Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2006
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Gnutzmann Küster SchrammFLuL 35. Jahrgang (2006) Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Ekkehard Zöf gen erpunkt: • terku\ture\\ 1'heinenschW • d lr·tik - 1n k G. \(önigS hd l a~ dfran S nfaC Gnutzlllann un r C\aUS d•niert von koor 1 .W Gunter Narr Verlag Tübingen Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen Herausgeber: Claus Gnutzmann (Braunschweig)· Frank G. Königs (Marburg)· Ekkehard Zöfgen (Bielefeld) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Redaktion FLuL, Prof. Dr. Ekkehard Zöfgen, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld E-Mail: Ekkehard.Zoefgen@Uni-Bielefeld.de Prof. Dr. Frank G. Königs, Philipps-Universität Marburg , Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerweii; i-Straße, 35032 Marburg/ Lahn E-Mail: Koenigs@staff.uni-marburg,de Prof. Dr. Claus Gnutzmann, TU Braunschweig, Englisches Seminar, Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik, Bienroder Weg 80, 38106 Braunschweig, E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Beratende Mitarbeit: Jens Bahns (Kiel) · Hans Barkowski (Jena) · Rupprecht S. Baur (Essen) · Wolfgang Bömer (Hamburg)• Eva Burwitz-Melzer (Gießen) • Franz Josef Hausmann (Erlangen)• Jürgen Kurtz (Karlsruhe)• Manfred Raupach (Kassel) • Claudia Riemer (Bielefeld) Fremdsprachen Lehren und Lernen erscheint einmal jährlich mit einem Umfang von ca. 240 Seiten. Das Jahresabonnement kostet €42,- (zuzügl. Postgebühren). Vorzugspreis für private Leser € 34,- (zuzügl. Postgebühren/ Lieferung und Rechnung an Privatadresse), sofern sie dem Verlag schriftlich mitteilen, dass sie die Zeitschrift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch beziehen. Erfolgt keine Abbestellung bi s zum 15 . November, so verlängert sich das Abonnement automatisch um ein Jahr. © 2006 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH+ Co . KG, Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich gesc hützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren reprodu ziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähn lichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und so nstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmen s hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gern. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlu ng an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München , von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Univers ität Bielefeld und des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung der Philipps-Universität Marburg. Druck: Laupp & Gäbe! , Nehren Bindung : Nädele, Nehren Printed in Germany ISSN 0932-6936 ISBN 13: 978-3-8233-5956-2 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Claus GNUTZMANN, Frank G. KÖNIGS „A long and winding road ..." - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik. Überlegungen zur Einführung in die Thematik und eine Einleitung zu einem Themenheft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ArndWITTE Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Claus ALTMAYER ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand. Zur kulturwissenschaftlichen Tranformation der ,Landeskunde' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Frauke lNTEMANN VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch als Lingua Franca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Astrid ERTELT-VIETH Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand zweier Critical Incidents im Schüleraustausch: Unterrichtsvorschläge . . . . . . . 77 Eynar LEUPOLD, Jnes Carla SCHÄFER Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule . . . . . 90 Eva BURWITZ-MELZER Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten: Zwei zentrale Elemente eines neuen Lesekompetenzmodells ........ 104 Brigitte GLASER Mediating Cultures in the Classroom: Women Writers and their Postcolonial Approaches to History, Politics and Identity ........................... 121 Guido RINGS Broken Orientialism. Using Literary Texts for Intercultural Training ........ 136 (Fortsetzung umseitig) Richard ALEXANDER Can International Business English Teaching Be Culturally Neutral in an Age of Corporate Globalization? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Janina BRUTT-GRIFFLER Language and Globalisation: Myths and Realities 166 AdelheidHu Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 183 Claire KRAMSCH Teaching Local Languages in Global Settings: the European Challenge ...... 201 Matthias HUTZ Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language: A Cross-linguistic Study ofRequests .................. 211 Jörg ROCHE, Melody ROUSSY-PARENT Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation . . . . . 228 Laurenz V OLKMANN Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Marion Netzlaff « Eperdument amoureux, profondement des; u, hautement qualifie, superieurement intelligent)>. De la difficulte de trouver l'adverbe approprie a un adjectif . 267 Jörg RüCHE: Fremdsprachenenverb - Fremdsprachendidaktik. Tübingen und Basel: Francke 2005 (LISANNE KLEIN GUNNEWIEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Britta HUFEISEN, Madeline LUTJEHARMS (Hrsg.): Gesamtsprachencurriculum - Integrierte Sprachendidaktik [...] Tübingen: Narr 2005 (LISANNE KLEIN GUNNEWIEK) . 283 Claus GNUTZMANN, Frauke INTEMANN (eds.): The Globalisation of English and the Englisch Language Classroom. Tübingen: Narr 2005 (KARLFRIED KNAPP) ......... 291 Franz Josef HAUSMANN: Der undurchsichtige Wortschatz des Französischen. [...]. Aachen: Shaker 2005 (EKKEHARD ZöFGEN) ............................... 295 Eingegangene Bücher .............................................. 295 FLuL 35 (2006) .___ ____ s_p_r_a_c_h_d_i_d_a_k_t_ik_-_•_·n_t_e_r_k_u_It_u_r_e_n _____ l Claus GNUTZMANN, Frank G. KÖNIGS * „A long and winding road ..." - Von der ,Landeskunde~ zur interkulturellen Sprachdidaktik Überlegungen zur Einführung in die Thematik und eine Einleitung zu einem Themenheft Abstract. This article looks into the historical aspects and major thematic issues relating to the general topic ofthe present volume. After a briefintroductory reflection on the term 'Landeskunde', it surveys the development ofthe concepts of 'Landeskunde' and 'Kulturkunde' until 1945. This review connects to the second part, which conceptualises the new understanding of 'Landeskunde' with special reference to intercultural learning. The third chapter focuses on basic questions ofleaming psychology in terms of information-intake regarding 'Landeskunde'. Furthermore, it shows which information processes are triggered offwithin a foreign learner when confronted with foreign language material and the associated 'cultural' information. Using practical examples taken from modern textbooks on German as a foreign language, chapter four describes the methodological approaches that current teaching materials either recommend or use for the teaching of 'Landeskunde'. In the discussion it becomes apparent how the mediation of 'cultural' topics and contents has progressed with regard to the teaching and leaming perspective. The article concludes with a summary of the fifteen contributions to this volume, which focus on different aspects of the issues raised in the introductory section. Für einen in das Thema interkulturelle Sprachdidaktik einführenden Beitrag bietet es sich an, den Landeskundebegriff zum Ausgangspunkt weitergehender Betrachtungen zum Verhältnis von sprachlichem und (inter-)kulturellem Lernen im Fremdsprachenunterricht zu machen, handelt es sich bei der Landeskunde doch um eine ,Disziplin', deren Anwendungspotential vor allem mit dem Lehren und Lernen fremder Sprachen verbunden wird. ERDMENGER (1996: 21) definiert sie als „Kunde über diejenigen Länder, in denen die zu Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Clans GNUTZMANN, Univ.-Prof., Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-mail: c.guutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien, Englisch als globale lingua franca. Prof. Dr. Frank G. KÖNIGS, Univ.-Prof., Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Str., 35032 MARBURG. E-mail: koenigs@staff.uni-marburg.de Arbeitsbereiche: Konzeptbildungen der Sprachlehrforschung, Psycholinguistik des Fremdsprachenlernens, Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung, insbesondere Deutsch als Fremdsprache und Romanische Sprachen, Übersetzungsdidaktik, Curriculumentwicklung, Lehrerbildung. FlLuL 35 (2006) 4 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lernende Sprache gesprochen wird'', geht aber, indem er die affektiv-emotionale Seite der Lernenden einbezieht, über ein enges positivistisch-statisches Verständnis hinaus: Landeskunde führt durch Information zum Verständnis von Kulturen ( ... ), durch Begegnung mit dem Wertesystem einer anderen Kultur zum Infragestellen des Vertrauten, (... ), zur Einbeziehung fremder Wertsysteme in die eigene Wertorientierung und durch sprachlichen Austausch zur interkulturellen Kommunikation (ERDMENGER 1996: 20). Im Vergleich zum vorangehenden Definitionsansatz überwiegt in der Literatur allerdings eine distanzierte Sicht der Landeskunde. Abhebend auf die Infragestellung des wissenschaftlichen Status kritisiert beispielsweise ROCHE den „landläufig unreflektierten Gebrauch der Bezeichnung ,Landeskunde"' und spricht von einem „Zustand, der bei einem einfachen Verständnis von Alltagskultur stehen geblieben und möglicherweise hinter die Ergebnisse des kommunikativen Ansatzes der Sprachvermittlung zurückgefallen ist" (RocHE 2004: 1). Als Gründe werden die mangelnde Unterrichtszeit, die Überforderung der Lehrkräfte sowie die nur ansatzweise Behandlung des Themas in. der Lehrerausbildung angesprochen. Durch die Erforschung von Fragestellungen der interkulturellen Kommunikation und des Fremdsprachenerwerbs sowie der daraus resultierenden Einsicht, dass muttersprachliche Kompetenz in der Fremdsprache letztlich ein unrealistisches und unangemessenes Lernziel sei, kommt es in der Folge zu einem neuen, erweiterten Verständnis von Landeskunde, das durch die Herausbildung der interkulturellen Sprachdidaktik eine Verwissenschaftlichung erfahren hat. Unter anderem beinhaltet der Begriffnun die Fähigkeit zur interkulturellen (kommunikativen) Kompetenz. Aufgabe des vorliegenden Beitrags soll es sein, die unterschiedlichen Standpunkte zur ,Landeskunde' in ihrer historischen und systematischen Dimension zu berücksichtigen. In den ersten beiden Kapiteln erfolgt eine kritische Darstellung des Landeskundebegriffs, seiner verschiedenen Ausprägungen und seiner Bezüge zum Interkulturellen Lernen sowie zur interkulturellen Sprachdidaktik. Das dritte Kapitel befasst sich mit lernpsychologischen Überlegungen zum Fremdsprachenerwerb, das vierte Kapitel hat die Vermittlung landeskundlicher Inhalte und Kompetenzen anhand von Lehrwerktexten zum Gegenstand. Der Beitrag schließt mit einer Synopse der im diesjährigen Themenband vereinigten Beiträge. 1. Die Entstehung und Entwicklung des Landeskunde- und Kulturkundebegriffs bis 1945 Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit wird heutzutage davon ausgegangen, dass das Lehren und Lernen fremder Sprachen auch immer den Blick auf die Gesellschaft, die Kultur, die Lebensbedingungen etc. der fremden Sprachgruppe mit einschließt. 1 Das war Vgl. hierzu u. a. KRAMER (2000: 325): "In Germany (and other German speaking countries) the terms Landeskunde and Kulturkunde have mainly, but not exclusively, been connected to the study of foreign lFLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 5 allerdings nicht immer so: Während das Fremdsprachenlernen in der Grammatik-Übersetzungsmethode noch vorwiegend die Aneignung formal-sprachlicher Mittel der fremden Sprache anhand von Texten mit eher abstraktem, allgemeinbildendem Anspruch bedeutete, trat mit dem Aufkommen der Direkten Methode und ihrer diversen Varianten in mehrfacher Hinsicht ein Wechsel ein. Die Muttersprache verschwand größtenteils aus dem Unterricht; an die Stelle der geschriebenen trat die gesprochene Sprache und verbunden damit die Auffassung, dass Sprachanwendung den unmittelbaren Kontakt mit Sprechern der fremden Sprachgemeinschaft bedeutet. Interessanterweise wird auch schon von Vertretern der kontrastiven Linguistik der Blick auf die kulturelle Einbettung von sprachlicher Kommunikation und auf die didaktische Notwendigkeit des Kulturvergleichs gerichtet, allerdings hat sich diese eher programmatische Aussage in der Forschung dann nicht entsprechend niedergeschlagen: W e cannot hope to compare two cultures unless we have more accurate understanding of each of the cultures being compared.( ... ) If the native culture habits are transferred when leaming a foreign culture, it is obvious that, by comparing the two culture systems, we can predict what the trouble spots will be (LADO 1957: 111, 114). Aufgrund dieser und ähnlicher Auffassungen kann ,Landeskunde' als wichtiger Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts angesehen werden. Die Forderungen der Philologen, wie zum Beispiel die Rückkehr zu einem Studium aller „Lebensäußerungen des fremden Volkes und [der] natürlichen Voraussetzungen seines politischen Daseins" (zitiert bei BRIESEMEISTER), sind dadurch vielleicht erklärbar; sie stellten aber gleichzeitig eine nicht unerhebliche Überzeichnung der tatsächlichen Möglichkeiten des Fremdsprachenunterrichts dar. Ein Rückblick in die Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zeigt eine Entwicklung des Landeskundebegriffs von einer eher kulturkundlichen Auslegung "Kulturkunde") hin zur nationalsozialistischen „Wesenskunde". Vor allem die deutschen Neuphilologen verwandten den Begriff „Kulturkunde" als „erweiterte und vertiefte Volks- und Landeskunde im Interesse des Staates" (ERKE, zitiert bei BRIESE- MEISTER). "Landeskunde" besaß eine „fragwürdige, völkerpsychologisch orientierte" (APELT 1967: 6) Bedeutung: "Nicht Kenntnis und Achtung des anderen, sondern Überhöhung des eigenen Wesens war hier das letzte und eigentliche Ziel" (Ebd.: 34). Wie das folgende Zitat aus dem Jahre 1925 zeigt, ist nicht das Interesse an der anderen Kultur an sich die Zielsetzung eines kulturkundlichen Sprachunterrichts, sondern Selbsterkenntnis, die „Schauung unserer eigenen Wesensart": Die immer wiederkehrenden Formen des fremdnationalen Wollens und Denkens gilt es zu erkennen oder zu ahnen; die einfachen Triebe oder Strukturmerkmale der fremden Volksindividualität wollen wir aufsuchen in der Sprache und in den literarischen Erzeugnissen, um an dieser Erkenntnis einen Hintergrund zu haben für die Schauung unsrer eigenen Wesensart (HÜBNER 1925: 214f.). languages since its institutionalisation in the second half ofthe nineteenth century." FLuL 35 (2006) 6 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Im Dritten Reich führte dies dazu, dass Kulturkunde als „Gesamtanschauung aufgefasst, als Unterrichtsprinzip verwendet und als reifer abendländischer Realismus" (vgl. so die Zusammenschau bei BRIESEMEISTER 1976: 178) gepriesen wurde. Das völkische Prinzip spiegelte sich im eigenen ,Ich'. In der Herausarbeitung von Gegensätzen sollte sich die Überlegenheit des deutschen Volkes verdeutlichen. Kulturkunde war nun nationalsozialistische Wesenskunde, die der Völkerverhetzung und Kriegsvorbereitung diente. Die Fremdsprachen sollten in der Folge dazu beitragen, den nationalsozialistischen Überlegenheitsgedanken zu nähren und Opferbereitschaft im Volk zu schüren. Erst durch das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Niedergang des Dritten Reiches war es möglich, den von APELT (1967: 7) geprägten Begriff des „kulturkundlichen Irrweges" zu verlassen und eine andere Richtung einzuschlagen: ( ... ) gerade die bitteren Erkenntnisse deutscher Neuphilologen und der hier dargelegte Irrweg der kulturkundlichen Bewegung(...) [sollen] Mahnung und Verpflichtung sein, den Fremdsprachenunterricht und die mit ihm untrennbar verbundene Kunde vom Wesen und der Kultur fremder Völker grundsätzlich in den Dienst der Völkerverständigung und -versöhnung zu stellen. 2. Zum neueren Verständnis der Landeskunde im Fremdsprachenunterricht Die verheerenden Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs und seine Folgen führten zu einer gesellschaftlichen Desorientierung, die in den Wissenschaften wie auch im Schulunterricht zu einer Hinwendung zu Theorien und Methoden beitrug, die Bezüge zu gesellschaftlichen Leit- und Wertvorstellungen weitestgehend ausblendeten, um sich nicht dem Verdacht ideologischer Anfälligkeit auszusetzen. Die hohe Akzeptanz des werkimmanenten Ansatzes in der Literaturwissenschaft und ein soziokulturelle Phänomene vernachlässigender Sprachunterricht sind Ausdruck dieser Entwicklung. Deshalb stellte es sich auch als langwierig und schwierig heraus, den Landeskundebegriff neu zu fassen. Es scheint, als habe die junge Bundesrepublik sich nur zögerlich der Frage zuwenden können, was denn landeskundliches Lernen im Zusammenhang mit unterrichtlichem Fremdsprachenerwerb bedeuten könne oder solle. Einschlägige Sammelbände der 70erund 80er Jahre (vgl. exemplarisch WEBER 1976; BUTTJES 1981) weisen der Landeskunde aus mehreren Perspektiven einen wichtigen Stellenwert im Fremdsprachenunterricht zu, der über die bloße Vermittlung von Fakten sichtbar hinausreicht. Die Integration der Landeskundevermittlung in den Spracherwerb ist dafür lediglich ein Beleg, der in nicht unerheblichem Umfang mit dazu beigetragen haben dürfte, den Begriff des ,Interkulturellen Lernens' zu prägen. Dabei handelt es sich nach RöTTGER um ein integratives inhaltsorientiertes Sprachlernkonzept, das zum einen eine ganzheitliche Sicht auf die drei Lernzieldimensionen kommunikativen Fremdsprachenunterrichts - Kenntnis über die Zielkultur und -sprache auf der kognitiven, Haltungen gegenüber der Zielkultur auf der affektiven und kommunikative Kompetenzen auf der pragmatischen Ebene notwendig macht, da Landeskunde und Sprache eine untrennbare Einheit bilden (RöTTGER 2002: 44). lFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 7 Das klingt nachvollziehbar. Um so bedenklicher muss es dann allerdings erscheinen, wenn gegen das Konzept und den Begriff des Interkulturellen Lernens mit dem Argument gekämpft wird, dass die (interkulturelle) Pragmatik doch schon existiere und man Interkulturelles Lernen als Konzept eigentlich nicht brauche (vgl. dazu EDMONDSON/ HOUSE 1998). Besondere Brisanz enthält diese Diskussion in Deutschland durch das zunehmende gesellschaftliche und wissenschaftliche Bedürfnis nach einer Beantwortung folgender Fragestellungen: Wie kann man Kinder aus Migrationskontexten in angemessener Weise in das deutsche Schulsystem allgemein und den dort stattfindenden Fremdsprachenunterricht im Besonderen integrieren? Und wie kann man sie dort fordern und fördern (vgl. z.B. Hu 1996; 1999; 2003)? Ein wichtiges Lernziel für Interkulturelles Lernen ist die Vermittlung ,interkultureller Kompetenz', die sich durch die Fähigkeit auszeichnet, effizient mit Menschen anderer, von unserer eigenen als unterschiedlich wahrgenommene Kulturen zu kommunizieren (GUILHERME 2000: 297). Dabei kann mit BYRAM (1997) zwischen „intercultural competence" als der Fähigkeit, in der eigenen Sprache mit Menschen einer anderen Kultur zu interagieren, und „intercultural communicative competence" unterschieden werden, wobei sich letztere auf Kommunikation in einer fremden Sprache bezieht. Interkulturelles Lernen zielt ab auf den Erwerb bestimmter Wissensinhalte, Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Einstellungen. Der interkulturelle Fremdsprachenunterricht orientiert sich des Weiteren am so genannten „intercultural speaker" (BYRAM 1997: 38), der in Kommunikationssituationen Fähigkeiten zeigt, die weit über eine reine sprachliche Kompetenz hinausgehen und in weiten Teilen im soziokulturellen und sozialen Bereich anzusiedeln sind: (... ) an intercultural speaker, someone who has a competence different from that of the native speaker, someone who is able to see and establish relationships between languages and cultures, rather than someone who tries, and usually fails, to imitate a native speaker. The competence of an intercultural speaker is also difficult to acquire and most language leamers will fall short to the ideal, but they will nevertheless acquire a degree ofsuch competence (... ) (BYRAM 1999: 364f.). Was sich bei und im Gefolge von BYRAM als Konzept liest, dem man in wesentlichen Teilen wohl wird folgen können, stellt allerdings in der Entwicklung eher ein wichtiges Etappenziel auf einem durchaus langen Weg dar. Die Entwicklungsetappe von einer faktenorientierten Landeskunde zum Interkulturellen Lernen verliefnämlich alles andere als stromlinienförmig; die Annahme, dass letztgenannter Begriff(Interkulturelles Lernen) den erstgenannten (,Landeskunde') ersetzt oder aufgesogen hätte, wäre auch etwas kurzschlüssig. Wir verzeichnen beispielsweise in den 80er Jahren die Entwicklung des Tübinger Modells einer integrativen Landeskunde (Moa/ ALTHAUS 1992), zu deren Begründung es in der Einleitung eines einschlägigen Sammelbandes heißt: Ziel ist es, anhand ausgewählter Themen jenseits von elementarem Lern- und Merkwissen, von nur aktuellen Fragen, von binnendeutschen Spezialistendebatten und über einsinnige Fachperspektiven hinaus, Hintergründe und übergreifende Bezüge herzustellen. Die Darstellung eines solchen, bis in die feinsten Verästelungen des deutschen Habitus hineinreichenden geschichtlichen Lebenszusammenhangs ermöglicht wohl am ehesten das Verstehen der fremden und damit auch der eigenen Kultur (ALTHAUS/ Moa 1992: 13). lFLulL 35 (2006) 8 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Zumindest ansatzweise konkretisiert sich dieser Ansatz in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache, die der sog. vierten Generation (GÖTZE 1994) zugerechnet werden; sie zeichnen sich durch den Versuch aus, die Fremdperspektive und damit das Nachdenken auch über die eigene Kultur konsequent mit einzubeziehen (Beispiele: Sichtwechsel oder Sprachbrücke). Behandelt werden im Rahmen des zitierten Tübinger Modells u. a. Aspekte deutscher Raum- oder deutscher Zeiterfahrung, also von Elementen, die SCHWERDTFEGER (1991) den sogenannten kulturellen Symbolen zuordnet. Gleichwohl gilt, und zwar auch nach Einschätzung der Hauptvertreter des Tübinger Modells, dass viele programmatische Anliegen letztlich nicht himeichend umgesetzt wurden: Interdisziplinarität ist wohl ein Schlagwort geblieben. Nicht nur, aber vielleicht auch, weil sie mühsam und teuer ist (ALTHAUS 1999: 29). Schaut man sich dann noch an, welche Weiterungen, aber auch ,Unklarheiten' durch die Integration eines wie auch immer gefüllten - ,Kulturbegriffs' in das Landeskunde- Konzept entstanden sind, wundert man sich nicht über resignierte Haltungen der vorgetragenen Art. Erinnert sei auch hier an die konzeptuelle Vielfalt, die sich mit diesem Begriff verbindet; an die Diskussion im englischsprachigen Raum um ,C/ culture' mit großem oder kleinem ,c' (z.B. bei STERN 1983) oder an die Thesen des Goethe-Instituts zum Kulturbegriff (BEIRAT DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE DES GOETHE-INSTITUTS 1992). Bei einem Blick auf diese und vergleichbare Konzeptionen ist es weniger die Disparatheit der Vorstellungen, die dem Leser dieser Konzepte und/ oder dem Lehrer Probleme bereiten dürfte; vielmehr sind es die fehlenden Kriterien oder Normen, die zu den jeweiligen Festlegungen des Begriffs und des Konzepts führen mussten und auch tatsächlich geführt haben. Und auch die Konsequenzen, die daraus für Fremdsprachenunterricht zu ziehen sind, blieben noch ziemlich unklar: Denn eine bloße deklamatorische Feststellung, dass Landeskunde für das Erlernen einer fremden Sprache wichtig ist, dürfte ebenso richtig wie banal sein und enthält weder Hinweise auf das ,Was' noch auf das ,Wie' im Fremdsprachenunterricht. Der Blick auf die Rolle der Landeskunde ergibt für den DaF-Unterricht ein insgesamt eher ernüchterndes und diffuses Bild.2 Die Einschätzung, wonach Landeskunde „keinen bedeutenden Stellenwert in der gegenwärtigen Diskussion des Faches [Deutsch als Fremdsprache]" (KRUMM 1999: 523) hat, ist vor diesem Hintergrund nicht überraschend, verlangt aber doch nach einer Erklärung bzw. Suche nach den Ursachen für diesen Zustand. Diese Ursachen dürften vor allem in den folgenden Tatsachen liegen: • ,Landeskunde' ist ein diffuser Begriff. Unter diesem Begriff vereinigen sich mehrere Vorstellungen davon, was der Lerner einer fremden Sprache an außersprachlichen Informationen benötigt. Dabei ist klar, dass die Menge aller landeskundlichen Fakten 2 Immerhin zeichnet sich für die Englischdidaktik ab, dass durch die Entwicklung der „Cultural Studies" bzw. Kulturstudien/ Kulturwissenschaften der Gegenstandsbereich der Landeskunde an Eigenständigkeit gewonnen hat und als förderlich für die Herausbildung von interkultureller Kompetenz angesehen wird(vgl. u. a. KRAMER 2000, SOMMER 2003, TESKE 2002). lF1uL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 9 und Wissensbestände kaum ein realistisches Lernziel sein kann. Welches aber sind die Kriterien, nach denen die Auswahl der landeskundlichen Inhalte vorgenommen werden kann oder soll? Welches Bild det fremden Sprachgemeinschaft soll gezeichnet werden? Wie sollen Lernende mit (möglichen) Bildern der fremden Kultur konfrontiert werden? • Die wissenschaftliche Basis ist , erst' im Entstehen. Die Fremdsprachendidaktik hat sich in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts u. a. dadurch konsolidiert, dass sie eine Abgrenzungsdiskussion vor allem gegenüber der Linguistik geführt hat. Diese wurde zwar als eine wichtige Grundlagenwissenschaft anerkannt, in ihrem unmittelbaren Wert für die Erforschung und Gestaltung von Fremdsprachenunterricht aber durchaus auch skeptisch beurteilt; in Deutschland führte dies u. a. zur Gründung der Sprachlehrforschung (vgl. zu einem Forschungsüberblick KÖNIGS 2003; 2004) und zu einer universitären Struktur, in der fremdsprachendidaktische Professuren wenn sie denn überhaupt eingerichtet wurden als Annex oder Gegenspieler der Linguistik- (und seltener der literaturwissenschaftlichen) Lehrstühle missinterpretiert wurden. Durch diese Fokussierung auf die Linguistik gerieten andere für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen wichtige Grundlagendisziplinen partiell aus dem Blickfeld mit der Folge, dass sich aus ihnen resultierende Forschungsrichtungen weniger pointiert und öffentlichkeitswirksam entwickelten. So ist zu erklären, dass die Eimichtung kulturwissenschaftlicher Lehrstühle in fremdsprachendidaktischen Kontexten erst jüngeren Datums ist, dass die Etablierung landeswissenschaftlicher Studiengänge (z. B. der Deutschland-Studien) gerade erst beginnt und dass die Bemühungen um eine (kultur-)wissenschaftliche Fundierung erst jetzt konzentriert erfolgen (vgl. z. B. ALTMAYER 2004). Diese Fundierung wird ebenfalls betrieben, um die Bedeutung landeskundlicher Elemente für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen wissenschaftlich(er) abzusichern und damit einen Zustand zu überwinden, den GLÜCK (1989: 87) ironisch mit den Worten erfasst hatte: "(...) lasst uns unbeschwert als Landeskundler werkeln (gebildete Leute sind wir allemal)". Die jetzige wissenschaftliche Konsolidierung bedeutet freilich nicht, dass die Beschäftigung mit Kultur aus wissenschaftlicher Sicht neu wäre nur die Bündelung dieser Aktivitäten in entsprechenden Instituten und Lehrstühlen ist es. Und es wird sich noch zeigen müssen, ob diesen Wissenschaften die Funktionalisierung gelingt, d.h. ob es ihnen möglich ist, ihre wissenschaftlichen Gegenstände auch auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen hin zu fokussieren. Der Linguistik ist dies bekanntermaßen nur mit großen Anstrengungen und unter Gründung bzw. Konsolidierung der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehrforschung einigermaßen gelungen. Die Literaturwissenschaft hat diesen Schritt weit weniger ausgeprägt vollzogen und vielleicht auch nicht in demselben Umfang wie die anwendungsbezogene Linguistik vollziehen müssen. • Die Steuerungsparameterfür die Vermittlung landeskundlicher Inhalte sind disparat, zumindest disparater als für die sprachlichen Vermittlungsgegenstände. Bei Betrachtung der einschlägigen Lernzielvorgaben und Lehrpläne kann festgestellt werden, dass die zu vermittelnden sprachlichen Einheiten die grammatischen, phonetischen, lFLulL 35 (2006) 10 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lexikalischen oder pragmatischen Strukturen sehr häufig explizit aufgelistet sind. Länderübergreifende Lernzielbeschreibungen, wie sie z. B. durch den Europarat bereits in den 80er Jahren vorgelegt worden sind, listen dieses Inventar auf, und die Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts besteht darin, Vermittlungszusartunenhänge zu schaffen, in denen dieses Inventar präsentiert, erklärt, geübt und angewendet werden kann. Für den Bereich der Landeskunde ergibt sich allerdings ein komplexeres Bild: Zum einen sind die Lernzielvorgaben eher vage und beziehen sich z. T. auf Faktenwissen aus gesellschaftlich für relevant gehaltenen Bereichen der fremden Kultur; zum anderen hängt die Vermittlung landeskundlicher Informationen stärker von den Texten, Textsorten und Kommunikationszusammenhängen ab, die im Unterricht behandelt werden. Dies bedeutet, dass selbst Impulse für interkulturelles, autonom angelegtes Fremdsprachenlernen je nach Einsatz der Texte durchaus vorgängig auf landeskundliches Wissen angewiesen sind, ohne das eine angemessene Bewältigung und ein wenigstens annäherndes Verstehen der Texte kaum möglich ist. KOREIK (1998; 2001) hat in mehreren Beiträgen darauf hingewiesen, dass landeskundliches Wissen eine notwendige Voraussetzung für Interkulturelles Lernen ist. Daraus kann man ableiten, dass ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' eben doch nicht zwei Ausdrücke für eine Sache sind, sondern dass ,Landeskunde' die Basis für ,Interkulturelles Lernen' darstellt, es sozusagen erst möglich macht oder sogar trägt. ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' bilden also eine Art Kontinuum, bei dem die Bestimmung der Ränder vergleichsweise eindeutig möglich sein dürfte, bei dem es aber schwer fällt zu sagen, wo das eine aufhört und das andere anfängt. 3 Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der ,interkulturellen Landeskunde' (ZEUNER 1998) vermag ebenfalls keine hinreichende Antwort zu liefern. • Für den Bereich Deutsch als Fremdsprache hat sich der landeskundliche ,Bodensatz' durch den angestrebten und z. T. realisierten Einbezug landeskundlicher Elemente nicht nur Deutschlands, sondern aller deutschsprachigen Länder enorm erweitert. Die traditionelle Konzentration auf Deutschland und die Vermittlung eines wie auch immer gearteten - Deutschlandbildes wurde aufgegeben zugunsten des sogenannten D-A-CH-L-Konzepts, das auch Österreich, die Schweiz und Liechtenstein in die Vermittlung von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht einbezieht. Eine Entscheidung in der Frage, welche landeskundlichen Inhalte fremdsprachige Deutschlerner benötigen, entzieht sich damit noch stärker einer generalisierbaren Antwort. Das Konzept verfolgte ursprünglich ein emanzipatorisches Ziel, dessen Umsetzung von den deutschsprachigen Ländern jeweils in unterschiedlicher Stärke auch politisch gefördert wurde. So stellen sich die intensiven Bemühungen zur Sichtbarmachung der Austriazismen oder zur Herleitung einer spezifisch österreichischen Man könnte auch von verschiedenen Lesarten von ,Landeskunde' ausgehen: Landeskunde im engeren Sinn bedeutet, dass Wissen über ein Land hilfreich ist für das Verständnis von Sprache. Die Weiterentwicklung dieses ,alten', ,statischen' Verständnisses führte in der Folge zum Entstehen einer neuen Disziplin, der ,Landeswissenschaft', die die Kultur in die Sprache ,eingebettet' sieht und so interkulturelles Lernen ermöglicht (Landeskunde im weiteren Sinn). FLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 11 Literatur in Abgrenzung zur deutschen gegenüber den eher neutralen Positionen der Schweizer Germanistik und der Schweizer Politik beinahe als politisches Programm dar. Dabei deutet der Titel des Beitrags von KRUMM (1999)- "Landeskunde D-A-CH oder Europa? " an, dass die wie auch immer gefüllte nationale Sichtweise zweckmäßigerweise einer übergreifenden Sichtweise Platz machen müsste nämlich der Perspektive des Lerners. 3. Lempsychologische Überlegungen zum Fremdsprachenerwerb Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Zugänge zur Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen weisen zwar aus, dass gesicherte Erkenntnisse allenfalls in Teilbereichen vorhanden sind und dass sich einige lerntheoretische Konzepte recht unversöhnlich gegenüber stehen, aber es gibt doch zumindest auf der Ebene der Plausibilitäteinige Annahmen, die einer lempsychologischen Betrachtung des fremdsprachlichen Aneignungsvorgangs mit dem Anspruch, zur Theoriebildung beizutragen, zu Grunde gelegt werden können. Zu diesen Annahmen zählen u. a. die folgenden: • Bekanntes wird besser (wieder) aufgenommen als Unbekanntes. Wenn der Lerner über bestimmte Informationen bereits früher verfügt hat, so wird er diese Informationen bei einer erneuten Konfrontation mit ihnen besser und schneller in seinen Wissensbestand integrieren als völlig neue ,unbekannte' Informationen. Inzwischen greifen auch fremdsprachliche Lehrwerke jüngeren Datums diese Erkenntnis auf und bemühen sich um Schaffung von Bezugspunkten oder „Brücken" zwischen bereits vorhandenen und neu zu integrierenden Informationen. • Die Qualität der Speicherung einer Information im Fremdsprachenlerner hat weniger mit der Information selbst zu tun als mit der Anzahl und der Qualität der Verknüpfungen, die der Lerner zwischen den vorhandenen und den neuen Informationen herstellen kann. Je fester eine Information im Lernenden verankert ist, desto schwerer wird er sich tun, diese Information zu ignorieren und umzustrukturieren. Wir können uns dies an zwei Beispielen klar machen; dass beide etwas mit Zahlen zu tun haben, ist dabei eher ein Zufall. Das Beispiel 1: Wir alle haben in der Schule gelernt, dass eins und eins zwei ergibt, und wir haben oft erfahren, dass dies stimmt. Die Ersetzung unseres gewohnten Zehner-Rechensystems z. B. durch das binäre System, wie es maschinellen Rechen- oder Verarbeitungsprozessen zugrunde liegt, bereitet uns erhebliche Schwierigkeiten - und zwar nicht, weil wir die eigentlichen Operationen nicht verstehen oder vollziehen könnten, sondern weil wir in vielfachen Anwendungen gelernt haben, eben nicht im binären, sondern im dezimalen System zu arbeiten. Das zweite Beispiel liegt näher an der Sprachverarbeitung: Bei der Erforschung von Zweisprachigkeit ist von jeher diskutiert worden, ab welcher Kompetenz ein Individuum tatsächlich als zweisprachig anzusehen ist. Bei dem Versuch einer Beantwortung dieser Frage war klar, dass ,echte' Zweisprachigkeit im Sinne einer muttersprachenähnlichen Kompetenz in zwei (oder gar mehr) Sprachen eher die Ausnahme als die Regel sein dürfte. Mangels empirisch einwandfreier Kriterien glaubte man eine lFLulL 35 (2006) 12 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Zeit lang u. a., dass die Fähigkeit zum Rechnen ein geeigneter Indikator für Zweisprachigkeit sei. zweisprachig sei also jemand, der z. B. in Englisch und Deutsch gleichermaßen schnell und richtig rechnen könne. Interessanterweise zeigte sich dann, dass auch Bilinguale mit einem hohen sprachlichen Kompetenzgrad vorzugsweise in einer Sprache zu rechnen pflegen - und zwar in derjenigen Sprache, in der sie das Rechnen gelernt hatten. Das muss keineswegs die stärkere Sprache sein. Wir sehen also, dass erlernte Operationen dann besonders stabil sind, wenn sie ihre Funktionalität unter Beweis gestellt haben wie z. B. im Fall des Rechnens. Dieser Vorgang läuft in aller Regel ,im Stillen' ab und funktioniert in der Sprache schneller und reibungsloser, in der man es gelernt hat. Besucher italienischer Restaurants in Deutschland wissen spätestens an dieser Stelle, warum sie mit dem Personal häufig über alle Themen ohne sprachliche Schwierigkeiten reden können, warum aber die Addition der Rechnungsbeträge sofern sie nicht ohnehin maschinell erfolgt in den allermeisten Fällen auf Italienisch erfolgt. • Unser Gedächtnis sucht sich seine Ordnungskriterien selbst, zumindest schafft es sich ein System, dessen Aufgabe darin besteht, die ungeordnete Akkumulation von Informationen zu vermeiden. Wir suchen nach Möglichkeiten der Verallgemeinerung, die es uns erlauben, mehr an Informationen gleichsam implizit abzuspeichern. Dies wird bereits im Erstspracherwerb geleistet. So hat z. B. die Prototypentheorie gezeigt, dass wir erstens in der Lage sind, die von uns als relevant erachteten Merkmale unter einem Begriff abzuspeichern und die dahinter stehende Realität zu bezeichnen. Wir erkennen z. B. Vögel als solche, die wir noch nie gesehen haben, weil sie die prototypischen Merkmale von Vögeln aufweisen. Dieser Verallgemeinerungsprozess tritt aber auch bei Handlungen in Kraft und hilft uns dabei, viele Teilhandlungen zu einer übergreifenden Handlung zusammenzufassen und zu bezeichnen. Ob wir diesen Vorgang mit der Psycholinguistik nun Schematheorie oder Skripttheorie nennen und ob diese Theorien insgesamt in allen Einzelheiten so zutreffen oder nicht, sei dabei an dieser Stelle unberücksichtigt. Wichtig für unseren Zusammenhang ist zunächst, dass diese Suche nach Verallgemeinerung ein im Gedächtnis angelegter Vorgang ist. Das bedeutet: Wir können nicht anders, als Stereotypen auszubilden. Wenn wir also irgendwo hören oder lesen, der Fremdsprachenunterricht müsse Stereotypenbildung vermeiden, so erkennen wir spätestens jetzt, dass dies gar nicht geht. Was der Fremdsprachenunterricht leisten kann und wohl auch leisten soll, ist ein Aufbrechen und Hinterfragen von Stereotypen das ist aber lernpsychologisch ein anderer Vorgang, auf den wir später noch einmal zurückkommen. Halten wir zunächst fest, dass Stereotypenbildung unvermeidlich ist und dass die (subjektiv oder objektiv empfundene) Distanz zur eigenen Vorstellungs- oder Erfahrungswelt dabei eine wichtige Rolle spielt. Wie anders wäre sonst z.B. zu erklären, dass an vielen Orten auf der Welt ,Oktoberfeste' gefeiert werden, bei denen ein erheblicher Teil der Besucher in kurzen Lederhosen und Bier trinkend die Festplätze bevölkert, wo doch jeder (zumindest jeder Deutsche) weiß, dass die Bayern als Prototypen für Deutsche nur partiell taugen? Und wie wäre sonst zu erklären, dass neuseeländische Fußballspieler, die in deutschen Vereinen tätig sind, ,Kiwis' genannt werden, die meisten Deutschen damit aber eher die Frucht als FLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 13 den Vogel verbinden (vgl. zu anderen Beispielen und zu Konsequenzen für die Informationsverarbeitung sowie für die Wortschatzvermittlung z.B. KÖNIGS 2000)? Wir sehen daran aber auch noch zwei weitere Dinge: • Der Vorgang der Klassenbildung und der Verknüpfung mit vorhandenen Informationen ist ebenso subjektiv wie kreativ. Wenn der Vorgang der Integration neuer Informationen in das vorhandene Wissensrepertoire entscheidend durch die Struktur des vorhandenen Wissens mitbestimmt wird, ist die beinahe zwangsläufige Folge, dass es auch das Individuum selbst ist, das diesen Vorgang steuert bewusst oder unbewusst. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, wenn in den letzten Jahren vermehrt von einem ,autonomen' Fremdsprachenlerner die Rede ist, der für die Gestaltung und den Erfolg seiner fremdsprachlichen Lernprozesse in wesentlichen Teilen selbst verantwortlich ist. Lernerautonomie 4 ist jedoch weniger ein methodisches Prinzip, sondern ein ganz natürliches Ergebnis der menschlichen Informationsverarbeitung. Unterstützt wird diese Erkenntnis durch empirische Befunde, aus denen gefolgert werden kann, dass generalisierbare Aussagen zum Fremdsprachenerwerb insbesondere die so genannten Entwicklungssequenzen kaum haltbar sind (vgl. als Beispiel für solche Studien die Arbeiten von RIEMER 1997 zur ,Einzelgängerhypothese' und KLEIN GUNNEWIEK 2000). RIEMER bezeichnet denLerner als Einzelgänger, der „in unterschiedlichem Maß imstande [ist], Input wahrzunehmen, interaktiv auszuhandeln und zu verarbeiten" (RIEMER 1997: 77). Deshalb ist der Fremdsprachenerwerb als ein individueller Prozess aufzufassen, der individuellen Voraussetzungen unterliegt. • Landeskundliches undInterkulturelles Lernen beginnen bereits auf Wortebene. Bei der Informationsverarbeitung greifen top down- und bottom up-Prozesse ineinander (vgl. z. B. dazu KÖNIGS 2000). Für die aufsteigenden Verarbeitungsprozesse kann man dabei festhalten, dass sie sich nicht in der reinen Bedeutungsermittlung erschöpfen, sondern dass sie darüber hinaus einen gleichzeitig stattfindenden Abgleich der ermittelten Bedeutungen mit dem verfügbaren (subjektiven) Weltwissen enthalten, zumindest aber in Gang setzen. Nicht zuletzt von daher beginnen zahlreiche Vorschläge zum landeskundlichen bzw. zum Interkulturellen Lernen auf der Wortebene (vgl. Beispiele dafür in VOLKMANN/ STIERSDORFERIGEHRING 2002), und von daher ist es auch gerechtfertigt, von einer „Interkulturellen Sprachdidaktik" (vgl. ROCHE 2001) zu sprechen, die ihre Wurzeln freilich in der konfrontativen Semantik hat, wie sie von Bernd-Dietrich MÜLLER zu Beginn der 80er Jahre vorgestellt worden ist (MÜLLER 1981). Fasst man die bisherigen Überlegungen aus fremdsprachenlernpsychologischer Sicht zusammen, so wird man zu der Erkenntnis gelangen, dass lernerseitiges Vorwissen bei der Informationsverarbeitung eine entscheidende Rolle spielt. Das bedeutet auch für die Vermittlung landeskundlicher Inhalte, dass der Lerner dann am besten und am meisten 4 Vgl. hierzu exemplarisch HOLEC (1981), LEGENHAUSEN (1998), MißLER (1999), MÜLLER-VERWEYEN (1997), VOLLER/ BENSON (1997). FLuL 35 (2006) 14 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lernt, wenn er dort ,abgeholt' wird, wo er mit seinem Wissen steht und wenn er die optimale Gelegenheit erhält, den Prozess der Integration neuer Information selbst aktiv zu unterstützen. Dies zuzulassen bzw. zu unterstützen, ist ein Kennzeichen der Förderung lernerseitiger Autonomie. Nach den in diesem Kapitel angestellten lernpsychologischen Überlegungen stellt die Differenzierung zwischen Landeskunde und Interkulturellem Lernen eine Parallele zum produktorientierten und prozessbezogenen Fremdsprachenlernen dar. Ebenso wie in der Fremdsprachenlernpsychologie an die Stelle eines produktorientierten Verständnisses von Lernen ein Lernverständnis getreten ist, das die Kreativität und Eigenverantwortlichkeit des Lerners betont und das in seiner extremen Ausprägung im Konstruktivismus dem Lerner die Verantwortung dafür zuschreibt, seine eigene (Lern-)Welt so zu konstruieren, dass sie kommunikationsfähig mit anderen Welten ( = anderen Lernern oder Personen) ist (vgl. KÖNIGS 2005b), stellt das Interkulturelle Lernen die prozesshafte Weiterentwicklung eines produktorientierten Landeskunde- Verständnisses dar. In beiden Fällen der Fremdsprachenlernpsychologie wie dem Interkulturellen Lernen entscheidet der Lerner darüber, ob und vor allem wie er die neuen Informationen verarbeitet und sie in seinen vorhandenen Wissensbestand integriert. Ebenso wie er lernpsychologisch in seiner Entscheidung darüber frei ist, welchen Lernweg er für sich als Erfolg versprechend, angemessen und nachhaltig wählt, gilt für das Interkulturelle Lernen etwas Analoges: Es kann nicht darum gehen, den oder das Fremde zu imitieren, sondern es geht um Akzeptanz, Toleranz und damitum Verstehen des Fremden. Dieses Fremde offenbart sich dem Lerner eben nicht nur durch Fakten, wie sie die ,traditionelle' Landeskunde bereitstellt, sondern sie offenbart sich ebenso in der pragmatischen Dimension des Sprachgebrauchs oder in einzelnen Begriffen und den dahinter stehenden Konzepten. Betrachten wir den Satz ,Guten Tag, wie geht's? ', der seine Entsprechung im englischen ,Hello, how are you? ' hat. Im Englischen wird nicht erwartet, dass der Angesprochene Auskunft darüber gibt, dass und warum es ihm gut oder schlecht gehtim Deutschen ist das nicht anders: Das ,Wie geht's' stellt eher eine Floskel dar, deren Funktion in der Gesprächseröffnung oder Kontaktaufnahme besteht - und folglich erfordert sie eine entsprechende Reaktion, wie z.B. ,Gut' auch wenn man sich vielleicht gerade gar nicht gut fühlt; die mögliche emotionale Distanz zwischen den Kommunikationspartnern verbietet aber ein persönliches Gespräch. Auch dies zählt zum Interkulturellen Lernen: Der Lerner muss erkennen lernen, wann von ihm ,persönliche Ausführungen' erwartet werden und wann nicht. Was er in der Muttersprache oft intuitiv richtig macht, verleitet ihn in der Fremdsprache möglicherweise zu einem anderen Verhalten, zumindest aber zu einem Nachdenken darüber, welche Erwartungen der Fremde ihm entgegenbringt. So gesehen lässt sich zwar nicht die Frage nach dem ,Wie viel' an Landeskunde beantworten, aber wir können festhalten: Landeskundliches und/ oder Interkulturelles Lernen beginnt in der ersten Stunde des Fremdsprachenunterrichts, aber es bedarf hierzu eines integrativen Ansatzes, nämlich der integrativen Beschäftigung mit Landeskunde und interkulturellen Aspekten der Sprachaneignung unter Zuhilfenahme und der Vermittlung sprachlicher Mittel. Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit lässt sich demnach nicht nur durch eine Vermittlung landeskundlichen/ kulturellen Wissens verbessern, wenn lFLulL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 15 nicht gleichzeitig „die Verknüpfung zwischen dem Wissen über kulturelle Unterschiede und dem Ausdruck dieser kulturellen Unterschiede im sprachlichen Handeln gewährleistet ist" (OLDENBURG 1993: 79). Sprache und Kultur wie auch sprachliches und (Inter-)kulturelles Lernen müssen beim Interkulturellen Lernen miteinander verbunden werden, um der Vielschichtigkeit des Sprach- und Kultursystems sowie deren Aneignung durch die Lernenden gerecht zu werden. 4. Die Vermittlung landeskundlicher Inhalte im Fremdsprachenunterricht: Praxisbeispiele Für die Vermittlung von landeskundlichen und/ oder interkulturellen Inhalten gilt zunächst das, was für jeden unterrichtlichen Inhalt gilt: Die Intensität der Beschäftigung mit ihnen wird durch den Lehrer gesteuert, zumindest durch die Art seiner Aufgabenstellung. Er kann auftauchende Begriffe und die hinter ihnen stehenden Konzepte einfach ,semantisieren' oder sie zum Gesprächsgegenstand erklären. Wie früh dies möglich ist, sollen die beiden folgenden Beispiele zeigen. Im ersten geht es um das Erkennen von Internationalismen, einer Übung, die in einem aufMehrsprachigkeit angelegten Fremdsprachenunterricht einen prominenten Platz hat (vgl. KÖNIGS, im Druck), die aber auch bereits im Anfangsstadium des ,normalen' Fremdsprachenunterrichts zum Einsatz kommen kann. In einem im Frühjahr 2005 erschienenen Lehrbuch studio d für den Anfangsunterricht werden in der ersten Lektion vier kurze Texte präsentiert und mit der Aufgabe versehen, die internationalen Begriffe herauszusuchen. Dabei tauchen z. B. Begriffe wie ,Airport', ,Medizintechnologie', ,Konzert' oder ,Universität' auf. Man könnte z. B. den folgenden Lehrbuchtext dazu verwenden, in der Muttersprache der Lerner wenn es sich um eine sprachlich homogene Gruppe handeltüber , Studium' und ,Universität' in Deutschland und im Heimatland zu sprechen. (Abbildung aus: studio d, Seite 14) Nur wenige Seiten weiter findet sich immer noch in der ersten Lektion der folgende Text über Kaffee: FJLuL 35 (2006) 16 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs B Caft lnter11atianal. Welche Wörterverstehen Sie? Notieren Sie. Da.~ Kaffäetrinken ist eine arabische Tradition. Die Türken haben Mokka international populär gemacht. In Europa hat (ht.erreich eine lange Kaffeehau_stradition und viele K: tffeevariationen. Heute ist Kaffoetrinken .in". Gaffe Laue, EspRsso und Cappllccino heißen die Top- Favoriten in Hongkong, New York, Berlin und St. Petersburg. Cafe-Ketten wie Starbucis, Segafredo und Coffee Bean sind so international wie M1: Donalda. Cafös sind ideal für die Kommunikation nnd für Kontakie. (Abbildung aus: studio d, Seite 28) An diesem Text kann man nicht nur, wie das Lehrbuch es nahe legt, morphologische Strukturen des Deutschen erarbeiten, sondern ihn ebenfalls zu einer Information über die Rolle des Kaffees in deutschsprachigen Ländern nutzen, und zwar im Anfangsstadium in der Muttersprache. Ob ein solcher Weg gegangen wird, hängt von den Interessen der Lerner und natürlich vom Lernziel des Unterrichts ab aber es ist zu erkennen, dass landeskundliche Informationen vom ersten Augenblick an präsent sind und auch thematisiert werden können. Dies ist auch mit umfassenderen Inhalten schon relativ früh möglich, wie z. B. das Lehrwerk Blaue Blume zeigt. Dort wird in der fünften Lektion der Zeitbegriff thematisiert; die Schüler lernen Begriffe wie ,Arbeitszeit', Unterrichtszeit', ,Urlaubszeit' oder ,Schulzeit' kennen und nehmen Zahlen und Uhrzeiten durch. Zu Beginn der Lektion erhalten sie in der englischen Ausgabe den folgenden Text auf Englisch: (Abbildung aus: Blaue Blume, Seite 27) -. (S. 17) Solche Informationen zum kulturellen Hintergrund, zur deutschen Sprache und zu Lernstrategien erhalten die Lerner zu Beginn jeder Lektion. Damit werden sie eingestimmt auf das, was den Lerngegenstand ausmacht, aber auch zum Nachdenken über die eigene und die fremde Kultur angeregt. FLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 17 Die Behandlung landeskundlicher bzw. interkulturell relevanter Inhalte erschöpft sich freilich nicht in Übungen des genannten Typs. Im fortgeschrittenen Lernstadium sind Übungsabfolgen denkbar, wie sie z. B. in Eurolingua Deutsch zu finden sind. Das folgende Beispiel aus dem dritten Band des Lehrwerks nimmt einen Redeausschnitt eines Politikers der Grünen zum Anlass, gleichermaßen Sprachstrukturen zu üben und den inhaltlichen Transfer aufdie politische Situation in der eigenen Gesellschaft zu forcieren: FLulL 35 (2006) 18 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs mlt den Beg~ffen im Kasten drei Aussagen zu scllreiben, die zur R6<le passen. Unten sind einig& Politikern verwandet worden.· lhmm Land (oder ln Ihrem Kurs) aus und schreiben Sie (Abbildung aus: Eurolingua Deutsch, Band 3, Seite 141) Dabei wird von einem authentischen Redeausschnitt ausgegangen, der zunächst sprachlich bearbeitet wird, und zwar erst mit Übungen auf der Wort- und dann auf der Textebene. Anschließend wird übergeleitet zur eigenen Textproduktion, die ihrerseits dann lFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 19 dazu genutzt wird, die Situation im Heimatland der Lerner zu thematisieren. Aber es ist noch eine weitere Ausdehnung der Beschäftigung mit landeskundlichen und/ oder interkulturellen Inhalten im Fremdsprachenunterricht denkbar. Seit einiger Zeit wird über die Vorzüge des so genannten Aufgabenorientierten Fremdsprachenlernens diskutiert (vgl. dazu z.B. die Monographien von WILLIS 6 2003; ELLIS 2003 sowie den Sammelband von MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-VON DITFURTH 2005; vgl. jetzt auch den Sammelband von BAUSCH et al. 2006). Es ersetzt den kleinschrittiger gefassten Übungsbegriff durch ein umfassendes Konzept der Erarbeitung sprachlicher und inhaltlicher Aufgabenstellungen. Dabei spieltnach WILLIS 6 2003 die Unterteilung in drei Phasen eine wichtige Rolle: in die Einführung in die Aufgabenstellung "Pre-task"), in den Aufgabenzirkel und in die Erarbeitung der sprachlichen Formen. Durch eine Ergänzung des Aufgabenzirkels, der von WILLIS als Abfolge von Aufgabendurchführung, Planungsaktivitäten und lernerseitigem, auf die sprachliche Form fokussierten Bericht über die Aufgabendurchführung beschrieben wird, lassen sich die Inhalte stärker zum Gegenstand der Reflexion machen. Für den Aufgabenzirkel würde dies z. B. bedeuten: In den Aufgabenzirkel wird nicht nur eine sprachliche Reflexionsphase, sondern auch eine lernbezogene Reflexionsphase integriert (vgl. KÖNIGS 2005a), die bekanntermaßen (s. o.) den Lernprozess und die Lernerautonomie fördert. Zu dieser Reflexionsphase würde dann auch gehören, den Lerninhalt jenseits der sprachlichen Lerngegenstände vor dem Hintergrund des vorhandenen fremd- und eigenkulturellen Wissens zu reflektieren und dadurch Einsichten in Ursachen und Zusammenhänge fremdkultureller Erscheinungen zu gewinnen. Dass dabei landeskundliche und/ oder interkulturelle Inhalte eine nicht geringe Aufwertung erfahren, ist offensichtlich. Allerdings kann auf die Frage „Wie viel Landeskunde braucht der Fremdsprachenlerner? " ein generalisierbares Maß nicht angegeben werden. Lernende bringen jedoch ein beträchtliches Maß an Vorwissen auch an landeskundlichem Vorwissen mit, das es produktiv zu nutzen gilt, nicht zuletzt zur Förderung der Lernerautonomie und der fremdsprachlichen Lernprozesse insgesamt. Dabei kommt gerade den Bereichen ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' eine zentrale Bedeutung zu. 5. Übersicht zu den Beiträgen des vorliegenden Bandes Die skizzierte Entwicklung hat deutlich gemacht, dass es sich hierbei nicht um eine lineare Fortschreibung einer bestimmten Tendenz handelt, sondern dass die Auffassungen zu Landeskunde und Interkulturalität vor allem immer differenzierter geworden sind. Dies betrifft sowohl die Konzeptbildung auf einer vergleichsweise abstrakten Ebene als auch die unterrichtspraktischen Konsequenzen, die aus theoretischen Postulaten und Standpunkten beinahe zwangsläufig erwachsen. Die Beiträge dieses Bandes spiegeln diese Vielschichtigkeit aus unterschiedlichen Richtungen wider. Den Reigen der Beiträge, in denen theoretische Modellierungen, die aus empirischen Untersuchungen heraus entstanden sind, in Unterrichtsvorschläge münden, eröffnetArnd WITTE (National University of Ireland, Maynooth). Er plädiert für eine Ergänzung der sprachlichen und lFLulL 35 (2006) 20 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs situativen Progression im Fremdsprachenunterricht um eine „fremdkulturelle Progressionsebene", die sich auf kognitive und affektive Aspekte stützt. WJITE stellt hierfür sieben interkulturelle Progressionsebenen vor, die die Entwicklung einer umfassenden ,interkulturellen Kompetenz' nachzeichnen. Diese Kompetenz kann erworben werden, wenn der Lerner sich durch ,erfahrungsbezogenes' und ,kollaboratives Lernen' von den "Konstrukten der eigenen Sprache und Kultur löst und sich kognitiv aufjene der fremden Sprache und Kultur zubewegt". Die von WITTE angesprochene „kulturelle Progression des Verstehens des Fremden" sowie die „reziproke Progression der Relativierung eigenkultureller Deutungsmuster" stellen ein Konzept bereit, um von monokulturellen zu interkulturellen Verstehensprozessen zu gelangen. Claus ALTMAYER (Universität Leipzig) stellt das Konzept einer kulturwissenschaftlich transformierten Landeskunde vor, das er als Erweiterung des bislang in der fremdsprachlichen Praxis dominierenden interkulturellen Ansatzes versteht. Mit Bezug auf den Bereich ,Deutsch als Fremdsprache' übtALTMAYER Kritik an den bisherigen didaktischen Konzepten einer interkulturellen Landeskunde, die wegen ihrer mangelnden Begriffsklarheit exemplarisch ,interkulturell' und ,Kultur' emeuerungsbedürftig sei. Als alternativer, neuer Lerngegenstand wird die Behandlung ,kultureller Deutungsmuster' vorgeschlagen, die anhand der Begriffe „Partizipation oder Teilhabe am Leben eines Landes" sowie „kulturelles Lernen" verdeutlicht werden. Aufgaben für die kulturwissenschaftliche Forschung werden vor allem in der Theoriebildung, der Kulturanalyse und in der empirischen Erforschung kultureller Lernprozesse gesehen. Frauke INTEMANN(Technische Universität Braunschweig) berichtet anhand eines von ihr durchgeführten VoIP (Voice-over-Internet Protocoll) Projektes über lingua franca- Kommunikation in ad-hoc Situationen. Der Studie standen insgesamt sechs studentische Teilnehmer aus Deutschland, Spanien und Rumänien zur Verfügung, die innerhalb eines Zeitraumes von 15 Minuten eine „unlösbare Aufgabe" bearbeiten sollten. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme INTEMANNS, dass alle Studierenden versuchten, über ,Gemeinsamkeiten' die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen: nicht die jeweils unterschiedliche kulturelle Herkunft, sondern „die gemeinsame studentische Identität [ist] das tragende Element der im Gespräch geschaffenen gemeinsamen Kultur". INTEMANN bezeichnet diese lingua franca-Situation als ,transkulturell', d.h. als „ein[enJ aktive[n], zielgerichtete[n] Prozess, in dem ausgehend von dem eigenen Hintergrund eine darüber liegende Gemeinsamkeit entwickelt wird". VoIP erweist sich dabei insgesamt als ein sehr nützliches zusätzliches Element für den Einsatz im fremdsprachlichen Klassenzimmer, da hier mit Hilfe einer neuen, bisher beim Fremdsprachenlernen kaum verwendeten Technologie Möglichkeiten zur synchronen mündlichen Kommunikation bereitgestellt werden. Astrid ERTELT-VIETH (Universität Koblenz-Landau) zeigt beispielhaft anhand zweier „relativ kleine[r] harmlose[r] Konflikte", so genannter ,Critical incidents', Möglichkeiten für Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht auf. Ihre Unterrichtsvorschläge basieren auf einer umfangreichen empirischen Studie zum [russisch-deutschen] Schüleraustausch und können in insgesamt sechs Schritten, als Abfolge oder Teileinheiten, im [interkulturellen] Fremdsprachenunterricht umgesetzt werden. Das vorrangige Anliegen ERTELT-VIETHS ist die Herausarbeitung der kulturellen Spezifika der jeweiligen SchülerlFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 21 gruppe. Außerdem stellen der Erwerb einer kritischen Reflexionsfähigkeit sowie die Einnahme einer Innen- und Außensicht auf Konflikte bzw. Konfliktpotentiale wichtige Teilziele dar. Zusammenfassend betont ERTELT-VIETH die Wichtigkeit des Zusammendenkens von ,Individualität' und ,Kultur' und die Notwendigkeit, Individualität mit Blick auf den kulturellen Kontext zu definieren. Eynar LEUPOLD und Ines Carla SCHÄFER (beide Pädagogische Hochschule Freiburg) untersuchen in einer empirischen Studie die Relevanz des kulturellen Vorwissens bzw. der kulturellen Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule und setzen sie in Bezug zu fachdidaktischen Erkenntnissen über Lernerorientierung, Kompetenzerwerb, Language/ Cultural Awareness sowie entwicklungspsychologischen Ergebnissen (u. a. Kategorisierungsleistungen,räumliches Verständnis, egozentrische Wahrnehmung). Die Befragung von Erstklässlern zu ihrem Vorwissen und ihren Vorerfahrungen hinsichtlich der französischen Sprache und Kultur zeigt, in welchem Maße Umfang und Qualität der Wissensstrukturen jeweils variieren. Insgesamt empfehlen die Autoren, die Wissensstrukturen in einen weit gefassten interkulturellen Ansatz zu integrieren, um später eine Orientierung in einer multikulturellen Gesellschaft möglich zu machen. Des Weiteren sollen dabei auch immer die generellen kognitiven und emotionalen Vorerfahrungen der Lerner in die Überlegungen mit einbezogen werden, da diese aufgrund ihrer engen Verbindung mit Sprachlernprozessen sinnvolle Verknüpfungsmöglichkeiten im fremdsprachlichen Unterricht bieten. Die Vermittlung von interkultureller Kompetenz bzw. die Sensibilisierung für kulturelle Divergenzen und Spezifika erfolgt natürlich über Texte. Diese scheinbar banal anmutende Feststellung macht dabei die Notwendigkeit deutlich, auch über die (erweiterte) Funktion literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht intensiv nachzudenken. Dies geschieht in drei Beiträgen ganz explizit. Eva BURWITZ-MELZER {Justus-Liebig- Universität Gießen) stellt ein neues fremdsprachliches Lesekompetenzmodell vor, in dem vor allem die sprachlichen Fertigkeiten und der Aufgabenbereich des kulturellen und Interkulturellen Lernens eine besondere Rolle spielen. Die detaillierte Beschreibung der Lesekompetenz sowie der dazugehörigen Aufgabenbereiche im fremdsprachlichen Literaturunterricht verdeutlichen die Notwendigkeit einer angemessenen literaturdidaktischen Ausbildung von Lehrkräften, um das Modell effizient einbzw. umsetzen zu können. Darüber hinaus zeigt BURWITZ-MELZER anhand der verschiedenen Aufgabenfelder, wie der Förderung interkultureller Kompetenzen, eine neue Sichtweise auf Lernprozesse und Lernleistungen im fremdsprachlichen Literaturunterricht auf. Brigitte GLASER (Georg-August-Universität Göttingen) beschreibt anhand von drei postkolonialen Werken anglophoner arabischer Schriftstellerinnen Möglichkeiten der Erarbeitung und Vermittlung kultureller Unterschiede im fremdsprachlichen Klassenzimmer. Die von den ausgewählten Autorinnen behandelte Thematik fokussiert auf die meist stereotype Sichtweise von arabischer und westlicher Welt und ist im Zusammenhang mit Huntingtons sehr kontrovers aufgenommener Darstellung des Clash of Civilizations zu sehen. GLASER verdeutlicht die Sichtweisen der Autorinnen, die in der arabischen Welt aufwuchsen und nun im englischsprachigen Ausland leben, detailliert mit Hilfe der Kategorien ,Social Class', ,Public/ Private Life', ,Writing Techniques' sowie ,History, lFLuL 35 (2006) 22 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Culture and Identity'. Die Ergebnisse der Untersuchung können zu einer veränderten Sichtweise der arabischen Kultur beitragen und vor allem dazu anregen, die stereotypen Denkmuster der westlichen Welt abzulegen. Da die untersuchten Texte darüber hinaus vertiefte Einsichten in das heutige Leben von Migranten geben und dabei die konstruktive Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft zu leben anregen, eignen sie sich in besonderer Weise zur Förderung des Interkulturellen Lernens im fremdsprachlichen Literaturunterricht. Guido RINGS (Anglia Ruskin University, Cambridge) stellt in seinem Beitrag die Bedeutung literarischer Texte für den fremdsprachlichen Unterricht, insbesondere für die Erreichung des Lernziels ,interkulturelle Kompetenz' anhand von Lehrerfahrungen mit der Kurzgeschichte The Persian Dinner heraus. Er unterstreicht die Relevanz ,kultureller Begegnungen' mit Hilfe von Literatur, indem er literarischen Texten ein hohes Potential an symbolischer Darstellungskraft zuschreibt, da in diesen Texten z. B. "die fremde Kultur in ihrer symbolischen Repräsentation (z.B. durch die Verwendung spezifischer Metaphern) zum Ausdruck kommt". RINGS kritisiert die bisherige Ausgestaltung von Curricula, Schulbüchern sowie der allgemeinen Lehrerausbildung, da diese sich bisher allenfalls rudimentär an die zu erreichende interkulturelle Kompetenz annähern und nur wenig bis gar keine geeigneten Texte enthalten, die zur Relativierung der eigenkulturellen Perspektive und ihrer notwendigen Erweiterung durch fremdkulturelle Erfahrungen beitragen. Literarische Texte wie das Persische Abendessen der österreichischen Autorin Barbara Frischmuth zeigen Möglichkeiten von interkulturellem Training auf, indem sie durch die Gegenüberstellung von Okzidentalismus und Orientalismus zur kritischen Reflexion neo-kolonialistischer Perspektiven beitragen. Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität stehen in einem multikausalen Beziehungsgeflecht zueinander. Gerade angesichts der Forderung, dass Schüler in mehr als einer modernen Fremdsprache hinreichende Kompetenzen auf- und ausbauen sollen, rückt die Auseinandersetzung mit mehreren Kulturen in ein noch bedeutsameres Licht. Hierbei gilt es auch die Tatsache zu bedenken, dass Englisch angesichts seiner Bedeutung als lingua franca eine besondere Rolle einnimmt; es transportiert närnljch nicht nur die kulturellen Symbole und Inhalte anglophoner Kulturen, sondern dient außerdem auch dem Kontakt mit Kulturen, in denen eine andere Sprache vorherrschend gesprochen wird. Mit den vielfältigen Problemen einer umfassend verstandenen Mehrsprachigkeit befassen sich vor allen Dingen vier Beiträge: Richard ALEXANDER (Wirtschaftsuniversität Wien) beschäftigt sich mit der konstitutiven Rolle der englischen Sprache für den Globalisierungsprozess in der internationalen Geschäfts- und Finanzwelt. Neoliberale Entwicklungen des internationalen Bildungswesens verstärken darüber hinaus die Kontrollfunktion "gatekeeper function") und somit die Dominanz des Englischen. Seine Verwendung als globale lingua franca und als Medium weltweiter interkultureller Kommunikation lassen den Einfluss des Englischen auf andere Sprachen und Kulturen weiter anwachsen, zumal wirkliche ,Interkulturalität' durch die Übernahme anglo-amerikanischer Interaktionsnormen beeinträchtigt wird. Gerade vor diesem Hintergrund sollten sich Lehrende des Englischen als Fremd- und internationale Sprache der erzieherischen Seite ihres Unterrichts verstärkt bewusst sein. lFLulL 35 (2006) „A long and winding road ... "~ Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 23 Janina BRUTT-GRIFFLER (State University ofNew York, Buffalo) untersucht ebenso wie ALEXANDER das Verhältnis von ,Sprache' und ,Globalisierung' im 21. Jahrhundert. Sie geht zunächst auf die spezifische Rolle des Englischen ein, indem sie durch den Verweis auf negativ besetzte Metaphern wie „English as a killer language", "language murder", "language suicide" die Auffassung einer sich vor allem negativ auswirkenden Vormachtstellung des Englischen in Frage stellt. Im Vergleich zu ALEXANDER schränkt BRUTT-GRIFFLER den Zusammenhang von ,Globalisierung' und ,Hegemonie des Englischen' mit von ihr diskutierten ,Mythen' (,Globalisierung bedroht die linguistische Vielfalt'; ,Englisch als Weltsprache schließt alle anderen Sprachen aus') jedoch ein, sie konstatiert vielmehr einen Anstieg sprachlicher Variabilität durch die Globalisierung. In ihre Betrachtungen fließt des Weiteren der ,bilinguale Sprecher' mit ein, der aus ihrer Sicht einen weitaus wichtigeren Effekt der Globalisierung ausmacht, da bilinguale Fertigkeiten wie ,kommunikative Kompetenz' und ,interkulturelles Verstehen' wichtige Voraussetzungen darstellen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Der interkulturelle Fremdsprachenunterricht des 21. Jahrhunderts sollte deshalb zur Förderung dieser Kompetenzen beitragen und von Lehrenden durchgeführt werden, die über grundlegende sprachliche Fähigkeiten in mehr als zwei Sprachen verfügen. Adelheid Hu (Universität Hamburg) untersucht in ihrem Beitrag zur Sprachbiographieforschung die Bedeutung der Erstsprache für den weiteren Spracherwerb und weiteres Sprachenlernen aus der subjektiven Perspektive mehrsprachiger Personen. Des Weiteren befasst sie sich mit der Frage, welche Rolle die Sprachen für die Identität der Betroffenen einnehmen, und analysiert verschiedene Aspekte der Sprachwahrnehmung. Nach einer Darstellung des aktuellen Standes der Sprachbiographieforschung werden die subjektiven sprachbiographischen Zeugnisse von insgesamt sieben mehrsprachigen bzw. bilingualen Autoren dokumentiert und analysiert. Die Untersuchung der ausgewählten Textpassagen verdeutlicht im besonderen Maße die Mehrdimensionalität und Mehrperspektivität der sprachlich-kulturellen Identität der jeweiligen Autoren und zeigt ferner, dass ,Sprache' und ,kulturelle Identität' eng miteinander verwoben sind. Das Verhältnis der Erstsprache zu den weiterführenden Sprachen beschreibt Hu als gleichwertig und gleichgewichtig. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Darstellung zur Wahrnehmung der Sprachen auf graphischer, phonetischer und semantischer Ebene sowie der Forderung nach weiteren empirischen Studien, auch im Hinblick auf schulisches Sprachenlernen. Claire KRAMSCH (University of California, Berkeley) stellt ein internationales Forschungsprojekt vor, dessen Ziel in der Erstellung eines bilingualen französisch-englischen Handbuches zur Mehrsprachigkeit und Multikulturalität liegt. In ihrem Überblick über einschneidende Veränderungen im Lehren und Lernen fremder Sprachen spricht KRAMSCH u. a. die Einführung des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens an und betont den Wandel hin zu einer multikulturellen Gesellschaft, in der sprachliche Variation und die Fähigkeit, zwischen sprachlichen Codes zu wechseln und sie zu mischen, als sehr wichtig für die Identitätsfindung eines jeden einzelnen angesehen werden. Nach einer kurzen inhaltlichen Beschreibung des Handbuches stellt die Autorin in der Folge exemplarisch mit Hilfe eines französischen Textauszuges Übersetzungsschwierigkeiten dar, die durch die unterschiedliche Bedeutung von Wörtern linguistique appliquee / lFLuL 35 (2006) 24 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs applied linguistics oder didactique / didactics entstehen. Als eine mögliche Lösung sieht KRAMSCH die Einführung von so genannten ,metalogues', die die jeweils kulturellen, sozialen und historischen Eigentümlichkeiten wie unterschiedliche Traditionen oder ein ungleiches Verständnis von historischen Gegebenheiten näher beleuchten. Die letzten drei Beiträge konzentrieren sich auf die Bedeutung semantischer und pragmatischer Untersuchungen zur Beschreibung der interkulturellen Kommunikation. Matthias HUTZ (Pädagogische Hochschule Freiburg) untersucht anhand einer Korpusstudie von ,requests' in E-Mails die Entwicklung pragmatischer und diskursiver Kompetenz von deutschen Lernern des Englischen aus dem akademischen und nicht-akademischen Bereich. Dabei widmet er sich insbesondere der Frage, wie der Sprechakt ,request' von den Teilnehmern der Studie deutsche und amerikanische Studierende sowie · deutsche Programmierer realisiert wird und ob hierbei ein pragmatischer Transfer stattfindet. Die Datenanalyse ergibt, dass die deutschen Studierenden eher zur Anwendung direkter pragmatischer Strategien neigen. Die unterschiedlichen Ergebnisse von englischen Muttersprachlern und Lernern des Englischen verdeutlichen ferner, dass die Herausbildung von pragmatischer Kompetenz für die Bewältigung von erfolgreicher Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen von essentieller Bedeutung und im fremdsprachlichen Klassenzimmer dementsprechend zu fördern ist. Der Autor plädiert weiterhin dafür, die Akzeptanz unterschiedlicher pragmatischer Verhaltensweisen zu fördern, da hierdurch eine sprachliche Übereinkunft zwischen Kulturen angebahnt und Stereotypenbildung vermieden werden kann. Jörg ROCHE und Melody ROUSSY-PARENT (beide Ludwig-Maximilians-Universität München) beschäftigen sich mit der „Bedeutung semantischer Differentiale" für die interkulturelle Kommunikation sowie deren didaktischer Umsetzung im Fremdsprachenunterricht. Das von ihnen durchgeführte Wortassoziationsexperiment zu Adjektiven, Konkreta und Abstrakta gibt „Einblicke in kulturspezifische Strategien der Begriffserschließung und Vernetzung" von Deutschen und Frankokanadiern. Darüber hinaus wird durch die Herausarbeitung von qualitativen und metaphorischen Begriffsdifferenzen deutlich, dass diese im Fremdsprachenunterricht größere Beachtung finden sollten, um interkulturelle Kommunikation langfristig erfolgreich gestalten zu können. Die Autoren plädieren deshalb für den Einsatz von Wortassoziationsverfahren in der fremdsprachlichen Praxis und die stärker differenzierte Behandlung sprachlicher und kulturell-landeskundlicher Varietäten. Laurenz VOLKMANN (Friedrich-Schiller-Universität Jena) untersucht den Einfluss von Konversations- und Höflichkeitsroutinen auf das Interkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht. Er konzentriert sich dabei auf die Frage, "( ... ) wie vor allem in der Sprachwissenschaft verwurzelte Theoriemodelle zur (höflichen) Konversationsführung sich mitunterrichtspraktischen Überlegungen verknüpfen lassen". Die Gegenüberstellung des Kommunikationsverhaltens von englischen und deutschen Muttersprachlern zeigt, dass deutsche Englischlernende kaum über Gesprächsroutinen in der fremdsprachlichen Kommunikation verfügen. Die daraus resultierende Forderung nach geeigneten Lernse~ quenzen im Fremdsprachenunterricht, in denen die Bedeutung sprachlicher Höflichkeit thematisiert und eingeübt wird, sowie die Betonung von höflichen Umgangsformen im FLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 25 alltäglichen Englischunterricht verknüpft VOLKMANN mit der Beschreibung von verschiedenen Höflichkeitsstrategien und den zugrunde liegenden kognitiven und affektiven Lehrmethoden. Darüber hinaus sieht er die gezielte Beschäftigung mit sprachlichen und kulturellen Mustern fremder Kulturen im Fremdsprachenunterricht als grundsätzlich notwendig an. Literatur ALTHAUS, Hans-Joachim (1999): "Landeskunde. Anmerkungen zum Stand der Dinge". In: Informationen Deutsch als Fremdsprache 26.1, 25-36. ALTHAUS, Hans-Joachim/ M0G, Paul (1992): "Einleitung". In: MoG, Paul/ ALTHAUS, Hans-Joachim (Hrsg.): Die Deutschen in ihrer Welt: Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin [usw.]: Langenscheidt, 9-15. ALTMAYER, Claus (2004): Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. 