedern dieser Gruppe beiträgt. Im Bereich derface to face-lnteraktion ebenso wie in dem der Telekommunikation muss dieses deklarative Wissen noch um prozedurales Wissen "of how to act in specific circumstances" ergänzt werden. Dies ist entscheidend, um sich in einer erfolgreichen Interaktion zu engagieren und eine längerfristige Beziehung aufzubauen (BYRAM 1997: 36). 3.1 Die Fertigkeit, Texte und Ereignisse zu interpretieren und aufeinander zu beziehen (skills of interpreting and relating): Basierend auf dem Wissen der eigenen und der fremden Kultur ist der intercultural speaker in der Lage "to interpret a document or event from another culture, to explain it and relate it to documents or events from one's own culture." Kritisch zu hinterfragen ist in diesem Zusammenhang das unbewusst erworbene Wissen der eigenen Kultur, das das Individuum möglicherweise ethnozentrische Sichtweisen und Werte nicht erkennen lässt und damit die Kommunikation erschwert (BYRAM 1997: 37, 61). 3.2 Die Fertigkeit des Entdeckens und der sozialen Interaktion (skills of discovery and social interaction): Wenn Lernende mit einer anderen Kultur konfrontiert werden, müssen sie in der Lage sein, wichtige Phänomene in dem spezifischen Kontext zu entdecken und ihre Bedeutungen und Konnotationen in der Kultur zu erkennen. Gleichzeitig müssen sie die Fähigkeit entwickeln, "to operate knowledge, attitudes and skills under the constraints of real-time communication and interaction" (BYRAM 1997: 38, 61). Während die Zwänge der zeitgleichen Kommunikation keine Rolle in der asynchronen E-Mail-Kommunikation spielen, sind sie im synchronen Chat von großer Bedeutung, müssen doch hier kulturelle Inhalte direkt ausgehandelt werden. 4. Kritisches kulturelles Bewusstsein (critical cultural awareness): Byram argumentiert, dass die bisher dargestellten Faktoren in einer umfassenderen pädagogischen Philosophie gefasst werden können, wenn die Lernenden dazu angeleitet werden, ihre jeweils eigene Kultur kritisch zu reflektieren. In dem die Lehrenden den Ansatz der politischen Bildung verfolgen, versetzen sie die Lernenden in die Lage, die Fähigkeit zu entwickeln "to evaluate, critically and on the basis of explicit criteria, lFLlUllL 34 (2005) 196 Andreas Müller-Hartmann perspectives, practices and products in one's own and other cultures and countries" (BYRAM 1997: 33, 63). 2.2 Lehrerwissen Die Lernumgebungen, mit denen die angehenden Lehrer/ innen in Telekollaborationsprojekten konfrontiert werden, sind durch massive Unsicherheit (Was für einen Partner werde ich bekommen? Werde ich mich mit ihm verstehen? ), Instabilität (Wird meine Partnerin mir regelmäßig antworten? ) und mögliche Wertkonflikte (Wie arbeitet mein Partner? Wie denkt er/ sie über Deutschland? ) gekennzeichnet (SCHÖN 1983). Die Bearbeitung von publiziertem Wissen zur Vermittlung von interkultureller kommunikativer Kompetenz in E-Mail-Projekten reicht daher nicht aus, um derartige Kontexte zu verstehen und selber zu initiieren. Während Lehrende auf ein ausgeprägtes Erfahrungswissen zurückgreifen können und ihre Entscheidungen im Klassenraum auf der Basis von Routinen treffen, die sie im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit in vielen unterschiedlichen Lehr- und Lernsituationen entwickelt haben, ist dies bei Studierenden in der Regel nicht der Fall. Sie beziehen sich auf subjektive Theorien, die sie aus ihren eigenen Lernerfahrungen in der Schule mit in die Ausbildung bringen, allerdings bereiten sie diese Erfahrungen nur in den wenigsten Fällen auf solchermaßen strukturierte Lernumgebungen vor (SCHOCKER-V. DITFURTH 2001). Die Studierenden müssen daher die Gelegenheit bekommen, diese neuen Erfahrungen überhaupt erst einmal zu machen, um so sukzessive ein Erfahrungswissen zu entwickeln und nach und nach ihre subjektiven Theorien zu verändern. JOHNSON (1994: 451) führt dazu aus, "if preservice teachers' beliefs are to shift at all, they must become cognizant of their own beliefs, have opportunities to resolve conflicting images within their own belief system, have access to develop an understanding of and, more importantly, have successful encounters with alternative instructional practices and alternative images ofteachers." Die Teilnahme an internationalen Telekollaborationsprojekten auf Universitätsebene ermöglicht den Studierenden die Entwicklung eines solchen Erfahrungswissens im Sinne des Modelllernens. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, ihre subjektiven Theorien zum Einsatz von Medien im Fremdsprachenunterricht mit der Zielvorgabe interkulturelle kommunikative Kompetenz zu verändern und so ein Lehrerwissen auszubilden (LEGUTKE/ MüLLER- HARTMANN/ SCHOCKER-V. DITFURTH [erscheint]). Dabei gilt eigentlich Folgendes: "the knowledge base must focus on the activity of teaching itself, on the teacher who does it, and on the contexts in which it is done" (MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-V. DITFURTH 2004: 5; auch JOHNSON/ FREEMAN 1998). Aufgrund der Komplexität ist die Durchführung internationaler Telekollaborationsprojekte im Fremdsprachenunterricht der Schulen zur Anleitung von Studierenden während der Ausbildung allerdings nur sehr schwer zu ermöglichen. Die Entwicklung von derartigen Projekten mit Studierenden auf Hochschulebene ist somit nur die zweitbeste Möglichkeit, da sie nicht direkt im schulischen Kontext stattfindet, aber auch sie vermittelt den Studierenden die Möglichkeiten und Grenzen derartiger Projekte. Studierende können so am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, mit einem ausländischen Partner Inhalte zu diskutieren und auszuhandeln und so interpersolFJL1.lllL 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 197 nale Kompetenzen zu entwickeln, bzw. erste Handlungsroutinen zur Durchführung solcher Projekte zu entdecken. Dazu müssen die Studierenden das sich entwickelnde Erfahrungswissen im Laufe des Lernprozesses reflektieren, wie W AJNRYB (1992: 9) hervorhebt: "the process of leaming is an active, not a passive one: the teacher is actively reflecting and exploring, not, as it were, 'being developed' by someone else whose job it might be to provide assessment and answers." Die Reflexion wird hier im Verlauf des Projekts immer wieder integriert (siehe unten). Vor allem die Anfertigung eines Portfolios im Verlauf des Seminars unterstützt diesen Reflexionsprozess (siehe auch BAR- TON/ ANGELO 1993; JOHNSON 1996; SELDIN 1993). Im Folgenden wird nun das Seminarmodell vorgestellt, das diese Prozesse ermöglicht. 3. Der Forschungskontext ein Seminarmodell Das Forschungsprojekt umfasst bis dato fünf Jahre einer Telekollaboration zwischen der Pennsylvania State University (PSU) 1 in den Vereinigten Staaten und der Universität Gießen (erstes Jahr) sowie der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (PHH) (Jahre 2-5) in Deutschland. Die amerikanischen Studierenden sind in einer Reihe von undergraduate Programmen (B.A. und B.S.) eingeschrieben und nehmen an dem Projekt im Rahmen eines Deutsch als Fremdsprache Kurses statt, der zu den Sprachanforderungen ihrer Ausbildung gehört. Die deutschen Studierenden sind Lehramtsstudierende der verschiedenen Schulformen und nehmen an dem Projekt im Rahmen eines Hauptseminars im Studiengang Englisch teil. Seit dem Wintersemester 2003/ 04 ist dieses Hauptseminar ("Developing Media Competence") auch prüfungsrelevanter Teil des ersten Staatsexamens im Kerncurriculum der neuen modularisierten Studiengänge in Baden-Württemberg. Die ersten drei Jahre dieses Projektes waren Teil eines United States Department of Education International Studies and Research Grant (CFDA), den Julie Belz an der PSU für den Bereich Deutsch leitete. Julie Belz und ich haben unsere Kooperation nach Beendigung der Förderung fortgesetzt. Die Daten der fünf hier untersuchten Kohorten wurden somit in den Jahren 2000-2004 erhoben. Wie sich aus der Übersicht ersehen lässt (siehe Tabelle 1 [S. 198]), finden die beiden Kurse zeitversetzt statt, was zu einer Überschneidung von ungefähr acht Wochen führt. Die amerikanischen Studierenden stellen sich anhand einer als website organisierten Kurzbiographie 2 vor, die sie im ersten Teil ihres Kurses entwickeln. Im Oktober beginnt die gemeinsame Arbeit mit einer Phase des Kennenlernens auf der Basis der von den amerikanischen Studierenden erstellten website (Kurzbiographien und Informationen zu PSU), in der vor allem die beiden unterschiedlichen institutionellen Kontexte beschrieben und diskutiert werden. Im Anschluss lesen die Studierenden parallele Texte, die in den beiden Fremdsprachen erstellt wurden und gleiche oder ähnliche Themen behandeln 2 Siehe http: / / www.personal.psu.edu/ faculty/ j/ a/ jab63/ ger201fall 2004.html Siehe z.B. http: / / language.la.psu.edu/ ger20l_fa2004/ biografie.html lFLuL 34 (2005) 198 Andreas Müller-Hartmann (KINGINGER [et al.] 1999). Das sind zum einen zwei Jugendbücher (Härtlings Ben liebt Anna und Woodsons If you come softly), die sich mit Fragen von Rassismus und Anderssein beschäftigen und zwei Filme (American Beauty und Nach fünf im Urwald), die sich mit der Rolle der Familie und ihren Problemen in der jeweiligen Kultur beschäftigen. Diese parallelen Texte werden in der Folge über mehrere Wochen anhand von Aufgaben oder in freier Form diskutiert. Parallel dazu werden in einem online Fragebogen Reaktionen und Meinungen zu critical incidents in den beiden Kulturen gesammelt (z.B. Wie würden Sie reagieren, wenn jemand sein Kind in der Öffentlichkeit schlägt? ). Die Studierenden fassen jeweils die Antworten ihrer Partner zusammen und bringen sie interessierende Aspekte mit in den Austausch ein. Die Diskussion und die sich dabei herauskristallisierenden Themengebiete (z.B. Rassismus, Patriotismus, Sexualität, Jugendkultur etc.) münden schließlich in eine gemeinsam gestaltete website3, auf der die deutschamerikanischen Teams jeweils Essays zu von ihnen ausgewählten Themen schreiben. Phase I Web-Projekt I Traditioneller und durch USA August bis - Kurzbiografien Technologie unterstützter Mitte Oktober - Informationen zum Unileben Unterricht Lektüren - Härtling (1977) - Woodson (1998) Phase II Elektronische Besprechung der Paararbeit: Deutschland/ Mitte Oktober Paralleltexte (Jugendbuch und Transatlantische E-Mails in USA bis Mitte Film) dem Program First Class November - Härtling, Woodson - American Beauty/ Nach fünf im Urwald Phase III Web-Projekt II Gruppenarbeit: Deutschland/ Mitte Nov. - Bilinguales Essay zu den Transatlantische E-Mails, USA bis Mitte Paralleltexten synchrone Chats in dem Dezember (-Bilinguales Essay zu einem Program First Class; Telefonate kulturellen Konstrukt: nicht jedes Jahr) Phase IV Diskussion der Partnerschaft Traditioneller und durch Deutschland Mitte Dez. bis auf praxisorientierter und Technologie unterstützter Mitte Februar theoretischer Ebene Unterricht Tabelle 1: Die Partnerschaft im Überblick Die Kommunikation findet grundsätzlich halb auf Deutsch und halb auf Englisch statt, wobei die Studierenden die Aufgabe haben, jeweils bis zu max. drei 'Fehler' der Partner in der nächsten E-Mail zu korrigieren. Auch die abschließende website wird in beiden Siehe http: / / language.la.psu.edu/ ger20l_fa2004/ lFLulL 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 199 Sprachen geschrieben. Die gesamte Kommunikation läuft über die Lernplattform First Class und ist sowohl synchron als auch asynchron angelegt. Da die Kurse zeitlich miteinander getaktet sind, ergibt sich eine gemeinsame Arbeitszeit pro Woche von ungefähr 45 Minuten, in der in der Regel gechattet wird. Die Lernplattform stellt den transatlantischen Teams auch einen Arbeitsbereich zur Verfügung, in der die Teams ihre Chats, E-Mails und weiteren Texte sammeln und gemeinsam bearbeiten. Für die weitere Reflexion und Entwicklung des Erfahrungswissens spielt die zweite Phase nach dem Jahreswechsel eine wichtige Rolle, die ohne die Amerikaner stattfindet (Phase IV, siehe Tabelle 1 [S. 198]). Hier werden die individuellen Erfahrungen des Projekts aufgearbeitet und im Anschluss ein Transfer geleistet in Bezug auf den zukünftigen professionellen Kontext, in dem sich die angehenden Lehrer/ innen befinden werden. Dieser Teil des Seminars umfasst die folgenden Phasen: l. Eine erste Reflexion des Projekts mit Hilfe der Lupenarbeit und einer sich anschließenden Gruppendiskussion. Auf Basis einer jeweils individuellen Mindmap legen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Erfahrung, die sie besonders beschäftigt hat, unter die Lupe und zeichnen sie. Das Einfügen von Text ist nicht erlaubt, um im zweiten Schritt die erstellten Lupen nebeneinander zu halten und auf Basis der Zeichnungen zu spekulieren, was gemeint sein könnte, urn so sukzessive in eine Diskussion der gemachten Erfahrungen zu treten. Die Aushandlung der Bedeutungen der critical incidents ermöglicht einen intensiven Erfahrungsaustausch ebenso wie eine neue Perspektivierung der individuell gemachten Erfahrungen und eine Einordnung in die übergreifenden Lernziele des Projekts, die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz. Die Diskussion legt im Übrigen die Grundlage für die sich anschließende Auseinandersetzung mit theoretischen Aspekten von Telekollaboration. 2. Bevor die Studierenden sich in das Seminar einschreiben konnten, hatten sie eine Liste mit 'dos and don'ts' einzureichen, die sie in Betracht ziehen würden, wenn sie ein E- Mail-Projekt rnit einer neunten Klasse in einer Realschule durchführen würden. Nach der Lupendiskussion überarbeiten sie in Gruppen ihre ursprünglichen Listen, indem sie sie auf der Basis von NUNANS (1989) sechs Kategorien des aufgabenorientierten Lernens (d.h. goals, input, activities, teacher roles, learner roles, setting) verändern und strukturieren. Dabei werden die gemachten Erfahrungen im Hinblick auf einen prospektiven Klassenraum neu ausgehandelt und weiter entwickelt. Parallel werden dazu Texte von D0NATH (1996, Organisation von E-Mail-Projekten), BYRAM (1997) und MÜLLER-HARTMANN (1999) (jeweils interkulturelles Lernen) gelesen. Anstatt die Texte lediglich zu diskutieren, werden sie in Bezug gesetzt zu Daten aus schulbasierten Telekollaborationsprojekten. Im Bereich des interkulturellen Lernens geht es dabei urn die Art und Weise, wie mit kulturellen Missverständnissen umzugehen ist (z.B. die Mail eines amerikanischen Schülers, der die Partner rnit „Hail" begrüßt; Beispiele von sehr direkten kommunikativen Strategien deutscher Schüler/ innen, die von den Partnern als negativ erlebt wurden). In dem Rahmen wird auch ein E-Mail-Austausch zwischen einem türkisch-stämmigen deutschen Schüler und einer amerikanischen Schülerin analysiert, um die Entwicklung der affektiven Ebene zwischen Teenagern lFLl! llL 34 (2005) 200 Andreas Müller-Hartmann unterschiedlicher Kulturen entdecken und erklären zu lernen. Theoretisches Wissen wird so auf konkrete lokale Kontexte angewandt, wobei die Lernertexte rnit Texten aus der Perspektive der beteiligten Lehrenden in Beziehung gesetzt werden. Als Reflexionsinstrument ist im deutschen Seminar während des Projekts ein Portfolio zu erstellen, das eine Sammlung von ausgewählten E-Mail-Texten aus dem Austausch und deren Reflexion umfasst. Die Portfolios stellen auch die Datenbasis für diesen Beitrag dar. Von insgesamt 63 deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden 34 Portfolios eingereicht, die analysiert wurden (Jahr 1 = 5 von 21 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Jahr 2 = 13 von 14, Jahr 3 = 8 von 14, Jahr 4 = 8 von 15). Obgleich die Portfolios bewertet werden, ist den Studierenden doch bewusst, dass nicht eine positive oder negative Bewertung des Kurses ausschlaggebend ist, sondern das Niveau der Reflexion. Die E-Mail Korrespondenz dieser Projekte ist an anderer Stelle im Hinblick auf die institutionellen Möglichkeiten und Zwänge und dem Prozess des interkulturellen Lernens analysiert worden (BELZ 2002, 2004; BELZ/ MüLLER-HARTMANN 2002, 2003). In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der sich entwickelnden Wissensbasis der Studierenden im Bereich der interkulturellen kommunikativen Kompetenz, und da die Portfolios während und direkt im Anschluss an die Kurse geschrieben worden sind, erfassen sie am besten den Reflexionsprozess und die Entwicklung erfahrungsbasierten Wissens. Die Gruppendiskussionen zu Beginn der zweiten Phase (siehe oben, Lupenarbeit) boten eine offene Reflexionsplattform. Die Diskussionsbeiträge und Kommentare flossen z.T. in die Portfolios der Studierenden mit ein. 4. Datenanalyse - Die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz 4.1 Einstellungen - "They valued us and our opinion and relativised themselves" (Sabine 2002: 10) 4 Alle Teilnehmer/ innen drückten zu Beginn des Seminars Neugier und Offenheit in Bezug auf das Kennenlernen amerikanischer Studierender aus, eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz. Dies hat u.a. mit der Tatsache zu tun, dass mehr als die Hälfte der deutschen Studierenden schon ein Jahr in den USA verbracht hatten. Kerstin z.B. schreibt: "I was basically a bit doubtful [ob das Projekt funktionieren würde], but at the same time curious and open" (2002: 2). Auch Studierende, die gegenüber den USA nicht grundsätzlich positiv eingestellt waren, drückten ihre Sorgen offen aus: "Up to that point I was not very much interested in the U.S., in their culture or their people. [... ] This seminar though seemed the most pleasant and easiest way to approach them [ihre Vorurteile]" (Melanie 2001: 2). Obgleich sich 4 Die Namen der Studierenden wurden geändert. Die Jahreszahl bezieht sich auf das Jahr, in dem die Studierende an dem Austausch teilgenommen hat. Die Seitenzahl bezieht sich auf das Portfolio der Studierenden. Die Texte der Studierenden sind sprachlich nicht verändert worden. ]F]Lm, 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 201 Melanie "slightly offended" darüber fühlte, dass ihre Partnerin ihre Wahl britischer Begriffe korrigierte, differenzierte sie dennoch am Ende ihre Aussage; "I had to adjust my opinion a little" (2001: 6, 9). War sie anfangs noch davon ausgegangen, dass alle Amerikaner patriotisch seien, änderte sie ihre Meinung, als sie feststellte, dass ihre Partnerin George W. Bush nicht als Präsidenten haben wollte. Sabines Aussage (siehe Titelüberschrift dieses Kapitels) zeigt, dass die Studierenden erkannten, wie wichtig ein 'Dezentrieren' (to decenter) von der eigenen Position war, um interkulturelle kommunikative Kompetenz aufzubauen. Nachdem sie und ihre Gruppe zunächst frustriert über die Themenwahl ihrer Partner zum abschließenden Projekt gewesen waren, schlugen sie ein anderes Thema vor and waren froh, als ihre Partner nicht auf dem ersten Vorschlag beharrten, sondern dem Themenwechsel zustimmten: "They valued us and our opinion and relativised themselves" (2002: 10). 4.2 Wissen - "I would not have thought that such a critical film was possible in America" (Berit 2001: 8) Die Tatsache, dass über 50% der deutschen Studierenden schon ein Jahr in den USA verbracht hatten, führte dazu, dass sie sich als kulturelle Experten sahen. Dennoch wollten sie mehr über die Vereinigten Staaten erfahren und fast alle erwähnten, dass sie im Verlauf des Projekts eine Menge über das universitäre Bildungssystem im Allgemeinen und das Leben im College im Besonderen gelernt hatten (siehe z.B. Jutta 2003: 9). Diese Erfahrung war offensichtlich durch die in der Kennenlernphase bearbeitete Aufgabe, Informationen über die unterschiedlichen Bildungssysteme auszutauschen, möglich geworden. Die Studierenden schätzten dieses neu erworbene Wissen auch im Hinblick auf die späteren schulischen Kontexte, in denen sie mit Lehrbüchern arbeiten würden müssen, die zahlreiche Verallgemeinerungen und Cliches zur Zielkultur enthalten: "typical pictures and stories [... ] which, sadly enough, seem to produce a lot of cliches" (Pia 2001: 5). Es wurde nicht nur Faktenwissen erworben, sondern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhren tatsächlich institutionelle Zwänge, wie zum Beispiel unterschiedliche Bewertungsverfahren, als die amerikanischen Studierenden gegen Ende des Projektes erhöhten Druck auf die Teamarbeit ausübten, damit ein gutes Endprodukt im Rahmen der zu erstellenden Website zustande käme; ein Aspekt, den fast alle Arbeitsgruppen kommentierten. Die Unterschiede kamen dadurch zustande, dass die deutschen Studierenden auf Basis des Portfolios bewertet wurden, also summarisch, die amerikanischen Studierenden hingegen im Prozess, wobei die Website einen wichtigen Teil ausmachte (siehe auch BELZ/ MÜLLER-HARTMANN 2003). Während die Studierenden weiteres Faktenwissen über Religion, Familienleben, die Rolle von Sexualität, Patriotismus etc. in der amerikanischen Kultur im Laufe des Projekts erwarben, wurden ihnen auch die verschiedenen Möglichkeiten der Telekommunikation (E-Mail und Chat) bewusst, wie auch die unterschiedlichen Konventionen der sozialen Interaktion (BYRAM 1997: 58, 60). Dagmar und Norbert (2001 : 5), zum Beispiel, kommentierten die Chat- Konventionen: "At the beginning we wrote long and correct JF]Lllll]L 34 (2005) 202 Andreas Müller-Hartmann sentences but soon we noticed that there is a certain way to chat." Franz (2001: 10) reflektierte die kulturellen Konventionen im Chat, als er die Zurückhaltung seines Partners mit der Tatsache erklärte, dass er vielleicht zu intensiv nachgefragt hätte: "Maybe Marlies and I wrote too much and asked too many questions or did too many proposals for further work." Und Sabine (2003: 9) wurde u.a. deutlich "that capital letters in an email meant shouting." Die Studierenden erkannten auch die Tatsache, dass die verschiedenen Kommunikationsformen unterschiedliche Potenziale beinhalteten in Bezug auf die Aushandlung von Inhalten. Die Mehrheit drückte so z.B. das Bedürfnis aus, zu lernen, wie Hypertexte hergestellt werden eine Fähigkeit, die auf Grund des engen Zeitrahmens nur die amerikanischen Studierenden erworben hatten um in ihren zukünftigen Unterrichtskontexten visuelle Dateien, Text- und Audiodateien miteinander zu verknüpfen und entsprechende Inhalte zu vermitteln. In der Regel drückten sie ihre Enttäuschung darüber aus, dass es dazu in dem Projekt nicht gekommen war. 4.3 Fertigkeiten der Interaktion - "I discovered my mediator role [...] a role that can be quite exhausting at times" (Margit 2002: 17) Die Wahl der im Projekt behandelten Texte (Jugendliteratur und Filme) wurde von allen Studierenden gelobt, da sie es ermöglichten, die unterschiedlichen kulturellen Kontexte in Beziehung zu setzen und zu vergleichen. Die Texte lösten eine Diskussion über Stereotype und Vorurteile aus, die es den einzelnen Teams ermöglichte zu erkennen, welche Repräsentationen Stereotype sein könnten und welche auf individuellen Vorstellungen beruhten. Im Verlauf der Diskussionen wurden dann kulturelle Unterschiede und Ähnlichkeiten ausgehandelt (z.B. Berit 2000: 7). Ilse (2000: 7-8) beschreibt das Potenzial dieser Diskussionen: "Of course the Americans also leamed a lot of new things about the Germans and I hope that it helped to clear up some stereotypes. We bad some attitudes and stereotypes about the Americans as well but I got to know another point of view and now I can understand some of their attitudes much more better. All in all I can say that the materials helped to change some of my attitudes and helped to avoid prejudices." Indem sie versuchten, typisch deutsche kulturelle Artefakte zu erklären, wie z.B. den Gartenzwerg oder kulturell spezifische Begriffe wie Umsiedler, erkannten die Studierenden, wie schwierig es ist, den Partnern/ innen ein Konzept zu erklären, dass in der anderen Kultur nicht existiert. Der Fragebogen zu den critical incidents der amerikanischen und deutschen Kultur (siehe oben) hatte eine ähnliche Wirkung, indem er die Studierenden erkennen ließ, dass das Vergleichen, in Beziehung setzen und Interpretieren von kulturellen Texten ein wichtiger Prozess in der Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz ist. Eine Reihe von Studierenden lobte explizit den Einsatz des Fragebogen. Sie unterstrichen die Bedeutung, Texte zu interpretieren, d.h. unter die jeweilige Textoberfläche zu schauen und nach versteckten Bedeutungen zu forschen. Nachdem sie über die "invisible facts" gesprochen hat, die es beim Lesen zwischen den Zeilen zu entdecken gilt, bzw. beim Interpretieren der eintreffenden E-Mails, fasst Ulla ihre Erfahrungen zusammen, indem f'L1lllL 34 (2005) Interkulturelles Lernen in internationalen Telekollaborationsprojekten ... 