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However, it only relates to a rather limited notion of pragmatic context for speech events in particular situations; it does not take into consideration the implicit cultural knowledge oflanguage users and the cultural conceptions inscribed in a language. Therefore this article argues for the explicit and long-term inclusion of a broader 'cultural progression' in the process of foreign language teaching and leaming, centred on experiential leaming and aimed at the understanding of elements of the foreign culture on the basis of an intercultural level that is being constmcted by the foreign language leamer during the leaming process. 1. Einleitung Das Konzept einer Progression in der Fremdsprache ist so alt wie der Fremdsprachenunterricht selbst, denn Grundlage jeglichen Fremdsprachenunterrichts ist in der Regel die Progression von einfacheren zu komplexeren sprachlichen Phänomenen. Doch während die grammatische Progression bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts den Fremdsprachenunterricht determinierte, wurde spätestens seit dem Kommunikativen Ansatz deutlich, dass zu erfolgreichem Fremdsprachenlernen mehr gehört als reines Sprachwissen, weil eine Isolierung der Sprache von ihrem pragmatischen und soziokulturellen Umfeld letztendlich kein verwendbares Sprachkönnen ermöglicht. Basierend auf Erkenntnissen der Pragmalinguistik wurde nunmehr versucht, extralinguistische pragmatische Muster des direkten sprachlichen Handlungskontextes in den Unterricht zu integrieren. Diese orientierten sich an den projizierten Kommunikationsbedürfnissen der Fremdsprachenlernerinnen und -lerner im Zielsprachenland, etwa den Begrüßungsritualen, dem Verhalten in alltagstypischen Situation wie „Auf dem Bahnhof', "Im Restaurant" usw. Dies führte zu einer situativen Progression des Fremdsprachenunterrichts, die der grammatischen nicht nur beigeordnet, sondern übergeordnet wurde, denn sie determiniert nun die grammatische Progression im Sinne ihrer kommunikativen Relevanz 1 nach der die Korrespondenzadresse: Dr. Arnd WITTE, Senior Lecturer, National University oflreland, Department ofGerman„ MAYNOOTH, Co. Kildare, Irland. E-mail: a.witte@nuim.ie Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik DaF, Interkulturelles Lernen, Bedeutungsaushandlung im Fremdsprachenunterricht. 1 FEILKE (1994: 24) weist daraufhin, dass diese Hierarchisierung von handlungspragmatischem Kontext und grannnatischen Strukturen nur so lange funktioniert, wie nicht hinterfragt wird, "inwiefern die Organisation der lFLuL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 29 Abfolge der zu lernenden Grammatik bestimmt wird, so etwa die Sequenz des Tempus im DaF-Unterricht: Statt der traditionellen, an der lateinischen Grammatik orientierten Progression Präsens/ Imperfekt/ Perfekt wird nun aufgrund des umgangssprachlichen Verwendungsaufkommens die Sequenz Präsens/ Perfekt/ Imperfekt unterrichtet. Allerdings ist es unmöglich, eine allgemein gültige situative Progression zu definieren: Sie kann immer nur bezogen auf bestimmte Lernergruppen, ihren speziellen Lernhintergrund (Motivationen, Erwartungen, Haltungen, vorgängige Lernerfahrungen, kulturelle Lerntraditionen usw.) und entsprechend ihrer spezifischen fremdsprachlichen Lern- und Kommunikationsinteressen festgelegt werden - und selbst dann ergeben sich noch individuelle Konflikte. 2. Die kulturelle Progressionsebene im Fremdsprachenunterricht Die gängige allgemeine situative Progression von einfachen Begrüßungsritualen über sprachliche (und physische) Verhaltensweisen in Alltagssituationen bis hin zu interkulturell sensiblem Verhalten, z.B. bei dem Besuch in einer Gastfamilie, wie sie in Lehrbüchern dargestellt wird, ist also einerseits zu punktuell, andererseits zu unspezifisch, um eine tatsächliche Orientierung des Verhaltens bei einem Aufenthalt im Zielsprachenland zu gewährleisten. 2 Zudem wird bei kommunikativ orientierten Lehrwerken nicht in Betracht gezogen, dass Sprecherinnen und Sprecher einer Sprache bei der Kommunikation nicht nur mit ihrer subjektiven Stimme sprechen, sondern auch mit einer durch die konzeptuellen Kategorien und Strukturen der Sprache vermittelten kollektiven, die wiederum auf den kulturell generierten und historisch konventionalisierten Deutungsmustern und dem metaphorischen Deutungsvorrat der Erfahrungen und der Weltsicht der Sprachgemeinschaft gründet. Insofern ist eine vom Kommunikativen Ansatz in den Mittelpunkt des fremdsprachlichen Lernens gerückte situative Progression zu eng an pragmatische Kommunikations- und Handlungskontexte gebunden, um ein weitergehendes Verstehen der den sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Handlungen zugrunde liegenden kulturellen Deutungsmuster3 zu ermöglichen. Daher ist die sprachliche und situative Progression um eine weitere Ebene zu ergänzen, nämlich um die kulturelle Progressionsebene. Während jedoch der Terminus ,Progression' bei der Grammatik sehr genau hinsichtlich der Abfolge der zu lernenden Strukturen - und bei pragmatischen Kontexten schon nur allgemeiner entsprechend der allgemeinen situativen Kommunikationserfordernisse Ausdrucksmittel das Handeln organisiert, und umgekehrt, inwiefern das Handeln mit Ausdrucksmitteln zu einer Prägung ihrer Organisation führt." Genau dieses Problem der Überwindung dieser Dichotomie rückt jedoch zunehmend in den Blickpunkt der Forschung. 2 Auch bei den seit den achtziger Jahren entstandenen regionalspezifischen Lehrwerken bestehen diesbezügliche Defizite, da sie zwar die eigenkulturellen Lernhintergründe sowie die je regionalspezifische Perspektive auf die fremde Sprache und Soziokultur in den Lernprozess integrieren können, aber dennoch zu allgemein für spezielle lernerseitige Bedürfnisse bleiben. 3 Zur Definition des Terminus ,kulturelle Deutungsmuster' vgl. ALTMAYER (2004: 154). lFJLulL 35 (2006) 30 Arnd Witte vom sprachlichen Alltagsverhalten bis hin zum inhaltsorientierten Informationsaustausch definiert werden kann, ist er in Bezug auf die Kultur lediglich auf sich permanent vertiefende Verstehensebenen der den fremdsprachlichen Handlungen zugrunde liegenden kulturellen Deutungsmuster zu konzipieren, die an den Interessen und Motivationen der Fremdsprachenlernenden orientiert sind. Dies kann im Unterricht auf verschiedene Arten geschehen, etwa durch das explizite nachträgliche Analysieren der den Handlungen zugrunde liegenden spezifischen kulturellen Deutungsmuster in Texten, dem handlungsbezogenen Nachvollziehen einer bestimmten, kulturell determinierten Handlungsbasis (z.B. vermittels Rollenspielen), dem Aushandeln vom Sinn fremdkultureller Muster auf der Basis der dem Lerner oder der Lernerin bekannten eigenkultureller Muster in direkten Kommunikationshandlungen u.a. Das Ziel kann dabei allerdings nicht sein, die kulturellen Deutungsmuster der fremden Kultur in ihrer Totalität zu verstehen, da sie einerseits zu komplex sind, andererseits auch von den in der fremden Kultur handelnden Personen nicht bewusst als Basis ihrer Handlungen zugrunde gelegt werden, denn kontextualisiertes kulturelles Wissen als handlungsleitendes Wissen ist fast immer implizites Wissen. Dieses implizite Wissen wird den Gesprächspartnerinnen und -partnern stillschweigend unterstellt, und es liefert den an Kommunikationsakten Beteiligten die Muster und Schemata für erfolgreiches Kommunizieren und Handeln. Für den Fremdsprachenunterricht impliziert dies, dass er versuchen muss, Aspekte der den fremdsprachlichen kommunikativen Akten zugrunde liegenden kulturellen Muster, d.h. Aspekte des handlungsbezogenen impliziten kollektiven Wissens der Zielsprachenkultur, den Lernenden bewusst zu vermitteln. Dabei geht es nicht darum, deklarative falsifizierbare Informationen über die andere Kultur zu präsentieren, sondern es muss angestrebt werden, die komplexen Strukturen, Regeln und kulturellen Deutungsmuster aus individuellen kontextbezogenen Verhaltensweisen undHandlungen abzuleiten. Um dies zu erreichen, reicht es nicht aus, die Bedingungen für das Verhalten der Fremden in einer bestimmten Situation lediglich zu beschreiben und in Strukturen einzuordnen, wie es von einem wissenschaftlichen Zugriffversucht wird. Man muss sich vielmehr in den Fremden oder die Fremde hinein zu versetzen versuchen, um in einem reflexiven Prozess die Lebensform, die Normen, Regeln und Konventionen zu erschließen, die sein/ ihr Handeln motivieren und leiten, so dass aus dessen Perspektive situationsbezogen Sinn konstruiert werden kann. Ein solcher Ansatz greift die unterschwelligen Bedingungsfaktoren des Verhaltens des/ der Fremden in einer Weise auf, wie sie es durch Isolation und Analyse einer übersichtlichen Zahl ,objektiver' Faktoren und Daten nicht geleistet werden kann (vgl. HARRE/ GILLET 1994: 20). Um dieses Ziel zu erreichen, verlagert etwa der Interkulturelle Ansatz die Emphase von der kommunikativ-pragmatischen auf die Vermittlung einer ,interkulturellen Kompetenz', die die Lernerinnen und Lerner befähigt, begründete Aussagen nicht nur über die fremde Sprache und ihre Handlungskontexte zu treffen, sondern gerade auch über fremdkulturelle Deutungsmuster, die zu den eigenkulturellen explizit in Bezug gesetzt werden. 4 Dieses prinzipiell 4 Daher ist ein Aufenthalt im Zielsprachenland für den Interkulturellen Ansatz im Gegensatz zum Kommunikativen Ansatz nicht mehr das oberste Ziel aller fremdsprachlichen Lehr- und Lernanstrengungen. FLuJL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 31 immer weiter voranschreitende, auf immer tiefere Ebenen zielende In-Beziehung-Setzen, sofern es verbalisiert werden kann, bezeichnet dann die interkulturelle Kompetenz, die nicht nur das Sachwissen über die fremde Kultur umfasst, sondern auch kommunikative Strategien zu selbständiger Bewältigung komplexer Situationen sowie Einstellungen wie Sensibilität und Ambiguitätstoleranz einschließt (vgl. KRAMER 1997: 48-62). Dieses zunächst punktuelle Wissen über die fremde Kultur kann im Verlauf des gesamten Fremdsprachenlernprozesses zu einem Wissensnetz verknüpft werden, das jedoch in Bezug auf die Totalität der fremden Kultur immer defizitär bleiben muss. Zudem handelt es sich dabei wie übrigens auch bei der morpho-syntaktischen, lexikalischen und situativen Progression keineswegs um eine lineare Progression, sondern durchaus um eine zyklische, die immer wieder auf vorgängige Erkenntnisstufen rekurrieren und Wissen aus neu gewonnener Verstehensperspektive rekonstruieren muss. Da es sich bei dieser Anstrengung des Verstehens bestimmter fremdkultureller Phänomene um einen prinzipiell sich stets vertiefenden Prozess handelt, wird hier der Terminus ,Progression' verwendet, auch in bewusster Parallele zur grammatischen und situativen Progression. 3. Kulturbegriff und Kulturverstehen Der Begriff der Kultur ist ein außerordentlich vielschichtiger, flexibler und dynamischer, der nur sehr schwer kontextunabhängig definierbar ist, denn er bewegt sich in einem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen den jeweiligen Polen Individuum und Gesellschaft, Handlung und Struktur, Kognition und Kommunikation, Aktion und Interaktion, Prozessualität und Prozessunterbrechung. Insofern legen die verschiedenen Ansätze zu anthropologischen und ethnologischen Kulturdefinitionen unterschiedliche Emphase auf jeweils nur bestimmte Aspekte dieser Pole (vgl. DURANTI 1997: 23-50). Den meisten dieser Ansätze ist jedoch gemeinsam, dass sie Kultur auf formaler Ebene als ein organisiertes und sich selbst organisierendes, komplexes und relativ autonomes Gebilde konzipieren, das sich aus diversen Kulturelementen konstituiert, unter denen das semiotische System der Sprache eine zentrale Stellung einnimmt. Auf inhaltlicher Ebene wird Kultur als Medium definiert, das zwischen Mensch und Umwelt vermittelt und dabei als kognitiver Informations- und Kommunikationszusammenhang Optionen für Sinn- und Weltentwürfe liefert. Insofern vermittelt die Kultur als wirklichkeitsgenerierender und -strukturierender Sinnzusammenhang den Mitgliedern einer Kulturgemeinschaft die Regeln, Schemata und Muster für das individuelle wie kollektive - Verstehen, Handeln und Interagieren. Diese sind als kollektives Wissen permanent implizit vorhanden und werden in sozialen Konventionen explizit konkretisiert und stabilisiert. Die Kultur bildet somit den kategorialen Rahmen eines gesellschaftlichen Modells für Wirklichkeit(en), das alle Mitglieder eines Sozialsystems teilen -wenngleich in jeweils unterschiedlichem Maße. Die individuelle Aneignung dieses kollektiven Wissens geschieht im Prozess der Sozialisation, und zwar nicht so sehr durch bewusste Instruktion von Eltern oder Lehrenden als vielmehr durch situationsorientierte Konversation, durch Beobachten, Nach- FLuL 35 (2006) 32 Arnd Witte spielen, Ausführen von (zunehmend komplexeren) Aufgaben, Verinnerlichung von Ratschlägen und Korrekturmaßnahmen Erwachsener. Insofern wird das kollektive kulturelle Wissen dem/ der Einzelnen nicht in einem expliziten Prozess beigebracht, sondern er/ sie eignet es sich implizit im Kontext seines/ ihres Sozialisationsprozesses an; damit besteht es qualitativ weitgehend unabhängig von je individuellen Erfahrungen und bildet eine „operative Fiktion" (SCHMIDT 2003: 34). Dieses kollektive Wissen ist zudem reflexiv, indem es den verbalen und nonverbalen Handlungen des Individuums einen für die jeweilige Gemeinschaft geltenden ähnlichen Erwartungs- und Unterstellungshorizont zur Verfügung stellt. Erst auf dieser Grundlage kann Kommunikation und Verstehen erfolgreich sein, denn man unterstellt dem Gegenüber, dass dieses hinsichtlich bestimmter semantischer Wissensbestände, Bewertungsroutinen, Motivationslagen und Handlungsabläufe genau weiß, was man meint. Da das kollektive kulturelle Wissen nicht nur kognitives Wissen, sondern notwendigerweise auch normative und affektive Elemente umfasst, die gesellschaftlich vermittelte Werte, Einstellungen, Haltungen, Motivationen und Handlungsziele einschließen, ist es nicht immer explizit kognitiv präsent, sondern nur zum geringen Teil und in unterschiedlichem Maße überhaupt bewusstseinsfähig. Da jedoch das handelnde Subjekt in diesem hohen Maße in seinem Denken und Handeln den Mustern und Kategorien der eigenen Kultur, Sprache und Gesellschaft verhaftet ist, wird es ausgesprochen schwierig, eine andere Sozialstruktur samt den ihr zugrunde liegenden kulturellen Deutungsmustern zu verstehen, ohne sie durch Anlegung der eigenkulturellen Sinnstruktur im Prozess der Analyse und Darstellung zu beugen oder gar auszulöschen. Natürlich istjede Beschreibung bzw. Konstruktion der oder des ,Anderen' immer auch eine Beschreibung bzw. Konstruktion und Verortung des ,Eigenen', und zudem sind Konstruktion wie auch die Repräsentationsweise immer durch eine spezifische (erkenntnis-)historische Konstellation bedingt, d.h. sie unterliegen einem diachronischen Wandlungsprozess der der Betrachtung zugrunde gelegten Paradigmen. Daher ist die notwendigerweise distanzierende Konstruktion der oder des Anderen, das im angloamerikanischen Raum mit dem Neologismus des Othering bezeichnet wird, ein hochgradig ethisch-politischer Prozess, dessen Kern in der Beziehung des Eigenen zum Anderen liegt. Es stellt sich dabei jedoch die grundlegende Frage nach der prinzipiellen Möglichkeit des Verstehens kulturdifferenter Konstrukte, zumal sie in den letzten beiden Jahrzehnten die Wissenschaft erschütterte, die sich mit dem Erkunden und Beschreiben fremder Soziokulturen und der ihnen zugrunde liegenden Muster und Strukturen beschäftigt, nämlich die Ethnografie. Der Ethnologe James Clifford stellt beispielsweise die grundlegende Frage: "Can one ultimately escape procedures of dichotomizing, restructuring, and textualizing in the making of interpretative statements about foreign cultures and traditions? " (CLIFFORD 1988: 261; zitiert in BERG/ FUCHS 1993: 12). Ein verstehendes Nachvollziehen der fremdkulturellen Handlungen und Äußerungen beinhaltet immer die Gefahr einer Unterordnung des Fremden unter die eigenkulturellen Konstrukte und Kategorien, womit erstere ihrer Fremdheit beraubt und somit ausgelöscht werden: Das Fremde wird in das Eigene integriert. Ein Verstehen des Fremden, das es als Fremdes Geltung haben lässt, erscheint somit kaum möglich, denn entweder wird es JFLuL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 33 verstehensmäßig ausgelöscht, oder es bleibt unverstanden. Gibt es einen dritten Weg? Kurzfristig sicherlich nicht, aber wenn man den Verstehensprozess bezüglich des Fremdkulturellen als einen langfristigen konzipiert, der ausdrücklich das Erlernen der Fremdsprache als zentrales semiotisches System der fremden Gesellschaft und Kultur einschließen muss, ist ein nachvollziehendes konstruktives, d.h. nicht vereinnahmendes Verstehen in dem Maße möglich, wie der oder die Verstehende sich von den Mustern und Konstrukten der eigenen Sprache und Kultur löst und sich kognitiv auf jene der fremden Sprache und Kultur zubewegt. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine bloße Erweiterung des Eigenen; ein nicht vereinnahmendes Verstehen wird vielmehr auf der Basis eines Tertium möglich, d.h. einer je subjektiven Interkultur, die den Rahmen der kulturellen Deutungsgrundlagen sowohl der eigenen als auch der fremden Kultur transzendiert. Interkulturalität bedeutet also nicht Interaktion zwischen Kulturen im Sinne eines Austausches von je kulturell Eigenem, sondern sie zielt auf ein intermediäres Feld, das sich im Austausch der Kulturen als Gebiet eines neuen Wissens herausbildet und erst danach wechselseitige. Differenzidentifikation ermöglicht. Es ist mithin kein summarisches Verstehen der Fremdkultur möglich: Der auf das Fremde gerichtete Verstehensprozess ist so strukturiert, dass von dem Besonderen auf allgemeinere, ,tiefer' liegende kulturelle Selbstverständlichkeiten rekurriert wird, um eine Regel zu generieren, die die jeweils gegebene Konfiguration an bekannte Muster anschließen kann. Das Fremde, obwohl verstanden, behauptet damit immer noch sein Recht, wenn auch in abgemilderter Form (da es ja bezüglich bestimmter Aspekte auf der Basis eines Dritten verstanden wurde): "Ohne dieses Zwischen gäbe es keine Inter-subjektivität und Inter-kulturalität, die ihre: n Namen verdient. Es bliebe bei der bloßen Erweiterung oder Vervielfältigung des Eigenen,das Fremde wäre immer schon zum Schweigen gebracht" (WALDENFELS 1997: 53). 4. Stufen einer (inter)kulturellen Progression Aus den bisher angestellten Überlegungen folgt, dass es neben der sprachlichen und pragmatischen Progression auch eine explizite fremdkulturelle Progression im Fremdsprachenunterricht geben muss, die in dem Moment zu einer interkulturellen Progression wird, in dem sich durch die Relativierung der eigenkulturellenDeutungsmuster eine je subjektive Interkultur herauszubilden beginnt. Das Unterrichten und Erlernen der den fremdsprachlichen Kommunikations- und Handlungsformen zugrunde liegenden kulturellen Deutungsmuster kann sich dabei nicht nur auf die kognitive Ebene beschränken, sondern es müssen grundlegend affektive Aspekte wie Haltungen, Einstellungen und handlungsorientierte Bereiche .einbezogen ··werden. Das jedoch erfordert eine genau geplante langfristige progressive Einführung in fremdsprachliche und fremdkulturelle Funktionszusammenhänge, Handlungsaspekte, Konventionen, Kategorien, Deutungsmuster, Standards, Grundannahmen und Werte, die der oder die autonome Lernende über den Unterricht hinaus selbst weiter verfolgen kann. Ausgangspunkt dieses Verstehensprozesses sind dabei zunächst die von den monolingualen Individuen angenomme: nen, lFLuL 35 (2006) 34 ArndWitte scheinbar universell gültigen eigenkulturellen Deutungsmuster und Kategorien, die jedoch mit zunehmender Dauer des Fremdsprachen- und Fremdkulturunterrichts stetig mehr relativiert werden. Dies wird in den folgenden Überlegungen zu einer stufenweisen kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht auszuführen versucht. 5 Entsprechend des dynamischen Charakters kultureller Deutungsmuster einerseits und der zyklischen Definition von Progression andererseits handelt es sich hier um fließende Übergänge zwischen den einzelnen ,Stufen', die nur zwecks analytischer Darstellbarkeit als solche bezeichnet werden. Ein wichtiger Aspekt auf allen Stufen des Verstehens bestimmter Konfigurationen des Fremden bei gleichzeitiger progressiver Relativierung des Eigenen besteht im erfahrungsbezogenen Lernen, da nur so affektive Aspekte ernsthaft einbezogen werden können. Ein wichtiges Mittel erfahrungsorientierten Lernens ist das Spielen, denn „Spielen bedeutet, diejenige Ambivalenz ausleben zu können, sich einerseits von einer bestimmten Bindung ins Unbestimmte zu befreien und doch gleichzeitig aus dieser abstrakten Negation in eine neue Bindung zurückzukehren" (KRÜGER 1999: 32). Im erfahrungsorientierten Lernen bildet sich Sinn, der artikuliert werden kann, und fremdkulturelle Gebilde nehmen Struktur und Gestalt an. Erfahrungsbezogenes Lernen gründet dabei ausdrücklich aufkollaborativem Lernen, bei dem sich den Lernerinnen und Lernern die Gelegenheit eröffnet, die relevanten Materialien und Konstrukte untereinander zu diskutieren, auszuhandeln und zu verstehen, da durch diese gemeinsam betriebene Co-Konstruktion von Wissen (vgl. JOHNSON 2004: 130) einerseits der Lerneffekt wegen der damit einhergehenden Erfahrungsentwicklungen ein nachhaltigerer ist als bei lehrerzentriertem Lernen, andererseits die gemeinsame Aushandlung von Konstrukten ein effektiveres, weil lerneradäquates In-Beziehung-Setzen von bestehenden rnit neuen Konstrukten fördert. 6 Dabei kommt der Lehrkraft jedoch eine wichtige Funktion zu, denn es reicht nicht aus, die Lernenden einfach sukzessiv mit immer komplexeren fremden Konstrukten und Konfigurationen zu konfrontieren: Erst die an Progression orientierte Selektion und didaktisch-methodische Aufbereitung der Materialien in Hinblick auf die spezifischen lemkulturellen Hintergründe, Interessen, Motivationen und Ziele ,ihrer' Lernergruppe eröffnet den Lernerinnen und Lernern methodisch und didaktisch gelenkte, immer nachhaltigere Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Konfigurationen der fremden Sprache und Kultur; diese müssen jedoch letztlich die Lernenden subjektiv jeweils selbst aushandeln. 5 Die folgenden Reflexionen, die von RüCHEs (2001: 50-52) Überlegungen zur Vermittlung einer interkulturellen Kompetenz angeregt wurden, beziehen sich bewusst auf den Fremdsprachenlernprozess im Allgemeinen. Für eine konkretere Ausrichtung etwa auf das frühe Fremdsprachenlernen böte sich die explizite Einbeziehung psychologischer und ontogenetischer Kategorien an, wie sie beispielsweise Kieran EGAN (1997) mit seiner Theorie der sequenziellen Entwicklung verschiedener Arten des Verstehens vorgelegt hat. 6 Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass die Lernenden schon irgendwie wissen, wie man im Unterricht untereinander kooperiert, wie die Autoren einer groß angelegten Studie über kollaboratives Lernen im Primarschulbereich in Großbritannien anmerken: "For successful collaboration to take place, pupils need to be taught how to collaborate so that they have a clear idea ofwhat is expected ofthem" (GALTON/ WILLIAMSON 1992: 43). lFLuL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 35 Dieser Prozess des (zunächst lehrerinitiierten) kollaborativen und erfahrungsbasierten progressiven Verstehens von immer komplexeren Konfigurationen der fremden Kultur und Sprache kann aufgrund des vielschichtigen und dynamischen Charakters von Kultur einerseits und Lernprozess andererseits im Folgenden nicht im Sinne genau definierbarer, abprüfbarer und allgemein gültiger Regeln beschrieben werden. Es geht vielmehr darum, allgemeine Prinzipien statt präskriptive Regeln zu entwickeln, die im konkreten Unterricht jeweils für die spezifischen Bedingungen des Lernortes und der Lernerinteressen und -bedürfnisse modifiziert werden müssen. Diese werden im Folgenden grob skizziert. Stufe 1 Kultur ist immer etwas Prozesshaftes und Dynamisches. Daher kann sie nicht essentialistisch gegen andere Kulturen abgegrenzt werden; es bestehen immer vielfache Überschneidungen und Gemeinsamkeiten in verschiedenen Gegenstands- und Diskursbereichen, etwa den Universalien menschlicher Daseins- und Sozietätserfahrungen, gemeinsamer Traditionen 7 sowie Reaktionen auf angeblich ökonomisch rationalisierende Eingriffe in bestimmte Lebensbereiche durch den Prozess der Globalisierung. Auf einer ersten Stufe der Annäherung an die fremdkulturellen Konstrukte wäre es daher schlüssig, an diese zumindest oberflächlich gemeinsamen Traditionen und Lebenserfahrungen anzuknüpfen (die tiefer gehenden Unterschiede in diesen Bereichen werden zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne einer zyklischen Progression thematisiert). Dies bietet den Lernenden einen ersten Zugang zum Kennenlernen bestimmter Aspekte des kulturellen Kontextes der fremden Sprache, die zu diesem Zeitpunkt des Lernprozesses jedoch hauptsächlich der pragmatischen Ebene verhaftet sind. Die Lemerinnen und Lerner können so Vergleiche zwischen den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von fremdkulturellen und eigenkulturellen Konstrukten ziehen und z.B. in Rollenspielen durch Prozesse der Rollendistanzierung und -übernahme punktuell ausleben. Grundlage dieser vergleichenden Vorgehensweise sind dabei die ansozialisierten Wahmehmungs- und Handlungsmuster der eigenen Kultur, auf die in diesem Lernstadium die fremdkulturellen Konzepte im Sinne eines hermeneutischen Verstehens zurückgeführt werden, d.h. es findet noch keine Relativierung eigener, soziokulturell generierter Standpunkte und Überzeugungen statt. Das Lernziel dieser ersten Stufe liegt zunächst einmal lediglich darin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Handelnden in der fremden Kultur und Sprache die von ,ihrer' Kultur bereitgestellten Optionen nutzen, um ihre psychologischen, sozialen und physischen Bedürfnisse angemessen zu befriedigen. Stufe 2 Die vergleichende Beschäftigung mit pragmatischen Handlungen und kulturellen Mustern wird auf dieser zweiten Stufe um die Bearbeitung von Auto- und Heterostereotypen erweitert, die zu diesem frühen Zeitpunkt des Fremdsprachenlernens automatisch ins In Europa etwa der judäisch-christlichen Philosophie/ Religion oder der auf römischen Recht basierenden Rechtssysteme. JFLuL 35 (2006) 36 Arnd Witte Spiel kommen. Stereotypisierung dient der reduzierenden Konstruktion leicht überschaubarer und narrativ vermittelbarer Komplexität bei der Darstellung ,der Anderen'; sie erleichtert Legitimationen und lässt Werturteile selbstverständlich erscheinen. Jede Lernerin und jeder Lerner einer Fremdsprache hat bestimmte Haltungen und Stereotype bezüglich anderer Kulturen im Kopf. BYRAM und MORGAN (1994: 3) stellen bei ihren Untersuchungen zum kulturellen Kontext beim Fremdsprachenunterricht fest: "Young people acquire some information but very little knowledge ofthe foreign culture through language classes; the influence of extra-curricular forces such as the media is greater and more insidious -than the intuitive and unsystematic efforts ofthe teacher." Während jedoch die Medien die Konsumentinnen und Konsumenten lediglich mit Informationen über die fremde Kultur konfrontieren, die zudem häufig essentialistisch präsentiert werden, kann der Fremdsprachenunterricht ein Forum zur Rekonstruktion, Dekonstruktion und schließlich Co-Konstruktion deklarativen und insbesondere prozeduralen Wissens über die fremde Kultur bieten, das sich tendenziell schon in diese hinein verlagert. Es gilt also, die Stereotype als solche. ins Bewusstsein zu heben, um sie einer kritischen kognitiven Bearbeitung zugänglich zu machen. Dabei sind auf gleicher Ebene auch die Autostereotype zu thematisieren, in denen die Lernenden sich missrepräsentiert fühlen. Damit wird eine persönliche Betroffenheit auf affektiver Ebene generiert, die sich nur positiv auf die Motivation.zur Auseinandersetzung mit den Repräsentationen des Eigenen, aber auch des Fremden auswirken kann. Da Stereotype immer der Reduktion und dem Aufbau leicht überschaubarer, narrativ vermittelbarer Komplexität bei der Darstellung und Bewertupg ,der Anderen' dienen, mithin ,die Anderen' notwendigerweise immer in verkürzten Werturteilen missrepräsentieren, hat die kritische Auseinandersetzung mit Stereotypen zudem die wichtige heuristische Funktion, den Prozess der konstruktiven Auseinandersetzung mit der fremden Kultur, Sprache und Gesellschaft den Lernenden transparenter zu machen. Stufe3 Diese Stufe ist so konzipiert, dass ausgewählte und sehr limitierte interkulturelle Grenzerfahrungen in dem Sinne ermöglicht werden, dass bestimmte kognitive Konstrukte zumindest teilweise auf bestimmte Deutungsmuster der fremden Kultur rekurrieren und so eine Grundlage zur Herstellung von Perspektivenübernahme und Rollendistanz herstellen. Diese partielle Perspektivenübernahme wird wie auf den vorhergehenden Stufen durch explizites In-Beziehung-Setzen von bestimmten fremdkulturellen mit korrespondierenden eigenkulturellen Konfigurationen zu schaffen versucht. Dies könnte anhand von pragmatischen Alltagssituationen geschehen, wobei jedoch die Tendenz besteht, eigenkulturelle Maßstäbe nicht in Frage zu stellen, weil diese Bereiche häufig strukturell zu eng miteinander verwandt sind. Insofern wäre es effektiver, differente Bereiche auszuwählen, z.B. unterrichtliche Situationen, die explizit in einen fremdkulturellen Bildungsdiskurs eingebunden sind. Hierbei könnte man bestimmte Werte beider Systeme vergleichend zu verstehen versuchen, wobei Aspekte des fremden Systems den korrespondierenden des bekannten Systems präferiert werden können. Eine grundlegend andere Vorgehensweise bestünde in einer Aufarbeitung kulturdiffe- FLIIL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 37 renter Konzeptualisierungen bestimmter lexikalischer Elemente der beteiligten Sprachen. 8 Die zugrunde liegenden, kulturell induzierten Deutungsmuster in Vokabular, Grammatik und Habitus der fremden Sprache und Gesellschaft provozieren Fragen nicht nur hinsichtlich der Validität der fremden, sondern auch bezüglich der eigenen Kategorien und Muster. Insofern wird auf dieser Progressionsstufe erstmals der unreflektiert für ,normal' gehaltene konzeptuelle Rahmen monolingualer Lernender erschüttert und so die Hypothese ein kognitiv-affektives Nachvollziehen bestimmter fremdkultureller Deutungsmuster ermöglicht. Dies wird in neueren Wörterbüchern (z.B. im Collins (FORTEY [et al.] 2003) und Lehrwerken durch explizite Hinweise auf den fremdsprachlichen pragmatischen und kulturellen Kontext anzustoßen versucht. So werden in dem für den US-amerikanischen Markt produzierten DaF-Lehrwerk Deutsch? Na klar! (Dr DONATO/ CLYDENANSANT 2004) ,Kulturtipps' hinsichtlich kulturdifferenter Verhaltensweisen gegeben, z.B. bezüglich des Begrüßungsrituals: German speakers will ask 'Na, wie geht's? ' or 'Wie geht es Ihnen? ' only ifthey already know the person weil. When you.ask a native German speaker, be prepared for a detailed answer, particularly ifthe person is not feeling well (DI DONATO/ CLYDENANSANT 2004: 9). So gut gemeint diese Hinweise auf angebliche unterschwellig kulturdifferente Verhaltensmuster auch sind, so sind sie doch nur dann für die Lernenden sinnvoll, wenn sie explizit kontextualisiert werden, da sie andernfalls für einen tatsächlichen fremdsprachlich-situativ angemessenen Gebrauch zu abstrakt bleiben. Nur wenn. die Lernenden in erfahrungsbezogenen Situationen mit diesen Mustern umzugehen gelernt haben, können sie sie erfolgreich in der Fremdsprache anwenden. Stufe4 Die vierte Stufe zielt auf eine inhalts- und situationsbezogene Verbindung der zuvor gewonnenen punktuellen Einsichten in fremdkulturelle Deutungsmuster zu Modulen fremdkulturellen Verstehens. Dadurch wird den Lernerinnen und Lernern eine Einsicht in die Relativität sprachlicher und kultureller Muster, Werte, Haltungen und Überzeugungen vermittelt, einschließlich ihrer eigenen. Daher kann auf dieser Stufe die sprachlichkulturelle Gebundenheit der Kategorien und Muster der eigenen Wahrnehmungen und Handlungen thematisiert werden, um Wege zu einer grundlegenden Denkoffenheit zu ebnen, die den monolingualen Habitus aufbricht und letztlich zu überwinden in der Lage ist. Dieser Prozess der Herstellung des Wissens über die Kulturabhängigkeit des eigenen Denkens und der Erweiterung der Fähigkeit zur Rollendistanzierung kann nicht nur auf die kognitive Ebene beschränkt bleiben, sondern er muss die affektive Ebene einbeziehen, da es hier um eine potenzielle Umorientierung des Selbst geht. CIOMPI (1997: 119) 8 Hier böten sich idiomatische Wendungen und Metaphern an, aber auch einfache lexikalische Einheiten; so wird beispielsweise der englische Terminus box semantisch viel weiter konzipiert als im Deutschen, wo er kontextbezogen distinkt enger konzipiert wird, nämlich als Karton, Kiste, Dose, Schachtel, Pferdestall, Loge, billiger Fotoapparat, Fernsehapparat. Dies deutet auf jeweils eine andere kulturhistorische Bedeutungskonstitution und -verwendung. lFLuL 35 (2006) 38 Arnd Witte weist auf die große Bedeutung von Affekten sowie die enge Verschränkung von Kognition und Affekt hin, indem er betont, daß untergründige affektive Komponenten die kognitiven Funktionen ständig in vielerlei Weise beeinflussen. Sie wirken keineswegs, wie lange angenommen, nur als energiespendende Motoren und Motivatoren, sondern ebenfalls als alles Denken stets in subtiler Weise organisierende, hierarchisierende und strukturierende Operatoren von viel umfassenderer Art. Daher bieten sich Diskussionen und Rollenspiele an, u.a. basierend auf offenen literarischen Texten (vgl. BREDELLA 2000) sowie auf Critical Incidents, um affektive Ebenen von Betroffenheit explizit ins Spiel zu bringen. Gerade wegen der kulturellen Geladenheit von Critical Jncidents sind diese in der Lage, Diskussionen über die in ihnen zum Ausdruck kommenden differenten kulturellen Muster und sprachlichen Strukturen zu provozieren. Idealerweise können solche Critical Incidents von den Lernerinnen und Lernern selbst eingeführt werden, sofern sie schon direkten Kontakt mit dem Zielsprachenland hatten, da so die Authentizität von Dilemmaerfahrungen gewährleistet ist. 9 Diese Critical Incidents bieten somit reiches Material für kulturkontrastive kognitive, affektive und erfahrungsorientierte Aktivitäten im Fremdsprachenunterricht, zumal wenn sie in Rollenspielen nicht nur nachgespielt, sondern kreativ weitergeführt und auf andere Situationen transferiert werden. Stufe5 Die auf Stufe 4 begonnenen Vernetzungen bestimmter fremdkultureller Deutungsmuster werden auf dieser Stufe erweitert und auf eigenkulturelle Deutungsmuster gerichtet, die nun zunehmend bewusst relativiert werden. Diese Stufe hat daher das Potenzial, die monokulturell induzierte Selbstsicherheit von W ahmehmung, Verstehen und Handeln sowohl zu unterminieren als auch zugleich entscheidend zu transformieren, da nun auch bestimmte fremdkulturelle Muster als mentale Konstruktionsbasis dienen können. Dies impliziert eine umfassendere und tiefer gehende Auseinandersetzung mit fremd- und insbesondere eigenkulturellen Mustern, die über die kognitive Ebene hinausgeht. Den Lernenden soll ja nicht nur vermittelt werden, wie sie in der fremden Welt der Zielsprache und im Umgang mit ihren Menschen möglichst ,perfekt funktionieren' können, sie sollen vielmehr auch dazu anregt werden, ihre eigene Welt im Lernprozess ,ins Spiel' zu bringen und Wissen/ Erfahrung bezüglich der eigenen Welt in der Auseinandersetzung mit der fremden Welt zu überdenken und zu erweitern (vgl. NEUNER 2000: 44). In Ermangelung eines direkten Kontaktes zu dem Zielsprachenland könnten auf dieser Stufe komplexe Simulationsspiele im Unterricht verwendet werden, etwa das BAF Al BAFA Spiel (SHIRTS 1973). In diesem Simulationsspiel werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt, die sich in ,ihren' Grundüberzeugungen unterscheiden. Beiden Gruppen werden Beschreibungen der Juliane HousE (1996) liefert einige Beispiele solcher Critical Incidents, die aus der direkten lebensweltlichen Erfahrung von Studentinnen und Studenten in der Fremdkultur (in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland) abgeleitet sind. FLuL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)k: ulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 39 Grundwerte und Normen ,ihrer' Gesellschaften gegeben, die sie in getrennten Räumen erlernen. Anschließend tauschen beide Gruppen Besucherinnen und Besucher aus, so dass sowohl die Gastals auch die Gastgeberperspektive für Mitglieder beider Gruppen erfahren wird. Das Ziel dieser Spielphase besteht darin, etwas über die ,fremde' Kultur in Erfahrung zu bringen und die Mitglieder der ,eigenen' Kultur darüber zu informieren. Dies führt in der Regel zu einer Situation, in der die zurückgekehrten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ,fremde' Kultur unter Bezugnahme auf den ,eigenkulturellen' Referenzrahmen zu vermitteln versuchen, was zu der Beobachtung führt, dass die andere Kultur ,irgendwie seltsam' ist. Durch die Analyse von Reaktionen und Erfahrungen können die starken Tendenzen zu einer Ethnozentrierung von Wahrnehmen, Verstehen und Handeln ins Bewusstsein der Teilnehmenden gehoben werden, auch wenn die kulturellen Normen der beiden Kulturen hypothetisch und rein verbal vermittelt sind (vgl. W ARD/ BOCHNERIFURNHAM 2001: 258- 259). Von diesen durch Erfahrung gewonnenen, mithin gedächtniswirksam verankerten Einsichten ist es nur ein kleiner reflektiver Transferschritt zur Analyse und Bewusstwerdung der Kulturgebundenheit eigener Überzeugungen, Normen und Werte sowie die der Mitglieder der fremdsprachlichen Kultur, die eben am besten durch einen lebensweltlichen und handlungsorientierten Nachvollzug verstanden werden können, wozu die zumindest temporäre Loslösung von den eigenen Werten und Mustern eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Stufe 6 Auf dieser Stufe werden die auf der vorherigen Stufe erarbeiteten Aspekte der zumindest partiellen - Perspektivenübernahme auf die beteiligten Kulturen zu übertragen versucht. Ziel ist dabei eine zumindest partielle Akzeptanz von kulturell induzierter Divergenz grundlegender Muster in Wahrnehmung, Verstehen und Handlungsstrukturen im Sinne von Empathiefähigkeit. Diese Operationen bleiben nicht nur der kognitiven Ebene verhaftet, sondern sie beinhalten auch affektive und erfahrungsbezogene Aspekte. Damit werden tendenziell die auf implizitem kulturellen Wissen basierten, scheinbar selbstverständlich geltenden Basismuster für jede Konstruktion von Selbst und Anderem/ Anderen in Frage gestellt. Insofern kann auf dieser Stufe die Identitätskonstruktion der Lernenden selbst erschüttert werden, zumal die affektive Ebene auf dieser Stufe hochgradig individuell ausgerichtet ist. Jedoch ist der Prozess des Fremdsprachenlernens nicht auf Akkommodation ausgelegt, sondern er erweitert auf kultureller Ebene die Grundlagen für Erkennen, Handeln und Verstehen um fremdkulturelle, fremdsprachlich-konzeptuelle und fremdpragmatische Komponenten, so dass es sich hier vielmehr um eine Bereicherung statt Infragestellung von Identitätskonstrukten handelt, auch wenn sie sich dabei verändern. Wegen der hohen Individualität der Konstruktionen sollte jedoch diese Stufe hinsichtlich des angebotenen Materials wie auch der Methoden so offen wie möglich gehalten werden, so dass die Lernerinnen und Lerner sowohl kollektiv als auch individuell die differenten affektiven, pragmatischen und insbesondere kulturellen Muster sich selbst erschließen können, ohne dass vorherbestimmte Lernresultate im Detail festgelegt worden wären. FLuL 35 (2006) 40 Arnd Witte Wie schwierig sich diese Prozesse in der tatsächlichen fremdkulturellen Unterrichtspraxis erweisen, ist an anderer Stelle dokumentiert worden (vgl. WITTE 1996: 284-286). Dabei zeigt sich auch, dass rein rationale, zumal lehrerseitige Erklärungen der auftretenden, kulturell induzierten Differenzen keineswegs ausreichen, um die angestrebte Bi- oder Multipolarität vonDenken und Handeln seitens der Lernenden herauszubilden. So schwierig eine Integration affektiver und handlungsorientierter Komponenten in den zumal institutionalisierten - Unterricht auch zu leisten ist, so wichtig ist sie jedoch für die Entwicklung einer· grundlegenden Denkoffenheit, die sich· auf Muster und Konstrukte zweier - oder mehrerer - Sprachen und Kulturen stützt. Dass es in dieser Hinsicht im ,normalen' Fremdsprachenunterricht noch große Defizite gibt, ist mehrfach nachgewiesen worden. So fassen etwa Michael Byram und seine Kolleginnen ihre Untersuchungsergebnisse über kulturelle Aspekte des von ihnen analysierten Fremdsprachenunterrichts in Großbritannien zusammen: "In our view, the effect of language teaching on pupils' views is, in short, disappointing" (BYRAM! ESARTE-SARRIESITAYLOR 1990: 380). Und KORDES (1991: 287-288) berichtet nach dreijähriger Beobachtung des Französischunterrichts in einer Klasse der gymnasialen Oberstufe in Deutschland, dass über ein Drittel der untersuchten 112 Schülerinnen und Schüler in ihrem Habitus gänzlich monokulturell verblieben, eine kleine Mehrheit unter großen Schwierigkeiten ein sehr limitiertes, aber dennoch gewisses Verstehen der Fremdkultur nachweisen konnte, während nur ganze sechs Schülerinnen und Schüler eine ,transkulturelle Stufe' erreichten, in der sie sich bis zu einem gewissen Grad mit einigen fremdkulturellen Konstrukten unter bewusster Relativierung eigenkultureller Muster identifizieren konnten. Stufe 7 Auf dieser letzten Stufe werden die diversen Elemente der fremden und der eigenen Kultur konstruktiv miteinander in Beziehung zu setzen versucht, so dass die Lernenden sich souverän zwischen den verschiedenen kulturellen Deutungs~ und Verhaltensmustern bewegen und sich die ihnen gemäßen Verhaltensangebote situationsgerecht auswählen können. Sie sind somit je individuell in der Lage, ihr erworbenes Wissen nicht nur in Bezug auf interkulturelle Begegnungen, sondern auf ihr Alltagshandeln insgesamt anzuwenden, indem sie ihre Denkoffenheit und interkulturelle Konstruktionsgrundlage ,ins Spiel' bringen. Sie haben also ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz erworben, das sie an die Grenzen ihrer sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten bringt und ihnen ein höheres Maß an Bewusstheit der Kulturgebundenheit kultureller Konstruktionen beschert als es dem monolingualen Menschen je zukommt. Dies schließt die Fähigkeit ein, reflexiv-konstruktiv mit sprach- und kulturinduzierten Differenzen umzugehen sowie die semantische Ambiguität von Konstrukten und Rollen bewusst auszuhandeln und für alltägliches Handeln fruchtbar zu machen. Wie schon auf den zwei vorhergehenden Stufen muss auch hier aufgrund der hohen Individualität der Konstruktionsprozesse die Organisation und Anwendung des Wissens weitgehend den Lernenden überlassen werden. lFLuJL 35 (2006) Überlegungen zu einer (inter)kulturellen Progression im Fremdsprachenunterricht 41 5. Schluss Die hier vorgestellte Vorgehensweise des progressiven kognitiven und affektiven nachvollziehenden Verstehens. bestimmter Konfigurationen der fremden Kultur seitens der Lernenden im Rahmen des zumeist institutionellen - Fremdsprachenunterrichts zielt ausdrücklich auf einen langfristig angelegten Lernprozess, in dem eine ,interkulturelle Kompetenz' im Sinne der letzten Progressionsstufen unter schwierigen Bedingungen entwickelt wird. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass Sprache und Kultur im Fremdsprachenlernprozess nicht getrennt werden können, weil menschliche Sprachen nie ein isoliertes Zeichensystem darstellen, sondern Sprache immer das zentrale semiotische System einer Kultur konstituiert. Während jedoch eine sprachliche Progression sehr genau definiert werden kann, bezeichnet eine kulturelle Progression ein nur sich als im Prinzip sukzessiv entwickelndes kognitives, aber auch affektives Nachvollziehen der den fremdsprachlichen Handlungen zugrunde liegenden kulturellen Funktionszusammenhänge, Handlungsaspekte, Konventionen, Kategorien, Deutungsmuster, Standards, Grundannahmen· und Werte, die das implizite kulturelle Wissen der zielsprachlichen Kommunikationsgemeinschaft konstituieren. Es wird zudem angenommen, dass diese kulturelle Progression keine lineare, sondern eine in hohem Maße zyklische ist, da das vorgängig erworbene Wissen über die kulturellen Grundlagen der fremden Sprache immer wieder aus der Perspektive des neu Gelernten de- und rekonstruiert wird und die Lernenden dabei ihre subjektiven, soziokulturell vermittelten Konstrukte von Selbst, Anderen und Anderem ,ins Spiel' bringen. Daher ist es sehr schwierig, die kulturelle Progression dezidiert zu messen, zumal auf den letzten Stufen. Der kognitiv-affektive Verstehensprozess bestimmter fremdkultureller Deutungsmuster impliziert zugleich eine Infragestellung der vordem als universell gültig aufgefassten eigenkulturellen Deutungsmuster im Sinne von Routinewissen seitens der Lernerinnen und Lerner. Insofern bedingt eine kulturelle Progression des Verstehens des Fremden immer auch eine reziproke Progression der Relativierung eigenkultureller Deutungsmuster (und damit unreflektierter Selbstsicherheit in Verstehen, Kommunizieren und Handeln), die jedoch nicht als Gefährdung der eigenen Selbstsicherheit und Identität zu bewerten ist, sondern vielmehr als ein notwendiges Element im Prozess der Konstruktion einer interkulturellen Ebene, die nunmehr ein wahrhaft interkulturelles, auf Konstrukten beider (oder mehrerer) Kulturen beruhendes Verstehen, Denken und Handeln ermöglicht. Damit werden den Lernenden kognitive und affektive Ebenen erschlossen, die den monokulturellen Habitus aufbrechen und interkulturell basierte Konstrukte generieren, die dialogische Erkundungen von manchmal auch unlösbaren - Konflikten zwischen kulturell basierten Werten und Handlungsnormen von Individuen und Gesellschaften erlauben. Das progressive kognitiv-affektive Verstehen bestimmter fremdkultureller Deutungsmuster und Lebenswelten wird im Regelfall des fremdsprachlichen Unterrichts jedoch dadurch erschwert, dass ihm wenn überhaupt nur in sehr eingeschränktem Maße natürliche Präsenzkommunikation zugrunde liegt, die zudem keine reziproken spontanauthentischen Reaktionen zulässt; dies wäre nur in direkter Kommunikation mit MitlFLuL 35 (2006) 42 ArndWitte gliedern der anderen Kommunikationsgemeinschaft möglich. Um diese Defizite zu kompensieren, muss der medial basierte Fremdsprachenunterricht den Lernenden möglichst viele erfahrungsorientierte Lernerlebnisse sowie große Freiräume zur individuellen und gemeinsamen Aushandlung von Bedeutung der den kommunikativen Akten zugrunde liegenden soziokulturellen Muster bieten auch wenn damit niemals ein Aufenthalt in dem Zielsprachenland ersetzt werden kann. Wenn jedoch den fremdkulturellen Deutungsmustern und gesellschaftlichen Handlungsnormen im fremdsprachlichen Unterricht gebührender Raum und erfahrungsbezogene Lernmöglichkeiten eingeräumt werden, so dass den Lernenden die Handhabe zur bewussten Konstruktion einer sinnvollen polyphonen Identität verstanden als permanenter kognitiver, affektiver sowie sozialer und psychischer Prozess, nicht als statische Gegebenheitvermittelt wird, dient der Fremdsprachenunterricht zu viel mehr als nur zu einem Forum für die Entwicklung einer neuen linguistischen Kompetenz: Er dient der Entwicklung von Wissen über fremd- und eigenkulturelle Konstrukte, über Stereotype und die Kulturgebundenheit des eigenen Denkens. Zudem fungiert er als Katalysator für eine sich stets fortentwickelnde interkulturell basierte Denkoffenheit mit hoher Ambiguitätstoleranz, für Empathiefähigkeit und Rollendistanz in einer Weise, die den Status sowohl der Subjekte als auch der Kulturen mit in Frage stellt. Daher ist die explizite Integration einer (inter)kulturellen Progressionsebene in den Fremdsprachenunterricht, die mit der grammatischen, lexikalischen und situativ-pragmatischen Progression auf vielfältige Weise verschränkt ist, eine notwendige Voraussetzung für die Herstellung nicht nur einer umfassenden fremdsprachlichen, sondern auch einer fremd- und interkulturellen Kompetenz, wie sie der Interkulturelle Ansatz postuliert. Es bleibt jedoch ein Desiderat für die Sprachlehr- und -lernforschung, den Prozess des Erlernens von prozeduralem fremdkulturellem Wissen empirisch genauer zu analysieren, um auf der Basis von zuverlässigen Forschungsergebnissen valide und reliable Konzepte dafür zu entwickeln, wie eine viable kulturelle Progression sowohl in die fremdsprachlichen Lehr- und Lernmaterialien als auch in die Praxis des Fremdsprachenunterrichts integriert werden kann. Literatur ALTMAYER, Claus (2004): Kultur als Hypertext. 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The paper discusses the recent development and transformation oftraditional 'Landeskunde' teaching (especially in the context of German as a foreign language) as a consequence of the 'cultural turn' in the humanities and social sciences. After a critical examination ofthe 'intercultural' paradigm of 'Landeskunde' and foreign language leaming it is argued that cultural leaming in the foreign language classroom should deal with 'cultural pattems ofinterpretation' (,kulturelle Deutungsmuster'). 1. Von der ,Landeskunde' zur Kulturwissenschaft? Dass das Erlernen einer fremden Sprache immer zugleich auch einen Zugang zu einer fremden Welt bedeutet, ist sicherlich alles andere als eine neue Erkenntnis, und der Fremdsprachenunterricht hat dem durch die Vermittlung ,landeskundlicher' Inhalte ja auch immer schon Rechnung zu tragen versucht. In einer Zeit aber, in der die Begegnung mit den fremden Welten nicht mehr auf die geschützten Räume des Fremdsprachenunterrichts beschränkt, sondern durch Globalisierung, weltweite Migration und neue Kommunikationstechnologien zu einer alltäglichen Erfahrung und Herausforderung geworden ist, kommt den ,landeskundlichen' Aspekten des Fremdsprachelernens eine völlig neue Bedeutung zu. Insofern ist es sicherlich kein Zufall, dass sich die ,Landeskunde', die lange Zeit ja eher ein Stiefkind der Fremdsprachenwissenschaften gewesen ist, derzeit einer nie da gewesenen Aufmerksamkeit erfreut und allmählich aus dem Schatten der anderen fremdsprachenwissenschaftlichen Teildisziplinen zu treten beginnt. Was seit den siebziger Jahren immer wieder vergeblich gefordert wurde, die institutionelle Aufwertung der Landeskunde zu einer eigenen fremdsprachenwissenschaftlichen Teildisziplin, ist heute unter dem Namen ,Kulturwissenschaft' oder ,Kulturstudien' an vielen Universitäten innerhalb und außerhalb des deutschsprachigen Raums Realität. Professuren mit kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt wurden und werden an vielen fremdsprachenwissenschaftlichen Instituten eingerichtet. Auf wissenschaftlichen Fachtagungen sind Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Claus ALTMAYER, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Herder- Institut, Beethovenstr. 15, 04107 LEIPZIG. E-mail: altmayer@rz.uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Landeskunde, Kulturstudien JFLuL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 45 kulturwissenschaftliche Fragestellungen heute selbstverständlich Gegenstand eigener Sektionen, die sich auch großen Zuspruchs erfreuen. Kulturwissenschaftliche Fragen und Themen werden in neue fremdsprachenwissenschaftliche Studiengänge integriert. Auch einige auf einzelne Sprach- und Kulturräume bezogene Einführungen in kulturwissenschaftliche Themen liegen mittlerweile vor (vgl. z.B. KRAMER 1997; RöSEBERG 2001; BAASNER/ THIEL 2004; SOMMER 2003; TESKE 2002). Die Landeskunde, so scheint es, ist auf dem besten Weg, sich als ,Kulturwissenschaft' und damit als neue und gleichberechtigte wissenschaftliche Disziplin innerhalb der Fremdsprachenwissenschaften zu etablieren. So erfreulich die skizzierte Aufwertung der traditionellen ,Landeskunde' zur Kulturwissenschaft auch sein mag: sie birgt auch die Gefahr in sich, dass sich eine institutionalisierte Kulturwissenschaft gegenüber der Praxis des landeskundlichen Lernens und Lehrens zunehmend verselbstständigt. Eine auf die spezifischen Belange der Fremdsprachenwissenschaften und des Fremdsprachenunterrichts bezogene Kulturwissenschaft wird sich aber auf Dauer nur halten und durchsetzen können, wenn sie diesen Bezug zur Praxis des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen bzw. insbesondere zur Praxis des landeskundlichen Lernens nicht als eine nachträgliche Anwendung begreift, sondern sich von vornherein über diese Praxis und ihren Beitrag zur Lösung der sich aus der Praxis ergebenden Frage- und Problemstellungen definiert und konstituiert (vgl. dazu ALT- MAYER 2004a; 2006). Eine so verstandene Kulturwissenschaft ist dann auch nichts der Fremdsprachendidaktik Äußerliches, das erst nachträglich in einen Dialog mit der Fremdsprachendidaktik eintreten müsste (vgl. SCHUMANN 2005), sondern deren genuiner Teilbereich. Wie sich das hier skizzierte Verhältnis zwischen der Kulturwissenschaft auf der einen und der Landeskundepraxis auf der anderen Seite konkret darstellt und welche Konsequenzen sich daraus für die Konzeptionalisierung der Landeskundepraxis und für die kulturwissenschaftliche Forschung ergeben: dieser Frage will ichaus der Perspektive des Faches Deutsch als Fremdsprache-im Folgenden nachgehen. Dabei gilt es zunächst zu zeigen, dass kulturwissenschaftliche Fragen sich aus den Problemstellungen der Landeskundedidaktik selbst ergeben, bevor es in den folgenden Abschnitten um kulturwissenschaftliche Lösungsansätze gehen wird. Am Ende soll in Form eines Ausblicks die Notwendigkeit und Möglichkeit der empu,-ischen Erforschung kultureller Lernprozesse immerhin noch angedeutet werden. 2. Zur Kritik des ,interkulturellen' Paradigmas in der Landeskunde Die Didaktik der Landeskunde im Fach Deutsch als Fremdsprache aber auch darüber hinaus tritt seit vielen Jahren auf der Stelle. Seit den mittlerweile schon fast legendär gewordenen ABCD-Thesen zur Landeskunde aus dem Jahr 1990 und der von WEIMANN/ HOSCH (1991) eingeführten und von P AULDRACH (1992) übernommenen Unterscheidung zwischen einem ,kognitiven', einem ,kommunikativen' und einem ,interkulturellen' Ansatz in der Landeskunde ist kein wirklich grundlegend neuer Gedanke mehr dazu lFLuL 35 (2006) 46 Claus Altmayer gekommen. Zwar lassen sich immer wieder einmal vereinzelt Rückfälle in eine traditionell faktenorientierte Landeskunde verzeichnen (vgl. z.B. REINBOTHE 1997), insgesamt aber beherrscht der ,interkulturelle' Ansatz seit langer Zeit nahezu unangefochten die landeskundliche Szene. Primäre Aufgabe der Landeskunde, so hieß es beispielsweise in den erwähnten ABCD-Thesen, sei „nicht die Information, sondern Sensibilisierung sowie die Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen" (ABCD-Thesen 1990: 60), und diese Formulierung gibt auch heute noch den Stand der Diskussion treffend wieder. ,Interkulturelles Lernen', ,interkulturelle Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit', ,interkulturelle Kompetenz', ,interkulturelles Verstehen' oder ,Fremdverstehen', die Fähigkeit zum Umgang mit Verschiedenheit und kultureller Differenz diese und ähnliche Lernzielformulierungen finden sich heute in allen einschlägigen Lehrplänen und Rahmenrichtlinien für den Fremdsprachenunterricht (vgl. LEUPOLD 2003: 131), und auch die von der Kultusministerkonferenz erarbeiteten Bildungsstandards sind hier keine Ausnahme. So heißt es etwa in den im Oktober 2004 von der KMK verabschiedeten Bildungsstandards für die erste Fremdsprache in der Hauptschule, der Fremdsprachenunterricht habe „systematisch interkulturelle Kompetenzen" zu entwickeln und orientiere sich dabei „an dem Leitziel, bei den Schülerinnen und Schülern [...] Interesse und Verständnis für andere kulturspezifische Denk- und Lebensweisen, Werte, Normen und Lebensbedingungen auszubilden" (KULTUSMINISTER- KONFERENZ 2005: 10). Es soll hier nicht bestritten werden, dass die Einbeziehung der ,eigenkulturellen' Perspektive der Lernenden und die Unterordnung des herkömmlichen landeskundlichen Wissens unter allgemeinere Kompetenzbereiche, wie sie für den ,interkulturellen Ansatz' charakteristisch sind, gegenüber der traditionell fakten- und wissensorientierten ,kognitiven' Landeskunde einen erheblichen Fortschritt darstellt, hinter den die Landeskundedidaktik auch nicht ohne Not zurückgehen sollte. Allerdings weist der ,interkulturelle Ansatz' auch einige erhebliche Schwächen und ungelöste Probleme auf, von denen ich die wichtigsten im Folgenden einzeln auflisten und diskutieren möchte. Dabei gehe ich davon aus, dass sich im Rahmen des ,interkulturellen Ansatzes' übergeordnete ,interkulturelle' Zielsetzungen des Fremdsprachenunterrichts im Allgemeinen und des Landeskundeunterrichts im Besonderen nicht klar voneinander trennen und abgrenzen lassen, dass landeskundliche Zielsetzungen vielmehr sehr eng mit allgemein fremdsprachlichen Zielsetzungen verzahnt sind. (1) Die einschlägige Literatur zum ,interkulturellen' Fremdsprachenunterricht weist eine verwirrende Vielfalt verschiedener Begrifflichkeiten zur Formulierung ,interkultureller' Lernziele auf: ,Interkulturelles Lernen', ,interkulturelle Kompetenz', ,interkulturelle Handlungsfähigkeit', ,interkulturelle Kommunikationsfähigkeit' ,Fremdverstehen' oder ,interkulturelles Verstehen' usw. finden sich alle mehr oder weniger nebeneinander, und es ist keineswegs erkennbar, worin genau der Unterschied zwischen solchen Formulierungen besteht. Andererseits aber verbergen sich häufig auch hinter denselben Formulierungen genau besehen sehr verschiedene Konzepte von ,Interkulturalität', ohne dass dies immer hinreichend transparent wäre. So lassen sich ein pragmatisches, ein pädagogisches und ein hermeneutisches Verständnis von ,interkultureller KommunikationslFLulL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 47 fähigkeit' oder ,interkultureller Kompetenz' unterscheiden, die nicht nur aus recht unterschiedlichen Praxisbereichen stammen, sondern auch sehr Unterschiedliches, ja teilweise gar völlig Konträres mit denselben Begriffen verbinden. So geht etwa der pragmatische Ansatz davon aus, dass der ,interkulturelle' Fremdsprachenunterricht Lerner vor allem dazu befähigen soll, kommunikative Alltagssituationen in der Fremdsprache nicht nur sprachlich, sondern eben auch ,kulturell' angemessen, ,störungsfrei' und ,erfolgreich' zu bewältigen. Dies aber setze neben entsprechenden Bewältigungsstrategien Kenntnisse bezüglich kulturdifferenter Kommunikations- und Interaktionsformen voraus; Fremdsprachenlerner müssen nach diesem Verständnis beispielsweise wissen, wie sich die Vertreter der ,Zielsprachenkultur' begrüßen und verabschieden, welche Höflichkeitsregeln und Einladungsrituale herrschen usw. Die dabei zugrundeliegende Annahme, dass fremdsprachige Kommunikation grundsätzlich ,reibungslos' und ,störungsfrei' verlaufen sollte, ist dabei ebenso wenig Gegenstand der Reflexion wie die Frage, was genau unter ,erfolgreicher' Kommunikation zu verstehen ist. Zumindest bietet der hier diskutierte ,pragmatische' Ansatz keinerlei Handhabe gegen die Instrumentalisierung ,interkultureller' Kompetenzen zur Durchsetzung eigener (ökonomischer, Macht-) Interessen. Man muss diese einseitig interessegeleitete Instrumentalisierbarkeit des ,Interkulturellen' nicht problematisch finden; es muss aber klar sein, dass sich dieser Ansatz mit den beiden anderen oben genannten Ansätzen, dem pädagogischen und dem hermeneutischen, die beide ebenfalls die üblichen Formulierungen von ,interkultureller Kompetenz' u.ä. für sich in Anspruch nehmen, nicht vereinbaren lässt, denn diese ordnen die interkulturellen Kompetenzen in den sehr viel weiteren Horizont einer politisch und moralisch fundierten Bildung ein. Das pädagogische Konzept des ,interkulturellen Lernens' oder der ,interkulturellen Bildung' stammt aus den Diskussionen über die Folgen der Migration für die deutsche Schule und meint hier keine für ein bestimmtes Fach spezifische Zielsetzung, sondern eine Schlüsselqualifikation und Querschnittaufgabe, der sich die Bildungsinstitutionen insgesamt und über die Fächergrenzen hinweg zu stellen haben. Interkulturelle Bildung gilt heute als Teil der allgemeinen Bildung und soll die Lernenden dazu befähigen, mit Verschiedenheiten umzugehen, von denen ,kulturelle', sprachliche oder ethnische Verschiedenheit nur eine von verschiedenen Verschiedenheiten ist (vgl. KRÜGER-POTRATZ 2005: 30 ff). Die Auffassung von ,interkulturellem Verstehen' als einer Schlüsselqualifikation wird auch von den Vertretern des hermeneutischen Ansatzes geteilt (vgl. BREDELLA 2001). Die Formulierung vom ,interkulturellen Verstehen' zeigt aber schon, dass es sich hier wieder um eine gegenüber den pädagogischen Konzepten veränderte Perspektive handelt. Ausgangspunkt ist hier nämlich der fremdsprachige Literaturunterricht und der Versuch, Fremdsprachenlerner zum Verstehen literarischer Texte in der fremden Sprache zu befähigen. Daraus hat sich in den 90er Jahren ein Graduiertenkolleg an der Universität Gießen gebildet, das den Fragen und Problemstellungen einer ,Didaktik des Fremdverstehens' nachgegangen ist. Der hier im Zentrum stehende Begriff des ,Fremdverstehens' wird von den Vertretern des hermeneutischen Ansatzes mit Hilfe des Begriffs der ,Perspektive' und der Differenzierung zwischen der ,Außenperspektive' des Lerners auf der JFJLuL 35 (2006) 48 Claus Altmayer einen und der ,Innenperspektive' des zu verstehenden fremdsprachigen Textes auf der anderen Seite erklärt. ,Fremdverstehen' liege idealerweise dann vor, wenn es -verkürzt gesagt-den Lernern gelinge, ihre ,Außenperspektive' der ,Innenperspektive' des fremdsprachigen Textes anzunähern, die fremde Perspektive zumindest vorübergehend zu übernehmen und beide Perspektiven in einen produktiven Dialog miteinander zu bringen (vgl. BREDELLA [et al.] 2000: XIX ff). Die hier eher idealtypisch als empirisch differenzierten Ansätze des ,Interkulturellen' sollten vor allem deutlich machen, dass ,interkulturell' offenbar nicht gleich ,interkulturell' ist, dass mit diesem BegriffInhalte und insbesondere Zielorientierungen verbunden sind, die nicht nur verschieden, sondern untereinander völlig inkompatibel sind. Wer von einem ,interkulturellen' Ansatz etwa in der Landeskunde spricht, sollte künftig zumindest präzisieren, was er darunter verstehen will. (2) Ungeachtet der unter (1) diskutierten Unterschiede hinsichtlich des konkreten Begriffsverständnisses von ,interkultureller Kompetenz' gehen alle Vertreter einer ,interkulturellen' Landeskunde bzw. Fremdsprachendidaktik davon aus, dass wir es bei ,interkultureller Kommunikation' und ,interkulturellem Lernen' im Fremdsprachenunterricht mit der Begegnung zweier unterschiedlicher ,Kulturen' zu tun haben. Dabei wird, in der Regel eher implizit, ein essentialistisches und homogenisierendes Verständnis von ,Kultur' bzw. ,Kulturen' vorausgesetzt, wonach es sich bei ,Kulturen' um reale, nach außen mehr oder weniger klar abgegrenzte und nach innen mehr oder weniger homogene, meist national oder ethnisch definierte Gruppen von Menschen handelt, die ,objektiv' bestimmte Gemeinsamkeiten des Verhaltens, Wahrnehmens, Denkens und Fühlens aufweisen. Dieses Verständnis von ,Kultur', das sich bis auf Herder, die Völkerpsychologie und die klassische amerikanische Kulturanthropologie der Boas-Schule zurückführen lässt (vgl. ALTMAYER 2004: 84 ff), mag auf den ersten Blick und aus der Perspektive unserer Alltagserfahrung plausibel erscheinen, erweist sich aber bei genauerem Hinsehen als höchst problematisch. Homogene Nationalkulturen, wie dieser Begriff sie unterstellt, hat es zumindest in modernen Industriegesellschaften wohl noch nie gegeben; im Zeitalter der globalen Vernetzung und des weltweiten Kulturaustauschs aber ist eine solche Vorstellung sicherlich vollends obsolet. Hinzu kommt, dass das homogenisierende und essentialistische Kulturkonzept mit Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen arbeitet, die sich weder strukturell noch funktional von Nationalstereotypen unterscheiden lassen, was unter didaktischem Aspekt heißt: ,Interkulturelle' Ansätze, die mit einem solchen Begriff von ,Kultur' operieren, unterstützen und fördern das Denken in pauschalisierenden und stereotypisierenden Kategorien eher als dass sie es, wie es meiner Meinung nach erforderlich wäre, in Frage stellen würden. (3) So richtig es auf der einen Seite ist, dass ,interkulturelle' Ansätze die Perspektive, das Vorwissen, die Erfahrungen und Interessen der Lerner systematisch in ihre didaktischen Konzepte landeskundlichen Lernens einbeziehen, so problematisch ist es auf der anderen Seite, dass dies in aller Regel nur in Form einer kulturalistischen und ethnisierenden Zuschreibung von außen erfolgt. D.h.: Lerner kommen nicht als Individuen, sondern nur als Repräsentanten ,ihrer' ,Kultur' in den Blick der ,interkulturellen' Didaktik. In einem Handbuchartikel zur ,interkulturellen Landeskunde' etwa heißt es: lFLuL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... „Die Art der Behandlung landeskundlicher Inhalte soll allgemeine, für interkulturelle Situationen relevante Kompetenzen, wie z.B. eine Wahrnehmungs- und Aneignungsfähigkeit fremder Bedeutungen und die Fähigkeit, diese in fremdkulturelle Bedeutungssysteme einzubinden, sie anhand funktionaler Äquivalenzen miteinander zu vergleichen, scheinbar widersprüchliche Eindrücke nicht sofort auf eigenkulturellen Interpretationsgrundlagen zu bewerten (Ambiguitätstoleranz) und auf dieser Grundlage konstruktive kommunikative Formen des Umgangs mit Personen aus der Fremdkultur zu praktizieren. Dabei sollen spezifische eigenkulturelle Perspektiven auf Fremdes, einschließlich möglicher ethnozentrischer Auffassungen, latenter Vorurteile und historisch veränderter Sehweisen [...] einbezogen werden" (MÜLLER-JACQUIER 2001: 1231 [Hervorhebungen C.A.]). 49 In der Fernstudieneinheit Didaktik der Landeskunde von BIECHELEIPADRÖS (2003) liest man, die ,interkulturelle' Landeskunde gehe „von der Einsicht aus, dass Wahrnehmung und Interpretation der Zielkultur immer auf dem Hintergrund der jeweils eigenen Kultur stattfindet"; das „Verstehen über kulturelle Grenzen hinweg" werde zu einer „Entdeckungsreise in die andere Kultur[...], bei der gleichzeitig die eigenen kulturellen Voraussetzungen bewusst gemacht werden sollen" (BIECHELE/ PADRÖS 2003: 91; Hervorhebungen C.A.). Die in den Zitaten von MÜLLER-JACQUIER und BIECHELE/ PADRÖS hervor 0 gehobenen Textstellen machen das Problem, um das es hier geht, deutlich sichtbar: Lerner nehmen Fremdes demnach nicht etwa auf der Basis ihrer eigenen (individuellen und auch potenziell individuell verschiedenen) Interpretationsgrundlagen oder aus ihrer eigenen Perspektive wahr, sondern gelten vorab schon als ,kulturell' präformiert, denn ,Eigenes' kommt sowohl bei Müller-Jacquier als auch bei Biechele/ Padr6s nur als ,Eigenkulturelles' in den Blick. Die ,interkulturelle' Landeskunde schreibt Lernern die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ,Kultur' (im oben erwähnten Sinn) von außen und a priori zu und geht dabei offenbar davon aus, dass die (national definierte) ,Kultur', der die Lerner zugeordnet werden, deren Verhalten, Wahrnehmung, Denken _und Wertmaßstäbe weitgehend prägt, wenn nicht sogar vollständig determiniert. Eine solche Annahme aber entbehrt jeder seriösen wissenschaftlichen Grundlage und ist zudem unter didaktischem Aspekt höchst problematisch. Lerner sind nicht a priori Repräsentanten ,ihrer' ,Kultur' und wollen in der Regel auch nicht unbedingt für ,ihre Kultur' haftbar gemacht werden, Lerner sind zunächst und vor allem Individuen. Lernprozesse, auch landeskundliche oder kulturelle Lernprozesse, sind hochgradig individualisierte Prozesse, die von individuellen Lernvoraussetzungen ausgehen und zu individuellen Lernergebnissen führen. Dass dabei neben anderen Faktoren auch der Faktor ,Kultur' eine Rolle spielt oder zumindest spielen kann, soll nicht bestritten werden, in welcher Weise dies geschieht und was mit diesem ,kulturellen Faktor' überhaupt gemeint ist, lässt sich auf der Basis der simplifizierenden Dichotomie von ,eigener' und ,fremder' Kultur, mit der die ,interkulturellen Ansätze' meist operieren, aber nicht beantworten. (4) Die Vertreter einer ,interkulturellen Landeskunde' wie des ,interkulturellen' Fremdsprachenunterrichts im Allgemeinen gehen meist davon aus, dass die Kommunikation über ,kulturelle Grenzen' hinweg prinzipiell schwieriger und störungsanfälliger ist als die Verständigung mit Angehörigen der ,eigenen' Kultur. Als Grund für diese Schwierigkeit gilt die Annahme, dass Fremdsprachenlerner grundsätzlich monokulturell sozialisiert sind und mit kultureller Pluralität wenig bis keine Erfahrung haben. Dies lFLuJL 3 5 (2006) 50 Claus Altmayer wiederum habe zur Folge, dass sie die ,eigenen' kulturellen Muster und die eigenen erlernten Wertmaßstäbe quasi ,automatisch' auch bei der Begegnung mit dem ,kulturell Fremden' anwenden, weshalb es häufig zu Störungen in Form von Missverständnissen und Kommunikationsabbrüchen oder zu einer negativen, ablehnenden Haltung gegenüber dem Neuen und kulturell ,Fremden' komme. Die Aufgabe der ,interkulturellen' Didaktik bestehe dann darin, diese Ablehnung in Akzeptanz zu verwandeln (vgl. z.B. THOMAS 2003: 143-145). Auch diese Prämisse der ,interkulturellen' Ansätze in der Fremdsprachendidaktik hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Wir können in der globalisierten Welt von heute, in der die weltweite Kommunikation in Echtzeit ebenso zur Selbstverständlichkeit geworden ist wie die alltägliche Begegnung mit ,Fremden' in der eigenen Lebenswelt, nicht mehr so selbstverständlich von einer monokulturellen Sozialisation ausgehen, vielmehr sind kulturelle Hybridität, Mehrsprachigkeit und multikulturelle Biographien heute speziell unter Jugendlichen fast schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden (vgl. Ru 2000: 134). Hinzu kommt, dass neuere ethnographisch angelegte Forschungsarbeiten zur ,interkulturellen Kommunikation' zeigen, dass die Konfrontation mit ungewohnten kommunikativen Verhaltensweisen keineswegs so automatisch zu Ablehnung und Missverständnissen führt, wie die Vertreter der ,interkulturellen' Landeskunde gerne anzunehmen bereit sind, dass es vielmehr in solchen Interaktionen zur Schaffung eines eigenen mehr oder weniger offenen und flexiblen kulturellen Handlungsraums kommt, in dem die Existenz unterschiedlicher Verhaltensweisen und Wertmaßstäbe von vornherein mitgedacht ist (vgl. HORNSCHEIDT 2005: 13 f). Ich breche die kritische Auseinandersetzung mit dem didaktischen Konzepten einer ,interkulturellen' Landeskunde hier ab. Die vorgebrachten Argumente sind sicherlich weder vollständig noch völlig neu (vgl. v.a. Ru 1999), sie sollten aber deutlich gemacht haben, dass die Landeskundedidaktik ihre derzeitige Stagnation wohl nur überwinden kann, wenn sie sich von dem bislang dominierenden ,interkulturellen' Paradigma verabschiedet. Dabei meint ,verabschieden' nicht die Rückkehr etwa zu überkommenen Konzepten einer rein fakten- und wissensorientierten ,kognitiven' Landeskunde, sondern die Suche nach neuen, den geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen besser entsprechenden Konzepten. Inwieweit kulturwissenschaftliche Begriffe und Theorieansätze bei einer solchen Transformation der ,interkulturellen' Landeskunde tatsächlich hilfreich sein können, gilt es im Folgenden zu zeigen. 3. ,Kulturelle Deutungsmuster' Auf den selbst etwas schillernden Begriff ,Kulturwissenschaft(en)' möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen (vgl. dazu ALTMAYER 2003: 112 ff); ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem Begriff weder um die Bezeichnung für eine klar abgegrenzte eigenständige Disziplin noch um ein neues modisches Etikett für die bislang als ,Geisteswissenschaften' bekannten Wissenschaftsdisziplinen handelt, sondern eher um eine Art innovatives Projekt, an dem viele verschiedene Wissenschaftsdisziplinen beteiligt sind lFLuL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 51 und dessen gemeinsame Stoßrichtung, vereinfacht gesagt, dahin geht, subjektive Bedeutungs- und Sinnzuschreibungen und damit die Perspektive der Subjekte und deren deutenden Zugang zur Welt gegenüber den objektiven Strukturen in den Humanwissenschaften stärker zur Geltung zu bringen. Die notwendige Definition und begriffliche Präzisierung des bekanntlich höchst vieldeutigen Kulturbegriffs geht daher von der sehr grundlegenden erkenntnistheoretischen Prämisse aus, dass uns die ,Wirklichkeit' keineswegs, wie man in einem naiven erkenntnistheoretischen Realismus anzunehmen geneigt sein mag, unmittelbar und an sich, sondern nur als immer schon gedeutete Wirklichkeit zugänglich ist. Wirklichkeit ist, so gesehen, ein Konstrukt, allerdings nicht, wie etwa der Radikale Konstruktivismus annimmt, ein je individuelles Konstrukt, das erst nachträglich auf seine ,Viabilität' und seine Sozialverträglichkeit hin geprüft werden muss, sondern ein von vornherein soziales und diskursiv gedeutetes Konstrukt. Wir deuten und schaffen die gemeinsame Welt und Wirklichkeit auf der Basis von Mustern, die wir im Verlauf unserer Sozialisation erlernt haben, die wir in der Regel in Diskursen als allgemein bekannt und selbstverständlich voraussetzen, die aber auch selbst jederzeit zum Gegenstand diskursiver und kontroverser Deutungsprozesse werden können. So weit es sich bei diesen Mustern um überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität handelt, spreche ich von ,kulturellen Deutungsmustern', und den Bestand an ,kulturellen Deutungsmustern', der einer Gruppe als gemeinsamer Wissensvorrat für die gemeinsame diskursive Wirklichkeitsdeutung zur Verfügung steht, nenne ich die ,Kultur' dieser Gruppe. Ein Beispiel mag vielleicht die Relevanz und Wirksamkeit kultureller Deutungsmuster ein wenig veranschaulichen. In einer Schlüsselszene des Films Good bye, Lenin! verlässt die Mutter des Protagonisten, die ja von der ,Wende' in der DDR bisher nichts mitbekommen hat, ihr Krankenlager und macht einen kleinen Spaziergang durch die (veränderte) Umgebung. Die ihr begegnenden Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild dieser Umgebung (ein junger Mann aus Wuppertal - "aus dem Westen? "; offenbar ,westliche' Autos, ein Werbeplakat, der fliegende Lenin usw.) nimmt sie in der weitgehend ohne Sprache auskommenden Szene mit offensichtlichem Staunen zur Kenntnis. Später drückt sie ihr Staunen in der an ihre Kinder gerichteten Frage aus: "Was ist hier eigentlich los? " Die Szene ist für das Thema ,Deutungsmuster' insofern interessant, als die Verwirrung der Mutter ja dadurch zustande kommt, dass ihre bisherige Deutung der Welt auf der Basis der ihr verfügbaren kulturellen Muster ,Osten' und ,Westen' sowie der damit einhergehenden Implikationen (z.B. ,Werbung', Autos, ,Wuppertal' für Westen, ,Lenin' für Osten) mit ihrer Erfahrung nicht mehr ohne Weiteres in Einklang zu bringen ist. Um den hier drohenden Prozess der grundlegenden In: fragestellung der verfügbaren und vertrauten Muster, der für die Mutter möglicherweise tödlich enden könnte, zu verhindern, liefern ihr die Kinder anschließend eine vergleichsweise harmlose Deutungsvariante, die zwar das bisherige Muster ,Osten' verändert und erweitert, aber nicht, wie es der Situation eigentlich angemessener wäre, grundsätzlich in Frage stellt. Das Beispiel, das ich ansonsten nicht weiter strapazieren möchte, deutet auch schon an, in welcher Weise sich ,kulturelle Lernprozesse' mit Hilfe des Begriffs ,kulturelle Deutungsmuster' beschreiben und operationalisieren lassen; darauf werde ich im nächslFJLulL 35 (2006) 52 Claus Altmayer ten ·Abschnitt zurückkommen. Zuvor aber scheint es mir zur Vermeidung möglicher Missverständnisse sinnvoll, den Begriff ,kulturelles Deutungsmuster' noch ein wenig weiter zu konkretisieren und zu präzisieren. ( 1) Das Epitheton ,kulturell' im Begriff ,kulturelles Deutungsmuster' meint nicht den oben erwähnten Begriff von ,Kulturen' als in der Regel national definierte Gruppen von Menschen, sondern meint zum einen, dass die Muster uns mit Sinn und Bedeutung ausstatten, die wir für die (diskursive) Deutung der Wirklichkeit verwenden; · es meint aber zum zweiten und vor allem, dass solche Muster nicht immer wieder neu erfunden werden müssen, sondern im kollektiven Wissensfundus einer Gruppe vorhanden und dort textuell gespeichert und überliefert sind. Kulturelle Deutungsmuster sind daher auch nicht mit kognitiven Schemata identisch, denn Schemata sind sozusagen nur die Repräsentation der kulturellen Deutungsmuster auf der Ebene der Kognition. (2) Wenn im Zusammenhang mit kulturellen Deutungsmustern von Gruppen und deren kollektivem Wissensvorrat die Rede ist, dann darf auch dies nicht von vornherein mit national definierten Gruppen gleichgesetzt werden. Viehnehr gehe ich davon aus, dass jede Gruppe von Individuen, sofern sie sich selbst als Gruppe identifiziert, über einen gemeinsamen Wissensfundus und damit über einen gewissen Vorrat an kulturellen Deutungsmustern verfügen muss, damit sie sich überhaupt als Gruppe definieren kann. So verfügt beispielsweise auch eine Familie selbstverständlich über einen Fundus an gemeinsamem Wissen, der die innerfamiliäre Kommunikation ermöglicht, und zwar unabhängig davon, welche Nationalität die Familienmitglieder aufweisen. Auch vergleichsweise lockere Gruppierungen wie die Mitglieder einer wissenschaftlichen Gesellschaft oder eines Fußball-Fanclubs verfügen über einen zumindest rudimentären Bestand an gemeinsamen kulturellen Deutungsmustern unabhängig von ihrer regionalen, sozialen oder nationalen Herkunft. (3) Wenn im Rahmen der Landeskundedidaktik des Faches Deutsch als Fremdsprache von ,deutschen Deutungsmustern' die Rede ist, dann bezieht sich dies nicht auf die Ebene der Nation und der ,Nationalkultur', sondern ausschließlich auf die vergleichsweise hoch angesiedelte Abstraktionsebene der deutschen Sprache. ,Deutsche Deutungsmuster' sind demnach solche Muster, die in deutschsprachigen Diskursen zur deutenden Konstruktion von Wirklichkeit verwendet werden, und zwar unabhängig von ihrer ,ursprünglichen' Herkunft. So handelt es sich beispielsweise bei dem im obigen Filmbeispiel erwähnten Muster ,Lenin' ungeachtet seines russischen Ursprungs zweifellos um ein deutsches Deutungsmuster, mit dem ja nicht zuletzt der Filmtitel erfolgreich operiert. Ob dieses Muster in deutschsprachigen Diskursen anders verwendet, anders gedeutet und bewertet wird als beispielsweise in russischen, ist möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, kann aber ebenso wenig a priori vorausgesetzt werden wie das Gegenteil, sondern nur von seriöser kulturwissenschaftlich-diskursanalytischer Forschung beantwortet werden. (4) ,Kultur' im hier präferierten Sinn, d.h. als Vorrat an Deutungsmustern, wirkt sich auf die Individuen und deren kognitiven Apparat nicht prägend oder gar determinierend aus, sondern wirkt eher als eine Art offener Fundus, aus dem sich die Individuen für die Deutung und Bewertung von Situationen, Texten usw. nach eigenem Gusto bedienen JFLuL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 53 können. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass dieser Fundus für prinzipiell jede denkbare Situation mehrere unterschiedliche und teilweise auch miteinander konkurrierende Muster bereit hält, dass zudem auch jederzeit neue, etwa in deutschsprachigen Diskursen bislang nicht bekannte Muster eingeführt oder auch ältere, in tieferen Schichten des kulturellen Speichergedächtnisses abgelagerte Muster aktualisiert werden können. Wichtig ist auch, dass kulturelle Deutungsmuster, die wir im Diskurs in der Regel eher implizit gebrauchen und als allgemein bekannt voraussetzen, jederzeit auch selbst zum Gegenstand unterschiedlicher und kontroverser Deutung und Bewertung werden können, bei der dann wiederum von anderen Deutungsmustern Gebrauch gemacht werden kann. 4. ,Kulturelles Lernen' und landeskundliche Themenplanung Kommen wir von hier aus wieder auf die Frage nach der ,Landeskunde' zurück: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der skizzierten kulturwissenschaftlichen Perspektive und insbesondere aus dem Begriff des ,kulturellen Deutungsmusters' für die ,Landeskunde'? Zunächst scheint sich ja der Gegenstand der ,Landeskunde', zumindest wenn man von einem eher traditionellen Verständnis dieses Begriffs ausgeht, mehr oder weniger aufzulösen. Subjektive Sinnzuschreibungen, so haben wir gesehen, treten innerhalb eines kulturwissenschaftlichen Paradigmas der Humanwissenschaften an die Stelle vermeintlich ,objektiver' Strukturen, und dies keineswegs nur in den immer schon eher am ,Subjektiven' interessierten Kunst- oder Literaturwissenschaften, sondern ebenso in der Geschichtswissenschaft, in der Soziologie, in der Politikwissenschaft oder der Ethnologie. Eine Landeskunde, die, wie es z.B. in der Einführung in die Landeskunde Frankreichs von Hans-Jürgen Lüsebrink noch heißt, als „Vermittlung von Kenntnissen über Fakten und Strukturen der Raum- und Bevölkerungsentwicklung sowie der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten Frankreichs" (LÜSEBRINK 2003: 1) definiert wird, wirkt dann angesichts des beschriebenen 'cultural turn' in den wissenschaftlichen ,Bezugsdisziplinen' zumindest leicht anachronistisch, wenn nicht völlig obsolet. Gibt es einen Gegenstand wie ,Frankreich' oder ,Deutschland' überhaupt? Handelt es sich bei diesen Begriffen nicht vielmehr um Konstrukte auf hoher Abstraktionsebene, die sich jeder konkreten Erfahrbarkeit entziehen und denen in einer noch irgendwie konkreten ,Realität' nichts entspricht, weil sie sich aus kulturwissenschaftlicher Sicht in unzählige subjektive Perspektiven und diskursive Sinnzuschreibungen auflösen? Die gerade im Kontext der (interkulturellen) Landeskunde weit verbreitete Annahme, dass es jenseits der je subjektiven und stereotypischen ,Bilder' vom ,fremden Land' noch ein irgendwie ,objektives' und ,reales' ,Land' gibt, erweist sich, so gesehen, als erkenntnistheoretisch naiv und unhaltbar. Und auch dem scheinbaren Ausweg aus diesem Dilemma, den die ,interkulturelle' Landeskunde versucht hat, nämlich die Lerner statt mit ,landeskundlichem' Faktenwissen mit ,kulturspezifischem Wissen' über das ,fremde Land', etwa über die dort ,geltenden' ,Kulturstandards' zu versorgen, liegt die Annahme, es gebe tatsächlich bestimmte ,objektive' und für ein ,Land' spezifische Gegebenheiten, noch zugrunde. lFLuL 35 (2006) 54 Claus Altmayer Wenn wir es aber weder bei ,Land' noch bei der darauf bezogenen ,Kunde' mit sinnvollen Konzepten zu tun haben, wenn sich das ,Zielsprachenland' bei Lichte besehen in subjektive Sinnzuschreibungen und Diskurse auflöst was heißt das dann für die herkömmliche ,Landeskunde'? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich einen Begriff aufgreifen, den der niederländische Landeskunde-Didaktiker Peter Groenewold bei seinem Plenarvortrag auf der Jenaer FaDaF-Tagung im Mai 2005 in die Diskussion eingeführt hat: den Begriff der ,Partizipation'. Übergreifendes Ziel des Landeskundeunterrichts wie des Fremdsprachenunterrichts überhaupt, so Groenewold, sei „die Partizipation an der Sprach- und Lebenswelt des anderen Landes" (GROENEWOLD 2005: 516). Ohne hier auf die von Groenewold formulierten methodischen Konsequenzen eines solchen „partizipatorischen Fremdsprachenunterrichts" (ebd.: 517) näher einzugehen, möchte ich seinen Begriff der ,Partizipation' für die kulturwissenschaftlich transformierte Landeskunde in Anspruch nehmen. Das Ziel des Fremdsprachenunterrichts im Allgemeinen und des Landeskundeunterrichts im Besonderen besteht demnach darin, Lernern etwa des Deutschen als Fremdsprache die Partizipation oder „Teilhabe am Leben eines Landes" (ebd.) zu ermöglichen. Wenn aber das ,Land' und die ,Lebenswelt' eines ,Landes' sich unter kulturwissenschaftlichem Blick in die subjektiven Perspektiven und die Diskurse auflösen, in denen diese subjektiven Perspektiven sich artikulieren und austauschen, dann folgt daraus, dass der Fremdsprachenunterricht die Lerner vor allem zur Partizipation an den in der fremden Sprache geführten Diskursen befähigen sollte. Diskurse aber funktionieren, wie wir oben gesehen haben, auf der Grundlage eines kulturellen Wissensvorrats, der sich in Form von kulturellen Deutungsmustern konkretisiert. Teilhabe oder Partizipation an den in der Zielsprache geführten Diskursen setzt also die Vertrautheit mit den Deutungsmustern, von denen in diesen Diskursen Gebrauch gemacht wird, die in Diskursen bestätigt oder in Frage gestellt werden und auf die die Diskurse sich affirmativ oder kritisch beziehen, voraus. Daraus aber folgt: Diese kulturellen Deutungsmuster sind der bevorzugte Lerngegenstand einer kulturwissenschaftlich transformierten Landeskunde. Die Hauptaufgabe des Landeskundeunterrichts besteht nach diesem Konzept darin, bei Lernern des Deutschen als Fremdsprache durch die inszenierte Teilhabe an deutschsprachigen Diskursen Lernprozesse anzuregen und in Gang zu setzen, die ich mit einem spezifischen Begriff als ,kulturelles Lernen' bezeichnen möchte. Dabei gehe ich davon aus, dass wir es bei der Interaktion zwischen einem (deutschsprachigen) Text und einem (fremdsprachigen) Rezipienten auf zwei strukturell verschiedenen Ebenen mit (kulturellen) Deutungsmustern zu tun haben: (1) auf der kulturanalytischen Ebene der Texte und Diskurse selbst, die von einem bestimmten Bestand an solchen Deutungsmustern Gebrauch machen und jeden potenziellen Rezipienten dazu auffordern, diese Deutungsmuster im Rezeptions- und Verstehensprozess zu aktivieren und anzuwenden, um zu einer dem Text ,angemessenen' Sinnzuschreibung zu gelangen; (2) auf der Ebene der konkreten und empirischen Verstehensprozesse konkreter und empirischer Individuen, die mittels der ihnen jeweils verfügbaren Deutungsmuster dem Text einen für sie subjektiv befriedigenden Sinn zuschreiben. lFLuL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 55 Dabei liegt es auf der Hand, dass zwischen beiden Ebenen zumindest potenziell ein Spannungsverhältnis besteht, da natürlich die Deutungsmuster der Ebene (1) und diejenigen der Ebene (2) teilweise oder vollständig voneinander abweichen können, anders formuliert: Es gibt keine Garantie, dass die Deutungsmuster, die ein bestimmtes Individuum bei der verstehenden Auseinandersetzung mit einem Text aktiviert und für die Sinnzuschreibung anwendet, den Mustern tatsächlich entspricht, die der Text selbst sozusagen fordert. Greifen wir zur Veranschaulichung dieses Spannungsverhältnisses noch einmal kurz auf unser obiges Beispiel, eine Szene aus dem Film Good bye Lenin! zurück. Es ging in dieser Szene ja darum, dass die durch die Straßen ihrer Umgebung spazierende Mutter des Filmhelden die von ihr registrierten Veränderungen nicht einordnen kann, weil sie ihren Mustern (Osten vs. Westen, Sozialismus vs. Kapitalismus) nicht entsprechen. Ein angemessenes Verstehen dieser Szene (wie des Films insgesamt) setzt aber das Aktivieren derselben Muster auch beim Zuschauer voraus, das Nichtverfügen über diese Muster oder die Anwendung eigener, von diesen wesentlich abweichender Muster führt zu Verstehensproblemen, völlig unabhängig übrigens von der ,kulturellen' oder nationalen Herkunft. In diesem Spannungsverhältnis ist nun unser Begriff vom ,kulturellen Lernen' angesiedelt. Von ,kulturellem Lernen' soll also dann die Rede sein, wenn Individuen in der und durch die Auseinandersetzung mit ,Texten' (in einem sehr weiten Sinn von Kommunikationsangeboten aller Art) über die ihnen verfügbaren Deutungsmuster reflektieren und diese so anpassen, umstrukturieren, verändern oder weiterentwickeln, dass sie den kulturellen Deutungsmustern, von denen die Texte Gebrauch machen, weit gehend entsprechen, sie diesen Texten einen kulturell angemessenen Sinn zuschreiben und dazu angemessen (kritisch oder affirmativ) Stellung nehmen können. Der hier entwickelte Begriff des ,kulturellen Lernens' im Sinne einer verstehenden und lernenden Auseinandersetzung mit Diskursen und den in ihnen sozusagen ,enthaltenen' kulturellen Deutungsmustern bedarf noch weiterer Konkretisierung und didaktischmethodischer Umsetzung. Insbesondere muss die Frage beantwortet werden, um welche Diskurse und kulturellen Deutungsmuster es dabei geht und wie die konkrete Themenplanung eines an der skizzierten Zielsetzung orientierten kulturwissenschaftlichen Landeskundeunterrichts aussehen kann. Ausgangspunkt soll dabei das Konzept der „universellen Daseinserfahrungen" sein, das Gerhard Neuner schon in den 80er Jahren für die Curriculumplanung für den Deutschunterricht in zielsprachenfernen Ländern entwickelt hat und das die „interkulturelle Themenplanung" des Fremdsprachenunterrichts auf universale Sozialisations- und Enkulturationserfahrungen aufbaut, wie sie alle Menschen in irgendeiner Form machen und bei denen daher davon ausgegangen werden könne, "daß beim Lernenden Grundstrukturen von Erfahrungen vorhanden sind, die die Grundlage des interkulturellen Vergleichs bilden" (NEUNER 1989: 360 f). Auf der Basis entsprechender ,kulturthematischer' Forschungen in der Ethnologie hat Neuner eine Liste mit solchen „universellen Daseinserfahrungen" entwickelt, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit zunächst 17 solche Themen vorschlägt. Die Liste reicht von grundlegenden Existenzerfahrungen wie Geburt und Tod über Identitäten und Partnerbeziehungen bis hin zu Norm- und Wertorientierungen oder geistig-seelischen Dimensionen der lFLuL 35 (2006) 56 Claus Altmayer menschlichen Existenz (vgl. ebd.: 361 f). So problematisch sicherlich der auch bei Neuner vorherrschende Bezug auf den ,interkulturellen Vergleich' auch sein mag, so interessant ist doch der grundlegende Ansatz bei solchen universalen Erfahrungen. Allerdings scheint mir die Liste noch zu unsystematisch, zu unübersichtlich und zu heterogen. Ich schlage daher in Anknüpfung an TESKE (2002) ein einfacheres Modell vor, das von den vier übergeordneten Kategorien ,Raum', ,Zeit', ,Identität' und ,Wertorientierungen' ausgeht und diesen wiederum spezifischere Themen zuordnet. So lassen sich der Kategorie ,Identität' die Themen ,nationale Identität', ,soziale Identität', ,regionale Identität' oder auc.h ,Geschlechteridentität' zuordnen; zum Thema ,Raum' gehören u.a. Themen wie ,Grenzen', ,Norden - Süden - Westen - Osten', ,Regionen', ,Reisen' oder auch länderbezogene Stereotype; zum Thema ,Zeit' gehören ,Zukunft', ,Vergangenheit', ,Feste', ,Arbeit und Freizeit', ,Jahreszeiten', ,Tradition' und ,Modernität', zum Thema ,Werte' gehören Themen wie ,Glück', ,Freiheit', ,Gerechtigkeit', ,Zivilcourage', ,Menschemechte', aber auch eher negative Werte wie ,Kriminalität' oder ,Müll'. Es handelt sich, wie bei Neuner, auch um eine offene, aber eine klarer strukturierte Liste, bei der die Einzelthemen, wie man sieht, durchaus das klassische Repertoire der Landeskunde teilweise mit abdecken, aber auch erkennbar darüber hinaus gehen. Wichtig ist vor allem, dass mit den Themen nicht irgendwelches Faktenwissen oder die Ansammlung statistischer Daten gemeint ist, dass es auch nicht vorrangig um einen ,interkulturellen Vergleich' geht, sondern um Diskurse, und dass es dem Landeskundeunterricht darum gehen muss, die Lernenden zum Verstehen der und zur Partizipation an den Diskursen zu befähigen, indem sie sie zur Auseinandersetzung mit den in den Diskursen gebrauchten, reflektierten oder diskutierten kulturellen Deutungsmuster amegt. 5. Ausblick: Zur Notwendigkeit kulturwissenschaftlicher Forschung Das hier skizzierte Konzept einer kulturwissenschaftlich transformierten Landeskunde versteht sich als eine Weiterentwicklung des bislang dominierenden ,interkulturellen' Ansatzes, der einige Schwachstellen dieses Ansatzes korrigiert und ein zeitgemäßes, den Bedingungen der sich zunehmend globalisierenden Welt besser angepasstes Konzept von ,Kultur' und ,kulturellem Lernen' einführt. Dieses geht davon aus, dass Lerner nicht primär Repräsentanten ,ihrer Kultur' im Sinne ihrer nationalen Herkunft, sondern zunächst einmal Individuen sind, denen ein bestimmtes Repertoire an ,kulturellen Deutungsmustern' zur Verfügung steht, aus dem sie sich für die Herstellung ihrer Wirklichkeit bedienen. Die Aufgabe der Landeskunde besteht dann insbesondere darin, bei Lernern des Deutschen als Fremdsprache (bzw. anderer Fremdsprachen) durch die (verstehende bzw. verstehen wollende) Auseinandersetzung mit deutschsprachigen Diskursen Prozesse des ,kulturellen Lernens' in Gang zu setzen, d.h. Prozesse der Bewusstmachung, Reflexion, Überprüfung und ggf. auch der Korrektur, Weiterentwicklung und Umstrukturierung der ihnen vertrauten Muster oder deren Ersetzen durch andere. Es dürfte deutlich geworden sein, dass eine solche kulturwissenschaftlich transfor- FLlllL 35 (2006) ,Kulturelle Deutungsmuster' als Lerngegenstand .... 57 mierte Landeskunde bisher noch auf recht wackligen Beinen steht, weil sie von Begriffen wie ,kulturelle Deutungsmuster' und ,kulturelles Lernen' Gebrauch macht, die bisher noch einer etwas breiteren inhaltlichen Konkretisierung und empirischen Fundierung bedürfen. Und hier führt die Argumentation nun wieder zum Ausgangspunkt zurück: Eine Landeskunde, die den Herausforderungen der globalisierten Welt gerecht werden will, wie sie hier andeutungsweise beschrieben worden sind, bedarf der Unterstützung durch die Wissenschaft. Die Landeskunde muss sich weniger aus institutionellen denn aus sachlichen und inhaltlichen Gründen zu einem eigenen kulturwissenschaftlichen Forschungsbereich innerhalb der Fremdsprachenwissenschaften weiterentwickeln. Dabei stellen sich einer solchen kulturwissenschaftlichen Forschung aus meiner Sicht drei vorrangige Aufgaben: (1) Theoriebildung: Wie oben in der Auseinandersetzung mit den ,interkulturellen' Konzepten der Landeskunde gesehen, bestehen im Bereich der landeskundlich-kulturwissenschaftlichen Theoriebildung und Begrifflichkeit innerhalb der Fremdsprachenwissenschaften nach wie vor erhebliche Defizite. Dies betrifft inhaltliche Konzepte wie ,Kultur', ,(inter)kulturelles Lernen' u.ä. ebenso wie eher übergeordnete und wissenschaftstheoretische und methodologische Fragestellungen. Der Forschungsbereich ,Kulturwissenschaft' hat daher nicht zuletzt die Aufgabe, die kulturbezogene Theoriediskussion und Theoriebildung anzuregen und voranzutreiben. (2) Kulturanalyse: Wenn man, wie oben angedeutet, ,Kultur' vor allem als Inbegriff der ,kulturellen Deutungsmuster' begreift, die wir in deutschsprachigen Texten und Diskursen ,immer schon' als selbstverständlich und allgemein bekannt voraussetzen; wenn man weiterhin davon ausgeht, dass kulturelles Lernen sich in aller Regel in der verstehenden Auseinandersetzung mit, Texten' in der Zielsprache vollzieht, dann hat die Kulturwissenschaft in Deutsch als Fremdsprache es vor allem mit Texten und Diskursen und mit dem in sie eingehenden, als selbstverständlich und allgemein bekannt geltenden kulturellen Hintergrundwissen zu tun, das in text- und diskursanalytischer Forschung rekonstruiert und bewusst gemacht werden muss. Dabei orientiert sie sich an dem Ziel, durch die Sichtbarmachung kultureller Deutungsmuster Deutsch als Fremdsprache- Lernern ein Potenzial an kulturellen Bezügen bereit zu stellen, das diese für ihren individuellen Verstehens- und Sinnbildungsprozess nutzen und mit ihrem eigenen kulturellen Potenzial in eine sinnvolle Verbindung bringen können. Eine solche Kulturanalyse, ausgehend von einer Plakatserie zum Thema ,Einbürgerung', habe ich in meinem Buch Kultur als Hypertext exemplarisch vorgeführt; darauf darf ich daher an dieser Stelle verweisen (vgl. ALTMAYER 2004, Kapitel 5). (3) Empirische Forschung: Als ein an der Praxis des kulturellen Lernens im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht orientierter Forschungsbereich ist die empirische Erforschung dieser Praxis einer der vorrangigen Gegenstände der Kulturwissenschaft; sie leistet daher einen Beitrag zur Konstituierung des Faches als einer Forschungsdisziplin, die es mit der Beschreibung von Lernprozessen mit Hilfe quantitativer und qualitativer empirischer Forschungsmethoden zu tun hat. Hier besteht aus meiner Sicht ein besonderes Forschungsdesiderat, da sich die Landeskunde-Diskussion bislang nahezu ausschließlich auf der Ebene der Didaktik bewegt und auf die empirische Erforschung kultureller lFLuL 35 (2006) 58 Claus Altmayer Lernprozesse bislang weitgehend verzichtet hat. Eine gute Landeskunde-Didaktik wird aber auf Dauer nur zu haben sein, wenn wir über die konkreten Bedingungen und Faktoren, die bei kulturellen Lernprozessen eine Rolle spielen, mehr wissen. 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The students define their own ad hoc culture for the time they commuuicate and use English as their medium of commuuication, but without the backgrouud of an English speaking culture. 1. Einleitung Die veränderte Rolle der englischen Sprache im globalen Kontext, die Funktion des Englischen als internationale Lingua Franca verändert den Fremdsprachenunterricht weltweit langfristig nicht nur auf der Ebene der Sprachnormen (vgl. BURGER 2000, GNUTZMANN/ INTEMANN 2005, JENKINS 2000). Auch der Begriff der interkulturellen Kommunikation wird im Kontext der Globalisierung in Frage gestellt und als Alternative der Begriff der transkulturellen Kommunikation diskutiert. Während sich der Begriff ,transkulturell' in der Fremdsprachendidaktik bislang noch nicht nachhaltig hat etablieren können (vgl. ECKERTH! WENDT 2003: 12), wird er in der medienwissenschaftlich orientierten Kommunikationsforschung im Zusammenhang globaler Prozesse regelmäßig benutzt. So postuliert WINTER (2002: 272), dass globale Konzerne prinzipiell transkulturell agieren. Dennoch entzieht sich der Begriff einer eindeutigen Definition. LöF- FELHOLZ (2002) nähert sich dem Begriff von zwei Seiten. Aus einer interpersonalen Perspektive wird transkulturelle Kommunikation „als ein dialogischer, sich ständig erneuernder dynamischer Prozess unter Berücksichtigung aller individuellen internen Vorgänge und institutionaler Einflüsse der Kommunikationspartner betrachtet" (192). Löffelholz hält diese Betrachtungsweise jedoch für ungeeignet, um damit neben individueller Kommunikation auch massenmediale globale Kommunikation zu beschreiben. In dieser zweiten Sichtweise wird Kultur nicht als fest stehendes Element begriffen, sondern kann „als sozialer Standardisierungsprozess verstanden werden, der kommunikativ hergestellt wird" (195). Dementsprechend bedeutet transkulturelle Kommunikation nicht Korrespondenzadresse: Dr. Frauke INTEMANN, MA, Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-mail: f.intemann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englisch als Lingua Franca, Medien des Fremdsprachenunterrichts, E-Learning. lFLulL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 61 "Transport kultureller Werte", sondern Kommunikation wird als „Prozess zur Konstruktion von Kultur" (194) begriffen. Dieser Kulturbegriff geht also nicht von einer etablierten, festen Kultur aus, sondern begreift Kultur als dynamisches, in gewisser Weise instabiles System, denn eine Kultur, die konstruiert werden kann, kann immer auch dekonstruiert werden. Kultur ist ein gemeinsam etabliertes Konstrukt und somit auch ein Produkt von Kommunikation (191). Auch THURLOW (2003) sieht die Flüchtigkeit und Dynamik als zentrale Punkte an: "I still prefer the sense transcultural creates of moving through and across cultural systems, in whatever way they may be constituted or conceived. lt allows better, I think, for the fluidity of these systems, their porous boundaries and constantly reorienting expressions [... ]"[Auszeichnung im Original]. Löffelholz stellt transkulturelle Kommunikation nicht in ein hierarchisches Verhältnis zu interkultureller Kommunikation, es ist keine Weiterentwicklung, sondern hat eine andere Perspektive, nämlich die der Kommunikation im globalen Kontext. Diese Sichtweise steht im Gegensatz zu dem Ansatz, Transkulturalität als Erweiterung von Interkulturalität zu begreifen. MATOBA (2000: 69) betrachtet transkulturelle Kompetenz als die Fähigkeit, sich von kulturellen Beschränkungen zu befreien: "Über eine solche Dialog- Kompetenz, die frei von kulturspezifischen Beschränkungen ist, können sich Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft in der Kommunikation als natürlich miteinander verbunden fühlen, die dann die Stufe transkultureller Kommunikation erreicht." Der Wegfall von Kulturspezifika ist nach dieser Aussage ein zentraler Punkt der transkulturellen Kommunikation, in der Kultur reduziert, nicht etabliert wird. Diese Idee des Wegfalls ,kulturspezifischer Beschränkungen' ist jedoch höchst fragwürdig, da sich niemand vom eigenen kulturellen Hintergrund trennen kann (vgl. BREDELLA 2002: 129) und es sehr schwer zu erkennen sein dürfte, was in der Kommunikation mit welchem Partner tatsächlich eine Beschränkung darstellt. Auch DE FLORIO-HANSEN (2000: 232) sieht das transkulturelle Lernen als „eine Steigerung interkulturellen Lernens, das auf das reziproke Miteinander von Angehörigen unterschiedlicher Kultur- und Kommunikationsgemeinschaften gerichtet ist". Wenn es sich tatsächlich um eine Steigerung handeln würde, dann müsste interkulturelles Lernen eine Voraussetzung sein. "Interkultureller Fremdsprachenunterricht wird möglichst viele kulturelle Unterschiede ins Bewusstsein heben und die Sensibilität der Schüler für solche Unterschiede schärfen" (BREDELLA 2002: 130). Ein Beispiel für die Betonung solcher Unterschiede berichtet W OODMAN (2003: 52): "The <langer of culture-specific generalisations became clear to me as I dutifully told my language class in Munich not to run around shaking hands at the Rover plant. The British had been carefully primed in their German classes to shake hands with their visitors: the result was confusion on all sides [... ]".Die Betonung von Differenzen alleine kann also nicht genügen, und erfolgreiche interkulturelle Kommunikation kann auch nicht bedeuten, die eigene Kultur gegen eine andere Kultur auszutauschen, sondern sich der eigenen Kultur und der Unterschiede zur anderen Kultur bewusst zu sein und Strategien zu entwickeln, Differenzen gemeinsam zu überwinden. Wenn jedoch tatsächlich viele unterschiedliche Kulturen beteiligt sind, fällt es schwer, Differenzen zu definieren, was die Voraussetzung wäre, um sie ins Bewusstsein zu heben. Dennoch soll nicht in Abrede gestellt werden, dass das grundsätzliche lFLulL 35 (2006) 62 Frauke Intemann Bewusstsein um die Existenz von Differenzen unabdingbar ist. FLECHSIG (2000) verdeutlicht den Unterschied der beiden Konzepte: Interkultutalität betont zumeist den Aspekt der Differenzen und stellt das Bemühen um das Verstehen ,des Fremden' und ,des Anderen' in den Mittelpunkt. Transkulturalität betont den Aspekt des Gemeinsamen und sucht nach Anschlußmöglichkeiten ,im Eigenen', welche Grundlagen für transkulturelle Entwicklungsmöglichkeiten bilden können. [Auszeichnung im Original] Dieser Unterschied ist von besonderer Bedeutung, weil dadurch der Schritt von der Rezeption (des Anderen) hin zur Konstruktion (des Gemeinsamen) gemacht wird. Transkulturelle Kommunikation ist also ein aktiver, zielgerichteter Prozess, in dem ausgehend von dem eigenen Hintergrund eine darüber liegende Gemeinsamkeit entwickelt wird. In seiner Definition von interkultureller Kommunikation schließt MüLLER-JACQUIER (2004: 296) Lingua-Franca-Situationen mit ein, wobei ELF als kulturneutral begriffen wird. Situationen entstehen ad hoc, alle Beteiligten profitieren von den Hintergrundkulturen der anderen Gesprächspartner. In der folgenden Datenanalyse wird zu zeigen sein, dass es eine weitere, flüchtigere Form der ad hoc-Kultur gibt, in der die Hintergrundkulturen der Beteiligten kaum oder gar nicht relevant sind. Im Gegensatz zu Müller-Jacquier vertritt DEFLORIO-HANSEN (2000: 232) die Auffassung, dass Lingua-Franca-Situationen explizit nicht interkulturell, sondern transkulturell sind: Wenn Schülerinnen und Schüler aus Deutschland sich mit gleichaltrigen Zielsprachensprechern per E-Mail über ihren schulischen Alltag austauschen, fmdet interkulturelles Lernen statt. Wenn Fremdsprachenlernende aus unterschiedlichen Kulturen in einem E-Mail-Projekt eine gemeinsame Charta für einen motivierenden und effektiveren Fremdsprachenunterricht ausarbeiten, kann man von transkulturellem Lernen sprechen. Während in muttersprachlich geprägter Kommunikation die Beziehung zwischen Sprache l! lld Kultur als eine relativ enge und wechselseitige verstanden wird, gilt dies nicht für die Verwendung von Englisch als Lingua Franca. In ELF-Situationen wird die Sprache von Nicht-Muttersprachlern des Englischen in einem kulturneutralen Rahmen verwendet. Die Lingua Franca bildet die Brücke zwischen den beteiligten Kulturen, die jeweils mit einer anderen Sprache assoziiert sind. Während bei der interkulturellen Kommunikation das Wissen über eine Zielkultur relevant ist, ist bei der transkulturellen Kommunikation die Kenntnis der englischen Sprache als Lingua Franca sowie das Bewusstsein um die eigene Kultur und die mit dieser Kultur verbundenen Stereotypen als Basis für die Konstruktion eines Gemeinsamen relevant. Die Anzahl der Menschen, die Englisch sprechen unabhängig vom Kompetenzniveau und der Frage, ob es Erst-, Zweit- oder Fremdsprache ist wird immer größer. Daher ist auch die Zahl der möglichen Kombinationen kultureller Hintergründe von Sprechern in ELF-Situationen nahezu unbegrenzt. MODIANO (2005: 30) hält einen interkulturellen Ansatz daher nicht mehr für ausreichend: The multicultural dimension of social life is regarded as the norm in human interaction when foreign languages are taught from the lingua franca perspective. With transculturalism, moreover, there is the global dimension. Here it is possible to center the leaming of a language on a broad lFLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... range ofNNS to NNS interaction functions. Thus, the cultural context for language learning is the site in which a myriad of actors representing various languages and cultures, as well as different levels of competence and comprehensive ability, come together in any number of constellations. 63 Die Idee der transkulturellen Kommunikation in diesem Sinn geht also davon aus, dass die möglichen Kombinationen kultureller Hintergründe der an Kommunikation beteiligten Personen nicht vorhersehbar sind. Während der Kommunikation entsteht eine ad hoc-Kultur, die sich zusammensetzt aus den kulturellen Hintergründen der Kommunikationspartner und aus der ent-kulturalisierten Lingua Franca: "English speakers who work for international organizations, do business or interact with colleagues from other countries [... ] often use simplified English and avoid idioms, word play and cultural allusions everything that makes a language culturally distinctive and unique" (LEONTOVICH 2005: 530). In einer gewissen Weise entscheidet sich ein Sprecher zwar für eine Varietät des Englischen, zum Beispiel im Bereich der Lexis, dies ist jedoch nicht zugleich auch eine Aussage über eine kulturelle Identität. Lingua-Franca-Kommunikation in ad hoc-Situationen wird hier somit nicht als ein Sonderfall der interkulturellen Kommunikation betrachtet, sondern als transkulturelle Kommunikation, die sich zunächst durch Flüchtigkeit, Instabilität und Unvorhersehbarkeit auszeichnet, die aber dann das Ziel verfolgt, eine Gemeinsamkeit zu entwickeln, nicht Differenzen zu pflegen. Für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern bedeutet dies eine Erweiterung der zu erwerbenden Kompetenzen. Zur Verbesserung der Sprachkompetenz und um die Zielsprachenkultur kennen zu lernen, verbringen zukünftige Englischlehrer teils freiwillig, teils aufgrund entsprechender Prüfungsordnungen einige Zeit im englischsprachigen Ausland. Universitäten können zudem Studierende in eine Lingua-Franca-Situation versetzen; dazu bietet das Internet viele Möglichkeiten. Im Bereich der asynchronen Kommunikation bieten sich E-Mail- oder Weblog-basierte Projekte an, ebenso der Austausch über Foren und Gästebücher. In der synchronen Kommunikation sind besonders Chat-basierte Systeme wie der Internet Relay Chat (IRC) oder Multi User Dungeons (MUDs) zu nennen. Zu synchronen und asynchronen textbasierten Kommunikationsprojekten zwischen Studierenden einer Fremdsprache und Muttersprachlern dieser Sprache gibt es einige neuere Studien, die teilweise einen besonderen Fokus auf Probleme interkultureller Kommunikation legen (vgl. O'DOWD 2003, TRAXEL 2005, WARE 2005, W ARE! KRAMSCH 2005). Zur synchronen mündlichen Kommunikation gibt es jedoch bislang kaum Publikationen (vgl. aber JEPSON 2005). Ziel des hier vorgestellten Projekts ist hauptsächlich, in kleinem Rahmen die vergleichsweise junge Technologie des Voice-over-IP (Internet Protocoll), kurz VoIP, hinsichtlich der Verwendbarkeit für Projekte zur Lingua-Franca-Kommunikation zu testen. VoIP ermöglicht mündliche Kommunikation über das Internet. Es soll untersucht werden, ob die Teilnehmerinnen trotz des fehlenden Blickkontakts mit den Gesprächspartnern übliche Merkmale der (transkulturellen) Lingua-Franca-Kommunikation zeigen, ob es Besonderheiten gibt und welche Umgebungsparameter für erfolgreiche Projekte zu beachten sind. JFLuL 35 (2006) 64 Frauke Intemann 2. Voice over IP VoIP steht für die Übertragung von Sprachdaten über das Internet, die ,Internet-Telefonie'. Dabei werden die analogen Sprachdaten digitalisiert, komprimiert und in kleine Pakete zerlegt, die dann, wie auch alle anderen Daten (z.B. Texte, Bilder, Animationen, Filme), über das Internet an den Empfänger gesendet werden. Der Empfänger dekodiert die Daten und transformiert sie wieder in ein analoges Signal. Die Technologie ist seit 1995 bekannt1, hat sich aber für den privaten Markt erst mit der zunehmenden Verbreitung von Breitbandanschlüssen (DSL) und der Entwicklung kostenloser VoIP-Software erschlossen. Für kommerzielle Anwender ist diese Technologie mittlerweile ein verbreiteter Standard. VoIP ist in der Weh von heute allgegenwärtig, auch wenn die meisten Benutzer dies nicht wissen. Große Firmen verlagern ihre Call Center in Länder mit niedrigerem Einkommensniveau und leiten die Anrufe mittels so genannter Gateways über das Internet zu ihren Servicemitarbeitern im Ausland. So betreibt die Deutsche Lufthansa einen eigenes VoIP-Netz, an dem auch die Lufthansa Call Center in Irland, Australien oder Südafrika angeschlossen sind. Ein deutscher Kunde kann so eine deutsche Service-Nummer anrufen und wird unbemerkt per VoIP mit dem nächsten verfügbaren deutschsprachigen Mitarbeiter verbunden, egal auf welchem Kontinent dieser arbeitet. Die firmeninterne Kommunikation in vielen Konzernen wurde oder wird auf VoIP umgestellt, um die Trennung von Telefon- und Datennetz aufzuheben und somit nur noch ein, kostengünstigeres Kommunikationsnetz betreiben zu müssen. Bei VoIP entstehen je nach Nutzung unterschiedliche Kosten. Grundsätzlich gibt es die Kosten für die gesamte Netzwerk-Infrastruktur und den Internetanschluss. In Universitäten werden letztere nicht auf den einzelnen Benutzer umgelegt, die Universität zahlt pauschal das Nutzungsentgelt an den Betreiber des Deutschen Forschungsnetzes, den DFN-Verein. Diese Kosten richten sich nicht nach der Datenmenge, sondern nach der Bandbreite des Anschlusses und liegen bei bis zu 752.500 € im Jahr. Privatpersonen zahlen die Anschlussgebühren ihres Providers. VoIP-Gespräche von Computer zu Computer sind kostenlos, darüber hinaus bieten verschiedene Anbieter Gespräche in das Mobilfunk- oder Festnetz zu unterschiedlichen Tarifen. Für das Telefonieren von Computer zu Computer benötigt man zudem ein entsprechendes Programm. Neben dem Markführer Skype gibt es zum Beispiel Paltalk, Freenet iPhone, Google Talk, MS Messenger, ICQ Phone oder AOL Instant Messenger. Leider sind die Systeme untereinander nur begrenzt kompatibel; Skype ist aufgrund einer anderen Basis-Technologie mit keinem anderen Programm kompatibel. Daher müssen beim Telefonieren über diese Software-Lösung alle Beteiligten Skype installiert haben. Neben der Software benötigen alle Beteiligten einen Kopfhörer und ein Mikrofon. Eine Sprachausgabe über Lautsprecher ist nicht empfehlenswert, da dadurch ein Echo entsteht. http: / / www.voipreview.org/ news.details.aspx? nid=5 l, 10.2.06 http: / / www.dfu.de/ content/ de/ dienstleistungen/ dfuintemet/ entgelt-dfnintemet/ , 10.2.06 FLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 65 Der derzeitige Marktführer für Privatanwender von VoIP ist die in Luxemburg ansässige Firma Skype Limited, seit September 2005 ein Unternehmen der Ebay-Gruppe. Für das Telefonieren von Computer zu Computer stellt diese Firma das Programm Skype seit 2003 kostenlos zur Verfügung. Nach eigenen Angaben hatte Skype im September 2005 54 Mio. Benutzer, im Januar 2006 wird die Zahl mit 74 Mio. angegeben. 4 Aufgrund dieses rapiden Wachstums wird Skype als disruptive Technologie angesehen, die das Potential hat, den traditionellen Telefonmarkt erheblich zu verändern (vgl. GODWIN- JONES 2005: 9). Für die vorliegende Untersuchung sind drei Funktionen dieses Programms von besonderer Bedeutung: Telefonie Sofortnachricht Konferenz Um zu telefonieren, müssen die Gesprächspartner registrierte Skype-Benutzer sein oder Zugang zu einem anderen Benutzerkonto haben. Dem Anrufer muss, ähnlich der Telefonnummer beim traditionellen Telefonieren, der Skype-Benutzername des gewünschten Gesprächspartners bekannt sein. Ist dieser unbekannt, kann er über eine Suchfunktion (Name oder E-Mail-Adresse) ermittelt werden. Benutzernamen können in der Kontaktliste gespeichert werden. Wenn der betreffende Benutzer es erlaubt, wird in der Kontaktliste auch angezeigt, ob die Person zur Zeit online ist. Ist der Gesprächspartner in die Kontaktliste aufgenommen, kann ein Anruf durch einen Doppelklick gestartet werden, andernfalls wird der Benutzername in das Wählfeld eingegeben. Mit der Funktion Sofortnachricht können schriftliche Kurznachrichten an einen Benutzer gesendet werden; dies kann auch parallel zum Telefonat geschehen, zum Beispiel um sich die Adressen von Internet-Seiten zuzusenden, die man gemeinsam ansehen will. Mit der Konferenz-Funktion kann ein Benutzer bis zu vier andere Benutzer zu einem gemeinsamen Gespräch einladen. Zudem können über Skype Dateien versandt werden; diese Funktion ist hier jedoch weniger bedeutend. Die Sprachqualität ist besser als die eines normalenTelefonats, da es keineBeschränkung des Frequenzspektrums gibt. Laut Herstellerangaben ist ein einfacher Modem-Anschluss für ein Telefonat ausreichend, dies ist jedoch nicht zu empfohlen, da es b.ei geringen Übertragungsraten häufig zu Störungen in der Datenübertragung kommt. Sinnvoll ist ein DSL-Anschluss oder der Zugang über ein Netzwerk, so wie Universitäten es bieten. 3 4 http: / / www.skype.com/ company/ news/ 2005/ skype_ebay.html, 10.2.06 http: / / www.skype.com/ company/ news/ 2006/ skype_wmg.html, 10.2.06 lFLuL 35 (2006) 66 Frauke Intemann 3. Das VoIP-Projekt Zu Beginn des Projekts war geplant, ca. 10 Studierende der TU Braunschweig mit Studierenden der Universität Lleida, Spanien, telefonisch konferieren zu lassen. Leider haben sich nicht genug Freiwillige gefunden, die bereit waren, für 15-30 Minuten an dem Versuch teilzunehmen. Neben dem Mangel an Freiwilligen kamen andere Faktoren hinzu. Im Computerraum der Universität Lleida sollte Skype nicht installiert werden. Obwohl Skype laut Herstellerangaben eine sichere Datenübertragung gewährleistet, bedeutet ein Programm, dass Daten aus dem Internet empfangen darf, immer ein potenzielles Risiko für unerwünschte Zugriffe auf den Computer. Daher verbieten viele Rechenzentren und Betreiber von Firmennetzwerken die Nutzung von Skype prophylaktisch, auch wenn zur Zeit kein konkreter Verdachtsfall bekannt ist. Die Teilnehmerinnen in Lleida mussten somit am Computer eines spanischen Kollegen arbeiten. Da die Versuche nicht im Rahmen eines Seminars stattfanden, mussten immer zwei Studierende zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehen; in einem Fall wurde ein Termin von einer Teilnehmerin sehr kurzfristig abgesagt, so dass am Ende nur drei Gespräche zustande kamen. Die Datenaufzeichnung stellte sich als das nächste Problem heraus. Wenn die Sprachdaten zur weiteren Analyse aufgezeichnet werden sollen, ist eventuell ein komplexerer Versuchsaufbau notwendig. Skype hat keine Möglichkeit integriert, Gespräche direkt aufzuzeichnen, daher muss eine andere Lösung gefunden werden. Eine einfache Aufnahme-Software auf dem Computer eines der Gesprächspartner ist nicht ausreichend, da diese nur einen Kanal aufnehmen kann, aber nicht zeitgleich das Mikrofon und die ankommenden Audiosignale. Um dieses Problem zu umgehen, gibt es verschiedene Softwarelösungen. Die einfachste Lösung ist das Plug-In ,Pamela' für Skype, dies ist seit Ende 2005 erhältlich, leider aber nicht kostenlos und nur für Windows 2000 oder XP erhältlich und daher für die hier vorgestellte Untersuchung nicht verwendbar. Eine zweite Software-Lösung ist ein zwischengeschaltetes Programm, das die Audiokanäle (Eingang und Mikrofon) mischt, bevor sie aufgenommen werden. Programme zur Kanalmischung sind ebenfalls nicht als Freeware erhältlich. Als das größte Problem bei all diesen Lösungen hat sich jedoch die mangelnde Stabilität der Systeme herausgestellt. Auf verschiedenen Computern mit unterschiedlichen Windows-Betriebssystemen (98, ME, XP) kam es bei allen Software-basierten Lösungen immer wieder zu Fehlfunktionen der Audio- Software oder von Skype, oder das Betriebssystem meldete schwere Ausnahmefehler (,Absturz'). Die speziell für die Aufnahme von VoIP-Gesprächen entwickelte Software ,Rotrecorder' benötigt Windows XP und hat sich zudem als nicht stabil herausgestellt. Um maximale Sicherheit für die Aufnahme zu gewährleisten, wird eine technisch einfache Lösung verwendet, die jedoch mehrere Computer benötigt. JFLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 67 10---1 ◄ - ► 101 ~ Abbildung 1: Aufnahme von Skype-Gesprächen An Computer 1 wird eine Skype-Konferenz gestartet, zu der die beiden Gesprächspartner an den Computern 2 und 3 eingeladen werden. Der Audio-Ausgang an Computer 1, der nun die Audiodaten der beiden Gesprächspartner empfängt, wird mit einem Eingang (Mikrofon oder Line-ln) an Computer 4 verbunden, auf dem die Aufnahme stattfindet. Zur Aufnahme wurde das Freeware-Programm Audacity (http: / / www.audacity.de) verwendet. Dieses Programm bietet die Option, Audio-Dateien im MP3-Format abzuspeichern, so dass pro Minute Gesprächszeit im Durchschnitt nicht mehr als 1 MB Daten entstehen. Das Programm hat sich als sehr stabil herausgestellt, so dass 30-minütige Gespräche durchgehend aufgezeichnet werden können. Die beteiligten Versuchspersonen sind auf der einen Seite Studentinnen der Technischen Universität Braunschweig. Sie sind alle deutscher Herkunft und studieren Englisch mit dem Ziel Lehramt. Die Gesprächspartner in Spanien studieren an den Universität Lleida und sind in einem Fall spanischer und in zwei Fällen rumänischer Herkunft. Eine rumänische Studentin studiert : für ein Jahr im Rahmen eines Erasmus-Austauschs in Spanien, die beiden anderen Studentinnen sind Promotionsstudentinnen. Fünf Teilnehmerinnen sind Anglistinnen und sprechen fließend Englisch. Die sechste Teilnehmerin hat Spanisch und Französisch studiert, verfügt aber ebenfalls über eine genügende Kommunikationsfähigkeit im Englischen, auch wenn sie auf allen Sprachebenen Defizite im Vergleich zu den anderen Teilnehmerinnen zeigt. Zu einem zuvor per E-Mail verabredeten Zeitpunkt starten die Gesprächspartner das VoIP-Programm und werden dann von der Versuchsleiterin zu einer Skype-Konferenz eingeladen. Sobald die Konferenz etabliert ist, begrüßt die Versuchsleiterin die zwei Teilnehmerinnen, stellt sich kurz vor und erklärt, dass beide nun eine gemeinsame Aufgabe bekommen, : für deren Bearbeitung 15 Minuten Zeit zur Ver: fügung steht. Die Aufgabe wird über Skype als Textnachricht an beide Teilnehmerinnen gesendet. Die Studentinnen wissen allerdings nicht, dass ihre Aufgabe nicht lösbar ist: "Find out how many non-native English speaking teachers ofEnglish there are world-wide! Provide a number as exact as possible". Durch den Zusatz wird den Teilnehmern suggeriert, dass es möglich sein muss, eine genaue Zahl herauszufinden. Zum Bearbeiten der Aufgabe kann ein Web-Browser benutzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Text- FLulL 35 (2006) 68 Frauke Intemann Nachrichten zwischen den Teilnehmerinnen über Skype zu versenden. Dadurch, dass die Aufgabe nicht lösbar ist, werden zwei mögliche Reaktionen erwartet: A) die Unlösbarkeit der Aufgabe wird erkannt und die Bearbeitung der Aufgabe verweigert. B) Es wird der Versuch unternommen, die Aufgabe zu lösen. Durch den suggestiven Zusatz "a number as exact as possible" soll erreicht werden, dass die Teilnehmer möglichst lange daran festhalten, eine Lösung zu finden. Durch die Zeitbegrenzung entsteht Stress; dieser wird zusätzlich dadurch erhöht, dass die verbleibende Zeit drei Minuten vor Ende durch die Versuchsleiterin per Text-Nachricht gemeldet wird. Den Teilnehmern eine unlösbare Aufgabe zu stellen ist nur für ein experimentelles Setting nötig, für ein richtiges Projekt wäre es unsinnig, doch nur so kann sichergestellt werden, dass die Paare 15 Minuten lang intensiv an einem Thema arbeiten und dieses Thema auch nicht verlassen, sondern immer wieder neue Strategien zur Problemlösung verhandeln müssen, Durch die Nutzung eines VoIP-Programms kann es aus technischen Gründen zu verzögerten Reaktionen kommen. Da Datenpakete im Internet sich ihren Weg zur Zieladresse selbständig suchen, kann es sein, dass ein später abgeschicktes Paket früher ankommt. Dieses Paket wird dann in einem Puffer gespeichert, bis die richtige Reihenfolge wieder hergestellt ist, daher kann es zu nicht intendierten Pausen kommen. Üblicherweise sind die Verzögerungen minimal, bei überlasteten Datenleitungen kann aber eine deutliche Störung auftreten. In einem solchen Fall können auch Datenpakete verloren gehen, es kommt zu ,abgehackter' Sprache. Weitere Störungen können entstehen, wenn im Hintergrund laufende Programme wie Virenscanner ein automatisches Update ausführen und somit Rechner- und Leitungskapazität beanspruchen. Wenn die Störung massiv sein sollte, muss eine erneute Kommunikationsaufuahme verhandelt werden. 4. Datenanalyse Die drei Gesprächspaarungen zeichnen sich durch ihre unterschiedlichen kulturellen Hintergründe aus, es handelt sich um Personen aus Südeuropa, Südosteuropa und Mittel~ europa. Paar 1: K, Rumänin und MI, Deutsche Paar 2: M2, Spanierin und A, Deutsche Paar 3: M3, Rumänin und S, Deutsche Die kulturelle Differenz der beteiligen Personen scheint zunächst deutlich, auch wenn es sich um den gemeinsamen Kulturraum Europa handelt. Diese Differenz wurde jedoch von den Beteiligten nicht thematisiert. Die Teilnehmerinnen haben sich nur sehr allgemein gegenseitig vorgestellt und sich sofort an die Bearbeitung der Aufgabe gemacht. Beispiel 1: K: Y ou are a student? Ml+T: @ 5 Ml: Yeahlam K: Metoo 5 Das Symbol'@' steht für Lachen, Konvention übernommen von Vienna-Oxford International Corpus of English, http: / / www.univie.ac.at/ voice/ documentsNOICE_mark-up: _conventions.: ...v2-0.pdf, 6.5.06. lFLuL 35 (2006) VolP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 69 Mit einer kurzen Frage und einer kurzen Antwort haben sich die Gesprächspartnerinnen schnell eine Gemeinsamkeit geschaffen: Sie sind beide dem Kulturraum Universität zuzuordnen. Darüber hinaus verständigen sich beide nicht mehr über ihre Identität und konzentrieren sich voll auf die ihnen gestellte Aufgabe. Zu einer persönlicheren Vorstellung kommt es erst nach Ende der 15 Minuten Bearbeitungszeit und nach Aufforderung durch die Versuchsleiterin. Im Fall der Paarung K/ Ml erfährt die deutsche Studentin Ml erst im Nachgespräch, dass ihre Gesprächspartnerin K rumänischer Herkunft ist: Beispiel 2: K: Well, my name is K[ ... ] I'm 20 years old, I'm Romanian, K: and I'm studying with this Erasmus scholarship here in Lleida, Spain MI: Ah! So you're not Spanish K: No, I'm not Spanish. MI: Because I was wondering about your accent because it doesn't K: @ MI: really sound Spanish @ K: @ Yes, the truth is that there is a difference between our accent and em the Spanish one Ml: hm K: Although we're Roman we're speaking Roman languages K: It's quite different Ml gibt an, dass ihr der Akzent aufgefallen sei, weil er nicht ihren Erwartungen entsprach, hat dies aber nicht weiter hinterfragt und sich nur auf die gemeinsame Bearbeitung der Aufgabenstellung konzentriert. Die gemeinsame Identität als Studentinnen, die eine Aufgabe zu lösen haben, steht über der kulturellen Differenz. Die starke Ergebnisorientierung (im Gegensatz zu einer stärkeren Prozessorientierung) kann auch als gemeinsames kulturelles Merkmal angesehen werden. Auch im Fall der Paarung M3/ S wird erst im Nachgespräch deutlich, dass es sich bei der einen Partnerin um eine rumänische Studentin handelt, nicht um eine Spanierin, dies wird von der deutschen Studentin jedoch nicht kommentiert. Die rumänische Studentin M3 definiert sich gleich zu Beginn des Gesprächs als weniger kompetente Sprecherin des Englischen: Beispiel 3: M3: Yes I'm looking I'm talking with S[ ... ] right now? S: Yes M3: Is it right? Ok(@) S: Right (@) M3: Well S[ ...] I have to toll you em tel1 you that I'm not so proficient in English so I S: Oh that's alright M3: I will do a Jot ofmistakes so please forgive me@ S: Oh that' s fine don 't worry @ I will make mistakes too M3: Wemaybeginso? S: Sure! In dieser Situation besteht das Etablieren der gemeinsamen Kultur in der Selbst-Definition als zwei non-native speakers (NNS), die potentiell Fehler machen. Die gemeinsame Identität als NNS wird thematisiert und als gemeinsame Ebene definiert, auf der ab nun gearbeitet wird. lFLuL 35 (2006) 70 Frauke Intemann Die Studierenden sitzen vor einem Computer und haben 15 Minuten Zeit, die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen. In der ersten Phase des Gesprächs müssen Konventionen für das turn taking entwickelt werden, dies ist einen normalen Telefongespräch ähnlich. Beispiel 4: 1,49,5 1,50 1,51 1,53 1,54 1,55 1,56 1,57 em By introducing Ok listen @ Sure! Ok I've got a hm hm (zustimmend) Go ahead @ Nach einer ersten Eingewöhnungsphase treten Probleme mit dem turn taking nur noch nach etwas längeren Pausen auf, werden aber immer schnell gelöst; die Sprecherinnen verhalten sich sehr kooperativ. Der Unterschied zu einem Telefonat ist die Bedeutung des visuellen Kanals, der durch die gemeinsame Arbeit am Computer relevant wird. Allen sechs Studentinnen ist der Suchdienst Google bekannt und so wird innerhalb kürzester Zeit verhandelt, dass man über Google sucht. Zwei Paarungen entscheiden sich dafür, zunächst nach dem gleichen Begriff zu suchen, eine Paarung wählt den Weg, unterschiedliche Begriffe zu suchen. Für die zwei Paarungen, die sich für einen gemeinsamen Suchbegriff entscheiden, ist der visuelle Kanal von größerer Bedeutung, da sie versuchen, einen identischen Bildschirminhalt zu erzeugen. Eines der zentralen Merkmale von Lingua-Franca-Kommunikation ist die Aushandlung von Bedeutungen. Im Fall des folgenden Beispiels arbeitet die deutsche Studentin mit der deutschen Google-Oberfläche, die rumänische Studentin arbeitet mit der spanischen Google-Oberfläche. Ziel der Situation ist, dass beide Studentinnen die Funktion ,Erweiterte Suche' nutzen. Beispiel 5: M3: Ah, and ifwe do a an advanced search? S: Ah, what is that? M3: em In Google there is an option S: Yeah M3: You could click on it S: Yeah the broadened search? Like that? M3: hmmm [gleichbleibender Ton] I don't know@ S: @ M3: em language S: Right beside the button search? M3: Yesyes! S: You mean that? Ok M3: Yes. Advanced search S: That's right JFLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 71 Der deutschen Studentin S ist keine englischsprachige Version von Google bekannt, daher kennt sie auch den Begriff 'advanced search' nicht, sie erkennt aber den einzigen ähnlichen Hyperlink, nämlich ,Erweiterte Suche'. Zur Klärung bietet sie ihre Übersetzung 'broadened search' an, mit der M3 nichts anfangen kann. S ändert sofort ihre Strategie und lokalisiert den Hyperlink im Verhältnis zu einem anderen Bildschirmelement. Diese Strategie ist erfolgreich, obwohl die verwendete Lokalisierung genau genommen falsch ist: die ,erweiterte Suche' befindet sich nicht direkt neben der Schaltfläche ,Google-Suche', sondern neben der Eingabeleiste. Beide einigen sich aber sofort trotz der Unschärfe auf die gemeinsame Bedeutung. Die Bedeutung wird dabei nicht versprachlicht, die Studentinnen weisen der Funktion keinen gemeinsamen Begriff zu, aber einen Ort auf dem Bildschirm. Der visuelle Kanal ersetzt somit den sprachlichen. Der Wille, eine gemeinsame Basis zu finden, wird in Beispiel 6 deutlich. Die Studentinnen geben den gleichen Suchbefehl in Google ein, bekommen aber unterschiedliche Ergebnisse angezeigt. Beispiel 6: Ml: Hm Why don't we have the same? @ K: But we are making the same search? Ml: Y eah bec I have number non native English speaking teachers K: Y es @ And I have the same search Ml: That cant be@ K: @ Ml: No K: Ah! Wait a minute Ml: Ok K: Do you have Google dot es? K: Or doogle em Google dot MI: Ahja I have the German Google K: And I have the Ml: So K: Spanish Google M 1: Y eah you know what we do we go to Google dot com K: Yes Ml: And then we try again K: Y es yes yes yes yes Die Studentinnen suchen also explizit die Gemeinsamkeit, sie wollen die Unterschiede aufheben. Sieht man die deutsche und die spanische Version von Google als kulturelle Differenz, so wird in dem Moment, in dem die Differenz erkannt wird, versucht, diese aufzuheben. In der Situation wollen die Studentinnen eigentlich nicht einen identischen Bildschirm haben, sie wollen vielmehr einen Hyperlink gemeinsam ausprobieren, der aber nur in einer der beiden Suchmaschinen angezeigt wird. Anstatt die WWW-Adresse vorzulesen oder sie sich über die Funktion Sofortnachricht zu übermitteln, versuchen sie, eine gemeinsame Ausgangslage zu schaffen. Die Studentinnen hätten sich auch darauf einigen können, beide die deutsche oder die spanische Version von Google zu nutzen. Anstatt dessen einigen sie sich auf die ,neutrale' Seite google.com. Diese Seite wird also lFLuL 35 (2006) 72 Frauke Intemann nicht als spezifisch amerikanisch angesehen, sondern stellt eher einen auch sprachlich -neutralen Raum dar, es ist gewissermaßen die Lingua-Franca-Version von Google. Die Studentin Ml äußert sich im Nachgespräch zu der Situation noch einmal. In dem Moment, in dem sie recht forsch und bestimmend "you know what we do we go to Google dot com" sagte, fühlte sie sich „typisch Deutsch". Hier führt das Bewusstsein um die eigene Kultur und das Wissen um die mit der deutschen Kultur verbundenen Stereotypen zu einer Änderung im Gesprächsverhalten. Die Studentin formuliert Vorschläge ab nun vermehrt in der 1. Person: "hm now I try 'non-native English teachers'? " und benutzt häufiger Fragen. Ein weiteres Merkmal von Lingua-Franca-Kommunikation ist eine große Toleranz für sprachliche UnkorrektheiteR Fehler werden nicht verbessert, sie werden ignoriert, solange sie nicht zuVerständnisschwierigkeiten führen. Selbstkorrekturen wie in Beispiel 7 sind selten. Beispiel 7: M3: Its, forme, I have no date S: @ M3: em I have no data. @@ S: No, nothing? M3: Nothing Das Lachen der Studentin S bezieht sich nicht auf die Aussage 'I have no date', sondern ist als back channel (Hörersignal) zu bewerten. Die Komik der Situation erkennt die Studentin erst, als sie später das Gesprächstranskript liest; in der Situation selbst hat sie die Selbstkorrektur nicht wahrgenommen. Das alle Dialoge dominierende Merkmal ist die Konzentration auf die Aufgabe, die genaue Zahl von nicht-muttersprachlichen Englischlehrern herauszufinden. Die Dominanz der Aufgabe über alles andere wird besonders deutlich an Beispiel 8. Beispiel 8: M2: And on the land left hand side ofthe page A: Yeah? M2: You find some figures and I think it's the third one it says the number ofteachers world wide 780. Would it be the answer? I don't know. Die Studentin M2 denkt nicht darüber nach, ob diese geringe Anzahl sinnvoll ist, ob die Anzahl der nicht-muttersprachlichen Englischlehrer weltweit bei 780 liegen kann. Sie ist absolut fixiert darauf, eine Zahl zu finden. Die Angabe auf der von ihr gefundenen Website entspricht nicht der Logik der Aufgabenstellung, aber der Logik ihrer Suchanfrage. Alle Suchbegriffe kommen. auf der Seite vor, jedoch nicht in der intendierten Kombination. Studentin A hat Zweifel an der Lösung, kommuniziert ihre Zweifel aber nur sehr vorsichtig. Die Situation löst sich auf, als M2 das Thema mit einer neuen Interpretation der Zahl beendet: lFLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... Beispiel 9: M2: 0 no that's students A: Yeah I I I don 't think its M2: Yeah M2: No that's the students that's right A: Yeah 73 M2 bemerkt ihren Denkfehler nicht, da sie sonst nicht im zweiten Versuch vermuten würde, dass sich die Zahl 780 auf Lerner weltweit bezieht. M2 reagiert auf den Zweifel von A, obwohl dieser eher durch Zurückhaltung kommuniziert wird als durch verbalisierte Kritik. Es folgen 30 Sekunden, in denen beide Studentinnen hauptsächlich mit sich selbst reden. Sie murmeln etwas vor sich hin, während sie weiter im Internet suchen, oder sagen 'alright' oder 'ok'. Dies geschieht aber nicht in der Absicht, einen neuen Gesprächsaufbau zu vollziehen, sondern dient nur als auditives Feedback an den Gesprächspartner um mitzuteilen, dass die Verbindung nicht unterbrochen ist. LESNYAK (2004) stellt die Hypothese auf, dass in der Lingua-Franca-Kommunikation non-verbale Anteile eine größere Rolle spielen als in anderen Kommunikationssituationen. Dies kann insofern bestätigt werden, als dass die Verwendung des back channels ,hm' auffällig ist. ,Hm' wird für verschiedene Funktionen genutzt, es ist auch eine auditive Kompensation für non-verbale Kommunikationskanäle. MEIERKORD (1996: 157 f) stellt fest, dass unter den back channels die sogenannten supports (hm, yes, yeah, ok, etc.) am häufigsten auftreten. Für Zustimmung wird in den aufgezeichneten Skype-Gesprächen am häufigsten das duplizierte ,hm hm' mit einem steigenden Ton benutzt. Alternativen dazu sind 'yes', 'yeah', 'ok' oder 'alright'. Das ,hm' wird aber auch zum Ausdruck von Unzufriedenheit benutzt, wenn ein Gesprächspartner mit einem Vorschlag des anderen Gesprächspartners nicht einverstanden ist, dies aber nicht verbalisieren will und lieber wartet, bis der andere Gesprächspartner von selbst den Vorschlag verwirft. Die neutrale Verwendung von ,hm' dient mehreren Zwecken. Häufig wird der support ,hm' benutzt, um dem Partner eine Rückmeldung über die eigene Präsenz zu geben, da kein visueller Kontakt besteht und bei Computern immer die Gefahr besteht, dass ein Programm abstürzt wie es auch hier in einem Fall passiert ist. Die Verteilung auf die Sprecherinnen ist gleichmäßig, es gibt kaum Unterschiede in der Häufigkeit. Beispiel 10: 1 Ml: What will we type in in Google? Just em 2 K: Ahm hm hm [nachdenkend] Wait a minute 3 K: Non-native English speaking teachers 4 Ml: Teachers? 5 Ml: Ok 6 K: hm hm [zustimmend] 7 (Tippen) 8 K: Hm [nicht zufrieden] 9 Ml: Hm [nicht zufrieden] 10 KundMl: @ lFLulL 35 (2006) 74 Frauke Intemann In Beispiel ! 0 werden verschiedene Funktionen des ,hm' deutlich. Zum einen gibt es die pragmatische Funktion für den Ausdruck von Zustimmung (Zeile 6) oder Unzufriedenheit (Zeilen 8 und 9), in Zeile 2 dient es der Überbrückung des fehlenden beziehungsweise anders belegten visuellen Kanals. Eine ähnliche Bedeutung hat auch das Tipp- Geräusch in Zeile 7; es signalisiert, dass die Verbindung nicht unterbrochen wurde. Diese Form der non-verbalen Kommunikation ist aber nicht der Tatsache geschuldet, dass es sich um Lingua-Franca-Kommunikation handelt, sondern wird durch die Situation und die Aufgabenstellung bedingt. 5. Fazit Die Tatsache, dass die beteiligten Studierenden unterschiedlicher kultureller Herkunft sind, hat nur bedingt Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten der Studentinnen. Vielmehr ist die gemeinsame studentische Identität das tragende Element der im Gespräch geschaffenen gemeinsamen Kultur. Ein Merkmal dieser Kultur ist die starke Ergebnisorientierung, die alle Studentinnen zeigen. In den vorliegenden Transkripten wird eine Tendenz im Hinblick auf den Umgang mit den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen deutlich: Einer der zentralen Punkte der interkulturellen Kompetenz, also die Anerkennung der Differenz zwischen der eigenen und der fremden Kultur, spielt auf der sprachlich-kommunikativen Ebene eine weniger bedeutende Rolle. Im Fall der Studentin MI führt die Reflexion des sprachlichen Verhaltens zu einer Änderung mit dem Ziel, weniger ,typisch Deutsch' zu erscheinen. Die Studentinnen versuchen, Differenzen zu beseitigen; im Sinne einer gemeinsamen Lösung wird kooperativ ein transkultureller Ansatz gesucht, zum Beispiel bei der Entscheidung, als gemeinsame Suchmaschine google.com zu benutzen. Die Nationalität und der kulturelle Hintergrund werden ausgeblendet, die gemeinsame Aufgabe und das Finden gemeinsamer Lösungswege dominieren. Dadurch, dass alle Beteiligten die Ebene der eigenen Muttersprache verlassen und sich in die Fremdheit der Lingua Franca begeben, entsteht ein neuer Kulturraum, der durch die Gemeinsamkeiten definiert ist, die im Laufe des Gesprächs etabliert werden. Durch die zeitliche Begrenzung des gemeinsamen Gesprächs auf 15 Minuten und die Fixierung auf die Aufgabe wird der Blick auf den Gesprächspartner als Vertreter einer fremden Kultur geradezu versperrt, die eigene und die fremde Kultur werden ausgeblendet. Der Moment der transkulturellen Kommunikation kann hier somit als Übergangsstadium gewertet werden, der so lange relevant ist, wie keine weiteren Einflüsse hinzukommen, also keine größere wechselseitige Kenntnis der Hintergrundkulturen der Beteiligten vorliegt. Für künftige Skype-Projekte hat der Versuch einige wertvolle Hinweise ergeben. Entscheidend ist hier unterscheiden sich Skype-Projekte nicht von asynchronen Proj ekten die Zuverlässigkeit der Partner. Der Partnerdozent muss motiviert sein und er muss die Partnerklasse motivieren können. Alle Partner müssen über die technischen Voraussetzungen verfügen, also das Programm Skype installiert haben und über Headsets lFLuL 35 (2006) VoIP-Projekte - Mündliche Kommunikation und kollaborative Aufgaben in Englisch ... 75 (Kopfhörer und Mikrofon) verfügen. Bei Skype kommt es leicht zu Echos und Rückkopplungen, wenn in einer Skype-Konferenz zu viele Personen nahe aneinander arbeiten. Die Gruppen sollten daher relativ klein sein. Dies ist auch deshalb wichtig, weil mit jeder weiteren Person der Geräuschpegel im Raum ansteigt. Wichtig ist, dass die Teilnehmer kompetente Benutzer der Software sind. Sie müssen vorher im Umgang mit den versclliedenen Programmfunktionen geschult werden und müssen auch wissen, wie sie schnell zwischen den verschiedenen geöffneten Programmfenstern wechseln können. Ebenfalls müssen vor der ersten Begegnung Verhaltensregeln im Fall eines Programmabsturzes verabredet werden. Dies bedeutet insbesondere Geduld bei der Person, deren Computer keine Fehlfunktion hat. Alle Studierenden haben die Möglichkeit, sich mit Studierenden in anderen europäischen Ländern austauschen zu können, als sehr positiv bewertet, obwohl die Aufgabenstellung und die Zeitbeschränkung kein persönlicheres Kennenlernen ermöglichte. Die Studierenden waren nicht nur deshalb sehr motiviert, weil das Ausprobieren einer neuen Technik für sie reizvoll war; insbesondere das Gespräch unter ,Gleichgesinnten', der Austausch mit anderen Nicht-Muttersprachlern einer anderen europäischen Universität stellte für die Studierenden der Anglistik eine neue Erfahrung dar. Für künftige Projekte muss eine Kennenlernphase geschaffen werden, zudem sollte die Aufgabenstellung stärker prozess- und weniger ergebnisorientiert sein. Eine Studentin gab im Nachgespräch an, dass die gewählte Problemlösungsstrategie, nämlich das ausschließliche Eingeben von Begriffen in eine Suchmaschine, nicht sinnvoll war, vielmehr hätte sie überlegen sollen, wo die gewünschte Information möglicherweise erhältlich sein könnte. Die Teilnehmer sollten daher angeregt werden nachzudenken, welche möglichen Lösungsstrategien es geben kann. Darüber hinaus muss die Aufgabenstellung dafür geeignet sein, die mündliche Kommunikation zu fördern. Zudem sollte am Ende ein inhaltlich basiertes Ergebnis vorliegen, das für alle Beteiligten von Interesse ist und weiter verwendet oder verarbeitet werden kann. Wenn die Gespräche aufgezeichnet und transkribiert werden, können diese nicht nur für die Reflexion eines ganzen Skype-Projekts hilfreich sein, sondern auch eine Grundlage für die Analyse und Veränderung individueller Verhaltensmuster in je nach Projektanlage trans- und interkulturellen Kommunikationssituationen sein. 6 Literatur BREDELLA, Lothar (2002): Literarisches und interkulturelles Verstehen. Tübingen: Narr. BURGER, Günter (2000): "Englisch als globale lingua franca: Überlegungen zu einer notwendigen Neuorientierung des Englischunterrichts". In: Fremdsprachenunterricht 44/ 53 ( 1), 9-14. DE FLORIO-HANSEN, Inez (2000): "Interkulturalität als Voraussetzung für personale Autonomie und Authentizität. Überlegungen zu einem (fremd-) sprachenübergreifenden Konzept". In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 47.3, 227-234. Mein herzlicher Dank gilt Enric Llurda, Universität Lleida, Spanien, für seine Kooperation. lFLuL 35 (2006) 76 Frauke lntemann ECKERTH, Johannes/ WENDT, Michael (2003): "Brauchen wir einen interund/ oder transkulturellen Fremdsprachenunterricht? " In: ECKERTH, Johannes/ WENDT, Michael (Hrsg.): Interkulturelles und tra11skulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht. Frank: furt/ M. [etc.]: Peter Lang, 9-21. FLECHSIG, Karl-Heinz (2000): "Transkulturelles Lernen". Online-Publikation: http: / / wwwuser.gwdg.de/ -kflechs/ iikdiaps2-00.htm, 15.5.2006. GNUTZMANN, Claus / INTEMANN, Franke (Hrsg.) (2005): The Globalisation of English and the English Language Classroom. Tübingen: Narr. GODWIN-JONES, Robert (2005): "Emerging technologies. Skype und podcasting: Disruptive technologies for language learning". In: Language Learning and Technology 9.3, 9-12. HEPP, Andreas / LöFFELHOLZ, Martin (Hrsg.) (2002): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. 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Diese Unterrichtvorschläge in Auszügen oder als Abfolge realisierbar-,fußen auf einer umfangreichen empirischen Studie zum Schüleraustausch (ERTELT-VIETH 2005). Obwohl sich diese Studie dem deutsch-russischen Schüleraustausch widmet, können wir davon ausgehen, dass sich die beiden hier ausgewählten Critical incidents in anderen Konstellationen ähnlich abspielen können und ihre mehrperspektivische fü,arbeitung in verschiedenen Fremdsprachenfächern möglich ist, außerdem natürlich in sprach- und fächerübergreifenden Projekten etwa zusammen mit Gemeinschaftskunde oder Offenem Lernen. Denn die beschriebenen Handlungen, tatsächliche oder mögliche Motive, Wertungen und Reaktionen sind nur zum Teil und nur relativ kulturspezifischer Art: In mancherlei Hinsicht gibt es mehr Gemeinsamkeiten im Denken und Handeln zwischen russischen und z. B. US-amerikanischen als zwischen russischen und deutschen Jugendlichen oder lassen sich weltweit vergleichbare Handlungsweisen und Wertvorstellungen unter Jugendlichen oder bestimmten Jugendgruppen ausmachen. Wenn wir hier trotzdem von Kulturen und kulturellen Spezifika sprechen, so meinen wir dies als Hypothese auf spezifischen Sinn, genauer: aufkulturspezifischeSinnsysteme, die oft erst in der Begegnung mit anderem bewusst und/ oder problematisch werden. Diese Hypothese aufkulturelle Spezifika ist also ein Suchauftrag, der beim Erkennen und Bearbeiten von Missverständnissen und Konflikten in.Schüleraustauschen und anderen Begegnungen helfen kann, aber selbstredend nicht alleine und nicht in jedem Fall. Korrespondenzadresse: PD Dr. Astrid ERTELT-VIETH, Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Institut für Bildung im Kindheits- und Jugendalter, Arbeitsbereich: Interkulturelle Bildung, Thomas-Nast- Straße 44, 76829 LANDAU. E-mail: ertelt-vieth@t-online.de Arbeitsbereiche: Interkulturelle Bildung. lFLuL 35 (2006) 78 Astrid Ertelt- Vieth Der Terminus Critical incident wurde in der Bundesrepublik vor allem durch Arbeiten zum „interkulturellen Handeln" um den Kulturpsychologen Alexander Thomas bekannt (THOMAS 1996). Mit Critical incidents werden einerseits spezifische Daten bezeichnet, die im Rahmen von empirischen Studien schriftlich (mit Fragebogen) oder mündlich (in Form von problemzentrierten Interviews, Expertenbefragungen bzw. -diskussionen u.ä.) erhoben werden. Solche empirischen Daten und ihre Analyse (ERTELT-VIETH 2005, vor allem 150-168) bilden die empirische Basis für unsere didaktisch-methodischen Überlegungen. Zugleich wird Critical incident als didaktisch-methodischer Begriff verwendet, der spezifische Text- und Aufgabenformate bezeichnet. Sie stehen im Zentrum unserer Unterrichtsvorschläge. Die zitierte Studie von ERTELT-VIETH (2005) zum russisch-deutschen Schüleraustausch ging der Frage nach: Welche Bilder von sich und vom Gegenüber entwickeln russische Austauschschüler vor, während und nach ihrer Reise nach Deutschland? Auf der Basis von Fragebogen, Interviews, Gesprächen und Feldnotizen werden dort acht Fallanalysen, darunter die zur Schülerin Asja, ausführlich dargestellt. Um Deuten, Variieren, Weiterspinnen und Übertragen (etwa auf deutsch-französische oder andere Kontexte) der hier vorgestellten Texte und Aufgaben zu ermöglichen, werden alle weiteren Informationen aus unserem empirischen Material erst sukzessive ergänzt, aber nicht gekennzeichnet, weil sie mitnichten die Funktion eines „Lösungsschlüssels" haben. Die Fallanalyse zur Schülerin Asja in ihrer ganzen Komplexität können Interessierte in ERTELT-VIETH (2005) nachlesen. 