203 sie schreibt: "despite getting to know the other country and culture, you also learn a lot about yourself and your own cultural background when reflecting on it" (Ulla 2001: 4). 4.4 Kritisches kulturelles Bewusstsein - "Cultural clashes not only exist between the two countries, bot also within the SAME country ... referring to differences in Eastand West German mentality" (Margit 2002: 12) Die Interaktion stellte sich als ein kulturelles Minenfeld heraus und unterstützte die Studierenden dabei, sich der Bedeutung des interkulturellen Mediators bewusst zu werden. Ilse (2000: 3) zum Beispiel war besorgt, dass ihre Partnerin beleidigt sein könnte, als sie die Amerikaner für die Art und Weise kritisierte, wie sie mit Gewalt im Fernsehen umgehen. Sie machte es trotzdem und war erleichtert, als ihre Partner dies nicht kommentierten. In anderen Fällen führte das direkte kommunikative Verhalten der deutschen Studierenden zu Konflikten (Melanie 2001, Pia 2001). Eine Gruppe war sich uneinig darüber, wie direkt man den amerikanischen Partnern mitteilen könne, dass man mit ihrer Mitarbeit unzufrieden war. Margit (2002: 15) beschreibt diese Situation und ihre sich im Prozess entwickelnde Rolle: "I felt bad, mainly because I did not want to poison the German-American relationship, I also thought about the stress the Americans must have been in with the end of their term approaching. [... ] I pointed out my 'mediator' role I put myself in [... ] I always try to 'build bridges' defending the 'other side', explaining points of views and 'reactions' and focusing on the SIMILARITIES rather than differences." Indem sie sich mit den Stereotypen und Vorurteilen in beiden Kulturen beschäftigten und indem sie die historische und kulturelle Entwicklung und Gebundenheit von einigen dieser Konzepte erkannten, entwickelten die Studierenden letztendlich auch ein kritisches kulturelles Bewusstsein in Bezug auf die eigene und die andere Kultur. 5. Ausblick - Die Entwicklung von Lehrerwissen Die Teilnahme an einem telekollaborativen Projekt ist emotional sicherlich anstrengend. Vor allem in den letzten Wochen des Austauschs führt der zunehmende Zeitdruck häufig zu Missverständnissen und Konflikten. Obgleich institutionelle Zwänge und individuelle Handlungsweisen der jeweiligen Partner/ innen zu Stress und manchmal Frustration führen, hilft die zweite Phase des Seminars nach dem Jahreswechsel dabei, die Erfahrungen aus einer anderen, der Perspektive des Lehrenden zu sehen. Patricia (2000: 3) schreibt dazu: "In the evaluation phase we slowly became teachers again." Die Studierenden unterstrichen die Bedeutung, die die Reflexion ihrer Erfahrungen in dieser Phase für sie hatte: "This to me was basically the most important phase, because I got the chance to recap my feelings and thoughts, visualize problems, and become aware of my personal learning progress" (Margit 2002: 7; siehe auch Cornelia 2001). Wie die Analyse der Portfolios zeigt, haben die Studierenden begonnen, interkulturelle kommunikative Kompetenz aufzubauen, und sie entwickelten ein Erfahrungswissen im lFlL111L 34 (2005) 204 Andreas Müller-Hartmann Hinblick auf die Durchführung von Telekollaborationsprojekten. Das sich entwickelnde Erfahrungswissen kann unter anderem auch daran gesehen werden, dass einige der Studierenden es sich zutrauten, im Rahmen ihrer Examensarbeit entsprechende Projekte im Englischunterricht der Realschule in Angriff zu nehmen. Karoline beispielsweise entwickelte ein Internet-Recherche-Projekt mit einer siebten Klasse, während Marlene und Jutta jede ein internationales Telekollaborationsprojekt zwischen Lernenden in Deutschland und den USA bzw. Neuseeland durchführten. Die Tatsache, dass sie sich dies im Rahmen einer wichtigen examensrelevanten Arbeit ihrer Ausbildung zutrauten, zeigt, dass sie durch die eigene Teilnahme an einem Telekollaborationsprojekt neben der notwendigen Motivation und der Überzeugung des sinnvollen Einsatzes eines solchen Projekts für das Fremdsprachenlernen bzw. das interkulturelle Lernen, auch schon eine entsprechende Sicherheit gewonnen hatten, die es ihnen erlaubte, die vielen Unwägbarkeiten und institutionellen Zwänge anzugehen und mit den Partner/ innen zu verhandeln. Die Projekte haben von daher dazu beigetragen, dass angehende Fremdsprachenlehrer/ innen ein Stück weit selber zu intercultural speakers geworden sind. Gleichzeitig sind sie in die Lage versetzt worden, Erfahrungswissen in Bezug auf den Einsatz der neuen Medien und deren Potenzial für interkulturelle Lernprozesse im Fremdsprachenunterricht zu entwickeln. Die Erfahrung und Reflexion eines solchen Ansatzes erlaubt es ihnen, Ideen für entsprechende Routinen in ihren zukünftigen professionellen Kontexten zu entwickeln. Wie die Daten gezeigt haben, sind diese Erfahrungen trotz mancher Schwierigkeiten und Frustration bei den meisten Teilnehmern/ innen grundsätzlich positiv auf der affektiven Ebene verankert. Damit ist eine Basis gelegt, die ihnen die nötige Sicherheit sowie entsprechendes Wissen gibt, interkulturelle Lernprozesse mit Hilfe von internationalen Telekollaborationsprojekten in ihren zukünftigen Schulen durchzuführen. Literatur BARTON, James/ COLLINS, Angela (1993): "Portfolios in Teacher Education". In: Journal of Teacher Education 44, 3, 200-210. BECHTEL, Mark (2001): "Aspekte interkulturellen Lernens beim Sprachenlemen im Tandem. Eine Sequenzanalyse". In: MEißNERIREINFRIED (Hrsg.), 151-167. BELZ, Julie A. (2002): "Social Dimensions ofTelecollaborative Foreign Language Study". 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Productive language employment (even of partial skills) is to be acquired at school and not after leaving this institution. Consequently, this open concept requires pupils to use the target language in as many authentic situations as possible. Moreover, this way of teaching ensures a stabilization of graduation courses in French, since many students will be offered motivating topics which encourage them to choose French at A-level. 1. Ein paar Textbeispiele vorab Der folgende Text entstammt der Unterrichtsarbeit über das Thema Medien. Une rumeur est une information vraie ou fausse qu'on ne peut pas verifier ou falsifier au moment ou eile est propagee. Avec une rumeur, on veut faire sensation, nuire ou aider, faire peur, donner une explication simple pour quelque chose... Bien sfu, la rumeur est un sujet mediatique parce que, pour diffuser ! es idees Je plus vite possible, on a besoin des medias qui transportent ! es rumeurs. II y a plusieurs possibilites de ! es propager: avec des tracts, des livres, la tele. Aujourd'hui, c'est ! 'Internet qui joue un röle enorme, parce qu'il n'y a aucun contröle. Un bon exemple en est le 11 septembre 2001, parce que ! es rumeurs naissent toujours quand il y a un evenement terrible. Apres l'attentat du World Trade Center il y avait beaucoup de rumeurs. Nous prenons en exemple la photo truquee et diffusee sur Internet, photo qui montre le visage du diable dans la fumee. On peut voir que ! es medias jouent un grand röle dans Ja diffusion des rumeurs meme dans l'histoire. Aux temps passes ! es rumeurs etaient propagees de bouche a l'oreille et par des imprimes comme des livres, des tracts, des journaux, par Ja propagande orale parce que beaucoup de gens ne savaient pas lire. Dans ce cas, c'etait ! es savants qui repandaient ! es rumeurs a l'aide de sermons. So beginnt das Referat zweier Schülerinnen eines kombinierten Grund- und Leistungskurses 12 über die Verbreitung von Gerüchten durch Medien, ein Referat, das sie in Korrespondenzadresse: Dr. Armin Volkmar WERNSING, Studiendirektor, Maria-Sibylla-Merian- Gymnasium Krefeld, Johannes-Blum-Straße 101, 47807 KREFELD. E-Mail: AVWernsing@t-online.de Arbeitsbereiche: Lehrer für Französisch und Deutsch, Lehrwerkautor, Lehrerausbildung. JFLlllllL 34 (2005) 208 Armin Volkmar Wernsing einem Seminar der Universität Duisburg gehalten haben. Andere Teilnehmer des Kurses haben sich dort über die französische Presselandschaft geäußert oder eine kritische Analyse des Fernsehformats "C' est mon choix" (France 3) vorgelegt. In Boppard hatten sie einige Monate zuvor über Jeunets "Fabuleux destin d' Amelie" gesprochen, in Mainz unter anderem - Theophraste Renaudot vorgestellt und auf der Didacta 2004 konnte man sie in einer Reihe von acht Kurzvorträgen über "Identites" reden hören. Teilweise haben wir das gefilmt, und es wäre natürlich viel anschaulicher, wenn man sehen und hören könnte, wie zum Beispiel eine Schülerin über die "Identite surannee" von Molieres Alceste frei spricht. So muss man einfach glauben, dass sie und ihre Mitschüler es gut gemacht haben: flüssig, mit Kontakt zu den Zuhörern, ohne ein Manuskript abzulesen und in sehr ordentlichem Französisch. Neulich haben Schüler des Grundkurses 11 in Gießen und Boppard, ein Leistungskurs 12 in Aachen und Freiburg probiert, wie es ist, wenn man zu einem fremden Publikum redet: mit Erfolg. Viel jünger sind die Verfasserinnen des folgenden Texts, den das 3journal der Pädagogischen Hochschule Freiburg abgedruckt hat: Oh 1a la, la grammaire est une bien mechante chose. Imparfait et passe compose, le plus-que-parfait on a bientöt le toumis ! Qu' est-ce la fee de notre histoire sans fin va dire ? « N' ayez pas peur, je suis 1a pour vous aider. » Et nous nous sommes transformees en bonne fee pour vous raconter l'histoire suivante. Pierre et Pierrette etaient frere et sreur. Pierre avait douze ans et Pierrette avait dix ans. Les deux faisaient tout ensemble, mais ils avaient un tres grand probleme: ! es parents etaient pauvres. II y avait trois mois que Thomas, le pere, avait perdu son travail; il avait ete avocat. La mere etait menagere douze ans, quand Pierre avait ete ne. Unjour, Pierrette a trouve une carte ou on pouvait voir un tresor. [... ] Als Hausaufgabe geschrieben haben dieses Märchen Schülerinnen der Klasse 9, sie befinden sich im dritten Lernjahr und haben, man ahnt es, soeben das imparfait und das plus-que-parfait kennen gelernt und unternehmen nun die ersten Versuche mit den neuen Tempora. Sie haben sich überzeugen lassen: Sprachliche Formen lernt man nicht, um in einer Klassenarbeit eine Übung richtig zu machen, sondern um sie zum Ausdruck eigener Ideen zu benützen; die Erzähltempora also, um zu erzählen. Eine ganz andere Schreibabsicht hatte die marokkanische Schülerin der Klasse 10, viertes Lernjahr, die den folgenden Text veröffentlichte: Tanger est une ville qui fait rever! Les caracteristiques de cette ville sont claires: un melange de religion, de tradition et de modemite. Une ville dans un pays qui fait trait d'union entre ! 'Orient et l'Occident, mais avec un noyau traditionnel. Une ville qui personnifie Je Maroc entier. Tanger est une ville avec beaucoup de visages; dans ce coin, un soup9on de grande ville: stress febrile et circulation intense. Dans cet autre coin Je souvenir du pays: Ja culture, Ja religion et Ja famille. Pour une Marocaine qui vit en Europe, Tanger est une ville parfaite: on a le sentiment d'etre en Europe, mais on est dans son pays. Tout le monde te comprend et te connait. Mais en realite, ce n'est pas vrai. Les gens reconnaissent une Europeenne tout de suite, et ils te traitent differemment. On a le sentiment qu'on n'a pas de pays. En Europe, en Allemagne, je suis une etrangere et au Maroc, mon pays pourtant, je suis une etrangere aussi. Malgre tout j'aime sentir chaque annee un petit soup9on du pays. Parce que je pense que Je Maroc est un pays tres, tres riche. Riche par la tradition, par Ja culture, par son humanite! lFLlllliL 34 (2005) Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten ... 209 Erschienen ist der kleine Aufsatz, der eine Fremdheitserfahrung thematisiert, in Tricolore, der Internet-Zeitung 1 ihrer Schule, die 1997 gerade zu dem Zweck ins Leben gerufen wurde, deutschen und französischen Schülern ein Forum für den Gebrauch der Zielsprache zu sinnvollen Äußerungen zur Verlügung zu stellen, Äußerungen eben, die für sie Sinn machen. Tricolore ist natürlich auch ein Kontaktmedium, das Schulen in verschiedenen Ländern die Zusammenarbeit ermöglicht. In Kooperation von Gymnasien in Kopenhagen, Göttingen, Krefeld und Nantes entstand so 2004 eine Multi-Media-CD, auf welcher man diesen Text (texte oralise) hören kann, der hier transkribiert wurde: Est-ce que nous nous sentons Allemands ou plutöt Europeens ? En examinant cette question, on doit premierement trouver des exemples. Aujourd'hui, on est entoure de beaucoup de choses europeennes, par exemple, l'argent, une politique commune, l'UE ou Ja liberte d'aller Oll on veut en Europe. Mais il y a aussi des diffärences entre les pays europeens. On parle des langues differentes et on n'a pas Ja meme culture. A mon avis, on ne se sent ni Allemand ni Europeen. On a sa propre identite. Mais si on est a une competition internationale de sport, Oll on rencontre des gens d'Asie par exemple, on commence a se sentir Europeen, on voit qu'il se cree une communaute europeenne. C'est a cause de '<aqu'on remarque que ! es Europeens-c'est egal si ce sont des Allemands, des Danois ou bien des Fran'<ais se ressemblent beaucoup plus que ! es gens d' Asie ne ressemblent a nous. La, il y a une culture totalement differente avec laquelle, au debut, nous avons des difficultes parce qu'elle nous parait etrange. Alors, il y a l'identite europeenne? Mais nous ne Ja sentons pas toujours. Es ist eine von etwa vierzig Äußerungen zum Thema "L'identite europeenne existe-telle? ", die, aus Anlass des europäischen Verlassungsentwurls, auf der CD gesammelt sind. An anderer Stelle werde ich über das Gemeinschaftsprojekt berichten. Hier geht es mir - und davon haben die vier zitierten Texte vielleicht einen ersten Eindruck vermittelt um eine Konzeption des Französischunterrichts, die darauf abzielt, den Schüler in der Fremdsprache mündig zu machen.2 2. Der routinierte Französischunterricht und die Folgen In der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts hat es seit VIETOR immer wieder Kritik an dessen demotivierender Praxis gegeben; ZIMMERMANN/ WißNER-KURZAWA (1985), FREUDENSTEIN (1999) und BLEYHL (1999) sind Beispiele aus jüngerer Zeit; Hauptkritikpunkt ist die Grammatikzentriertheit, gegen die anscheinend kein Kraut gewachsen ist. BLEYHL fasst das, mit polemischer Überspitzung, so zusammen: "Ich klage an die geistige Seichtheit des die Sprache trivialisierenden formorientierten Fremdsprachenunterrichts, der auf sprachlichen und geistigen Gleichschritt bedacht ist" (1999: 261). Die Gründe für diesen Zustand sind vielfältig; sie liegen sowohl in der Ausbildung der Französischlehrer (die als Referendare nicht selten mit der Vervollständigung bedürltigen Adresse: www.gymsm.krefeld.schulen.net/ Tricolore/ tricolore.html 2 Der vollständige Text aller hier zitierten Beispiele ist in Tricolore nachzulesen. lFJLIIL 34 (2005) 210 Armin Volkmar Wernsing Kenntnissen und unsicheren sprachlichen Fertigkeiten bei der Schule ankommen) als auch in den Arbeitsbedingungen: Wer täglich mit Stapeln von zu korrigierenden Heften konfrontiert ist, hat keine Zeit für eine sorgfältige Unterrichtsvorbereitung mit individualisierender Perspektive. Der Rekurs auf das Lehrbuch und seine sichere Führung in sorgfältig zugemessenen Lernportionen von Schülern, Eltern und Kollegen durchaus gebilligt, ist der vorgebliche Lernfortschritt doch so transparent ist eine Überlebensnotwendigkeit. Die 'Seichtheit' ist sozial anerkannt. Dass die Beschränkung auf jeweils eingeführte, eingeübte und abgefragte Teilkenntnisse in Vokabular und Sprachformen kontraproduktiv ist, weil die Schüler die Lernportion nach der fälligen Klassenarbeit sofort wieder vergessen, fällt im Eifer des Gefechts nicht auf. Dabei müsste eigentlich die Abstimmung mit den Füßen, nämlich die massenhafte Desertion nach Ende der Klasse 10 ein Alarmsignal sein. An vielen Schulen gibt es keine Leistungskurse Französisch in der Oberstufe mehr, und auch die Grundkurse werden immer kleiner. Den Schülern ist nicht nur die Lust vergangen; in durchaus realistischer Einschätzung ihrer Leistungen rechnen sie sich in der Oberstufe keine Chancen in diesem Fach aus. Und die Abwahl findet immer früher statt: In vielen Fällen steht schon nach dem Ende des ersten Lernjahres fest, dass man Französisch nicht weiter belegen werde. Ein Teufelskreis, denn dieser Entscheidung folgt mit Gewissheit auch die entsprechende Lernhaltung. Freilich ist diese Zustandsbeschreibung durchaus unvollständig (vgl. WERNSING 2000). Als praktizierendem Lehrer sind mir viele weitere Gründe für die Abwahl des Französischen bekannt. Durchaus nicht nur kurios ist zum Beispiel die Begründung eines Schülers der Klasse 9, Französisch sei eine 'weibische' Sprache, mit der er nichts zu tun haben wolle; er erfährt Französisch als Gefährdung der männlichen Identität, nach der er sucht. Es wäre sinnvoll, den psychologischen Folgen solcher Mythen hier das Negativ der gern als Werbe-Argument angeführten ästhetischen Qualitäten des Französischen nachzugehen. In sehr verallgemeinerter Form lässt sich der Ausspruch so verstehen: Das Französische hat mit mir nichts zu tun. Dies eben kennzeichnet das routinierte Abspulen eines vornehmlich durch das Lehrbuch strukturierten Programms, dass es von den Bedürfnissen der Abnehmer kaum Kenntnis nimmt; zunächst von den subjektiven: in praktischer wie emotionaler Hinsicht. Zu welchem Behuf man denn Französisch lernen müsse, bleibt unklar, wenn die Sprachform so offensichtlich im Vordergrund steht und nicht die möglichen Kontakte über die Grenzen hinweg und die Vermittlung einer anderen Kultur. Emotional entleert in vielerlei Hinsicht ist der Unterricht, wenn er sich als Systemvermittlung begreift und die den Unterricht stets begleitenden Empfindungen, beginnend mit der Langeweile, ignoriert (WERNSING 2003). Aber - und das hat PISA gelehrt auch die objektiven Bedürfnisse der Abnehmer kommen zu kurz. PISA war nicht fremdsprachenspezifisch. Aber es ist SCHRÖDER (2004: 22) zuzustimmen, wenn er feststellt, dass auch die „neusprachlichen Fächer[ ... ] besonders exponiert" seien. Was nämlich wirklich schockierend ist, ist die plötzliche Selbsterkenntnis, dass das Schulsystem sich von der Wirklichkeit gelöst hat und den Schülern mit der Note freundlicherweise Kenntnisse und Fertigkeiten bescheinigt, die sie gar nicht besitzen. Die Allianz von kurzatmiger Input-Output-Strategie, die nur unter inhaltlicher Reduktion funktioniert, und Behütungspädagogik, hinter der sich lFlLlllllL 34 (2005) Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten ... 211 die Angst der Lehrer vor dem Scheitern der Schüler verbirgt - und welchen Druck es da mancherorts gibt, erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand produziert nicht nur das realitätsvermeidende Zurückschrecken vor wirklichen Forderungen, sondern auch den Verzicht auf die Förderung der Schüler. Da es bei den modernen Fremdsprachen primär um Kommunikationsfähigkeit geht, nicht um Systembeherrschung, muss man ernsthaft überlegen, wie diese denn zu ermöglichen sei und von Instanzen außerhalb der Klasse oder Schule wahrgenommen bzw. eingestuft werden könne. Ohne hier auf die sehr ambivalenten Folgen der Bildungsstandards einzugehen, lässt sich die durch sie bewirkte tendenzielle Öffnung der Schule zunächst als positive Entwicklung verstehen. In diesem Sinne kann der Gemeinsame europäische Referenzrahmen heilsame Wirkungen entfalten: Bei den neueren Lehrwerken zeigen sich wegen der Berücksichtigung des DELF-Zertifikats und des Portfolios Akzentverschiebungen, die in diese Richtung gehen, obwohl A plus (2004) und Decouvertes (2004) sich nach wie vor an einer grammatischen Progression orientieren. Man muss abwarten, wie das in der Schulwirklichkeit gehandhabt wird; unter der Zielvorgabe, dass Schule billiger werden müsse, tun die Kultusverwaltungen leider zur Zeit alles, um den Lehrern die Arbeit und die Weiterbildung zu erschweren. Es gibt jedoch erste Anzeichen dafür, dass die Talsohle erreicht ist. In Nordrhein- Westfalen war die Einführung der Bestimmung hilfreich, dass der Schüler bis zum Abitur entweder zwei Naturwissenschaften oder zwei Fremdsprachen belegen müsse. Das ermöglicht die Stabilisierung der Grundkurse, sofern die einzelne Schule selbst das will. Viel wichtiger ist jedoch ein deutlich spürbarer und dauerhafter Stimmungswandel bei den Schülern selbst. Abiturienten des nach 15 Jahren wiedererstandenen Leistungskurses Französisch notieren in ihrer Abitur-Zeitung 2004: Gegen die Meinung aller Skeptiker "Französisch als Leistungskurs? krass! ") konnten wir zeigen, dass wir die richtige Wahl getroffen hatten. [... ] Insgesamt ist unser LK manchmal schon ziemlich anstrengend, aber auch sehr erfolgreich, was uns alle natürlich ziemlich stolz macht! Dieser, noch als kombiniertem Grund- und Leistungskurs geführten Gruppe folgten weitere Jahrgänge, in denen Französisch als Grund- oder Leistungsfach regelmäßig gewählt wurde; gegenwärtig existieren in einer relativ kleinen Jahrgangsstufe 12 wieder ein Grundkurs und ein eigenständiger Leistungskurs nebeneinander. Und die Schüler sind bereit, sich anzustrengen, wenn man ihnen ein interessantes Programm bietet. Es muss freilich in der Mittelstufe beginnen. 