1 Die hier angebotenen sechs Schritte können als Abfolge oder Teileinheiten im Fremdsprachenunterricht realisiert werden, sei es in direkter Vorbereitung eines Schüleraustausches oder im Rahmen eines Projektnachmittages im Schüleraustausch selbst oder unabhängig davon im fremdsprachigen Klassenzimmer. 2 Details müssen dann geändert werden. Weil es hier nicht nur um Russischunterricht gehen soll, werden alle Textvorlagen und Arbeitsanweisungen (hier immer kursiv) für die Schüler/ innen in deutscher Sprache gegeben. Sie müssen in die jeweilige Fremdsprache übertragen und an das entsprechende Könnensniveau angeglichen werden, außerdem natürlich an den landeskundlichen Erfahrungs- und Wissensschatz der Schüler/ innen. Alle Bezüge auf die hier zum Ausgangspunkt genommenen empirisch untersuchten Austauschschülerinnen mit ihren Gruppen werden hier mit „Asja" und „Karin" sowie Im Sinne der qualitativen Einzelfallanalyse handelt es sich beim Kapitel „6.1.3 Schülerin Asja" (ebenda: 159-168) um (nur) einen „objektiven" Fall. "Objektiv" meint: relativ gut belegt und auf Wesentliches (nicht DAS Wesentliche) konzentriert sowie für Leser/ innen sinnhaft nachvollziehbar. Es meint außerdem: unter ähnlichen Bedingungen ähnlich möglich und insofern ein Stück weit voraussagbar, zugleich tatsächlich unwiederholbar und einzigartig vor dem Hintergrund potenziell unendlich vieler individueller Einzelfälle. 2 Einerseits sorgt die zunehmend multikulturelle Zusammensetzung von Schulklassen für unterschiedliche Perspektiven schon im fremdsprachigen Klassenzinnner. Andererseits leben unsere Schüler (z. B. mit russischem Migrationshintergrund) alle immerhin in Deutschland, während Austauschschüler in der Regel aus einer ganz anderen Lebenswelt kommen, möglicherweise noch nie im Ausland waren. FLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr ~ Interkulturelles Lernen anhand ... 79 „russische" und „deutsche" Austauschgruppe benannt; selbstredend können oder sollten je nach Art der Adaption diese Namen (Mary, Michele ... ) und/ oder das Herkunftsland der Gäste verändert werden. 1. Warum besucht die Austauschgruppe die Bundeswehr? Meiner Schulerfahrung und Kenntnis des fremdsprachendidaktischen Diskurses (ERTELT- VIETH 2003b) nach finden solche Besuche in Kontexten von interkulturellem Lernen und Schüleraustauschen eher nicht statt, stellt der hier geschilderte Fall eine Ausnahme dar. Er ist trotzdem für uns von Interesse, weil in Begegnungsprogrammen mit Jugendlichen immer früher oder später das Thema Politik auftaucht. Der hier als Einstieg vorgeschlagene Arbeitsschritt „Warum besucht die Austauschgruppe die Bundeswehr? " kann auch später, nach der Präsentation der Critical incidents zu deren Analyse dienen (s. u. Abschnitte 2 und 4). Ziele und Arbeitsweise: In Partner- oder Gruppenarbeit werden unterschiedliche Motive bzw. explizite Begründungen für einen Besuch bei der Bundeswehr gesammelt, mögliche gruppen-, kultur- oder länderspezifische Zugänge/ Argumente eruiert, verglichen und auf mögliche Zusammenhänge mit möglichen Verhaltensweisen während des Besuches bezogen. In anderen Worten: Kulturspezifische Aspekte beim Planen eines Schüleraustausch-Programms, beim Verhalten und Urteilen während seiner Realisierung sollen herausgearbeitet werden. Diese Erläuterungen zum Kontext bilden den Anfang, dann folgt eine der beiden (oder beide) Textvarianten zu „Eine Exkursion im Schüleraustausch" zusammen mit den Arbeitsblättern A und B. Kontext: Ein gelungener Schüleraustausch Während des Deutschlandbesuches der Austauschgruppe aus ... (Frankreich, Großbritannien, Polen, Russland, Türkei, Ukraine, USA ...) gibt es kaum eine Aufteilung in deutsche und ... (französische, russische ...) Grüppchen. Die jeweiligen Partner/ innen sitzen im Bus meist nebeneinander und bewegen sich auch sonst eher paarweise. Asja und ihre deutsche Gastgeberin Karin konzentrieren sich vom ersten Tag an stark aufeinander. Sie gelten als Paar, das sich besonders sympathisch ist und sich besonders gut versteht. Eine Exkursion im Schüleraustauschprogramm, Textvariante 1 Amfan.ften Tag des zweiwöchigen Aefenthaltes der Austauschgäste steht eine ganztägige Exkursion an den Rhein auf dem Programm: Mit vorbereiteten Ansagen und Erläuterungen zur Gegend verkürzen die Gastgeber die lange Busfahrt. Außerdem haben sie Liedtexte zum gemeinsamen Singen mitgebracht. Ausfahrliche Besichtigungen sind in der Stadt Bacharach, auf der Marks-Burg und in der alten Bundeshauptstadt Bonn vorgesehen, das Mittagessen und eine Diskussion mit einem Jugendoffizier in einer Kaserne der Bundeswehr. Fahrtpausen werden am Deutschen Eck und an der Loreley eingelegt... 3 Erläuterung: Während des Besuches bei der Bundeswehr und kurz danach kommt es zu zwei Critical incidents zwischen Asja und Karin. lFLuL 35 (2006) 80 Astrid Ertelt-Vieth Eine Exkursion im Schüleraustauschprogramm, Textvariante 2 (Ausschnitt) Besuch von unserer Partnerschule ... aus ... Programm 1. Samstag, 11. März 2006, 11. 3 0 Treffen am Bahnhofvon XX, gemeinsame Fahrt zum Frankfurter Flughafen, 12.40 Landung der Maschine aus YY, gemeinsames Eintreffen am Bahnhof von YY gegen 14.00 -Abholen von Eltern 2. 3. 4. Donnerstag, 16. März, Große Rhein-Exkursion 7.30 Uhr~ Abfahrt vor der Schule 8.30- 9.30 Uhr -Aufenthalt und Stadtführung in Bacharach (vorbereitet von Daniel und Moritz) 10.15 - 11.15 Uhr Aufenthalt am Deutschen Eck (Kurzreferat von Helga und Tim) 11.45 Empfang vom Jugendoffizier in derXY-Kaserne, Vortrag mit Diskussion 12.45 Essen in der Kantine der XY-Kaserne ... usw. Arbeitsaufträge zum Arbeitsblatt A: a) Wählt auf dem Arbeitsblatt A Gründe für die Aufnahme des Programmpunktes „Besuch bei der Bundeswehr" aus, die euch persönlich plausibel erscheinen und gebt an, warum! b) Wählt Erklärungen aus (oder nennt andere), die aus der Sicht eines bestimmten Herkunftslandes und seiner politischen Kultur (u. U. nur bestimmter Bevölkerungs- oder Interessensgruppen dort) nachvollziehbar und daher in diesem Schüleraustausch nicht unwahrscheinlich sind: Frankreich, Großbritannien, Polen, Russland, Türkei, Ukraine, USA ... Arbeitsblatt A Gründe für den Programmpunkt „Bundeswehr" 1. Wenn „Die alte undjüngere Geschichte der Bundesrepublik" Thema der Exkursion ist, passt dies gut. 2. Wenn es sich um einen großen und bekannten Standort der Bundeswehr handelt, warum nicht? 3. Handelt es sich um Abschlussklassen, so steht.für die Jungen beider Austauschgruppen die Einberufung in die Armee vor der Tür. Für sie ist ein solcher Besuch von aktuellem persönlichem Interesse. 4. Die gesamte Schülergruppe kommtaus einer Internationalen Schule in Hessen; die meisten EItern der amerikanischen Schüler sind Angehörige der US-Armee in Deutschland. Diese amerikanischen Schüler und ihre Klassenkameraden wollen die Bundeswehr kennen lernen. 5. In der Kantine der Bundeswehr bekommt die ganze Reisegruppe ein Essen umsonst eine gute Entlastung derExkursionskasse. 6. Die Gäste kommen aus einem Land, das Mitglied der NATO werden möchte. 7. In letzter Zeit häufen sich Meldungen über Misshandlungen in Armeen. Die Bundeswehr dagegen ist trotz einiger Vorfälle auch in ihren Reihen für ihr modernes Konzept der „ inneren Führung" bekannt und daher von aktuellem Interesse. 8. Die Schülergruppe kommt aus der Stadt ... in Rheinland-Pfalz. Die dort stationierten amerikanischen Truppen bieten Arbeitsplätze und wirtschaftliche Vorteile für die Region. Privatleute, _,. lFLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand ... Kommunalpolitiker und Geschäftsleute pflegen gute Beziehungen zu ihren ausländischen Mitbürgern. Diese Exkursion ist Teil des städtischen Begegnungs-Programms for einheimische und ausländische Schüler/ innen. 9 .... Arbeitsauftrag zum Arbeitsblatt B 81 Welche Verhaltensweisen -auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse mit Blatt A -sind jeweils denkbar? Kann es zu Staunen oder Unwillen kommen (bei wem? ), sind offene Meinungsverschiedenheiten denkbar, wenn ja, zwischen welchen Personen? Die auf dem Arbeitsblatt mit Punkten ... offen gelassenen Herkunftsangaben der Schüler können von der Lehrkraft oder von den Schüler/ innen eingetragen werden. Arbeitsblatt B Wie verhalten sich welche Schüler beim Besuch der Bundeswehr? 1. Beim Essen rühren die Schüler/ innen aus ... unwillig im Eintopf Sie sind nicht gewohnt ... (oder: nicht einverstanden .. .) 2. Die ... Schüler haben eine Reihe von Fragen vorbereitet, die sie dem Jugendoffizier nach dem Essen stellen wollen. Dessen Antworten protokollieren sie sorgfältig. 3. Es gibt keine besonderen Vorkommnisse. Alle hören dem Jugendoffizier zu, stellen einige Fragen und bedanken sich am Schluss for die Informationen und die Gastfreundlichkeit (das Essen in der Kantine). 4. Die ... Schüler/ innen in der Gruppe sind deutlich gelangweilt. Sie machen Witze über die kurzen Haare der Soldaten, den „geschniegelten" Jugendoffizier, die ungewohnten Hinweisschilder und Reglementierungen auf dem Kasernengelände. 5. Die Ausfohrungen des Jugendoffiziers über die Ausbildungs- und Verdienstmöglichkeiten in der Bundeswehr stoßen auf Interesse und Wohlwollen bei ... 6. Ein kurzer Film über die Fliegerstaffel in dieser Kaserne begeistert... 7. Die ... Schüler/ innen hören dem Jugendoffizier regungslos zu. Offensichtlich ... 8. Einige ... stellen dem Jugendoffizier nach seiner positiven Selbstdarstellung kritische Fragen zum Einsatz der Bundeswehr in Krisenregionen, zur Teilnahme an Kriegshandlungen. Den ... imponiert das. (Oder: Den ... ist das sehr peinlich). 9. ... Hinweise für die Arbeit mit den Blättern A und B Bitte beachten: Ihr müsst euch nicht zu allen oben genannten Schülergruppen und zu allen möglichen Erklärungen (Arbeitsblatt A) bzw. Verhaltensweisen (Arbeitsblatt B) äußern. Sucht diejenigen Aspekte aus, die eurer Meinung nach zueinander passen, begründet warum und stellt sie im Plenum als denkbare Varianten vor, auf die sich Austauschteilnehmer einstellen sollten. lFLuL 35 (2006) 82 Astrid Ertelt-Vieth 2. Critical incident I: Ein Foto mit dem Barett der Panzertruppe auf dem Kopf Der Vorfall Im Foyer des Gebäudes far Besucher und Öffentlichkeitsarbeit imponiert den Gastschüler/ innen die Gestaltung mit modernen Plakaten zur Bundeswehr, der dort dargestellte Anspruch der Bundeswehr, ihre Aufgabengebiete und Abteilungen usw. Reich bebilderte Materialien liegen zum Mitnehmen aus. Ein Gastschüler hält plötzlich ein Barett der Panzertruppe in der Hand und setzt es auf Es gibt Gelächter. Fast alle Gastschülerinnen und-schüler fotografieren sich damit gegenseitig, aber kein einziger, keine einzige von den Deutschen. Die geschilderte Situation soll in einem Standbild (oder mehreren Standbildern) dargestellt werden, um dann drei Fragen (s. u.) systematisch zu bearbeiten. Die Arbeit an Standbildern bringt ein neues Medium und eine neue Arbeitsform ein, ist stark schüleraktivierend und erleichtert das Übernehmen, Vergleichen und Koordinieren von unterschiedlichen Perspektiven. Hilfreich wären zwei Requisiten: Fotokamera und Barett (oder eine andere militärische Kopfbedeckung oder eine ähnliche Kappe/ Mütze). Arbeitsanweisung für ein Standbild: Stellt die Szene im Foyer des Besucher-Pavillons der Kaserne nach! Achtet auf Gruppierungen der Personen, ihre Haltung und Mimik. JedeFigur im Standbild soll zum Schluss artikulieren, wo sie steht und warum, was sie tut, denkt und empfindet, was die anderen möglicherweise über sie denken, wer möglicherweise ein Problem hat. Alternative oder Vertiefung: Fotografiert das Standbild und beschriftet das Foto mit „Denkblasen"far jede dargestellte Person! Vertiefende Fragen: 1. Wer bemerkt was nicht? Wer bemerkt es schon, hält es aber nichtfar gravierend, zumindest nicht der Diskussion wert? 2. Welche der mit dem Arbeitsblatt A erörterten Kontexte persönlicher und/ oder gruppen- oder länderspezifischer Art könnten hier eine Rolle spielen? 3. Was kann statt dessen oder zusätzlich eine Rolle spielen? 4 Mit neuen Standbildern können wünschenswerte und weniger wünschenswerte Alternativen ausprobiert werden. Einigen Fragen aus der „Checkliste für interkulturelle Begegnungen normativer Teil" (Fragen 1. bis 4. siehe unten, Abschnitt 5) können diese ursprünglich offene Aufgabe fokussieren: Haben Asja und Karin sich an diese Normen gehalten? 4 Mögliche Impulse für die Schüler/ innen: pazifistische, antimilitaristische Einstellungen oder unpolitische, antipolitische Grundüberzeugungen... FLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand ... 83 3. Hut ist nicht gleich Hut, Fotografieren nicht gleich Fotografieren? In der Arbeit am Standbild konnten die Schüler/ innen nachvollziehen und erörtern, warum sich Personen so und nicht anderes verhalten, wie sie sich dabei sehen, wie sie von den anderen gesehen werden, warum die Symbolik, sprich gruppen- oder kulturspezifisch unterschiedliche Deutungen, schon bei Kleinigkeiten zur Verstimmung sogar unter solchen Austauschpaaren führen kann, die sich sonst eigentlich sehr gut verstehen. Diese Einsicht soll vertieft werden: Die starke emotionale Verankerung dieser Symbole und ihr großer unbewusster Anteil wird häufig unterschätzt. Beides ist verantwortlich dafür, dass man oft nicht so ohne weiteres „aus seiner Haut heraus kann", dass Bedeutungen nicht beliebig (wie manche didaktischen Ausführungen glauben machen) „ausgehandelt" werden können. Vor allem sollen die Schüler/ innen dies nicht nur bei den anderen feststellen, sondern wie den „Balken im Auge" auch bei sich selbst. Hierbei sollen zwei Experimente helfen. Erneut werden andere Rollen übernommen und gewechselt, außerdem (fiktiv) die Orte des Geschehens, mithin die Perspektiven auf Welt, die eigene Positionierung in Welt. Haben die deutschen Gastgeber den Ulk der Gastschüler mit dem Barett „ernst" genommen und eindeutig kritisch interpretiert, sollen sie nun erleben, wie sie sich selbst an anderen Orten, in anderen Rollen ähnlich „ulkig" verhalten und vielleicht von anderen (zu) ernst und (zu) eindeutig interpretiert werden. Die beiden Experimente werden arbeitsteilig oder nacheinander durchgeführt. Experiment 1: Hut ist nicht gleich Hut Die Schüler/ innen bringen verschiedene Kopfbedeckungen mit im Idealfall berufsbezogene, auch von Militärs, von heute, von früher. Sie fotografieren sich gegenseitig mit diesen Kopfbedeckungen und hängen die Bilder an die Wandtafel. (Können nicht entsprechende Kopfbedeckungen aufgetrieben werden, helfen Fotoschablonen oder Abbildungen aus dem Internet, in die die Gesichter der Schüler eingepasst werden können. Ebenfalls relativ leicht zu beschaffen und zu bearbeiten sind Abbildungen von Berufskleidung in Versandhauskatalogen. Meist finden sich auch Schüler/ innen, die so etwas gerne vorbereiten.) Arbeitsanweisung für Partner- oder Gruppenarbeit zum Experiment 1 1. Jeder Fotografierte schreibt in einer kurzen Bildunterschrift, wie wohl oder unwohl er/ sie sich beim Fotografieren und/ oder beim Anblick ihres/ seines Fotos gefühlt hat und warum. 2. Notiert im Plenum, wer welche Kopfbedeckung meidet oder besonders lustig findet oder aus anderen Gründen aufziehen möchte (z.B. eines Feuerwehrmannes, aber nicht eines Offiziers) und warum! Experiment 2: Fotografieren (bzw. Posieren) ist nicht gleich Fotografieren Die Lehrkraft oder die Schüler/ innen bringen Fotos und Ansichtskarten mit in den Unterricht von im allerweitesten Sinne militärischen Objekten: Wache am Buckingham-Palast; Wache am Leninmausoleum; große Leuchttafeln eines russischen bzw. amerikanischen Soldaten am Checkpoint-Charlie in Berlin-Mitte; flielFLuL 35 (2006) 84 Astrid Ertelt-Vieth gende Händler ebendort mit Mützen, Fahnen u. a. "Reliquien" aus der UdSSRbzw. DDR-Zeit; das Grab des unbekannten Soldaten in Paris oder in Moskau; das Ehrendenkmal für die russischen Armee in Berlin (oder Wien oder anderswo); die Panzersperren vor den Toren Moskaus; ein Kleinkünstler, der in der Aufmachung einer Bronze-Statue vor dem Brandenburger Tor für Touristen posiert... Arbeitsteilig und aus zwei verschiedenen Perspektiven geben die Schüler Auskunft über sich und andere, spekulieren, tauschen ihr Wissen aus: 1. Ihr seid als Touristen oder Weltenbummler unterwegs. Wo würdet ihr ein Erinnerungsfoto machen, bzw. euch selbst vor diesem Hintergrundfotogrqfieren lassen, wo sicherlich nicht? 2. Welche Touristen oder andere Personen lassen sich an welchen Orten fotografieren (aus bestimmten Ländern, zu bestimmten sozialen- oder Interessengruppen gehörig oder ohne Unterschied? ): 2.a Was vermutet ihr? 2.b Wer hat wo was selbst beobachtet? Wer hat Kenntnisse aus welchen Quellen? 4. Critical incident II: Ein schönes Andenken von der Bundeswehr Erweiterung der o. g. Lernziele durch (Probe-)Handeln in einer interkulturellen Kommunikationssituation: Die Schüler sollen im Rekonstruieren kultureller Sinnsysteme einen Schritt weitergehen. Sie sollen dieses Rekonstruieren als eine unter anderen notwendige Maßnahmen für Verstehen und Verständigen erkennen, handhaben und zugleich relativieren. Dabei sollen sie lernen, Individuelles nicht in Kontrast zu Kulturellem, sondern Individuelles im Kontext von Kulturellem zu sehen 5 • Mit dem Einordnen des Individuellen im Kulturellen sind nicht Prioritäten bzw. Hierarchien gemeint, sondern Sinnsysteme, die nie eindeutig, eindimensional oder feststehend, eher offen und flexibel sind. Sie werden von konkreten, einzelnen Menschen in konkreten Situationen gemacht, dienen dann im Gedächtnis immer auf Wesentliches reduziert als Orientierungsrahmen, die man kennen und ständig erweitern 6 sollte. Die Schüler sollen die Sinnhaftigkeit des Handelns anderer aus deren Perspektive nachvollziehen können, eine Außenperspektive auf ihr eigenen Handeln einnehmen 7 und vor diesem Hintergrund Konflikte, Konfliktpotenzial erkennen und im Unterricht probehandelnd vermeiden oder bearbeiten können. Rollenspiel: In Viergruppen entwickeln und proben die Schüler/ innen ein Rollenspiel mit 3 Szenen nach folgenden Vorgaben: Siehe Kapitel 7.12. in Ertelt-Vieth.(2005: 292-294): "Das Individuelle ist das Vielfältige, ,Dichte' das Kulturelle ist das Allgemeine, ,Dünne', der gemeinsame Nenner in der Vielfalt". 6 Siehe Kapitel 7.4: "Kultur als konkreter Kontext von Bildern und Kultur als Horizont, der sich mit dem Fortgang der Untersuchung verschiebt" (ebenda: 276-278). 7 Siehe Kapitel 7.5: "Innensicht und Außensicht zwei notwendige, spiralisch aufeinander folgende Stationen im Erkenntnis- und Handlungsprozess" (ebenda: 278-279). FLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand ... 85 a) Ausgangssituation: Die Gastschülerin Asja (oder Agnieska, Mary, Chantalle .. .) nimmt im o. g. Foyer Informationsmaterial mit: Ansichtskarten von der Kaserne und vom Verteidigungsministerium, Heftehen mit bunten Hochglanzfotos zu Uniformen und Rangabzeichen. Von jedem nimmt sie zwei Exemplare, um sie anschließend auf dem Weg zum Bus mit ihrer deutschen Gastgeberin Karin zu teilen. b) Dialog der beiden auf dem Weg zum Bus. c) Schlussszene: Beide sitzen im nebeneinander im Bus. Karin schaut abwechselnd geradeaus oder aus dem Fenster. Asja hat das gesamte Material auf dem Schoß und schaut sich die Fotos zu den Uniformen an. Aufgabenstellung für das Rollenspiel: Die Mimik, Gestik und Rede jeder Figur sowie ihre Abfolge sollen fiir sich Sinn machen. Aus dem Zusammenspiel der beiden Figuren, insbesondere der Ausgestaltung von Dialog b), soll die Schlussszene verstehbar werden. Unter Umständen können präzisierende Fragen hilfreich sein: Ist alles in Ordnung, ist jeder mit sich zufrieden aus dem Fenster schauend oder in den Heftehen blätternd? - Ist Karin müde und Asja nicht? Beides denkbar und normal! - Hat eine von beiden oder haben beide miteinander ein Problem (enttäuscht, ratlos, böse)? Hat nur eine ein Problem und die andere merkt es nicht? Aufgabe des Plenums wäre, • die innere Logik und das darstellerische Geschick der Rollenspiele zu beurteilen • festzuhalten, dass viele Varianten möglich sind • Bezüge auf die mit den Arbeitsblättern A und B erarbeiteten kulturellen Hintergründe und spezifischen Einstellungen herzustellen, um sie als mögliche Verstehenshilfen zu nutzen -wohl wissend, dass es keine „richtigen Varianten" gibt, sondern nur Varianten, die demKenntnis- und Erfahrungsstand der Interpreten entsprechend plausibel sind • zu entscheiden, ob die Erarbeitung kultureller Hintergründe vertieft werden soll und dann neue Rollenspiele mit Handlungsaltemativen erarbeitet werden sollen oder umgekehrt. Die Frage nach den möglichen kulturellen Hintergründen kann mit der Erarbeitung von Assoziationsketten oder Mind-maps zu länderspezifischen und gruppenspezifischen Einstellungen zur Armee vertieft werden oder auch mit der Erarbeitung von Personenprofilen. Je nach Zusammensetzung der Lerngruppe (Schüler aus Russland oder USA usw. oder Schüler, denen dort verbreitete Meinungen und Einstellungen gut bekannt sind, etwa aus einem Auslandjahr, regelmäßiger Zeitungslektüre, persönlichen Kontakten) können Assoziationen zu verschiedenen Armeen aus verschiedenen Perspektiven erarbeitet werden, können mit unterschiedlichen Personen-Profilen von Asj a und Karin die Unterschiede und Verwobenheit von persönlichen Eigenschaften einerseits mit sozialen, kulturellen Kontexten andererseits aufgezeigt werden. Mögliche Assoziationen in Deutschland zur Bundeswehr (und Armee generell): Jugoslawien, Afghanistan, "Demokratie am Hindokusch verteidigen", Verteidigungsminister, Einberufung, Zivildienst, .Frauen in der Bundeswehr, Neonazi-Sprüche, das FLIIL 35 (2006) 86 Astrid Ertelt-Vieth Konzept der „ inneren Führung", Hochwasserkatastrophe in Sachsen, Berufsarmee, NATO, Demokratie und innere Sicherheit, Fußballweltmeisterschaft, Bundeswehrhochschule, " Soldaten sind Mörder" ... Mögliche Assoziationen z. B. in Russland zur Russischen Armee (und Armee generell): Brüder und Cousins, Söhne und Neffen, zum Mann werden, Durchhalten, Tschetschenien, Kriegsinvaliden, Offizier, Putin, Rekruten, Uniformen, Militärparade, Afghanistan, Großer vaterländischer Krieg 8, Stalingrad, in der DDR stationiert, Brüderlichkeit und Zusammenhalt, Brutalität, Misshandlungen, dedovscina9, Deserteure, Organisation der „Soldatenmütter"... Hier wäre wichtig zu benennen (eventuell mit Farbe in die Mind-map eintragen), ob es sich um persönliche Assoziationen einzelner Schüler/ innen handelt, ob so die öffentliche Meinung in einem Land charakterisierbar ist welche Großgruppen sich dort unterscheiden lassen oder ob sich die Assoziationen der Schüler/ innen auf das Wissen aus Fachtexten stützen (etwa aus anderen Unterrichtsstunden und Schulfächern). Außerdem wären inhaltlicheBezüge bzw. Gegensätze zwischen verschiedenen Assoziationen zu kennzeichnen. Mögliche Personenprofile der Gastschülerin Asja: VarianteAsja 1: Asja interessiert sichfiir Architektur, Malerei und Mode, hat ein ausgeprägtes Verständnisfiir Formen und Farben. In Deutschlandfotografiert sie systematisch Sehenswürdigkeiten und lässt sich selbst vor entsprechenden Objekten abbilden. Sie ist stark beeindruckt von dem, was sie in Deutschland gesehen und erlebt hat. Es ist so ganz anderes als bei ihr zu Hause in ... Variante Asja 2: Asjas Vater ist beim Militär, der Großvater war es zu seiner Zeit ebenso. Vor allem die Oma hat ihr viel von der DDR/ BRD erzählt, weil der Opa dort stationiert war und die Oma ihn dorthin begleitet hat. Asjas Kleidung, Auftreten und Sprechweise weisen daraufhin, dass sie aus einer materiell gut situierten, sozial anerkannten, gebildeten und standesbewussten Offiziersfamilie kommt. Asja ist ausgesprochen höflich und zuvorkommend Variante Asja 3: Asja kommt aus einem kleinen Dorfin ... , schon eine Fahrt in die Großstadt ... ist ein Ereignis. Nun ist sie das erste Mal im Ausland Alles ist ungewöhnlich: die Bankenstadt Franlifurt am Main, die mittelalterlichen Burgen am Rhein, die deutsche Art, akribisch den Tisch zu decken, schon die kleinen Kinder zu lehren mit Messer und Gabel zu essen. Die Nachrichtensendungen im Fernsehen ... das politische System in Deutschland... Variante Asja 4: Für Karin brauchen wir hier keine Varianten vorgeben, was aber nicht heißt, dass manche Schüler (vor allem wenn die Klasse sozial und/ oder kulturell recht homogen ist) Unter- 8 So wurde in der UdSSR und wird im heutigen Russland die Verteidigung der UdSSR gegen den Angriffskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands vom 22. Juli 1941 bis zum 8./ 9. Mai 1945 benannt. 9 Das sogenannte „Großväter-System" in der Russischen Armee, mit dem sich die Älteren auf brutale Weise den absoluten Gehorsam der Jüngeren, Dienstrang-Niederen erzwingen. FLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand ... 87 stützung dabei brauchen, Karins Verhalten NICHT als „logisch" oder „natürlich" anzusehen. Stichwörter können Impulse geben: Müdigkeit nach dem Mittagessen, eher schweigsamer Mensch, unzufrieden mit dem wenig schmackhaften Eintopf, überzeugte Christin und Pazifistin, Reiseübelkeit, Unwillen über die „Raffgier" von Asja, die so viel Material mitgenommen hat, Erschöpfung und Ärger wegen der Hetze im dichten Austauschprogramm ... In einem weiteren Schritt können für die Rollenspiele mit problematischem Ausgang (ein oder beide Mädchen sind unzufrieden) Handlungsalternativen entwickelt werden entweder im Gespräch oder zunächst wieder als Rollenspiel. Dabei können die normative Vorgaben aus der „Checkliste für interkulturelle Begegnungen" (ERTELT-VIETH 2003a: 100) den Arbeitsauftrag präzisieren und in der Auswertung der Rollenspiele (ebenda) genutzt werden 10: Arbeitsblatt C (Checkliste für interkulturelle Begegnung normativer Teil) Du kannst und du solltest: 1. möglichst viel erfahren und ausprobieren: Gemeinsames, Unterschiedliches, Ungewohntes, Missverständliches, 2. dich oft in die anderen hineinversetzen, um sie zu verstehen, 3. das Ungewöhnliche, vielleicht auch Merkwürdige deiner (unserer) eigenen Gewohnheiten und Sichtweisen entdecken und den anderen verständlich machen, 4. in jeder Situation neu Gemeinsamkeiten suchen, Kompromisse eingehen oder manchmal nötigdas andere kritisieren oder dich abgrenzen, aber immer gesprächsbereit bleiben und nicht verletzen 5. überlegen, was du far dich ändern oder beibehalten willst nur vorübergehend in der interkulturellen Begegnung oder dauerhaft, 6. bedenken, dass Verstehen wie eine Spirale verläuft und verlaufen sollte: Man kommt immer wieder an gleiche oder ähnliche Punkte, fängt von vorne an und bewegt sich doch vorwärts! Alternativen: Die Schüler erörtern, ob diese hier vorgegebenen Normen hilfreich oder überhaupt legitim sind. Sie können einen eigenen Normenkatalog für einen Schüleraustausch entwerfen. (Sicherlich wäre dann über notwendiges Differenzieren von solchen Normenkatalogen für Schüleraustausche auf der einen Seite und anderen Formen der „Begegnung", etwa internationalen staatlichen Beziehungen, auf der anderen Seite zu sprechen.) Folgende Umformulierungen der Fragen vom Arbeitsblatt C können praktisch sein: 1. Haben Asja und Karin versucht, möglichst viel voneinander zu erfahren? 2. · An welcher Stelle hätte sich wer in die andere hineinversetzen sollen? 3. Wer hat welche bisher unbekannten Seiten an sich, an der anderen entdeckt? 4. Konnten sie der jeweils anderen verständlich gemacht werden? 5. Wäre ein Kompromiss erforderlich, möglich gewesen? 10 Die russische Fassung der „Checkliste" ebenda: l O1. - Alternatives Vorgehen: Die Checkliste wird erst im letzten Schritt 6 der Unterrichtseinheit verwendet. FLuL 35 (2006) 88 Astrid Ertelt-Vieth 6. Was können beide (könnt ihr)aus den Critical incidentslernen? 7. Was ist das Wichtigste an einem Schüleraustausch oder sollte es sein, z. B. zwischen Asja und Karin? 5. Vertiefung: Popularität von Armeen in unterschiedlichen Ländern und Kontexten Die Bearbeitung der Fragen, welche handlungsleitenden Motive von Asja und Karin denkbar sind, welche Arten des Dialogs zwischen beiden verständlich oder wünschenswert wären, kann auf die Basis umfangreicherer Recherchen gestellt werden. Spätestens an diesem Punkt lässt sich das Projekt gut fachübergreifend realisieren (verschiedene Fremdsprachen und/ oder Sozialkunde-/ Gemeinschaftskundeunterricht). Unterschiede und Gemeinsamkeiten (nach der Selbstdarstellung der Armeen 11 und ihren übergeordneten Ministerien auf ihren offiziellen Homepages, nach der Darstellung in verschiedenen regierungstreuen sowie kritischen - Massenmedien) können nach thematischen oder systematischen Gesichtspunkten zusammengestellt werden: allgemeine langfristige und konkrete kurzfristige Ziele der Armee, Vorzüge, Verdienste, Aufbau, Prinzipien, Entwicklungsaufgaben... Ein origineller Ansatz wäre, unterschiedliche PR-Konzepte und Designs von Homepages verschiedener Armeen zu vergleichen, dabei das Zusammenspiel von Texten und Bildern, von Inhalten und Formen. 12 Weiterhin wäre zu fragen: Worin unterscheiden oder ähneln sich die armeekritischen Stimmen in den verschiedenen Ländern? Wie verbreitet sind sie, welches Gewicht haben sie für wen, was haben sie bisher bewirkt? 13 6. Was sollte im Zentrum stehen: Gemeinsamkeit oder Verschiedenheit? Was soll im Zentrum interkulturellen Lernens stehen: Gemeinsamkeit oder Verschiedenheit? Aus der Sicht von Schüleraustausch und Schülerbegegnung erscheint diese Gegenüberstellung müßig, machen diese Maßnahmen doch nur Sinn, wenn vorher Verschiedenheit, in welcher Hinsicht auch immer, präsumiert wurde und die wichtigste Gemeinsamkeit im beiderseitigen Wunsch nach Begegnung besteht. Außerdem kann jede Austauschlehrerin, jeder Austauschlehrer ein Lied davon singen, welch vielfältige Missven~tändnisse in der täglichen Praxis aufgedeckt, Enttäuschungen verarbeitet, handfeste Konflikte geschlichtet werden müssen. 11 www.bundeswehr.de (letzter Besuch am 02,04.2006), www.mil.ru (letzter Besuch am 02.04.2006). 12 Sehr empfehlenswerte Hilfen bieten MACAIRE/ HOSCH 1996. 13 Hierzu gibt es unzählige Foren (in russischer Sprache etwa www.prizyvnik.info/ letzter Besuch am 02.04.2006). Interessant zur öffentlichen Meinung die Studien des renommierten Levada-Institutes in Moskau (www.levada.ru/ letzter Besuch am 02.04.2006). FLuL 35 (2006) Schöne Andenken von der Bundeswehr - Interkulturelles Lernen anhand ... 89 Gleichwohl bleibt zu fragen, ob die hier ausgewählten und ähnliche Critical incidents tatsächlich so „kritisch" waren, ja, überhaupt der Rede wert sind. Gehört nicht Ambiguitätstoleranz zu den Zielen von interkulturellem Lernen, von jedem sozialen Lernen? Muss Asja nicht aushalten können, dass ihre Gastgeberin Karin so aufmerksam und interessiert sie sonst istsich auch einmal missmutig abwendet? Einerseits: Ja. Andererseits: Solches zu reflektieren und zu trainieren gehört zu den Aufgaben und besonderen Möglichkeiten von interkulturellem Fremdsprachenunterricht auch unanhängig von Austausch- und Begegnungsmaßnahmen. Die hier dargestellten Critical incidents kann man gut als Präzedenzfälle nutzen, gerade weil es relativ kleine, harmlose Konflikte sind. Ihre Bearbeitung eröffnet große Spielräume, in denen Schülerinnen und Schüler lernen, sowohl Grenzen zu überschreiten als auch Grenzen zu respektieren oder gar zu ziehen, denn wie oben schon gesagt: ... du sollst 4. in jeder Situation neu Gemeinsamkeiten suchen, Kompromisse eingehen oder manchmal nötigdas andere kritisieren oder dich abgrenzen, aber immer gesprächsbereit bleiben und nicht verletzen 5. überlegen, was du für dich ändern oder beibehalten willst nur vorübergehend in der interkulturellen Begegnung oder dauerhaft ... Literatur ERTELT-VIETH, Astrid (2003a): "Privetsvie russkich druzej - Schüleraustausch gut vorbereitet". In: ERTELT-VIETH, Astrid (Hrsg.): Russisch in Projekten lernen. Berlin: Volk und Wissen, 77-102. ERTELT-VIETH, Astrid (2003b): "Schülerbegegnung und Schüleraustausch". In: BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 4. Aufl. Grundlegende Neubearbeitung. Tübingen/ Basel: Narr, 274-276. ERTELT-VIETH, Astrid (2005): Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr. MACAIRE, Dominique / HOSCH, Wolfram (1996): Bilder in der Landeskunde: Berlin [usw.]: Langenscheidt. THOMAS, Alexander (1996): "Analyse der Handlungswirksamkeit von Kulturstandards". In: THOMAS, Alexander (Hrsg.): Psychologie interkulturellen Handelns. Göttingen [usw.]: Hogrefe, 107-135. Internet www.bundeswehr.de (letzter Besuch am 02.04.2006) www.levada.ru (letzter Besuch am 02.04.2006) www.mil.ru (letzter Besuch am 02.04.2006) www.prizyvnik.info/ (letzter Besuch am 02.04.2006) lFLulL 35 (2006) Eynar LEUPOLD, lnes Carla SCHÄFER • Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlemern in der Grundschule Abstract. The teaching and leaming of foreign languages at the primary level is one of the more remarkable advances that Germany's educational system has made during the last decade. The following article draws largely on the European Common Framework ofLanguage Learning and Teaching, which describes the learner as a "social agent" and the teaching of a foreign language from a learner-centred perspective. lt explains the theoretical outlines and the results of an empirical study which attempts to eliminate the elements of French linguistic and cultural "baggage" held by young learners prior to beginning their studies of French as a foreign language. The results suggest that we should widen the perspective beyond the target country ofFrance and also take into account the more general cognitive and emotional disposition ofthe leamers. 0. Einführende Bemerkungen Die Semantisierung des Lexems marcher durch die Lehrerin verfolgten die Schülerinnen und Schüler im 1. Lernjahr der Grundschule mit großer Aufmerksamkeit. Die Unterrichtendemachte große Schritte und sagte begleitend: "Je marche". Dann blieb sie stehen, fragte mit Frageintonation: "Je marche? " schüttelte verneinend den Kopf und zusammen mit den Lernern wurde ein lang gezogenes „Non" artikuliert. Während sie sich wieder in Bewegung setzte, begleitet von der Äußerung „Je marche" und der anschließenden Nennung des Infinitivs marcher, rief ein Schüler unvermittelt - und zum sichtbaren Erstaunen der Unterrichtenden in die Klasse „Intermarche". Diese kleine Begebenheit steht stellvertretend für eine Reihe ähnlicher Beobachtungen im Französischunterricht in Grundschulklassen, die eines gemeinsam haben. Schülerinnen und Schüler kommen offensichtlich in den Anfangsunterricht einer Fremdsprache mit einem Ensemble an affektiven und kognitiven Strukturen. Dieses setzt sich zusammen aus ganz unterschiedlichen Elementen, wie Einstellungen zum Zielsprachenland, Urteilen, mehr oder weniger stereotypisiert, zum Land und seinen Bewohnern, einzelnen Wissenselementen zur Sprache, zu geographischen und/ oder historischen Fakten und Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eynar LEUPOLD, Univ.-Prof., Pädagogische Hochschule Freiburg, Institut für Fremdsprachen, Abt. Französisch, Kunzenweg 21, 79117 FREIBURG. E-mail: leupold@ph-freiburg.de Arbeitsbereiche: Didaktik und Methodik des Fremdsprachenunterrichts, Lehrwerkanalyse, Fremdsprachenfrühbeginn. Ines Carla SCHÄFER, Dipl. Übersetzerin, Lehrbeauftragte, Pädagogische Hochschule Freiburg, Institut für Fremdsprachen, Abt. Französisch, Kunzenweg 21, 79117 FREIBURG. E-mail: InesCarlaSchaefer@t-online.de Arbeitsbereiche: Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens, Interkulturelles Lernen, Fachsprachen. lFLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 91 Alltagsgewohnheiten. Beim Anfangsunterricht in einer Grenzregion zu Frankreich liegt es nahe, die authentische Begegnung mit der Zielsprachemealität eher für die Herausbildung eines solchen Vorwissens anzusetzen als z.B. das Durchblättern von Bilderbüchern, medial vermittelten Erfahrungen aus dem Fernsehen oder Erzählungen von älteren Geschwistern bzw. Eltern. Aber dieses sind Vermutungen, die zusammen mit dem einleitend geschilderten Ausschnitt aus der Unterrichtsrealität deutlich machen, dass „die Kategorie ,Fremdheit' [...] für den Frühbeginn noch nicht genügend differenziert diskutiert [ist]" (KUBANEK- GERMAN 1999: 173). Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Beitrag zu der Forderung, "die Typen von Vorwissen im Hinblick auf das Andere zu beschreiben" (KUBANEK-GERMAN 1999: 173). Eine explorative Studie mit Schülerinnen und Schülern aus drei 1. Grundschulklassen zu Beginn des Französischunterrichts im badischen Müllheim hat das Ziel, Einblicke in die kulturellen Wissensstrukturen der Lerner bezüglich des Zielsprachenlandes zu gewinnen. 1. Zum gegenwärtigen Konzept des Frühbeginns Nach einer Pilotphase im Schuljahr 2001/ 2002 wurde ab dem Schuljahr 2003/ 04 im Bundesland Baden-Württemberg verbindlich Unterricht in einer Fremdsprache ab Klasse 1 in der Grundschule eingeführt. Während in der südlichen Rheinschiene Französisch für die Schülerinnen und Schüler verpflichtend ist, beginnen im übrigen Teil des Bundeslandes die Grundschüler mit dem Fach Englisch. Nachfolgend werden einige wichtige organisatorische und fachdidaktische Merkmale des Unterrichts ausgeführt. 1.1 Strukturelle Gegebenheiten Der Fremdsprachenunterricht ist ein Unterricht, der auf der Grundlage eines vom Kultusministerium 2004 herausgegebenen Bildungsplans mit den Bildungsstandards für die Klassen 2 und 4 der Grundschule erteilt wird. 1 Der Stundenumfang beträgt zwei Wochenstunden. Während die Lernerleistungen in den ersten beiden Schuljahren unbenotet bleiben, werden in den Klassen 3 und 4 Noten erteilt. Die Fortsetzung des Sprachunterrichts in allen weiterführenden Schulen, also Hauptschule, Realschule und Gymnasium, ist organisatorisch geregelt. Die besondere fachdidaktische Herausforderung einer inhaltlichen und fertigkeitsbezogenen Anschlussfähigkeit am Ende des Unterrichts in der Grundschule ist erkannt und wird derzeit in schulartübergreifenden Gesprächskreisen und Arbeitsgruppen diskutiert. Das Dokument wird nachfolgend zitiert als Bildungsplan. lFLuL 35 (2006) 92 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer 1.2 Fachdidaktische Grundlagen SAUER (2000) hat in einem Überblicksartikel die Entwicklung des Fremdsprachenlernens im Grundschulalter in Deutschland nachgezeichnet und sowohl die politischen als auch die didaktischen Grundlagen unterschiedlicher Konzeptionen beschrieben. Nachdem zu Beginn der 80er Jahre in Baden-Württemberg ein Begegnungssprachenmodell unter dem Titel „Lerne die Sprache des Nachbarn" (vgl. PELZ 2000) eingesetzt wurde, erfolgte zu Beginn dieses Jahrhunderts eine konzeptionelle Neuorientierung. Sie trug nicht nur veränderten politischen Rahmenbedingungen, sondern auch aktuellen fachdidaktischen Erkenntnissen zum Lehren und Lernen Rechnung. Für das Erkenntnisinteresse unserer Studie werden nachfolgend drei fachdidaktische Entwicklungen aufgezeigt, die aus unterschiedlichen Perspektiven die Relevanz der Frage nach dem kulturellen Vorwissen der Lerner unterstreichen. 1.2.1 Lernerorientierung Die Propagierung des didaktischen Prinzips der Lernerorientierung steht im Kontext der fachdidaktischenDiskussionzumKonstruktivismus (TIMM 1996; KÖNIGS 2005). Sowohl die bildungspolitische Dimension als auch einzelne Facetten des Prinzips werden in der Formulierung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GeR 2001) deutlich, nach der „das Lehren und Lernen von Sprachen an den Bedürfnissen, an der Motivation, den Dispositionen und den Lernmöglichkeiten der Lernenden orientiert wird" (GeR 2001: 16). Die Orientierung des Grundschulunterrichts am Lernerlässt sich an mehreren Stellen in den administrativen Vorgaben erkennen. So werden im Bildungsplan in der Aufzählung der „für die Grundschule allgemein gültigen didaktischen Prinzipien" u.a. genannt die „Einbeziehung der Gesamtpersönlichkeit des Kindes", "ganzheitliche und vor allem handlungsorientierte Zugangsweisen" sowie „Situations-, Themen-, Erlebnis- und Spielorientierung" (Bildungsplan 2004: 86). Wenn in den Bildungsstandards für die Grundschule die Vorgabe gemacht wird, dass „Grundschulkinder [... ] bei ihrem prinzipiellen Bedürfnis zur Kommunikation abgeholt" werden (BILDUNGSPLAN 2004: 82), kann dies als ein weiteres Indiz für das Prinzip der Lernerorientierung gewertet werden. Außerdem „greift [der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule; Leupold/ Schäfer] die vom Kind ausgehende Reflexion, die sich in Fragen zu und Hypothesen über Sprache(n) und Welt äußert, auf und unterstützt sie" (BILDUNGSPLAN 2004: 83). Diese Aussage ist deshalb bemerkenswert, weil sie implizit das Fremdsprachenlernen in den Kontext des Konzepts der Mehrsprachigkeit stellt und weil der Spracherwerb in einen Zusammenhang mit dem Erwerb und einer Vertiefung eines enzyklopädischen Wissens gesetzt wird. Lernerorientierung aber, wenn man dieses Prinzip ernst nimmt und ihm im Unterricht Rechnung tragen will, bedeutet für die Unterrichtenden, sich Informationen über das sprachliche und enzyklopädische Wissen hinsichtlich des Zielsprachenlandes zu verschaffen, mit dem die Schülerinnen und Schüler in den Fremdsprachenunterricht gehen. lFLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 93 1.2.2 Kompetenzerwerb Die beiden nationalen Bildungsstandards für Französisch 1. Fremdsprache (Jahrgangsstufe 9 und Mittlerer Bildungsabschluss) sind eindeutig outputorientiert in dem Sinne, dass sie zu bestimmten Kompetenzbereichen die dazu gehörigen Endkompetenzen beschreiben. 2 Dieses Konzept findet auch in den landesspezifischen Bildungsstandards für den Unterricht in der Grundschule in Baden-Württemberg seinen Niederschlag. Der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule ist eindeutig auf den Erwerb von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen angelegt. Parallel zum Aufbau einer Interaktionskompetenz, in der 1. und 2. Klasse, konzentriert auf die mündlichen Fertigkeiten, bevor dann die Schriftlichkeit in den Klassen 3 und 4 hinzu tritt, erfolgt der Aufbau einer Sprachlernkompetenz, d.h. der Aufbau eines Strategiewissens. Zu den „überfachlichen Kompetenzen" zählt der Erwerb eines Weltwissens, dessen Aufbau in unmittelbarem Zusammenhang mit Teilen des Spracherwerbs gesehen wird. 3 So heißt es in den Bildungsstandards: "Die Kinder erwerben Wissen in und durch die Zielsprache, lernen erste grundlegende Ordnungsmuster der Welt kennen, sie erhalten erste grundlegende Einsichten in typische kulturelle Gewohnheiten und sind durch die Beschäftigung mit der Zielsprache und der zielsprachlichen Kultur interkulturell sensibilisiert" (BILDUNGSPLAN 2004: 86). Die Ausführungen machen deutlich, dass ein Aufgabenbereich für den Fremdsprachenerwerb in der Grundschule angesprochen wird, der die fachdidaktische Diskussion interkulturellen Lernens aufnimmt. Zugleich gewinnt das Anliegen, einen Einblick in bereits vorhandene kulturelle Wissensstrukturen der Lerner zu gewinnen, an Bedeutung. 1.2.3 Language/ Cultural Awareness Wenn in den Bildungsstandards davon die Rede ist, dass die Lerner „interkulturell sensibilisiert" werden, dann liegt es nahe, das Forschungsanliegen mit der Diskussion zur "language/ cultural awareness" zu verbinden. GNUTZMANN (1995, 1997, 2003) hat die aus dem englischsprachigen Raum stammenden Forschungsansätze zur "language awareness" dargestellt, um eigene Forschungserkenntnisse und Überlegungen erweitert und den Bezug zur Realität des Fremdsprachenunterrichts hergestellt. Angesichts der Definitionsprobleme ist die Bezugnahme auf JAMES/ GARRETTT (1992) geeignet, zumindest die begriffliche Komplexität zu verdeutlichen. Die Autoren sehen "language awareness" als einen Komplex, der mit einer affektiven, einer sozialen, einer politischen sowie einer kognitiven Dimension verbunden ist, ergänzt um eine "performance domain". 2 Eine kritische Bestandsaufnahme aus fremdsprachendidaktischer Sicht bieten die Beiträge der 25. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts in dem Sammelband von BAUSCH/ BURWITZ- MELZERIKÖNIGS! KRUMM (Hrsg.) (2005). 3 Eine kritische Haltung zu der vielfach propagierten untrennbaren Verbindung von Sprache und Kultur nimmt Breugnot ein. Für sie kann diese Verbindung „keineswegs als theoretisch und empirisch evident gelten" (BREUGNOT 2000: 294). JFLIIL 35 (2006) 94 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer Obwohl diese inhaltsorientierten Facetten des Begriffs schon deutlich über die Bezugnahme auf das Sprachsystem hinaus weisen, hat die fachdidaktische Diskussion zum Interkulturellen Lernen zu einer konsequenten Ausweitung oder auch Verschiebung von der "language awareness" zur "cultural awareness" (BYRAM 1997; BYRAM/ ZARATE 1997) geführt. BYRAM (1997) entwickelt ein zyklisches Modell des Sprachunterrichts, in dem der Erwerb von Sprache und Kultur miteinander verzahnt sind. Der Prozess setzt mit dem Fertigkeitserwerb ("skill acquisition") ein, geht in eine zweite Phase der "language awareness" über, auf die dann eine Phase der "cultural awareness" folgt, die zu einer Phase der "cultural experience" führt. In konsequenter Fortführung des Ansatzes ersetzen Byram/ Zarate die Orientierung am "native speaker" durch das Bild des "intermediaire culturel" (BYRAM/ ZARATE 1997). Dieser knappe und selektive Bezug auf die Diskussion zum Begriff der "language/ cultural awareness" zeigt, wie wichtig es ist, über die Frage nach den sprachlichen Vorkenntnissen hinaus der Frage nachzugehen, inwieweit die Sprachenlerner zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts an der Grundschule schon über eine "cultural awareness" verfügen. 2. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse Die fachdidaktische Diskussion allein ist nicht ausreichend, um zu begründeten Arbeitshypothesen für die Untersuchung zum kulturellen Vorwissen von Fremdsprachenbeginnern in der Grundschule zu kommen. Zwar stellt D. Wolff mit Blick auf den Forschungsstand zum Muttersprachenerwerb, zum Bilingualismus und zum natürlichen Zweitsprachenerwerb fest, "dass Sprachlernprozesse eng an kognitive Prozesse gebunden sind, an Generalisierungsprozesse, an Abstraktionsprozesse, an Prozesse des Hypothesenbildens und Hypothesentestens" (W0LFF 1994: 30). Aber die Frage ist natürlich, ob diese generalisierende Aussage auch für die Sprachenlerner gilt, die in der Regel zwischen sechs und acht Jahren alt sind. Es gilt also in einem zweiten Teil, die Perspektive auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse zu dieser Altersstufe zu werfen. 2.1 Kognitive Entwicklung Alle Beiträge in den Basiswerken zur Entwicklungspsychologie (OERTERIM0NTADA 5 2002; MIETZEL 3 1997; MöNKS! KN0ERS 1996) beziehen sich in ihren Aussagen zur kognitiven Entwicklung auf die Stufentheorie Piagets. Entsprechend wird für die Altersstufe der durchschnittlich sieben Jahre alten Kinder Bezug genommen auf die Merkmale des Übergangs vom voroperatorischen Stadium zum Stadium der konkreten Operationen. Nachfolgend werden wir nur knapp auf drei Aspekte eingehen, die als relevant für die Anlage und die Auswertung der Untersuchung zu sein scheinen. JFLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 95 2.1.1 Kategorisierungsleistungen Die Untersuchung bestätigt, dass es für die Kinder der genannten Altersstufe nicht einfach ist, Kategorisierungen vorzunehmen. Einzelnen Aspekten wird Beachtung geschenkt, ohne dass eine Kategorisierung im Sinne einer „Gesamtkonzeption" vorgenommen wird. (MONTADA 5 2002: 422 ff) Offensichtlich erfolgt erst mit dem Übergang in das Stadium der konkreten Operationen die Fähigkeit, "dass Objekte gleichzeitig mehr als einer Kategorie zugehören können und dass die Kategorien zueinander in einer logischen Beziehung stehen" (ROSSMANN 1997: 114). Die Frage stellt sich in dem Zusammenhang, inwieweit Kinder in der Lage sind, Objekte, Beobachtungen und Erfahrungen, die sich auf das Zielsprachenland Frankreich beziehen, zusammenfassen und der Kategorie „Frankreich" zuordnen zu können. Wenn man die Befunde aus der Entwicklungspsychologie zugrunde legt, wird dies eher unwahrscheinlich sein. Dies bedeutet, dass wir bei der Befragung eher ein unstrukturiertes Wissen erwarten können. 2.1.2 Räumliches Verständnis Im Zusammenhang mit dem Defizit an Kategorisierungsleistungen steht die folgende Feststellung von MERKL (2002: 65). Kinder der 1. und 2. Grundschulklasse verfügen nicht über systematische räumliche Beziehungen. Sie kennen einzelne Orte, sind aber nicht in der Lage, sie räumlich in einer größeren Einheit (Land, Nation, Kontinent) zu verorten. Wenn man diese Hinweise zum kulturellen Wissen der Fremdsprachenlerner in der Grundschule weiter denkt, wird es interessant sein zu sehen, ob es zumindest einzelne Schüler/ innen gibt, die eine räumliche Vorstellung von Frankreich haben. 2.1.3 Egozentrische Wahrnehmung Als ein weiteres Merkmal der kognitiven Entwicklung der Altersgruppe siebenjähriger Kinder wird der Egozentrismus genannt. Damit wird die Unfähigkeit bezeichnet, "sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen, den Blickwinkel eines anderen einzunehmen oder die eigene aktuelle Sichtweise (Wahrnehmung, Meinung, Wissen) als eine unter mehreren möglichen zu begreifen" (MONTADA 5 2002: 422). Erst in der konkret-operationalen Phase entwickelt sich die „Fähigkeit zur Dezentrierung" (MöNKS/ KNOERS 1996: 157). Für die Untersuchung ist dieser Tatbestand insofern relevant, als sie die Frage nach der „Fremdheit" und dem Bewusstsein der Grundschüler für das Fremde/ Andere aufwirft. 3. Untersuchungsfragen Die vorausgegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass es aus fachdidaktischer Sicht und unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Gegebenheiten ein Erkenntnisinteresse gibt, Informationen über die Wissensstrukturen zu erhalten, die mit dem Zielsprachenland Frankreich in Verbindung stehen und mit denen Lerner der 1. Klasse den Französischunterricht aufnehmen. lFlLuL 35 (2006) 96 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer Auf der Grundlage der allgemeinen Hypothese, dass Kinder vor dem Erlernen einer Fremdsprache über Wissenselemente zum Zielsprachenland verfügen, soll die Untersuchung Antworten geben auf folgende Fragen: - In welchem Umfang verfügen Grundschulkinder beim Fremdsprachenbeginn über Wissenselemente zum Zielsprachenland ? - Welchen Bereichen der zielsprachlichen Kultur können die Wissenselemente zugeordnet werden? - Lässt sich aus. den Informationen ein einheitliches Bild des anderen Landes und seiner Menschen erkennen ? Erlauben die Antworten Hinweise auf Konsequenzen für die inhaltliche Gestaltung des Anfangsunterrichts? 4. Untersuchung Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine Befragung von Erstklässlern zu ihren Vorwissen und Vorerfahrungen zur Zielsprachenkultur. Die Schülerinnen und Schüler haben zum Zeitpunkt der Befragung (Anfang November 2005) bereits einige Wochen Schulalltag hinter sich, beginnen jedoch zu diesem Zeitpunkt erst mit dem Französischunterricht nach dem Bildungsplan. 4.1 Untersuchungsdesign 4.1.1 Schulischer Kontext Die Befragungen fanden an der Michael-Friedrich-Wild-Grundschule in Müllheim in Südbaden statt. Die Besonderheit dieser Schule besteht darin, dass in dem Gebäude zusätzlich eine ecole elementaire untergebracht ist, an der ca. 50 französische Kinder nach französischem Bildungsplan und unter französischer Schulaufsicht unterrichtet werden. Die Zusammenarbeit beider Schulen, die ihre Entstehung der Stationierung der Deutsch-Französischen Brigade in Müllheim verdankt, ist im „Müllheimer Konzept" geregelt, einem von beiden Kultusministerien genehmigten Vertragswerk; das über den im jeweiligen Bildungsplan geregelten Unterricht hinaus zusätzliche schulische und außerschulische Angebote zum fremdsprachlichen und Interkulturellen Lernen vorsieht. Wesentlicher Aspekt des Konzepts ist der Fremdsprachenunterricht als Anbahnung von Sprachlernkompetenz und Interkultureller Kompetenz. Die Kinder erhalten die Möglichkeit, die Fremdsprache sowie kulturelle Inhalte über die in den Bildungsplänen vorgesehenen Wochenstunden hinaus kennen zu lernen. Zusätzlicher Fremdsprachenunterricht, der von muttersprachlichen Lehrkräften im Rahmen von 15-minütigen Begegnungsintervallen an drei Tagen pro Woche erteilt wird, sowie vierwöchige Aufenthalte im anderen Schulsystem, Kulti-AG, Vorlesenachmittage unter dem Motto einer Sprache und Theater-AG sind Elemente dieses Konzepts. lFLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 97 4.1.2 Probanden Die Befragung wurde mit 40 Erstklässlern durchgeführt, die alle ausschließlich das deutsche Schulsystem besuchen und die gemäß Bildungsplan Französisch ab Klasse 1 als Fremdsprache erlernen. Die Schülerinnen und Schüler haben zum Befragungszeitpunkt noch keinen Französischunterricht erhalten, so dass die Befragung auf die zielsprachlichen und kulturellen Kenntnisse abzielen kann, über die die Kinder vor Beginn des schulischen Französischunterrichts verfügen. Hier ist ergänzend anzumerken, dass einige der Kinder den Deutsch-Französischen Kindergarten Erlenboden in Müllheim besucht haben, der in Anlehnung an die schulische Zusammenarbeit deutsche und französische Kinder nach den jeweils gültigen nationalen Systemen betreut bzw. unterrichtet und darüber hinaus gemeinsame Aktivitäten gestaltet. Andere Kindergärten am Ort vermitteln zum Teil Französisch in spielerischen Sequenzen. Einige der Kinder stammen aus zweisprachigen deutsch-französischen Familien. Andere stammen aus Familien mit Migrationshintergrund, in denen eine andere Sprache als Deutsch oder Französisch Familiensprache ist (Türkisch, Albanisch, Serbokroatisch, Russisch, Ungarisch, Italienisch, Litauisch, Kreolisch, Spanisch). 4.1.3 Untersuchungsinstrument Zur Befragung erfolgte auf der Grundlage eines Themeninventars, das sich einerseits auf Persönlichkeiten, Bauwerke, Essensgewohnheiten bezog, andererseits zu Fragen nach bekannten Liedern, Namen und Objekten aus dem französischen Alltag (Autos) anregte. Dieser offene Inhaltskatalog diente der Fragestellerin dazu, ein Gespräch mit dem zu befragenden Kind thematisch zu strukturieren. Das Gespräch war sehr breit angelegt, um zu gewährleisten, dass Aussagen durch Assoziation möglich wurden und nicht durch eine zu direkte Fragestellung verhindert würden. Die Befragung war als Einzelgespräch zwischen der Interviewerin und der Schülerin bzw. dem Schülerangelegt und fand in einem Raum außerhalb des Klassenzimmers statt. Als Zeitfenster waren zehn Minuten pro Gespräch vorgesehen. Die Antworten waren stichpunktartig zu notieren, wobei vermieden werden sollte, dass die Kinder den Eindruck erhielten, es handele sich um ein Abfragen von vermeintlich erlerntem Wissen. 4.1.4 Versuchsablauf Die Befragung fand im November 2005 während der Schulzeit statt. Durch die große Unterstützung der Klassenlehrerinnen konnten die Kinder ohne Schwierigkeiten einzeln den Unterricht für den Zeitraum des Interviews verlassen. Um den Unterrichtsablauf nicht zu stören, wurden einzelne Schulstunden für die Einzelgespräche vorgesehen. Somit fand die Untersuchung im Laufe einer Woche statt. Die Kinder wurden durch die Klassenlehrerinnen auf die Befragung vorbereitet mit lFLuL 35 (2006) 98 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer dem Hinweis, dass die Befragungsperson neugierig darauf sei, was die Kinder über Französisch und Frankreich wüssten. Die Reaktionen der Kinder auf die Befragungssituation waren unterschiedlich. Die Eltern waren in einem Elternbrief von der bevorstehenden Untersuchung unterrichtet worden und hatten ihre Einwilligung zur Befragung erteilt. In dem Verhalten der Kinder spiegelten sich zum Teil Einstellungen und Vorbehalte der Eltern wider. In den Interviews fühlten sich einige Kinder deshalb nach eigener Aussage wie in einer Prüfungssituation. Sie äußerten Unsicherheit in Bezug auf ihre Kenntnisse sowie negative Erwartungen hinsichtlich der Fragen. Somit war ein wichtiges Anliegen zu Beginn des Gesprächs, diese Befindlichkeiten zu klären und Vertrauen auszubilden. Es zeigte sich, dass die Kinder zu erzählen begannen, sobald sie ihren persönlichen Anknüpfungspunkt fanden. Nach ersten Fragen zu persönlichen Daten wie Vorname, Alter und Sprachen wurde mit jedem Kind ein Gespräch über Erfahrungen und Kenntnisse über die französische Sprache und Kultur geführt. Das mit zehn Minuten veranschlagte Zeitfenster wurde bei manchen Befragungen überschritten. Es wurde deutlich, dass durch freie Assoziation zu bestimmten Themen von den Kindern mehr Aussagen gemacht wurden. 5. Untersuchungsergebnisse: Darstellung und Kommentierung 5.1 Allgemeine Beobachtungen Die Kinder verfügen über sehr heterogene Vorstellungen über das Nachbarland, dessen Sprache sie lernen werden. Sofern die Kinder nicht über konkretes Wissen "Der Eiffelturm steht in Paris") oder persönliche Erfahrungen verfügen, fällt es ihnen schwer, überhaupt Aussagen zu Frankreich zu machen. Im Allgemeinen ist eine größere Aufmerksamkeit für sprachliche und kulturelle Belange bei den Kindern zu beobachten, die aus mehrsprachigen Familien stammen oder bei Kindern mit Migrationshintergrund. Durch Nachfragen und Aufstellen von Vergleichen durch die Interviewerin wird Wissen sichtbar, das die Kinder jedoch nicht notwendigerweise Frankreich zuordnen. Bei den Kindern wird unterschiedlicher Grad der Strukturiertheit des Wissens deutlich. 5.2 Strukturiertheit des Wissens Eine defizitäre Kategorisierung wird insbesondere im Bereich des geographischen Wissens erkennbar. Obwohl diese Kinder nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt leben, sind sie zu einer Kategorisierung nach Ländern nicht in der Lage. Vor allem die inzwischen nicht mehr existierenden Grenzkontrollen machen es auch Kindern, die mit ihren Familien regelmäßig zum Einkaufen oder zum Tanken ins Nachbarland fahren, unmöglich, einen Bezug zwischen "hier" (Deutschland) und „dort" (Frankreich) herzustellen. Zwar überqueren die Kinder den Rhein und damit die Grenze auf einer augenfälligen Stahlbrücke, doch löst die Überquerung kein Bewusstsein für ein anderes Land aus. FLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 99 5.3 Erfahrungen in und mit dem Nachbarland Hinsichtlich der Frage nach einem Aufenthalt in Frankreich reagieren Kinder ohne Erfahrung sehr entschieden. Sie sind sich der Tatsache, das fremde Land noch nicht besucht zu haben, bewusst. Wenige Kinder berichten von Ferien in Frankreich oder Treffen mit Freunden oder Verwandten. Einkaufsfahrten nach Frankreich erfreuen sich bei einigen Familien großer Beliebtheit. Die Kinder, die mit ihren Eltern Einkaufsfahrten unternehmen, machen auch keine ausführlicheren Angaben als die Kinder, die angeben, noch nie in Frankreich gewesen zu sein. Einzelne Kinder nehmen offensichtlich das Baguette als Besonderheit wahr. Zur Frage von Kenntnissen über französische Essgewohnheiten können die Kinder kaum Angaben machen. Mehrere Kinder berichten davon, dass vergleichbare, und damit bekannte Speisen anders schmecken. Ein Kind aus einer deutsch-französischen Familie berichtet vom Verzehr von Stierfleisch ('taureau') in Südfrankreich und findet dies außerordentlich bemerkenswert. Obwohl auch Lebensmittel in Frankreich eingekauft werden, äußern die Kinder kaum Unterschiede zur deutschen Küche. Nur vereinzelt erfolgen einzelne Angaben zu anderen Geschmacksrichtungen bei Fruchtsäften oder zum Erwerb von Fisch. Auffällig ist, wie sehr ein geplanter Besuch des Landes die Wahrnehmung und das Bewusstsein für einen Aufenthalt in einem anderen kulturellen Rahmen schärft. Selbst ein Kind, das von einem für es selbst einmaligen, kurzen Besuch mit der Kindergartengruppe in einem Kindergarten in Frankreich berichtet, ist sich dieses Ereignisses bewusst und erzählt vom anders gestalteten Ablauf des Kindergartentages. 5.4 Sprachwissen Sprachliche Vorkenntnisse zu Französisch bestehen nur bei einigen wenigen zweisprachigen Kindern. Einzelne Jungen und Mädchen geben Auskunft über sprachliche Vorerfahrungen im Kindergartenbereich. In der konkreten Nachfrage nach Kenntnissen von einzelnen französischen Wörtern reagieren die Kinder zögerlich. Sie empfinden dies als Leistungsüberprüfung und blockieren häufig. Durch behutsames Weiterfragen in Themenbereichen (Bsp.: "Kennst du einen Tiernamen aufFranzösisch? ") machen die Kinder durchaus Angaben, wobei der Eindruck entsteht, dass sie weitaus mehr wissen, jedoch ohne Kontext nicht auf ihr enzyklopädisches Wissen zurückgreifen können. Auffallend sind in diesem Zusammenhang die zweisprachigen Kinder, die Deutsch und Französisch als Muttersprachen haben. Selbst diese Kinder reagieren verhalten und nennen nur wenige Wörter. Auch wenn im Gespräch an dieser Stelle zur Auflockerung auf das Französische übergegangen wird und die Kinder französisch sprechen, kommen mit einer Ausnahme keine sprachsystematischen Antworten. Die Angaben der Kinder zu den Sprachen, die sie zu Hause neben Deutsch sprechen, geben bereits Aufschluss über eine Auseinandersetzung mit dem Thema Mehrsprachigkeit. Kinder, die mehrere Muttersprachen oder Familiensprachen haben, geben wie JFLuL 35 (2006) 100 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer selbstverständlich Auskunft hierzu. Bemerkenswert ist die Einhaltung der Reihenfolge nach Gewichtung: Die dominante Sprache im Elternhaus wird zuerst genannt. Einige Kinder, die ausschließlich Deutsch als Muttersprache sprechen, reagieren verwundert und antworten unsicher. Kinder, bei denen das Alemannische stark ausgeprägt ist, nennen auf die Frage nach weiteren Sprachen, die sie sprechen, diesen Dialekt als zweite Sprache neben Deutsch. 5.5. Städte und Kulturdenkmäler Die befragten Kinder zeigen geringe Kenntnisse über Bauwerke oder Städte in Frankreich. Einige Kinder kennen den Eiffelturm und wissen, dass er in Paris steht. Einzelne Kinder berichten von Bauwerken, die sie auf Urlaubsreisen kennen gelernt haben. Beim Versuch, Urlaubserinnerungen geographisch zu lokalisieren, fällt auf, dass die Kinder noch nicht über ausreichende Fähigkeiten zur Strukturierung von geographischer Information verfügen. Sie sind sich jedoch der Zuordnung eines Bauwerkes oder einer Gegend zu Frankreich bewusst. Frankreich wird aber nur insoweit identifiziert, als es das Land ist, in dem „anders" eben französisch gesprochen wird. Ähnlich verläuft der Wahrnehmungsprozess zu Paris als Stadt. Kinder, die Paris als Hauptstadt von Frankreich und Berlin als Hauptstadt von Deutschland beschreiben, verfügen aufgrund dieser Gegenüberstellung bereits über ein kognitives Ordnungsschema. Für eine Vielzahl von Kindern ist es allerdings noch nicht möglich, über französische Städte zu sprechen. Selbst Mulhouse mit seinen Supermärkten, eine Stadt in geringer Entfernung zum Wohnort (15 km.), bleibt abstrakt und länderspezifisch ohne jede Differenzierung. Die Kinder kennen eher den Namen des betreffenden Supermarktes als dass sie den Städtenamen mit dem Land verknüpfen. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen der Kinder auf Einkaufsfahrt, die von der auffälligen Rheinbrücke, aber auch von den vielfach beleuchteten Industrieschloten entlang des Rheins berichten. Diese Wissensstrukturen gehören nicht in den Rahmen eines Frankreichbildes, bieten jedoch genau diesen Kindern erste Orientierungen und können so Anknüpfungspunkte zu Unterrichtsgesprächen ergeben. 5.6 Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens Auf die Frage nach Zuordnung von Personen des öffentlichen Lebens und der Medien zu Frankreich bzw. nach Kontakten zu französischen Privatpersonen werden nur vereinzelt Beispiele angeführt (Fußballspieler). Kinder mit einem zweisprachigen Hintergrund (D, F) berichten von Bekanntschaften mit Privatpersonen, die sie eindeutig als Franzosen oder Französinnen identifizieren aufgrund der Sprache, die diese Personen benutzen. Über den privaten Bereich hinausgehende Kenntnisse sind kaum zu beobachten. Obwohl Kinder offensichtlich über private Kontakte zu französischen Staatsbürgern innerhalb und außerhalb Frankreichs verfügen, können sie noch keine Angaben zur Herkunft und Zuordnung von französischen Vornamen machen. Sie nehmen offensichtlFLuL 35 (2006) Kulturelle Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule 101 lieh die Vornamen als Eigenschaft des betreffenden Menschen wahr, stellen jedoch keinen Bezug zu einer möglichen oder wahrscheinlichen Herkunft des Namens her. Nur ein Kind nannte die französische Version seines Vornamens. Auch hier wird deutlich, dass die Kinder vermutlich über ein Ensemble von Wissensstrukturen verfügen, die aber in keinem systematischen Bezug zu Frankreich stehen. 5.7 Weitere Einzelbeobachtungen Zu einem speziellen Alltagsthema können nur wenige Kinder Angaben machen: Automarken werden von den befragten Kindern nicht als französisch oder deutsch wahrgenommen. Sie haben von einzelnen Ausnahmen abgesehen keinen Bezug zu Automarken, können sogar nicht einmal die Automarke des Familienautos wiedergeben. Die Comicfigur Asterix kennen sehr viele Kinder, auch wenn ein Großteil sie nicht zu Frankreich attribuiert. In den meisten Fällen bestimmen die Kinder die Figur als Freund von Obelix, und viele Kinder scheinen den Spielfilm gesehen zu haben bzw. über ein Computerspiel mit dieser Figur zu verfügen. Nur wenige kennen die Comichefte. Es ist offensichtlich, dass die Figur als Teil der Kindermedien auftritt, ohne dass eine geographische oder historische Einordnung damit verbunden wäre. Aus der erstaunten Nachfrage einiger Kinder, ob diese Figur wirklich Franzose sei, ist zu entnehmen, dass durch die Befragung hier ein Strukturierungsprozess in Gang gekommen ist. Zudem scheint dieses Thema sehr gut an die Lebenswirklichkeit der Kinder anzuknüpfen, und es ist im Gespräch eine deutliche Entspannung der Befragungssituation zu spüren. Fast alle Kinder kennen französische Kinderlieder. Auf Nachfrage bzw. kurzes Anstimmen von gängigen Liedern wird deutlich, dass alle Kinder mehrere Lieder kennen und beherzt mitsingen können. In diesem Bereich liegt sicher ein wesentlicher Anknüpfungspunkt zur Lernerorientierung, da Lieder neben der kognitiven Komponente eine hohe emotionale Komponente im Unterricht darstellen. Wenn die Kinder zum Abschluss gebeten werden, über etwas Besonderes, das sie über Frankreich wissen, zu berichten, reagieren viele mit Ratlosigkeit. Einzelne Kinder verfügen offensichtlich über besondere Erfahrungen, die sie mitteilen wollen. So berichten sie von Einzelerlebnissen "Skorpione unter Steinen"), aber auch über ihre generelle Haltung zu Frankreich "Wie wäre es wohl, wenn wir sie verstünden? " "Besonders ist, dass sie anders sprechen! ") 6. Ausblick Da der Umfang und die Qualität der Wissensstrukturen sehr variieren und sich eine Generalisierung angesichts der individuellen Erfahrungen weitgehend verbietet, stellt sich die Frage, wie diese Einsichten gleichwohl genutzt werden können, um sie in einen lernerorientierten Unterricht einbeziehen zu können. Sicherlich erleichtert den Lehrkräften das Wissen um bestimmte Vorkenntnisse bei den Kindern die Gestaltung des Unterrichts. Jedoch spielen in diesem Zusammenhang lFLuL 35 (2006) 102 Eynar Leupold, Ines Carla Schäfer nicht ausschließlich Wissenskonzepte eine Rolle, die sich auf Frankreich beziehen. Die Kinder verfügen über Wissensstrukturen, die aber nicht notwendigerweise auf den Themenbereich Französisch eingegrenzt werden können. Auch andere kulturelle Inhalte spielen bereits eine Rolle und bieten ihrerseits Möglichkeiten zur Verknüpfung mit französischen Themen. Unser Plädoyer geht dahin, einen lernerorientierten Ansatz der Bezugnahme auf Wissensstrukturen nicht auf Französisch und die französische Kultur zu beschränken, sondern Strukturierungsangebote auf dem Weg eines weit gefassten interkulturellen Ansatzes im Unterricht anzubieten. Diese Strukturierung verhilft den Kindern zur Orientierung in einer multikulturellen Gesellschaft und "language awareness" sowie "cultural awareness" werden somit zu sicheren Wegbegleitern im lebenslangen Lernprozess. Für den Bereich der Forschung bietet diese Studie Orientierungen für weitere Arbeiten, die zum Beispiel die Entwicklung der Erweiterung und Systematisierung von Wissensstrukturen über einen längeren Zeitraum und unter dem Einfluss des Sprachunterrichts beschreiben. Auch die Frage nach der Gestaltung von Lehr- und Lernmaterial für den Sprachunterricht mit der Möglichkeit der Einbeziehung individueller Wissensstrukturen deutet im Spannungsfeld von Interkulturellem Lernen und Lernerautonornie auf ein interessantes Forschungsanliegen. Literatur BAUSCH, Karl-Richard/ BURWITZ-MELZER, Eva/ KÖNIGS, Frank G. / KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2005): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Tübingen: Narr. BLEYHL, Werner (Hrsg.) (2000): Fremdsprachen in der Grundschule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Hannover: Schroedel. BREUGNOT, Jacqueline (2000): "Fremdsprachen". In: REICH, Hans R / HOLZBRECHER, Alfred/ ROTH, Hans-Joachim (Hrsg.): Fachdidaktik interkulturell. Ein Handbuch. Opladen: Leske & Budrich, 287-310. BYRAM, Michael (1997): "'Cultural awareness' as vocabulary training". In: Language Learning Journal 16, 51-57. 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Building on the current discussion of reading competences in the German classroom for native speakers, the author draws up a ! ist ofreading competences for the EFL classroom that focus exclusively on literary texts, taking into account the concepts of the response theory. The model unites motivational, cognitive, affective and reflexive competences, but focuses on the acquisition of intercultural and communicative competences: 1. Literarisches Lesen und der Kompetenzbegriff geht das überhaupt zusammen? Die Bildungspolitik versucht, Lernen durch Standardorientierung und Kompetenzbeschreibungen aktuellen Erkenntnissen und Anforderungen anzupassen, um es leichter planbar und überprüfbar zu machen. Dahinter steckt zum einen das Motiv, frühzeitig jene zentralen Kompetenzen auszubilden und zu fördern, die im späteren Berufsleben gebraucht werden, zum anderen die Hoffnung, den schulischen Bildungsprozess stärker zu steuern und in den Bundesländern möglichst einheitliche Lernziele zu erreichen (vgl. hierzu BURWITZ-MELZER 2005). Dies gilt natürlich auch für den Bereich der Fremdsprachendidaktik, in dem der schulische Unterricht durch die Standarddiskussion und Kerncurricula der einzelnen Bundesländer für die Klassen 3 bis 10 ebenso vorangebracht werden sollte, wie durch die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) far den Mittleren Schulabschluss (KMK 2004) und die Diskussion über ein Oberstufencurriculum. Zahlreiche Veröffentlichungen der letzten Zeit haben sich mit diesen nur teilweise erfolgreichen bildungspolitischen Maßnahmen befasst und sie ausführlich diskutiert. Dabei wurden immer wieder Mängel in den Kompetenzlisten sowie Ungenauigkeiten in den Formulierungen von Standards, mangelnde Sachkenntnis Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eva BURWITZ-MELZER, Univ.-Profin, Justus-Liebig-Universität Gießen, Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Otto-Behaghel-Str. 1 OB, 35394 GIEßEN, E-mail: Eva.Burwitz-Melzer@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Literaturdidaktik, empirische Unterrichtsforschung, Frühenglisch-Unterricht und die Übergangsproblematik, Portfolio-Assessment. lFLuL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... 105 spezieller Fachgebiete der Fremdsprachendidaktik und auch eine schlechte Umsetzung der Kompetenzanforderungen in Klassenzimmer-Szenarios und Musteraufgaben kritisiert. Der vorliegende Artikel befasst sich mit einem Teilbereich der Fremdsprachendidaktik, mit der fremdsprachlichen Literaturdidaktik, die sowohl im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (EUROPARAT 2001) wie auch in den „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache" zu kurz gekommen ist (vgl. BURWITZ-MELZER 2005). Es wird ein Kompetenzmodell entworfen, das es erlaubt, auch diesen für Lernende wichtigen Bereich des Fremdsprachenunterrichts in die Diskussion mit einzubeziehen. Das Lesekompetenzmodell, das hier vorgestellt werden soll, basiert auf Grundgedanken der Lesekompetenzforschung, die im ersten Kapitel kritisch vorgestellt wird. Für den fremdsprachlichen Literaturunterricht muss das Lesekompetenzmodell der Deutschdidaktik, dks wird sehr schnell deutlich, anders konzipiert und operationalisiert werden. Deshalb bietet das zweite Kapitel ein fremdsprachliches Lesekompetenzmodell an, das sich ganz besonders auf den Einsatz literarischer Texte bezieht. Insbesondere die sprachlichen Fertigkeiten und der Aufgabenbereich des kulturellen und des interkulturellen Lernens, die im Entwurf für Deutsch keine Rolle spielen, erlangen für den Umgang mit Literatur in den Fremdsprachenfächern eine zentrale Bedeutung. An einer genauen Aufschlüsselung der Aufgabenfelder wird erläutert, wie das Kompetenzmodell die Sicht auf Lernprozesse und Lernleistungen im fremdsprachlichen Literaturunterricht verändert. 2. Die Lesekompetenz-Diskussion und Lesekompetenzen im fremdsprachlichen Literaturunterricht Betrachtet man die verkürzten, unsystematisch aufgelisteten Kompetenzbeschreibungen der „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache" (KMK 2004), also eines national erstellten, einflussreichen Dokuments der Bildungspolitik für den Fremdsprachenunterricht, so wird deutlich, dass in der fremdsprachlichen Literaturdidaktik ein systematisches, die Jahrgangsstufen kontinuierlich durchschreitendes Stufenmodell von Lernzielen und Kompetenzen fehlt, die von der ersten Enkulturation mit fremdsprachlichen Texten (z.B. Bilderbüchern) bis zu einer vielfältigen, projektorientierten Arbeit mit authentischen Texten verschiedener Gattungen aus unterschiedlichen Zielkulturen reicht. Ein solches Konzept ist noch nicht einmal angedacht, von vereinzelten Vorstößen einmal abgesehen (BREDELLA 2006; BURWITZ-MELZER 2005). In der germanistischen muttersprachlichen Literaturdidaktik hat man schneller auf PISA und die Kompetenz-Diskussion reagiert. Zwar ist auch dort noch kein umfassendes Kompetenzmodell für den schulischen Literaturunterricht entwickelt worden, doch geht man in der Lesekompetenzforschung heute von mehreren Fähigkeits- und Kompetenzbereichen aus, die sich auch ein fremdsprachliches Lesekompetenzmodell zunutze machen könnte. Ein kurzer Blick auf die aktuelle Auseinandersetzung mit der muttersprachlichen Lesekompetenz im Fach Deutsch mag deshalb hier als Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen zur fremdsprachlichen Lesekompetenz dienen. Dabei möchte ich mich ganz besonders auf das von Groeben und Hurrelmann herausgegebene Buch zur Lesekompetenz (GROEBEN/ HURRELMANN 2002) lFlLuL 35 (2006) 106 Eva Burwitz-Melzer beziehen: In einer groben Übersicht unterscheidet Hurrelmann als Komponenten ihres Lesekompetenzkonstrukts zunächst 1. kognitive Teilkompetenzen, durch die der Lesende mentale Repräsentationen des Textes gewinnt, 2. dann die motivationale und emotionale Bereitschaft, den Leseprozess zu beginnen und aufrecht zu erhalten und 3. reflexionsbezogene Fähigkeitskomponenten und Kompetenzen während der Anschlusskommunikation (vgl. HURRELMANN 2002: 277-279). Diese Kompetenzbereiche scheinen, obwohl die Lesekompetenzforschung in der Deutschdidaktik nicht mehr stringent zwischen literarischen und nicht-literarischen Texten unterscheidet, auch für ein fremdsprachliches Lesekompetenzmodell interessant. Hurrelmanns Ansichten über kognitive Teilkompetenzen sind nicht neu, denn aus der kognitionspsychologischen Leseforschung wissen wir bereits seit mehr als drei Jahrzehnten, welche Teilleistungen als zentrale Kompetenzen beim Lesen eines Textes erbracht werden. Sie fasst die hierarchischen kognitiven Prozesse für das muttersprachliche Lesen folgendermaßen zusammen: Danach sind beim Lesen Prozesse auf mindestens fünf Ebenen zu bewältigen und zu verknüpfen, die sich unterteilen lassen in eher automatisierte, hierarchieniedrige Prozesse [...] und eher strategisch-zielbezogene, hierarchiehöhere Prozesse.[...] Aus dem Zusammenspiel der Operationen auf den verschiedenen Prozessebenen und unter Einbezug seines Vorwissens gewinnt der Leser eine mentale Repräsentation des im Text beschriebenen Sachverhalts (mentales Modell bzw. Situationsmodell). Interindividuelle Unterschiede der Lesekompetenz ergeben sich vor allem aus unterschiedlichen Fähigkeiten im Bereich der hierarchiehöheren Prozesse, wobei leseunspezifische Komponenten wie Vorwissen, Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und allgemeine Denkfähigkeiten eine wichtige Rolle spielen (HURRELMANN 2002: 277). Zwar weisen muttersprachliche und fremdsprachliche Leseprozesse viele Gemeinsamkeiten auf, für den Bereich des fremdsprachlichen Lesens von literarischen Texten müssen diese kognitiven Kompetenzen jedoch um einige Kompetenzbereiche ergänzt werden. Die Erforschung von Leseprozessen in einer Fremdsprache ist noch lange nicht abgeschlossen, es herrscht jedoch seit den siebziger und achtziger Jahren eine rege Forschungstätigkeit (OLLER 1972; ESKEY 1973; ULIJNIKEMPEN 1976; CLARKE/ SIL- BERSTEIN 1977; CLARKE 1980; ALDERS0N 1984; CARRELL 1984), vor allem auch im Bereich Deutsch als Fremdsprache (KARCHER 1988; LUTJEHARMS 1988; STIEFENHÖFER 1986; EHLERS 1992, 1998). Lesen in der Fremdsprache ist kein „defektes muttersprachliches Lesen" (EHLERS 1998: 182 f), sondern ein Prozess mit eigener Gesetzmäßigkeit und einer eigenen Dynamik, die von vielen verschiedenen Variablen bestimmt wird. Bei einer genaueren Abgrenzung spielen mehrere Theorien eine große Rolle: Von zentraler Bedeutung für die Leseforschung ist die besonders von GO0DMAN (1967) und SMITH (1971) vertretene psycholinguistische Universalitätshypothese, die davon ausgeht, dass in Mutter- und Fremdsprache die gleichen Lesestrategien angewandt werden, dass das Lesen in der Mutter- und in der Fremdsprache also identische Prozesse sind. Empirische Forschungen brachten jedoch immer wieder Ergebnisse zutage, die dieser Hypothese lFLuL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... I 07 zumindest teilweise widersprachen, weil die fremdsprachliche Lesefähigkeit deutlich hinter der muttersprachlichen zurückstand (EHLERS 1998: 110 f). Die sprachliche Schwellenhypothese versucht, die unterschiedlichen Leseergebnisse mit mangelnder Fremdsprachenkompetenz zu erklären, wobei man davon ausgeht, dass erfolgreiche muttersprachliche Leser auch in der Fremdsprache erfolgreich sind, falls die Sprachkompetenz über einem gewissen Schwellenniveau liegt. Nach CLARKE (1980) fällt der fremdsprachige Leser, wenn er dieses Niveau der Sprachkompetenz nicht erreicht hat, auf weniger komplexe Strategien und ein Leseverhalten zurück, das nicht seinem muttersprachlichen Leseverhalten entspricht. Erst mit der zunehmenden Verankerung mentaler Repräsentationen im Gedächtnis und nach Aufbau eines wachsenden „Sichtwortschatzes" kann das Lesetempo erhöht werden (KOPPERS 1999: 50), bis schließlich bei höherem lexikalischem Kenntnisstand und syntaktisch-semantischer Erfahrung die muttersprachlichen Lesestrategien auch beim Lesen in der Fremdsprache aktiviert werden können (KARCHER 1988: 159 f). Nach der Forschungslage, die die eben dargestellten Universalitäts- und die Schwellenhypothese einbezieht, scheint es also unabdingbar, dass für das Textverstehen im Bereich der kognitiven Kompetenzen die fremdsprachlichen Kompetenzen eine ganz besondere Rolle spielen. Die Interdependenz-Hypothese bezieht allerdings eine andere Position, indem sie behauptet, dass erfolgreiche Leser in der Muttersprache auch als Leser in einer Fremdsprache erfolgreich seien (BERNHARDT 1991; COADY 1979). Zwar zeigten auch hier empirische Arbeiten, dass gute muttersprachliche Leser beim fremdsprachlichen Lesen manchmal weniger erfolgreich im Transfer ihrer Strategien waren, doch führte man dieses Ergebnis nicht auf eine mangelnde Sprachkompetenz zurück, sondern auf andere Lesefaktoren wie das von der Schematheorie erforschte Hintergrundwissen. "Leseprobleme hängen in dieser Sicht nicht mit sprachlichen Fertigkeiten zusammen, sondern mit Defiziten im Wissen und Wissensgebrauch. Leser wissen oft nicht, wie sie ihr Wissen einbringen können, oder aber sie können ihre mitgebrachten Schemata nicht flexibel handhaben und neigen dazu, den Text zu assimilieren" (EHLERS 1998: 115). Indem sich die Lesetheorie auf die Schematheorie bezieht, berücksichtigt sie kognitionswissenschaftliche Forschungsergebnisse, die zurückreichen bis zu BARTLETTs (1932) Experimenten mit fremdkulturellen Erzählungen und Piagets Ausführungen über den Verstehensprozess als aktiven und kognitiven Prozess, bei dem neue Wissensbestände in tradierte Schemata des schon bestehenden Weltwissens integriert werden (PIAGET/ INHELDER 1998; REUSSER! REUSSER-WEYENETH 1994: 9-35). Dabei fungiert das schon vorhandene Wissen als Kontext, der es dem Leser erlaubt, die Leerstellen des Textes zu füllen, Ungesagtes oder Ambivalentes zu ergänzen und zu konkretisieren, zu komplettieren und in bestimmte Richtungen auch Hypothesen aufzustellen. Einen Text lesen und verstehen bedeutet aus schematheoretischer Perspektive also, dass die Annahmen über den Text während der Lektüre ständig verändert, den neuen Textinformationen angepasst und mit dem vorhandenen Weltwissen abgeglichen werden (vgl. WüLFF 1994: 408). Die Schematheorie kann ebenfalls erklären, wieso es Lesern besonders schwer fällt, Texte aus fremden Kulturen zu verstehen. Diese spielen in Hurrelmanns Entwurf eines Lesekompetenzmodells trotz einer regen Leseforschung keine Rolle (vgl. EHLERS 1998), lFLuL 35 (2006) 108 Eva Burwitz-Melzer sind aber für den fremdsprachlichen Literaturunterricht eine Konstante, mit der es zu rechnen gilt. Die kulturelle Differenz zwischen Text und Leser hat zahlreiche Forscher beschäftigt, die versucht haben, die unterschiedlichen Wissenssysteme, die beim fremdsprachigen Lesen notgedrungen aufeinander treffen, auf ihre gegenseitige Beeinflussung und auf mögliche Interferenzen hin zu untersuchen (CARRELL 1984; STEFFENS0N/ .T0AG- DEV 1984; STEFFENSON 1986). Während die meisten empirischen Arbeiten aber eine Erklärung für Interferenzen und Nicht-Verstehen gesucht haben, haben nur wenige berücksichtigt, dass das Aufeinandertreffen kulturell verschieden geprägter Schemata im Leser und im Text auch eineBereicherung bedeuten kann, wenn die Sinnkonstitution des Textes gelingt (vgl. EHLERS 1998: 183 t). Außerdem ist bisher nur durch einige wenige Fallstudien erforscht, welche Methoden besonders geeignet sind, im Fremdsprachenunterricht, der sich mit literarischen Texten beschäftigt, diesen kulturellen Konflikt für ein besseres Verstehen fremder Kulturen und die Förderung eines interkulturellen Bewusstseins zu nutzen (BURWITZ-MELZER 2003). Ausgehend von den schematheoretischen Annahmen über die Rezeption von literarischen Texten ist es aber ratsam, auch kulturelle und interkulturelle Kompetenzen in ein Lesekompetenzmodell einzufügen, da sie über die globale Bezeichnung „kognitive Kompetenzen" eindeutig hinausgehen und gesondert gefördert werden müssen. Gemeint sind hier sowohl deklaratives Wissen über eigene und im Text beschriebene andere Kulturprodukte und Werte wie auch die Fähigkeiten des Vergleichs und der wohlwollenden Auseinandersetzung mit diesen verschiedenen Kulturkreisen, soweit diese für das Textverständnis nötig sind. Neben den kognitiven und den interkulturellen Kompetenzen sind es auch affektive Fähigkeits- und Kompetenzgruppen, die bei der Rezeption literarischer Texte eine große Rolle spielen. Hurrelmann fasst affektive Kompetenzen zusammen mit motivationalen Fähigkeiten und ordnet sie dem Leseprozess über. So spricht sie von der „Fähigkeit, Lesebereitschaft zu mobilisieren und ,bei der Sache zu bleiben"' (HURRELMANN 2002: 278), die bei Sachtexten einen vor allem instrumentellen Charakter habe, aber auch dem Bedürfnis der „kognitiven Durchdringung" der Texte entspringen könne: "In jedem Falle ist damitzu rechnen, dass die Stärke und Ausprägung der motivationalen Komponente von Lesekompetenz mitbestimmt wird von typischen Handlungskontexten, verfügbaren sozialen Kontexten und der Qualität bereits gemachter Leseerfahrungen" (ibid.). Im Klartext: Wer mit dem Lesen gute und frühe Erfahrungen gemacht hat und es als·befriedigend erlebt hat, wird es auch weiter mit einer gewissen Hartnäckigkeit betreiben. Hier scheint es jedoch angebracht, zwischen dem Lesen in einem allgemeinen, privaten Kontext und dem schulischen Lesen von literarischen Texten genauer zu unterscheiden, um die Einflüsse von Motivationen und Emotionen auf das Lesen im schulischen Fremdsprachenunterricht besser beurteilen zu können. Insbesondere der Einfluss, der von der Handlung, den Charakteren und den Konflikten eines literarischen Textes auf die Lesenden ausgeübt wird, wird bei Hurrelmann vollkommen ausgeblendet. Zunächst gilt es, im Bereich der Motivation noch einmal auf grundlegende Unterschiede zwischen dem Lesen eines literarischen und eines Sachtextes hinzuweisen. Wenn ich mich auf das Lesen eines Sachtextes, etwa eines Kochrezepts, einlasse, so tue ich dies sicherlich, weil ich einen bestimmten Braten gut zubereiten und evtl. Gäste gut versorgen lFLulL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... 109 möchte; lese ich einen Zeitungsartikel über die deutsche Parteienlandschaft, kann mein Motiv sein, über dieses Thema bei der nächsten Bundestagswahl besser informiert zu sein. Lasse ich mich jedoch auf die Romane Moby Dick oder Oliver Twist ein, gehe ich ins Kino um den letzten Woody Allen Film Matchpoint anzuschauen, so hat diese Motivation nur selten ausschließlich direkte instrumentelle Gründe (wie z.B. Informationen über Charles Dickens als Autor zu sammeln), es spielen vor allem auch Gründe wie Leselust oder Spass am Dekodieren des filmischen Erzählens eine Rolle. Die eigenen Gratifikationserwartungen an den Leseprozess selbst können durchaus stark genug sein, auch den längsten Krimi oder das komplexeste Gedicht freiwillig auszusuchen und verstehen zu wollen. Häufig läuft beim Leseprozess unterschwellig eine Selbstbeobachtung des Lesenden ab, Leseunlust etwa bei langweiligen Landschaftsbeschreibungen oder langatmigen Dialogen im Film wird ausbalanciert bis lohnendere spannendere Stellen im Text gefunden werden; falls nicht die Frustration so groß wird, dass ein kompletter Lesebzw. Sehabbruch erfolgt (vgl. HURRELMANN 2002: 278). Im schulischen Fremdsprachenunterricht verhält es sich in den allermeisten Fällen anders mit Motivation und Emotion, denn nur selten kann es sich ein Leser aussuchen, welche literarischen Texte er liest; hier hat das Lesen eine andere instrumentelle Motivation: Man muss lesen, was der Rahmenplan vorgibt, was die Lehrkraft oder die eigene Arbeitsgruppe aussucht, und liest letztendlich auch, um eine gute Note zu bekommen. Ein Leseabbruch wird gewöhnlich scharf sanktioniert, wenn nicht direkt durch die Lehrkraft, dann später bei einer Evaluation in einer Klassenarbeit durch eine schlechtere Zensur. Während Motivation und Emotionalität beim privaten Leseprozess also eine unbestreitbar wichtige Rolle einnehmen, sind sie beim schulischen Lesen untergeordnete Elemente des Konzepts, da dem Leseprozess im institutionellen Zusammenhang leider häufig eine starke instrumentelle Funktion des literarischen Lesens zugrunde liegt. Die rezeptionsästhetische Lesetheorie hat dieser Instrumentalisierung etwas entgegenzusetzen, so dass auch der schulische Leseprozess von fremdsprachiger Literatur für den individuellen Lesenden an Bedeutung gewinnt (BREDELLAIBURWITZ-MELZER 2004; BREDELLA 2006). Durch den Einbezug der Emotionen der jungen Lesenden wird versucht, den Leseprozess so zu individualisieren, dass er für den einzelnen Schüler bedeutsam wird und die eigene Sinnkonstitution in das Zentrum seiner Aufmerksamkeit rückt. Zwar bleibt nach wie vor der institutionelle Kontext bestehen und häufig genug wird der Leseprozess nach Wochen auch durch Notengebung evaluiert, doch wird ihm durch eine starke Bedeutung der individuellen Rezeptionsleistung ein wichtiger Motivationsfaktor entgegengestellt. Lernende sollen, das ist die Hoffnung, sich um der Texte selbst willen mit der fremdsprachigen Literatur auseinander setzen, ihre persönliche Meinung, ihr Identifikationspotential und ihre Emotionen zum Text und seinen Charakteren in Beziehung setzen. Sie sollen lernen, dass die dargestellten Konflikte fiktionale Lebensentwürfe sind, die sich auch auf ihre Lebenswelt beziehen lassen. Darüber hinaus gewinnen die fremdkulturellen Texte an Aussagekraft, indem sie zumeist verschiedene Kulturen in ihr Blickfeld nehmen und so auch Einfluss auf die heutige hochkomplexe multikulturelle Welt der Lernenden auszuüben vermögen. Dies kann eine Stärkung der emotionalen und damit auch motivationalen Lesebereitschaft erzielen und damit auch eine Stärkung der FLuL 35 (2006) 110 Eva Burwitz-Melzer Lesekompetenz. Bei vielen Lernenden gelingt diese Re-Privatisierung des Leseprozesses, sie beginnen sich für den von der Lehrkraft ausgesuchten Text oder auch für einen Autor, für eine Kultur zu interessieren, bei anderen, das kann sicher jede Lehrkraft bestätigen, schlägt dieser Versuch aber fehl. Anders als bei Hurrelmann schlage ich deshalb vor, motivationale und affektive Kompetenzen nicht aus dem eigentlichen Leseprozess „auszulagern" oder sie überzuordnen, sondern sie als integrierte Kompetenzen des individuellen Leseprozesses anzusehen, die gesondert gefördert werden müssen. Eine weitere Komponente des Konstrukts Lesekompetenz besteht für Hurrelmann in der Reflexionsfähigkeit, die mit dem Bereich der Anschlusskommunikation verbunden wird. In der Anschlusskommunikation wird die Textreflexion in soziale Kontexte eingebunden: Zur Lesekompetenz gehört schließlich eine reflexionsbezogene Fähigkeitskomponente, die nicht nur zuständig ist für die fortlaufende Überprüfung der Bedeutungskonstruktionen beim Lesen auf eventuelle Verständnislücken, sondern auch für die retrospektive Überprüfung des Verstandenen durch Vergleich mit dem (inter)textuellen Wissen, dem Weltwissen, den emotionalen Erfahrungen, den normativen Orientierungen der Lesenden. Textreflexion kann in eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gelesenen in Textvergleiche und -bewertungen münden, sie kann auch eher selbstreflexive Züge annehmen (Warum spricht gerade dieser Text mich besonders an? ). [...] Individuelle Bedeutungskonstruktionen und Textreflexionen werden durch Anschlusskommunikationen in soziale Kontexte zurückgebunden. [...] Lesebegleitende oder anschließende Kommunikationen sorgen durch strukturelle ,Kopplung' mit subjektiven Rezeptionen z.B. für die Reduktion der Bedeutungsoffenheit der Texte und die Vermittlung von kulturell etablierten Mustern der Bedeutungskonstitution (HURRELMANN 2002: 278~279). Die reflexionsbezogene Fähigkeitskomponente muss genau genommen in jeden Kompetenzbereich des Lesens mit einbezogen werden, denn eine individuelle Reflexion setzt ja schon bei der Lesemotivation ein und zieht sich über die Sinnkonstitution des Textes hin bis in die Anschlusskommunikation. Rezeptionstheoretische Unterrichtsentwürfe zum Lesen literarischer Texte bauen auf diesem Grundgedanken auf und planen ihn in ihren Leseprozess ein (vgl. BREDELLAIBURWITZ-MELZER 2004; DELANOY 1999; MÜLLER- HARTMANN 1999). Auch der Gedanke, die Kommunikation über Literatur zu den literarischen Lesekompetenzen hinzuzuzählen, ist nicht neu (BREDELLA 1989; DELANOY 1996; BURWITZ-MELZER 1999, 2000, 2001 ), für den fremdsprachlichen Literaturunterricht müssen an dieser Stelle jedoch noch einmal explizit sprachliche Kompetenzen mitgedacht werden, denn es soll in fast allen Jahrgangsstufen die Anschlusskommunikation über Texte im Klassenzimmer in der Fremdsprache geführt werden. Sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Hörverstehen gehören hier ebenso dazu wie soziale Fähigkeiten etwa des Aushandelns von Bedeutungen oder des Tolerierens einer divergierenden Meinung, die am Text belegt werden kann. Ist bei den ganz jungen Lernenden zumeist nur ein Gespräch über den Textinhalt, seine Bilder, seine Charaktere in der Fremdsprache möglich, so können ältere Lernende meist etwas müheloser auch über Hypothesen zum Textsinn, über komplexere multikulturelle Konflikte und Identifikationen sprechen. Die Lesekompetenz und die Kommunikationsfertigkeiten sind an diesem Punkt ganz unmittelbar an sprachliche Kompetenzen gebunden. FLuL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... 111 Schließlich noch einmal zurück zum Reflexionsprozess im Unterricht: Anders als bei privaten Leseprozessen, hilft es Lernenden, wenn die durchlaufenen Lernprozesse noch einmal abschließend betrachtet und auch von ihnen selbst bewertet werden. Dieser Grundgedanke aus der Reform- und Projektpädagogik hat sich auch bei Fallstudien zum Einsatz literarischer Texte bereits bewährt (vgl. BURWITZ-MELZER 2003). Eine solche Abschlussreflexion ermöglicht es, den Leseprozess, der aus vielen Kompetenzbereichen und unterschiedlichen Aufgabenbereichen besteht, noch einmal strukturiert zu betrachten und sich der einzelnen Lernschritte in der nachträglichen Reflexion bewusst zu werden (vgl. Abbildung 1). Ähnlich wie bei der Anschlusskommunikation wird der subjektive Lernprozess in solchen Phasen in soziales Lernen zurückgebunden, wobei aber genügend Raum bleibt für individuelle Lernerfahrungen. Eine solche Reflexions- oder Metaphase ist nicht leicht durchzuführen, da sie von den lesenden Lernenden eine gewisse Distanz zum Text und zu ihrem eigenen Lern- und Leseprozess erfordert; sie stellt jedoch ein wichtiges Desiderat auf dem Weg zu selbstbewussterem Lernen dar. Eine solche Reflexion kann sehr gut nach Abschluss einer literarischen Unterrichtseinheit im Klassenzimmer durchgeführt werden, in höheren Klassen sogar in der Fremdsprache. Textarbeit: Lesephase, Anschlusskommunikation und schriftliche Arbeitsphasen .ij. .ij. .ij. .ij. .ij. Reflexionsphase Abbildung 1 Einige wichtige Tatbestände lassen sich aus den eben gemachten Ausführungen zum Konstrukt der Lesekompetenz für den Fremdsprachenunterricht mit literarischen Texten destillieren: ■ Die Lesekompetenzbereiche, die die muttersprachliche Lesedidaktik aufstellt, sind im Großen und Ganzen nicht neu. ■ Diese Lesekompetenzbereiche müssen, wenn sie für den fremdsprachlichen Literaturunterricht gelten sollen, ergänzt und etwas anders eingeteilt werden. Für den schulischen Literaturunterricht müssen die wichtigen fremdsprachlichen und interkulturellen Kompetenzen immer mitgedacht werden, die in den muttersprachlichen Lesekompetenzen keine Rolle spielen. ■ Die Institutionalisierung des literarischen Leseprozesses verlangt außerdem nach einigen Ergänzungen im Bereich Motivationen und Emotionen, die auf die besondere Lesesituation im Klassenzimmer Rücksicht nehmen. ■ Die gemeinsame Reflexion des abgeschlossenen Leseprozesses im Klassenzimmer kann in Hinblick auf eigenständigeres Lernen und auf in Zukunft verbesserte Leseprozesse gute Dienste leisten. JFLuL 35 (2006) 112 Eva Burwitz-Melzer 3. Prolegomena zu Kompetenzbeschreibungen für den fremdsprachlichen Literaturunterricht Diese Überlegungen erfordern ein Kompetenzmodell, das etwas umfangreicher ausfällt als das von Hurrelmann vorgeschlagene; es umfasst folgende Kompetenzbereiche: ■ Motivationale Kompetenzen ■ Kognitive und affektive Kompetenzen ■ Interkulturelle Kompetenzen ■ Kompetenzen der Anschlusskommunikation ■ Kompetenzen der Reflexion Dabei versteht es sich von selbst, dass die ersten vier Kompetenzbereiche als miteinander verwobene Fähigkeitsbereiche zu sehen sind, die sich im fremdsprachlichen Literaturunterricht oft überschneiden. Sollen diese Kompetenzen an Dimensionalität gewinnen, ist es nötig, sie mit den Arbeitsschritten im fremdsprachlichen Literaturunterricht zu kombinieren, so dass ein Eindruck von der Vielschichtigkeit und der Prozesshaftigkeit des Leseprozesses entsteht. Ein solches Modell könnte folgendermaßen aussehen: Kognitive und Interkulturelle Kompetenzen AUFGABENBEREICH Motivation affektive Kompetenzen der Anschluss- Reflexion Kompetenzen kommunikation la lb lc ld 2a 2b 2c 2d 3a 3b 3c 3d 4a 4b 4c 4d Sa Sb Sc Sd 6a 6b 6c 6d Bei den sechs waagerechten Reihen handelt es sich um Aufgabenbereiche des fremdsprachlichen Literaturunterrichts, die z. T. nacheinander aufgeführt werden müssen, deren Reihenfolge z,T. aber auch beliebig überlappend ist. Je nach Textsorte können einzelne Aufgabenbereiche auch bei der Textarbeit ausgespart werden. Reihe 1 befasst sich damit, eine Erwartungshaltung zu einem literarischen Text aufzubauen und diese Erwartung auch aufrecht zu erhalten, Reihe 2 damit, eine individuelle und interindividuelle Sinnkonstitution des Textes zu erreichen, Reihe 3 mit der Förderung literaturwissenschaftlicher Kompetenzen, indem rhetorische und gattungsspezifische Merkmale der Texte erarbeitet lFLuL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... 113 werden, Reihe 4 bezieht sich auf den kulturellen und interkulturellen Aufgabenbereich, Reihe 5 auf den Aufgabenbereich, der Recherchekompetenzen entwickelt, und Reihe 6 auf die eigene Textproduktion. Wenn man nun dieses Schema mit Beschreibungen von Kompetenzen bzw., wie hier geschehen, mit Lernzielen versieht, die in dem jeweiligen Aufgabenbereich in jeder Kompetenzgruppe erreicht werden sollen, wird deutlich, welche Leistungen von den Lernenden im fremdsprachlichen Leseprozess mit literarischen Texten erbracht werden sollen. (-. tabellarische Übersichten S. 114-116) Neu an dieser Formulierung von Kompetenzen für den Literaturunterricht ist, dass nicht länger ein Autor, eine Epoche, ein Kulturbereich, ein Land, ein Analyseverfahren oder ein Geme im Mittelpunkt der Aufinerksamkeit von Lehrkräften und Lernenden stehen. Es handelt sich bei der Formulierung der Kompetenzen letztendlich um die Operationalisierung der einzelnen Tätigkeiten der Lernenden, die kognitive und affektive Aspekte umfassen, wie sie bereits heute in der fachdidaktischen Literatur verlangt werden. Bei den meisten hier angeführten Aufgabenbereichen scheint eine Evaluation der meisten Einzelkompetenzen möglich und sinnvoll. Damit ist die Frage nach der Operationalisierung von fremdsprachlichen Leseprozessen in Einzelkompetenzen zumindest ansatzweise gelöst, denn die Kompetenzbereiche gelten grosso modo für alle Klassenstufen von 3 bis 12. Es bedarf jedoch noch der methodischen Aufschlüsselung sowie einer Differenzierung der Kompetenzen nach den jeweiligen Fremdsprachenkenntnissen der Lernenden. Für jüngere Lernende mit geringen Fremdsprachenkenntnissen und wenig interkultureller Erfahrung gelten die Kompetenzen nur mit einfachen Texten mit geringem Sprachumfang, wenig fremdkulturellen Informationen und starker Bildunterstützung. Ältere Lernende üben ähnliche Kompetenzen an komplexeren und längeren Texten. Einige Teilkompetenzen werden für jüngere Lernende nicht oder zumindest nicht immer in der Fremdsprache zu üben sein. Hier muss man sich eine genauere Aufschlüsselung in fertigkeitsangepasste methodische Aufgaben vorstellen, die bei jungen Lernenden von einfachsten Gesprächen z.B. über eine Bilderbuchseite bis zu längeren Interpretationen einer Szene aus einem Drama von Shakespeare bei fortgeschrittenen Lernenden reicht. Der Aufgabenbereich 6, das Anfertigen neuer eigener Texte oder Textteile wird sicher nicht ohne weiteres von allen Lernenden durchgeführt werden können. Für eine 4. Klasse kann dies bedeuten, dass sie ein kleines Gedicht durch minimale Variation zu einem eigenen Text umgestaltet und diesen evtl. auch illustriert, für eine 8. Hauptschulklasse, dass eine short story zu Ende geschrieben wird, für einen Leistungskurs in der 12. Klasse, dass ein Roman zu einem Hörspiel umgeschrieben werden kann. Die Kompetenzbeschreibungen zeigen deutlich, dass die unterrichtliche Arbeit mit Literatur nicht nur in propädeutisch-literaturwissenschaftlichem Analysieren und dem Verfassen und Lösen von Textaufgaben besteht (vgl. SCHRÖDER 2001; KLIPPEL 2001). Im Literaturunterricht werden in unterschiedlichen Aufgabenbereichen vielschichtige und vielseitige mündliche, schriftliche, kulturelle, interkulturelle und soziale Kompetenzen ausgebildet, die fachspezifische und -übergreifende Aspekte vereinen. Es können auch (• Fortsetzung S. 117) JFLuL 35 (2006) ~ t.,J u, t3 00 ~ Erwartungshaitung aufbauen und erhalten Sinnkonstitution 1 Motivation (la) Die Lernenden sollen sich in ihrer Erwartungshaltung auf einen literarischen Text einstellen. Sie sollen Hypothesen über seinen Inhalt, seine Charaktere und das Genre aufstellen. (2a) Die Lernenden sollen lernen, ihre Motivation aufrecht zu erhalten, obwohl der Lese- und Arbeitsprozess nicht streng linear verläuft und ein gründliebes mehrfaches Lesen erforderlich ist. Sie sollen in dieser Lesephase und in den weiteren lernen, dass sie literarische Texte mit Hilfe ihres Weltwissens und ihrer persönlichen Erfahrungen entschlüsseln können. Kognitive und affek- Interkulturelle tive Kompetenzen Kompetenzen (1 b) Bei einem ersten (lc) Sie sollen bei Kontakt mit dem Thema einem ersten sollen Hypothesen über seine Kontakt mit dem Darstellung im Text Text fremdangestellt werden, die kulturelle Elemente, Relevanz des Textes für die Werte und Konflikte Lernenden soll erkannt im Text erkennen, werden. benennen und diese mit eigenkulturellen Elementen, Werten und Konflikten vergleichen können. (2b) Sie sollen (2c) Sie sollen beim automatisierte, Leseprozess hierarchieniedrige und fremdkulturelle strategisch-zielbezogene, Elemente, Werte hierarchiehöhere und Konflikte im Leseprozesse bewältigen und Text erkennen und dabei von der Phonemdiese evtl. mit den Graphem- Ebene bis zur eigenkulturellen Ebene des Weltwissens alle Elementen, Werten Ebenen des Leseprozesses und Konflikten ihrem Sprachvermögen vergleichen können. entsprechend beherrschen, Sie sollen auch evtl. um ein globales und vorhandene detailliertes Verständnis des Stereotype im Text Inhalts, der Charaktere und erkennen können. der zentralen Konflikte zu erreichen. Dazu sind sowohl kognitive als auch affektive Kompetenzen wie Identifikation und Empathie nötig. Anschlusskommunikation (ld) Sie sollen angeregt durch Titel oder Einband des Textes etc. - Hypothesen über das Thema des Textes mündlich oder schriftlich äußern und dabei ihre Erfahrungen und ihr Weltwissen einsetzen. (2d) Sie sollen über den Text, seine Bilder, seinen Inhalt, seine Charaktere und seine zentralen Konflikte sprechen können, die Bedeutung im Klassenzimmer mündlich und schriftlich aushandeln können. Dabei ist es wichtig, dass sie lernen, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, wenn sie nicht der eigenen entspricht. Dazu gehört auch, dass sich die Lernenden mit Schülerinnen und Schülern aus anderen Kulturen in traditionellen oder Neuen Medien schriftlich oder mündlich über die gelesenen Texte respektvoll auseinander setzen und so einen zusätzlichen interkulturellen Lernprozess erleben. Reflexion (le) Sie sollen in der Rückschau erkennen, ob ihre Hypothesen richtig oder eher falsch waren und weshalb dies so ist. (2e) Sie sollen die Erkenntnisse aus dieser Lesephase reflektieren und mit anderen, ähnlichen Lese- und Lernprozessen in der Fremd- oder Muttersprache vergleichen können. Dazu gehört auch, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, wenn sie nicht der eigenen entspricht. -- .j: ,. r b; ) ~ n-" t N" "' .., ~ w V, ,: : ; 00 ~ Motivation Sinn- (3a) siehe oben konstituion 2 Interkulturelle (4a) siehe oben Kompetenzen fördern Kognitive und affektive Kompetenzen 3b) Sie sollen rhetorische und gattungsspezifische Merkmale und deren Funktionen in einem fremdsprachigen literarischen Text erkennen. Dabei sollten sie auch zwischen metaphorischem Sprachgebrauch und wörtlicher Bedeutung unterscheiden können und je nach Jahrgangsstufe die Interpretationsweise des close reading in der Fremdsprache beherrschen, indem sie Stil, Syntax, Diktion, und Metaphern beachten. (4b) Die Lernenden sollen fremdkulturelle Aspekte wie Kulturprodukte, Werte, Inhalte und Einstellungen, die im Text genannt werden, benennen können. Die Lernenden sollen verstehen lernen, wie fremdsprachige literarische Werke als kulturelle Sinnträger encodiert und decodiert werden können. Interkulturelle Kompetenzen (3c) Sie sollen spezielle fremdkulturelle Gattungs- und Strukturmerkmale des Textes erarbeiten und benennen können. (4c) Sie sollen Perspektivenwechsel und -koordination anwenden, um die fremdkulturellen Charaktere, ihre Handlungen und Konflikte zu verstehen. Anschlusskommunikation (3d) Sie sollen diese Erkenntnisse mündlich und schriftlich ausdrücken und aushandeln können. Dazu gehört es auch, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, auch wenn sie nicht der eigenen entspricht. (4d) Sie sollen fremdkulturelle Aspekte wie Kulturprodukte, Werte, Inhalte und Einstellungen aus dem Text mündlich und schriftlich benennen und diskutieren können. Dabei sollten sie auch erklären können, wie diese Weltentwürfe zur Kommunikation mit anderen Menschen oder zur Klärung ihrer eigenen Ideen zur eigenen oder zu fremden Kulturen beitragen können. Reflexion (3e) Sie sollen die Erkenntnisse dieser Lesephase reflektieren und mit anderen ähnlichen Lese- und Lernprozessen in der Fremd- oder Muttersprache vergleichen können. Dazu gehört auch, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, wenn sie nicht der eigenen entspricht. (4e) Sie sollen noch einmal über Perspektivenwechsel und -koordination während der Textarbeit nachdenken. Im Laufe dieses Bewusstwerdungsprozesses sollen sie lernen, über die eigenen Werte, evtl. Vorurteile und Einstellungen gegenüber der eigenen und fremden Kulturen nachzudenken. ~ i 1 § .: ,.. ~ 2; g. [ f; : t--, ~ ~ ; : ! ~ ~ al [ ~ f 1; ; · g. ~ ~ i - - V, ~ t; J V, 10 00 -2> Recherchekompetenzen fördern Eigene Textproduktion Motivation (5a) siehe oben (6a) Die Lernenden sollen angeregt von dem Originaltext lernen, eigene Texte zu planen. Kognitive und affektive Kompetenzen (5b) Die Lernenden sollen sich mündlich oder schriftlich Informationen beschaffen können über das literarische Werk selbst, seinen Autor, seinen Inhalt, seine Interpretation. Dabei sollen traditionelle Medien und Materialsammlungen wie Bibliotheken und auch Neue Medien in der Zielsprache benutzt werden. (6b) Sie sollen ihren fremdsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechend eigene fremdsprachige fiktionale Texte nach Modellen oder auch ohne Modelle erstellen lernen. Interkulturelle Anschluss- Kompetenzen kommunikation (5c) Sie sollen sich über (5d) Sie sollen über ihre spezielle fremdkulturelle Recherche-Ergebnisse Informationen, die im miteinanderreden können, Text gegeben werden, diese vergleichen und auch informieren können. (nach zusätzlichen Informationen) ergänzen können. (6c) Sie sollen evtl. auch (6d) Sie sollen die verfassten fremdkulturelle Inhalte Texte vorstellen und oder Struktur- und diskutieren können. Gattungsmerkmale bei der eigenen Textproduktion beachten. Reflexion (5e) siehe oben 6e) Sie sollen die Ergebnisse und Erfahrungen dieses Lernprozesses mündlieh und schriftlich ausdrücken können. - - °' r b: I ~ ft" t N' ! : ; Interkulturelles und sprachliches Lernen mit fremdsprachlichen literarischen Texten ... 117 verschiedene Textsorten nacheinander oder nebeneinander in den Unterricht eingebracht werden; der Fokus dieses Leseprozess-Ansatzes liegt allerdings im Bereich der literarischen Texte. Doch umfasst er sowohl die drei Genres Drama, Lyrik und Prosa als auch Bilderbücher und Spielfilme. Die Methoden der Anschlusskommunikation und Reflexion können variieren zwischen Unterrichtsgesprächen, schriftlichen Ausarbeitungen oder auch Diskussionen per E-Mail zwischen Lernenden verschiedener Schulen oder Länder. Was die fremdsprachlichen Fertigkeiten angeht, so zeigt das Lesekompetenzmodell deutlich, dass insbesondere in den Spalten der kognitiven und affektiven Kompetenzen, der interkulturellen Kompetenzen, bei der Anschlusskommunikation und der Reflexion zum Abschluss ein großes Repertoire von sprachlichen Fertigkeiten für die Dekodierung des Textes, das Sprechen darüber und evtl. auch die Eigenproduktion verlangt wird. Gleichzeitig sind alle aufgelisteten Aufgabenbereiche von der Sinnkonstitution über die "Förderung der Recherchekompetenzen", die ja vor allem ein Aufstöbern von zusätzlichen Informationen über fremdsprachliche Texte verlangt, bis zur eigenen Textproduktion betroffen. Deutlich wird hier auch, dass dem Kompetenzmodell ein holistisches Verständnis von Förderung der Sprachkompetenzen zugrunde liegt, gleichzeitig aber alle Teilkompetenzen wie „Chatroom-Gespräche mit ausländischen Lernenden über den literarischen Text" oder das „Erstellen eines eigenen Gedichts in der Fremdsprache" einzeln betrachtet und evaluiert werden können. Bei der abschließenden Reflexion über den Lernprozess kann neben intertextuellen und interkulturellen Kompetenzen ebenfalls. über den Lernzuwachs bei den sprachlichen Kompetenzen nachgedacht werden; falls gewünscht, können die Erkenntnisse aus dieser Phase zum Erstellen intertextueller Wörterbücher oder interkultureller Wandzeitungen genutzt werden. Interkulturelle Kompetenzen, die in bildungspolitischen Dokumenten im Literaturunterricht nur selten vorkommen und in der Regel sehr schwammig formuliert und nicht überprüfbar sind, sind in diesem Lesekompetenzmodell deutlich besser zu verorten und zumindest grob operationalisiert. Sie werden zum einen auf einer gesonderten Kompetenzspalte aufgeführt, um ihren Sonderstatus zu signalisieren. Die Lernenden sollen sich in diesem Kompetenzbereich mit dem Aufspüren fremdkultureller Elemente und Konflikte im literarischen Text befassen, sie sollen gattungsspezifische Merkmale fremdkultureller Texte, etwa eine fremde Struktur bei Märchen oder Haiku-Gedichten erkennen können, sie sollen Perspektivenwechsel und -koordination durchführen, um die fremdkulturellen Handlungen und Konflikte besser zu verstehen. Darüber hinaus wird erwartet, dass Schülerinnen und Schüler auch Informationsquellen aus anderen Kulturen benutzen können. Evtl. kann bei einer eigenen Textproduktion auch verlangt werden, fremdkulturelle Strukturelemente, Vokabeln, Werte oder Einstellungen wiederzugeben. Bei den Aufgabenbereichen ist ebenfalls eine Spalte für die Förderung der interkulturellen Kompetenzen reserviert worden: Dies bedeutet, dass die Lernenden möglichst positiv und motiviert auffremdkulturelle Inhalte in literarischen Texten reagieren sollten. Bei der Sinnkonstitution des Textes müssen kognitive und affektive Leistungen erbracht werden, wenn sie über fremde Kulturen in den literarischen Texten nachdenken. In der Anschlusskommunikation im Klassenzimmer sollte dann auch über die fremdkulturellen Werte und Konflikte gesprochen und ihr Stellenwert in den Texten ausgehandelt werden. FLuL 35 (2006) 118 Eva Burwitz-Melzer In der Reflexionsphase am Schluss der Unterrichtseinheit können die im Bereich des interkulturellen Lernens gemachten Erfahrungen noch einmal reflektiert und zu Erfahrungen in anderen Schulfächern und mit anderen Texten in Relation gesetzt werden. 4. Lesekompetenzen für die Lehreraus- und -weiterbildung Fallstudien zeigen, dass Lehrkräfte, die ausreichend sensibilisiert und fachgerecht angeleitet werden, durchaus in der Lage sind, mit interkulturell ausgerichteten Texten, mit einem breit angelegten Textbegriff und mit neuen Kommunikationsformen im fremdsprachlichen Literaturunterricht erfolgreich zu arbeiten (MÜLLER-HARTMANN 1999; BURWITZ-MELZER 2003, 2004). Aus den hohen Ansprüchen an Lehrkräfte, die literarische Texte im Fremdsprachenunterricht einsetzen wollen, ergibt sich ein deutlicher Arbeitsauftrag für die Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase sowie für die Lehrerweiterbildung: Der Umgang mit Literatur im Fremdsprachenunterricht muss sorgfältig vorbereitet und während des Studiums auch eingeübt und reflektiert werden. Fachwissenschaftliche, fachdidaktische und fächerübergreifende Begründungen, die lerntheoretisch und entwicklungspsychologisch fundiert sind, müssen einer solchen Ausbildung zugrunde liegen. Eine Ausrichtung des Literaturunterrichts an Kompetenzmodellen ist heute noch ungewohnt für ein Arbeitsgebiet, das sich stets als kreativ und schöpferisch definiert hat und damit auch als schwer evaluierbar galt und gilt. In der Tat soll auf die kreativen, schöpferischen und erkenntnisorientierten Lernziele des fremdsprachlichen Literaturunterrichts ja auch nicht verzichtet werden, wenn ein Kompetenzmodell benutzt wird; vielmehr wird der Blick auf alle Lernbereiche des Fremdsprachenunterrichts gelenkt, auf die pädagogischen, die interkulturellen, die sprachlichen und die literaturdidaktischen. Sie werden durch das Kompetenzmodell nebeneinander projiziert, auf ihre Brauchbarkeit für die Lernenden geprüft und in ihrer möglichen Evaluierbarkeit abgeschätzt. Dabei versteht es sich von selbst, dass die oben angeführte Liste von Kompetenzen natürlich für die Jahrgangsstufen 3 bis 13 konsekutiv erweitert werden muss. Darüber hinaus ist es ratsam, sie durch schulformspezifische Kompetenzbeschreibungen zu ergänzen, die nach einer realistischen Einschätzung des Leistungsvermögens der jeweiligen Lernerklientel zunächst als Hypothesen formuliert werden und dann empirisch überprüft werden sollten. Eine solch verifizierte Liste von Kompetenzen benötigt auch eine methodische Kommentierung, die zu den einzelnen Lernzielbereichen eine vielfältige Auswahl erprobter Arbeitsmuster liefert, sowie eine Beispielsammlung von Texten, in der sich für die verschiedenen Leistungsstufen nach einem sehr breit angelegten Textbegriff Beispiele aus einem „offenen Kanon" finden lassen. So ausgestattet, kann das Kompetenzmodell als Grundlage der literaturdidaktischen Ausbildung von Lehrkräften helfen, den Fokus der Arbeit mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht neu zu strukturieren, diese Arbeit breiter anzulegen, in sprachliche, literarische sowie in interkulturelle Aufgaben einzuteilen, die sowohl kognitive als auch kreative Aspekte umfassen. fLuL 35 (2006) Interkulturelles und sprachliches Lernen mitfremdsprachlichen literarischen Texten ... 119 Literatur ALDERSON, J. Charles (1984): "Reading in a foreign language: a reading problem or a language problem? " In: ALDERSON, J. Charles / URQUHART, A.H. (Hrsg.): Reading in a Foreign Language. London, New York: Longman, 1-27. BARTLETT, Frederick Charles (1932): Remembering. A study in Experimental and Social Psychology. Cambridge: Cambridge UP. BERNHARDT, Elizabeth B. (1991 ): Reading Development in a Second Language: Theoretical, Empirical, and Classroom Perspectives. 2. Aufl. Norwood, N.J.: Ablex Publ. 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The essay explores the ways in which the reading and discussion of recent Anglophone Arabic writing by female authors may contribute to the widening or change of perspective, and assist students and teachers to engage in a topical cultural debate. By concentrating on such categories as "social class", "public versus private life", "history, culture and identity", as weil as particular writing techniques, here especially the method of mixing languages, this study draws attention to aspects which may serve individuals as starting-points to become engaged in the debate of how societies learn to negotiate cultural diversity. In the process, the difference of perspective presented in the examined texts as weil as the innovative treatment of traditional topics associated with Oriental exoticism are revealed as constituting central ingredients of the novels' pedagogical potential. 1. Introduction When Samuel P. Huntington' s Clash of Civilizations was published in 1996 and met with mixed reviews (as well as harsh criticism from non-Westem nations), few could foresee that the debate opened up with this text would not die down within a few months. Quite the opposite: the issues somewhat polemically raised by HUNTINGTON gained in fervour after the terrorist attacks in the USA (2001), Europe (2003, 2005) and South EastAsia (2002, 2003, 2005), especially since the targets bad been symbols of Westem civilization or citizens of Westem nations. Over the last few years an awareness of new dangers, the discussion of their possible prevention, and the questioning as well as frantic assertion of national and cultural identities have taken centre stage in various media to the extent that in this country the "end ofthe multiculturalutopia" has been predicted, with many ofits pronouncers hardly knowing what they are talking about. Given the possibility that Westem nations regress into (neo)colonial ways of thinking when asserting, for example, "European" and the "Free World's" values or in fact their own cultural difference and frequently superiority, the texts of a handful of Arabic writers of fiction deliberately publishing in English and addressing topics that relate to history, politics and identity have suddenly become important and interesting. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Brigitte GLASER, Univ.-Prof., Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Englische Philologie, Käte-Hamburger-Weg 3, 37073 GÖTTINGEN. E-mail: Brigitte.Glaser@phil.uni-goettingen.de Arbeitsbereiche: Postkoloniale Literaturen, Literatur und Naturwissenschaften, Literatur des 18. Jahrhunderts. lFLuL 35 (2006) 122 Brigitte Glaser 2. Intercultural and Pedagogical Potential They become even more so when they are successfully employed in the classroom, not only because of the topicality of issues they raise but also because of their immediate appeal owing to generic, perspectival and stylistic peculiarities. The texts to be explored here, Leila ABOULELA's The Translator (1999), Samia SERAGELDIN's The Cairo Hause (2000) and Ahdaf SOUEIF's The Map of Love (2000), assist students and future teachers in their participation in the above-mentioned cultural debate. The novels present themes relating to cultural difference in accessible, because generically mixed and hence highly readable forms, in works which juxtapose East and West, historical times and the present, public and private lives, men and women. By proposing a different perspective on "East" and "West" and by shifting the emphasis somewhat when addressing topics usually associated with "the clash of civilizations", the novelists implicitly question the meaning of"truth" and the assertion ofknowledge conceming other cultures. Thus they help both students and teachers to engage in a more varied debate about pressing cultural issues. The three novels may be usefully employed in a teaching environment for the following purposes: • as starting-points for further research as well as discussion; • as tools to help students select and research topical issues and compare the results to what is generally known about them; • to draw readers' attention to the discrepancy ofperspectives and induce them to discuss ·a variety of positions, perhaps even to look at things in new ways; • as sources which provide students with new information on history, culture and traditions, their own as well as those of others. To give an example pertaining to language, the strategic postcolonial use of Arabic forms of expression, whether rendered in the original or "translated" into an English that imitates Arabic speech pattems, may well beyond its political objective have a twofold effect on readers: make them recognize linguistic possibilities of courtesy and ornamental articulation they themselves are deprived of and at the same time make them appreciate their own, more rational approach to language practice. In the following I will explore aspects that illuminate the interesting nature of these texts and moreover point to the novels' usefulness in the classroom. At the centre of my analysis will be, after an introduction of the authors' "in-between" situation as well as some characteristics of postcolonial writing, those categories which are particularly conducive to classroom discussion. 3. Narrative Perspective and the Question of Difference First, there is the question of perspective to consider, that is, the question of who is writing about Arabic cultures when, where, and for which audience. Ever since Edward SAID's important study Orientalism (1978) we are aware ofthe fact that for centuries Europeans have confronted Arabic cultures in a stereotyping manner, setting up binary FLulL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 123 oppositions between "us" and "them" in scholarly works, juridical and political writing, as well as fiction. These dichotomies are particularly evident, as far as England is concemed, in colonial or so-called Empire writing, in which non-English cultures are traditionally presented as "other" and hence inferior. To manage Othemess colonizers tended to develop coping strategies in the form of homogenizing negative generalizations, for example, categories ofWest versus East, with the West defining the East as "other" and therefore lesser, effeminate, savage, monstrous, and expendable, as well as being sexually depraved, just to mention a few. Reacting to these discriminatory depictions ofthe past and the condescending attitudes implied in them, postcolonial writers consequently approach past and present with a frequently clear political agenda, focusing on racism and discrimination, and on a reversal of colonial structures while maintaining patriarchal structures and often describing public life in terms of aman's world (cf. B0EHMER 1995: 60-97; SARDAR 2002). There are only a few exceptions to the rule, among them writers like E.M. F0RSTER or Ruth Prawer JHABVALA, who could be described as being "inbetween" (as far as gender, race, class or ethnicity are concemed) and who at times choose to present open-minded, sympathetic female characters who display curiosity about other cultures and an interest in faimess and tolerance. More often, however, we encounter a tendency of depicting cultural difference and cultural conflict in the form of binary oppositions and later as reversed oppositions. Given this trend, the appearance over the past few years of Anglophone Arabic women writers is particularly interesting. What authors like Aboulela, Serageldin and Soueif share is the experience of displacementcultural, linguistic, and gender-related as well as the position ofthe outsider. All ofthem have lived for at least a decade in countries in which predominantly English is spoken, they are university-educated, and of an (upper) middle-class background. Since they have grown up in Arabic countries and have lived in Arabic cultural and linguistic settings, and since they have also come to know life in Great Britain or the United States respectively, they are able to compare and evaluate East and West. When they write about Oriental cultures, they write with the particular slant of looking at them from the outside while knowing them intimately. In addition, they bring to bear their female perspective on what is often regarded as a male-dominated society. When these women write in English about Arabic cultures while living in the West, the aspect of "translation" in a literal and metaphorical sense becomes important. All of them seem to feel the need to translate and transmit not only their particular linguistic but also their cultural and gender-specific experience ofbeing Arabic Muslim women (cf. AHMED 1992). In this endeavour, their female perspective, i.e. one that has in the West traditionally been considered a marginalized and suppressed one, is now given a central place. Thus, individuals who have for a long time been confronted with the cliches of having no voice, no rights, no education, hence no true understanding of culture or politics, now insist on having their voices heard, not only at home but also in faraway places and around the globe. By choosing to write in English Aboulela, Serageldin and Soueif deliberately address an extended readership and take part in an international discourse. They contribute to the kind ofhybrid literature which some call "world litera- JFLuL 35 (2006) 124 Brigitte Glaser ture" and, as is evident from their non-fictional writing and ofinterviews with them, to the mediation of cultures. The question may arise of whether these writers have wanted to produce a didactic literature in the form of history lessons or whether their intention was merely to entertain by presenting (more or less) romance literature. Ifthe former is the case, then the methods they use are worth looking at. 4. Identity, History, and Language in Postcolonial Writing The essay's title draws attention to terminology frequently employed in the analysis of postcolonial writing. Given the various ways in which these notions are used, a brief explanation oftheir present meaning and significance is required. "Identity" is generally regarded as a complex concept with shifting emphasis in the attempts to define it. In our particular context, it is not only the aspect of gender, that is, the already mentioned female perspective, which is important but also those of allegiance and choice. As Charles TAYLOR (1989) has established, what matters aside from what an individual is bom into and/ or told to be is what he/ she chooses to become, in short, the commitment, whether spiritual, political, or personal the individual chooses to make. This aspect of commitment should be kept in mind. Politics and history as factors that also ought to be considered do not come as a surprise, given the authors' Egyptian or Sudanese background and the history of cultural grandeur and decline, changing religious beliefs, and lengthy periods of shifting colonial occupations it implies. Especially among Muslims, there is a strong awareness ofhistory, as Bemard Lewis has pointed out: "Islamic history, for all Muslims, has an important religious and also legal significance, since it reflects the working out of God's purpose for His community" (LEWIS 2003: xviii). Egyptians in particular, as emerges also in Soueif's novel The Map of Love, are suffering because of their divided cultural heritage, as on the one hand they are immensely proud öf their ancient Pharaonic history, while on the other hand they are depressed about the long periods of foreign domination (which in part contributed to the Middle East now being in shambles and the future uncertain). In an interview Soueif drew attention to the importance ofhistory for her fellow countrymen and -women: We Egyptians are indivisible from our history. I don't know if this is particular to us as a people who have had so many wrenchings in their history, so many occupations followed by national resurgence then another occupation and so on. lt is this that gives us this compulsion to go back to find out who we are. (Quoted in Cairo Times, 30 April 1998) This quotation already indicates the close connection of history and identity and the implicit need to explore these aspects in fiction, hence also the usefulness of these novels for instigating respective debates. The novels are surprisingly accessible, mainly because of their generic peculiarities. All the selected texts deal extensively with private life, family, and personal relationships. Some ofthem are projected in the form oftraditional romance stories, and yet in all of them there is also the layer of history and politics. But does that already make them lFLuL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 125 historical novels? And when can one define a fictional text as a "historical novel"? From the many scholarly works on the subject, David Cowart's History and the Contemporary Novel proves tobe a suitable source für a definition that is not too restrictive and inclusive. According to COWART (1989: 6), historical fiction could be described as "fiction in which the past figures with some prominence", that is, "any novel in which a historical consciousness manifests itself strongly in either the characters or the action". Writers of contemporary historical fiction often combine public and private history and, in the process, are selective with regard to events, characters and situations from public history, using them mainly in order to emphasise their effect on private life. Furthermore, the aspects of self-reflexivity with its drawing attention to the text' s constructedness, subjectivity, and relativity, combined with the preference for hitherto marginalized narrative perspectives, have to be added as important ingredients of. contemporary historical fiction. With their focus on personal experiences in historically turbulent times and, for Westem readers, exotic settings, the novels of Anglophone Arabic women writers clearly participate in the contemporary fictional discourse of history. The above-mentioned authors - Aboulela, Serageldin, and Soueif share characteristics which readers will also discover in the lives of their female protagonists: they were bom and raised in Sudan (Aboulela) or in Egypt (Serageldin, Soueif), grew up in privileged circumstances and were provided with a good education before they left their homelands to obtain advanced university degrees in Great Britain, found work there or in the United States (usually as university teachers), married and raised families. All of them adjusted their lives and personalities to accommodate the requirements of being "inbetween" ofholding a transitional position between cultures and between worlds. In her novel The Cairo Hause, a semi-autobiographical text describing a woman's retum to her native country Egypt after more than a decade's absence, Samia Serageldin aptly describes the state ofbeing "in-between" as that ofbeing a chameleon: But the true chameleons are the ones who straddle two worlds, segueing smoothly from one to the other, adjusting language and body language, calibrating the range of emotions displayed, treading the tightrope of mannerisms and mores. If it is done well, it can look deceptively effortless, but it is never without cost. There is no hypocrisy involved, only the universal imperative underlying good manners: to do the appropriate thing, to make those around you comfortable. For the chameleon, it is a matter of survival. (SERAGELDIN 2000: 1 f) Interestingly, choosing the topic ofmoving between cultures and focusing on characters who, owing to circumstances or choice, could be described as migrant individuals endowed with flexible, perhaps hybrid idep.tities, Anglophone Arabic writers enable readers to encounter foreign places and also to move imaginatively between cultures. Moreover, they contribute to Westem readers' growing awareness of the different lives their fellow citizens may have led before arriving in their countries, often as a result of the West' s previous colonial involvement in the world of the migrants' ancestors. 1 An interesting example recently published in Germany to positive reviews and dealing with the same issues is Feridun ZAIMOGLU's Leyla (Köln: Kiepenheuer & Witsch 2006). lFLlllL 35 (2006) 126 Brigitte Glaser The postcolonial dimension of Anglophone Arabic fiction emerges especially in the issues of "writing back" and language. All these texts, written in English and published in Great Britain or the United States, are clearly intended for a Westem audience to whom they introduce aspects of the East. A central motif of The Map of Love, for example, is that of the Oriental travelogue and the encounter of an exotic culture, with the Englishwoman Anna Winterboume visiting Egypt in the year 1900 and wishing to leam about the new country. At the same time, and importantly so, the central perspective is Eastem, as it is Amal al-Ghamrawi, Anna's Egyptian relative almost a century into the future, who pieces together the fragments from the past, adds her own experiences and life-story, and above all uses her imagination to fashion a compelling and engaging narrative. The issue of language should also not be underestimated in its importance for postcolonial considerations. Many years ago Ngugi wa Thiong'o already pointed out its significance when he stated that "[c]ulture is almost indistinguishable from the language that makes possible its genesis, growth, banking, articulation and indeed its transmission from one generation to the next" (quoted in CHILDS 1997: 196) and when he argued that the colonizer's language was a crucial tool for "the domination ofthe mental universe of the colonized" (ibid. ). Theorists of postcolonialism such as Ashcroft, Griffiths and Tiffin have, however, found, .on the basis of primary literature they surveyed, that the colonizer' s language may indeed also be used subversively, for example through "the employment ofneologisms, altered syntax, [and] vemacular rhythms" (CHILDS 1997: 194). This aspect of language is of particular interest in Soueif's novel, as there the author, herself a trained linguist, imitates Arabic speech pattems in English, uses idiomatic expressions, and even inserts numerous Arabic words and phrases into her text. A good example ofSoueif's approach is the strange, semi-magical scene in which the present-day American Isabel meets in Egypt Umm Aya, an old woman from her ancestral past, who welcomes her at a shrine: 'Salamu 'aleikum ya Sheikh 'Isa,' she cries again as she hurries up to Isabel. 'Marhab ya Sett, welcome! ' Isabel scents a whiff of orange blossom as she is folded against the woman's warm, substantial breast. 'Welcome and a hundred times welcome,' she cries again. 'Sit down, my darling, sit down, lady ofthem all, why are you standing like this? Shouldn't you ask your guest to sit down, ya Sheikh 'Isa? Nevermind, my darling, don'thold itagainst him. We don't getmany visitors. Apart from those who come to visit Sidi Haroun - [...] they come in nations. Of course they don't come in here, but they bring light for us too as you see. But you have brought us light and honour. Welcome, welcome! Shall I make you some tea, or what would you like? Will you drink tea, ya Sheikh 'lsa? ' (S0UEIF 2000: 294) This scene serves to establish an Oriental setting, convey the warm-hearted hospitality of the local population, and indicate peculiarities ofthe Arabic language, such as the association of a visitor' s arrival with the positively charged notions of "light" and "honour". Language here, and repeatedly in the novel, functions as a means of rendering Arabic dignity and politeness and is meant to suggest good manners and (surprisingly? ) civilised conduct. Another recurring and typically postcolonial aspect is the question of identity, which writers of the New English Literatures traditionally approach in various ways, often lFLuL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 127 juxtaposing different notions of postcolonial identity. Among the most frequently recurring representations of identity are those emphasizing universalism, difference, and hybridity. Thus readers may be introduced to characters who hold the view that "all people and human societies share fundamental cognitive, emotional, ethical and other principles" (HoGAN 2000: xv) and act accordingly. A typical example ofthis universalist approach would be people's tendency to "fall in love", that is, to have the same kind of feeling all around the globe. The similarity of emotions then allows for communication between unlikely partners while at the same time also permitting individual uniqueness. Ngugi wa Thiong'o, for example, has stressed the compatibility of universalism with cultural particularity and diversity. The opposite ofuniversalism is the authors' emphasis of difference, which often manifests itself in the form of nationality-based stereotyping, in our texts usually in the contrast of colonizers and colonized or, on the present-day layer, neo-colonial powers versus postcolonial (or formerly colonized) countries. Hence events and experiences of the past form the background against which present-day problems are explained and they constitute sources ofhostility, nationalism, violence and hatred. The third possibility, the option of presenting characters with hybrid identities, has become a favourite choice ofthose who themselves are migrant writers in a globalized world. While they depict some of their characters as being happily able to move between countries and continents, cultures and languages, they show others as being affected by the disadvantages of globalization, that is, by permanent dislocation, loneliness, distance from and discontinuation of family traditions. Examples of all of these identity-related manifestations may be found in the works of the mentioned writers and make for suitable aspects contributing to class discussion or further research into cultural differences. A number of topics that lend themselves to learning about the mediation of cultural difference will now be explored in a comparative analysis of the three novels (see summaries in the appendix). Concentrating on categories such as "social class", "public and private life", "writing techniques", and "history, culture, and identity", I hope to draw readers' attention to the implicit political layer ofthese texts and thus point to the usability of these categories for classroom discussions. 5. Mediating Cultural Difference through Fiction: Useful Categories for Classroom Discussion 5.1 Social Class In all three novels the female protagonist belongs to the privileged segment of Arabic society, hence lives the kind oflife her respective creator is familiar with. Other segments of society are consequently referred to or taken notice of only in a limited way. Aboulela's Sammar, the translator, is an educated woman with marketable skills who has quickly learned to make her living in Aberdeen and has become financially independent. In the contrasting Khartoum sections, however, the relative poverty and supposed backwardness ofthe people there emerge as well as the effects of globalization on Sudan. But since we are introduced to Sammar's relatives as privileged Sudanese living in the lFLulL 35 (2006) 128 Brigitte Glaser capital, using the latest technology imported from the West, and providing their children with a university education, we are only shown a small slice of that country' s reality, which leaves out completely the devastating effects of the Civil War and the immense poverty of the rural population. Serageldin's The Cairo Hause describes the effects of changing politics on a privileged family of property and influence. With the introduction ofNasser's "Arab Socialism" in the early 1960s, the members ofGigi's family are ranked with "the enemies of the people" and are discriminated against. Later, after Sadat's opening up of Egypt to capitalist ventures, their situation improves again but they have already lost their political influence and by then are about to lose also their family estate in Cairo. The end of the novel presents an Egypt in which corruption rules and in which at best economic entrepreneurs of a questionable background have a chance of doing well. The initially celebrated Egypt characterised by great hospitality, Mediterranean lifestyle, and comfortable living has gone, with many of the formerly privileged trying their luck abroad. Soueifs The Map of Love is the one text in which Egyptian society is rendered in a balanced way, as it includes representatives from all walks oflife. While Soueifs focus on the 1900 layer is on the prosperous intellectuals ofthe country, among them foreigneducated lawyers, doctors, and politicians, there are abundant references to members of the servant-classes as well as the rural population, the fellahin. The latter are particularly shown in the context of the effects colonialism has had on them. All segments of society on both time layers are depicted as very politicised, the implication being that they are that way because one colonial system has simply replaced another. The period around 1900 concentrates on members of the upper and middle classes who have been exposed to Western values and are therefore open-minded towards and interested in Europe, especially France and Italy, while simultaneously supporting Egyptian nationalism. Egypt in the 1990s, in contrast, is portrayed as a country marked by the growing gap between rich and poor, concems about the unresolved question of Palestine, the problem of an expanding population, wide-spread anti-American sentiment, recurring terrorist attacks, and increased Islamist influence. Although the dominant perspective is that of privileged individuals, the general future outlook all three texts provide is a sceptical if not disillusioned and gloomy one. 5.2 Public / Private Life Especially Serageldin and Soueif establish in their novels clear connections between public and private life. Gigi, the narrator of The Cairo Hause, describes the time inwhich she was nine as "the year 1 became aware, for the first but not the last time, that my life was susceptible to being caught in the slipstream of history, that a speech broadcast over the radio could change my life forever" (SERAGELDIN 2000: 3; italics in the original). President Nasser's 1961 speech on television, announcing a drastic change in politics, leads to the sequestration of her family and the confiscation of their estate, putting an enormous pressure on friendships and marriages. A few years later her uncle Ali, then Nasser's personal physician and suspected of disloyalty, is poisoned. The young Gigi lFLuL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 129 mainly agrees to marry Yussef Zeitouni, an upcoming businessman who is largely indifferent to her, because she does not want to disappoint her ailing and politically disillusioned father. Divorce, separation from her son, and exile will result from this combination of politically difficult times and mistaken personal decisions. Her many years in France and the United States lead to the alienation from her son and her homeland, and to the realization that an eventual return to Egypt would be futile, as the home she once knew no longer exists. Ahdaf Soueifs novel The Map of Love begins and ends with references to a child waiting for her father: "The child sleeps. Nur al-Hayah: light of my life. [. . .] I have tried, as weil as I could, to tel! her. But she cannot or will not understand, and give up hope. She waitsfor him constantly" (SOUEIF 2000: 4,510; italics in the original). What we do not know when we first read the passage is that the dead father the little girl is waiting for is the novel's male protagonist Sharif Basha al-Baroudi, one of the central characters ofboth the romantic and the political plot on the 1900 time layer. Throughout the years the two lovers Anna and Sharif spend together, their relationship, marriage and family life are deeply affected by politics. SharifBasha's involvement in the nationalist cause and later his decision not to connect himself with any particular side or political group eventually render him isolated and exposed, a perfect target for the assassin whose identity will never be established. Aside from the topic of British colonialism and its fostering of Egyptian nationalism Soueif at length deals with the so-called ''woman question" which, as she shows, has both public and private reverberations. In Egypt, aspects of the "woman question" debated by politicians and intellectuals and followed with interest by upper class females included women's access to education, the segregation of the sexes, and the wearing of supposedly proper clothing, that is, the veil. Soueif certainly contributes to the mediation of cultures through her exceptional representations of the harem and the veil: at least twice the Englishwoman Anna Winterbourne is depicted as experiencing her wearing of the veil as liberating and protecting, for example when she travels by train dressed as an Egyptian woman: "While I was wearing it, I could look at wherever I wanted and nobody could look back atme" (SOUEIF 2000: 195). A comparable situation of freedom she only senses when she cross-dresses as a man and sets out on her own for a trip to the desert. Furthermore, the image of the harem conveyed to us in this novel is that of a place of political activity, hence quite the opposite of conventional Orientalist depictions emphasising leisure, exoticism, and lasciviousness. In The Map of Love the harem becomes the site in which women meet in order to promote female education, launch a ladies' magazine focusing on educational and political issues, and engage in editorial and translation work for husbands and male relatives. In her memoirs Layla Hanim al-Baroudi describes her sister-in-law's activities as follows: "Anna jokes that the harem had made a working woman of her, for she was constantly occupied in preparing for her classes, writing for the magazine and translating from and into English for my brother" (SOUEIF 2000: 435). Rather than assigning to her household responsibilities, SharifBasha increasingly involves Lady Anna in his political deliberations and makes use of her language skills and her connections in Britain to spread his ideas abroad. She in turn takes up the Egyptian nationalist cause as her own, even relFLuL 35 (2006) 130 Brigitte Glaser garding her three-piece tapestry as her personal contribution to the Egyptian renaissance. Interestingly her woven picture shows a family and at the same time central figures of ancient religious beliefs, the Goddess Isis, her brother consort the God Osiris, and their child Horus. Thus she brings together both private and public life. 5.3 Writing Techniques Another important aspect the three writers share is the employment of narrative techniques that link the stories to female perspective as well as the histories and cultures of Egypt and Sudan. Serageldin and Aboulela use the more conventional means of firstperson narrative or third-person limited perspective with a focus on the female protagonist, and both include shifts between past and present on the basis of memories being triggered by journeys back home. Soueif, however, presents a complex text combining different generic fragments, time layers and perspectives, and in fact employs several techniques usually associated with postmodern "historiographic metafiction" (cf. HUTCHEON 1988). Through the use ofthe central narrator Amal al-Ghamrawi, who not only pieces together remnants ofthe past like diaries, letters, andjournals, but also adds to and embellishes them with the help ofher imagination, Soueif emphasises the element ofsubjectivity. Working on what she calls her "Anna project", Amal repeatedly stresses her fiction-making activities: "But then I know how the story ends. I don't think that matters. We always know how the story ends. What we don't know is what happens along the way" (SOUEIF 2000: 74). This "along the way" she, Amal, as well as Soueif provide for us. With the story gradually unfolding, taking place on two time layers, and including recurring and interlinking aspects, readers may be rerninded of a mosaic slowly revealing its image or, to stay within the context of the novel, a tapestry in which different strands are woven together to produce the desired picture or message. The metaphor of weaving is in fact used by Amal to describe her rendition of Sharif Basha al- Baroudi as "the man I imagine he must have been" (SOUEIF 2000: 251 f). Soueif furthermore presents with The Map of Love a hybrid text in which different languages are used alongside each other. This becomes evident from the varieties of English employed and interspersed with Arabic words and phrases, rendered intelligible only through a glossary at the end of the text. What may sound like "incorrect" or "funny" English is a language developed deliberately to convey national and class differences. Hence Soueif does not content herselfwith indicating her characters' communication in English, Arabic or French through different typesets but she also tries to meet, as she says, "the need to fashion an English that will express an Arab reality" (quoted in SHANNEIK 2004: 58), thereby creating linguistically a narrative which reflects the colonial and postcolonial contexts ofthe stories it tells: English here accords a liberating lexical storehouse and semantic sanctuary. While the hybridized English provides this idiomatic advantage, it maintains the distinctiveness of the composite culture, ethos, and predilections involved. [...] the reader feels that the English text is actually a translation whose original, once existing in the author's mind, is now non-existent. This palimp- FLuL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 131 sestic process indicates at once erasure, reconstitution, and reorientation, thus straddling cultures, interfacing texts, and re(de)fining enunciation to fit the requisites of the reinscribed version in English. (MALAK 2000: 161) Most often, this hybridized English is rendered in the dialogues, usually in order to convey casual conversations among family members or to show the devout, and yet at other times also ironic, attitudes of Arabic servants towards their masters. Furthermore, the Arabic language itselfoccasionally becomes a subject of reflection, for example when the word "mirror" is etymologically reconstructed for Lady Anna who is leaming the new language (SOUEIF 2000: 375), or when she a little later ponders in her joumal the eight Arabic words for "love" she knows by then, each of them denoting a carefully nuanced form of the sensation (SOUEIF 2000: 386 f). The author here clearly uses language as a liberating force, suitable to convey her feminist ideas and progressive political notions. 