3. Zielsprachliche Produktion im Unterricht: Bericht Man kann durchaus verstehen, warum BLEYHL (1999: 261) für eine rezeptive „lnkubationsphase" plädiert. Allerdings hat man in den meisten Französischkursen (ab Klasse 7 oder 9) kaum Zeit dafür. Und Erfahrungen in ausgesprochen 'langen' Kursen sprechen nicht unbedingt für diese Theorie: Beim Abitur in einer Waldorf-Schule, das ich mehrere Male als Prüfungsvorsitzender durchgeführt habe, waren die Schüler nach dreizehn Jahren Französischunterricht mit viel Rezeption kaum in der Lage, einfache Zeitungstexte JFLl! lL 34 (2005) 212 Armin Volkmar Wernsing verständlich wiederzugeben, geschweige denn, sich dazu frei zu äußern, obwohl sie sichtlich 'punktgenau' vorbereitet worden waren. Die Kognitionswissenschaften legen auch einen wechselseitigen, komplexen Zusammenhang zwischen rezeptiver und produktiver Kompetenz nahe arn besten versteht man das, was man auch selbst sagen könnte so dass ein einfaches Fortschreiten von der Rezeption zur Produktion wenig wahrscheinlich ist. Es hat sich zumindest aus motivationalen Gründen als günstig erwiesen, mit dem Schreiben „freier Texte" frühzeitig, ab dem zweiten Lernjahr, anzufangen; im Lehrplan von NRW sind sie für Klassenarbeiten sogar vorgeschrieben, eine Festlegung, zu der die langwierige Debatte um kreative Aufgabenstellungen (CASPARI 1994, WERN- SING 1995, MINUTH 1996) beigetragen hat. Schon Celestin Freinet hat mit der correspondance de classe berücksichtigt, dass Texte reale Adressaten außerhalb des Klassenraumes brauchen, die sich für die mitgeteilten Inhalte interessieren. Das war einer der Grundgedanken der deutsch-französischen Internet-Zeitung Tricolore, die 1997 ans Netz ging. Mit Hilfe von VdF und ADEAF wurden damals auch zwei colleges gefunden, die das Unternehmen mittrugen was in Frankreich, wegen des sehr engen Programms, nicht ganz leicht ist. Inzwischen besteht eine weitere Zusammenarbeit mit einer dänischen Schule, eine Kooperation, bei der Französisch die Verkehrssprache ist. Über die Konzeption und die Realisation von Tricolore habe ich mich mehrfach geäußert (WERNSING, 1999a, 1999b, 2002a, 2002b, 2004), besonders über die Verzahnung mit dem normalen Unterricht; das will ich hier nicht wiederholen. Von Kollegen werde ich immer wieder gefragt, ob denn das Verfassen von funktionierenden Texten in der Zielsprache keine Überforderung darstelle und ob denn nicht hauptsächlich der Lehrer diese Texte schreibe: Dieses professionelle Misstrauen ist schwerlich dadurch auszuräumen, dass man versichert, es sei nicht so. Natürlich hängt an der Schreibschulung, die ja weitaus mehr erreichen will als nur lexikalische und grammatische Korrektheit dazu unten mehr viel Korrekturarbeit des Lehrers, aber anders ist die Förderung der Lerner nicht zu bewirken. Ein Eingeständnis, das manchen dazu bewegt, es gar nicht erst zu versuchen. Neben der Publikationsmöglichkeit in Tricolore nützen die Schüler mittlerweile auch Druckmedien wie das dreisprachige 3journal, das die Pädagogische Hochschule Freiburg bis 2004 herausgegeben hat. Die Facharbeit einer Schülerin des Leistungskurses 12 mit einem Vergleich des Muttersprachenunterrichts in Deutschland und Frankreich ist in der Fachzeitschrift Fremdsprachenunterricht erschienen. Die Veröffentlichung eigener Arbeiten trägt sehr zur Zufriedenheit und Ermutigung der Schüler bei. Es gibt allerdings ein Mittel, den verbreiteten Glauben an die Unfähigkeit der Schüler (der bestens mit schmeichelhaften Noten koexistiert) ein wenig zu erschüttern. Ich entdeckte es mit Hilfe einer Deutschlehrerin in Frankreich. Bei einem einwöchigen Austausch mit einer Schule in Paimbreuf, an dem Schüler der Klasse 10, zweites Lernjahr, teilnahmen, sollten die Schüler den Spuren eines lokalen Resistance-Kämpfers nachgehen und anschließend in einer Troisieme über ihre Ergebnisse referieren. Trotz ihrer geringen Spracherfahrung haben die Schüler das erstaunlich gut bewältigt - Anlass für den Lehrer, über eine konsequente Verwendung des Referats vor fremdem Publikum nachzudenken. Denn das Referat ermöglicht die Einbeziehung des Mündlichen, nicht nur lFLl.llL 34 (2005) Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten ... 213 des vorbereiteten Sprechens, sondern wegen nachfolgender Rückfragen auch der spontanen Reaktion. Dass man dabei vor unbekannten Zuhörern spricht, und zwar in der Regel vor einem kompetenten Publikum, erhöht nicht nur die Anspannung, sondern auch die Anstrengungsbereitschaft und das Qualitätsbewusstsein der jungen Sprecher. Das ist ein durchaus erwünschter Effekt. Für die meisten Schüler ist der Auftritt in der Öffentlichkeit sehr reizvoll und gibt ihnen eine verlässlichere Rückmeldung über ihre Fähigkeiten, als es die Reaktion ihrer Klassenkameraden wäre. Das gilt im besonderen Maße von Referaten, die im Rahmen eines Universitätsseminars erarbeitet, vorgetragen und von den Dozenten bewertet werden: Wenn die studentischen Zuhörer, wie im Fall des Tandemseminars von Micheline BAUR und Dietmar PRICKE an der Universität Duisburg, auch noch zum großen Teil Franzosen sind, wird eine Kommunikationssituation inszeniert, die ebenso herausfordernd wie realistisch ist. Fünf Schüler aus dem Grundwie aus dem Leistungskurs sind inzwischen Besitzer von Universitäts-Zertifikaten. 'Öffentlichen' Charakter hat auch ein Projekt, das im Jahre 2004 zusammen mit Schulen in Kopenhagen, Göttingen und Nantes durchgeführt wurde: die Herstellung einer gemeinsamen Multi-Media-CD, auf der die Schüler von Abschlussklassen sich über das Thema "L'identite europeenne existe-t-elle? " äußern, und zwar, weil die Aufnahmen zum Vergleich von Inhalten, sinngestaltendem Vortrag, Intonation, Flüssigkeit und natürlich lexikalischer und struktureller richesse geradezu herausfordern und im Übrigen auch die Wirkung hatten, dass manche Teilnehmer ihre Aufnahmen noch einmal machen wollten. Das ist ein gutes Beispiel für Lernprozesse, die dadurch ausgelöst werden, dass man sich in einen schul- und länderübergreifenden Wettbewerb begibt. Die begleitenden Lehrer haben sich bereits über eine Fortsetzung dieser Arbeit verständigt, weil die Vorzüge dieses „Lernens in Europa" auf der Hand liegen. Ein wenig Wasser muss man jedoch in den Wein gießen. Dieses anspruchsvolle Programm eignet sich wie alle Methoden nicht für jeden Schüler. Schwache Lerner wissen, wie sie sich diesem Lernangebot entziehen können: Sie fertigen Hausaufgaben mit 'freien Texten', etwa für Tricolore, erst gar nicht an oder liefern so nichtssagende Texte, dass der Lehrer keine Handhabe zur Förderung hat. Anders liegt der Fall bei Jugendlichen, die sehr gehemmt oder stressanfällig sind und bei öffentlichen Auftritten eher schlechte Erfahrungen mit sich selbst machen: Diese soll man nicht zwingen, weil man ihre Befürchtungen noch eher verstärken würde. 4. Das offene Klassenzimmer im Internet-Zeitalter Der Französischunterricht der fünfziger und sechziger Jahre war im Wesentlichen auf das Lehrbuch als einziges Medium angewiesen. Die ßas Lehrbuch begleitenden Schallplatten, später Kassetten und gelegentliche Schulfunksendungen konnten die Dominanz des Lehrbuchs nicht brechen; das Sprachlabor mit den exercices structuraux blieb Episode. Daraus ergab sich ein bis heute leitender Unterrichtsstil: Fortschreiten im Gleichtakt, gesteuert von einem Lehrer, der wiederum durch das Lehrbuch gesteuert wurde. Es handelt sich um ein geschlossenes System, nur gelegentlich aufgebrochen durch die lFJLll.L 34 (2005) 214 Armin Volkmar Wernsing damals aufkommenden Austausche im Gefolge des Elysee-Vertrags. Immerhin gaben diese Kontakte Anlass zum zeitweiligen Verlassen der Progression (Stichwort: Überlebens-Französisch) und zur Anwendung einer sehr simplifizierten Pragmatik, deren Modell im Grunde der Sprachführer für Touristen war. In den Lehrwerken tauchten daher auch Redemittel-Listen auf; sie haben auch heute noch ihren Platz darin und erweisen sich bei ritualisierten Kontaktsituationen als nützlich. Ihre Grenze liegt darin, dass sie soziale Stabilität voraussetzen und individuelle Äußerungen nicht erleichtern. Das ist übrigens am Rande sei es bemerkt eine Rechtfertigung von Grammatik, welche, im Verein mit einem ausgebauten Wortschatz, beliebige Äußerungen ermöglicht. Ich bin keineswegs der Ansicht, dass Grammatik dem Sprachlernen abträglich sei: Allerdings kommt es darauf an, sie im Unterricht als Hilfsmittel zur genaueren Formulierung zu vermitteln und nicht als zu erklimmende Hürde. Der abgedruckte Märchenanfang der Neuntklässlerinnen gibt einen ersten Eindruck der Verzahnung von Strukturerwerb und Textproduktion. Zunehmende Kontakte, politische und soziale Umschichtungen, vor allem die neuen Medien (wozu hier auch das internationale Fernsehen gerechnet sei) haben die Lage gründlich verändert. Das nach außen abgeschottete Klassenzimmer macht immer weniger Sinn. Wenn Schüler sich zu Hause das Programm von arte oder tv5 anschauen oder beliebige französischsprachige Internetseiten konsultieren, im Internet-Chat sich jederzeit mit Altersgenossen jenseits der Grenzen verständigen können, verliert eine Schule, die sich als geschlossenes System versteht, den Bezug zur Lebenswirklichkeit und damit ihre Legitimation, in Zeiten der Freizügigkeit innerhalb der EU oder der Studiermöglichkeiten im Ausland zumal. Der Aufruf, den Klassenraum neu zu modellieren (LEGUTKE 1996: 1- 14) kam daher zur rechten Zeit. Kommunikation, die sich nicht nur als Aushängeschild versteht, ist auch eine „Absage an den 'reinen' Sprachunterricht" (DOYE 2004: 134), insofern nämlich, als sich der Unterricht für Partner außerhalb der Klasse öffnet. 4.1 Anleitung zur Kommunikation oder: neue Formen des Schreibens als Stütze des Lernens Der nach außen sich öffnende Klassenraum oder, anders gesagt, die Kommunikation in authentischen Kontexten schon während des Lernprozesses, ist überhaupt keine noch zu treffende Entscheidung mehr, weder eine der Didaktik noch eine des einzelnen Lehrers. Die vernetzte Welt ist eine Tatsache der Alltagswelt, welche die Schule nur um den Preis ihrer Selbstaufgabe ignorieren kann. Das den Schülern stets zugängliche Text-, Bild- und Musikangebot entzieht sich der Kontrolle der Schule und wird in einiger Zeit auch die sorgfältig ausgedachte Progression der Lehrwerke obsolet machen, was hier als eine wahrscheinliche Konsequenz nur angedeutet werden kann. Die Schule kann aber sehr wohl die existierenden Möglichkeiten zu ihren Zwecken nutzen, und zwar nicht nur im Bereich der Rezeption, sondern, was viel wirkungsvoller ist, für die Produktion. Obwohl der code icrit die stärker markierte Variante des Französischen ist, macht es Sinn, mit ihm zu beginnen, Schüler also zunächst im Schreiben zu unterweisen. Denn Schreiben ist die langsamere Kommunikationsform und ermöglicht Planung und RevilFILlllL 34 (2005) Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten ... 215 sion. Es ist ganz unzureichend, im Unterricht nur die Produktion richtiger Sätze zu lehren; auch Texte haben ihre Grammatik, ihre Strategien. Was in der Schule, wegen des kurzschlüssigen Kreislaufs von Schülerarbeit und Lehrerkorrektur meist zu kurz kommt, ist die Adressatenorientierung; was selten gelehrt wird, sind Möglichkeiten, mit einem beschränkten Sprachinventar auszukommen und doch genau das zu sagen, was man mitteilen wollte. Welche Möglichkeiten eine Gliederung bietet, wie man auch mit einfachen Mitteln stilistische Effekte setzen kann, lernt man, wenn man es ausprobiert. Hilfsmittel wie Wörterbücher oder Nachschlagegrammatiken muss man zu benützen lernen, denn am Ende soll ein verständlicher Text auf dem Papier sein, ein einigermaßen korrekter sogar, wenn man damit in die größtmögliche Öffentlichkeit, das Internet, geht. Nicht unterschätzen darf man den Übungseffekt, der durch häufiges Schreiben entsteht; in der Hast, das Lehrbuch am Ende des Jahres abzuschließen, bleibt viel zu wenig Zeit für die Übung. Das Problem der Fehler behebt sich dadurch von selbst, das ist beweisbar, und man kann wirklich mit Gelassenheit damit umgehen, wenn man nicht, wie viele Schüler, nur bis zur nächsten Klassenarbeit denkt. Es versteht sich, dass ein Unterricht, der auf Anwendung des Gelernten ausgeht und Textproduktion nicht nur nebensächlich betreibt, flexibel sein muss; es kommt immer wieder vor, dass Aussagebedürfnisse von dem gegenwärtigen Sprachstand nicht befriedigt werden. Nicht wenige betrachten das als ein (Progressions-) Problem, was es nicht ist. Freilich muss man als Lehrer gelernt haben, mit solchen Bedürfnissen umzugehen, und es wäre zu fragen, ob das Studium die künftigen Lehrer darauf in ausreichender Weise vorbereitet. Manche sind mit einem so schülerorientierten, individualisierenden Ansatz überfordert, wie Siepmann (2004) feststellt: "Les exercices de redaction preconises par M. Wernsing sont hautement formateurs. En mobilisant ! es connaissances lexico-grammaticales des eleves, ils permettent de transformer un savoir sur le vocabulaire en un savoir-faire applique a des situations reelles. Les eleves apprennent dorre a comprendte et a produire des textes authentiques qui, a la diffärence des lec; ; ons des manuels scolaires, ne sont pas soumis a des contraintes sequentielles d'apprentissage. On ne saurait trop souligner que la production d'un texte authentique suppose, de la part des apprenants, une competence lexico-grammaticale sans commune mesure avec celle que requiert un exercice scolaire traditionnel. Par consequent, ! es professeurs qui adoptent la demarche didactique elaboree par M. Wernsing devraient avoir un niveau de competence exceptionnellement eleve. Je dirais meme que ces enseignants devraient posseder une competence de locuteur quasi-natif, surtout en matiere de vocabulaire." 4.2 Das Referate und die redaction personnelle Es ist wohl sinnvoll, an einem konkreten Beispiel das Verfahren aufzuzeigen. Hier ist ein ganz kurzer Ausschnitt aus dem Vortragsmanuskript eines Schülers (Jahrgangsstufe 11), der über 'Civilisation europeenne culture europeenne' sprechen wird. Die erste Version mit den Lehrerkorrekturen lautet folgendermaßen: lFlLIIL 34 (2005) 216 Armin Volkmar Wernsing La lumiere des siecles A : le sii! cle des Lumii! res ( = « Aufklärung ») et la revolution R: Revolution (seulement la «Grande» R.) frans; aise etaient la base pour la situation qui existe aujourd'hui. C'etait la premiere fois que quelqu'un Proposition : il me semble que « quelqu'un » est trop imprecis. Que penses-tu de : « taute une generation de savants et de philosophes » ? avait exagige w. exige ses droits Proposition : « ses droits » n 'est pas assez clair. Que penses-tu de : « le droit de penser et de dire ce qu'on veut »? et que le peuple a battu W: alutte contre la monarchie et l'inhumanite. Ce procede W: ce processus ( « procede » = das Vorgehen) a coute R: coilte beaucoup de sang et il n'etait pas toujours sur R: sur que la liberte gagne. Deux guerres mondiales ont montre qu'il faut toujours battre W (cf. plus haut): lutter pour la liberte parce qu'il y a toujours un grand danger latent. Es zeigt sich, dass in diesem Stadium noch einiges an Vokabel- und Grammatikarbeit geleistet werden muss hauptsächlich freilich muss an der Lexik gefeilt werden: Ganz im Gegensatz zu der gängigen Meinung, dass der Französischunterricht seinen Schwerpunkt bei den Strukfüren habe, zeigt sich beim Verfassen von Texten, dass in Wirklichkeit der Wortschatz das Hauptproblem darstellt. Die zweite Version des Schülers lautet so: Le siede des Lumieres et la Revolution frans; aise etaient la base pour la situation qui existe aujourd'hui. C'etait la premiere fois que le Tiers-Etat avait exige le droit de penser et de dire ce qu'on veut et que le peuple a lutte contre la monarchie et l'inhumanite. Ce processus a coilte beaucoup de sang et il n'etait pas toujours sfir que la liberte gagne. Deux guerres mondiales ont montre qu'il faut toujours lutter pour la liberte parce qu'il y a toujours un grand danger latent. B., c'est ici le paragraphe essentiel de ton argumentation. Et ilfaut etre taut iifait clair. Tu dois absolument dire que « le sii! cle des Lumii! res » n 'etait pas (seulement) un evenement franrais, mais un mouvement d'envergure europeenne (exemple: Kant, Lessing en Allemagne, Hume en Angleterre etc.). Et si la Grande Revolution etait bienfranraise, ses principes (« liberte, egalite, fraternite ») ont rayonne partout en Europe. Avec un retard considerable, les autres Etats ont suivi l'exemple de la France: c'etait donc un mouvement europien. L'idee que nous nousfaisons de l'importance de l'individu est ancree dans notre histoire commune (Renaissance italienne, la Reforme de Luther etc.. .). Conseil : ecoute, sur le CD Europe, Amalie de Copenhague. Je crois qu 'eile parle de cet aspect. Un deuxii! me point dont tu parles en haut : la rechute toujours possible (p. ex. Hitler), guerres mondiales. Un travail de precision ici. Der Schwerpunkt der Lehrerkommentare liegt hier nicht mehr beim Sprachlichen, sondern mit Blick auf die Verwendung des Textes in der Öffentlichkeit in dem Ziel, lFLllllL 34 (2005) Schreiben und Sprechen in authentischen Kontexten ... 217 den Text für die Zuhörer verständlich zu machen. Man sieht übrigens, dass der Schreiber selbstständig geblieben ist und keineswegs alle Vorschläge übernommen hat. 3 Was die Schüler beim Schreiben gelernt haben, können Schüler auch bei der Vorbereitung von Referaten nützen, nur dass hier noch einiges an Aussprachetraining und Prosodie hinzukommt, nicht zuletzt auch eine Fülle von Techniken wie die Anfertigung von Gedächtnishilfen, die Verwendung von Präsentationsmedien sowie Techniken der Kontaktsicherung und Schulung der Reaktion. Es wäre sehr irrig zu glauben, dass dies ohne inhaltliche Qualität, allein durch Rhetorik zu bewerkstelligen wäre. Wer vor ein kundiges Publikum tritt, muss mit Einwänden rechnen und seiner Sache sicher sein. Dass in einem lebendigen Diskurs der Adressatenbezug von besonderer Bedeutung ist, braucht nicht ausgeführt zu werden; schon aus diesem Grund verbietet sich das Ablesen eines Manuskripts. Ein Blick auf den Referenzrahmen (2001: 66) zeigt, dass die Aufgabenstellung „Vor Publikum sprechen" durchaus nichts Exotisches hat; hier zum Beispiel die Beschreibung von Niveau B2, das auch in der Schule erreichbar sein sollte: Kann eine klare, vorbereitete Präsentation vortragen und dabei wesentliche Punkte und relevante unterstützende Details hervorheben. Kann spontan vom vorbereiteten Text abweichen und vom Publikum aufgeworfene interessante Fragen aufgreifen, häufig in bemerkenswert gewandter und flüssiger Weise. Man kann über die Deskriptoren des Referenzrahmens sicherlich streiten, nicht jedoch darüber, ob es sich hier um eine in Studium und Beruf nützliche Fähigkeit handelt oder nicht. Es gehört zur Mündigkeit, in der Öffentlichkeit, in beruflichen Kontexten argumentativ sprechen zu können; das ist leicht zu begreifen. Zu ihr gehört auch die Fähigkeit einschätzen zu können, in welchem Maße das gelingt. Daher sind Schüler für Beschreibungen wie im Referenzrahmen dankbar und messen sich daran, und noch zufriedener sind sie natürlich, wenn ihnen die Außenevaluation (und nicht nur der eigene Lehrer) bescheinigt, dass sie ihr Ziel mehr oder auch weniger erreicht haben. Dass ein solches Programm an meiner Schule im Fach Französisch stattfindet, hängt mit der Lehrersituation zusammen und hat keine weiteren Ursachen. Es ließe sich auch in einer anderen Schulfremdsprache fahren. So war Tricolore ursprünglich als dreisprachige Zeitung geplant, der Name deutet es an. Da haben die Anglisten nicht zugegriffen: Der Status einer Pflichtfremdsprache verleitet nicht unbedingt zu Innovationen. Natürlich ist ein solcher Kurs für Schüler eine Herausfm: derung. Ich bin froh, dass so viele von ihnen sie annehmen. Weil die Empfindungen der Lerner nicht gleichgültig, sondern die Orchestrierung des Unterrichts sind, darf man vielleicht einmal aus einem persönlichen Brief einer Abiturientin zitieren: "Mit großer Freude habe ich immer Ihre Französischstunden besucht (mein 'Referatenwahn' mag als Beweis dafür dienen)." Oder Gerade bei Referaten vor fremdem Publikum ist die Hilfe des Lehrers erforderlich, um die Schüler nicht mit falschen Erwartungen in eine für sie unüberblickbare Situation zu schicken. Es ist daher ganz selbstverständlich, dass im Vorfeld des Vortrags der Text kritisch betrachtet wird. Wir haben dazu verschiedene Verfahren der dialogischen Kritik entwickelt; vor allem bewährt hat sich der mehrmalige Austausch des mit Bemerkungen versehenen Textes in dem „virtuellen Klassenraum" von lo-net.de (vgl. MEURERIWERNSING 2004). Letzte Gelegenheit zur Klärung bietet meist die gemeinsame Herstellung der begleitenden Computer-Präsentation. JFLilllL 34 (2005) 218 Armin Volkmar Wernsing wir bemühen zur Selbstvergewisserung der Tricolore-Schreiber einfach eine E-Mail von August 2004: "Votre web page est super! je m'appelle Cyrielle et j'habite en France. j' aime beaucoup votre site." Literatur BÄCHLE, Hans [et al.] (2004): Aplus 1. Berlin: Cornelsen. BLEYHL, Werner (1999): "J'accuse! ". In: Französisch heute, 30.3, 252-263. BRUCKMEYER, Birgit [et al.] (2004): Decouvertes 1. Stuttgart: Klett. CASPARI, Daniela (1994): Kreativität im Umgang mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt a.M.: Lang. DüYE, Peter (2004): "Gütekriterien für den Sprachunterricht". In: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 57.3, 130-135. EUROPARAT (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. FREUDENSTEIN, Reinhold (1999): "Der Französischunterricht muß (immer noch) umkehren! " In: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 3, 151-156. LEGUTKE, Michael K. (1996): "Redesigning the Language Classroom". CHRIST, Herbert/ LEGUTKE, Michael K. (Hrsg.): Fremde Texte verstehen. Festschrift für Lothar Bredella. Tübingen: Narr, 1-14. MEURER, Olaf/ WERNSING, Armin Volkmar (2004 ). "Vom Schüler zum Mitarbeiter virtuelle Klassenräume im Unterricht". In: MüNCHOW, Sabine (Hrsg.): Computer, Internet & Co. im Französischunterricht. Berlin: Cornelsen, 53-71. MINUTH, Christian (1996): Freie Texte im Französischunterricht. Berlin: Cornelsen. SCHRÖDER, Konrad (2004): "Schule zwischen Selbst- und Fremdbestimmung: PISA, DESI, die Bildungsstandards und die 'neue Evaluationskultur"'. 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In der Tat lassen sich aus der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts Einsichten gewinnen, die sich wohltuend von der häufig beklagten Unverbindlichkeit aktueller theoriegeleiteter Handlungsempfehlungen abheben. Inwieweit solche Erkenntnisse gar zur „Überwindung der derzeitigen Krise und Ratlosigkeit der Fremdsprachendidaktik" beitragen können 1, lassen wir dahingestellt. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das 18. Jahrhundert, das wie Weller2 treffend bemerkt- "nicht nur das 'philosophische', das 'Jahrhundert der Vernunft' [ist], sondern ebensowohl das 'Jahrhundert der Pädagogik', das Jahrhundert vernunftgemäßer Ordnung und Reglementierung des Schul- und Erziehungswesens" (621), und das in die Fremdsprachengeschichte als „Jahrhundert der methodischen Schulbildung" (626) eingegangen ist. Entsprechend ausgeprägt ist das didaktisch-methodische Reflexionsniveau in vielen Sprachlehrwerken des 18. Jahrhunderts, in denen teilweise bereits systematisch diverse Lernfaktoren und Lernervariablen (so z.B. die unterschiedlichen Adressaten und Lernziele, Intelligenz und Fremdsprachenbegabung, das Lernalter der Schüler, die Beherrschung anderer Fremdsprachen und der mögliche Transfer aus der Muttersprache) berücksichtigt werden. Zwar ist die Geschichtsschreibung des Fremdsprachenunterrichts namentlich im deutschsprachigen Raum in den letzten drei Jahrzehnten ein gutes Stück vorangekommen; eine sprach- und länderübergreifende Studie zum Sprachenlernen im 18. Jahrhundert fehlt allerdings. Gespannt wartete man deshalb auf das Erscheinen des zweiten, dem Zeitalter der Aufklärung gewidmeten Bandes von Jean-Antoine CARAVOLAS' monumentaler, als Trilogie geplanter „histoire de Ja didactique des langues des temps ! es plus anciens jusqu'a notre epoque". Sechs (bzw. sieben) Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Bandes, der die Epoche von 1450 bis 1700 umfasst und dessen Fakten- und Kenntnisreichtum wir ungeachtet kleinerer Versehen und Ungenauigkeiten an anderer Stelle gebührend gewürdigt haben 3, liegt dieser nunmehr vor. Aufbau und Struktur des Buches orientieren sich an den aus der Precis d'Histoire / bekannten Vorgaben. Unbestritten hat die« presentation par pays », der CARAVOLAS erneut den Vorzug vor einer« exposition des faits dans l' ordre chronologique » gibt, angesichts der breit gefächerten und differenzierten Thematik unbestreitbare Vorteile. 4 Zusammen mit der von wenigen Beispielen Bernd SPILLNER: " 'Der gefällige Souffleur'. Französische Sprache und französischer Sprachunterricht im Rheinland". In: Id. (Hrsg.): Französische Sprache in Deutschland im Zeitalter der Französischen Revolution. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 1997, 71-106 (hier: 72). 2 Franz-Rudolf WELLER: "Französischunterricht in Deutschland am Vorabend der Französischen Revolution". In: Die Neueren Sprachen 88.6 (1989), 620--648. 3 Ekkehard ZÖFGEN: "Frühe Auffassungen über das Lehren und Lernen von (fremden) Sprachen: Einige Anmerkungen zum ersten Teil einer 'histoire de la didactique des langues' ". In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 9.2 (1998), 291-303. 4 Auf die Nachteile und unliebsamen Konsequenzen einer « presentation par pays » habe ich in der Besprechung des 1. Bandes (vgl. Anm. 3) im Einzelnen hingewiesen. Sie fallen allerdings für die hier behandelte JFJLulL 34 (2005) 220 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel abgesehen 5 strikt durchgehaltenen Untergliederung der 11 Kapitel in jeweils vier größere Unterabschnitte (aper9u historique situation dans Je domaine de l'education enseignement des langues anciennes enseignement des langues vivantes) macht sie die in einem erfreulich unprätentiösen Französisch geschriebene Darstellung zu einem Muster an Klarheit und Lesbarkeit. Zu den untersuchten geographischen Gebieten gehören: England, Deutschland, Frankreich, Belgien und die Niederlande, die Staaten Österreichs, die Balkanstaaten, Kanada und die Vereinigten Staaten sowie die in Kap. V bzw. VIII zusammengefassten Länder Südeuropas (Italien, Spanien und Portugal) und Nordosteuropas (nämlich Polen, Skandinavien und Russland). Begründet wird die im Hinblick auf Größe und politische Bedeutung dieser Staaten überraschende Regruppierung und die daraus resultierende, auch auf andere Kapitel zutreffende ungleiche qualitative und quantitative Gewichtung der Länder zum einen mit der z.T. rudimentären Materialbasis, die in einigen Fällen nur resümierende Aussagen zuließ (S. 264), zum anderen mit der « evolution inegale des pays », das heißt dem je unterschiedlichen« apport de chaque peuple (... ) a l'avancement de Ja discipline dans l 'epoque examinee » (S. 333). Leicht nachvollziehbar ist diese Argumentation (eingeschränkte Zugänglichkeit zu den Quellen, marginaler Beitrag dieser Länder zur Fortentwicklung der linguistischen und pädagogischen Ideen) bei Kapitel VIII. Starke Impulse gehen demgegenüber von Deutschland (bzw. Preußen) aus, das sich mit seinen Reformbestrebungen und der daraus resultierenden« variete d'approches, de methodes et de theories » an die Spitze « du mouvement europeen pour Je renouveau de la didactique des langues » (S. 169) setzt. Folgerichtig sind ihm zusammen mit Frankreich die beiden mit Abstand längsten Kapitel gewidmet (Chap. II: La France [41-105], Chap. III: L' Allemagne [107-169]). Was hingegen Italien und die Länder der iberischen Halbinsel (Chap.V) angeht, so verfangen diese Argumente nicht. Zahl und Vitalität der Untersuchungen, die sich auf die beiden Halbinseln Südeuropas beziehen, hätten wie übrigens auch Nadia MINERVA in ihrer Besprechung unterstreicht 6 allein schon für das Französische ein << developpement plus etendu » gerechtfertigt. Ungeachtet dessen ist die Zahl der ausgewerteten Quellen beeindruckend. Gestützt auf eine reiche Dokumentation zu mehr als fünfzig Autoren von Grammatiken und Lehrwerken sowie Sprachmeistern unterschiedlichster Couleur diesseits und jenseits des Atlantiks lässt CARAVOLAS uns teilhaben am sprachpädagogischen Gedankengut jener Zeit, wobei es ihm dank umfassender Kenntnisse und eines in der Regel sicheren Urteils gelingt, dem Leser selbst komplexe Zusammenhänge in verständlicher Weise nahezubringen. Der Fächer reicht von illustren durch ihre methodischen Überlegungen und/ oder Werke über die nationalen Grenzen hinaus bekannte - Namen wie DU MARSAIS, ROUSSEAU, DIDEROT, CONDILLAC, BASEDOW, DES PEPLIERS, KRAMER, MEIDINGER, LA VEAUX oder VILLLERS über offensichtlich verkannte Talente wie z.B. die italienischen Lehrwerkautoren Michele BERTI, Lodovico GOUDAR oder Giuseppe BARETT! bis hin zu in der Fachwelt wenig oder gar nicht beachtete Sprachmeister, zu denen u.a. die Engländer W. SCOTT, John HOLMES oder J.-B. ÜZINDE zählen (alle drei Verfasser einer Französisch-Grammatik für eng definierte Zielgruppen). Dem möglichen Einwand, Autoren und Werke nicht berücksichtigt zu haben, die im Precis Epoche weit weniger stark ins Gewicht. Auch die dort vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen die gewählte Darstellungsweise, nämlich die Tatsache, dass sich die didaktisch-methodischen Prinzipien des (Fremd)Sprach(en)unterrichts in jener Zeit, das heißt zwischen 1450 und 1700, nicht an Sprachgrenzen festmachen lassen, treffen auf das 18. Jahrhundert nur noch in eingeschränktem Maße zu. 5 Vgl. Kap. VIII (l'enseignement et l'apprentissage des langues vivantes) und Kap. IX (Les Jesuites et l'etudes des langues vivantes). 6 In: Documents pour l'histoire du franrais Langue etrangere ou seconde 26 (juin 2001 ), 206-210 (hier: 208). lFLlliL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 221 Erwähnung verdient hätten, begegnet CARAVOLAS mit dem lapidaren Hinweis: « s 'ils n 'y figurent pas, c'est soit parce que j'ignore leur existence soit parce que je n'ai eu connaissance de leurreuvre que trop tardivement » (S. xiii). Nicht einzuleuchten vermag dies beim Bekanntheitsgrad eines Johan Jakob SCHATZ, der selbst im Register nicht verzeichnet ist. Seiner 1724 erschienenen Grammatik7 die sich auf dem Titelblatt rühmt, die lateinische Grammatik zum Vorbild genommen zu haben, und die am Anfang jener allgemein bekannten Bewegung steht, die in der Grammatik- Übersetzungsmethode von Josef MEIDINGER einen ersten Höhepunkt findet widmet Konrad SCHRÖDER bezeichnenderweise einen der längsten Kommentare in seinem sechsbändigen Werk. 8 Allerdings sind es weniger die Abschnitte zu den „großen" Namen, die den Reiz des Buches ausmachen, als vielmehr die, in denen wir etwas über die Entwicklung in jenen Ländern erfahren, die in der (fremd)sprach(en)didaktischen Geschichtsschreibung bislang kaum Beachtung gefunden haben. 9 Reizvoll und lohnend ist die Lektüre schließlich auch deshalb, weil in diesem-den Privatunterricht leider aussparenden - Panorama methodischer Vielfalt neben Konzepten, die ganz in der Tradition des 17. Jahrhunderts stehen, Raum für Bedenkenswertes, Innovatives und Kurioses bleibt. Wir erfahren etwas über den einen oder anderen Versuch, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, um das Sprachenlernen 'angenehmer' und leichter zu machen; so etwa über den« bureau tipographique » von Louis DUMAS -eine Art Wort-Scrabble, das zwar große Popularität erlangte, aber schon bald in Vergessenheit geriet - oder über die « fours grammaticaux » (des gäteaux que ! es eleves consomment), die « grammaire musicale » (en chantant) oder die « grammaire digitale » (en badinant sur ! es doigts) von VALLANGE (S. 69-70). Mit Erstaunen nehmen wir zur Kenntnis, dass es in Kanada unter französischer Herrschaft mehr Schulen für Mädchen als für Jungen gab (S. 292), um dann im folgenden Kapitel über den zweiten Präsidenten der USA, John ADAMS, zu schmunzeln, der auf die Frage, welches die beste und schnellste Methode sei, Französisch zu lernen, geantwortet haben soll, dass es derer zwei gäbe: « trouver une maitreesse frans; aise et frequenter Je theätre » (S. 330). Außerordentlich 'modern' und nicht aus mehr als zweihundert Jahren alten Lehrbüchern stammend muten die Empfehlungen zur Fehlertoleranz, zur Stoffreduktion oder die Aussagen zum zweisprachigen Semantisieren und zur zentralen Stellung des Verbs bei der Satzkonstruktion an. Selbst die von Anhängern der Identitätshypothese vertretene Auffassung, der Erwerb einer L2 unterscheide sich nicht prinzipiell von der einer Ll, gehörte wenngleich in abgeschwächter Form zum Repertoire didaktischer-methodischer Glaubensbekenntnisse. Keineswegs trivial ist CARAVOLAS' generalisierende Feststellung, dass sich unter dem Einfluss der industriellen Revolution, der amerikanischen und französischen Revolution sowie der aufklärerischen Ideen der Philosophen zwar radikale soziale Umwälzungen vollzogen haben, dass diese Neuerungen für die Sprachdidaktik hingegen keine wirklich tiefgreifenden Veränderungen nach sich zogen. Wieder einmal zeigt der Blick in die Geschichte - und die in der Anthologie (S. 343- 476) unter fünfzehn Themenschwerpunkten zusammengestellten Auszüge aus einschlägigen Werken des 18. Jahrhunderts belegen dies eindrucksvoll-, dass im Sprachunterricht „die Zahl der 7 Französischer Langius: das ist: erleichtert Frantzösische Grammatica, welche überhaupt nach der Lateinischen Grammatica Langiana eingerichtet ist. Frankfurt/ M.: Sand 1724, 399 Seiten. 8 Konrad SCHRÖDER: Biographisches und bibliographisches Lexikon der Fremdsprachenlehrer des deutschsprachigen Raumes, Spätmitte/ alter bis 1800. Band 4. Augsburg: Universität 1995, S. 100-101. 9 Gerade hier zeigt sich, dass ein Einzelner mit der Bewältigung einer solchen Materialfülle und einer so schwierigen Aufgabe wohl überfordert ist. Mehrfach räumt CARA VOLAS ein, dass seine Informationen über bestimmte Länder äußerst begrenzt und dass nicht zuletzt auch Sprachbarrieren für die Begrenztheit seiner Kenntnisse verantwortlich zu machen sind. lFLl.! L 34 (2005) 222 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Grundmethoden relativ begrenzt ist" 10 . Dies erklärt, warum die Kernprobleme des Sprachunterrichts über die Jahrhunderte fortbestehen und sich weiterhin auf einer Skala zwischen Lernen ex usu oder Lernen ex regulis bewegen und warum es offenbar der Unterbrechung von Traditionen bedurfte, damit sich bestimmte Verfahren überhaupt mit dem Etikett „moderne Methode" oder "lernerorientiertes Prinzip" schmücken konnten. Ein Ärgernis ist die mangelnde Sorgfalt, mit der der Text in formaler Hinsicht redigiert wurde. Neben Schreibbzw. Trennungsfehlern selbst im Inhaltsverzeichnis (z.B. pedogie ----t lies: pedagogie [S. 564]) sind es vor allem falsche Seitenverweise 11 , widersprüchliche oder unrichtige Jahreszahlen 12, falsch geschriebene Namen 13 , unvollständige oder bis zur Unkenntlichkeit entstellte Titel der primären und sekundären Quellen 14 sowie eine Vielzahl anderer Versehen 15 und Ungenauigkeiten16, die den positiven Gesamteindruck nachhaltig trüben. Trotz dieser Monita eine wichtige Neuerscheinung, die die ungeteilte Aufmerksamkeit aller derjenigen verdient, die sich mit der wechselvollen und zugleich faszinierenden Geschichte der 10 Stefan ETTJNGER: "Die Vermittlung von Sprechfertigkeit in einigen Französischlehrwerken des späten 17. Jahrhunderts und des 18. Jahrhunderts". In: HOLTUS, Günter/ RADTKE, Edgar (Hrsg.): Umgangssprache in der lberoromania. Festschrift für Heinz Kröll. Tübingen: Narr 1984, 425-424 (hier: 419). II So verweist CARAVOLAS bei einem Zitat aus der Lettre a Mademoiselle D.S. auf S. 147 beispielsweise auf Seitenzahlen in der Anthologie (149, 172, 187), die es gar nicht gibt. Abgedruckt ist die Anthologie thematique nämlich auf den Seiten 339 bis 476; tatsächlich findet sich das Zitat in dem auf S. 455 nachzulesenden Auszug. 12 Exemplarisch nennen wir die widersprüchlichen Angaben zur Lettre a Mademoiselle D.S, von DE VILLERS, die im Verzeichnis der primären Quellen zweimal auftaucht, allerdings mit unterschiedlichen Jahreszahlen: unter dem Namen DE VILLERS mit dem Erscheinungsjahr 1797, unter dem Namen VILLERS hingegen mit dem Erscheinungsjahr 1899 (beide Male ist die Verlagsangabe fehlerhaft: Dietrich'sche Veregsbuchandlung [sie! ]). Bei den sekundären Quellen seien lediglich die Akten des Romanistentages von Potsdam 1993 erwähnt (herausgegeben von H. CHRIST und G. HAßLER), die nicht 1997, sondern 1995 erschienen sind. 13 Der Autor der Italienischen (nicht: Italianische [S. 165 und 521]) Sprachlehre von 1792 heißt Christian Joseph JAGEMANN, nicht Jagermann (S. 165). 14 Davon sind insbesondere (aber bei weitem nicht nur) die Titel deutschsprachiger Autoren betroffen. Hier einige wenige Beispiele: • Wohleingerichtete englische Grammatica Literatorum, wodurch ein Deutscher, der den gründlichen Wissenschaft der überaus nutzbaren englischen Sprache gelangen kann (S. 157) --> ergänze nach ein Deutscher, der: "den Studiis ergeben, ohne große Müh und in kurzer Zeit zu einer". Der Fehler erklärt sich dadurch, dass Caravolas bei der Übernahme des Titels aus Konrad SCHRÖDER (Biographisches und bibliographisches Lexikon[... ]. Band 2. Augsburg: Universität 1989, S. 165) eine Zeile übersprungen hat. • Neue eingerichtete Grundsatzei [sie! ] Englischen Sprache zum Gebrauch der Teutschen [S. 511] • (Titel des von Konrad SCHRÖDER 1992 herausgegeben Buches nicht Aufsatzes, wie auf S. 542 suggeriert): Fremdsprachenuntetticht [sie! ] 1500-1800. 15 Vgl. etwa S. 146: un camarade, ein Mitgessel (? )-C'est un vendeur de fumee des conversations, es ist ein Ausschneider--> lies: Aufschneider je viens de Ja sale d'armes, ich komme vom Techt-Boden--> lies: Fecht- Boden. S. 161: Er ritt auf einem granen Pferde--> lies: grauen. Stutzen wird der Leser auch auf S. 350 (Anthologie), wo er einen Auszug aus einem der Werke von Matthias Kramer (Cramer) erwartet, statt dessen jedoch mit Kramers biographischen Daten konfrontiert wird, die mit dem in der Lexique des noms propres (477-493) abgedruckten Text (S. 481) exakt übereinstimmen. 16 Für CARAVOLAS gibt es offenbar keinen Zweifel daran, dass Giovanni Battista CALVI der Autor der 1790 in Göttingen erschienenen Spanischen Sprachlehre und Chrestomathie ist. Zeitgenossen berichten jedoch, dass sie CALVI fälschlicherweise zugeschrieben wird und von dem Historiker Karl Ludwig WüLTMANN verfasst, zumindest aber bearbeitet sei (vgl. dazu Konrad SCHRÖDER: Biographisches und bibliographisches Lexikon[... ]. Band 1. Augsburg: Universität 1987, 1991, S. 115). IFLl.llL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 223 (Fremd)Sprach(en)didaktik befassen. Nicht zuletzt deshalb bleibt zu hoffen, dass sich Autor und Verlag sehr rasch zu einer gründlichen Neubearbeitung durchringen, in der nicht nur die gravierenden formalen Mängel der ersten Auflage beseitigt werden, sondern in der zudem weiterführende Literatur zu einzelnen Ländern und Sprachen 17 sowie zu Grammatikern und Sprachmeistem 18 extensiver zitiert wird als hier geschehen. Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Handbuch Fremdsprachenunterricht, herausgegeben von Karl-Richard BAUSCH, Herbert CHRIST und Hans-Jürgen KRUMM. Vierte, vollständig neu bearbeitete Auflage. Tübingen und Basel: Francke 2003 (UTB 8043), XVIII + 655 Seiten [39,90 €] Als im Jahre 1989 das Handbuch Fremdsprachenunterricht in erster Auflage erschien, war die Kritik voll des Lobes und feierte die geballte Ansammlung von Sachverstand sowie die Dichte der Information in dieser Neuerscheinung zu Recht als ein Ereignis in der jüngeren Geschichte der Fremdsprachendidaktik. Aktualisierungen und Ergänzungen, die vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen und politischer Ereignisse unerlässlich schienen und die Eingang in die dritte (überarbeitete und erweiterte) Auflage 1995 fanden, trugen mit dazu bei, dass sich das Handbuch unter den wichtigen Nachschlagewerken einen festen Platz erobert hat und in der Tat auch über die Jahrtausendwende hinaus ein unentbehrliches Arbeitsmittel für alle diejenigen geblieben ist, die sich mit konzeptuellen, curricularen und methodischen Fragestellungen des Lehrens und Lernens fremder Sprachen befassen. Mit der vorliegenden vierten, vollständig neu bearbeiteten Auflage wollen die Herausgeber „den aktuellen Entwicklungen sowie den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen, die sich seit der dritten Auflage (...) im internationalen wie im deutschsprachigen Kontext eingestellt haben" (XI). Bereits ein flüchtiger Blick in das Inhaltsverzeichnis verdeutlicht das Ausmaß der Neuerungen und substantiellen Eingriffe, die nicht zuletzt in Aufbau und struktureller Organisation des Werkes ihren Niederschlag gefunden haben: 1.12. 3. Al Al +1 A2 A2 Bl Bl +3 B2 B2 +6 B3 B3 +2 B4 C B4 C D D +1 E E +1 110 124 (neu) 4. A B C D1 D2 D3 E1 E2 E3 F G H I J K L M N O 140 495 585 655 17 Zum Französischunterricht in Spanien vgl. etwa Marfa Eugenia FERNANDEZ FRAILE / Javier Suso LOPEZ: La enseiianza delfrances en Espafia (1767-1936). Estudio historico: objetivos, contenidos y procedimientos. Granada: Metodo Ediciones 1999. Zum Englischlernen vermissen wir die einschlägige Studie von Friederike KUPPEL: Englischlernen im 18. und 19. Jahrhundert. Die Geschichte der Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien. Münster: Nodus 1994. 18 Zu Matthias KRAMER, der in seiner Bedeutung als Sprachmeister des Italienischen, Spanischen und Französischen von CARAVOLAS unterschätzt wird (S. 142-143), vgl. jetzt die umfassende und mustergültige Studie von Laurent BRA Y: Matthias Kramer et la lexicographie en Allemagne au XVlll' siecle. Avec une edition des textes metalexicographiques de Kramer. Tübingen: Niemeyer 2000 (LSM 99). JFLIIIL 34 (2005) 224 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Die neu gestaltete Gliederung mit nunmehr fünfzehn (statt fünf) Großkapiteln (A-0) sorgt für erheblich mehr Transparenz und Klarheit, wenngleich sich trefflich darüber streiten lässt, ob es gerechtfertigt war, ein eigenes Kapitel „Forschungsmethoden" einzurichten, das lediglich zwei Artikel umfasst. Konsequent zu Ende gedacht hätte dies dann auch für andere, von ihrer praktischen und wissenschaftlichen Dimension her gesehen gleich gewichtige Themen gelten müssen; so etwa für das frühe Fremdsprachenlernen, dem (verstreut über die Kapitel D2, D3 und J) immerhin drei Artikel gewidmet sind, nämlich 31, 35 und 99. Aus einem Vergleich mit der dritten Auflage lassen sich einige der Überlegungen rekonstruieren, die den strukturellen Entscheidungen im Einzelnen zugrunde gelegen haben dürften: Ausgliederung von Unterkapiteln (namentlich unter B), die klar abgegrenzte Problemfelder benennen und die inhaltlich nur locker mit dem Thema des Großkapitels verbunden sind, z.B.: B3 (Die an den Schulen unterrichteten Sprachen) --> M (An Schulen deutschsprachiger Länder unterrichtete Fremdsprachen), B4 (Typen des Fremdsprachenerwerbs)--> J. Rubrizierung sachlich zusammengehöriger Artikel unter einem neuen (Groß)Kapitel, womit Bedeutung und Eigenständigkeit der Themenbereiche hervorgehoben werden sollen; vgl. etwa (B2) Art. 57-61 --> H (Leistungsmessung, Lernerfolgskontrolle und Selbstkontrolle) oder (B2) Art. 62-72--> I (Lehr- und Lernmaterialien und Unterrichtsmedien). Separierung einzelner Artikel, die (ergänzt durch neu aufgenommene Beiträge) nunmehr einen thematischen Schwerpunkt bilden, der Fragestellungen ins Blickfeld rückt, die in der aktuellen fachdidaktischen Diskussion eine wichtige Rolle spielen und denen bislang nicht die ihnen gebührende Beachtung geschenkt wurde: Kapitel F (Förderung selbstgesteuerten Fremdsprachenlernens), das sich zusammensetzt aus (alt) Art. 48 (--> 69): Lernerstrategien; Art. 55 (--> 71): Lerntechniken + (neu) Art. 67: Lernerautonomie und selbst gesteuertes fremdsprachliches Lernen[...]; Art. 68: Lernstile/ Lernertypen; Art. 70: Language Awareness, Sprachbewusstheit, Sprachbewusstsein; Art. 72: Lernberatung. - Erweiterung des Themenspektrums innerhalb eines (Unter)Kapitels durch Aufnahme von Stichwörtern, die man z.T. schon in der 3. Auflage vergeblich suchte und die dort auch im Begriffsregister nicht verzeichnet sind, wie beispielsweise: (E2) Tandem (Art. 50), (Schüler)Austausch (Art. 53) - (H) Sprachenzertifikate (Art. 82), Sprachenportfolio (Art. 83) - (J) Erwerb von Fremdsprachen im Seniorenalter (Art. 103) sowie die bereits erwähnten, unter F hinzu gekommenen Artikel. - Im Zuge der Aktualisierung wurden erstmals auch Artikel gestrichen: sei es, um die ohnehin schlecht begründeten Dopplungen zwischen den Kapitel B l/ B2 und C in den bisherigen Auflagen zu vermeiden; sei es, um ein bestimmtes Thema auf mehrere Artikel zu verteilen (Art. 73 = 0--> (neu) Art. 11 und 65); sei es, dass übergreifende Aspekte in anderen Artikeln hinreichend thematisiert sind (Art. 38 [Differenzierung und Individualisierung]= 0); sei es schließlich, dass aus heutiger Sicht ein in die 1. Auflage aufgenommener Gegenstand nicht zum Wirklichkeitsbereich Fremdsprachenunterricht gehört: Art. 119: Übersetzer- und Dolmetscherinstitute= 0. Rätsel gibt das Fehlen von Art. 52 (Konversationsübungen) auf. Das Register enthält zwar einen Verweis auf Übungen zur Konversation; einen entsprechenden Eintrag gibt es aber nicht geschweige denn, dass das Thema in einem eigenen Artikel abgehandelt wird. Es versteht sich von selbst, dass im Zuge der Neubearbeitung (auch) die „alten" Beiträge ausnahmslos einer gründlichen Überprüfung unterzogen und durchgängig auf den neuesten Stand gebracht wurden. Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die nicht unerhebliche Zahl von Themen, für die 'neue' Autoren verantwortlich zeichnen. 1 Nicht in jedem Fall waren letztere gut Hier eine kleine Auswahl: (Art. 10) Kultur- und Landeswissenschaften; (Art. 13----+ 24) Muttersprachen- und lFLlllL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 225 beraten, die Argumentationslinien des 'Vorgängers' komplett auszublenden und die eigenen Überlegungen in eine ganz andere Richtung zu lenken. 2 Bedauern wird man daneben den Verzicht auf die sehr hilfreiche definitorische Bestimmung des Begriffs Fremdsprachendidaktik (1995, S. 1) offenbar eine Folge der Zusammenlegung von Art. 1 (Fremdsprachendidaktik) und Art. 2 (Sprachlehrforschung). Weitere gezielte Leseproben lassen erkennen, dass es der überwiegende Teil der 'alten' Autoren ebenfalls nicht bei Retuschen am Text hat bewenden lassen. Die inhaltlichen Änderungen reichen von maßvollen Eingriffen mittlerer Reichweite (Art. 4 (----> 5): Angewandte Linguistik) bis hin zu vollständig neu redigierten Beiträgen (z.B. Art. 11: Sprachenpolitische Perspektiven----> Art. 17: Sprachenpolitik und das Lehren und Lernen von fremden Sprachen). Die rasante Entwicklung in nahezu allen Bereichen der Fremdsprachenforschung wird eine gründliche Bearbeitung der meisten Artikel innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre erforderlich machen. Schon heute wünschte man sich in dem einen oder anderen Fall aktuellere Literaturangaben (so z.B. bei Art. 67, 69, 99 oder 104). Unbedingt ergänzt werden sollte das Begriffsregister. Hier vermissen wir Stichwörter wie Mehrsprachigkeitsdidaktik (Interkomprehension), code-switching, Stationenlernen, offener Unterricht und auch LdL 3 um nur wenige zu nennen-, von denen wir einige selbst bei intensiver Lektüre nicht aufspüren konnten, während andere nur dem mit der Materie vertrauten Benutzer auf Umwegen zugänglich sind (im Falle von „offener Unterricht" z.B. über den Art. 63: Kreative Übungen [S. 211]). Fazit: Ein Standardwerk, das dank einer alles in allem gelungenen Neubearbeitung seine Stellung als unverzichtbare Orientierungshilfe und als umfassende Informationsquelle weiter gefestigt haben dürfte. Das große Verdienst, das sich Herausgeber und Mitarbeiter mit dieser differenzierten Bestandsaufnahme des Fremdsprachenunterrichts erworben haben, kann und darf allerdings nicht über die Theorielastigkeit der Beiträge hinwegtäuschen. Trotz aller guten in der Einleitung zur ersten Auflage zum Ausdruck gebrachten Vorsätze ist das Handbuch deshalb kaum geeignet, die unüberbrückbar scheinende Kluft zwischen fachdidaktischer Theorie und unterrichtlicher Praxis spürbar zu verringern. Wer bei praktizierenden Fremdsprachenlehrern Gehör finden will, der wird in künftigen Auflagen zum einen viel stärker als bisher geschehen Realisierungsmöglichkeiten für 'neue' Unterrichtskonzepte (wie etwa simulation globale) vorstellen müssen und der wird sich zum anderen Fragen wie den folgenden zu stellen haben: Weiche konkreten Folgerungen ergeben sich für die Unterrichtspraxis aus den Lehr- und Lernkonzepten wie sie von Verfechtern einer konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik 4 propagiert werden? Gibt es empirische Fremdsprachenunterricht; (Art. 24) Landeskunde-Didaktik und landeskundliches Curriculum -> (Art. 21) Landeskundliches Curriculum; (Art. 27 -> 19) Lehr- und Lernziele; (Art. 33 -> 41) Alternative Methoden; (Art. 39 -> 32) Intensivunterricht; (Art. 50 -> 57) Übungen zum Leseverstehen; (Art. 64 -> 87) Wörterbücher; (Art. 68-> 91) Visuelle Medien; (Art. 74) Fachsprachen und Fachsprachendidaktik-> (Art. 28) Fachsprachenunterricht; (Art. 96) Frühkindlicher Bilingualismus-> (Art. 98) Frühkindliche Erziehung zur Zweisprachigkeit; (Art. 122) Fachverbände für Fremdsprachenlehrer-> (Art. 133) Fachverbände von Fremdsprachenlehrern. 2 Das trifft nach Ansicht des Rezensenten auf Art. 96 -> Art. 98 zu. Im Register stoßen wir zwar auf den Eintrag „Lernen durch Lehren"; das Kürzel LdL ist jedoch so verbreitet, dass es versehen mit einem entsprechenden Querverweis nicht fehlen darf. 4 Die in diesem Kontext angesiedelte Vorstellung vom (fremdsprachlichen) Lernen, bei dem das Individuum neue Informationen selbstständig verarbeitet und 'konstruierend' in vorhandenes Wissen integriert, ist zwar nicht falsch. Jedoch mehren sich die Stimmen, die vor einer „Überhöhung" dieses Leitgedankens warnen. Dies führe nämlich „zu einer Auffassung von Lernen, die den sozialen Aspekt des Lernvorgangs ebenso verschleiert wie die Tatsache, dass die Negierung jeglicher Instruktionsmechanismen weder empirisch belegbar noch durch unsere Lebenserfahrung abgedeckt ist" (Frank G. KÖNIGS: "Sprachlehrforschung: gestern, heute - und morgen? " In: Info DaF 31.5 (2004), 513-532; hier: 523). lFLulL 34 (2005) 226 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Evidenz für die Überlegenheit der daraus abgeleiteten methodischen Leitprinzipien insbesondere hinsichtlich der erhofften Optimierung und Effektivierung der Lehr-Lern-Verfahren? Wie wurden die 'neuen' methodisch-didaktischen Grundsätze von der Praxis rezipiert und sind wie Helmut Sauer5 zugespitzt formuliert - "die hohen Erwartungen an die postulierte »Lernautonomie« und das »selbst gesteuerte Lernen«[...] nachweisbar eingelöst worden"? Auf diese und andere unterrichtsrelevante Fragen bleibt auch diese Neuauflage die Antwort (zwangsläufig? ) schuldig. Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Antje ST0RK: Vokabellernen. Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien. Tübingen: Narr 2003 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 254 Seiten [30 €] Christiane NEVELING: Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren. Tübingen: Narr 2004 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 369 Seiten+ unpag. Anhang [42 €] Die Frage, was Fremdsprachenlernen erfolgreich macht, sollte eigentlich im Zentrum der Fremdsprachenforschung stehen. Bekanntlich sind aber in Deutschland Untersuchungen, die die Effizienz von fremdsprachlichen Lehr- oder Lernprozessen messen, außerordentlich rar, vermutlich, weil sie methodologisch riskant und mühsam durchzuführen sind. Daher ist jede Forschung, die sich einem solchen Risiko aussetzt und damit den Fortschritt vorantreibt, grundsätzlich zu begrüßen. Dies sei der folgenden, stellenweise durchaus kritischen Doppelrezension vorausgeschickt. Beginnen wir mit der Arbeit von Antje ST0RK. Sie untersucht die Effizienz von vier Vokabel- Lernstrategien, die sie dem Katalog von SCHMITT (1997) entnimmt. "Vokabellernen" wird bei allen vieren als isoliertes Paar-Assoziations-Lernen verstanden, d.h. es geht darum, eine neue zielsprachliche Wortform mit einem ausgangssprachlichen Wort (Form+ Bedeutung) ohne weitere Kontexte möglichst dauerhaft im Gedächtnis zu verknüpfen. Die vier Strategien sind: Auswendiglernen, Visualisierung der Wortbedeutung, (visuelle) Schlüsselwortmethode und Ausführen von Bewegungen. Ordnungsstrategien bleiben damit unberücksichtigt, ebenso alle Elaborations- oder Repetitionsstrategien, die Kontexte verwenden. Vf.s Arbeitshypothese (S. 127) lautet vereinfacht: Mindestens eine der Strategien, nämlich die Schlüsselwortmethode, führt zu besseren kurz-, mittel- und langfristigen Behaltensleistungen, und dies überindividuell, d.h. unabhängig von der jeweiligen Lernerpersönlichkeit. Angesichts der vorliegenden umfangreichen, auch Strategien vergleichenden Forschung zur Schlüsselwortmethode 1 kann diese Hypothese nicht als sehr innovativ angesehen werden. Methodisch ist die Arbeit eindeutig quantitativ-experimentell ausgerichtet; ökologische Validität wird nicht angestrebt. Die Arbeit nähert sich ihrem Gegenstand in einem umfassenden, durchweg von kritischer Sachkenntnis zeugenden Forschungsüberblick zum Wortschatzerwerb, zu Gedächtnistheorien, zum Mentalen Lexikon und zu Vokabellernstrategien, der die erste Hälfte des Buches ausmacht (Kap. 2-5). Die eigentliche empirische Erhebung (Kap. 6) deckt dann nur einen kleinen Ausschnitt davon Helmut Sauer: "Anmerkungen zur Neuauflage des Handbuches Fremdsprachenunterricht". In: Neusprachliche Mitteilungen 57.3 (2004), 181. Vgl. den jüngsten Forschungsüberblick von Peter EcKE: "Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: Zum Stand der Forschung". In: FLuL 33 (2004), 213-230. lFJLlllL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 227 ab. Ihr Design: Deutschsprachigen Fremdsprachenstudenten (n = 41, Alter mehrheitlich 20-29 Jahre) wurden Sets von 20 Wortpaaren auf Wortkarten vorgelegt, die mit Hilfe der vier o.g. Lernstrategien innerhalb von 20 Minuten memoriert werden mussten. Insgesamt wurden so von jeder Versuchsperson vier verschiedene Sets im Wochenabstand mit jeweils wechselnden Lernstrategien gelernt. Diese wurden unmittelbar vor der Memorieraufgabe in mündlicher Unterweisung explizit ohne weiteres Training vermittelt. Strategieerfahrungen und -bewertungen sowie ihre tatsächliche Verwendung bei der Lernaufgabe wurden durch zeitnahe Befragungen per Fragebogen ermittelt. Die Behaltensrate wurde zum einen sofort nach der Lernaufgabe "kurzfristig") sowie im Abstand von einer Woche "mittelfristig") und zwei Wochen "langfristig") gemessen, und zwar als Hinübersetzungsleistung. Diese in ihren kurzen Intervallen wenig übliche dreistufige Zeiteinteilung . gehorchte erhebungspraktischen Zwängen (S. 140); sie erschwert den Vergleich mit anderen Studien. Um Sequenzierungseffekte möglichst zu neutralisieren, wurde das Sample in zwei Gruppen eingeteilt, die nach je verschiedener Strategien-Reihenfolge lernten. Die ausgangssprachliche Wortliste wurde aus dem deutschen Grundwortschatz gewählt und umfasste ausschließlich konkrete Nomina wie Nase, Streichholz, Kuh oder Benzin. Die zielsprachlichen Wortformen wurden künstlich aus einer randomisierten Silbenstruktur CVCV gebildet, um interlingualen Transfer oder Form-Bedeutungs-Motivation, die STORK beide als lexikalische Störvariablen ansieht, auszuschalten. Aus dem Verfahren resultiert eine relativ hohe Ähnlichkeit der Wortformen (die o.g. Wörter heißen übersetzt heja,jeti, zopu und sudi). Welches sind die Ergebnisse (Kap. 7)? Die sorgsame statistische Auswertung der Behaltenswerte zeigt, wie erwartet, dass die Schlüsselwortmethode zu grosso modo 30 % besseren Leistungen führt als die drei anderen Strategien, deren Effizienz etwa gleich groß erscheint. Diese Überlegenheit ist beim kurzfristigen Lernen inferenz-statistisch signifikant, beim mittel- und langfristigen Behalten jedoch nur deskriptiv-statistisch nachzuweisen, weil dort Sequenzeffekte die anzunehmende Behaltensqualität überlagern. Einige Zahlen zur Orientierung: Kurzfristig wurden mit Hilfe der Schlüsselwortstrategie 18-19 von 20 Wörtern behalten, bei den anderen Strategien waren es ca. 15 Wörter. Nach einer Woche waren mit der Schlüsselwortstrategie noch zwischen 6 und 9 Wörter verfügbar, bei den anderen zwischen 2 und 7. Die Behaltensrate nach zwei Wochen ergab die Werte 6-7 bzw. 1-6. Die Fragebögen zeigten einen gleichmäßig fallenden Bekanntheitsgrad vom Listenlernen (90 %) über Visualisierung und Schlüsselwortstrategie zur Ausführung von Bewegungen (22 %), dem in etwa auch die Angaben zur bisherigen gewohnheitsmäßigen Nutzung der Strategien entsprach. Die berichteten Schwierigkeiten der Strategieanwendung in der Erhebung selber boten jedoch ein anderes Bild: Die Anwendung des Listenlernens und der Schlüsselwortstrategie erschien einfacher als die übrigen Strategien, bei denen ca. zwei Drittel der Probanden kleinere und größere Schwierigkeiten meldeten. Die vorgeschriebene Strategie wurde am konsequentesten befolgt im Falle der Schlüsselwortstrategie, am widerstrebendsten im Falle der Visualisierung. Soweit zur Auswertung. Eine Abgleichung der subjektiven Daten mit den individuellen Behaltenswerten nimmt STORK nicht vor. Auch die wichtige Frage, ob die genannten Ausführungsschwierigkeiten, die für eine geringe face validity einzelner Teile der Erhebung sprechen, die jeweiligen Behaltensleistungen mit beeinflusst haben, wird nicht erörtert. Die Gesamtergebnisse werden lernpsychologisch mit größer Vorsicht interpretiert (S. 171 f), dies wohl zu Recht, da das Erhebungsverfahren keinen Einblick in Verarbeitungsprozesse erlaubte und drei der vier Strategien sich als gleich (in-)effizient erwiesen. Auch bei der Erörterung didaktischer Konsequenzen (S. 174 ff.) lässt STORK Vorsicht walten ihrem Plädoyer für die allein hervorragende Schlüsselwortmethode wird keiner widersprechen wollen. Zur Forschungsmethode: Design und Auswertung verraten, dass es STORK vor allem um die Absicherung von Objektivität und Reliabilität geht, weniger um die Validität eines der Lehr- und lFLulL 34 (2005) 228 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Lernrealität nahen Konstrukts „Vokabellernstrategie". Vf. weist selber (S. 171) auf zwei Randbedingungen hin, die die Generalisierung ihrer Ergebnisse einschränken: sie gelten für „sprachlernerfahrene Erwachsene, die sich bei der Aneignung einer Fremdsprache im Anfangsunterricht befinden", denen also noch nicht genügend Wortschatz zur zielsprachlichen Vernetzung des Wissens zur Verfügung steht. Man kann hinzufügen, dass das Sprachmaterial mit seiner systematischen Vermeidung von Kognaten, morphologischer Durchsichtigkeit und Kontexten wohl nur das Wortschatzlernen von typologisch weit entfernten Sprachen ohne Internationalismen simuliert. Auch manch anderer Faktor des realen Wortschatzlernens wird ausgeblendet bzw. extrem vereinfacht: Die Strategieunterweisung erfolgte einmalig über einen kurzen Instruktionstext, problemabhängige Strategiewahl wurde nicht zugelassen, ebensowenig eine Strategienkombination. Die Semantisierung erfolgte über eine Herübersetzung, die Kontrolle des Lernergebnisses über eine Hinübersetzung. Die eigentliche inhaltliche Verarbeitung wurde damit auf das Minimum des Bedeutungsaufrufs in L1 reduziert; syntaktische bzw. semantische Kontraste oder gar fremdkulturelle Inhalte fehlten. Das Erhebungsformat simulierte mithin eine Form der Wortschatzaneignung, wie sie alle Schüler zu allen Zeiten praktiziert haben: Vokabeln zu lernen, indem man eine L2- Wortform quasi als Etikett auf eine vertraute LI-Bedeutung klebt. Variiert wurde in der Erhebung sozusagen nur der Kleber die jeweilige Strategie. Wer dieses Konstrukt des Vokabellernens für untersuchenswert hält, wird der Studie entnehmen können, dass die Schlüsselwortmethode mit ihrer Mischung aus kognitiver Bizarrheit und vertrauter LI-Form-Bedeutungs-Beziehung eine effiziente Ergänzung dazu darstellt. Wer einem Strategientraining die Aufgabe zumisst, dieses Etiketten- Lernen durch andere, tiefere oder komplexere Verarbeitungsprozesse zu ersetzen, wird in der Arbeit wenig Interessantes entdecken. Fazit: STORKS Arbeit ist in ihrer quantitativen Methodologie ausgereift; die qualitativen Vorgaben aber, die in sie einfließen, bieten Anlass zur Kritik. Die Ergebnisse bestätigen weitgehend die bisherige Forschung; Anders als ST0RK leistet Christiane NEVELING mehr als nur die Überprüfung vorhandener lexikalischer Lernstrategien, sie entwickelt eine neue, relativ komplexe Lernstrategie, die Wörternetzstrategie, und überprüft deren unterrichtliche Anwendung und Effizienz im Rahmen einer breit angelegten Erhebung im Unterrichtskontext. Des weiteren versucht sie, die mit der Strategie verbundene Manipulation von Wörtern als neues Elizitationsverfahren zur Analyse des Lernerlexikons zu etablieren. Ausgangspunkt für beides sind neuere Forschungen zur Repräsentation von lexikalischen Einheiten im Mentalen Lexikon, insbesondere die Synthese von KIELHÖFER (1994) mit ihren sieben Teilnetzen: Begriffsnetze, Klangnetze, Wortfamiliennetze, Merkmalnetze (bei KIELHÖFER Wortnetze genannt), Sachnetze, affektive Netze und syntagmatische Netze. NEVELING nutzt diese spezielle multiple Netztheorie (zu ihrer Validität s.u.) als Grundlage für die Konstruktion ihrer Wörternetzstrategie. Diese besteht darin, Listen von zielsprachlichen Wörtern in eine zweidimensionale graphische Zusammenstellung umzuformen, vergleichbar den bekannten mind maps. Dabei bilden die Wörter Knoten, semantische und formale Relationen werden durch verbindende Linien ausgedrückt und so je nach Wortmaterial Teilnetze konstituiert, die zu einem Gesamt- Wörternetz zusammengefügt werden. Diese räumliche Ordnung wird ergänzt durch verschiedene graphische Elaborationsverfahren: farbige Linien, Symbole, icons, kleine Zeichnungen usw. Die Art der Netzbildung und Elaboration liegt in der Entscheidung der Lerner, die nach entsprechender Unterweisung angehalten werden, diese Strategie auf neu zu lernenden und zuvor semantisierten Wortschatz anzuwenden. Dessen Auswahl für das Wörternetz wird im fortlaufenden Strategietraining zunächst per Liste vorgegeben, später nur noch über Kernkonzepte suggeriert. Es ist unmittelbar einleuchtend, welche lerntheoretischen Vorteile diese Strategie für das Festigen von Wortschatz hat: Sie bringt den Lerner dazu, Wortform und Wortbedeutung nicht nur zu verknüpfen, lFLllllL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 229 sondern sie auf beiden Ebenen jeweils vertieft und mehrdimensional zu verarbeiten, so dass eine ganze Reihe der Teilstrategien, die in den einschlägigen Katalogen von OXFORD, SCHMITT oder M0RFELD verzeichnet sind, mit abgedeckt wird. Die Strategie ist damit zwar komplex, aber wegen ihrer einleuchtenden Visualisierung gut umsetzbar, vorausgesetzt, der (jugendliche oder erwachsene) Lerner hat einmal die KIELHÖFERschen Teilnetze verstanden. Sie lässt dem Lerner hinreichend motivationsfördernde Freiheit bei gleichzeitig relativ klar umrissener Sprachgrundlage. Alle diese Vorteile trägt die Autorin wiederholt an vielen Stellen und zuweilen in fast apologetischem Ton vor. Die Grenzen der Strategie kommen dabei zu kurz; sie ergeben sich aus ihrem Schwerpunkt, ihrem Medium und dem erforderlichen Arbeitsaufwand: Als paradigmatisch orientierte schriftliche Ordnungsstrategie fördert das Wörternetzlernen a priori nicht den kontextgebundenen Wortschatzgebrauch in der Textproduktion oder -rezeption und nicht die mündliche Wortproduktion oder -rezeption. Wörternetze bilden ist zeitaufwendig (bei 40 bis 50 Wörtern kann leicht eine Stunde vergehen), was die langfristige Akzeptanz stark mindert. Die derart umschriebene Lernstrategie überprüft NEVELING in einer gestuften Reihe aufwendiger empirischer Erhebungen im Hinblick auf ihre Notwendigkeit und Anwendbarkeit, ihren Lernertrag, ihre Nebenwirkungen, Akzeptanz und Nachhaltigkeit. Das Verfahren ist quasi-experimentell, mehrmethodisch und von hoher ökologischer Validität. Die Arbeit beginnt mit einem knappen Forschungsüberblick zum Mentalen Lexikon und zu Wortschatzlernstrategien (Kap. 2). Sie belegt dann überzeugend in einer umfangreichen Vorstudie (453 Schüler-Fragebögen, 53 Lehrer-Fragebögen, Französischunterricht an 12 Berliner Gymnasien) Strategiemängel und Monotonie im derzeitigen Wortschatzlernen und schließt daraus auf die Notwendigkeit eines verbesserten Strategientrainings (Kap. 3). Nach ausführlicher Diskussion der Wörternetze als Forschungsverfahren (Kap. 4, dazu weiter unten) wird dann das eigentliche Forschungsprojekt dargestellt (Kap. 5): eine longitudinale Interventionsstudie, durchgeführt an einem Berliner Gymnasium im Rahmen des laufenden Unterrichts (Zeitraum 12 Monate, Französischkurs mit 4 Wochenstunden, Vpen (n = 17) im 11. Schuljahr und 3. Lernjahr Französisch, keine Kontrollgruppe). Das kombinierte Lehr- und Forschungsverfahren umfasste in einem gestuften Strategientraining Vermittlung, Übung und Evaluierung der Wörternetzstrategie sowie darin integriert vier Netzerstellungsaufgaben mit Variation bestimmter Parameter (Grad der Freiheit der Erstellung, Zeitpunkt vor/ nach Lektionstext, Test mit/ ohne Ankündigung usw.), die z.T. recht umfangreiche Wortschätze (bis 50 Wörter) enthielten. Die aus ihnen resultierende Behaltensleistung wurde kurz-, mittel- und langfristig gemessen. Zusätzlich wurden zu den genannten Zeitpunkten introspektive Daten der Lerner zu Einstellungen, subjektiven Einschätzungen und faktischem Strategiengebrauch erhoben. Erhebung und Ergebnisse werden wie bei qualitativen Erhebungen üblich und notwendig außerordentlich detailliert und umfangreich dargestellt (mit Anhang knapp 300 Seiten) und die gewonnenen Daten im Hinblick auf wesentliche Kriterien (Netzeigenschaften, Lernergebnisse, Entwicklungsprozesse und Lemertypen) analysiert. Es ergibt sich ein hochdifferenziertes, auf Grund der Detailfülle zuweilen allerdings auch verwirrendes Bild davon, wie eine komplexe Lernstrategie unter Realbedingungen eingeführt, erklärt, trainiert, kontrolliert und evaluiert werden kann. Hier, im didaktischen Bereich, liegen die Stärken der Untersuchung. Die Effizienzmessung wirft hingegen Fragen auf. NEVELING misst das Behalten der durch Wörternetze gelernten Wörter dreimal: kurzfristig nach einer Woche (Behaltensrate 82-89 %), mittelfristig nach 7, 10 und 17 Wochen (angegebene Behaltensrate fallend von 75 über 66 bis 52 %) und schließlich langfristig nach ca. 13 Monaten (angegebene Behaltensrate zwischen 36 und 66 %). Die kurzfristige Behaltensrate kann als sehr effizient bezeichnet werden, wenn auch direkte Vergleiche mangels einer Kontrollgruppe gar nicht und Vergleiche mit der publizierten Literatur wegen fehlender ceterisparibus-Bedingungen kaum möglich sind. Die späteren Messwerte sind hingegen nur eingeschränkt lFLl.lL 34 (2005) 230 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel oder gar nicht interpretierbar, weil der Wortschatzunterricht vor den Messungen nicht systematisch (mittelfristige Messung) bzw. gar nicht mehr (langfristige Messung) kontrolliert wurde, mithin zwischenzeitliche Wiederholungen und Umwälzungen nicht auszuschließen sind. NEVELINGS Position gegenüber diesem Problem ist widersprüchlich: Einerseits räumt sie explizit ein, dass eine Kausalattribution nicht möglich ist (S. 255), wofür man angesichts der hohen ökologischen Validität Verständnis hätte, andererseits spricht sie passim uneingeschränkt von mittel- und langfristigen Behaltensraten (und nicht nur recall) und bewertet die Wörternetzstrategie durchweg als nachweislich günstig für das Behalten gleich welchen zeitlichen Abstands. Diese methodische Schwäche mindert aber nicht das Gesamtergebnis: Der Grundthese NEVELINGS, das Wörternetzverfahren sei eine wirksame Wortschatzlernstrategie, ist unbedingt zuzustimmen. In ihrer vorliegenden, elaborierten und von ihrer Schöpferin gründlich überprüften Form stellt sie eine unbezweifelbare Bereicherung des Lernstrategienspektrums im Wortschatzlernen dar. In der praktischen Umsetzung muss allerdings die Nachhaltigkeit abgesichert werden bei NEVELING kehrten fast alle Lerner nach Ende des Strategietrainings wieder zum vertrauten und vermeintlich ökonomischeren Listenlernen zurück. Der Versuch NEVELINGS, die Wörternetzerstellung nicht nur als Lernstrategie, sondern auch als Forschungsverfahren zu etablieren (Kap. 4), wirft interessante Fragen auf. Erforscht werden soll damit zweierlei (S. 120): das deklarative lexikalische Wissen und die lexikalischen (Speicher-) Strategien der Lerner. Nun ist evident (und als Argument nahezu zirkulär), dass eine Anweisung, Wörter auf einem Blatt Papier in eine bestimmte Ordnung zu bringen, als Elizitationsverfahren geeignet sein kann, Aufschlüsse darüber zu liefern, wie Lerner diese Wörter semantisch, formal usw. miteinander verbinden, wenn sie die dazugehörige Strategie anwenden. Auch ist klar, dass das auf dem Papier einmal fixierte Wörternetz Spuren im Gedächtnis hinterlässt, die es dem Lerner erlauben, das Netz zu einem späteren Zeitpunkt identisch oder ähnlich noch einmal niederzuschreiben. Schließlich ist plausibel, dass explizit gelerntes metasprachliches Wissen über Kategorien von Wortbeziehungen (die sieben Teilnetze) die Art der Speicherung von Wörtern mit determiniert. Heißt das aber auch, dass das schriftlich fixierte Netz eine dauerhafte Struktur im mentalen Lexikon, also in der Sprachkompetenz des Lerners abbildet, das dieser im Zugriff nutzt, um Sätze zu bilden oder zu verstehen? Angesichts eines solchen nicht direkt beobachtbaren Konstrukts kann die Beweisführung nur indirekt sein. Darum bemüht sich NEVELING nach Kräften, indem sie vergleichend und ausgiebig die verschiedenen bekannten Erhebungsverfahren sowie ihre Gütekriterien , dazu die kognitiven Grundlagen des räumlichen Sehens und schließlich die Qualität ihrer eigenen Daten diskutiert, um zum Schluss zu kommen, dass ihr Verfahren als Beschreibungsinstrument des Mentalen Lexikons gemessen an anderen hoch valide sei. So beeindruckend die Fülle der hier angeführten methodologischen Argumente auch sein mag die Argumentation leidet nach meiner Überzeugung unter einer mangelhaften Modellierung der eigentlichen Vokabellernprozesse. Zum einen ist der von NEVELING genutzte theoretische Rahmen des abzubildenden Konstrukts, nämlich das Konzept der sieben KIELHÖFERschen Teilnetze, diskussionsbedürftig. Als Ausgangspunkt für Lehrmaßnahmen zwar akzeptabel, verknüpft es mit Hilfe der Netzmetapher kognitiv und psycholinguistisch relativ verschiedenartige Phänomene: semantische und phonologische Relationen, Schemawissen über die Welt (z.B. aus einem Lektionstext), Wortbildungsprozeduren, Textbildungsverfahren (über Mehr-Wort-Fügungen) sowie Affekte. In einem umfassenden Sprachproduktionsmodell, etwa dem von LEVELT, gehört nur ein Teil von ihnen als lexikalisches Speicherprinzip zum Mentalen Lexikon, andere (z.B. affektive Färbung, Schemawissen, Wortbildung, Textbildung) gehören (auch) zu anderen Komponenten des Produktionsprozesses. Ein Wörternetz aus den genannten Teilnetzen würde demnach sprachlich-kognitive Konfigurationen abbilden, die mehr als nur das mentale Lexikon umfassen. Zum zweiten ist wohl lFLIUl.lL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 231 die Frage, welche Wissensstruktur abgebildet werde, zu naiv (im methodologischen Sinn), wenn man sie daran misst, wie z.B. in einem anderen Sprachbereich, der Grammatik, die Art des Wissens modelliert wird, das aus Lehr- oder Lernprozessen entsteht: explizit oder implizit, deklarativ oder prozedural, automatisiert oder kontrolliert, diese jeweils mit Übergängen von einer Wissensform in die andere und möglicherweise ganz verschieden genutzt, je nachdem ob man Sprache spontan oder reflektiert rezipiert oder produziert. Und zum dritten greift ein nur psycholinguistisch fundiertes Speicherkonzept für das gesteuerte Wortschatzlernen grundsätzlich zu kurz, muss es doch ergänzt werden durch eine kognitive Vokabellerntheorie, die die Informationskomponenten einer Vokabel genauer differenziert, das schon Gelernte vom neu zu Lernendem unterscheidet sowie das fundamentale Prinzip des Transfers aus der L1 berücksichtigt. Vor allem zu den beiden letzteren Bereichen findet sich bei NEVELING nichts; über die den Netzen vorangehende Semantisierung im Unterricht wird kaum mehr gesagt, als dass sie stattgefunden habe. Fasst man diese Ergänzungen zusammen, lässt sich tentativ ein Bild von der Netzerstellung zeichnen, das gewissermaßen die prozedurale Leerstelle ausfüllt, die NEVELING mit ihrem eher produktorientierten Netzansatz offen lässt. Ausgangspunkt ist das Semantisierungsangebot im Unterricht: Es wird teils als neue Information verarbeitet und gespeichert (alle Merkmale der Wortform, dazu kontrastiv semantische und grammatische sowie zielkulturelle Merkmale), teils über Äquivalenzannahmen als bekannte Information aus Ll übernommen (so die übergroße Mehrheit der Konzepte; bei Erstsemantisierung kann ja ein dessin konzeptuell gar nichts anderes sein als eine Zeichnung, ein match nichts anderes als ein sportliches Spiel). Was geschieht nun beim Wörternetzzeichnen? Die genannten Informationen aus Ll und L2 werden zum Aufbau der Netze genutzt, die semantischen Relationen mehrheitlich über die LI-Konzepte, sofern nicht Sprachkontraste wirken, die Sachnetze über vorsprachliches oder in L1 (ggf. in L2) gefasstes Schemawissen, die Klangrelationen über die L2, die Wortfamilien über Formähnlichkeiten oder Morphemwissen in der L2 usw. Dies ist ein durchaus plausibles Bild vom mentalen Lernerlexikon, das bekanntlich heterogen, instabil, lückenhaft ist, LI-Elemente, L2-Elemente und eigene Bildungen enthält, dies alles in Form von explizitem, implizitem, deklarativem und prozeduralem sowie episodischem Wissen.2 Die Frage danach, ob ein Wörternetz nur Konstruktionsmittel oder auch Abbild des mentalen Lernerlexikons ist, enthält aus dieser Sicht nur eine Scheinalternative: Soweit LI-bezogen oder schon früher gelernten L2-Wortschatz betreffend, ist das graphische Netz Abbild, weil diese Netzteile schon lange vorher erworben wurden; soweit auf neu gelernte L2-Wörter bezogen, ist das graphische Netz ein bewusst und kontrolliert praktiziertes Mittel, eine latent in den gelernten Informationen enthaltene mentale Struktur effektiv auszubilden und zu festigen. Mit seiner Doppelrolle als Abbild und als Konstruktionswerkzeug entspricht das Wörternetz übrigens recht gut der Hybridität des gesteuert erworbenen Lernerlexikons, das immer zugleich Bestand und Entwicklung darstellt. Fazit: NEVELINGS Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Wortschatzdidaktik. Sie besticht durch Innovation, methodische Sorgfalt und Gründlichkeit der Darstellung. Ihr Wörternetzverfahren ist geeignet, als Strategie die Möglichkeiten des Wortschatzlernens zu erweitern. Als Forschungsansatz trägt es ggf. mit einigen notwendigen Erweiterungen zur Analyse des fremdsprachigen Mentalen Lexikons bei. Hamburg WOLFGANG BÖRNER 2 Vgl. z.B. Wolfgang BöRNER: "Implizites und explizites Wissen im fremdsprachlichen Wortschatz". In FLuL 26 (1997), 44-67. JF][,w., 34 (2005) 232 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Johannes ECKERTH: Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen. Tübingen: Narr 2003 (Tübinger Beiträge zur Linguistik; Band 466), 378 Seiten [48 €] Für den Umgang mit Übungen und Aufgaben in unterschiedlichen Sozialformen existieren viele didaktisch-methodische Vorschläge. Derartige Tätigkeiten sind jedoch bislang kaum einer anspruchsvollen empirischen Untersuchung hinsichtlich der beim Aufgabenlösen in den Lernerinteraktionen beobachtbaren Kognitionen und Lernprozesse unterzogen worden. Diesem Defizit will die vorliegende, im Kontext der Hamburger Sprachlehrforschung entstandene Studie begegnen. Sie untersucht, wie Lernende in Paararbeit eigens entwickelte, kommunikative wie formfokussierende Aufgaben ausführen. Auf dieser Basis soll u.a. ermittelt werden, welche Prozesse und Produkte des Lernens anfallen, auf welche Wissensressourcen die Lernenden zugreifen und welche kurzbis mittelfristigen Lernerfolge sie erzielen. Die Arbeit im Überblick: Den Kern bilden theoretische Ausführungen zum Thema Interaktion und Fremdsprachenerwerb (Kap. 1 [55 S.]), Reflexionen zu Methodologie und Untersuchungsdesign (Kap. 2 [64 S.]) und eine umfangreiche Darstellung der Untersuchungsergebnisse (Kap. 3, [140 S.]). Hinzu kommen Schlussfolgerungen sowie ein 50seitiger Anhang. Er veranschaulicht die verwendeten Lernaufgaben, Transkriptionen aufgabenbasierter Lerner-Lernerinteraktionen, sich darauf beziehende retrospektive Interviews und Lernzuwachstests nebst Auswertungen. In Kap. 1 klärt ECKERTH, dass es ihm nicht um kommunikative, sozio- oder pragmalinguistische Aspekte der Interaktion geht. Sein Interaktionsbegriff ist vielmehr psycholinguistisch, also spracherwerbsgewendet zu verstehen. So ergibt sich die zentrale Frage, welche Interaktionsereignisse als fremdspracherwerbsfördernd einzuschätzen sind und zwar im Kontext des Lösens von Aufgaben, denen die Eigenschaft zuschreibbar sein muss, möglichst lernrelevante Aushandlungsprozesse zu generieren. Über eine kompetent-kritische Auseinandersetzung mit theoretischen Ansätzen und Forschungen zur fremdsprachenerwerbsspezifischen Interaktion (Studien zum negotiation of meaning und task-based research sowie zur deutschen prozessorientierten Lernaufgabenforschung) gelangt ECKERTH zu einem integrativen Gegenentwurf. Gegenentwurf insofern, als er Einseitigkeiten und Schwächen der genannten Studien auszugleichen sucht, integrativ insofern als er für eine prozess- und produktorientierte (d.h. lerner- und lernzentrierte) fremdsprachenerwerbsspezifische Interaktionsforschung plädiert. So verbindet er im Kontext einer empirischen Lernaufgabenforschung unmittelbar die Lehrmit der Lernperspektive. Zur Lerner- und Lernzentriertheit des Ansatzes heißt es: "Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht neben dem Lerner mit seinen Wahrnehmungen und dem (sie! ) von ihm präferierten Lern- und Lösungswegen zugleich ein eventuell hieraus resultierender Lernerfolg" (S. 49). Was die für seine Untersuchung ausgewählten, z.T. eigens entwickelten strukturbezogenen Lernaufgaben betrifft, so erschließt sich ECKERTH diese theoretisch wie empirisch im Einklang mit relevanten Positionen der interface-Debatte sowie Studien zur noticing auslösenden Formfokussierung. Weiterhin skizziert er die lerner- und lernbasierten Evaluierungen, die Gegenstand von Kapitel 2 und 3 sind. Lernerbasiert sind dabei die individuellen Interessen und Probleme der Lernenden sowie die Wahrnehmung der Lernaufgabe; lernbasiert ist „die Qualität und Quantität dessen, was und wie gelernt wird, bezogen auf den Lernerfolg als auch auf den Lernweg" (S. 50). In diesen Kontext platziert ECKERTH folgende primären Forschungsfragen: 1. Wie interagieren Lerner in aufgabenbasierten Lerner-Lerner-Konstellationen? 2. Welche zielsprachlichen Lernprozesse und Lernerfolge sind damit verbunden? 3. Inwiefern sind diese Lernprozesse und Lernerfolge von der Lernaufgabe, inwiefern von der Lernerindividualität, d.h. seinen Lerninteressen und Lernproblemen, abhängig? (S. 67). Weitere 17 (! ) affine Forschungsfragen stellt er noch hinzu, Indiz für die Differenziertheit der Reflexionen des Autors. IFJLIIIL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 233 Methodologisch gesehen (Kap.2) stehen zwei Pilotstudien, die insbesondere dem Dienlichkeitsnachweis der einzusetzenden Lernaufgaben gelten, am Anfang der Untersuchung. Die eigentliche qualitative Untersuchung umfasst die Analyse der Transkriptionen des bei der Aufgabenbearbeitung angefallenen Lerner-Lernerdiskurses bezüglich Konzepten wie Wissensressourcen, Lernweg und interaktionellem Lernpotential. Diese Analyse ergänzen jeweils am Folgetag durchgeführte retrospektive Interviews, mit denen lernersubjektive Sichtweisen und Einstellungen sowie Präzisierungen des Lernpotentials in Erfahrung gebracht werden. Flankierend treten Lernzuwachstests hinzu. Dieses methodologische Konstrukt gewährt Daten- und Methodentriangulierungen und gestattet somit eine Erhöhung der Validität der Studie. ECKERTH bezeichnet sein Verfahren als einen explorativ-interpretativen und quasiexperimentellen Mehr-Methodenansatz. Insgesamt bietet dieses relativ umfangreiche Kapitel eine detaillierte, kenntnisreiche und kritisch-abwägende Diskussion der einzelnen Untersuchungsinstrumente und ihrer Verknüpfung, die für methodologisch Interessierte allemal lesenswert ist. Das konkrete, insbesondere Sprachlehrforscher interessierende „Untersuchungsszenario" hat folgende Kontur: Die 42 über sechs Wochen hinweg „kooperierenden" Lernenden waren multinationale Teilnehmer studienvorbereitender Deutsch als Fremdsprache-Intensivkurse auf den Leistungsniveaus der unteren und oberen Mittelstufe. Sie wurden von ECKERTH selbst unterrichtet. Die ausgeübten Tätigkeiten wurden den Lernenden gegenüber als Aufgabenerprobungs- und nicht als Forschungsprojekt deklariert. "Erprobt" wurden zwei Typen von paarig zu lösenden Aufgaben: • bedeutungsaushandelnde Aufgaben: zum einen eine Diskussion über für eine Wüstenexpedition benötigte Gegenstände, zum anderen das Beschreiben menschlicher Gesichter zum Zwecke der Identifikation; • sprachstrukturelle Aufgaben: zum einen die schriftliche, inhaltliche wie sprachstrukturelle Rekonstruktion eines Hörtextes, zum anderen Textreparaturen, wobei zwei „Pidgintexte", gekennzeichnet durch infinite Verbformen, ausgelassene Präpositionen und Reflexivpronomen, inhaltlich wie grammatisch korrekt schriftlich wiederzugeben waren. Für jede der Lernaufgaben wurden spezifische taggleiche Prä- und Posttests und, um acht Tage versetzt, Folgetests (Satzbildungsaufgaben) durchgeführt. Darüber hinaus wurden, um Lernleistungen zu erfassen, die jenseits der expliziten Lernziele (Verben mit Präpositionalergänzungen, Passivkonstruktionen mit Modalverben) lagen, weitere, auf den Interaktionsprotokollen basierende, für jedes Lernerpaar individuell erstellte lernerdyadenspezifische Folgetests durchgeführt. Unmittelbar vor und nach der Untersuchung wurde noch ein in Aufnahmeprüfungen erprobter C-Test administriert, um zu erfahren, ob die Lernenden noch den ursprünglichen Leistungsniveaus (Mittelstufe A und B) zuweisbar waren. Die Ergebnisse (Kap.3) der Interaktionsuntersuchung und der Tests lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Analyse der bedeutungsaushandelnden Interaktion (Kap.3.1) erbringt, dass die im Kontext der interaction hypothesis erzielten Ergebnisse nordamerikanischer Studien zur native-non native- Interaktion in der Untersuchung ECKERTHs (hier geht es um fremdsprachenunterrichtliche Interaktion zwischen Nichtmuttersprachlern) nicht wiederholbar sind. Somit wären die im Rahmen erstgenannter Studien vorgebrachten Empfehlungen, gezielt referentielle Kommunikationsaufgaben für den Fremdsprachenerwerb einzusetzen, ohne Grundlage. Weiterhin kann ECKERTH die beanspruchte umfassende Bedeutung des negotiation of meaning für den Fremdsprachenerwerb nicht bestätigen. Er plädiert dafür, dass das Reden über tatsächliche Lerninteressen und Lernschwierigkeiten authentischer einzuschätzen sei, als das Diskutieren anlässlich einer fiktiven Wüstenexpedition. Bei der Transkriptanalyse der sprachstrukturell orientierten Interaktion (Kap. 3.2 und Schwer- IFlLl.lL 34 (2005) 234 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel punkt der Untersuchung) rückt ECKERTH den eigentlichen Lernprozess, der die Lernergespräche kennzeichnet, in den Vordergrund. Seine Auswertung erbringt, dass in dieser zielsprachlichen Kommunikation sprachliche Funktionen in großer Breite realisiert werden. Insbesondere werden individuelle L2-Wissensbestände aktiviert, verbalisiert und interaktiv ausgehandelt. Bei den anzutreffenden kognitiven Aktivitäten nimmt er folgende spracherwerbsbegünstigende Wirkungen an: Förderung von Sprach- und Sprachlernbewusstheit, selbstverständlich auch Erkennen eigener L2-Wissensschwächen sowie Erweiterungen vorliegenden expliziten L2-Wissens. ECKERTH schildert darüber hinaus eine Fülle weiterer Beobachtungen: Genaueres zu Lern- und Lösungswegen und den hierbei herangezogenen Wissensressourcen, eine Typisierung in produkt- und prozessorientierte Lerner (letztere sind z.B. eher an problemorientierten Aushandlungen interessiert), Bewusstsein gegenüber dem „sicher vs. unsicher"-Status des eigenen Iernersprachlichen Wissens, Existenz und Formen entdeckenden, experimentierenden und prozessorienterten Lernens. Für die quantitative Auswertung der Lernzuwächse in den lernerpaarspezifischen Aushandlungen wurde von ECKERTH eigens ein „dyadenspezifisches" Testverfahren entwickelt. Es erbringt als wichtigstes Ergebnis, dass mehr als ein Drittel individueller Lernerhypothesen zielsprachenkonform revidiert werden, eine deutliche Erweiterung normgerechter L2-Wissensbestände also. Dass es zu diesen Revisionen kommt, wird laut ECKERTH durch bestimmte, als Lerngelegenheiten beschreibbare Interaktionen verursacht, in denen die Lernenden ihre jeweiligen unterschiedlichen L2-Hypothesen kontrovers diskutieren. Die Auswertung der aufgabenspezifischen Lernzuwächse belegt einen deutlichen kurzfristigen, aber auch mittelfristigen kursniveauübergreifenden Lernzuwachs, wobei dieser Lernzuwachs offensichtlich den konkreten Lerner-Lernerinteraktionen zuzuschreiben ist. Abschlussreflexionen: In Sachen Fremdsprachenerwerbsforschung plädiert ECKERTH dafür, die weitere Erforschung aufgabenbasierter, sprachstrukturell orientierter Lerner-Lernerinteraktionen als individuell ablaufende Prozesse, aber auch als generalisierbare Befunde anzusehen und voranzutreiben. Ob diese Interaktionsart und ihr offenkundiges Erwerbspotential auch auf den Lehrer- Lerner-Diskurs übertragen werden könnte und wie diese Interaktionserfahrungen die Lernenden zu selbständigem Weiterlernen anregen, sind in diesem Kontext interessante Fragestellungen. In Sachen Forschungsdesign reiht sich ECKERTH entschieden in die Reihe derer ein, die für ein verstärktes Realisieren polymethodischer Triangulierungen explorativ-interpretativer und analytisch-nomologischer Ansätze plädieren. In Sachen didaktische Perspektiven verweist ECKERTH darauf, dass sich insbesondere die Textreparaturaufgaben als eindeutig spracherwerbsfördernd erwiesen haben. Was die Funktionen der Lernenden als Helfer, die der Lehrenden als Lernberater bei der Aufgabendurchführung und lernsensitiven Nachbereitung betrifft, parallelisieren seine Ausführungen die gegenwärtige didaktisch-methodische Diskussion. Perspektivischer ist seine Idee, eine empirische Lernaufgabenforschung zu etablieren, die imstande ist, die nötige Praxisrelevanz der Fremdsprachenerwerbsforschung zu fördern. Die Arbeit ist nicht frei von inhaltlichen Redundanzen. Warum sollte man diese aber nicht als die Textrezeption erleichternd interpretieren, entwickelt ECKERTH doch ein elaboriert komplexes Forschungsszenario, das stimmige theoretis.che Reflexionen, eine maßgeschneiderte Methodologie nebst sensiblen, akribischen und differenzierten Auswertungen sowie darauf abgestimmten methodisch-didaktischen Transpositionen bietet? Da darf es eigentlich auch nicht als abträglich empfunden werden, wenn es neben höchst relevanten Ergebnissen (z.B. zum Lernpotential der unters.uchten Interaktionen) zwangsläufig auch zur Darstellung nicht ganz so origineller Befunde (verschiedene Lern- und Lösungswege der Probanden) kommt, die man zur Genüge aus der "alltäglichen Anschauung" fremdsprachlicher Lernprozesse kennt. lFJLllllL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 235 Johannes ECKERTH hat ein sehr wichtiges, sehr lesenswertes, aber auch anspruchsvolles Buch vorgelegt. In der stimmigen Verbindung von theoretischen, methodologischen und methodischdidaktischen Reflexionen, Interpretationen und Setzungen verschafft es insbesondere dem bereits etwas sachkundigen Leser den Zugriff auf eine Reihe wichtiger Einzelbeobachtungen und Einsichten. Es wird mehr als deutlich, dass der Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen ein höchst relevantes, Theorie und Praxis effektiv verschränkendes Forschungsfeld darstellt. Bochum HORSTRAABE Werner HÜLLEN: Kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005, 184 Seiten [19,95 €] Lenkt man den Blick aus heutiger Zeit zurück auf die mehr als tausendjährige Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei die Fremdsprachendidaktik dazu verdammt, in bestimmten Zeitabständen das 'methodische Rad' immer wieder neu zu erfinden. In der Tat ergibt sich für den Betrachter der facettenreichen und wechselvollen Geschichte des Fremdsprachenunterrichts keineswegs das Bild einer „einsinnigen Entwicklung oder gar eines deutlich erkennbaren Fortschritts"' in der Auseinandersetzung um methodische Konzepte und Positionen. Offensichtlich hat es im Bereich der Fremdsprachenmethodik nie so etwas wie einen linearen Fortschritt gegeben, so dass man wie Schröder mit ironischem Unterton formuliert - "vom Fortschritt [auch nicht] überrollt werden kann" 2 • Solche (aber auch andere) Einblicke in historische Zusammenhänge dürfen in ihrer Bedeutung für das unterrichtliche Handeln des Fremdsprachenlehrers nicht unterschätzt werden. Aus dem Vergleich mit Erfahrungen, die seine beruflichen Vorgänger in der Vergangenheit bereits gemacht haben, lassen sich nämlich ganz neue Bewertungsmaßstäbe gewinnen, aus denen dann wiederum jene kritische Distanz gegenüber dem eigenen Tun erwächst, die man gerade bei Fremdsprachenlehrern gelegentlich vermisst. Größtes Hindernis auf dem Weg, dieses Wissen in verständlicher und anschaulicher Form zu vermitteln, ist neben den bekannten Lücken in der historiographischen Forschung zu diesem Thema die Tatsache, dass es nur wenige überblicksartige Darstellungen gibt, die den Ansprüchen genügen, wie sie üblicherweise an die Fremdsprachenlehrerausbildung gestellt werden. Genau dieser ebenso ambitionierten wie schwierigen Aufgabe hat sich Werner HÜLLEN verschrieben. Ehrgeiziges Ziel seiner „kleinen" Geschichte des Fremdsprachenlernens ist es, auf weniger als 150 Seiten Text „eine ideengeschichtlich inspirierte kontinuierliche Beschreibung der historischen Befunde zum Fremdsprachenlernen zwischen den spätklassischen Anfängen in Rom und (etwa) dem Jahr 1965 mit einem Ausblick bis zum Jahrhundertende-" (S. 7 f) zu liefern. Im Unterschied zu konkurrierenden Monographien etwa von TITONE (1968), KELLY (1969), KANA (1980) oder CARAVOLAS (1994, 2000) 3 geht es nicht um einzelne Epochen, auch nicht um arealtypische oder sprachspezifische Herbert CHRIST: "Einleitung". In: Id. (Hrsg.): Didaktik des Französischunterrichts. Wiesbaden: Wiss. Buchgesellschaft 1985, 1-22 (hier: 5). 2 Konrad SCHRÖDER: "Frühe Auffassungen vom Fremdsprachenerwerb". In: Dieter BUTTJES (Hrsg.): Neue Brennpunkte des Englischunterrichts. Festschrift für Helmut Heuer zum sechzigsten Geburtstag. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 1992, 133-144 (hier: 133). 