5.4 History, Culture and Identity In all three novels we find the interplay of history and individual life story. Frequently, the connection of personal identity and historical events is influenced by the degree of curiosity about the "other" an individual is able to display. In Aboulela's The Translator, for example, the eventual relationship between the Scottish academic Rae and the Sudanese translator Sammar would not have been possible without the man's long-standing interest in the Middle Bast. Rae's extensive knowledge ofthe colonial histories of Arabic countries and his openness towards Sammar' s particular background and experience help them overcome cultural differences. The female protagonist and first-person narrator Gigi ofSerageldin's The Cairo House clearly states retrospectively that she considers her life as having been moulded by the history of her country. She even presents herself as a victim of history, realizing in the end that there is no chance for happiness in her life because the Egypt she once knew no longer exists. Unfortunately, we encounter in this novel also a woman who appears little in control ofher own destiny, who has intemalised the patriarchal structures she grew up with, and who repeatedly places her own needs second. As a consequence, Gigi's eventual decision to retum to the US to an unhappy marriage and an indifferent husband will, as she knows, render her an emotionally paralysed person, culturally alienated and displaced. The reconstruction in Soueifs novel of Anna Winterboume's Oriental experience begins with the effects ofthe Sudan affair on her family, that is, her first husband's death and her father-in-law's growing bittemess about the Empire. lt is her curiosity about the "other" which leads Lady Anna to travel abroad. Soon after her arrival in Egypt, the gradual process ofher cultural adaptation is set in motion: her first-hand experiences of fellow English expatriates displaying condescending, even jingoist attitudes towards Egyptians induce her to distance herself from them and develop her own ideas. What starts out as sympathy with Egyptians and their plight and a wish to leam about the real Egypt tums into the decision to stay on and become personally involved in the country's fate. The initial problem of communication is solved through a recourse to the French lFLuL 35 (2006) 132 Brigitte Glaser language, later deliberately maintained to ease the cultural gap between husband and wife, as Sharif Basha points out: "lt makes foreigners of both of us. It's good that I should have to come some way to meet you" (SOUEIF 2000: 157). The aspect of cultural difference is one Amal imagines to have weighed heavily on Sharifs mind when she renders imaginatively his dividedness about a relationship with Lady Anna: "Could she ever know him? Could he ever know her? Or would they always hold fast to what they imagined of each other so that life together would for each be more lonely than life alone? " (SOUEIF 2000: 272). Towards the end of the novel, at a time when Amal's imaginative and emotional involvement in Lady Anna's story is much advanced, the author Soueif, sharing of course with her female characters the experience of moving between cultures, has Amal ponder the possibility of somehow bringing diverging cultural backgrounds together in one's life: [...] I find myselfwondering ifthere is some sense in which this, Anna's Egyptian life, will only be fully real to her once it has been linked with her older one, witnessed by someone she has known and cared for from her earliest days? She never says this, or even hints at it, in letters or in her journal. In Egypt she met a man she could love and married him, she had his child, she found a place within his family. She also found a cause. But she cannot speak her own language, cannot see her own people and they cannot, or will not, see her. Does this cast a doubt over her life make it seem provisional? And is this part ofthe reason why she adopts Egypt's cause with a more or less relentless fervour? (SOUEIF 2000: 465) What Amal describes here is an individual's need tobe part öfthe society and culture of her choice, while being able to maintain previous loyalties. Being affiliated with the sides of both colonizer and colonized creates an unbearable pressure, the novel suggests, as well as a tension that is only eased through political involvement. 6. Conclusion Exactly this political involvement is also noticeable on the part ofthe three Anglophone Arabic women writers here. With their texts successfully mediating difference, they have made it their objective to familiarize readers in the West with the histories and cultures of their native countries. Themselves sharing the experience of dislocation, transition and alienation, they have projected characters who also know about exclusion, linguistic disorientation, political turmoil, and exile. With the help of their female protagonists, these authors succeed in providing new, women-centred perspectives and at the same time subverting stereotypical perceptions Westemers may have had about the East (as does, for example, Ahdaf Soueif in her rendition of the harem and the "woman question"). By making their readers aware ofthe places they themselves have come from and by pointing again and again to the legacies European colonial powers have left behind in their ·homelands, they clearly endow their texts with a political dimension, one that frequently shows the respective country as being caught in a vicious cycle of colonialism, neo-colonialism, globalization, and home-made problems. These complex, at times disheartening issues are, however, incorporated in highly readable texts. lt is in fact the FLuL 35 (2006) Mediating Cultures in the Classroom: ... 133 authors' choice of genre that greatly facilitates their proj ect of cultural mediation. Making use of the romance tradition or the first-person confessional memoir, diary and travelogue, they have produced appealing narratives verging on popular literature, yet never suppressing their serious historical and political dimensions. The perspective they bring to bear on the subject matters presented in their texts is (still) an unusual one, that ofthe educated Arabic woman of a privileged economic background who is free to move around geographically and express her opinion. Merely the acknowledgement of such a perspective goes a long way towards overcoming stereotypical projections of cultural difference. All three texts are suitable as teaching material used in discussions on contemporary migrant realities, since their authors raise issues worth exploring in detail. For example, they depict characters of different cultural backgrounds trying to live together, not merely in a larger community but also in family situations. Tensions arising from differences in language, historical experience, and traditions are addressed in the portrayal of problems of understanding each other and of attempts at communication. The three novelists are evidently critical of seeing the solution to cultural conflict in full-scale assimilation, that is, in the need of the minority representatives to abandon their culture(s) and adopt without reservation the cultural conventions of the host country. Rather, they project images of culturally diverse communities in which individuals are respectful of and curious about each other's background and thus create in their fiction what they themselves are practising in their lives and now propose to others as an option to consider. By paying attention to the above-mentioned analytical categories of "social dass", "public and private life", "writing techniques", and "history, culture, and identity" in representative examples of postcolonial writing such as the selected texts of Anglophone Arabic female authors, teachers and students will gain new insights into the problems and particularities of contemporary migrants' lives and thus acquire skills facilitating their involvement in the increasingly important debate about the pros and cons of living in a culturally diverse society. References Primary Texts: ABOULELA, Leila (1999): The Translator. Edinburgh: Polygon. SERAGELDIN, Samia (2000): The Cairo House. Syracuse, N.Y.: Syracuse University Press. SOUEIF, Ahdaf(1999; rpt. 2000): The Map of Love. London: Bloomsbury. Secondary Literature: AHMED, Leila (1992): Women and Gender in Islam. New Haven and London: Yale University Press. BOEHMER, Elleke (1995): Colonial and Post-Colonial Literature: Migr.ant Metaphors. 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The novel is set in two contrasting cities, Aberdeen and Khartoum, as a result of which we find the protagonist Sammar at pains with the contradictions that exist, not just in location, but also in religion and culture. Since religion is the dominant force in the young woman's life, she returns to Khartoum tobe reunited with her son rather than staying with a non-believer. Hence she is heartbroken for a second time. In the end she is reunited, however, with the man she loves who has unexpectedly converted to Islam. Samia SERAGELDIN, The Cairo House: The novel tells the story of a prominent Egyptian family's struggle to survive the turmoil ofpost-WWII Cairo. The female protagonist Gigi grew up in a wonderful house in Cairo, which was home to a large, extended family. The men of the house were involved in politics and business, cotton and trading, and the women visited and gossiped, shopped and arranged marriages and other family matters. The house was always open to visitors, political associates, and family, hence the centre of the traditional Egyptian hospitality that mixed easily with a cosmopolitan style. W e encounter here an opulent world that seemed unchangeable. But the time of privilege was ending with the change in politics. Many of the pashas were forced into exile, and for those who remained in Egypt there was an uneasy mix of new expectations and old traditions. Gigi, a modern woman from a patrician background, is faced with the conflicts between a traditional marriage and the loss of farnily, between exile and the need to create a new life while striving to stay in touch with her roots. The novel thus presents to us a family and culture in transition. Ahdaf SOUEIF, The Map of Love: This novel constitutes a massive family saga that draws its readers into two moments in the complex, and troubled, history of modern Egypt. The story begins in New York, in 1997: Isabel Parkman discovers an old trunk füll of documentssome inEnglish, some in Arabic-in her dying mother's apartment. Omar al-Ghamrawi, a man with whom she is falling in love, directs her to his sister, Amal, in Cairo. Together the two women begin to uncover the stories embedded in the joumal ofLady Anna Winterboume who travels to Egypt in 1900 and falls in love with SharifBasha al-Baroudi, and they learn about the unusual connections between their two families. British colonialism, Egyptian nationalism, the clash of cultures in the Middle East in 1900 and the present day: the different narratives of The Map of Love weave a subtle, and reflective, tale of love between culture and conflict, and are suggestive ofthe ways in which relations between individuals may (or may not) make the difference. FLuL 35 (2006) Guido RINGS * Broken Orientalism Using Literary Texts for lntercultural Training Abstract. This study starts from the assumption that intercultural training with literary texts should have a clearly defined position in foreign language teaching and leaming, and that this could facilitate the deconstruction of orientalist perspectives in contemporary political and media discourse. However, the marginalisation of intercultural objectives, methodology and methods in curricula, teacher training and course books that themselves reveal orientalist features demonstrate a long-lasting practical negligence in an anla that has been at the forefront of foreign language research in the last two decades. In the short and medium term, this enormous gap between theory and practice could partially be addressed by replacing inadequate sections in course books with literary work, using texts such as The Persian Dinner that have been successfully brought into a foreign language environment at Higher Education level in Cambridge. However, intercultural training in othet subject areas than foreign languages will have to support this temporary solution until substantially revised curricula and teacher training programmes start guiding authors and publishers to develop more adequate teaching and leaming material. 1. Methodological remarks Since the second half of the 1970s 'communicative competence' remains a guiding principle for the teaching and learning of modern foreign languages. In addition, there seems to be a consensus that such competence demands not only cultural but also substantial cross-cultural and intercultural knowledge and skills that could be achieved via interactive learning strategies. In the context of an increasing use of mass media, international tourism, EU expansion and an accelerated "Internationalisierung persönlicher Erfahrungsräume" 1, intercultural communication skills 2 have become a key topic for the methodology of foreign language teaching and learning (see SARTER 2006: 101) and, more broadly, a major educational issue (see GüGOLD 1999: 67). This study will go Korrespondenzadresse: PD Dr. Guido RINGS, Anglia Ruskin University, Bast Road, CAMBRIDGE CBl lPT, Great Britain. E-mail: guido.rings@anglia.ac.uk Arbeitsbereiche: Intercultural Studies, European Literature and Film. 1 RADDATZ (1996: 242), translatable as "internationalisation of spaces of personal experience". All translations into English are mine. 2 "Intercultural communication" can be defined as "interpersonale Interaktion" ('interpersonal interaction') between members of different groups that distinguish themselves as regards their archives ofknowledge as weil as verbal, non-verbal and para-verbal forms oftheir symbolic action (BOLTEN 1993: 18, 24). These differences in knowledge and language are a result of their belonging to dissimilar life experiences governed by a combination ofindividual and social images ofthe Seif, the Other and meta-images (20). JFLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 137 beyond that and regard intercultural communication skills in an increasingly global world as a necessary tool for successful living and working together. Fundamental to such intercultural competence are attempts to understand the Self and the Other, and a fruitful starting point for such a process comes from texts which express "die fremde Kultur in ihrer symbolischen Repräsentation" 3, i.e. in "such words and images as people use in their accounts of human action descriptions, reflections, and explanations that give testimony to local understandings of 'the self" (ROSALD0 1980: 29). Literary texts have a very rich potential for symbolic representations of cultures. In this sense, the cultural anthropologist Clifford GEERTZ defines literature as a "symbolisch dichte [...] Geschichte, die man einander über sich selbst erzählt" and gives it a status comparable to that of rituals and popular festivals. 4 SCHLIEBEN-LANGE maintains that literary texts offer "Elemente zur Konstitution von kulturellen Identitäten und zu deren Konfrontation" and regards them as "Modelle zur Entschärfung, Umdeutung, Aufhebung der Konflikte". 5 They have the capacity to re-construct emotional and cognitive equivalents of experiences in such a precise and dense form that they manage to stimulate the imagination and make these virtual experiences understandable. lt is not a coincidence that Fox has stressed the importance ofliterary texts as media for virtual cultural studies and an increase in intercultural awareness, which leads him to an inductive methodology: "Such an upside down educational model will begin by creating experience, then engaging emotion, as a means of discovering and embedding cognitive principles in the active learner" (2003: 99). 6 This method seems even more important if one considers the fact that intercultural encounters are more influenced by subjective images of the Self and the Other than by real life experience: Interkulturalitäät findet im Bereich der symbolischen Repräsentation von Kulturen statt, wo sie konventionellen kulturellen Erwartungshaltungen, wenn nicht gar interkulturellen Stereotypen ausgesetzt ist (BACHMANN-MEDICK 1987: 68). 7 BACHMANN-MEDICK (1987: 69), "the other culture is expressed in its symbolic representation" (my translation). 4 Clifford GEER TZ (1983: 252), a "symbolically dense [ ...... ] story that people teil themselves about themselves" (my translation). 5 SCHLIEBEN-LANGE (1997: 2, 16), "elements for the construction of cultural identities and for their confrontation", "models for a reduction, reinterpretation and settlement of conflicts" (see also MECKLENBURG 1990: 96). 6 This does not imply the kind of preference for affective aspects in intercultural foreign language teaching criticised by SARTER (2006: 101 ), but it stresses the need for an enhanced consideration of and linkage between cognition and affection in intercultural training. In contrast to Sarter, this study starts from the observation that both aspects have been marginalised so far (not only the cognitive part) and it does not subscribe to her assumption that affective features have usually "disadvantaged" and/ or "damaged" the teaching of language skills. If anything, it has been the teaching of intercultural skills that has suffered within environments focussing on vocabulary acquisition and grarnmar knowledge. 7 "Interculturality takes place in the area of symbolic representations of cultures within which it is subject to conventional cultural expectations, if not intercultural stereotypes" (my translation). lFlLulL 35 (2006) 138 Guido Rings Considering the quite substantial gap of intercultural experience of most school pupils and young students, an exploration of cultural encounters in literary texts ought to have a strong position in modern foreign language teaching and leaming. lt should by no means replace cultural explorations based on empirical evidence, but it deserves a clearly defined position next to them, in order to improve intercultural training in the foreign language classroom. 8 However, a closer look at curricula, teacher training and current course books for secondary, further and higher education quickly reveals that this is not the case. SARTER convincingly stresses that intercultural aspects are frequently only visible in the general leaming aims of school curricula and that they lack precision and methodological underpinning. In practice, this means that teachers tend to rely on themselves, their imagination, experience and capacity to transfer this into adequate leaming strategies (2006: 100). Teaching and leaming for the intemationally well-established and widely recognised 'Certificate of Proficiency in English' (CPE) seem to confirm such intercultural deficits in foreign language curricula, both inside and outside of the school environment. Considering that the preparations for this certificate are supposed to be at the cutting edge of contemporary foreign language methodology, it is surprising that neither cross-cultural nor intercultural competence seem to be of any relevance in this context, as current coursebooks and examination guidelines confirm. 9 All this becomes even more problematic if one takes into account the current standards for teacher training, where there is suggestive evidence of a severe lack of intercultural training as well: Für die Ausbildung als Lehrkraft für eine andere Sprache ist es eher Zufall und Glück, wenn die Notwendigkeiten der späteren Berufspraxis, kulturspezifisch ausgerichtete interkulturelle Kompetenz für eine Sprache, einen Sprachraum zu vermitteln, systematisch angegangen, vermittelt und erworben werden (SARTER 2006: 100). 10 Adequate course books would certainly help such teachers to compensate for deficiencies in both their school curricula and teacher training. However, previous experiences with course books for German as a Foreign Language teaching reveal that interculturallyoriented and structured texts are the rare exception rather than the rule. In the teaching of business languages, there seems to be on average a greater awareness of the need for A very interesting empirical project for school children seems to be the Cultural Awareness Project presented by JONES within which Turkish and English pupils select, exchange and comparatively discuss recurrent topics as regards the portrayal of their own culture in the print media, including texts and photos (1995: 27 ff). Such a project could differentiate and widen the more subjective but possibly in an affective and cognitive way symbolically denser and richer cultural exploration via literary texts, and vice versa. 9 See the ESOL guidelines from Cambridge University within which there is no mention of such concepts although the importance of opening up to a different high culture seems to be acknowledged. At least it is stressed that the successful candidates' level of competence gives them access to [...... ] areas of culture such as drama, fihn and literature (2006). 10 "Within the training of foreign language teachers it is more coincidence and luck if the needs for their professional praxis, meaning the ability to teach culture specific oriented intercultural competence for a language, are systematically approached, taught and leamed" (my translation). lFLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 139 intercultural training since failure in business communication might have direct economic implications for a company, and even delays in communication might not be acceptable as the 'time is money' attitude suggests. Unfortunately, the extremely scarce use of literary texts in current business language course books excludes them from our analysis, although such marginalisation is certainly notjustifiable on the basis ofthe observations made above, which also include business cultures. A first exploration of general-purpose language course books confirms the assumption of a broad spectrum of teaching material that does not offer much more than rudimentary approaches to the enhancement of intercultural competence. The problem here is less the inclusion of literary texts that readers tend to see widely integrated, in particular from Intermediate level 11 , but rather the lack of intercultural encounters in those texts and/ or the deficiencies in exercises linked to them (see Unterwegs by BAHLMANN [et al.] 2003, Deutschkurs Düsseldorfby GöTZINGER 2002), and this relates to a general lack of awareness for the potential of such encounters. Quite characteristic in that respect is the early introduction of an international German as a Foreign Language course in Deutsch Aktiv (1986--93) in which Polish, Italians, Canadians and Spaniards present themselves without any differences as regards gestures, facial expressions or levels of politeness and formality. Slightly more elaborated but still similar is the presentation of native Germans, Austrians and German-speaking Swiss next to former migrants such as Bilge AKYAL and Akemi WALDHÄUSL in the subsequent course book by the same publisher, Moment Mal 1 (1998-2000 by MÜLLER [et al.]). Akyal's Turkish-German and Waldhäusl's Japanese-German background are indicated but differences in everyday behaviour such as shopping, eating and leisure activities remain unexplored. Only much later, in chapter 24 of Moment Mal 2, 'strangers' become ofmajor interest again, and then the strong focus on hybrids even makes possible links to Homi Bhabha's Third Space theory. In addition, there are attempts to explore concepts like 'home' and 'strangeness' in chapter 32 of Moment Mal 3. However, that focus comes rather late and it remains isolated as just another topic in very few advanced chapters while leisure activities, eating customs and professional life are repeatedly dealt with but usually concentrated on German natives only. All this does not directly correspond to the notion of a multicultural society in contemporary Europe nor does it address the difficulties of essentialist conceptualisations of culture already visible in international eating customs and film and music interests. Also, German as a Foreign Language teaching material is only one ofthe numerous examples oflong-lasting monocultural patterns easily detectable in other foreign language course books, including French (The French Experience by BOUGARD! BOURDAIS 2003, Le Nouvel Espaces by CAPELLE/ GIDON 1995), Spanish (Nuevo Ele by BüROBIO CARRERA 2004, lntercambio 1 11 There is overall less integration ofliterature on Foundation level (see Deutsch Plus by TENBERG/ AINSLIE 2005) which cannot simply be justified by the learners' lack oflanguage skills, in particular if one considers the amount of short poems placed in some course books of that level. From Intermediate level, the reader finds more literature which correlates with the failure of the 'pattern drill' methodology in the 1970s and early 1980s. Contemporary communicative approaches tend to re-discover the cultural potential of literary texts that were once very intensively used for grammar-translation purposes. lFLuL 35 (2006) 140 Guido Rings byMIQUEL/ SANS 1996, Rcipido by MIQUELISANS 2002), Italian (Italianissimo 1 and 2 by DE R6ME 1994) and English as a Foreign Language (First Certijicate Goldby Ac.KLAM/ BURGESS 1998). 2. Persistence of orientalist perspectives The need for a more systematic literary enhancement of current intercultural training in foreign languages is stressed by the persistence of orientalist perspectives outside and inside ofthe teaching environment. Since 'September 11 ', the Iraq War, 'Guantanamo', the conflict about Danish caricatures of Muhammad and the ongoing discussions about Iran's nuclear programme, 'Orientalism' has become a hot topic again, and this study builds on SAID's classic definition of the concept as a fictional image of the Orient produced in the Occident that brings it closer to fictional texts and that implies a political vision of reality whose structure promoted the difference between the familiar (Europe, the West, 'us') and the strange (the Orient, the East, 'them'). [... ) When one uses categories like Oriental and W estem as both the starting and the end points of analysis, research, public policy [ ... J the result is usually to polarise the distinction the Oriental becomes more Oriental, the Westemer more Western and to limit the human encounter between different cultures, traditions and societies (1978: 45 f). lt is worth stressing in this context that Said's work Orientalism (1978) has been regarded as a founding document for postcolonial studies because of its detailed exploration ofEurocentric perspectives from Europe's colonial past to the postcolonial present (see V ARELA! DHAWAN 2005: 29 ff). Political speeches by Bush and Berlusconi as well as the various photos and the information contained in travel catalogues are just examples of the wide range of texts that prolong a colonial discourse for which the framing of the Self and the Other in binary constructs is very characteristic. 12 BLAUT writes about the key construct of a progressive Europe as "maker ofhistory" versus an oriental Other that stagnates in "strange traditions" and is therefore in need of patriarchal guidance provided by occidental representatives: Europe etemally advances, progresses, modemises. The rest of the world advances more sluggishly, or stagnates: it is a "traditional society". Therefore, the world has a permanent geographical centre and permanent periphery: an Inside and an Outside. Inside leads, Outside lags. Inside innovates, Outside imitates (1993: 1). This reinforces the assumption ofWestem superiority within which differences between the other cultures are reduced or negated in the image of one single inferior Other 13 , while 12 See George Bush's use of the term 'crusade' to summarise the war against Islamic terrorism after the 11 th September, or Silvio Berlusconi's statements about the superiority of Western civilisation as regards Islam (in: EI Pafs 28.9.2001 by YARNOZ). For colonial topics in travel catalogues see ÜSSIG (1993). 13 F ANON has highlighted such a strategy with regard to the European colonization of Africa: "For the colonist, the Negro was neither an Angolan nor a Nigerian, for he simply spoke of 'the Negro'. For colonialism, lFLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 141 the need for occidental leadership tends to be m.ade more explicit in images of a relationship between parents and children 1 4, and/ or between men and women. NANDY confirms the latter when describing colonialism as "congruent with existing Westem sexual stereotypes", in particular with the "political and socio-economic dominance of men and masculinity over woman and femininity" (1983: 4). In recent decades, BHABHA and SPIVAK have worked on a differentiation ofSaid's concept ofOrientalism. Ofparticular concem for Bhabha was the all-embracing instrumentality of orientalist perspectives in Said's work that he successfully managed to address with the introduction ofpsychoanalytic theory and the development of a more ambivalent concept1 5, while SPIV AK confronted Said with the possibilities of developing other subaltern forms of knowledge. However, there is little opposition to Said's key hypotheses of a fictional framing and inventing of the oriental Other by socio-political as well as academic discourse in contemporary Europe, which leads YOUNG to his rather provocative summary of all three scholars forming a "Holy Trinity ofcolonial discourse analysis" (1995: 163). Because it is considered a potential obstacle to intercultural communication, such revival of colonial perspectives ought to be of major importance for foreign language teaching, in particular if one takes into account the intensive trade and business relations, increasing tourism and fast growing migration between East and West. After all, the latter has led to very significant Islamic, Hindi or Buddhist diasporas in Westem Europe, be it Algerian in France, Moroccan in Spain, Indian and Pakistani in Britain or Turkish in Germany. 16 Taking into account the intercultural deficiencies outlined in section one, it is not surprising that contemporary course books reveal little interest in a critical reflection of neo-colonialist perspectives. However, the fact that these perspectives are often uncritically maintained or even enhanced is still quite disappointing. A good example is the rough summary ofDaniel Defoe's Robinson Crusoe in chapter 13 of Moment Mal 1 (MÜLLER [et al.] 2000) in which the text highlights the cannibal myth while the images stress Robinson as considerably taller and stronger than his native servant Friday. 17 This confirms the construct ofEuropean superiority over a barbarian and/ or defenceless Other much more than Defoe's novel ofthe 18 th century did. In comparison, the link between a half-naked exotic beauty and the paradisical background waiting tobe 'discovered' by the European tourist in the last chapter of Nuevo Eie (BOROBIO CARRERA 2004) is quite this vast continent was the hannt of savages, a conntry riddled with superstitions and fanaticism" (1963: 170). 14 See BLAUT: "Non-Europeans [... ] were seen [... ] as more or less childlike [who] could be brought to adulthood, to rationality, to modemity, through a set ofleaming experiences, mainly colonial" (1993: 96). 15 See also YOUNG: "Colonial discourse [...] operated not only as an instrumental construction ofknowledge but also according to the ambivalent protocols of fantasy and desire" (1995: 161). 16 In France, Spain and Britain, there is an obvious link to the colonial past that might have facilitated Eastem migration but at the same time has contributed to an orientalist framing of the migrants, their families and other visitors from those regions. In a less colonialist Germany, the link could be associated to the example for modern nation-building set by European colonization. 17 See ROBINSON with hat and gnn as opposed to the half naked servant (in: MÜLLER [et al.] 2000: 93, "Lehrbuch"). Instead of taking a critical stance to such portrayal, the work book demands a role play in which the non-verbal commnnication between superior European and inferior native has tobe irnitated (p. 138). lFLuL 35 (2006) 142 Guido Rings harmless. This Spanish as a Foreign Language course book follows here pattems set by Spanish school books 18, despite recent research on Spanish Orientalism (see T0FIN0- QUESADA 2003). 3. Broken Orientalism in The Persian Dinner 3.1 Selecting the text In the context of intercultural deficiencies and continuing neo-colonial tendencies in course books, teachers with a genuine interest in intercultural training via literature will in the context oftight school curriculahave to find a replacement for, rather than an amendment to, some oftheir course book material. For our topic there is a wide range of so called postcolonial literature available, and the New Historical Novel from Spain and Latin America is certainly a good starting point for a critical exploration of (neo-) colonial discourse in Spanish as a Foreign Language teaching. 19 However, short stories are often easier to integrate into dense timetables, and ifthey have a contemporary focus the relevance for school children and younger students might be easier to define, which brings us closer to the genre in question. Following own observations in six advanced language seminars of German as a Foreign Language in Cambridge, Das persische Abendessen (1995, from now on referred to as The Persian Dinner) by Austrian writer Barbara Frischmuth seems to be a highly recommendable text for intercultural training inside and outside a foreign language context, including business communication. 18 See here Conocimiento del medio by PASTOR [et al.] (2001), a course book designed for 11 to 12 year old pupils. The section "Las consecuencias del descubrimiento" ('The consequences of the discovery") deals exclusively with positive results of the so called discovery (e.g.: •"La religi6n cat6lica y la lengua espafiola se extendieron por America" / "The Catholic religion and the Spanish language spread all over America" (my translation), p. 136), while the destruction of indigenous cultures and the 'enslavement' and killing of natives appears to be the consequence of a natural cause: "Desgraciadamente, estas civilizaciones desaparecieron poco tiempo despues de la conquista" / "Unfortunately, these civilisations disappeared shortly after the conquest" (p. 137). The uncritical usage of the term 'discovery' to describe the colonization of populated territory that Columbus imagined tobe part ofthe Orient (see RINGS 2005: 93 f) seems tobe a standard feature ofEurocentric practice in most course books today (see also CISNEROSFRAILE [et al. 's] book with a focus on superior Spanish military power; 1995: 132). Despite this, PEREZ HERRERO and GARCiA-AREVALO CALERO stress that there seems to be some development towards a more critical image of conquest and colonization in the minds of Spanish school children after the celebrations of 500 years of 'discovery' in 1992 (1994: n.p./ section 5). 19 See RINGS (2005: 26ff.) for a definition of terms such as 'postcolonial' literature and 'New Historical Novel' as weil as for interpretations of such novels. The bestseller EI origen perdido (2003) by Matilde ASENSI seems to be an easily accessible novel for school children and students alike. In addition, Fox offers an interesting overview about literature for intercultural training although most ofhis examples are not contemporary (the focus is on narrative up to the first half ofthe 20th century; 2003: 108ff.). Furthertexts could be taken from the literature of migrants with particular reference to novels such as Saliha SCHEINHARDT' s Lebensstürme (2000) or Feridun ZAIMOGLU's Kanak Sprak (1996), Assia DJEBARS L 'Amour, lafantasia (1985) and Rachid NINI's Diario de un ilegal (2002). Worth stressing also are films of the second or third generation, either as amendments to literary explorations or simply as topics in their own right (see for example Kurz und schmerzlos and Im Juli ofthe Turkish-German director Fatih Akin). lFJLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 143 Following the idea of her first novel Das Verschwinden des Schattens in der Sonne (1973; 'The disappearance ofthe shadow in the sun'), the author draws here on intercultural experiences from her studies of Iranian language and culture to elaborate on contrastive and interactive topics that facilitate the exchange of cultural perspectives. The Persian Dinner deals with a rather informal social encounter between the female Austrian first person narrator and the male Iranian protagonist Isfahani in international Vienna. At the beginning ofthe 1980s, the Khomeini regime forced the protagonist out of his Position as Professor of Theatre Studies in Teheran, and he had been living as a political refugee in Vienna ever since. However, his 'home' now comprised works from ancient Persian literature like 'Laila und Madjnun' that provided the basis for his favourite theatre plays, works that he wants to bring to the attention of an occidental audience by means oftranslation. The first person narrator helps him with these translations butdespite her background in lranian Cultural Studies she maintains an occidental perspective that could be characterised by terms such as 'Beobachterstatus, Reingezogenwerden, schlechtes Gewissen, Zeitknappheit, Sprachvergessen, Angezogenwerden durch Exotismus' . 20 Universal topics like strangeness, love and/ or literature as well as the clash of mentalities provide a cause for recalling 'essentials' of own or assimilated cultural identities (ibid.). However, in contrast to the direct portrayal ofboth cultures in ASENSI's EI origen perdido and many other texts, the relative marginalisation of the occidental perspective in The Persian Dinner forces the reader to actively fill gaps in the outlined encounter. This leaves room for active analysis on the part of the reader and avoids the supposedly final interpretation by the author ofthe text. A particularly dense description is available in the face to face conversation immediately after the party (p. 72 f), which could easily be used on its own to approach both cultural traits and interactive behaviour in an informal business environment. 3.2 Textanalysis Our teaching experiences with the excerpt from the short story derive from an advanced German as a Foreign Language seminar with 18 participants, including one Spanish and 14 British students in the final year of their BA degree in Modem Languages as well as three exchange students from France. All BA degree students can build on a Year Abroad experience 21 but none of them has been systematically introduced into the basics of intercultural communication during his/ her foreign language studies at school or university. The Persian Dinner had been prepared for a series of six lessons out of which the first was devoted to an introduction to the topic including the collection and discussion of 20 RUPP (1996: 160), "observer status, drawn into it, bad consciousness, lack of time, oblivion of language, attracted by the exotic" (my translation). 21 A majority has spent one semester at a German university and another semester at a HE institution linked to their second target language (French, Spanish or Italian), one worked as an assistant teacher ofEnglish. The stay abroad experiences ofFrench exchange students is usually less but one of these three students (Laporte) has spent two years as an assistant translator at a major business concem. lFLulL 35 (2006) 144 Guido Rings previously known traits of oriental and occidental cultures, one focussed on text comprehension (the excerpt was read in class), three on text interpretation and one on a final discussion ofEast-West encounters emiched by the viewing and discussion ofthe short documentary film I love both countries that features Arabs living in the German city of Bonn. The evaluation of the seminar minutes and of the written comments on The Persian Dinner reveals the students' early distance from the literary text that seems to be derived from their traditional socio-cultural and linguistic approach to text interpretation. In this approach, Frischmuth' s short story is categorised as a mirror of the special situation of a political refugee forced to leave 'seine Heimat' ('home') because of the arrival of an Islamic-fundamentalist regime. The students regarded the protagonist's culture as highly different and drew parallels to Arab women that follow fundamentalist codes ofbehaviour when dressing up for a walk through London's Hyde Park. Despite a small glossary and introductory comments by the teacher, the text remains 'schwierig zu verstehen' ('difficult to understand') for most students, and some stress the need for a higher degree of familiarity with the other culture as a basis for text comprehension. Apparently, the focus on 'fremden Begriffen' ('alien terms') such as 'dervish' and 'mullah' as well as the consideration of many other unknown cultural traits in the glossary and introductory comments contributed more to the experience of difference and strangeness than originally anticipated. 22 However, this early distance did not translate into a rejection ofthe other culture and/ or the literary text but rather into an increased interest in the challenge perceived. Consequently, students engaged in lively discussions about the meaning of the pomegranate as a symbol for friendship and understanding in a culture with a high context communicative style 23 , and as a metaphorical bridge between East and West. Different notions of 'Freundschaft' ('friendship') in a more collectivist (Iran) and a more individualist society (Austria) were brought into the debate, and for empirical evidence the lecturer could refer to Hofstede's dimensions where individualism/ collectivism for both countries had been measured. 24 lsfahani' s respect for his female partner in this conversation was associated with different concepts of gender roles and power distance which brought up two more ofHofstede's dimensions. 25 There was also an acknowledge- 22 A comparable distance was visible when working on Alejo CARPENTIER's El arpa y la sombra (1985) in an intercultural studies environment. In this case the dense intertextual play satirizing different cultural perspectives was not easily understandable. All this is less ofa problem with Asensi's novel that carefully guides the reader from a Western-industrial horizon to a completely different indigenous one. However, the difficulty remains here more in the achievement of a critical distance at a later stage, after all the quijotesque features of the first person narrator are slightly hidden. 23 As opposed to Austria and most other Western European nations thatare governed by a rather low context communicative style following attitudes such as 'Say what you mean' and 'Getto the point'; see GtJDYKUNST/ TING-TOOMEY (1988: 38 f) and GUDYKUNST (1998: 54). 24 The Individualism Index (IDV) in HOFSTEDE's study is for Iran around 40 while Austria scores 55, and most other Western European nations even more (Gerrnany 65, France 70, Italy 75, Great Britain 87; see 2001: 294). 25 Iran scores far higher on Power Distance than Austria (58 as opposed to 11 ), and there is on average far less lFLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 145 ment of different notions of time with regard to the first person narrator's collllllents about the need of doing things 'rechtzeitig' ('in good time', p. 73). While the protagonist's link to ancient Persian literature was often regarded as 'übertrieben' ('exaggerated'), students did not see this as a characteristic of Iranian culture but rather as expression of an 'innere Flucht' ('inner escape') of a political refugee forced tb live in a different culture. On the other hand, the strong link to cultural heritage was discussed as a characteristic of a more 'bewahrende' ('preserving') oriental culture in relative opposition to a probably more 'dynamische' ('dynamic') but at the same time 'rastlose' ('restless') occidental culture, with potential advantages and disadvantages on both sides. 26 Once again, parallels to Hofstede's research could be drawn, in this case to his fifth dimension, Long-Term Orientation (LTO), where East Asian countries score considerably higher than the overall more short-term oriented Western European countries (2001: 351 t). In the written interpretation by students, FRISCHMUTH's short story did not remain a text for experts but rather, as a French exchange student (Laporte) pointed out, "ein Mittel für jemanden, der die persische Kultur und Literatur nicht kennt, eine andere Kultur und Literatur zu entdecken". 27 In this context an interest in understanding the Self via the Other played a significant role, as an English student (Smith) pointed out: After observation of the differences, "kann man die eigene Identität besser erkennen" ('you can see your own identity much clearer'). Another French exchange student (Leroy) sUllllllarised the link for a better understanding ofboth cultures: Der Text erfordert einige Kenntnisse der persischen Kultur oder zwingt den unwissenden Leser, sich in [dieser] Kultur schlau zu machen. In dieser Hinsicht ist dieser Text nicht nur expressiv, sondern auch informativ und hilfreich, weil er zur Entdeckung einer anderen Kultur beiträgt. Er öffnet den Geist des Lesers. Gleichzeitig zwingt die Schriftstellerin uns, sich Fragen über unsere eigene Kultur bzw. Identität zu stellen: wer sind wir eigentlich? 28 competitive behaviour, measured in a masculinity index (43: 78), while more emphasis is placed on issues such as quality oflife and personal relationships, which are categorized as more 'feminine'; see HOFSTEDE 2001: 302. However, the Hofstede scale does not explain the major differences made in the education and day-to-day treatment of girls and boys in Iran. Overall, gender roles seem to be here more clearly defined than in Austria and, in particular, boys seem to enjoy greater freedom in their personal development than girls. 26 Unfortunate_ly, such distance to both cultures could not be achieved when using LOETSCHER's story 'Die Entdeckung der Schweiz' ('The discovery of Switzerland', in: Der Immune 1988) in a comparable German as a Foreign Language fmal year environment. The reason for this might be found in the very caricaturesque focus on the Self, while the Other remained rather marginalised. As in their exposure to Carpentier' s EI arpa y la sombra, students tended to follow the literary text in marginalising the other culture, partially as a defence mechanism towards their own culture, and partially because of the difficulty to critically fill gaps in knowledge and experience within an unfamiliar background. 27 "a means to explore a different culture and literature for somebody who does not know a Jot about Persian culture" (my translation). 28 "Tue text requires some knowledge about Persian culture or it forces the unknowledgeable reader to explore [that] culture. In this respect, the text is not only expressive but also informative and helpful, because it contributes to the exploration of a different culture. lt opens the mind of the reader. At the same time, the author forces us to ask questions about our own culture and identity: who are we? " (my translation). lFLulL 35 (2006) 146 Guido Rings The fifth lesson starts with the lecturer's presentation of such key statements from the students' written interpretation which leads students to draw detailed parallels to own experiences abroad. More than in the written comments, students now start identifying themselves with Isfahani's role although none had ever gone into political exile or had directly known a refugee. However, most students had extensive stays abroad and some experienced quite substantial identity conflicts, in particular those who remained in a working environment. This led to a partial self-identification with Isfahani as 'Mensch in der Fremde' ('a human being abroad'), although other students regarded integration and adaptation as a personal 'Pflicht' ('duty') for strangers. lt was they who regarded Isfahani's 'Flucht' ('escape') into an 'extrem harmonisierte' ('extremely harmonised') and, as such, quite 'künstliche' ('artificial') ancient Persian culture as 'wirklichkeitsfremd' ('out of touch with reality'). At this point the notion of subjectivity and ambiguity of intercultural encounters were more explicitly brought into the debate, but students did no go too deeply into this and agreed instead on a need to distinguish between different forms of staying abroad, 29 which led to two main statements: 1. Isfahani's story reveals an "Identitätskonflikt eines politischen Flüchtlings, der Heimat, Berufund Jugendliebe durch den islamischen Fundamentalismus verloren hat". 30 This is a special situation which explains an 'inner escape' that cannot be fully understood on the basis of student year abroad experiences. 2. Despite these special circumstances, Isfahani remains a 'Fremder' ('stranger') and, in this respect, there is considerable common ground for the students to draw parallels to their own experiences of 'Fremdheit' ('strangeness') that reveal a critical reflection of the Self in order to better understand the Other. 4. Conclusion The parallels found between the protagonist's and the students' experiences demonstrate "Relativierung der eigenkulturellen Perspektive [und deren] Erweiterung durch fremdkulturelle Erfahrungen" as a result ofa dialogue with that other culture (RUPP 1996: 159). 31 At the same time they break with the binary structures and hierarchical modes of cultural categorisation characteristic of oriental perspectives. In The Persian Dinner, this is facilitated by a female and relatively passive representation of the Self (via the narrator), 29 The students' jump in argumentation from subjective experience to a more 'objective' differentiation of a stay abroad might indicate that the degree of acknowledged subjectivity remains questionable. lt is also unclear whether the notion of the literary text as being embedded in the culture as well as being critical of the culture has been fully understood. The lecturer had introduced the latter in the first session with reference to GEERTZ' definition ofliterary texts as 'Meta-Kommentare' ('meta-comments', 1983: 252) and had planned for this tobe discussed under the header of subjectivity and ambiguity. 30 "an identity conflict of a political refugee who has lost his home, job and first love due to the arrival of Islamic fundamentalism" (Andersen; my translation). 31 "a differentiation of own cultural perspectives [and] their widening through other cultural experiences" (my translation). lFLuL 35 (2006) Broken Orientalism. Using Literary Texts for Intercultural Training 147 which increase the difficulties for a patriarchal framing of the Other. The students' relinquishment of hierarchies when representing the other culture seems at first glance rather surprising since the protagonist's presentation as political refugee escaping an Islamic-fundamentalist regime by his exile in Vienna allows for a confirmation of the traditional dichotomy of a superior civilised Europe versus an inferior barbarian Orient. However, lsfahani's emphasis on lran's impressive cultural heritage and his strong link to that ancient culture gives little room for the development and/ or maintenance of such neo-colonialist perspectives. In this sense, assuming critical reading or critical guidance through the text, the reconstruction of colonialist views could only lead to their deconstruction, and that makes The Persian Dinner a very good choice for enriching intercultural training in a foreign language environment. However, given the enormous gaps in this area, the replacement of some course book sections by literary work with such texts cannot be much more than one step in the right direction. Intercultural work in other subject areas than languages will have to support this rather temporary solution until revised curricula and teacher training start guiding authors and publishers to develop new teaching and leaming material. Such support will usually be based on empirical studies but it could certainly also come from literary work in History, Sociology and related disciplines when drawing on recent research in literary anthropology and on texts such as The Persian Dinner. 32 References Primary Sources ASENSI, Matilde (2003): El origen perdido. Barcelona: Planeta. CARPENTIER, Alejo (1985[1979]): El arpa y la sombra. La Habana: Letras Cubanas. FRISCHMUTH, Barbara (1973): Das Verschwinden des Schattens in der Sonne. Stuttgart: Reclam. FRISCHMUTH, Barbara (1995): "Das persische Abendessen". 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English as an academic lingua franca is diminishing local cultures. Same implications for ELT are discussed. Nations of a common core for English are invalid in the face of new varieties. Teachers need to accept their responsibility as educators and to reflect upon their current roles in a corporately globalized world. 1. Who says the spread of English is inevitable? Why would or do claims about the cultural neutrality of an internationally utilized language, or, more specifically, the notion that English is "culturally unencumbered" come tobe articulated? Why is much discussion about the lingua franca usage ofEnglish (often implicitly) couched in optimistic and affirmative terms? There are doubtless good, technical, even objective, reasons for this. Some of these will be enunciated below. However, observers of the discursive aura, or in micro-linguistic terms of the semantic prosodies, surrounding phrases like international English, business English, world English cannot surely fail to note the all-pervasiveness ofthe positive. How the cultural embedding of English within a corporate globalization discourse can be denied is a question we address. Many people talk up how positive English is for business in the globalizing world. Let us cite one ofthe usual suspects, namely, The Economist. Here it is in Panglossian mode (see also Economist 2002 and 2003) when it comes to the English language (2004: 23): "In central Europe, as in much of the world, knowledge of English has become a basic skill of modern life comparable with the ability to drive a car or use a personal computer." lt is unsurprising and practically a truism that organs of the business community underline in such a fashion the presumed indispensability ofEnglish. The next step is to speak ofhow 'inevitable' the spread ofEnglish has become, how necessary international Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Richard J. ALEXANDER, Univ.-Prof., Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Englische Wirtschaftskommunikation, Nordbergstr. 15, A-1090 WIEN. E-mail: richard.alexander@wu-wien.ac.at Arbeitsbereiche: Weltsprache Englisch, US-Wirtschaft und Weltwirtschaft, Fremdsprachliche Wirtschaftskommunikation, Computergestützte Korpuslinguistik. JFLulL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra/ ... ? 151 business English is, much as the notion of 'globalization' is similarly so described. It is at this point that thinking people, rather than copycat propagandists, should however pause momentarily and ask who is saying this and why. Many of us are faced with everyday shifts in higher education (HE) curricula that are affecting our professional lives and those of our students in far-reaching ways. Is it not worth pausing briefly and asking how these micro-level changes are linked in with wider processes of economic, social and political transformation? And, moreover how the social changes are related to systems of power? Let us first turn to how the association between English teaching and the attitudinal set associated with enterprise culture is being articulated. 2. English teaching and English in business education generally Clearly once English is conceptualized as a 'basic skill of modern life' it is a short step to dovetailing it with notions of enterprise culture, marketization and human capital. In this connection a general look at the macro-level developments in higher education would appear to be called for. How neo-liberal education theory is articulated and sustained internationally has been provocatively but tellingly analyzed by SPRING (1998: 183) who argues: "The World Bank does not recognize arguments that people might benefit through personal happiness and fulfillment from a higher education." Instead human capital ideas resonate through the World Bank's documents. A duster of terms and phrases such as 'improving external efficiency' is tobe found. The direction is clear: "In the framework ofhuman capital thinking, the goal ofhigher education is to get ajob". One consequence for the World Bank of emphasizing the marketization of higher education is channelling potential students by means of increased tuition fees into the labour market in a more 'efficient' fashion. A major hidden agenda is the encouragement of a private higher education system. One way in which this is already being felt in Europe is by expecting even public universities to seek and ultimately depend on external financing. The far-reaching effects on European universities, including the massive changes under way, for example in Germany and Austria, are contextualized by WRIGHT (forthcoming): "Intemationally, the purpose of formal education is being reformed in the light of new world orders of capital, work, cornmunication and knowledge, to which many countries have responded by asserting new forms of nationalism and new concepts of citizenship, and by introducing new methods of goveming and managing, not least in their public services like education." Against this background the way in which English has attained a gatekeeper function in education (both secondary and higher) is well attested in both Europe and Asia. See QIANG/ W0LFF (2004) Oll China, for example. How can such practices, now underpinning the World Trade Organization (WTO) also, be viewed as 'culturally neutral'? Especially ifthey are formulated or repeated in a Western HE setting they are likely to be affected by deep-seated historical and cultural lFLuL 35 (2006) 152 Richard Alexander motifs (incorporated into these institutions ifnot always in the individual psyches oftheir members), which are the legacy of colonialism and imperialism. lt is worth recalling that the forerunner ofthe WTO, the General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), was the brainchild ofBritain and the United States towards the end ofthe 2 nd World War. They setup the rules goveming the opening oftrade (JOHNSON 2004: 259). However, we are not just talking about merely British or American traits. Holland has a brutal colonial history as long as Britain's. Dutch liberalism was meant only for the Dutch. The history of the Dutch East India Company and its strategy of destroying the spiee shrubs in Indonesia to keep the prices high is well known to economic historians. And after all, the ethos ofthe French revolution was never meant tobe pluralistic. Its essential proposition was based on totalitarian uniformity (SARDAR 2005); it excluded and continues to exclude till today, as the 2005 explosion ofthe French 'banlieues' demonstrates, the 'subject' population ofthe colonies. A number of commentators have drawn attention to how even the discourse ofEnglish as a Foreign Language (EFL) seems more like a denial of uncomfortable unanalyzed traits than a genuine overcoming ofthe past (PEGRUM 2005). 3. The culture ofcorporate globalization? Arguments for English seem to parallel the propaganda for corporate globalization. Many of the former invariably originate from the 'discourse of anglicism', i.e. the colonial policy to educate through the medium of English because it introduces the native Other to Western knowledge and culture. This is placed in its historical context and linked to current discourses by PENNYCOOK (1998: 131): "Towards the end ofthe twentieth century [... ]in a wholly changed political context in which the global spread ofEnglish has become not so much apart of colonial control but rather part ofneocolonial exploitation (see Phillipson, 1992), English and Anglicism have re-emerged in a new light. The discourses of Anglicism still adhere to English, but now to a new English, a global English, and an English in popular demand." The ubiquitous notion of 'globalization' seems tobe used by everyone. Yet we are faced by a myriad of interpretations, characterizations and definitions. GEORGE (2004: 6) has sought to pinpoint the essentially economic nature of 'globalization': "Since we seem tobe stuck with the word [... ] it's helpful to put one or several adjectives in front of globalisation so that its real nature is better defined. People who are fighting against its harmful effects often speak of 'corporate-led', 'finance-driven' or 'neo-liberal' globalisation. In the United States, some call it 'neo-conservative' ." She helpfully focuses on the essential feature for us: "'Corporate-led' is an accurate description" (GEORGE 2004: 7). The encyclopedic work ofNoam Chomsky over the past four decades on political and economic aspects of US foreign policy is also extremely helpful in understanding neo-liberal globalization. CHOMSKY (2000: 199) has analyzed the key aspects of corporate globalization in its economic guise, known as the Washington Consensus, most pointedly for our purposes: FlLuL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra/ ... ? 153 "From a more fundamental perspective, we could describe it as an array of megacorporations, often linked to one another by strategic alliances, administering a global economy which is in fact a kind of corporate mercantilism tending toward oligopoly in most sectors, heavily reliant on state power to socialize risk and cost, and to subdue recalcitrant elements." JOHNSON (2004) has emphasized the construction ofthis phenomenon, quoting Manfred STEGER who "says that it amounted to 'a gigantic repackaging' oftwo centuries of classical liberalism, relabeled 'the new economy' ." JOHNSON is particularly apt in showing how the inevitability discourse is used manipulatively (2004: 260): "Perhaps the most deceptive aspect of globalization was its claim to embody fundamental and inevitable technological developments rather than the conscious policies of Anglo-American political elites trying to advance the interests of their own countries at the expense of others." This discourse bristles with adjectives like 'irresistible', 'inevitable' and 'irreversible'. JOHNSON quotes President Clinton, saying in 1999 (2004: 260): "Today we must embrace the inexorable logic of globalization", adding yet another epithet to the thesaurus of corporate globalization apologetics! 4. Business English and the culture of globalization The discourse of globalization, englishization and English as a passport to business is noticeable to most people who want to look or listen. The British journalist and writer, Jeremy SEABROOK (2004), writes discemingly on its consequences in Asia. SEABROOK pinpoints explicitly "the ideologically-charged pedagogy ofBusiness Studies". He goes on to document how significant language (i.e. English) is in this 'global world' (2004: 184): "A new generation has leamed a new lesson. They have heard the seductive language of global business, and believe that this will be their passport to individual advancement, wealth and freedom. The imagination of a whole world of young (mainly) men all over the world has been seized by a new hope, which has come upon them with the force of a revelation." The sense of espousing to be or become apart of a 'greater proj ect' resonates poignantly when SEABROOK quotes a young man in Dhaka studying for an MBA: "I hope to obtain a management post in a company. I shall be highly qualified for this. I know English, which is the international language. The world is becoming smaller. We must compete or die" (2004: 184). Interestingly, this connects with the thesis that OSTLER (2005: 556) advances in explicating how world languages grow: "Ifthis book has shown one thing, it is that world languages are not exclusively the creatures of world powers. A language does not grow through the assertion of power, but through the creation ofa ! arger human community." Tobe sure, in the next sentence he does allow that "[c]learly, military or economic might can act as strong inducements to community growth." In view of this situation it comes as no surprise to find that globally sold business FLuL 35 (2006) 154 Richard Alexander English textbooks take the link between English for business and globalization almost for granted. Consider, by way of illustration, the introduction to Market Leader. We find the following (COTTON [et al.] 2000): "In the real business ofusing language for example in business Englishthere is no separation between the language used and the task engaged in. [... ] The language work should as far as possible mirror the language demands the academic discipline makes on students." This is a claim that is in keeping with many content-based BE courses in tertiary education. The authors make a further interesting assertion, ofinterest in this context, namely, "If you are a student of business, the course will develop the communication skills you need to succeed in business and will enlarge your knowledge of the business world." But, as we shall see later, the real issue is what the phrase "communication skills" refers to. Arguably the specific understanding of 'communication' and 'skills' implied here are themselves products of globalization. For CAMERON (2002: 71 ): "[T]hey are related on one hand to changes in the organization of work driven by intensified economic competition, and on the other to changing conceptions ofknowledge in the wake ofthe inforrnation revolution". CAMERON (2000) provides a perspicacious analysis of the wave of 'communication training' sweeping through the English-speaking world ofwork. She uncovers the ideological thrust of the practices they promulgate. Hence it seems no wonder that these 'values' and prescriptive pattems are also influencing the business English (and general English) norms that such textbooks, implicitly endorse. One of their major tasks for the foreign markets they penetrate consists in affirming similar values, beliefs and behaviours. 5. English as lingua franca (ELF) for business purposes But, wait: is it not a self-evident truth that being able to employ a lingua franca for business and other purposes is of great benefit? Does the use ofEnglish as a lingua franca (ELF) not prove it is culturally neutral? For many observers it is an acknowledged fact of life that English is a lingua franca here to stay and spread more widely still. As WAR- SCHAUER (2000: 512) states: "The increased global contact brought about in the new networked societythrough international tourism, business, scientific exchange, and media places a premium on the ability to communicate in a lingua franca." That this position has been constructed and sustained, often by the TESOL or TEFL profession itself, has been clearly analyzed by PHILLIPSON (1992) and PENNYCOOK (1994, 1998), among others. PENNYCOOK (1994) shows how 'the discourse ofEnglish as an International Language' has fulfilled a matter-of-fact function in the colonial and now post-colonial world. lt is so matter-of-fact as to be self-evidently 'natural'. He mentions Fishman's characterization of English as 'not ideologically unencumbered' and the lFLuL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra! ... ? 