3 Kurze Erläuterungen mit entsprechenden bibliographischen Angaben zu der von HOLLEN nicht erwähnten Untersuchung von KANA sowie zu anderen nur beiläufig genannten Darstellungen finden sich in meinem Rezensionsaufsatz zum ersten Band der Trilogie von CARAVOLAS (in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung lFLllllL 34 (2005) 236 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Phänomene und erst recht nicht um didaktische Fragestellungen. Herausgestellt werden sollen vielmehr die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten nationaler Traditionen, deren Analyse dann in eine europäische Geschichte· des Fremdsprachenlernens „mit ihren Kontinuitäten und Brüchen" (S. 7) münd.et. Zwei Grundannahmen, die dem Autor zugleich als Rechtfertigung fiir das Buch selbst dienen, bestimmen Auswahl und Interpretation des zugrunde gelegten Materials; (1) Bis in die frühe Neuzeit - und das heißt bis mindestens Ende des 17. Jahrhunderts - "[kann] die Geschichte der Sprachtheorie [... J angemessen nur als eine europäische Tradition beschrieben werden[ ...], in die nationale Traditionen eingelagert sind" (S. 14). (2) Von Beginn an bestand ein enger Zusammenhang zwischen Sprachlehre und Sprachbeschreibung. Aus dieser Affinität erklärt sich, dass Grammatikographie und Lexikographie -wenn auch nicht ausschließlich so doch weitgehendaus einem didaktischen Interesse heraus entstanden sind. Diese beiden Thesen werden vor allem im ersten Teil (Kap. II [19-72]) entwickelt, der dem frühen Fremdsprachenlernen gewidmet ist und der primär die spätrömischen, die mittelalterlichen sowie die humanistischen (bzw. früh-modernen) Epochen urnfasst. Konstitutives Merkmal der Zeit bis etwa 1650, in der sich folgerichtig die didaktisch-methodischen Prinzipien auch nicht an Sprachgrenzen festmachen lassen, ist „die eine dominante Fremdsprache, das Lateinische" (S. 13), insbesondere die nachhaltige Wirkung ihrer linguistischen Beschreibung und ihrer stark formalisierten Vermittlung. Sichtbarer Ausdruck dieser transnationale Gemeinsamkeiten stiftenden -'- Prädominanz des Lateinischen sind bekanntlich die römischen (lateinischen) Grammatiken, allen voran die Ars minor und Ars maior des Aelius DONA TUS sowie die lnstitutiones grammaticae des PRiSCIAN, die „über Jahrhunderte hinweg eine kanonische Wirkung in jeder Art von Sprachunterricht [...] entfalteten" (S. 22). Ein verbindendes Element von vergleichbarer Bedeutung stellen daneben die Glossen bzw. Glossare dar, in denen der lateinische Wortschatz seit dem 8. Jahrhundert für den Unterricht aufbereitet war. In zweierlei Hinsicht erweist sich das Lateinische hier erneut „als gemeinsamer Bezugspunkt selbst für das Erlernen von Nationalsprachen" (S. 57). Zum einen leitete die Glossarliteratm eine_ Entwicklung ein, an deren Ende zunächst die Nominalien bzw. Verbalien, schließlich die zweisprachigen übersetzenden Wörterbücher standen. Zum anderen wurden an die thematisch ordnenden Wortlisten Unterrichtsgespräche zwischen Lehrern und Schülern angehängt, aus denen dann im 16. Jahrhundert ein neues Lehrbuchgenre hervorging, die sog. Gesprächsbücher. Anknüpfend an eine „geradezu ehrwürdige Lehrform" (S. 48), wie wir sie bereits in den griechisch~latein: ischen Hermeneumata vorfinden, und ausgehend von zwei Erstpublikationen dem 1477 ih Venedig erschienenen Buch lntroito e porta des Adam von ROTTWEIL sowie dem seit 1536 nachgewiesenen, auf dem Livre des mestiers aufbauenden: Buch von Noel V AN BERLEMONT (oder DE BARLAIMONT) Colloquia et Dictionariolum verbreitete sich dieses Genre in Form großer Textbuchfamilien mit bis zu 100 verschiedenen Ausgaben sehr rasch auf dem ganzen Kontinent. Das Zeitalter der Aufklärung, in der das Französische zur europäischen Universalsprache avanciert und höfische Bildung nach französischem Vorbild zum neuen Erziehungsideal wird, markiert fiir HOLLEN das Ende des frühen Fremdsprachenunterrichts. Er nennt diese Epoche die "stille Periode" (Kap. H.5 [63-72)); eine recht ungewöhnliche und trotz entsprechender Rechtfertigungsversuche nur schwer nachvollziehbare Sicht auf das 18. Jahrhundert. Richtig ist, dass in der Tradition der magistri linguarum viele methodische Ansätze aus der humanistischen Ära unverändert fortgesetzt werden und dass sich umgekehrt der methodische Einfluss des formalisier• 9.2 (1998), S. 294, Anm. 3). Zur kritischen Würdigung des 2. Bandes von CARAVOLAS vgl. in diesem Band SS. 219-223. lFLuL 34 (ZOOS) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 237 ten Lateinunterrichts gerade in den öffentlichen Schulen sogar noch verstärkt. Und richtig ist sicher auch, dass „trotz der Vielfalt der Überlegungen und der Vielzahl der beteiligten Personen[...] die zündende Idee, die laute Stimme, in dieser Zeit fehlte" (S. 72). Dennoch bleibt das 18. Jahrhundert die Epoche, in der das Lateinische vom aufkommenden sprachlichen Nationalismus zurückgedrängt wird, in der die Verankerung der nationalen Fremdsprachen im öffentlichen Schulwesen einsetzt und in dem die Wurzeln für das neuhumanistische Gedankengut gelegt werden; es ist wie an anderer Stelle erwähnt das Jahrhundert großer pädagogischer Umwälzungen, "das Jahrhundert vemunftgemäßer Ordnung und Reglementierung des Schul- und Erziehungswesens", das in die Fremdsprachengeschichte als „Jahrhundert der methodischen Schulbildung" 4 eingegangen ist. Mit der sich abzeichnenden Nationalisierung des bis dahin eher europäisch ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts verliert das Lateinische seine vorherrschende Stellung; die Gewichtung zwischen neuen und alten Sprachen kehrt sich zugunsten der Ersteren um. Die gedanklichen Grundlagen für diesen neuzeitlichen Fremdsprachenunterricht, "auf den sich die Didaktik noch bis etwa 1965 berufen konnte" (S. 13), werden bekanntlich in der neuhumanistischen Ära des 19. Jahrhunderts gelegt. Dieser Zeitabschnitt steht im Mittelpunkt des zweiten Teils (Kap. III [73- 156]), wobei die auch im ersten Teil stärker auf die Entwicklungen im deutschen Sprachraum fokussierte Darstellung nunmehr ganz auf das Geschehen in Deutschland begrenzt ist. Gestützt auf ein gründliches Studium der einschlägigen Quellen rekonstruiert HÜLLEN in fünf Abschnitten die Entwicklungen, die wichtige Stationen auf dem Weg in die Gegenwart markieren 5 und die damit Eckpfeiler der jüngeren (nationalen) Ideen- und Praxisgeschichte des Fremdsprachenunterrichts darstellen. Schlaglichtartig beleuchtet werden u.a.: die im Fahrwasser neuhumanistischer Vorstellungen entstandenen staatlichen Ordnungen und unterrichtlichen Konzepte für Gymnasien und Realschulen, die unterschiedlichen Formen der sog. Grammatik-Übersetzungsmethode, die Philologisierung des Fremdsprachenlehrerberufes (an den Gymnasien) und damit die endgültige Ablösung des nur praktisch erfahrenen Sprachmeisters, die untrennbar mit dem Namen VIETOR verbundene Reformbewegung (die allerdings in vielerlei Hinsicht auf Überlegungen von James HAMILTON und Joseph JACOTOT zurückgreift und die die endgültige Abkehr vom methodischen Vorbild des Lateinunterrichts bedeutete), das im Rahmen der „Richtlinien für die Lehrpläne der höheren Schulen Preußens" (1924) von Hans RICHERT herausgearbeitete kulturkundliche Konzept und dessen Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht, die Pervertierung dieses Konzepts durch Umdeutung zur 'Wesenskunde' in den nationalsozialistisch geprägten Richtlinien von 1938 (die nebenbei gesagt das Französische als Sprache des Erbfeindes zur Bedeutungslosigkeit verurteilten) sowie schließlich die für die Bildungspolitik zwischen 1945 und 1965 maßgeblichen Abkommen der Kultusminister von Düsseldorf (1955) und Hamburg (1964), bei denen durch Fortschreibung bisheriger Organisationsformen, Fächerkombinationen 6 und adaptierten, der sog. vermittelnden Methode folgenden- Unterrichtsroutinen aus der Vor-NS-Zeit „eine Konsolidierung des deutschen Schulwesens und also auch des Fremdsprachenunterrichts" (S. 131) angestrebt wurde. Obwohl die historiographische Rekonstruktion an dieser Stelle eigentlich enden sollte (und auch könnte), lässt es sich der Autor nicht nehmen, "einen abschließenden Blick auf die Gegenwart" 4 Franz-Rudolf WELLER: "Französischunterricht in Deutschland am Vorabend der Französischen Revolution". In: Die Neueren Sprachen 88.6 (1989), 620--648 (hier: 621 und 626). Vgl. dazu in diesem Band S. 219. 5 Die Abschnitte sind überschrieben: 1. Das innovative 19. Jahrhundert; 2. Der Wettbewerb der Methoden; 3. Die Preußische Schulreform von 1924; 4. Fremdsprachenunterricht im Nationalsozialismus; 5. Fremdsprachenunterricht nach der großen Katastrophe. 6 Bei den Regelungen über die Fächerkombinationen nimmt das Übergewicht des Englischen gegenüber dem Französischen allerdings nochmals deutlich zu. lFJLi.ulL 34 (2005) 238 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel (S. 140) zu werfen und in einem mit „Focus Gegenwart" betitelten sechsten Abschnitt Strömungen bzw. Umstände zu skizzieren, die ursächlich für die Mitte der sechziger Jahre einsetzenden Veränderungen im Fremdsprachenunterricht waren. Erwähnt seien hier lediglich sechs dieser Fakten und Argumente: (1) Die europäischen Sprachen werden für viele Menschen zu einer Alltagserfahrung. Zusammen mit der Forderung nach einem 'Fremdsprachenunterricht für alle' setzte sich die Erkenntnis durch, dass Sprachfertigkeit (kommunikative Kompetenz) "das primär legitimierende Ziel eines jeden Fremdsprachenunterrichts ist" (S. 142). (2) Die vor allem aus den USA kommenden Entwicklungen in Linguistik und Psychologie bilden wie man weiß die theoretische Grundlage für neue Techniken (so etwa das Sprachlabor) und für methodische Experimente (beispielsweise die audio-oralen Verfahren) und setzen zudem intensive Forschungsaktivitäten insbesondere zum (Fremd)Sprach(en)erwerb in Gang. Im Gefolge der Rezeption der einschlägigen Publikationen war die Abhängigkeit des fachdidaktischen Denkens in Deutschland von angelsächsischen Theorie-Vorbildern unverkennbar. (3) Das die fachdidaktische Diskussion der siebziger und achtziger Jahre beherrschende Schlagwort 'Kommunikative Kompetenz' hatte natürlich erheblichen Einfluss auf die Erstellung von Richtlinien und Lehrwerken. Im Konzept des handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts sind seine Nachwirkungen bis in die jüngste Zeit zu spüren. (4) 'Interkulturelles Lernen' schließlich steht für ein Programm, das darauf abzielt, beim Fremdsprachenlerner ein Bewusstsein für die kulturelle Relativität aller Sprachen zu schaffen. Im gegenwärtigen Fremdsprachenunterricht geht es folgerichtig nicht (mehr) um die Wahrung nationalsprachlicher Interessen. 'Fremdsprachenkompetenz' wird vielmehr als „europäische Kulturtechnik", "das Nachdenken über Fremdsprachen [...] als ein internationales (amerikanisch-westeuropäisches) Phänomen begriffen" (S. 144 t). (5) Galten in der Nachkriegszeit die meisten didaktisch-methodischen Probleme als gelöst und war der Zeitraum zwischen 1945 und 1965 von Methodenmonismus und Dogmatismus durchzogen, so zeichnete sich nach 1965 insofern eine gegenläufige Tendenz ab, als nahezu alles (auch und gerade die Unterrichtsroutinen) in Frage gestellt und experimentell überprüft wurde. Die in diesem Kontext entstandene, explosionsartig anwachsende Forschungsliteratur und das darin dokumentierte 'neue' Wissen haben allerdings eine Kehrseite, nämlich die nunmehr zwischen Forschung und Praxis sich auftuende tiefe, unüberbrückbar scheinende Kluft. Denn ein einzelner Fremdsprachenlehrer dürfte kaum in der Lage sein, die äußerst differenzierten Ergebnisse partikularisierter Forschungsinteressen zu integrieren und in die Praxis umzusetzen. (6) Aus guten Gründen ist die Länge bestimmter fremdsprachlicher Lehrgänge (insbesondere des in der Regel ab Klasse 5 beginnenden Englischunterrichts) auf Kritik gestoßen. In der Tat bringt schulischer Fremdsprachenunterricht ab etwa dem 7. Lernjahr einen vergleichsweise geringen Kompetenzzuwachs und erweist sich häufig als wenig effektiv. Mit dem allenthalben propagierten Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts stellt sich deshalb das Problem „einer neuen Formierung des Fächerkanons und der Curricula für die oberen Klassen" (S. 153) in aller Schärfe. HüLLENS Antwort auf die Frage, wie ein solches „schlüssiges Konzept für die Sekundarstufe II" auszusehen hat, ist eindeutig. Für ihn muss es darum gehen, "die 'Idee Europa' zu einem pädagogischen Projekt zu machen" (S. 153). Es ist das unbestreitbare Verdienst von Werner HÜLLEN, mit dieser kleinen Monographie in äußerst kompakter und konziser Form ein Stück europäische Kulturgeschichte verfasst zu haben eine Leistung, der wir nicht zuletzt wegen der Fülle der verarbeiteten Literatur den schuldigen Respekt zollen. Gleichwohl seien einige wenige kritische Anmerkungen gestattet, die dieses Verdienst in keiner Weise schmälern sollen. (1) Zu der konsequent durchgehaltenen These von einer kontinentalen Tradition des Fremdsprachenlernens, in der sich zwei dynamische Phasen des neuzeitlichen Bildungswesen ausmachen lassen, passt die Feststellung, dass das 18. Jahrhundert diese beiden Phasen als eine Art „stille lFlLl.lL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 239 Periode" voneinander trennt, sie „dadurch aber auch dialektisch miteinander verbindet" (S. 13). Eine solche Charakterisierung wird wie oben angedeutet der Bedeutung des Zeitalters der Aufklärung für die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts nicht gerecht. Nicht hinreichend gewürdigt wird damit insbesondere das didaktisch-methodische Reflexionsniveau vieler Sprachlehrwerke, in denen teilweise bereits systematisch diverse Lernfaktoren und Lernervariablen unterschieden sind. Nicht angemessen berücksichtigt da nur sporadisch thematisiert (S. 66 und 108) wird zudem die Tatsache, dass selbstverständlich auch der europäisch geprägte Fremdsprachenunterricht in einen übergeordneten Bedingungszusammenhang eingebunden ist, der für (Fremd)Sprach(en)unterricht schlechthin konstitutiv war und weiterhin ist. Auch diese kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens verdeutlicht nämlich, dass die relativ begrenzte Zahl an Grundmethoden über die Jahrhunderte stabil geblieben ist und dass somit auch die manchmal propagierte grenzenlose Erweiterung dieses Grundbestandes auf einem fatalen Trugschluss beruht. Dies erklärt, warum die Kernprobleme des Fremdsprachenunterrichts fortbestehen und warum sich jede noch so ausgefeilte Art des Unterrichtens einer Fremdsprache immer auf einer Skala zwischen einem Lernen ex usu und einem Lernen ex regulis bewegt (vgl. in diesem Band S. 222). (2) Der erheblichen Risiken, die eine geraffte Darstellung von z.T. hochkomplexen Phänomenen über einen so langen Zeitraum birgt, ist sich HÜLLEN sehr wohl bewusst. Aus der daraus resultierenden „Engführung der historiographischen Rekonstruktion" (S. 13) und einer gelegentlich stark verallgemeinernden, auch Vereinfachungen nicht scheuenden Deskription wird man ihm deshalb keinen Vorwurf machen wollen. Dennoch hätte man sich den einen oder anderen ergänzenden oder präzisierenden Kommentar etwa in Form einer Anmerkung gewünscht, mit dem pauschalierende Einschätzungen zumindest relativiert werden. Dies gilt z.B. für jene Passage, in der darüber spekuliert wird, dass junge Adlige sich andere Sprachen als das Lateinische wahrscheinlich „bei Aufenthalten als Knappen an fremden Höfen ohne Unterweisung angeeignet haben" (S. 39). Wir vermissen einen Hinweis darauf, dass es einer bis ins Mittelalter zurück reichenden Tradition entsprach, die jungen Adligen in Begleitung eines 'Hofmeisters' auf eine längere Auslandreise, vorzugsweise Frankreich und Italien, zu schicken. 7 Voreilig ist auch der unter Berufung auf STREUBER (1914) 8 gezogene Schluss, bei den für das 16. und 17. Jahrhundert nachgewiesenen Lehrbüchern der französischen Sprache handele es sich trotz der praktischen Zielsetzung im Wesentlichen um Grammatiken, die zu der Vermutung Anlass geben, dass „der Unterricht [...] deduktiv gewesen sein [dürfte], mit der besonderen Übungsform des Deklinierens und Konjugierens in ganzen Sätzen" (S. 48). Mit den Bekundungen von Grammatikern wie CACHEDENIER (1601), DOERGANG (1604), GARNIER (1607) oder gar DES PEPLIERS (1689) 9, die nicht nur die Unabdingbarkeit praktischer Anwendung grammatischer Regeln durch Usus betonen und dabei besonderen Wert auf Variation legen, sondern die-wie etwa DOERGANG-solchen Empfehlungen 7 Vgl. Franz-Rudolf WELLER: "Skizze einer Entwicklungsgeschichte des Französischunterrichts in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts". In: Die Neueren Sprachen 79 (1980), 135-161 (hier: 142). 8 Albert STREUBER: Beiträge zur Geschichte des französischen Unterrichts im 16. bis 18. Jahrhundert. I. Die Entwicklung der Methoden im allgemeinen und das Ziel der Konversation im besonderen. Berlin: Matthiesen 1914 (repr. Nendeln 1967) (Romanische Studien; Heft 15). 9 Vgl. dazu neben der in Anm. 8 zitierten Untersuchung von STREUBER (1914 ): Karl DORFELD: "Beiträge zur Geschichte des französischen Unterrichts in Deutschland". In: Beilage zum Programm des Grossherzoglich Hessischen Gymnasiums zu Giessen, [... ]. Giessen: Keller 1892, 1-29 und Alwin LEHMANN: "Der neusprachliche Unterricht im 17. und 18. Jahrhundert, insbesondere seine Methode im Liebte der Reform der Neuzeit". In: Jahresbericht der Annenschule (Realgymnasium) zu Dresden-Altstadt, [... ]. Dresden: Teubner 1904, 3-39. f'Ll! IL 34 (2005) 240 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel sogar Taten folgen ließen 10, lässt sich diese Annahme jedenfalls nicht in Einklang bringen. Und wenn im Zusammenhang mit der Aufzählung der Erstveröffentlichung nationalsprachlicher Grammatiken die in lateinischer Sprache abgefasste französische Grammatik von Jacques DUBOIS (eigentlich: Jacques DEL Bor) erwähnt wird (S. 57 f, Anm. 7), so ergibt sich daraus insoweit ein leicht schiefes Bild, als wir es mit einer vergleichenden lateinisch-französischen Grammatik zu tun haben, in der DELBOI versucht, der seiner Ansicht nach 'rohen' französischen Sprache feste Regeln zu geben, um sie möglichst weit dem klassischen Idiom anzunähern. (3) Das Buch will ganz im Sinne seines einführenden Charakters - "nur Einstiege in genauere Erkundungen zum Thema anbieten" (S. 8). Dementsprechend ist jedem Kapitel weiterführende Literatur vorangestellt, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes ausdrücklich nicht vorausgesetzt wird. Dennoch: Auch der durchweg klare und unprätentiöse Stil kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lektüre von zweitausend Jahren Fremdsprachenunterricht in dieser hochkondensierten Form trotz thematischer Beschränkungen und argumentativer Verkürzungen einige Anforderungen an den 'unvorbereiteten' Leser stellt. Insofern bleibt abzuwarten, ob die anvisierte Zielgruppe (Studierende der einschlägigen Philologien bzw. Teilnehmer an Lehrerfortbildungsveranstaltungen) dieses Buch ohne ein adäquates Niveau des (Vor)Wissens gewinnbringend lesen kann und ob sich die „kleine Geschichte des Fremdsprachenlehrens" wie erhofft als Textgrundlage für Veranstaltungen im Grundstudium eignet. 11 Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Lars SCHMELTER: Selbstgesteuertes oder potenziell expansives Fremdsprachenlernen im Tandem. Tübingen: Narr 2004 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 595 Seiten ( + 55 Seiten Anhang) [54 €] Die umfangreiche Monographie stellt den Abdruck der Dissertation dar, die Lars SCHMELTER im Seminar für Sprachlehrforschung der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt hat. Mit diesem Band wird ein wichtiger Beitrag zur Schließung der Forschungslücke im Bereich des durch Beratung unterstützten Fremdsprachenlernens im (Präsenz-)Tandem geliefert, einem Bereich, der sich in den letzten Jahrzehnten zunehmender Beliebtheit und vielfältiger Angebotsstrukturen erfreut. Gerade der Standort Bochum hat sich auf vielfältige Weise hierbei verdient gemacht durch die Entwicklung von entsprechenden Handbüchern und didaktischen und organisationsstrukturellen Grundlagen (darunter dem Internationalen Tandem-Server). SCHMELTERs Forschungsprojekt „erwuchs aus der eigenen Praxis als Berater und dem Wunsch, sowohl meine Praxis als Berater auf eine empirisch abgesicherte konzeptuelle Basis zu stellen als auch den Lernern, die zu mir in die Beratung kamen, dabei zu helfen, ihr selbstgesteuertes Fremdsprachenlernen im Tandem gemessen an ihren eigenen Kriterien effizienter zu gestalten" (S. 347). Sein Erkenntnisinteresse umfasst das potenziell hi; mdlungsleitende Wissen der Lerner, den Zusammenhang von Wissen und Handlungsbegründun- 10 D0ERGANG setzte seine Theorie dadurch in die Praxis um, dass er „mit einigen seiner Schüler, die als Pensionäre bei ihm waren, auch bei Tisch französisch sprach" (STREUBER, a.a.O. 1914, 37). 