155 widespread assertion ofthe well-intentioned and benign utility inhering in it. Both 'imperialists' and liberals employ such notions. This holds good also for the localists who favour the proliferation of many Englishes and assign them cultural neutrality. Together with Pennycook, this author holds such opinions to be either blandly optimistic or deliberately ingenuous or ignorant, or both simultaneously. Evidence that Business English as a lingua franca (BELF) does not result in cultural neutrality comes from work in Scandinavia. LOUHIALA-SALMINEN [et al.] (2005: 417) comment on the adoption ofEnglish as a Lingua Franca after a cross-border merger oftwo companies: "[A]lthough BELF facilitated communication in some respects for some people, it by no means eliminated communication problems; neither can BELF be taken tobe 'neutral' or 'cultureless'. Rather, it can be seen tobe a conduit ofits speaker's communication culture. This was seen in our analysis of discourse produced in the two merged companies, where differences linked to cultural perceptions could be identified." Arguably, from a technical or technocratic position, the emphasis placed on the lingua franca (ELF) role of English serves a useful ideological purpose. After all it makes life for everyone easier tobe able to use English as. a lingua franca! Middle class and uppermiddle class schoolchildren and students, and military officers (in NATO, UN peace keeping operations, etc.), international corporate cadres, independent business people, students doing a period of study abroad, 'ordinary people' are all engaged in it! One might cite the example of JAMES (2005) where young people of different nationalities come together through the medium ofELF. This is not tobe gainsaid surely? Notice in this connection, moreover, that the discourse of intercultural communication is not only articulated by 'traditional' proponents of the phenomenon, like language teachers, educationalists or peace-loving democrats. Today the percolating down to business administration syllabuses is far advanced. (The work reviewed by CAMERON (2000) brings this home to us.) Intercultural training is also on the increase in the English-speaking business world. lFFE (2005: 295) observes that a growth in intercultural training in the business world seems to be substituting for foreign language learning in the English-speaking world. The singing of the praises of intercultural communication, covertly implying using English and its self-evident benevolence, has already achieved the status of a truism that is 'truer than true' ! lt is practically presented as one small step on the way to condoning linguistic hybridism and 'liberal', feel-good views ofthe universal sisterhood ofwoman! lt has tobe stated firmly, however, that one function that the repetition of such scenarios has in certain settings is to diffract considerations of the macro-structural role that ELF plays into a 'personal' and interactional context. But, but, but! Despite the millions oflow-level, personal and inter-subjective encounters in ELF (even BELF), there is a significant set ofELF and related practices which go beyond the micro or even the meso-level influences on individuals and contribute to the sustaining and extension of a neo-imperialist set-up, as we have outlined. PHILLIPSON (2003) has discussed the ways this framework affects language policy decisions in the EU. lFLuL 35 (2006) 156 Richard Alexander 6. Diffusion of English and the deculturation of other languages? The inroads English is having on other languages and cultures are quite considerable. The profusion of anglicisms in most European languages is a case in point (see ANDERMAN/ ROGERS 2005). Take the example oflexical influence on Finnish, a 'minority' European language (MOOREN ARANTOLA 2005). PART AIT AAVITSAINEN (2005) comment on the frequent use of English in the speeches of Finnish politicians. One can also adduce the use of English and English-inserts into Germanin the German-speaking world when academics and scientists are interviewed and talk on radio and TV and at conferences. One explanation for such diffusion on an individual basis is social-psychological. Perhaps it is worth thinking of the code-switching between national languages and English such as PAHTAITAAVITSAINEN (2005) chronicle for Finnish speakers as an instance of a broader behavioural set, namely that of having and employing the 'proper sign equipment'. What GOFFMAN (1959: 36) says ofthis and its use in furthering social mobility is worthy of consideration: "Commonly we find that upward mobility involves the presentation of proper performances and that efforts to keep from moving downward are expressed in terms. of sacrifices made for the maintenance of front. Once the proper sign-equipment has been obtained and familiarity in the management of it, then this equipment can be used to embellish and illumine one's daily performances with a favourable social style." A knowledge or at least a smattering of anglicisms may well be one potent form of the 'proper sign-equipment' available today. 7. How intercultural are Anglo-American interaction norms? However, an index ofthe 'success story' of 'englishization' without even using English can be adduced from the observations of the international diffusion of certain discourse norms of interacting without displacing local languages as noted by CAMERON. This area of 'diffusion' is based on Anglo-American 'models' and seems tobe affecting interaction norms in an even more deeply reaching process than borrowing anglicisms. CAMERON (2003: 28) characterizes this trend: "lt is not a question of telling people 'you should stop speaking your own language and speak English instead'. Rather it is a question of saying, 'by all means use your own language, but according to the cultural norms of an English-speaking society' ." CAMERON looked at the work of communication experts (2002). They propagate the cultural norms ofthe English-speaking world. She notes (2003: 29): "Some themes recur consistently in prescriptive materials by experts dealing with the subjects of interpersonal communication." This is what Cameron found: 1) Speech is preferable to silence. Reticence is construed as a lack of openness to other people, (contrast this with Finnish discourse patterns! ); 2) a preference for directness over indirectness; 3) a preference for ways of speaking that signal egalitarian social relationships; 4) emphasis on eo-operative lFLulL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra/ ... ? 157 as opposed to competitive or agonistic gemes of speech; 5) a preference for self-disclosure or 'sharing' your feelings as a mark ofyour honesty and sincerity. In Cameron's estimation dissemination of 'global' communicative norms and gemes, like the dissemination of international languages, involves a one-way flow of expert knowledge from dominant to subaltern cultures. We can quote CAMERON (2002: 70) in this connection. She writes: "I know of no case in which the communicative norms of a non-Western, or indeed non-Anglophone society have been exported by expert consultants. Finns do not run workshops for British businesses on the virtues oftalking less; Japanese are not invited to instruct Americans in speaking indirectly." Against the background of the emphasis in ELT on making language classrooms more interactive and communicative this trend would appear to imply or to contain some serious implications for intercultural education, I would argue. The transfer of discourse patterns entails culture transfer, if not incorporation or acculturation to a certain degree. Of course, language users tend to carry behaviour patterns and ideas across language boundaries. But we are faced here (CAMERON 2000: 22) with the movement of ideas across different social and linguistic domains within languages as well. This is reminiscent ofthe 'discourse oftechnologization' ofFAIRCLOUGH (1992: 215). lt appears that many subgroups in different countries are concurrently incorporating discourse patterns in large part via englishization (in the broader sense) which are linked with neoliberal political-economical attitudes and beliefs. As CAMERON (2002: 81) puts it: "As multinational corporations and Western consultants extend their sphere of influence, there is every reason to think that particular, and basically American (US), norms of interaction are being exported to other parts of the world, even when no attempt is made to export the English language itself'. In the English-speaking countries themselves, thankfully, such trends, especially when dictated from the top by governments, for example in educational policy, come in for criticism, as this extract from aNew Humanist editorial (2005: 3) shows: "More and more time is being spent teaching young people how to present themselves properly and keep their emotions and opinions under wraps, and less time teaching actual hands-on sk: ills necessary to carry out a profession. Soft, transferable sk: ills such as 'flexibility' and 'good communication' are now seen as equally desirable as any actual ability to carry out a job." This is to critically pinpoint the conservative and status quo-oriented residue of the 'globalizing communication skills' which CAMERON shows the modern capitalist workforce to require. Today's workers need to have a smile in their voice on the phone, a flexible attitude and the ability to 'negotiate'. For some people this constitutes the americanization of interpersonal relationships. Two articles later in the magazine, however, uncover the hidden agenda (KEEP 2005 and ROWSON 2005). The editorial (New Humanist 2005: 3) summarizes its assessment ofwhat this emphasis on 'flexibility' and 'good communication' signifies, as follows: lFLul 35 (2006) 158 Richard Alexander '"Respect', it seems, is just a code word for deference. Establishments of all sorts, whether industrial, political, or religious, like people to 'know their place'. Is this something a humanistminded person would wish for? Is this one-way relationship compatible with the humanist tenet that 'what you would avoid suffering yourself, seek not to impose on others'? " CAMERON (2000: 77) has referred to the transfer ofwhat she terms 'service-styling' in English speaking countries into other languages and cultures. lt is not necessarily found to be very conducive to those cultures. She also comments on the hazards of inculcating invariant rules for 'friendly' behaviour and language-use. lt makes service workers override their own feelings for what particular customers want or need. Indeed the academic counterpoint to Cameron's invariant rules for service encounters is well-known among non-English speaking scholars and scientists. CANAGARAJAH (2002) has documented the consequences for academic science and scholarship. They need to follow Anglo-American style guides and more, ifthey want to get published in reputable (aka English-speaking) academic joumals. Is this not a blatant form oflinguistic and cultural imperialism through the back door, perhaps? This takes us on to a related issue, namely the use of English as a lingua franca for academic discourse. 8. English as an academic lingua franca: 1s this inevitable? This situation is undoubtedly posing a dilemma for academics and teachers operating in a European HE environment. We might ask whether English teachers are objectively furthering the cause of globalization via englishization. Are they contributing to the estrangement ofEuropean citizens from their own native culture and traditions? Are they encouraging a broader process of non-reciprocal or asymmetrical acculturation? Is domain loss being pursued via the adoption ofEnglish-medium teaching in universities? Is englishization an unstated and covert language policy for HE in Europe? What consequences can be expected? What are the opportunity costs of englishization? There are leaders ofnation states and CEOs ofmultinationals advocating change as an inexorable step in higher education in the face of globalization. So in a European context one fmds inevitabilism being acknowledged. Even linguists like MACKIEWICZ are enticed into this trap, as when he writes (2003: 184): "As regards higher education, one can see that the triple process ofEU expansion, the creation of a European area ofhigher education, and increasing competition on a global scale will strengthen the trend towatds English as an academic linguafranca. In a sense this is inevitable." The phrase "in a sense" is rather weaselly. IfMACKIEWICZ means that there are human groups, boards of corporations, national parliaments and associations ofuniversity vicerectors lobbying and getting laws passed to further such processes, he should say so. This is by no means 'inevitable', however. lt is worth briefly investigating the harmless sounding phrase "international study programmes" as used at German universities, as it perhaps conceals a more controversial lFLuL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra! ... ? 159 issue than may appear obvious on first encountering it. AMMONIMCCONNELL (2002) have looked at the perceived underrating of German at German universities. Some commentators (KruscHKE 2004) see a kind of self-denial at work in Germany in offering teaching programmes in English. One way in which the discussion attempts to soften harshness of this academic reality is by distinguishing analytically between whether we mean that for academic, scholarly or scientific purposes English is being adopted as an additional language or as a replacement language. If it is seen as additional, then most people can be expected to agree. But the example of many European countries in which scarcely any academic publishing is taking place in the local language (Sweden and the Netherlands are often cited here) do not encourage much hope for the 'additional' language scenario (see KLAASEN 2002). The extreme consequence of what happens when English replaces languages has been demonstrated dramatically by MüHLHÄUSLER. He says (2003: 78) that: "Crystal's view (1997: 116) that 'English is a language which has repeatedly found itselfin the right place at the right time' needs tobe queried. For many Pacific Islands, including Pitcaim, it was not the right place." MÜHLHÄUSLER interestingly takes issue with the assertion "that language is a neutral medium of intercommunication." This he deems problematic. The assumption that English is appropriate or adequate to deal with everything is empirically negatable. For him, "[A]s an additional language English has clear limitations, as a replacement language it brings with it many dangers. The fact that an increasing number ofwell-adapted small local languages are being replaced by English is in all likelihood one of the reasons for global environmental deterioration." (MÜHLHÄUSLER 2003: 78) Ethnocentrism among native speakers ofEnglish is arguably likely to remain a constant feature of any popular, joumalistic and even academic comment or discussion of the English language. Crystal's example, in his unguarded moments quoted by MÜHLHÄUS- LER (2003: 78), letting the academic and detached stance drop to uncover ethnocentric presuppositions, need not surprise us. In most publications for native speakers ofEnglish, in the UK, these ethnocentric and triumphalist assumptions are often close to the surface. Take the subeditor' s facetious entitling of a review of several textbooks on English in the Times Higher Education Supplement, December 2, 2005: 'How Damgudthyng conquered the world'. The academic equivalent ofassuming English is 'a neutral medium ofintercommunication' consists in overlooking the historical and social role that language plays in the development of science and scholarship on a local level. As scholars such as EHLICH (2005) argue, "giving up" one's native language, using English as a replacement language and engaging in lingua franca English for scientific purposes is practically to lose a whole 'tradition' and 'culture' of science and scholarship. There are clear signs that Anglo-American commercial models are transforming daily business and social practices in European countries. These held good until 1989 and lFLuL 35 (2006) 160 Richard Alexander appeared to be receiving the undivided support of all political parties from left and right. Now there are few mainstream European politicians still keen to retain 'at all costs' indigenous European practices, which once prevailed in the former European Community. Phrases such as 'competition', 'flexibility' and 'reform of the welfare state' once had little reverberation in the Rhine model of capitalism. They now invade everyday media discourse. Is this an area where we can posit a closer relationship between englishization (E) and corporate globalization (CG)? How valid is the following hypothesis: (a) the more people employ English, the more they promote (neo-liberal, corporate) globalization (CG)? Or even: (b) The more widely corporate globalization spreads the more englishization (E) advances. The chicken-and-egg nature ofthis conundrum should be evident. If we answer even partially in the affirmative to these latter questions, it appears difficult to deny that there may well be a connection between corporate globalization and the transformations afoot. Musing about the englishization link is reminiscent of another situation. Take the recent increase in meteorological flip-flops, with extreme heat and extreme rainfall, followed by flooding in river valleys in the Alps and extreme hurricanes. How is this connected with global warming? There is much evidence to support the hypothesis but, in the eyes ofsome conservative foot-draggers not enough to 'prove' it! The conclusion then to be drawn asserts that there is no causal connection, simply a highly correlational one. Knowing what we do about complex societal and economic macro-processes, and the over-determination that comes into play in these circumstances, causative explanations are unlikely to be sustainable. Relationships between socioeconomic activity and language behaviour are more subtle and indirect. Let us propose two further relationships to characterize this insight: (c) The two processes are independent of each other (CG, E): a contingent relationship? (d) The two processes (CG<=>E) are eo-variable or correlational? 9. The hegemony of English prevents cultural neutrality Having touched upon the English ofbusiness and political economy we need to highlight what one might call the political economy ofEnglish. As English comes to predominate, how is the hegemony ofEnglish likely tobe challenged? After all, the practices and institutionalized structures underpinning this hegemony appear very solid. They form an unconscious substrate among the political and business elites in many non-English-speaking countries too. Their origins are evident. For PENNY - COOK (1998: 19): "[I]t was colonialism that produced many ofthe ways ofthinking and behaving that are still part ofWestem cultures." The English language teaching project is intricately linked with this history and for PENNYCOOK "the discourses of colonialism still echo through its theories and practices" FLuL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra! ... ? 161 (1998: 28). I would argue that the discursive and material embedding of lingua franca English as an additional language in content teaching is continuing this pa.ttern. The role ofnative speaker EFL and TESOL teachers comes in to the equation also. I look at this below. But first consider how someone from the periphery addresses this issue. CANGARAJAH (2005) was a teacher from Jaffna, Sri Lanka. He was confronted with the hierarchies that exist between English varieties. The legitimacy question arises. Englishes are developing in different parts of the world. Why? By relocating of people, by slavery and indentured labourers, from India and Sri Lanka, the colonial masters created situations in which people took their language with them. Those who now stay at home and learn and use English still have their own languages and cultures even though they use English. The major players of globalized capitalism have learned to adjust to these developments. According to Stuart Hall' s analysis (quoted by CANAGARAJAH in his oral presentation at IATEFL 2005): "lt is now a form of capital which recognizes that it can only, to use a metaphor, rule through other local capitals, rule alongside and in partnership with other economic and political elites. lt does not attempt to obliterate them. lt operates through them" (Hall 1997: 28). CANAGARAJAH does well to stress this structural and material framework. In the English language teaching (ELT) community there are too few writers who do so. Those who seem to prefer to ignore the agency, and hence the responsibility, issue are clearly in the majority. As always, perhaps. After all, who has the gall to challenge the western world's image of itself? For our purposes it is worth stressing that Cangaraja.h questions the utility of a common set ofpractices for ELT. For him it is more important to emphasize the pragmatics of shuttling between varieties and to get away from notions of a common core for English. Communities are built on difference. What is important are the practices and strategies individual speakers adopt to communicate. The globalization of English forces a change in pedagogical priorities on the ELT and TESOL profession, both non-native and native speakers. Among native speakers this is leading to a literal self-seeking, along the lines of Pennycook who writes (1998: 28): "As a European, I must first seek out and question the colonizer within." And PEGRUM, in an IATEFL newsletter, (2005: 2) states the obvious: "It is hard to deny that the EL industry can be seen as supporting a neo-colonialist agenda, both ideologically and structurally, given its historical origins and its ongoing affiliation with the global interests ofthe UK and US." But he suggests that teachers nonetheless often 'subvert' this agenda, somehow. "If the EL industry can be accused of supporting the neo-liberal push for a homogenized world market, teachets frequently skirt commodification, enriching the course book's bland diet of shopping and tourism by creating space for students to voice local issues." This is a position we find WARSCHAUER similarly articulating. He suggests an emancipatory role for TESOL / EFL: lFJLuL 35 (2006) 162 Richard Alexander "If English is imposing the world on our students we as TESOL professionals can enable them, through English, to impose their voices on the world" (2000: 530). Although we may find such appeals idealistic and utopian, it is worth while reflecting on how they link in with political activist agendas, which consciously aim to modify hegemonic cultural, commercial, social and political practices. Returning to Susan GEORGE we find parallels in her discussion ofmainstream social science (2004: 208): "Under the guise of 'objective reality,' one usually gets the premises and ideological framework ofthe reigning paradigm, which in our own time is overwhelmingly the neo-liberal worldview." As she goes on to argue: "One of the prime responsibilities of critical intellectuals is to make these presuppositions explicit and this ideological framework visible, especially for students. They should also have the honesty to make their own stance clear." 10. Conclusion There are two positions I consider worthwhile to emphasize by way of a conclusion. One comes from my professional experience as an educator, applied linguist and language teacher for some nigh on four decades. Tue other concerns the issue ofthe responsibilities of intellectuals of standing up for their beliefs and acting as critical citizens in a participatory democracy. A subset ofthis is constituted by our academic community. But it simultaneously reaches out into the 'real-world' orientation taking in our students and our fellow citizens. Here I would emphasize a point made in ALEXANDER (1998). When we consider the detached view of second language learning as an individual activity, the relationship between change and constancy, continuity or remaining essentially the same comes to rnind. Today we might reformulate the insight in terms of multilingualism or bilingualism and ask whether it is an additive or a subtractive process. In our more idealistic and educationally oriented moments many teachers still 'dream' of the cosmopolitan prospect of world sisterand brotherhood, of people freely engaged in interpersonal relations unclouded by commodified encodings and associations, we have seen above. This author is no exception. He has always emphasized the need to appreciate the meshing of language and culture. Clearly we must recognize how it gives rise to interesting implications for the effects, possibilities and objectives of second language learning. Partly it depends on which language(s) people learn and for which explicit purposes. At the individual level there is a tension between change and remaining as before. Learning involves changes in the learner, who still retains, however, constant lexicogrammatical and cultural residues developed in early life. Yet language learning or language using always implies a process element and movement. This active or interactive element finds its expression at the points at which the 'grammar leaks', in the 'lexical gaps' and in the necessary 'vagueness' of discoursal exchanges. All these are the insights variously documented in the linguistics literature. These processes of cognitive 'fuzziness' parallel the 'cultural and social overlaps' and the cultural or communicational 'shortfalls' of all FLuL 35 (2006) Can International Business English Teaching Be Culturally Neutra! ... ? 163 inter-cultural communication. Becoming multilingual is more thanjust 'adding on' a new set of behaviours. Constant first language elements are retained, and simultaneously modified. The language use configuration thereby shifts; there is constancy within variability. In this sense people change, people expand their meaning potential. Is it our tasks as teachers to teach, as educators to educate or as trainers to train? Who or what are we? How we answer this question or how our professional background or surroundings answer this question (for us) will have, I would claim, a decisive influence on how we conceptualize the activity of teaching English in a corporately globalized world. 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Mindful ofBRUMFIT'S (2003) charge that applied linguists are responsive to real-world problems and applied researchers "engage with, clarify, if necessary reconceptualise, and provide relevant empirical evidence on issues that are perceived by outsiders tobe significant" (quoted in KRAMSCH 2005: 545), the present work adduces data that illurninate the complex terrain of language policy that forms the backdrop for the modern language classroom. lt exarnines the changing nature of societal bilingualism that derives from patterns of international migration, its effects on linguistic diversity, the response it has prompted from educational authorities internationally, and explores its implications for language teaching. Based on an examination ofthe available statistical data, it argues that the growing focus on what is often viewed as a unidirectional loss of cultural and linguistic diversity is actually serving to draw needed attention away from historically unprecedented concentrations of dozens and even hundreds of languages in confined urban geographies where language use and learning take place. 1. The world English paradox "The world is about tobe hit by a tidal wave of English", writes the Independent, describing GRADDOL'S (2004) startling projection in a study for the British Council that half ofthe world's population will either speak or be in the process oflearning English by 2015 (BURLEIGH 2004). Some would find such a description evoking disaster particularly apt. In their book Vanishing Voices, NETTLE and ROMAINE sound a dire warning about the linguistic effects of globalisation, including the spread of English, which Korrespondenzadresse: Dr. Janina BRUTT-GRIFFLER, Associate Professor, Tue State University ofNew York at Buffalo, 505 Christopher Baldy Hall, BUFFAL0, New York 14260. E-mail: bruttg@buffalo.edu Arbeitsbereiche: Sociolinguistics, Second language acquisition, English as a global language, Language policy, Discourse analysis. lFLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 167 portends nothing less than a "biolinguistic diversity crisis": "the extinction oflanguages ... as part ofthe larger picture ofworldwide near total ecosystem collapse" (2000: 17). Scholars of what has come to be called language endangerment predict that anywhere from fifty to ninety percent ofthe world's more than 6,000 languages will disappear in the twenty-first century (NETTLEIROMAINE 2000; CRYSTAL 2000). Nettle and Romaine write, "Many smaller languages are dying out due to the spread of a few world languages such as English, French, Chinese, and so on" (18). Noting that the rise ofEnglish as a global language and the decline of a large proportion ofthe world's languages have largely coincided, they make the link causal: "Some have used the terms 'language murder' and 'language suicide', suggesting that languages do not die natural deaths. They are instead murdered. English, as GLANVILLEL PRICE puts it, is a 'killer language"' (5). To bolster this point, they cite the case of Africa, in which English spread, they assert, "is leading to the top-down displacement of numerous other tongues" (NETTLEIROMAINE 2000: 144). Similarly, PHILLIPSON (2003) writes about the threat posited by English, including in southem Africa, "to other languages and cultures" (6), even portending, perhaps, language attrition and "a loss of cultural vitality" (176). lmplicating the learning ofEnglish in "postethnicity," he contrasts to it the use of African languages, which, he implies, carry the "wellsprings of ethnic identification" (PHILLIPSON 1999: 104). In common with the mainstream of the language rights and language endangerment literature, he assumes that English currently represents the greatest threat to 'indigenous' languages in Africa. And yet the British Council' s report actually calls attention to a threat of a very different kind. Its waming is, paradoxically, that the spread of English poses a risk to Great Britain's citizens and economy if steps are not taken to promote the study of foreign languages. The British Council report puts it this way: "Increasingly, as English spreads across the globe, more people will become bilingual, even multilingual and such skills are highly prized in business." lt then comments, "But Britain has not got the best reputation for leaming other languages" (BURLEIGH 2004). That is no small matter as other languages, including Spanish, Chinese, and Arabic, also assume increasingly prominent roles as global or regional languages ofbusiness. PHILLIPSON (2003), in direct contradiction to the title ofhis recent book English-Only in Europe? (which conjures up the specter ofthe jingoistic English Only movement in the U.S.), admits in its pages that we are heading not toward a world of monolingual English speaker dominance but one in which bilingual competence will be a necessity. He, too, worries that the people who will be hurt the most by that advent are the monolingual English and Irish populations, lulled into a false sense of security by the apparent dominance of their language. He writes of the potential as a result ofthe growth ofworld English for "the vast majority ofBritish and Irish [to] end up as under-qualified in a global economy in which bilingual competence is a minimum requirement for influential positions" (PILLIPSON 2003: 177). The detrimental effects ofEnglish as a world language on its monolingual speakers highlight what can be called the world English paradox, which illustrates the complex effects of globalisation on language. JFLuL 35 (2006) 168 Janina Brutt-Grijjler 2. Globalisation: Myths and Realities That the British Council and perhaps its most prominent and vocal critic should find themselves in essential agreement on so crucial a question of linguistic globalisation might appear surprising at first glance. But closer examination reveals that it should appear so only because of the absence of critical reflection on the politically charged debate over English spread and because of the myths that have accompanied the linguistic dimension of the larger phenomenon we have come to know as globalisation. Few words in current political discourse evoke stronger reactions than globalisation, whether because of the association some have tried to create with the promise of a better world or because it inspires others with fears that it is part of a process of global disintegration via integration. Globalisation is itself caught up in much mythology beginning with the notion 1: hat it is something historically new. On the contrary, recent scholarship tends to emphasize continuities with millennium old processes rather than discontinuities with the past (STEGER 2003). Scholars find the root of globalisation in the intensified contact between people in different parts of the worldby processes of migration, urbanization, commerce, technological innovation, and cultural interactionall ofwhich are as old as recorded history, but which have become intensified in the last few decades (leading to ever greater awareness ofthe contact between different parts ofthe world). As a group of interrelated social processes, globalisation is intimately bound up with questions oflanguage (cf. GNUTZMANN 2005). In fact, language is implicitly central to perhaps one ofthe best definitions of globalisation, that ofFredric Jameson, who writes, "The concept of globalization reflects the sense of an immense enlargement of world communication, as well as of the horizon of a world market, both of which seem far more tangible and immediate than in earlier stages of modemity" (quoted in STEGER 2003: 37). 3. Globalisation Myth Number 1: Globalisation Threatens Linguistic Diversity Just as globalisation is often equated with a process of promotion of cultural uniformity (and Americanization) so too is it often suggested that globalisation promotes homogenization in the linguistic realm. 3.1 Globalisation's complex linguistic results The epoch of 'globalisation' is characterized by the intensified albeit not historically new transnational migrations of people, the products they make, and the languages they speak. In hurling nations into competition on the world market and people into collision on the job market, it throws languages into contact. The consequences of that language contact are as complex and multidimensional as they are profound and dramatic. On the one hand, they have made language into a hot button political issue to an extent perhaps not seen before. For language contact results in language change from the different FLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 169 patterns oflanguage use ofthe individual speakers who constitute the point of contact of two (or more) languages (cf. WEINREICH 1953); to the more general patterns oflanguage use of many, perhaps most, of the speakers of diverse languages; to the distribution of the number of speakers of each language and the shifting proportions between them. Though the linguistic consequences of globalisation have been remarkably complex, they are often reduced to language loss and English spread. As GRADDOL (2004) has argued, rapid shifts •in demography, together with a restructuring of linguistic space by modern telecommunications may produce profound effects on language use by the middle of the twenty-first century, perhaps redefining how we think of languages (as local, national, regional, or world). Already if we were to conceive the functions of an international language to include linking diasporas to mother countries, most of the world's larger languages could be said tobe international in an age ofincreasing transnational migrations. Technology may work to create worldwide communities of speakers ofmany languages, not just English. A recentNew York Times article, for example, called attention to how taxi drivers in the U.S. and other countries carry on international cell phone conversations in a wealth oflanguages (ELLIOTT 2003) languages that can thus no longer be said to be local or regional. And as international languages linking widespread diasporas attest, we may no longer be able to rest in the comfortable assumptions that language use will tend toward monolingual use of anational or ethnic language. And perhaps globalisation will also reshape notions of linguistic diversity as intact (largely monolingual) communities of practice inhabiting compact geographical spaces. 3.2 Competing measures of linguistic diversity The notion that "linguistic diversity" is decreasing due to globalisation (NETTLE/ Ro- MAINE 2000; BRADLEYIBRADLEY 2002; PHILLIPSON 2003; PRATT2003) oversimplifies the complexity of the linguistic processes underway. Such arguments rely on a very particular set of assumptions that language diversity consists of many more or less uniform language-using communities each speaking its own language hence, on the number of discrete languages that can be counted and recorded. What is not explained is why that conception alone describes linguistic diversity and why what NETTLE and ROMAINE (and others) call "biolinguistic diversity" only functions in these particular conditions. Two other, perhaps equally significant, measures of linguistic diversity are increasing: the numbers of multilingual speakers or the range oflinguistic proficiencies of individual speakers in many parts of the world and the number of languages represented in most ofthe large cities ofthe world. That point should be especially evident to language educators, who encounter such measures oflinguistic diversity everyday in the classroom. GNUTZMANN (2005) raises a number ofkey questions with respect to European multilingualism. In pointing out that "many people grow up bilingual with one European and another non-European language," his rightly asks: "What will the status of these multilinguals be? How can their linguistic knowledge and competence be integrated more effectively into school curricula? " (19). The significant geopolitical and economic restructuring worldwide that is a hallmark lFLuL 35 (2006) 170 Janina Brutt-Griffler of globalisation is inaugurating a new phase of societal bilingualism. Until the last few decades, the focus on bilingualism at the societal level in the Western world tended to emphasize nations split between two (or more) large mother tongue groups (e.g., French and English in Canada; French, German, Italian and Romansh in Switzerland) or language revitalization of displaced mother tongues (such as Welsh and Irish). Large-scale international migration, however, has redrawn linguistic maps in many parts of the world, with large numbers of bilingual speakers of dozens, and even hundreds, of languages concentrating in the world's urban centers and increasingly fanning out from there. In the U.S., for instance, the 2000 Census returned 215 million English speakers and 47 million speakers of other languages, meaning that nearly 20% of the population of the U.S. speaks a first language other than English. The census records 30 languages other than English with 100,000 speakers or more, including seven with more than a million speakers (MLA). lt also reveals that one in five children are growing up in "immigrant" households exposed to languages other than English on a daily basis (BEA VERS/ D' AMICO 2005: 1). The 2000 U.S. Census retumed 17.9% of Americans 5 years and over as using languages other than English at home, a figure that has been rapidly increasing over the last quarter century and had already increased to 18.7%, or almost 50 million persons, by the Census Bureau's 2004 American Community Survey (U.S. CENSUS BUREAU 2006). In three states, Texas, New Mexico, and California, these comprise one third of the total including more than 40% in California. In one fifth of American states, the non- English mother tongue population comprises more than a fifth of the population, including all of the nation's five most populous states (California, Texas, New York, Florida and Illinois) (U.S. CENSUS BUREAU 2006). In major urban centers in the U.S., the school-age population is approaching or has reached a preponderance of non-English mother tongue speakers. The proportion of 5 to 17 year-olds who use a language other than English at home is 48% in New York City, 55% in San Francisco, 66% in Los Angeles and 72% in Miami. Perhaps even more revealing is the picture from a Midwestern city like Minneapolis. Not only does 35% of the school-age population report using languages other than English at home, but the variety of the languages is itself remarkable: about one third Spanish, another one third Hmong, with the remaining one third made up of unspecified African languages (15%), Vietnamese (3.6%), Laotian (2.5%), Arabic (2%) and 26 other languages and undifferentiated language groups (MODERN LANGUAGE ASSOCIATION 2006). In fact, more than 4 million children in the U.S. live in homes in which no one over 14 speaks English (BEAVERS/ D'AM1co 2005: 15). And this trend is only expected to intensify, as demographers project another 150 million international migrants to the U.S. by 2050, ensuring the continuing presence of languages other than English. Nor is the U.S. experience unique. The 2001 Canadian Census found that the mother tongues of 39.9% ofthe population ofToronto were languages other than English and French, with the corresponding number for Vancouver coming in at 37.6%. The census retumed more than 100 different mother tongues in use nationwide (STATISTICS CANADA 2001 CENSUS 2006). While the British census has not so far queried language use, a lFLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 171 recent study reports that 30% of London schoolchildren use a language other than English at home, with a total of more than 300 languages represented (BAKERIEVERSLEY 2000). 3.3 Migration, urbanization, and language use The picture of multilingualism is, if anything, even more complex in the global South that is often viewed as the locus of language endangerment and loss of linguistic diversity. The transnational migrations of people are often from a Western perspective seen to be a unidirectional flow of non-Western persons into Western nations. In truth, however, the largest component of that migration is not what we typically hear about people moving from the global South to the global North. Rather, most of the movement is from one country in the global South to another, often to a regional economic center. Sometimes the migrants from one country are themselves replaced by migrants from another. For example, South Africa is currently experiencing massive immigration from surrounding countries on a scale comparable to the U.S. or Europe, while the country that provides many of the migrants, Zimbabwe, itself receives many from Mozambique and Malawi. But the pattern is not that simple. South Africa in fact experiences immigration from all over sub-Saharan Africa a large number, for example, coming from distant Nigeria. A consideration of international migration alone vastly understates the scale of the process. For ifwe include all linguistically significant forms ofmigration, internal migration in multilingual nations, primarily urbanization, accounts for most of the movement and the total numbers of people involved is in the billions. The urban population of the global South grew from 304 million in 1950 to 2 billion in 2000 (MCFALLS 2003: 30). In fact, we just recently experienced a tipping pointthe majority of the world' s population now lives in urban areas for the first time (POPULATION RESOURCE CENTER 2005). Moreover, the rate ofurbanization is actually increasing in many places. In South Africa, for example, the percentage of the population living in urban areas has increased from 50% in 1991 to 58% in 2001 (WORLD BANK WORLD DEVELOPMENT INDICATORS DATA- BASE) and is projected to increase to 75% by 2020 (HUMAN RlGHTS WATCH WORLD REPORT 2003). For the continent as a whole, cities grow at an average rate of 4% per year the highest in the world (Asia is second at 2.6%) (POPULATION RESOURCE CENTER 2005). Like their counterparts throughout the world, African cities will attain enormous size - Lagos, Nigeria is projected to have a population of23.2 million by 2015. The linguistic effects are profound. Hidden within the statistics ofthe world's largest languages given above are the fastest growing languages, languages of local and recent origin that have arisen at least in part specifically to fill the function of a language of wider communication. They are often called urban vernaculars, because they have arisen in urban contexts as the spontaneous products of the mixtures within them of large numbers of speakers of various and often closely related and mutually intelligible languages (MCLAUGHLIN 2001; MAKONI et al forthcoming; SPUTNIK 1988). These languages, containing elements of local languages and sometimes international languages like English or French, include Lingala (Congo), Isicamtho (South Africa), chiHarare FLuL 35 (2006) 172 Janina Brutt-Griffler (Zimbabwe), Town Bemba (Zambia), and Wolof(Senegal). Closely connected, as MUF- WENE (2004) has pointed out, to the encroachment of urbanization on "the function of most indigenous languages as markers of ethnic identity," these languages may be used to deemphasize ethnic identity or to signal urban identity (207). Despite the latter connotation, or perhaps indeed because of it, such mixed languages appear to be spreading apace to rural areas as well. Because they are largely confined to non-elites, though probably the fastest growing languages in many places, most have so far received little, if any, official recognition and in many cases have only begun to be distinguished as languages in their own right. In the highly fluid circumstances in which they arise, they may, however, become transformed into the mother tongues of at least a portion oftheir speakers and may also be making their way into the classroom (CHILDS 1997; MAKONI [et al.] forthcoming). As a result, they are reshaping the "language ecologies" of the regions in which they appear in profound ways. MUFWENE (2004) writes, in former exploitation colonies "fewer indigenous languages" have been endangered "by the European languages but by the indigenous lingua francas" be they traditional (such as Swahili) or new (such as Lingala) (211). Ironically, because the language endangerment literature has accepted many ofthe key assumptions underlying the linguistic imperialism paradigm, in objecting to the encroachment of"dominant" languages on "indigenous," it tacitly sanctions much of the endangerment that is actually taking place (SKUTNABB-KANGAS 2000; MAFFI 2001). For example, PHILLIPSON, the foremost exponent of the notion of linguistic imperialism (PHILLIPSON 1992), has been an enthusiastic supporter of such "local" lingua francas, seemingly oblivious to their impact on what he calls "cultural vitality" (2003: 200). Even a cursory glance at the statistics reveals the significant ways in which linguistic diversity is actually increasing rather than decreasing, and precisely as a result of globalisation. The reasons are not difficult to ascertain. In the age of globalisation, languages like people or, rather, with people continually cross geographical and sociolinguistic borders designed, or at least thought, to hold them apart, their contact producing ever new and unexpected results. lt is a world that in constantly remaking itself also redraws its sociolinguistic maps. Demographers estimate that in the world as a whole, some 175 million people live in nations other than their country ofbirth (McF ALLS 2003: 17). That number increases, currently, by more than 10 million per year, and the number of annual migrants is itself growing (McF ALLS 2003: 17). Combined with rapid urbanization in the global South, the language diversity experienced in modern urban societies is immense and growing. 4. Globalisation Myth Number 2: English Only Worldwide There has been a tendency to falsely equate the "immense enlargement of world communication" with the global spread ofEnglish. That leads to linguistic globalisation myth number 2: as DAVID GRADDOL (2004) puts it, "Many believe English will become the FLulL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 173 world language to the exclusion of all others" (1330). On the contrary, English is not the only language spreading via second language acquisition and it is not spoken by most bilinguals in the world. In the Eutopean context, GNUTZMANN (2005) rightly argues that "many people grow up bilingual with one European and another non-European language" yet the question ofwhat will "'count' for a European multilingual[ism]" is still an open one (19). At the same time, settling down for a 'reduced' competence in English under the rubric of counterbalancing the 'dominance' ofEnglish seems problematic. 4.1 International languages in an era of transnationalism Though the rapid growth of English over the last century has taken attention away from other international languages, a large number continue to play a vital role in the modern world, as they have for at least the past few millennia and will continue to do for the foreseeable future. Traditionally, international languages (Table 1) have been most closely associated with the facilitating of international communication a function that, in past centuties, Latin, Persian, Greek, Sanskrit, Turkish, and French all played. In the modern world, however, their primary role seems tobe developing into the maintenance of supranational economic, cultutal, and, within certain limitations, ethnic zones (set off by the use of, for example, Arabic, Swahili, Chinese, Spanish, Portuguese or French). 1. English 300* 2. Mandarin Chinese 188 3. Indonesian 140 4. Hindi 120 5. Russian 110 6. Spanish 59 7. French 51 8. Tagalog 40 9. Urdu 40 10. Swahili 30 11. Gennan 28 Table 1: Numbers of second language speakers of 11 international languages, in millions (WORLD ALMANAC 1999: 700); (*CRYSTAL 1997: 54) In some cases, such as Arabic or German, these represent the lack of correspondence between ethnolinguistic identity and national boundaries, as Arabs are dispersed over more than twenty nations on two continents while German is given official or special status in eight European nations. In other cases, such as French, its existence as an international language reflects a colonial legacy, in which most ofthe thirty-four nations in which French has a special status are formet African or Caribbean colonies nations in which generally most people do not speak French as a mother tongue. A variation of this imperial case is illustrated by languages such as Spanish, which though introduced into the Americas as an imperial language, is now the mother tongue ofthe majority of lFLuL 35 (2006) 174 Janina Brutt-Grijjler people in more than twenty nations in the Americas, which dominate the Spanish-speaking world. And in yet other cases, such as Swahili, an international language may constitute the expression of emerging postcolonial nationalism that plays out in a supranational context in this case East Africa. Though Swahili is not the mother tongue of the vast majority of its speakers, it has at least begun to take on that function for increasing numbers. Another group of international languages, of which the largest is Chinese, are more nearly expressions of a diaspora. The categories listed above need not be mutually exclusive. For instance, Portuguese is the official language in five African nations, though it is not for the most part the mother tongue ofthe majority ofthe peoples in those nations, and yet, like Spanish, it has become the mother tongue ofthe majority ofthe largest lusophone nation, Brazil. French itself, like German, is spoken in several European nations as well as by a diaspora population in Canada. Russian has spread to neighboring countries partly as an imperial language learned as a second language by peoples incorporated into the Russian empire and partly via a large Russian-speaking diaspora in those nations. In other cases, like Kurdish, the language can be called international, as it crosses national borders, but only because the Kurds have been denied nationhood by the three more powerful states in whose territory their would-be homeland lies. 4.2 Growth in numbers of second language users of languages other than English If we take a snapshot of second language use in the world as a whole, we find a rather unexpected or at least under-appreciated result, illustrated in Table 2: English does not constitute part ofthe competence ofthe vast majority ofbilinguals today. English 300 10 other languages 806 Table 2: Numbers of second language speakers ofEnglish and of 10 other languages, in millions English is not the only language spreading as a language of bilinguals. Table 2 shows estimates of the number of second language speakers of 11 languages with the actual numbers probably substantially higher. lFLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Chinese Hindi Spanish English Bengali Arabic Portuguese Russian German French 874 366 358 341 207 202* 176 167 100 77 Table 3: Number ofmother tongue speakers often languages, in millions (WORLD ALMANAC 1999: 700); (*GRIMES 1996) 4.3 The fastest growing mother tongues 175 Closely related to that finding is another: despite its growth as a second language, English does not number among the world's fastest growing mother tongues. Table 3 shows the total number of mother tongue speakers of ten of the largest languages in the world. By 2050 that chart will look very different, but it will not be because ofthe tremendous rise in the number of English mother tongue speakers. English is not the only language gaining speakers due to processes of globalisation (which include vast international rnigrations and rapid urbanization), it is actually growing as a mother tongue at a slower rate than many other languages. Its growth as a mother tongue language (one that replaces mother tongues and thereby threatens them) is dwarfed by that of languages like Swahili, Hausa and Bahasa Indonesia. Swahili currently has some 5 million mother tongue speakers, and 30 million second language users; and Bahasa Indonesia has somewhere between 17 to 30 million native speakers as compared to 140 million nonmother tongue users. lt is languages like these rather than English that are rapidly gaining mother tongue speakers. Moreover, though much ofthe scholarship on language loss makes a facile equation between dominant and European languages (cf. MUFWENE 2004), an analysis of the world's largest languages show that locally dominant is very unlikely tobe a European language outside Europe. Table 4 shows the distribution ofthe world's largest languages those with 10 million or more speakers. 100 million or more 50-100 10-50 Total 10 12 43 65 4 3 8 15 6 9 35 50 Table 4: The distribution ofthe world's largest languages, in millions (Source: ETHNOLOGUE) JFLuL 35 (2006) 176 Janina Brutt-Grijjler In addition, of the nearly 200 languages with between 1 and 10 million speakers, somewhere around 85% are non-European, depending on how one classifies "European" and what counts as a language (versus a dialect) (ETHNOLOGUE). On the contrary, the global spread ofEnglish is not a step on the way to English Only worldwide but indexes the degree to which we are moving to a world in which bilingualism and bilinguals are becoming the norm (cf. BRUTT-GRIFFLER 2002; 2004). The most significant linguistic effect of globalisation has not been either world English or language endangerment, but the increasing prevalence ofbilingualism. So, as GRADDOL (2004) projects, "English will indeed play a crucial role in shapingthe new world linguistic order, but its major impact will be in creating new generations ofbilingual and multilingual speakers across the world" (1330). The portentous results are tobe seen most starkly, perhaps, in the readiness with which the corporate world, cited by some as an engine of English Only worldwide, has in fact embraced bilingualism as a practical economic necessity. A report ofthe self-described "pro-business" Washington-based Committee for Economic Development (CED 2006) stresses that "füll participation in [the] new global economy will require not just competency in reading, mathematics and science, but also proficiency in foreign languages" (vii). The reason for this advocacy is not difficult to discem. As the percentage of the world's commerce that crosses national borders constantly increases (in dollar figures from $57 billion in 1947 to over $6 trillion in the late 1990s) (STEGER 2003), not just familiarity with, but fluency in more than one language has increasingly become a prerequisite to effectiveness in more and more segments of global commercial life. The CED argues, lt is becoming increasingly important for U.S. companies of all sizes to succeed in overseas markets. Many small 0 and medium-sized businesses from New England to the Pacific Northwest are now finding it necessary to do business in the languages and cultural environments of the world's emerging markets. Some small businesses especially need employees with foreignlanguage skills, as managers must often communicate directly with foreign customers.... Without foreign-language skills and cultural knowledge, small businesses face greater difficulties exporting to overseas markets (6). This market pressure manifests itself in both expected and less obvious ways. For instance, a U.S.-based Call Center trade journal notes that while demand for all employees is experiencing a decline in the U.S. partly as a result of the outsourcing of suchjobs ~ there is a net shortage ofbilinguals in the field, particularly Spanish-English bilinguals (REAJJ 2004). What might not be realized is how far up the economic ladder this preference extends. A survey of global recruiters for executive level positions in business found that though only 34% ofNorth American respondents considered bilingualism "critical to succeeding in today's business environment" (as compared to 90% of those questioned in Europe, Asia, and Latin America), a füll two-thirds believed it would be so within a decade (identifying Spanish, French, and Chinese as the languages of choice for ambitious North American business people) (KoRN/ FERRY INTERNATIONAL 2005). lFLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 177 This economic imperative toward bilingualism cuts two ways. The magazine Hispanic Business notes a connection between it and English Only initiatives in many states, remarking, "Fear ofbilingualism is fueled [in part] by the fact that many U.S. companies prefer bilingual employees" (MACERI 2001). On the other hand, market forces are not so easily held at bay. lt is telling that an article in a trade joumal for North American chief executives on outsourcing, in recommending potential nations to best fit particular goals, lists the Philippines as "a base for bilingual Spanish-English language skill" (F ANNIN 2004). Apparently, bilingualism is among the skills that can be outsourced. 5. Implications for intercultural language teaching and learning In the twenty-first century, communicative competence is going to mean increasingly that more and more people will want to acquire the advanced proficiency in two or more languages that will be increasingly necessary in a globalized world. Though a significant proportion ofthe world's population has always been bilingual (or multilingual), globalisation is taking bilingualism from the margins to the mainstream. lt is not surprising, therefore, that national self-interest has caused govemments across the world, as the British Council report highlights, to follow the lead of business in concluding that the ability of nations to produce bilinguals with advanced proficiency is a key to global competitiveness. The Commission of the European Communities has declared that "[t]he ability to understand and communicate in other languages is a basic skill for all European citizens" (2004: 3). lt hasset an ambitious target for every European having "communicative competence" in "at least two other languages in addition to his or her mother tongue" (4). Two nations not known for their success in foreign language teaching, the U.S. and UK, have both embarked on ambitious programs oftheirown. In the U.S., only one third of students in grades 7 to 12 and fewer than one in ten college students take courses in a foreign language (COMMITTEE FOR ECONOMIC DEVELOPMENT 2006: 1). As a result, corporate executives in the U.S. self-report an average of 1.5 languages spoken, as against a figure of 3.9 for the Netherlands (COMMITTEE FOR ECONOMIC DEVELOPMENT 2006: 7). In 2006, however, the U.S. federal govemment announced a plan to allocate $114 million for encouraging the leaming of "critical" languages like Chinese, Arabic, Hindi, Japanese, Korean, Persian/ Farsi, Russian, and Turkish in which it is deemed crucial to have a supply of highly proficient bilinguals (U.S. DEPARTMENT OF STATE 2006). The languages involved are not those major European languages that have traditionally dominated foreign language education in the West. While the most successful EU nations have achieved bilingualism rates as high as 99% (Luxemburg) and 91 % (Netherlands), the UK comes in at the second lowest (30%) (EUROPEAN COMMISSION 2005: 3). In December 2002, the Govemment issued the National Languages Strategy, Languages for All: Languages for Life -A Strategy for England, which sets out the Govemment's plans to transform England's capability in leaming languages. One of its key goals is to provide every pupil throughout Key Stage lFJLuL 35 (2006) 178 Janina Brutt-Grijjler 2 the opportunity to learn at least one foreign language by the end of the decade. lt also outlines plans to "broaden and enrich the opportunities for language learning at school and beyond" by capitalizing on the notion that "[l]anguages are a lifelong skill" (DE- P ARTMENT FOR EDUCATION AND SKJLLS 2002: 1). The clear vision to promote language learning is underscored by the Govemment's recognition that in "the knowledge society ofthe 21 st century, language competence and intercultural understanding are not optional extras, they are an essential part ofbeing a citizen" (5). Its Executive Summary states that "[f]or too long we have lagged behind as a nation in our capability to contribute fully as multi-lingual and culturally aware citizens. Likewise in the global economy too few employees have the necessary language skills to be able to engage fully in international business" (5). lt states that "the Govemment is determined to develop and implement a strategy which will achieve a steep change in language competence and change the country's attitude to teaching and learning foreign languages" (12). lt is instructive to observe that the attempt to assure its global position in a multilingual world has caused UK educational authorities to appreciate a hitherto often downplayed asset. The UK's National Centre for Languages (CILT) notes, for instance, Considerable concem has been expressed in the press about the long-terrn future of languages in UK schools and universities and about the implications for business. Yet, the UK has a major linguistic asset not currently sufficiently recognized in language policy and planning: children from multilingual communities across the UK who are growing up with a knowledge oflanguages, such as Punjabi, Polish, Somali, or Yoruba, in addition to English .... The linguistic skills and achievements ofthis group of children are often ignored in discussions ofthe UK's competence in languages other than English. There is a need to recognize the particular benefits which competence in community languages represents for the children themselves, for their communities and for wider British society, and to identify ways in which their potential can best be realized (NA- TIONAL CENTRE FOR LANGUAGES 2006). The CiLT reports, "Mainstream and complementary providers all agree that it is important for students to learn to understand, speak, read and write their community languages well" (NATIONAL CENTRE FOR LANGUAGES 2006). In England, too, then, the pressures of globalisation have convinced govemment authorities to look past the traditionally recognized "modern languages" clear evidence ofthe profound ways in which linguistic diversity is not uniformly disappearing, but being transformed together with global demographics. The practical implications for language teaching and learning are enormous. Even those nations that have long experience in developing a high level ofbilingual proficiencies may not be prepared for the influxes of non-mother tongue speakers they are currently experiencing. The UK's National Centre for Languages notes, A key dilemma for both mainstream and complementary providers is the fact that the range of languages in use in British schools appears to be increasing, but the numbers of students who speak any one language may be small. Moreover, cöncentrations of students shift from year to year. Several schools had the experience ofrecruiting teachers and organizing provision, only to find that numbers of students in that language fell in subsequent years, while the numbers for other languages, not available, rose (2006: 3). lFLuL 35 (2006) Language and Globalisation: Myths and Realities 179 Similarly, there are an estimated 5 million K-12 students in the U.S. with limited English proficiency, who, according to Catherine Snow, "arrive with high home-language literacy skills and no English, or with a history of failed and interrupted schooling and no English" (quoted in GUENSBURG 2006: 36). The results pose serious challenges to educators. Many teachers find themselves unable to converse directly with all the students they are teaching because they may not necessarily share a common language with all their students. In such a context language teaching is mediated by other students. For example, the teacher may be proficient in Tswana and English, while there are students from Tswana, Zulu, Sotho, and Afrikaans backgrounds. The teacher's instruction is initially targeted at students who understand Tswana and another African language. The student who understands Tswana and Sotho might then mediate between the Sotho and Zulu students and the Sotho/ Zulu students may then mediate between them and Sotho and Afrikaans students, and then chained instruction continues until everyone is included through a strategy of mediated instruction. The following classroom interaction taken from a Zimbabwe classroom illustrates the miscommunications and impediments to leaming that often result. 1 Teacher: Our lesson today; is on lightning. What is our lesson on? 2 Students (in unison): Lightning. 3 Student 1: Lightning zvinoreveyi? 4 (Lightening what does it mean? ) 5 Student 2: Magetsi 6 (Lights) 7 Teacher: Lightning can kill. 8 Student 2: Magetsi anogonakuuraya 9 (Lights can kill.) Here, one student, in translating the English for another who does not understand it, mistranslates the object ofthe lesson, leading to the second student's conclusion that the teacher is telling them that "lights can kill." 6. Conclusion Interkulturelles Lernen or intercultural leaming that gained momentum in the late 1980s in Europe recognized that leaming foreign languages "was more thanjust leaming to get one's message across, clearly, accurately, and appropriately." Rather it underscored the necessity of understanding others in "their national, historical specificity" (KRAMSCH 2005: 551 ). Today the concept of interkulturelles Lernen is no longer bound to nationality, but rather extends to an understanding one's ethnic, religious, class-based, gender identities (KRAMSCH 2005). Today language leaming takes place in a much more complex multilingual environment than, perhaps, at any other time in history. The linguistic environment consists of not merely of a few languages, but as in the case of London schools of perhaps as many as 300 languages a number so staggering that it outright lFLuL 35 (2006) 180 Janina Brutt-Grifjler precludes the possibility ofteachers being proficient or even familiar with the rudiments of more than a few. Applied linguistics will grapple with the changing notions of societal bilingualism, individual language learner's proficiencies, and interkulturelles Lernen for decades to come. References BAKER, Philip / EVERSLEY, John (eds.) (2000): Multilingual Capital. London: Battlebridge. 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This paper focuses on language leaming and its subjective siguificance for an individual's learning biography. The main research questions ofthis study include: How are languages and language learning perceived within the course of an individual's life? Which languages become important during a person's life and why? How do bilingual/ multilingual persons perceive the different languages they use? This study is based on language memoirs and autobiographic texts written by bilingual or multilingual authors (Fran~ois Cheng, Ying Chen, Claude Esteban, Georges-Arthur Goldschmidt, Natasha Lvovich, Yoko Tawada and Alev Tekinay), i.e. persons who show a special sensitivity for linguistic questions. Tue first section provides a short overview about the current situation within the field of biographical research conceming language learning. The second part analyzes the different language memoirs with special reference to linguistic and cultural identity, the process oflanguage learning, the coexistence of different languages and the perception oflanguages. 1. Einleitung Mein Interesse an der Thematik dieses Beitrags Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive ist zweifach begründet: Erstens: Um Interkulturalität als Kernkategorie zweit- und fremdsprachlichen Lernens und Lehrens ist es im Moment ruhig geworden. Zu sehr sind andere Themen in den Vordergrund gerückt: Kompetenz, Leistung, Effektivität, Standardisierung, Aufgabenentwicklung, Messbarkeit diese Aspekte sprachlichen Lernens sind es, die zur Zeit Sektionen bei Kongressen Zulauf bescheren und die weite Teile der Fachdiskussion bestimmen. Zwar stehen auch in den neuen curricularen Verlautbarungen wie dem GER, den KMK-Bildungsstandards für die erste Fremdsprache oder in Kernlehrplänen einzelner Bundesländer Interkulturelle Kompetenzen in Präambeln immer noch an zentraler Stelle (vgl. EUROPARAT 2001: 105 f; SEKRETARIAT DER STÄNDIGEN KONFERENZ DER KULTUSMINISTER 2005: 7; MINISTERIUM FÜR SCHULE, JUGEND UND KINDER NRW 2004: 11), wenn es aber dann um Deskriptoren und Testaufgaben, also um Konkretisierung geht, stehen andere Kompetenzen wie Hörverstehen, Leseverstehen usw. im Mittelpunkt, da sie im Vergleich leichter operationalisierbar und messbar sind. Fragen, die in den 90er Jahren intensiv diskutiert wurden, z.B. inwieweit Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht sich nicht nur auf die so genannte „Ausgangskultur" und die so Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Adelheid Hu, Univ.-Profin, Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft, Von-Melle-Park 8, 20146 HAMBURG. E-mail: hu@erzwiss.uni-hamburg.