11 Das Buch ist leider nicht frei von Druckfehlern. Wir begnügen uns mit Hinweisen auf die fremdsprachlich relevanten 'coquilles': Vacabularius ex quo (36 und 160 [Literaturverzeichnis]) ➔ lies: Vocabularius ex quo, ! es examples ➔ lies: ! es exemples, al'example (44) ➔ lies: al'exemple, ! es exercises (44) ➔ lies: ! es exercices, precepts (44) ➔ lies: preceptes, coeur (44) ➔ lies: cceur, Hermenumata (48) ➔ lies: Hermeneumata, methode direct (105, Anm. 21) ➔ lies: methode directe. lFLulL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 241 gen einerseits und dem beobachtbaren Vorgehen der Lerner im Tandem andererseits sowie die Rolle der Beratung der Lernenden. Das Buch ist ungewöhnlich. Wer eine Dissertation des Typs - Theorieüberblick, bisherige Forschung, eigene Studie, Fazit und Konsequenzen erwartet, wird enttäuscht. Er wird feststellen, dass SCHMELTER den Leser auf eine anspruchsvolle, ja mitunter anstrengende und lange, Serpentinen schlagende Wanderung mitnimmtmanchmal abkürzbar durch steile Zwischenanstiege und mit liebenswerten Schmankerln gefüttert, z.B. durch durchweg ins Deutsche übertragene fremdsprachige Zitate -, wobei die empirische Studie selbst lediglich einen kurzen Zwischenaufenthalt auf dem letzten Lager vor der rasanten Gipfelbesteigung darstellt. Aber vorweg gesagt: Die Wanderung lohnt! In dieser Besprechung folge ich allerdings Schmelters Route nicht und beschäftige mich schwerpunktmäßig mit der empirischen Studie, deren qualitativ-exploratives Design sich folgendermaßen charakterisieren lässt: Für die Studie rekrutiert wurden insgesamt 26 Bochumer Studierende (mit den Muttersprachen Deutsch, Englisch und Französisch), wovon 11 Tandempaare in der Studie verblieben, die unterschiedlich lang zusammenarbeiteten (2 bis 8 Monate). Folgende Datenerhebungsverfahren wurden eingesetzt: • leitfadengestützte, problemfokussierte 35bis 75-minütige Eingangs- und Ausgangsinterviews (auf Tonband aufgezeichnet) in der Muttersprache der Probanden zur Erhebung der subjektiven Theorien der Lernenden, des subjektiven Wissens bzgl. des Lernens im Tandem zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Untersuchungszeitraumes. Im Eingangsinterview wurde außerdem die Lerner- und Sprachenbiographie erhoben. Auf die durch das Forschungsprogramm Subjektive Theorien vorgesehenen Phasen der kommunikativen und Handlungsvalidierung wurde begründet verzichtet; • nicht-teilnehmende, medienunterstützte Beobachtung (Video) der Tandems (2 bis 6 60bis 120minütige Beobachtungssitzungen pro Tandem) in Anwesenheit des Forschers, der ein halbstandardisiertes Beobachtungsprotokoll erstellte (Lernhandlungen werden protokolliert, die im Beratungsgespräch festgehaltenen Lernzielen und geplanten Vorgehensweisen entsprechen, die dem „contrat didactique" entsprechen, die von geplanten Vorgehensweisen abweichen, die Sprachreflexion beinhalten, die Lerntechniken widerspiegeln); • durch den Forscher initiiertes videounterstütztes Nachträgliches Lautes Denken in Form von Kommentierungen der beobachteten Tandemsitzungen durch die Lerner zur Erhebung der kurzfristigen Intentionen und Kognitionen der Lerner direkt im Anschluss an die Tandemsitzungen, von beiden Lernern getrennt in einem gleichzeitig auch beratenden (40bis 60-minütigen) Gespräch. In einigen Fällen war dies direkt im Anschluss an die Tandemsitzung nicht möglich, so dass die Gespräche zeitversetzt (bis zu 24 Stunden später) stattfinden mussten; • Lernerlogbücher mit einem Instruktionstext, der die Lerner „zur Reflexion und Vorbereitung des eigenen Handelns im Tandem anregen sollte" (S. 403) und in denen die Tandemsitzungen (Frequenz, Dauer, Inhalte etc.) dokumentiert werden sollten. Die erste Möglichkeit wurde jedoch kaum genutzt; • durchgehende Führung eines Forschungstagebuchs während des gesamten Forschungsprozesses. ScHMELTER legt ausführliche Begründungen für seine forschungsmethodologischen Entscheidungen dar und problematisiert Chancen und Grenzen der eingesetzten Verfahren. Dies verdeutlicht, wie ernst der Autor das aufgestellte Gütekriterium der Nachvollziehbarkeit nimmt. Hervorheben möchte ich die Diskussion der Tandembeobachtung: SCHMELTER berichtet, dass die Veränderung der natürlichen Tandemsituation dazu führte, dass ein Tandempaar aus der Untersuchung ausschied, außerdem führte die durch die Videoaufnahme notwendige Künstlichkeit der Tandemsituation (sie konnte nicht z.B. in einem Cafe stattfinden) zu Themen- und atmosphärischen Verän- IFlL1UIL 34 (2005) 242 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel derungen. Genauso differenziert, wohlbegründet und problemorientiert erfolgt die Darlegung der verwendeten Verfahren der Datenaufbereitung, -analyse und -interpretation. Zum Einsatz gelangten u.a.: qualitative Inhaltsanalyse, Sequenzanalyse, Formulieren von Statements, Erstellen von Strukturbildern, Herausarbeiten von Deutungsmustern und Fallinterpretationen. Im Ergebnisbericht wird dann allerdings nicht das gesamte Sample dargestellt, sondern es werden zwei detaillierte Fallstudien - Maria und Lea (beides Französischlernerinnen) präsentiert. Überrascht hat mich dabei, dass die Tandempartner der beiden Individuen nicht näher betrachtet werden. In beiden Fallanalysen werden resümierend die Erträge der unterschiedlichen Datenquellen subsumiert und die zentralen subjektiven Theorien, Deutungsmuster und (subjektiven) Lernerträge herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass Lernen im Tandem von den individuellen langfristigen, aber nicht notwendigerweise stabilen Lernzielsetzungen und der Bereitschaft zur Reflexion und Selbstbeobachtung der Lernenden abhängt. Im positiven Fall wird Tandemlernen als willkommene und wünschenswerte Alternative bzw. Ergänzung zu stärker gesteuerten Lernformen wahrgenommen. Daneben werden aber Belege präsentiert, die zeigen, dass auch ganz andere Variablen wie insbesondere die Arbeitsbelastung außerhalb des Tandems das erfolgreiche Lernen beeinflussen oder zur Instrumentalisierung für andere Ziele (Bearbeiten von Aufgaben, die im Rahmen des Fachstudiums zu erledigen sind) und zur Zurückdrängung fremdsprachenlernspezifischer Ziele führen und dass die Potenziale und Anforderungen des Lernkontexts nur oberflächlich wahrgenommen, "ökologisch normalisiert" werden. Schade, dass das Buch 'nur' die beiden Fallstudien ausführlich beschreibt. SCHMELTER ist mit Ergebnissen des oben beschriebenen Typs selbst nicht zufrieden, die den Schluss implizieren, dass „selbstgesteuertes Lernen" in den interpretierten Fällen nur schlecht mit dem zugrunde gelegten psychologischen Lernbegriff erklärbar ist, der von genuin selbst gesetzten, nicht fremdbestimmten Lernzielen ausgeht. Er unterzieht die Ergebnisse daher einem weiteren konzeptionellen Zugriff aus einer subjektwissenschaftlichen Perspektive und legt eindrucksvoll dar, dass es wenig Sinn macht, eine Tandemsituation als per se privilegierten Ort für selbstgesteuertes Fremdsprachenlernen zu definieren. Statt dessen, sei einer Auffassung von Tandemlernen als (lediglich) potenziell expansivem, durch eigene Lerninteressen motiviertem Lernen Vorzug zu geben, wobei die von den Lernenden in den Lernort Tandem mitgebrachten kontextuellen Bedingungen zu berücksichtigen sind und entsprechend in einer begleitenden Tandemberatung ernst genommen werden müssen. Der Autor betont allerdings, dass die Basis diesbezüglicher Interpretationen empirisch nicht solide sei, da u.a. die Kontextbedingungen der Lernenden nicht systematisch erhoben worden seien und die Interpretationen in Folgeuntersuchungen überprüft werden müssten. Nicht ganz vermag ich ihm allerdings zu folgen, dass nicht doch Nacherhebungen zumindest im Rahmen von Konfrontationen der Probanden mit diesen Interpretationen möglich gewesen wären. Die Studie liefert viele Überlegungen und Lösungsvorschläge für allgemeine forschungsmethodologische Probleme der Fremdsprachenforschung, z.B. • wenn Forschende direkt im Lehr-/ Lernkontext tätig sind (hier: als Berater) und in einem Längsschnitt erhobene Daten gleichzeitig als Forschungszwischenergebnisse und als Anhaltspunkte für die praktische Ausgestaltung der Beratungstätigkeit nutzen (müssen), wobei unkontrollierte Interpretationsprozesse vermieden werden müssen; • wie schwierig die Rekrutierung geeigneter Probanden und die Verhinderung von Probandenmortalität in Längsschnittuntersuchungen (besonders in für Probanden aufwendigen Mehrfachbefragungen) sein können; • wie komplex die Berücksichtigung von Feldbedingungen (Räumlichkeiten, Terminplanung etc.) und wie wichtig die Pilotierung von Untersuchungsinstrumenten (z.B. Gesprächsverhalten in Interviews) ist; lFLl.llL 34 (2005) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 243 • welche Probleme bei der Datenaufbereitung und -analyse auftreten (hier: "unerklärliche" Befunde) und durch einen veränderten konzeptuellen Zugriff auf die Daten gelöst werden können; • was zu tun ist, wenn sich im Laufe des Forschungsprozesses die Erkenntnisinteressen verschieben und eine eigentlich daraus folgende Erhebung weiterer Daten aus forschungspragmatischen Gründen ausgeschlossen werden muss; • welche Bedeutung „extreme" Fälle für die Theoriegenerierung im Rahmen explorativ-interpretativer Forschung haben. Interessiert man sich als Leser v.a. für die empirische Studie und verfügt über einige Kenntnisse zum Fremdsprachenlernen und über den Kontext Tandem, so bietet es sich an, in die Lektüre des Buchs ca. ab Seite 350 einzusteigen (der Bericht über die Ergebnisse beginnt dann auf Seite 441 ). Denn die Dokumentation der Studie erfolgt, nachdem zunächst ausführlich und, dies möchte ich betonen: brillantdie fachwissenschaftlichen Grundlagen dargestellt und diskutiert werden, wobei immer wieder resümierende Darstellungen den Leseertrag sichern. Es geht dabei u.a. um die wissenschaftlichen Grundannahmen der Sprachlehrforschung, die in letzter Zeit kontrovers geführte Diskussion um Subjektmodelle in der Fremdsprachenforschung, um die Lern- und Kommunikationssituation Tandem mit Bezug auf Forschungsergebnisse der Interaktionslinguistik und interaktionistischen Zweitsprachenerwerbsforschung. Dabei wird u.a. herausgearbeitet, dass Lernen im Tandem auf potenziell erwerbsfördernde Interaktionsstrukturen, auf die Potenziale von Bifokalisierung durch eine Balance von Mitteilungs- und Sprachebene rekurrieren kann. Eine grundlegende und so in der Fachdiskussion noch nicht auffindbare Auseinandersetzung mit den Konzeptionen um Lernerautonomie und selbstgesteuertem Lernen erfolgt vor der Erläuterung des „ersten konzeptuellen Zugriffs der eigenen Untersuchung" (der sich ja später als unzureichend erweisen wird) und der Beschreibung der spezifischen, in der Studie untersuchten Tandemlernsituation innerhalb eines didaktisch gestalteten Umfelds (Beratung). Liest man die Studie der Folge der Kapitel des Buches entsprechend, so - und dies ist zumindest meine ganz persönliche Erfahrung geht damit eine leichte Enttäuschung einher. Dies liegt nicht am Ertrag der Daten und den daraus geschlossenen Konsequenzen für die Theorie, Empirie und Praxis des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen im Tandem, sondern schlicht an einer hier notwendigerweise einhergehenden Behandlung von 'simplen' Wahrnehmungen der befragten Lerner und deren Komprimierung, die nicht durchgängig an die verfeinerten und genau durchdachten Theoriekonzeptionen der vorangegangenen Kapitel anschließbar sind. Diese Wahrnehmung relativiert allerdings der spannende und gelungene Abschluss des Buchs, bei dem die Forschungsergebnisse mittels eines subjektwissenschaftlichen Lernbegriffs reinterpretiert werden. Das Buch ist nicht nur denjenigen, die sich für die empirischen Grundlagen des Tandemlernens interessieren, zu empfehlen, sondern allen ans Herz zu legen, die sich mit Möglichkeiten und Problemen des empirischen Arbeitens in der Fremdsprachenforschung beschäftigen, außerdem mit Fragen der Menschenbilder in der Theorie und Empirie, mit den Entwicklungen der Interaktionslinguistik und ganz besonders: der Autonomiediskussion. SCHMELTERs Überlegungen zur Relevanz eines subjektwissenschaftlichen Lernbegriffs für die Fremdsprachenforschung sollten im allgemeinen Fachdiskurs Nachhall finden. Ich könnte die Besprechung der vorliegenden Monographie mit der Bemerkung abschließen, dass SCHMELTER mit dieser Arbeit neue Standards setzt für die Darlegung der fachwissenschaftlichen Grundlagen, Grundannahmen und Weiterentwicklungen im Rahmen einer Dissertation in der empirischen Sprachlehrforschung. Alternativ biete ich ein anderes, stärker fach- und wissenschaftspolitisch orientiertes Fazit an: Die Förderung eines exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs ist für die weitere Etablierung und wissenschaftliche Zukunft der Sprachlehrforschung überlebens- ]F]Lw., 34 (2005) 244 Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher wichtig, sei es als eigenständige akademische Disziplin an einigen Universitätsstandorten, sei es als wichtige Bezugswissenschaft der Fremdsprachendidaktik und auch Deutsch als Fremdsprache. ScHMELTERs Arbeit wäre m.E., hätte er sich (v.a. auf den ersten ca. 350 Seiten seiner Arbeit) stärker auf die spezifischen Grundlagen seiner Thematik beschränkt und die Fein-Erarbeitung der allgemeinen Grundlagen deutlich reduziert, immer noch eine ausgezeichnete Dissertation. Die sehr kenntnisreichen und äußerst differenzierten, den aktuellen Diskussionsstand weiterführenden, höchst gewinnbringend zu lesenden ausführlichen Darlegungen z.B. zu den Grundlagen der Disziplin Sprachlehrforschung inklusive der Menschenbild-Diskussion (über 50 Seiten) und zum Autonomiekonzept (100 Seiten) sowie in vielen typographisch kleiner gesetzten (und damit nicht besonders lesefreundlichen) vertiefenden Exkursen zu vielen Aspekten der Arbeit hätten Teil eines 'zweiten Buchs' der Postdoktorandenphase sein können und den persönlichen Professionsweg des jungen Wissenschaftlers beschleunigen können. Bielefeld CLAUDIA RIEMER Eingegangene Bücher* ALTMANN, Werner (Hrsg.): Bilingualer Unterricht in Spanien und Deutschland. Aktuelle Situation und methodische Ansätze. Berlin: Edition tranvfa 2004 (Theorie und Praxis des modernen Spanischunterrichts), 228 Seiten. BAUSCH, Karl-Richard/ KÖNIGS, Frank G./ KRUMM, Hans-Jürgen: Mehrsprachigkeit im Fokus. Arbeitspapiere der 24. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 2004 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 254 Seiten. Boas, Evelyn / STOFFEL, Brigitte (Red.): Lernthriller Englisch. Ein fast perfekter Coup. München: Compact Verlag 2004, 144 Seiten. Boas, Evelyn/ KAUFMANN, Astrid (Red.): Prüfungen bestehen. Denkblockaden überwinden und Erfolg steigern. München: Compact Verlag 2004, 144 Seiten. COPLE Berline.V. (Hrsg.): Aprender a traducir. Una aproximaci6n a la didactica de la traducci6n alemdn-espanol. Berlin: Edition tranvfa 2003, 111 Seiten. ECKERTH, Johannes (Hrsg.): Empirische Arbeiten aus der Fremdsprachenerwerbsforschung. Beiträge des Hamburger Promovierendenkolloquiums Sprachlehrforschung. Bochum: AKS 2003 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung), 312 Seiten. ECKERTH, Johannes: Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen. Tübingen: Narr 2003 (Tübinger Beiträge zur Linguistik), 378 Seiten. (*) EDELHOFF, Christoph (Hrsg.): Englisch in der Grundschule und darüber hinaus. Eine praxisnahe Orientierungshilfe. Frankfurt: Diesterweg 2003 (Unterrichts-Perspektiven Fremdsprachen), 152 Seiten. ENGLISCH lernen mit The Grooves. Vol. 1. CD-ROM. Düsseldorf: Brandecker Medien Verlag 2004. GARCIA DE MARIA, Javier/ VENCES, Ursula (Hrsg.): Alles von der Rolle im Spanischunterricht. Theater, Rollenspiele, szenische Darstellung. Berlin: Edition tranvfa 2004 (Theorie und Praxis des modernen Spanischunterrichts), 184 Seiten. Das Sternchen(*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen(**) deutet an, dass eine Besprechung für den Jahrgang 35 (2006) vorgesehen ist. IFLIIL 34 (2005) Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher 245 HousE, Juliane / KOLLER, Werner/ SCHUBERT, Klaus (Hrsg.): Neue Perspektiven in der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft. Festschrift.für Heidrun Gerzymisch-Arbogast zum 60. Geburtstag. Bochum: AKS-Verlag 2004 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; Band 35), VI+ 360 Seiten. HÜLLEN, Werner: Kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005, 184 Seiten. (*) KöSTER, Josef/ LIMPER, Paul: Exercises in Collocational English. 2. Auflage. Münster: Aschendorff 2004, 366 Seiten. MOTZ, Markus: Ausländische Studierende in Internationalen Studiengängen: Motivation, Sprachverwendung und sprachliche Bedürfnisse. Bochum: AKS-Verlag 2005 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; Band 36), 332 Seiten. 6 DÖILL, Michael/ ZAHN, Rosemarie / HöPPNER, Kristina D. C. (Hrsg.): Zusammenarbeiten. Eine Festschrift für Bernd Voss. Bochum: AKS-Verlag 2005 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; Band 37), 501 Seiten. PIEPHO, Hans-Eberhard: Lerneraktivierung im Fremdsprachenunterricht. "Szenarien" in Theorie und Praxis. Hannover: Schrödel 2003, 112 Seiten. NEVELING, Christiane: Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren. Tübingen: Narr 2004 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 369 Seiten + unpag. Anhang. (*) SCHMELTER, Lars: Selbstgesteuertes oder potenziell expansives Fremdsprachenlernen im Tandem. Tübingen: Narr 2004 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 595 Seiten. (*) STORK, Antje: Vokabellernen, Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien. Tübingen: Narr 2003, 256 Seiten. (*) lFLulL 34 (2005) .._ _______ I_n_f_o_r_m_a_t_i_o_n_e_n __ •_V_o_r_s_c_h_a_u _______ _.l Mit dem Jahrgang 34 (2005) hat die Zeitschrift einen neuen Mitherausgeber. Clans GNUTZMANN komplettiert das Herausgeberteam, nachdem der Mitbegründer der Zeitschrift, Gert HENRICI, aus Altersgründen vor zwei Jahren seine Herausgebertätigkeit beendet hat.' Claus Gnutzmann ist Professor für Englische Sprache und ihre Didaktik an der Technischen Universität Braunschweig und auf etlichen Feldern der Fremdsprachendidaktik durch einschlägige Publikationen im In- und Ausland ausgewiesen. Dabei reicht das Themenspektrum von Phonetik und Fehleranalyse über Fragen der Grammatikvermittlung bis zu 'language awareness' und 'English as a Global Language'. Den Lesern von Fremdsprachen Lehren und Lernen ist er durch mehrere Aufsätze bekannt. Den Themenschwerpunkt des Jahrgangs 2006 - "Sprachdidaktik interkulturell" wird er mit koordinieren. Mit der Aufnahme von Claus GNUTZMANN in das Herausgeberteam ist nun auch das Englische neben den romanischen Sprachen und Deutsch als Fremdsprache angemessen in der Leitung der Zeitschrift vertreten. Wir begrüßen ihn herzlich im Kreis der Herausgeber, freuen uns auf die gemeinsame Arbeit mit ihm und wünschen ihm nicht zuletzt im Interesse der Zeitschrift und ihrer Leser ein erfolgreiches Wirken. FRANK G. KÖNIGS Philipps-Universität Marburg EKKEHARD ZÖFGEN Universität Bielefeld Der von Claus GNUTZMANN (TU Braunschweig) und Frank G. KÖNIGS (Universität Marburg) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 35 (2006) trägt den Titel „Sprachdidaktik interkulturell". In der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und seiner Erforschung sind 'Sprache' bzw. der Erwerb von sprachlicher Kompetenz und 'Kultur' bzw. der Erwerb von (inter-)kultureller Kompetenz sehr oft als Gegensätze behandelt worden. Die Komplementarität von Sprache und Kultur, wie sie durch den Titel des Themenschwerpunkts angezeigt wird, ist hingegen eher selten thematisiert und exemplifiziert worden. Der Band beschäftigt sich mit Fragen einer interkulturell ausgerichteten Sprachdidaktik, folglich auch mit interkultureller Verständigung sowie damit im Zusammenhang stehenden Begriffen wie interkulturelle kommunikative Kompetenz und interkulturelle Kompetenz und auch, wie diese mit 'Sprache' interagieren. Die genannten Kompetenzbegriffe verweisen bekanntlich auf fremdsprachendidaktische Konzepte, die sich mit der Vermittlung von solchen Fähigkeiten und Fertigkeiten befassen, die Lernende benötigen, wenn sie mit Sprechern anderer Kulturen möglichst 'störungsfrei' und 'erfolgreich' kommunizieren wollen, und sich deshalb für Vgl. dazu die kurze Notiz in Fremdsprachen Lehren und Lernen 32 (2003), S. 245. lFLw., 34 (2005) Informationen • Vorschau 247 die interkulturelle Kommunikation aneignen sollten. Interkulturelle Kommunikation betont die Wechselbeziehung von Sprache und Kultur bzw. von Sprachen und Kulturen, letztere insbesondere in mehrsprachigen und multikulturellen Gesellschaften. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Richard ALEXANDER (Wirtschaftsuniversität Wien): Can international business English teaching be culturally neutral in an age of corporate globalization? Claus ALTMAYER (Universität Leipzig): Kulturelle Deutungsmuster als Lerngegenstand. Zur empirischen Erforschung kultureller Lernprozesse im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht. Janina BRUTT-GRIFFLER (State University of New York at Buffalo): Advanced foreign language competence: social and cognitive considerations in learning of culture. Eva BURWITZ-MELZER (Universität Gießen): Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten Claus GNUTZMANN (TU Braunschweig), Frank G. KÖNIGS (Universität Marburg): Wie neu ist die interkulturelle Sprachdidaktik? Einleitende Überlegungen zu einer wechselvollen Beziehungsgeschichte und zu einem Themenheft Adelheid Hu (Universität Hamburg): Mehrsprachigkeit und lnterkulturalität in autobiographischer Perspektive: Ein Beitrag zur Verfeinerung gängiger Konzepte interkulturellen Lernens. Matthias HUTZ (Universität Wuppertal): Höflichkeitsstrategien im interkulturellen Vergleich eine kontrastive Analyse von deutschen und englischen E-Mails Frauke INTEMANN (TU Braunschweig): Lingua Franca-Kommunikation per E-Mail: inter- oder überkulturelle Kompetenz? Claire KRAMSCH (Berkeley, Ca.): Intercultural competence in a global world: Germanin China, Eynar LEUPOLD (PH Freiburg): Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule als Ausgangspunkt für den Aufbau einer sprachlichen und interkulturellen Kompetenz. Gisele HOLTZER (Universite de Besanyon): La competence interculturelle et l'enseignement des langues en Europe : notion et realites Jörg RocHE, Melody RoussY-PARENT (Universität München): Wortassoziationsexperimente als Mittel der Bestimmung semantischer Differentiale in interkultureller Kommunikation. Astrid ERTELT-VIETH (HU Berlin): Zwischen 'dichten' Kontexten und 'dünnen' Horizonten empirisch fundierte Vorschläge zum interkulturellen Lernen. Laurenz VOLKMANN (Universität Jena): Deutsche und englische Gruß- und Höflichkeitsformen im Vergleich Arnd WITTE (Maynooth, IRL): Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht, lFLuL 34 (2005) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1987-2006)* Jg. 16 ( 1987): Wortschatz und Wortschatzlernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 17 ( 19 88): Übersetzung und Übersetzen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 18 ( 1989): Historische Sprachstufen (hrsg . von Kurt Otto Seidel) Jg . 19 ( 1990): Fachsprachen und ihre Vermittlung (hrsg. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 20 ( 1 991 ): Grammatik und Grammatiklernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 21 ( 1992) : Idiomatik und Phraseologie (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 22 ( 1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koord. von Gert Henri c i und Ekkehard Zöfgen) Jg. 23 ( 1994): Wörterbücher und ihre Ben utze r (koord. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 24 ( 1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) Jg. 25 ( 1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) Jg. 26 ( 1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) Jg. 27 ( 1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von lnez De Florio-Hansen) Jg. 28 ( 1999 ): Neue Medien im Fremdspra chenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) Jg. 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord . vo n Frank G. Königs) Jg . 30(200 1 ): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) Jg. 3 1 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) J g. 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdspra che (koord. von Karin Aguado u.a.) J g. 33 (2004): Wortschatz - Worts chatzerwe rb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) J g. 34 (2005): "Neokommunikati ver" Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) Jg. 35 (2006): Sprachdidaktik interkulturell (koord . von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) * Bis Ja hr gang 15 ( 1986) einschließ li ch erschien die Zeitschrift unter dem Titel Bielefelder Beiträge wr Sprachlehrforschung Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Be iträge zu Forschung und Un terric ht aus a ll en für den Fremdsprachenunterricht an der Hoch sc hul e relevanten Bereic he n sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Rele vanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Be iträge, die den schuli sc hen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind g lei c herm aßen willkommen. Ein ze lheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen 'sty le sheet' zu entnehm en, das bei der Redaktion (A nsc hrift siehe 2. Umsch lagseite) angefordert werden kann .