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachendidaktik (Französisch), Mehrsprachigkeitsforschung, Interkulturelle Didaktik FLulL 35 (2006) 184 AdelheidHu genannte „Zielkultur" beziehen sollte, sondern auch auf andere Kulturen, etwa diejenigen, die durch Globalisierung und Migration ohnehin in der Gesellschaft präsent sind, findet man in den aktuellen curricularen Papieren und Standardbeschreibungen nicht mehr diskutiert. Auch die Frage, wie Interkulturelles Lernen sich für diejenigen Kinder und Jugendlichen gestaltet, die selbst bereits intensive interkulturelle und mehrsprachige Erfahrungen gemacht haben, die also per se Interkulturalität und kulturelle Komplexität als biographisches Gepäck mitbringen, hat aktuell in den bildungspolitischen Verlautbarungen kaum Stellenwert. Sprachenlernen als kulturelle Erfahrung und Erweiterung der eigenen Identität, also in seiner Bedeutung für die je individuelle Biographie, wird aktuell wenig beachtet. So sehr wie selten zuvor rücken funktional-kommunikative Aspekte in den Vordergrund. Dies ist mein erster Ansatzpunkt: Ich möchte mich der Frage nähern, wie das Erleben von Sprachen mit dem biographischen Gewordensein von Menschen verknüpft ist, und welche Bedeutungen Menschen ihren Sprachen für ihr Leben und ihre Identität beimessen. Der zweite Grund, mich mit autobiographischen Schriften zwei- oder mehrsprachiger Personen zu befassen, liegt in der Thematik, die ich schon seit mehreren Jahren verfolge: der Frage nach sprachlich-kultureller Identität im Kontext von migrationsbedingter Zweibzw. Mehrsprachigkeit und dem Sprachenlernen in der Schule. Aus einer qualitativempirischen Studie (Hu 2003) zu dieser Thematik möchte ich hier nur holzschnittartig einige der wichtigsten Ergebnisse benennen: • Schulisches Fremdsprachenlernen findet zunehmend mehr auf der Basis von migrationsbedingter/ lebensweltlicher Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität statt. Die Vielfalt der Sprachen nimmt dabei deutlich zu. • Die schulisch orientierte Fremdsprachendidaktik und dementsprechend auch viele Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer tendieren bislang dazu, die außerhalb des Deutschen mitgebrachten Sprachen ihrer Schülerinnen und Schüler zu ignorieren und aus den im Klassenzimmer stattfindenden Lernund-lehrprozessen auszublenden. Die migrationsbedingt erworbenen und eben nicht im deutschen Schulsystem gelernten Sprachen erscheinen das wird an vielen Stellen der Studie deutlich den Lehrkräften für die sprachlichen Lernprozesse irrelevant. • Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler wurde deutlich: Die Verortung der eigenen sprachlich-kulturellen Identität, die durch das Zusammenspiel ganz unterschiedlicher kultureller Einflüsse und sprachlicher Erfahrungen gekennzeichnet ist, hat einen zentralen Stellenwert. Interkulturalität und Mehrsprachigkeit sind alltägliche Erfahrungen. Die emotionale Beziehung zu den verschiedenen Sprachen, mit denen die Jugendlichen in Berührung kommen, spielt eine herausragende Rolle. Die mehrsprachigen und genuin interkulturellen Anteile der Identitäten werden im schulischen Fremdsprachenunterricht hingegen so weit wie möglich ausgeblendet: Hier passen sich die Jugendlichen in vielen Fällen den Anforderungen der fremdsprachlichen Lehrkräfte an, die allein Deutsch als Referenzsprache zulassen. • Forschungen, die sich mit Lernprozessen im Kontext von typologisch nicht verwandten Sprachen befassen, also gerade auch Sprachen mit unterschiedlichen lFLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 185 Schriftsystemen, existieren bislang kaum. Das führt dazu, dass oftmals schlichte, wissenschaftlich nicht begründete Alltagstheorien und Mythen, etwa über die Schwierigkeit von Sprachen oder sprachliche Fremdheit, zu Buche schlagen. Hat sich in Bezug auf diese Aspekte in der jüngsten Zeit etwas bewegt? Abgesehen von einigen Forschungsbzw. Qualifikationsarbeiten rückt aktuell die Frage der Mehrsprachigkeit, und zwar explizit auch im Sinne der migrationsbedingten Mehrsprachigkeit, eher in den Hintergrund. Zur Zeit scheinen einfache Lösungen näher zu liegen. Es geht zunehmend lediglich um die Frage, wie Schüler/ innen mit Migrationshintergrund möglichst schnell Deutsch lernen, um in Regelklassen aufgenommen zu werden (vgl. auch die Debatte um „Deutsch auf dem Schulhof', z.B. in der FAZ vom 29.1.06: 1). Diese Entwicklungen, die Fragen der sprachlich-kulturellen Identität unberücksichtigt lassen, sind umso erstaunlicher, als gleichzeitig auf anderen Ebenen kultur- und sprachbedingte Probleme in besonderer Deutlichkeit zutage treten. So wird z.B. in der PISA-Ergänzungsstudie (PISA KONSORTIUM DEUTSCHLAND 2003) und anderen Evaluationen des deutschen Schulsystems (aktuell etwa auch in der Evaluation des Sonderberichterstatters der UN-Menschenrechtskommission für Bildung, Vernor Mufios Villalobos, vgl. SCHULTZ 2006 in der Süddeutschen Zeitung vom 22.2.06) immer deutlicher die Benachteiligung von Schüler/ innen nicht nur aus den so genannten „bildungsfemen" Schichten, sondern gerade auch von Kindern mit Migrationshintergrund festgestellt. Integration bleibt im übrigen auf allen Ebenen ein Thema mit viel politischem Zündstoff (vgl. für einen aktuellen Beitrag etwa KIYAK 2006: 43 f). Es stellt sich die Frage, wieso es zu diesem Trend der „einfachen Lösungen", gerade auch in der Schulsprachenpolitik, kommt. Es mangelt nämlich, und dies soll auch Thema dieses Beitrags sein, nicht an fehlenden Denkansätzen, theoretischen Modellen, empirischen Studien und Neukonzeptualisierungen von Kernkategorien sprachlichen Lernens unter den Bedingungen von Pluralität. Gerade im Kontext kulturwissenschaftlicher Ansätze zur Beschreibung und Konzeptualisierung sprachlich-kulturellen Lernens (vgl. für einen Überblick Hu 2004) sind differenzierte und innovative Modelle entwickelt worden (vgl. z.B. ALTMAYER 2004; BREDELLA 2002; HALLET 2002; Hu 2003; SCHU- MANN 2000; SCHWERDTFEGER 2000; VOLKMANN [et al.] 2002). Auch zum Thema Sprachenlernen und Identität liegen zahlreiche Forschungen vor (z.B. KRA.MSCH 2003; NORTON 1997; PAVLENKOILANTOLF 2000), ebenso wie zum Thema „Migration und Sprache bzw. Mehrsprachigkeit" (z.B. CHAMBERS 1996). All diese Ansätze haben jedoch eines gemeinsam: sie bieten keine einfachen Lösungen, sie betonen oftmals die Individualität und Einzigartigkeit, ebenso auch die Kontextgebundenheit von Lernprozessen; die Unterrichtsvorschläge, die entwickelt werden, sind eher anspruchsvoll, erfordern Lese- und Denkbereitschaft, die Darstellung der didaktischen Ansätze ist theoriegeleitet und verlangt etwa von den Lehramtsstudierenden oder Lehrer/ innen ein hohes Maß an linguistisch-erkenntnistheoretisch-kulturwissenschaftlichem Verständnis. Dies entspricht offensichtlich nicht dem aktuellen politischen Bedarf nach schnell wirksamen Lösungen, die Deutschland bei den zukünftigen PISA-Studien wieder „nach vom bringen" sollen. Es entspricht auch nicht den Vorstellungen der ebenfalls kompetenzorientier- JFLuL 35 (2006) 186 AdelheidHu ten Lehrerausbildung, wo in BA-MA-Studiengängen schnell und effektiv Wissen und Know-how für den Einsatz in der Berufspraxis erworben werden soll. Und schließlich passt auch eine Hinwendung zu Fragen der sprachlich-kulturellen Identität wenig zu der aktuellen ökonomischen Orientierung des Bildungssystems überhaupt (vgl. LIESNERI SANDERS 2005). Als Wissenschaftlerin kann ich jedoch nur den langsamen Weg gehen und hoffen, dass trotz des politischen Handlungsdrucks die eine oder andere durch wissenschaftliche Forschung gewonnene Einsicht auch in die Bildungspolitik gelangt. Zurück zum Thema Mehrsprachigkeit: Die Fragen, die mich in diesem Zusammenhang bewegen, richten sich auf die Bedeutung der zuerst erworbenen Sprachen im Laufe einer zwei- oder mehrsprachigen Biographie. Genauer: Von welcher Bedeutung ist die Erstsprache für den weiteren Spracherwerb und weiteres Sprachenlernen im Laufe des Lebens? Kann man sie mit Berechtigung für schulisch angeleitetes Sprachenlernen unberücksichtigt lassen? In welchem Verhältnis stehen Erstsprachen, Zweitsprachen und weiterhin gelernte Sprachen in der subjektiven Perspektive mehrsprachiger Personen? Welche Rollen spielen die Sprachen für die Identität der Betroffenen? Und schließlich: Lassen sich erste Aussagen über Sprachwahrnehmung gerade auch im Kontext distanter Sprachen treffen? Um mich diesen Fragen zu nähern, erscheinen mir sprachbiographische Forschungszugänge besonders gewinnbringend zu sein. Ich gebe im Folgenden zunächst einen kurzen Überblick über diese Art der Forschung und stelle dann im Hinblick auf die Aspekte sprachlich-kulturelle Identität, Sprachenlernen, Zusammenspiel der Sprachen und Sprachwahrnehmung exemplarisch einige Textauszüge hier ausgewählt aus literarischen Sprachbiographien vor. Ich verlasse also, das ist mir durchaus bewusst, zunächst den Kontext des schulischen Sprachenlernens und nehme eine weitere Perspektive ein. Ich verspreche mir jedoch davon, aus einer solchen weiteren Perspektive wiederum Einsichten zu gewinnen, die für das Verständnis schulischen Sprachenlernens, gerade in einem größeren interkulturellen Zusammenhang, fruchtbar sein können. 2. Zur Forschung über Sprachbiographien Sprachbiographieforschung im Kontext von Fremdsprachendidaktik, Sprachlehr- und -lernforschung sowie Zweitsprachenerwerbsforschung ist bislang noch eher ein Randgebiet. Dennoch ist seit einigen Jahren ein zunehmendes Interesse an dieser Thematik zu beobachten. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit skizziere ich im Folgenden drei unterschiedliche Zugänge innerhalb dieser Forschungsrichtung. 2.1 Forschungen zu Sprachbiographien auf der Basis narrativer Interviews mit mehrsprachigen Erwachsenen Insbesondere in der Schweiz wird seit einigen Jahren auf diesem Gebiet intensiv geforscht. Mehrere Sammelbände (ADAMZIKIROOS 2002; FRANCESCIIlNI 2001; FRANCES- CHINIIMIECZNIKOWSKI 2004; FÜNFSCHILLING 1998) sind dort erschienen (vgl. aber auch FLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 187 APITSCH 1998; OHM 2000; THUM/ KELLER 1998). Kennzeichnend für diese Forschungsgruppen ist die Betrachtung von Sprachbiographien aus der Perspektive der Zweitsprachenerwerbsforschung: Durch einen sprecherzentrierten Blickwinkel erhofft man sich insbesondere Einsichten in Spracherwerbsverläufe. Forschungsfragen hier sind etwa folgende (vgl. dazu FRANCESCHINI 2002: 26): Welches sind die retrospektiven Vorstellungen von erfolgreichen Lernern in Bezug auf ihren eigenen Erwerbsprozess? Mit welcher Art von Kontaktpersonen hat sich der Spracherwerbsprozess abgespielt? Welche Strategien aus der sprachlichen Erstsozialisation konnten beim Erwerb der Zweitsprache/ Drittsprache eingesetzt werden? Methodisch gesehen werden die erhobenen Narrationen als Interpretationen der eigenen Sprachentwicklung aufgefasst, gewissermaßen als Alltagstheorien, die mit Hilfe einer interpretativen Methodologie analysiert werden. Im Allgemeinen geschieht dies zunächst durch Betrachtung der Erzählungen als Einzelfallschilderungen. In einem zweiten Schritt werden jedoch aus einem größeren Datenkorpus Erzählungen miteinander verglichen, so dass auch überindividuelle Erzählmuster hervortreten. Figuren sprachbiographischen Erzählens, typische Verläufe von Erwerbsprozessen werden somit erkennbar. Auch die Art und Weise, wie individuelles Erleben mit sozialen, kulturellen und lebensgeschichtlichen Kontexten verknüpft wird, wird deutlich. Erste Generalisierungen aus dem Datenkorpus zeigen folgende wiederkehrende Strukturelemente auf (FRANCESCHINI 2004: 132 ff): eine holistische Betrachtungsweise, eine starke persönliche Involviertheit, die große Bedeutung der Tiefe des emotionalen impact, sei er negativ oder positiv, die Einzigartigkeit jeder Sprachbiographie, vor allem aber die überaus starke emotionale Gewichtung der Sprachen und der Sprachlernerfahrungen. Hervorzuheben ist, dass sich das Thema Emotion und Spracherwerb/ Sprachenlernen in diesen Forschungen zu einem der zentralsten Aspekte überhaupt herausschält (vgl. auch PA VLENKO 2002). 2.2 Forschungen zu publizierten Sprachenbiographien zwei- oder mehrsprachiger Schriftsteller/ innen Vermutlich ist es die Tatsache, dass durch Postkolonialismus, Migration und Globalisierung die Zahl zwei- oder mehrsprachiger Schriftsteller/ innen in den letzten Jahrzehnten deutlich ansteigt, die für verstärkte Aufmerksamkeit für die Textsorte der literarischen Sprachenautobiographie auch in den mit Sprachenlernen und -lehren befassten Disziplinen gesorgt hat (vgl. KELLMAN 2003a). In den USA hat sich insbesondere Aneta Pavlenko aus der Perspektive der Applied Lingustics mit "cross cultural autobiographies" oder, wie es im anglo-amerikanischen Raum auch häufig heißt, "literary translingualism" (PAVLENKO 2001: 327) beschäftigt. Den Grund dafür, sich gerade mit publizierten Texten von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, also einer relativ außergewöhnlichen Minderheit, zu befassen, sieht sie in deren besonderer Sensibilität für Sprache bzw. Sprachen und deren Erwerb. PAVLENKO untersucht in ihren Forschungen (2001, 2001a) einen Korpus von 16 Sprachlernbiographien ("language learning memoirs") sowie 7 sprachbiographischen Essays zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, die sich für Englisch als Literatursprache entschieden haben, obwohl es nicht ihre Erstsprache ist. lFLuL 35 (2006) 188 AdelheidHu Pavlenkos Interesse richtet sich bei der Analyse der Texte insbesondere auf die Frage, wie die Autor(inn)en in den Texten ihre Identität im Zusammenhang mit ihrer Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität inszenieren. Dabei stehen sprachliche, ethnische, kulturelle, soziale sowie geschlechtsspezifische Aspekte im Vordergrund. Ähnlich wie bei FRANCESCHINI geht es auch PA VLENKO darum, durch den Vergleich einer relativ großen Zahl von Texten rhetorische Formen herauszukristallisieren, die für diese Textsorte charakteristisch sind. Außerdem ist es ihr Anliegen, die Forschungen zum Sprachenlemen und Zweitspracherwerb durch diese subjektiven Selbstzeugnisse zu bereichern. Auch für den frankophonen Raum gibt es Ansätze einer solchen Forschung: So untersucht Anne-Rosine DELBART (2002) kulturelle, literarische und psychologische Motive für die Sprachwahl bilingualer frankophoner Autoren. Ich selbst habe mich in Hu (2005) mit Sprachbiographien chinesisch-frankophoner Autor(inn)en im Hinblick auf sprachlich-kulturelle Identität, Mehrsprachigkeit und literarisches Schreiben beschäftigt (vgl. auch GAUVIN 1997; KROH 2000). Um einen besonders differenzierten und meines Erachtens wichtigen Beitrag im Kontext literarischer Sprachbiographien handelt es sich bei der Studie von Simone HEIN- KHATIB: Sprachlichkeit und Biographie. Eine Untersuchung sprachbiographischer Selbstbeschreibungen der mehrsprachigen Schriftsteller Peter Weiss und Georges-Arthur Goldschmidt (im Druck). Die Verfasserin widmet sich hier dem Thema „Mehrsprachigkeit", und zwar mit dem Ziel, das Verhältnis von Menschen zu ihren Sprachen besser zu verstehen. Sie ist dabei weniger an funktional-kommunikativen Faktoren interessiert, ebenso wenig an sozial-symbolischen Gesichtspunkten ihr geht es in erster Linie hingegen um die Frage, wie das Erleben von Sprachen mit dem biographischen Gewordensein eines Menschen verknüpft ist, und welche spezifischen Funktionen und Bedeutungen mehrsprachige Menschen ihren Sprachen in ihren individuellen Biographien beimessen (HEIN-KHATIB, im Druck: 11). Hein-Khatib ist also an der Dimension des Selbstausdrucks als Bestandteil menschlicher Sprachlichkeit interessiert. Als konkrete Fälle wählt sie die Sprachbiographien von Peter Weiss und Georges-Arthur Goldschmidt, wobei die Gründe für die Entscheidung vor allem in der relativ ähnlichen Biographie, gleichzeitig aber auch in der besonders intensiven Bearbeitung sprachlicher Fragen bei den beiden Autoren und schließlich dem sehr unterschiedlichen Umgang mit Migration und Mehrsprachigkeit liegen. HEIN-KHATIB arbeitet forschungsmethodisch mit der Methode der biographischen Fallrekonstruktion von Gabriele ROSENTHAL. Ihr Ansatz, der zum einen gestalttheoretisch begründet ist, zum anderen aber auch psychoanalytische Aspekte miteinbezieht, scheint der Verfasserin in besonderer Weise geeignet, der Frage näher zu kommen, wie Sprachlichkeit in ihrer Bedeutung für ein Individuum erforscht werden kann, und wie gerade die Verknüpfung von biographischem Erleben im Allgemeinen und dem Aspekt der Sprachlichkeit im Besonderen angemessen rekonstruiert werden kann. In diesem Sinne rekonstruiert sie dann die beiden Sprachbiographien in verschiedenen Analyseschritten mit dem Ziel, die jeweilige Eigenstrukturiertheit des Falles in einem möglichst hohem Maße freizulegen (71 ). Die sehr differenzierten und bis in die Tiefenstrukturen der Fälle vordringenden Analysen werden schließlich ergänzt um FLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 189 eine vergleichende Darstellung der beiden Einzelfälle, die es erlaubt, Strukturen und Deutungsmuster von Biographie und Sprachlichkeit kontrastiv zu erfassen. Wenn HEIN- KHATIB kritisiert, dass in fremdsprachendidaktischen oder sprachpolitischen Zusammenhängen Sprachbiographien wenn überhaupt dazu herangezogen werden, um bestimmte Argumentationen zu stützen, so zeigt sie hier in eindrucksvoller Weise die Eigenstrukturiertheit von zwei spezifischen Sprachbiographien auf. Diese Studie macht in besonderer Weise deutlich, wie verkürzt und oberflächlich zum Teil Darstellungen sprachlicher Lernprozesse in pragmatisch orientierten Kontexten sind. 2.3 Sprachbiographien und institutionelles Sprachenlernen Schließlich sei noch auf Ansätze verwiesen, die sich mit dem Potential von Sprachbiographien im schulischen oder universitären Kontext beschäftigen. Christiane PERREGAUX (2002) geht es in ihrem Beitrag« (Auto)biographies langagieres en formation et a l' ecole: Pour une autre comprehension du rapport aux langues » darum, die mehrsprachigen Biographien der Schüler/ innen bzw. der Studierenden im Kontext von Sprachenunterricht sowohl in der Schule als auch an der Universität zu erheben, um Mehrsprachigkeit sichtbar zu machen und zur Reflexion über Sprachlernprozesse anzuregen. Claudine BROHY (2002) berichtet über die Integration der Sprachenbiographien der Lernenden in universitäre Sprachkurse. Auch hier geht es um Reflexion von Sprachlernstrategien, den Aufbau metakognitiven Wissens sowie Sprachenbewusstheit bzw. Sprachlembewusstheit. KRUMM (2002) verweist auf das Potential von Sprachenportraits in der Grundschule, die es erlauben, Sprachbiographien der Kinder zu enthüllen (zum Thema Reflexion über Sprache und Sprachenlernen im Grundschulbereich vgl. auch die ausführliche empirische Studie bei Korn, im Druck). 3. Sprachlich-kulturelle Identität, Sprachenlernen, Zusammenspiel der Sprachen und Sprachwahrnehmung in autobiographischen Texten zweibzw. mehrsprachiger Autor/ innen Die Texte, auf die ich mich im Folgenden beziehe, stammen von Autorinnen und Autoren, die die Sprache, in der sie vorwiegend publizieren (in den meisten Fällen Französisch, zum Teil auch Deutsch und Englisch) erst zu einem relativ späten Zeitpunkt (in den meisten Fällen als junge Erwachsene) gelernt bzw. erworben haben. Bei der Recherche nach relevanten Texten haben mich vor allem drei Kriterien geleitet: erstens interessieren mich insbesondere solche Texte, in denen das Zusammenspiel von kulturell und linguistisch distanten Sprachen (Chinesisch-Französisch, Japanisch-Deutsch) thematisiert wird. Mehrsprachigkeit im Kontext solcher Sprachkombinationen ist kaum erforscht und verdient von daher besondere Aufmerksamkeit. Ein zweites Kriterium ist die Intensität und Differenziertheit, mit der in den Texten Fragen des Spracherwerbs, der Sprachwahrnehmung bzw. der Identität in mehrsprachigen/ mehrkulturellen Zusammenhängen verhandelt wird. Schließlich ist zu erwähnen, dass ich verstärkt Texte aus dem frankolFLuL 35 (2006) 190 AdelheidHu phonen Kontext rezipiert habe in großer Zahl vorhandene interessante Fälle aus dem anglophonen oder hispanophonen Bereich habe ich nicht systematisch miteinbezogen (vgl. aber dazu BAMMER 1994; KELLMAN 2003b). Kurz zu den Autorinnen und Autoren, aus deren Texten ich hier Ausschnitte vorstelle: Franc; ois Cheng ist chinesischer Herkunft, lebt aber seit mehr als 50 Jahren in Frankreich, wo er vor allem als Schriftsteller (fast ausschließlich in französischer Sprache) tätig und anerkannt ist. Für unsere Thematik ist insbesondere der TextLe Dialogue. Une passion pour la langue franc; aise (CHENG 2002) interessant, in dem er die Entwicklung seiner sprachlich-kulturellen Identität detailliert schildert. Ebenfalls aus China stammt die Autorin Ying Chen, die wesentlich jünger als Cheng als Studentin ins französischsprachige Kanada emigriert ist und dort seit 1981 lebt. Ich beziehe mich hier auf Texte aus dem Band Quatre mille marches. Un reve chinois (CHEN 2004), in dem sie ihre Sprachlerngeschichte sowie insbesondere Aspekte interkultureller Identität erörtert. Natasha Lvovich ist jüdisch-russischer Herkunft und beschreibt in ihrer Sprachbiographie The multilingual Seif (L VOVICH 1997) zunächst ihren Lernprozess der französischen Sprache (in Moskau) sowie dann begründet durch Emigration in die USAder englischen Sprache. Für Alev Tekinay sind Türkisch und Deutsch die wichtigsten Bezugsprachen, jedoch ist der Text, auf den ich mich hier beziehe, In drei Sprachen leben (TEKINAY 1997) insofern besonders für Fragen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität interessant, als sie hier die Rolle des Englischen als dritter Sprache reflektiert. Die Erstsprache für Georges-Arthur Goldschmidt war Deutsch, jedoch wurde, bedingt durch seine Flucht vor den Nationalsozialisten bzw. das anschließende Exil in Frankreich, Französisch über lange Jahre zu seiner Haupt- und Literatursprache. In Ein Stuhl mit zwei Lehnen une chaise a deux dossiers ( GOLDSCHMIDT 1991 ), ebenso aber auch in seiner Autobiographie Über die Flüsse (GOLDSCHMIDT 2001) schildert er aus der Retrospektive die Entwicklung seines Verhältnisses zu den beiden Sprachen. Yoko Tawada stammt aus Japan und lebt seit 1982 in Hamburg, wo sie vorwiegend in deutscher Sprache publiziert. Charakteristisch für eine Vielzahl ihrer Texte ist die zentrale Bedeutung der Reflexion über Struktur und kulturelle Semantik der deutschen und der japanischen Sprache. Hier beziehe ich mich auf ihr Buch Überseezungen aus dem Jahre 2002 (TA WA- DA 2002). Claude Esteban schließlich, ein in Paris lehrender und publizierender Wissenschaftler und Autor, stellt insofern einen Sonderfall dar, als er in Paris geboren wurde und somit neben seiner Familiensprache Spanisch gleichzeitig die französische Sprache erwarb. Hier beziehe ich mich auf sein Buch Le partage des mots (ESTEBAN 1990), in dem er seine Zweisprachigkeit in autobiographischer Perspektive reflektiert. Forschungsmethodisch ist festzustellen, dass es sich bei den hier ausgewählten Texten um retrospektive Narrationen handelt, die subjektiv Erlebtes in Zusammenhänge einbinden, Erinnerung in Erzählung überführen und das sprachliche Selbst inszenieren (FOLKENFLIK 1993; LEMKE 2002; NELSON 2003). Autobiographische Erinnerung, wie z.B. Harald Welzer in Das kommunikative Gedächtnis (WELZER 2002) aufzeigt, unterliegt einem ständigen Reinterpretationsprozess. Anhänger von objektivistischeren Forschungszugängen könnten von daher fragen, ob diese subjektive ästhetisierte und inszenierte Erinnerung überhaupt den Tatsachen, also den tatsächlichen Lernprozessen FLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 191 etwa, entspricht. Man kann dem entgegenhalten, dass das, was hier interessiert, aber nun gerade die Frage nach der Subjektivität ist. So wird explizit danach gefragt, welches Konzept von Sprache etwa zugrunde gelegt wird, ob bzw. welche sprachlich-kulturellen Differenzen aufgebaut werden und wie sprachliche Normalität und Besonderheit inszeniert werden. Eine systematische Analyse dieser Texte forschungsmethodisch gesehen muss also von einer diskursanalytisch-interpretativen Basis ausgehen. Als ein erste Annäherung an eine solche Forschung stelle ich im Folgenden zunächst einmal eine Reihe ausgewählter Textstellen vor, ohne jedoch die Einzelfälle im Detail und Zusammenhang zu analysieren. 3.1 Sprachliche und kulturelle Identität Dieses Thema stellt in den Sprachbiographien keinen ablösbaren Einzelaspekt dar, sondern durchzieht sie als ein ständig wiederkehrendes starkes Leitmotiv. Das zugrunde gelegte Sprachkonzept ist immer personenbezogen. Sprache bzw. Mehrsprachigkeit werden als wichtiger, ja, als einer der wichtigsten Aspekte der eigenen Identität gesehen, niemals nur als eine Form von Wissen oder von Kompetenz. Dennoch ist die Art und Weise, wie das Verhältnis von Identität und Mehrsprachigkeit/ Mehrkulturalität beschrieben wird, durchaus unterschiedlich. Zunächst eine Textstelle von CHENG, der insbesondere die Mehrdimensionalität und Mehrperspektivität als Charakteristikum seiner Identität betont, gleichzeitig aber auch die harmonische Vermischung der unterschiedlichen Einflüsse: "Habite a present par J'autre Jangue, sans que cesse en Jui Je diaJogue interne, J'homme aux eaux souterrainement meJees vit J'etat priviJegie d'etre constamment soi et autre que soi, ou aJors en avant de soi. A Ja rencontre des choses, il eprouve Ja sensation de jouir d'une approchex « stereophonique » ou « stereoscopique » ; sa perspective ne saurait etre que muJtidimensionnelle" (CHENG 2002: 79 t). 1 Zahlreiche Metaphern fallen hier ins Auge: "Von der Sprache bewohnt", "interner Dialog", "unterirdisch zusammenfließende Wasser". Dieser durch Zweisprachigkeit bedingte Zustand wird als ein privilegierter beschrieben; die Wahrnehmung wird als mehrperspektivisch, als multidimensional charakterisiert. Auch in der Darstellung von LVOVICH steht die sprachlich-kulturelle Identität im Zentrum ihres Sprachlernprozesses. Sie beschreibt hingegen insbesondere den Identitätswechsel, den ihr das Erlernen der französischen Sprache im Moskau der früheren Sowjetunion ermöglichte: „Gegenwärtig bewohnt von der anderen Sprache, ohne dass in ihm der interne Dialog aufhört, lebt der Mensch mit den unterirdisch ineinander fließenden Wassern den privilegierten Zustand ständig er selbst, aber auch ein anderer als er selbst zu sein, oder aber auch vor sich selbst zu sein. Bei der Wahrnehmung der Dinge, empfindet er ein Gefühl einen stereophonen oder stereoskopen Zugang zu haben, seine Perspektive kann nur multidimensional sein" (CHENG 2002: 79 f; Übersetzung A. H.). lFLulL 35 (2006) 192 AdelheidHu "The French reality was a French fantasy a-la-Russe, in the country where xenophobia and 'xenophilia' were strangely interwoven. By using its language I could penetrate into its depth, step onto its land, and become part of it. A French personality, after all, was much less confusing and safer than being a Jew in Soviet Russia. lt was a beautiful Me, the Me that I liked: I spoke French without an accent. I assumed my French seif' (LVOVICH 1997: 8 f). 2 Man erkennt hier, dass das Erlernen der französischen Sprache und die Kommunikation in der französischen Sprache für Lvovich ein Moment der Identitätsänderung beinhaltet. Sie entwickelt durch ihr Studium der französischen Sprache ein Bild von Frankreich, aber vor allem auch von sich selbst, das deutlich eskapistische Züge trägt. Sie nimmt eine französische Identität an, die sogar im Verhältnis zu ihrer jüdisch-russischen Identität zumindest zeitweise dominant wird. Hier deutet sich schon ein Aspekt an, den man in vielen mehrsprachigen Autobiographien findet: die Empfindung, durch eine zweite oder dritte Sprache von kulturell-sprachlichen Zwängen oder Konflikten befreit zu werden. So schreibt etwa TEKINA Y anlässlich einer Reise zu einer Tagung in England: „Die dritte Sprache beginnt bereits im Flugzeug. Es ist ein sauberes britisches Englisch, das zumindest passiv zu verstehen wirklich nicht schwer ist. Die ersten Erfolgserlebnisse. (...) Es ist eine neue Welt, die entdeckt und entziffert werden muss. Jeder Gegenstand, jedes Gefühl muss neu benannt werden. Zwar liegt das Schulenglisch so weit zurück, aber es wird wieder lebendig, wenn man sich in diesem Sprachraum bewegt. (...) Ein herrliches Gefühl. Man verwandelt sich, viehnehr vervielfältigt man sich. Durch zwei Sprachen war ich zwei verschiedene Menschen, hatte ein türkisches und ein deutsches Ich, die sich ständig stritten und nie in Einklang bringen ließen. Die dritte Sprache, die neutral ist, ist wie ein unbeschriebenes Blatt und hat eine versöhnende Funktion. Durch sie kehrt Friede ein. Es ist mein drittes Ich. Es ist wie ein neuer Lebensabschnitt" (TEKINAY 1997: 29 f). Tekinay betont in ihrer Darstellung, dass dank des Englischen die Konflikte zwischen der deutschen und türkischen Sprache ihre Bedeutung und Heftigkeit verlieren. Die dritte Sprache hat für sie eine depolarisierende und damit entspannende Funktion. Sehr deutlich wird aber auch hier wieder, wie das Erlernen einer Sprache als Änderung der eigenen Identität erlebt wird. Bei Georges-Arthur Goldschmidt schließlich wird mit der zweiten Sprache noch eine wesentlich radikalere Form von Befreiung verbunden: Deutsch-jüdischer Herkunft und gezwungen, wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten im französischen Exil zu leben, erfährt er die französische Sprache lebenslang als befreiend geradezu im physisch-existentiellen Sinn: „Das Französische bleibt für mich eine Sprache des Schutzes, eine Sprache der Hoffuung, der Befreiung im geschichtlichen wie biographischen Sinn. Am 5. September 1944 habe ich in 2 „Die französische Realität war ein Bild von Frankreich ,a la Russe', in dem Land, in dem Fremdenangst und Fremdenfreundlichkeit auf seltsame Weise verwoben waren. Indem ich die französische Sprache gebrauchte, konnte ich in die Tiefe Frankreichs eintauchen, auf seinem Boden wandern und Teil von ihm werden. Eine französische Identität war weniger verwirrend und sicherer als Jüdin in Sowjetrussland zu sein. Es entstand ein wundervolles Ich, ein Ich, das ich liebte: Ich sprach Französisch ohne einen Akzent. Ich akzeptierte mein französisches Ich" (LVOVICH 1997: 27; Übersetzung A. H.). lFLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 193 meinem Dorf mitten in den Alpen ein für alle mal die Angst verloren, und die Atmung wurde weiter durch die französische Sprache" (GOLDSCHMIDT 1991: 89). 3.2 Sprachen lernen Es erstaunt nicht, dass durch die enge Verknüpfung von Sprachen und Identität der Prozess des Sprachenlernens einen hohen und biographisch bedeutsamen Stellenwert erhält. Der Sprachlernprozess wird keineswegs nur als kognitiver Prozess beschrieben noch als eine Art von Gedächtnisleistung, sondern als ein Akt, der die gesamte Person mit ihrer Körperlichkeit, mit ihren Gefühlen, ihrer Fantasie, ihrer Wahrnehmung und eben ihrer Identität miteinschließt. So heißt es bei CHENG: "Comment s'etonner des lors que l'apprentissage d'une langue ne soit un processus essentiel et complexe? Plus qu'une affaire de memoire, on doit mobiliser son corps, son esprit, toute sa capacite de comprehension et d'imagination, puisqu'on apprend non un ensemble de mots et de regles, mais une maniere de sentir, de percevoir, de raisonner, de deraisonner, de jurer, de prier et, finalement d'etre. (... ) Vraiment apprendre, c'est-a-dire s'investir tout entier dans cette langue, y inscrire les chiffres de son destin au point d' en faire un instrument de survie, ou de creation, cela releve d'un defi insense" (CHENG 2002: 10 f). 3 Bei YING CHEN, der sino-kanadischen Schriftstellerin, wird Sprachenlernen ebenfalls ähnlich wie bei Cheng als ein existentiell bedeutsamer Prozess betont, da die eigene Existenz nur als eine sprachlich bedingte gesehen werden kann. Sie betont aber darüber hinaus Sprachenlernen als einen lebenslangen Prozess, der sie ähnlich wie im Laufe einer Reise von Sprache zu Sprache führt und ihr ermöglicht, mehr von der Welt zu verstehen: "Je suis donc toujours sur mon chemin, en apprenant les langues de mon etoile pour m'approcher un peu d'elle. On existe, n'est-ce pas, dans 1a langue et par la langue. De meme, en voyage, on se promene d 'une langue a l' autre, a tel point qu' on oublie presque la sienne. J' emprunte les langues, sachant bien qu' elles ne sont pas les miennes et qu' elles me seront retirees a la moindre inattention de ma part. J'observe froidement le temps des verbes et le genre des choses. Je suis une etemelle etudiante en langues" (Chen 2004: 32). 4 "Wieso sollte man erstaunen, dass das Lernen einer Sprache ein essentieller und komplexer Prozess ist? Mehr als eine bloße Angelegenheit des Gedächtnisses, geht es darum, seinen Körper zu mobilisieren, seinen Geist, seine gesamten Fähigkeiten des Verstehens und der Imagination, denn man lernt nicht nur ein Zusammenspiel von Wörtern und Regeln, sondern eine Art und Weise zu fühlen, wahrzunehmen, nachzudenken, zu fluchen, zu beten und schließlich zu sein.( ... ) Eine Sprache wirklich lernen, das heißt, sich ganz und gar in diese Sprache hineinzubegeben, die Chiffren seines Schicksals in sie hineinzuschreiben, um so aus ihr ein Instrument des Überlebens oder aber des Schaffens zu machen, dies ist eine unglaubliche Herausforderung" (CHENG 2002: 10 f; Übersetzung A. H.). 4 „Ich bin also immer auf meinem Weg, ich lerne die Sprache meines Planeten, um mich ihm ein wenig zu nähern. Man existiert, ist es nicht wahr, in der Sprache und durch die Sprache. Man ist unterwegs, man spaziert von einer Sprache zur anderen, bis zu einem Grad, dass man fast die eigene vergisst. Ich leihe die Sprachen, wohl wissend, dass sie nicht mir gehören, und dass sie sich mir wieder entziehen, wenn ich sie vernachlässige. Ich beobachte kühl die Zeiten der Verben und das Genus der Dinge. Ich bin eine ewige Sprachenlernerin" (CHEN 2004: 32; Übersetzung A. H.). FLuL 35 (2006) 194 AdelheidHu 3.3 Zum Zusammenspiel der Sprachen Ein zentraler Aspekt in vielen Texten ist die Reflexion darüber, in welchem Verhältnis die Sprachen, in denen die Personen leben, zueinander stehen. Besonders bedeutsam ist dabei die Frage, welche Rolle die Erstsprache angesichts der Tatsache spielt, dass in den aktuellen Lebenszusammenhängen die Zweitbzw. Umgebungssprache die eigentlich dominierende Rolle spielt nicht zuletzt haben sich ja die meisten Autoren auch dazu entschieden, in dieser Sprache zu schreiben. Cheng betont in seinem Buch durchgängig die linguistische und kulturelle Distanz zwischen der chinesischen und der französischen Sprache und auch die Konflikte, die er phasenweise durchlebte, als nicht klar war, welche Sprache letztlich seine Publikationssprache sein würde. Nach der Entscheidung für die französische Sprache ist jedoch die chinesische Sprache für ihn nach wie vor von großer Bedeutung er beschreibt die Rolle der chinesischen Sprache für ihn selbst und auch seine schriftstellerische Produktivität an vielen Stellen des Buchs mit zahlreichen Metaphern und Bildern: "Le destin a voulu qu'a partir d'un certain moment de ma vie, je sois devenu porteur de deux langues, chinoise et fran9aise. ( ... ) Deux langues de nature si differentes qu' elles creusent entre elles le plus grand ecart qu'on puisse imaginer. C'est-a-dire, que durant au moins deux decennies apres mon arrivee en France, ma vie a ete marquee par un drame passionnel fait avant tout de contradictions et de dechirements. Ceux-ci, toutefois, se sont transmues peu a peu en une quete non moins passionnelle lorsque j 'ai opte finalement pour une des deux langues, l' adoptant comme outil de creation, sans que pour autant l'autre, celle dite matemelle, soit effacee purement et simplement. Mise en sourdine pour ainsi dire, cette demiere s' est transmuee, eile, en une interlocatrice fidele mais discrete, d' autant plus efficace que ses murmures, alimentant mon inconscient, me foumissaient sans cesse des images a metamorphoser, des nostalgies a combler" (CHENG 2002: 7 f).s Cheng beschreibt. hier das Chinesische in seiner bilingualen Existenz als zwar „gedämpft", nichtsdestoweniger aber als ständig präsent. Die chinesische Sprache sei ihm eine Art „Gesprächspartnerin", die konstant sein Unterbewusstes nährt. An anderer Stelle spricht er von der chinesischen Sprache als einer "vieille nourrice fidele" (CHENG 2002: 79) (einer alten treuen Amme), die ständig gegenwärtig ist und Unterstützung bietet. Auch bei GOLDSCHMIDT ist das Zusammenspiel seiner Sprachen ein wichtiger, viel beschriebener Aspekt. Obwohl er jahrelang ausschließlich in französischer Sprache publizierte und erst im fortgeschrittenen Alter wieder in der Lage war, auch auf Deutsch „Das Schicksal hat gewollt, dass ich von einem Punkt meines Lebens an zwei Sprachen in mir trage, die chinesische und die französische.(...) Zwei Sprachen von so unterschiedlicher Natur, dass sich zwischen ihnen eine riesige Distanz auftut. Dies hat dazu geführt, dass mindestens während zweier Jahrzehnte nach meiner Ankunft in Frankreich mein Leben durch Widersprüchlichkeiten und Zerrissenheit geprägt war. Diese haben sich in eine nicht weniger spannende Suche gewandelt, als ich mich schließlich für eine der beiden Sprachen entschied, indem ich sie als Werkzeug meines literarischen Schaffens adoptierte, ohne dass die andere, die, die man gemeinhin Muttersprache nennt, einfach beiseite gewischt worden wäre. Sozusagen gedämpft, hat diese letztere sich in eine treue, aber diskrete Gesprächspartnerin verwandelt, und zwar umso wirkungsvoller, als ihr Murmeln, das mein Unterbewusstsein nährt, mir ständig Bilder und Erinnerungen liefert, die ich dann verarbeite" (CHENG 2002: 7 f; Übersetzung A. H.). FLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 195 zu schreiben (vgl. zur detaillierten Darstellung dieses Prozesses HEIN-KHATIB, im Druck: 140 ff), stellt er das Verhältnis dieser beiden Sprachen als ein gleichwertiges, reziprokes dar. Beide Sprachen sind in seinem Bewusstsein konstant präsent: „Unablässig stehen die Sprachen sich gegenüber. (...) Alles was man schreibt, geht durch den stummen Filter der anderen Sprache, die einem ohne Unterlass beim Schreiben zusieht. (...) Man sieht sie nicht, doch sie ist stets gegenwärtig, als Möglichkeit, in Bereitschaft (GoLDSCHMIDT 1991: 95). „Die beiden Sprachen sind für mich fest ineinander verwoben, so jedenfalls, dass immer die eine ein Auge für die andere offen hat, dass sich die eine von der anderen ablesen und gestalten lässt. Damit soll nur gesagt sein, dass das Französische in mir immer das Deutsche überwacht und umgekehrt das Französische anspornt" (GOLDSCHMIDT 1999: 22 f; hier zitiert nach HEIN-KATHIB, im Druck: 178) Goldschmidt sieht jeweils die eine Sprache im Hintergrund der anderen ein Zustand, den er als Bereicherung und als Schutz beschreibt. 3.4 Zur Sprachwahrnehmung auf graphischer, phonetischer und semantisch-kultureller Ebene Zum Schluss möchte ich auf den Aspekt der Wahrnehmung der Sprachen eingehen, und zwar auf graphischer, phonetischer und semantischer Ebene. Zunächst zum graphischen Aspekt, zur Schriftbzw. Buchstabenwahrnehmung. Ich zitiere dazu noch einmal Cheng: "Pour nous en tenir au seul aspect concemant les signes, comme je suis fa9onne par l'ecriture ideographique ou chaque signe forme une unite vivante et autonome,j'ai une sensibilite particuliere pour la sonorite et la plasticite des mots. J'ai tendance, tout bonnement, a vivre un grand nombre de mots fran9ais comme des ideogrammes. Ceux-ci sont ideogrammes, non par des traits graphiques bien sfu, puisqu'ils relevent d'un systeme phonetique encore que la graphie de certaines lettres ne me soit pas indifferente : A, homme ; E, echelle ; H, hauteur ; M, maison ; 0, ooil; S, serpent; T, toit; V, vallee; Z, zebrure, etc.-, c'est phonetiquement qu'ils incament l'idee d'une figure" (Cheng 2002: 40). 6 CHENG nimmt das Schriftsystem der französischen Sprache vor dem Hintergrund der chinesischen Sprache mit ihrem isolierenden ideographischen Schriftsystem wahr. Von daher beachtet er nicht nur die Phonetik der Sprache (siehe unten), sondern auch das Erscheinungsbild der Buchstaben, dem er spezifische Assoziationen zuschreibt eine Art 6 „Wenn man nur den Aspekt der Zeichen nimmt, da ich durch die ideographische Schrift geprägt bin, wo jedes Zeichen eine lebendige und autonome Einheit darstellt, habe ich eine besondere Sensibilität für den Klang und die Plastizität der Wörter. Ich neige dazu, ganz einfach eine Vielzahl französischer Wörter als Ideogramme wahrzunehmen. Diese sind natürlich nicht wegen der graphischen Strichfolgen Ideogramme, da sie auf einem phonetischen System beruhen, obwohl jedoch das Schriftbild mancher Buchstaben mir nicht gleichgültig ist: A - Mensch, E- Leiter, H- Höhe, M- Haus, 0 -Auge, S - Schlange, T - Dach, V - Tal, Z- Zebrasteifung usw hauptsächlich beinhaltet sie auf der phonetischen Ebene die Idee eines Bildes." (CHENG 2002: 40; Übersetzung A. H.). JFlLuL 35 (2006) 196 AdelheidHu von Wahrnehmung, die man letztlich nur nachvollziehen kann, wenn man andere Schriftsysteme in Betracht zieht (vgl. auch den Textauszug weiter unten von TAWADA). Der zweite Aspekt betrifft die phonetische Wahrnehmung, die insbesondere auch bei CHENG betont wird. Bei alltäglichen, auch völlig unpoetischen Wörtern, die keinerlei besonderen onomatopoetischen Charakter haben, wird eine Beziehung zwischen phonetischer Lautung und Wortbedeutung hergestellt. Hier von vielen Beispiel eines, die Wahrnehmung des französischen Wortes „entre" (zwischen): "Entre: Le mot 'entre', avec son double sens d'intervalle et de penetration, est suggere avec une nettete breve par la phonie. Il y a ce son suspendu en l'air (-EN) et qui semble, tel un aigle, attendre la moindre occasion pour penetrer (-TRE) dans la breche ouverte par l'espace lorsque deux entites sont en presence, quelle que soit l'intention qui les anime, hostile ou harmonieuse" (CHENG 2002: 46). 7 Auch in der Sprachbiographie von Claude ESTEBAN spielt dieser Aspekt eine Rolle. Der unterschiedliche Klang der Wörter im Französischen bzw. Spanischen für dasselbe Objekt ist es, der ihn als Kind verwirrte: "Je me souviens encore de la perplexite ou me plongea le fait que ce petit objet avec lequel je piquais un morceau de viande, cet ustensile si familier, si digne d'attention au regard d'un enfant, reponde a la fois au nom de tenedor et de fourchette. ( ... ) Me repetant le mot fourchette, je voyais confusement surgir en moi l'image de quelque chose de violent et d'aigu a la fois qui s'accordait assez bien a l'objet ainsi designe, alors que flottait dans les sons de tenedor jene sais quoi d'une atrnosphere chaude, opaque et ronde qui s'associait bien davantage a la notion et a la perception optique d'une cuillere" (ESTEBAN 1990: 31 f). 8 Der dritte Aspekt im Kontext von Sprachwahrnehmung betrifft die semantisch-kulturelle Ebene. Ich zitiere hier exemplarisch eine Textstelle aus dem Buch Überseezungen von Yoko TA w ADA, in dem die semantisch-kulturelle Wahrnehmung hier des deutschen Worts ich aus der Perspektive der japanischen Sprache und Kultur beschrieben wird. Am Ende des Textauszugs mischt sich außerdem die graphische Wahrnehmung mit hinein: „In unserer Siedlung in Tokio gab es viele Mädchen in meinem Alter. Eines dieser Mädchen fiel mir besonders auf, weil es sich wie ein Junge als ,boku' bezeichnete. Wir gingen zusammen zur Grundschule. Die meisten Mädchen bezeichneten sich als ,atashi', einige frühreife Mädchen dagegen schon als ,watashi', ein Mädchen aus einer vornehmen Familie benutzte das Wort ,ata- 7 „Das Wort ,entre' (dt. zwischen) mit seinem doppelten Sinn von Zwischenraum und Eindringen, bringt allein durch seinen Klang die Bedeutung nahe. Da ist dieser gleichsam in der Luft schwebende Laut ,en', der wie ein Adler, auf die erste Gelegenheit zu lauem scheint, um in die Spalte einzudringen (-tre), die sich öffnet, wenn zwei Entitäten präsent sind" (CHENG 2002: 46; Übersetzung A. H.). 8 „Ich erinnere mich noch an die Verwirrung, in die mich die Tatsache brachte, dass dieses kleine Objekt, mit dem ich ein Stück Fleisch aufspießte, dieses vertraute Gerät, das die Aufmerksamkeit eines Kindes so sehr anzieht, zugleich mit tenedor und fourchette bezeichnet wurde. Indem ich mir das Wort fourchette (Gabel) wiederholte, sah ich in mir ein Bild von etwas Aggressivem und zugleich Spitzern auftauchen, das gut zu dem so benannten Objekt passte, während in den Klängen des Wortes tenedor etwas Warmes, Opakes und Rundes in meinem Bewusstsein entstand, was eigentlich mehr zu einem Löffel passte (ESTEBAN 1990: 32; Übersetzung A.H.). FLuL 35 (2006) Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in autobiographischer Perspektive 197 kushi', dieses Wort roch nach Zypressenholz. Die meisten Jnngen nannten sich ,boku', einige freche oder stolze Jnngen dagegen ,ore'. (... ) Ich hatte Schwierigkeiten mit diesen Wörtern, die ,ich' bedeuten. Ich fühlte mich weder wie ein Mädchen noch wie ein Junge. (...) Wie einfach wäre meine Kindheit gewesen, wenn ich eine andere Sprache zum Beispiel Deutsch gesprochen hätte. Ich hätte dann einfach immer ,ich' sagen können. Man muss sich weder weiblich noch männlich fühlen, um das Wort ,ich' zu verwenden.(...) Ein Ich muss kein bestimmtes Geschlecht haben, kein Alter, keinen Status, keine Geschichte, keine Haltnng, keinen Charakter. Jeder kann sich einfach ,ich' nennen. Dieses Wort besteht nur aus dem, was ich spreche, oder genauer gesagt, aus der Tatsache, dass ich überhaupt spreche. ,Ich' wurde zu meinem Lieblingswort. So leicht nnd leer wie dieses Wort wollte ich mich fühlen.(...) Mir gefällt außerdem, dass ein ,ich' mit einem ,I' beginnt, ein einfacher Strich, wie der Ansatz eines Pinselstriches, der das Papier betastet und gleichzeitig die Eröffnnng einer Rede ankündigt. Auch ,bin' ist ein schönes Wort. Im Japanischen gibt es auch das Wort ,bin', das klingt genau gleich nnd bedeutet ,eine Flasche'. Wenn ich mit den beiden Wörtern ,ich bin' eine Geschichte zu erzählen beginne, öffnet sich ein Raum, das Ich ist ein Pinselansatz, nnd die Flasche ist leer" (TAWADA 2002: 53 f). Yoko Tawada hat in Bezug auf die Pronomina im Japanischen, die u.a. abhängig von sozialen Status, vom Alter und vom Geschlecht her gebraucht werden, Schwierigkeiten, sich selbst zu bezeichnen. Sie empfindet hingegen das deutsche Pronomen ich als neutral und von daher entlastend. 4. Fazit Die Analyse der Textauszüge zeigt zunächst einmal, dass Fragen sprachlicher Lernprozesse schwer umfassend erforscht werden können, wenn man nicht den Kontext des biographischen Erlebens, d.h. etwa das historische, das politische, aber auch das persönlich-idiosynkratische Umfeld mit in Betracht zieht. Der Bilingualismus bei Goldschmidt z.B. ist nicht angemessen zu verstehen, wenn man nicht die historisch-politische Situation berücksichtigt. Insofern stellt die Beschäftigung mit subjektiven sprachbiographischen Zeugnissen zu kognitionswissenschaftlich oder linguistisch orientierten Forschungen eine wichtige Bereicherung dar. Der Erwerb, das Erlernen, aber auch der Erhalt von Sprachen in Migrationszusammenhängen, so konnte gezeigt werden, ist ein deutlich identitätsbezogener Prozess. Es geht keineswegs nur um die Fähigkeit, in einer zweiten oder dritten Sprache zu kommunizieren, sondern vor allem darum, die sprachliche Entwicklung in einen sinnhaften Bezug mit der eigenen Biographie zu bringen. Immer wieder trifft man in den Texten auf Selbstbeschreibungen und Selbstverortungen in einer komplexen sprachlich-kulturellen Gemengelage. Sprachen führen zu Identitätsveränderungen und -erweiterungen, zu Befreiungen, aber auch zu Konflikten. Die Tatsache, dass diese Aspekte - und das unterstützt auch die Befunde anderer sprachbiographischer Forschungen in den Biographien einen zentralen Stellenwert einnehmen, muss, auch was schulisches Sprachenlernen betrifft, zu denken geben. Möglicherweise wird gerade dieser Aspekt sprachlichen Lernens zur Zeit zu sehr vernachlässigt. In Bezug auf den Aspekt Mehrsprachigkeit liefern die Befunde interessante Einsichten zum Verhältnis der Sprachen zueinander sowie zur Sprachwahrnehmung. Gerade die JFJLuJL 3 5 (2006) 198 AdelheidHu differenzierten Darstellungen. über die Rolle und Funktion der zuerst in der Kindheit erworbenen Sprache im Zusammenspiel mit später erworbenen Sprachen fordern auch im Hinblick auf schulisches Sprachenlernen zum Nachdenken heraus. Natürlich haben Schülerinnen und Schüler ein anderes Sprachbewusstsein als erwachsene Schriftsteller, aber es ist davon auszugehen, dass auch für sie und ihre Art und Weise zu lernen, ihre Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine wesentlich bedeutendere Rolle spielen als gemeinhin angenommen wird (vgl. Hu 2003). Die Darstellung zur Sprachwahrnehmung, gerade im Kontext entfernter Sprachen, regen zu Forschungen auch im schulischen Bereich an: Wie nehmen Kinder und Jugendliche, deren Erstsprache mit dem Deutschen bzw. den Schulfremdsprachen typologisch nicht verwandt und auch kulturell als distante Sprache gilt, die Sprachen wahr, mit denen sie in der deutschen Schule konfrontiert werden? Forschungen in diese Richtung würden langfristig dazu beitragen, sprachlich-kulturelle Integration nicht als Einbahnstraße zu begreifen, sondern als einen wechselseitigen, interkulturellen Lernprozess. Literatur ADAMZIK, Kirsten/ Roos, Eva (eds.) (2002): Biographies langagieres. Bulletin suisse de linguistique appliquee, hiver 2002. ALTMAYER, Claus (2004): Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: Iudicium. APITSCH, Ursula (1998): Migration und Biographie. 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This essay examines an international research project currently underway to craft a bilingual French/ English critical handbook of multilingualism and multiculturalism and the challenges that such a project encounters when it proceeds to discuss the teaching and learning of national languages for an international readership in global settings. 1. What has changed in the teaching of foreign languages The teaching of modern foreign languages came into its own at the end of the nineteenth century, at a time when nation-states were being established or strengthened by the standardization of their one national language and by the teaching of foreign languages other than Greek and Latin. The teaching ofmodern standard national languages in the first half of the 20 th century was meant to reinforce international understanding among nation-states. Because the nation state is built on a long tradition of print literacy, which is the foundation ofits legal system, its national history, and its institutional bureaucracy, the pedagogy of choice was the so-called grammar-translation method, that taught the literacy skills necessary to read a foreign print culture, learn about the legal institutions and the history of a foreign nation, and appreciate the specific genius of various languages through translation exercises. In the second half of the 20 th century, the spread of mass media and the needs of a multinational economy ushered in a communicative approach to teaching foreign languages that taught the interactional skills necessary to collaborate in the workplace, negotiate business contracts, and in general participate in the growing communication culture promoted in all walks of life by an international neo-liberal ideology. Since the end of the 20 th century, the computer and the internet have globalized the planet. The teaching offoreign languages is slowly being redirected from anational or even interna- Korrespondenzadresse: Prof. Claire KRAMscH, German Department, 5323 Dwinelle Hall, UC Berkeley, BERKELEY, CA 94720, USA. E-mail: ckramsch@berkeley.edu Arbeitsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Diskursanalyse, Sprach- und Kulturdidaktik, ökologische Ansätze zum Fremdsprachenunterricht. 1 This paper was given as a plenary address at the IALIC annual meeting in Brussels on 11 December 05. I wish to tliank Jan Walravens for inviting me to give this talk. lFLulL 35 (2006) 202 Claire Kramsch tional mission to a global one. The communicative approach, predicated on the notion of a nationally defined native speaker speaking a standard national language, and on a view of human communication based on the efficient and effective information exchange in international business transactions, has been found lacking in a global world of human migration, displacement, and linguistic and cultural hybridity. Notions like intercultural competence and multilingual sensitivity have been proposed. In Europe, the switch from a national framework to an international Common European Framework of Reference for the teaching of foreign, second and heritage languages has spurred a rethinking ofwhat foreign language education is and should be about. This rethinking takes place either in global English or in the local national or regional languages ofEurope. But frequently national idioms vehiculate global meanings that belong to a neoliberal discourse ofEnglish origin. Globalspeak talks many different languages. lt changes the value ofwords. For example, the notion of communicative or intercultural competence has come to mean something different dependent on whether we are dealing with face to face business transactions, political debates, e-mail exchanges, or internet anonymous chatrooms. The ideology of autonomous, national languages has been problematized by recent research on societal multilingualism. Language variation and the symbolic power gained through the ability to switch and mix codes are now seen as crucial to the construction of citizens' identities, and to their ability to navigate the semiotics of a global economy. lncreased geographic mobility and migrations are giving rise to a multilingual student population that is no longer learning a target language on the basis of one common native language. Communication technologies have generated multimodal types of literacy that challenge the primacy of print literacy traditionally taught in academia. National cultures are becoming increasingly multicultural and cultural differences between generations are more pronounced. Finally, research on language learning is more multidisciplinary than thirty years ago (KRAMSCH in press). In all these changes, language has gained in importance, not only as a mode of representation and communication, but also as an instrument of symbolic power. Writing this, as I am doing, in English, I realize how many assumptions/ schemata behind my words belong themselves to an anglosaxon globalspeak. This globalspeak often clashes with specific national discourses on language and education. In this paper, I discuss the way language learning and teaching is being talked about in French by French educators in national and international settings; andin English by American applied linguists in global settings. I draw on a research project that I am engaged in with Genevieve Zarate from the Institut National des Langues et Civilisations Orientales (INALCO) and an international team of researchers from various disciplines: educational linguistics, linguistic anthropology, sociology, literary and cultural studies, language education, language policy. The aim of this project is the crafting of a bilingual French/ English Precis critique du plurilinguisme et du pluriculturalisme/ Critical handbook of multilingualism and multiculturalism for teachers and researchers, educators and administrators in the learning and teaching of foreign languages. lFLuL 35 (2006) Teaching Local Languages in Global Settings: the European Challenge 203 2. Towards a plurilingual conception of foreign language education This project grew out of the recognition that recent research on individual and societal multilingualism had profoundly put into question some of the main tenets of foreign language pedagogy inherited from 19 th century nationalistic ideologies: e.g., the idea that languages are autonomous and self-contained symbolic systems, that native speakers speak standard national languages linked to easily identifiable national cultures, that any deviation from this standard is defective and has to be redressed. Two major statements define this project. One is by Canadian sociolinguist Monica Heller, Professor of sociolinguistics at the University of Toronto and an early principal investigator in the project. Une didactique plurilingue dans Je sens profond du terme ... viserait moins ce qui est, et plutöt ce qu'on fait et comment acceder a une position qui pennet de faire. Donc, moins un enseignement de Ja langue, de Ja culture, de l'identite, mais plutöt une formation qui tient compte des pratiques langagieres, culturelles et identitaires, ainsi que des ideologies, des interets et des relations de pouvoir qui ! es sous-tendent. Une teile approche comprendrait aussi necessairement un certain degre de reflexivite de Ja part de tous et toutes ! es participant-e-s a l'activite de formation ou de construction des savoirs, et Ja mise en place de systemes de negociation entre formes de savoir et pratiques de construction des savoirs qui peuvent etre radicalement differentes ! es unes des autres (HELLER 2003). The other is by anthropologist Genevieve Zarate, principal investigator and Chair of the department ofFrarn; ais Langue Etrangere at INALCO. La langue etant definie comme un instrument d'action (ou de pouvoir) plutöt qu'un instrument d'intellection (BOURDIEU 1977) du monde, ce projet editorial organise autour de Ja pluralite linguistique et culturelle a pour objet de restituer Ja complexite des pratiques sociales observables liees a Ja relation a l 'etranger. La pluralite n 'y est pas definie par Ja seule coexistence des langues en presence, mais d'abord par l'activite sociale specifique qui est Je produit de Ja circulation transfrontaliere des valeurs, de Ja dynamique des identites toujours negociees, des inversions (voire inventions) de sens, souvent masquees par l'illusion partagee d'une communication efficace. [ ... ] La volonte didactique de ce projet n'est pas normative. Elle n'a pas pour objet de definir des modeles scolairement acceptables, car moralement irreprochables (Ja tolerance) et renvoyant une vision pacifiee des relations sociales. Elle interroge au contraire Je fonctionnement des entre-deux linguistiques et culturels que Ja classification scolaire tend a eluder, objets metisses, echappant au decoupage des disciplines qui concourent a Ja socialisation scolaire des eleves (langues, histoire, geographie, education civique, etc.). Tel qu'il est ici propose, l'espace de Ja didactique ne se limite pas aux pratiques dont Ja relation enseignant-enseigne serait Je centre (ZARATE 2003). The handbook is ·structured around various notions, themes and concepts that intersect with various disciplinary fields and various geographic, historic and linguistic conceptions of these fields. lt will consist of eight macroentries: Paysages, espaces tiers et mediation / Linguistic landscapes, third spaces and mediation Locuteurs, acteurs / Speakers, actors Discours sur Ja langue / Discourses on language lFLuL 35 (2006) 204 Expression de la subjectivite/ appartenances / Subjectivity, belonging Mobilites / Mobility Distance et proximite / Distance and proximity Institution, pouvoir, lien social / Institution, power, social bond Histoire et memoire / History and memory Claire Kramsch Each macroentry, coordinated by a team of international researchers, is subdivided into seven rnicroentries that respond to various research questions. For example, the second macroentry Locuteurs, acteurs / Speakers, actors, coordinated by applied linguists Richard Kern (UC Berkeley) and Anthony Liddycoat (University of South Australia), is subdivided into: 1. Voice (self-expression, articulation), e.g., how do second language users develop an individual voice through language learning? 2. Interaction (participation), e.g., what strategies are.available to second language users to participate in interaction? 3. Communities (connections), e.g., how do language learners come tobe recognized as competent participants in new communities (incl. classroom communities)? 4. Decentering (border-crossing), e.g., how do second language users establish and communicate new cultural perspectives as the result of their multiple language repertoires? How does acquiring a new language affect the learner's sense of self? 5. Translation, e.g., how do second language users express ideas across their languages? 6. Modalities, e.g., how do second language users use the modalities of reading/ writing, speak: ing/ listening, technologically mediated communication to participate in local and supralocal communities? 7. Education, e.g., how does language education foster/ hinder learners' agency and the development of the competences and strategies for communicating across cultures, languages and modalities? The discourse of these various statements indexes in a dramatic way the challenges that such an international, interdisciplinary, and interlingual project represents. The two introductory texts, written in French by a French Canadian (Monica HELLER) and a French scholar (Genevieve ZARATE) respectively, reflect a welcome change in the way foreign language education is usually talked about: not as the internalization of linguistic forms, the approximation to a standard native speaker norm, nor the transmission of linguistic and cultural facts, but as sociological and political practice, as exercise in cultural hybridity, as reflexivity and meditation on identity. Heller's text expresses the concerns of a linguist interested in linguistic variation and change at the societal level. Her approach to language teachirtg is that of a sociologist interested in the way immigrants learn French or English as second languages in Canada and use these languages to find a place for themselves in the host society. Zarate's text reflects the concerns ofthose teaching French as a L2 to immigrants and other non-native speakers ofFrench in France and abroad. Both conceive of didactique des langues as an endeavor that extends beyond the classroom and whose aims far exceed an individual' s acquisition of linguistic and pragmatic proficiency. Language acquisition in these two texts deals explicitly with the conflictual nature of social relations and the ideological tensions in the construction of knowledge. They explicitly problematize the relation of disciplinary knowledge and institutional power. FLuL 35 (2006) Teaching Local Languages in Global Settings: the European Challenge 205 By contrast, the macroentry "Locuteurs/ acteurs", written in English by two applied linguists from the U.S. and Australia respectively, reflects the discourse of anglosaxon foreign language school educators. Their use of such phrases as "developing a leamer's voice" or "enhanced sense of self', "fostering a learner's agency", "participating in communities" belong to an educational discourse that is primarily concemed with fostering the emotional and social growth as well as the cultural identity of anglophone adolescents by teaching them a language other than English and thereby opening their minds to the world outside their national borders. This discourse is part of a larger discourse of individual autonomy, self-reliance and agency, that prizes participation in the realization of communal goals and minimizes conflicts and power struggles. The challenge is not only a challenge of translation from one language into the other. One can find Heller's and Zarate's discourse expressed in English by teachers and researchers of English as a second language in the English speaking world, and one can find Kern and Liddicoat's discourse expressed in French by foreign language teachers in France, albeit with the difference in values promoted by the French national educational system and by the various anglosaxon educational systems in the U.S. and Australia (KRAMSCH 2002: 64-69). The challenge is for researchers from different disciplines, different languages and discourses, and different fields of action to speak with one voice and one discourse in a coherent handbook of plurilingualism and pluriculturalism. I take as an example the Call for Papers that was issued for a conference to be held by our research group in Paris in July 2006 and that I was to 'simply' translate into English. 3. Local languages, global setting: An example The following are extracts from a call for papers that went out in December 2005. I first give the original text in French, followed by my translation. I have highlighted in the two texts those concepts that gave me trouble because of their different value in the two discourse worlds. COLLOQUE INTERNATIONAL « Grandes » et « petites » langues et didactique du plurilinguisme et du pluriculturalisme. Modeles et experiences Institut national des langues et civilisations orientales Paris, 3-5 juillet 2006 APPEL A COMMUNICATION Dans les annees 70, la didactique des langues europeennes et occidentales a utilise la linguistique appliquee comme refärence disciplinaire centrale. Les langues les plus enseignees et les plus dijjusees hors de leurs frontieres ont generalement ete le point de depart pour modeliser la description d'autres langues a usage d'enseignement. S'appuyant sur le fait que les modeles didactiques issus d'une tradition nationale sont de plus en plus interroges par les societes actuelles, travaillees par la mobilite internationale des biens et des personnes, ce colloque vise a elargir le cercle des lFLuL 35 (2006) 206 Claire Kramsch disciplines et des langues de refärence. II se donne pour objet d'explorer une didactique du plurilinguisme et du pluriculturalisme, entendue comme la pratique de plus de deux langues ou cultures, et vise a modifier les contours disciplinaires d'un champ qui s' etait construit a partir des specificites linguistiques et nationales de chaque langue et culture. En se donnant pour objet d'identifier les modeles didactiques et leur circulation d'une langue a l'autre, le colloque questionne plus particulierement ce que le sens commun designe par « grandes » et« petites » langues etrangeres, apprehendees ici en tant que representations sociales et categorisations qui fluctuent au gre des histoires nationales, des renversements geopolitiques, des visions du monde traversees par ! es profondes mutations resultant de la mondialisation ... II est ici pose qu'une didactique du plurilinguisme et du pluriculturalisme s'interprete a travers l'histoire de la diffusion des langues, les discours portes sur les langues, la conception de l 'identite nationale et de la relation a l'alterite ... Ja relation entre etranger et natif. .. ! es attitudes xenophiles et xenophobes, etc. INTERNATIONAL COLLOQUIUM Commonly and less commonly taught languages in a didactics of plurilingualism and pluriculturalism Models and experiences Institut national des langues et civilisations orientales Paris, 3~5 July 2006 CALL FOR PAPERS In the '70s, the main disciplinary base for the teaching ofEuropean and Western languages was applied linguistics. The languages most frequently taught and promoted beyond their national borders have generally served as models for the description of other languages and their pedagogies. But the universal validity of models bom from one pedagogic tradition has been increasingly put into question in societies with other pedagogical traditions andin a global world characterized by an increased mobility of goods and individuals. This colloquium intends to broaden the range of disciplines and languages relevant to a didactics of plurilingualism and pluriculturalism, roughly defined as the individual .and societal practice of more than two languages or cultures. Its purpose is to expand the disciplinary parameters ofa field that was built on the specific linguistic and cultural characteristics of a given speech community. The goal of this colloquium is to identify the various models for studying the acquisition and use offoreign languages and the transfer ofthese models from one target language to another. lt examines in particular the relation of the commonly and the less commonly taught languages, considered here not as linguistic systems but, rather, as language ideologies and representations in the flux of national histories, geopolitical developments, and global changes ... The colloquium is based on the belief that a didactics of plurilingualism andpluriculturalism cannot be conceived without considering the history of the dissemination of languages, the various discourses on language, and the dominant conceptions of group identity and relation to the Other ... the relation between native and non-native speakers, ... social, cultural and racial discrimination. In attempting to cast the first text into English, the first sign oftrouble came with the nonequivalence of linguistique appliquee and applied linguistics. While the French term denotes the application of descriptive linguistics to the teaching of French as a second language, the English term covers a wide variety of fields such as psychoand sociolinguistic, pragmatic and discourse analytic approaches to second language acquisition, FLuL 35 (2006) Teaching Local Languages in Global Settings: the European Challenge 207 discourse stylistics, and language policy, planning and testing. Applied linguistics is still today the main disciplinary base for the teaching of English around the world, so the argument that the French version makes does not hold when translated into English. Namely, it puts forward the argument that the cross-disciplinary field of didactique des langues is much more than 'just' applied linguistics, but in anglosaxon research it is in fact pretty much covered by the English term, albeit perhaps with a lesser emphasis on the linguistic and more on the sociological/ anthropological. In English the distinction is carefully upheld between language leaming and language use, so how should one translate didactique? The word didactics is not a familiar word for English speakers and every other term - "pedagogy", "acquisition", "leaming and teaching" has its own historic connotations that uneasily match the French term. The next challenge was to translate plurilinguisme etpluriculturalisme. The American words multilingualism and multiculturalism are historically (OLNECK 1990) and politically marked (KRAMER 2005). They denote a societal phenomenon, not an individual characteristic..Each term has its historic genesis and its incompatible connotations. Other pitfalls in translation emerged from clashes in disciplinary worldviews. The phrase grandes and petites langues is not a recognizable concept in English, that prefers to categorize languages in commonly and less commonly taught languages, but this phrase leaves out the uncontrovertible social hierarchy between languages. The reference to traditions nationales strikes the non-French reader as odd, particularly since disciplinary knowledge (presumed to be universally valid), not national traditions have been the determining factor in the research on English as a foreign or international language. In addition, the less commonly taught languages are not necessarily coextensive with national boundaries (see Breton, Basque, Native American languages, but also Gujarati, Pashtun, Dari etc.). Similarly, reference to a leamer's identite nationale and its relation to the Other is not a category familiar to the American reader, who is hardly conscious of belonging to one American culture and for whom cultural and ethnic identity is more salient than national identity. La relation entre etranger et natifis not a category familiar to Americans for whom the concept 'foreigner' does not exist when referring to American society, only 'American citizen', 'permanent resident' or 'visitor'. Hence the phrase attitudes xenophiles et xenophobes applies to a European but not to an American context, that would use terms like racist, sexist, or discriminatory instead (ZARATE 2001). Together with 'foreigner', the notion of the 'native speaker' has long been put into question in anglosaxon applied linguistics. How to deal with these linguistic, discursive and conceptual incompatibilities? 4. Metalogue and the art of the contact zone One solution to the problem, inspired by Gregory BATESON's Steps to an Ecology of Mind (1972), is to have at the end of each chapter a metalogue 2 or conversation on the 2 BATESON defines metalogue as follows: "A metalogue is a conversation about some problematic subject. FLuL 35 (2006) 208 Claire Kramsch discourse ofthe entry itself. In a fictitious dialogue conducted in both French and English, one francophone and one anglophone contributor will discuss some of the notions used in the chapter and place each concept in its proper social, cultural and historical context as contrasted with that of other concepts in the other language. They will also conunent on the very discourse ofthe entry, its disciplinary affiliations and the authors' subject positions. The addition of such a metalogue reflects the increasing need for explicitly flagging the cognitive, social, historical and subjective coordinates ofthe global language user in what Mary Louise PRATT called "the contact zone". In a well-known article titled "Arts of the contact zone" ( 1991 ), Mary Louise Pratt describes what it takes not only to be read but to be readable in social spaces where disparate cultures meet, clash and grapple with each other. She tells the story of the discovery in 1908 in the Danish Royal Archives in Copenhagen of a manuscript from Cuzco, Peru written in the year 1613, some four decades after the final fall ofthe Inca Empire to the Spanish, and signed with an Andean name: Felipe Guaman Pama de Ayala. Pratt conunents: This letter by an unknown Andean, written in a mixture of Quechua and rough, ungrammatical Spanish, was twelve hundred pages long and was addressed to King Philip III of Spain. Titled "The New Chronicle and Good Government and Justice" it proposed nothing less than a new view of the world. lt began by rewriting the history of Christendom to include the indigenous peoples of America, then went on to describe in great detail the history and lifeways ofthe Andean peoples and their leaders. This was followed by a revisionist account ofthe Spanish conquest, and hundreds of pages documenting and denouncing Spanish exploitation and abuse. Guaman Poma's letter ends with a fictional interview in which he advises the King as to his responsibilities, and proposes a new form of government through collaboration of Andean and Spanish elites (PRATT 1992: 2). Pratt notes that Guaman Poma's letter tragically was never delivered or if it was, it was never read nor was it readable for lack of cultural mediation. The concept of cultural mediation is gaining in importance in a variety of fields but nowhere more urgently than in the teaching and leaming offoreign languages (see, e.g., LEVY/ ZARATE 2003, ZARATE [et aL] 2004). The handbook project proposes a radically new way of conceptualizing the leaming and teaching of foreign languages, and the metalogues will make explicit and critically examine four aspects of symbolic activity that mediate the plurilingual and pluricultural use of foreign languages in the contact zone. 1) Framing. The way an issue is framed and the choice of categories used to talk about it will create a context of expectation through which events are made readable, i.e., understandable and acceptable. A plurilingual pedagogy will require us to make our disciplinary, cultural, political, experiential frames ofreference explicit. 2) Indexicality. The choice oflanguage used with a particular interlocutor on a particu" lar topic points to, i.e., indexes, underlying ideologies, worldviews, and attitudes that must be reflected upon. In a plurilingual pedagogy, it is no longer sufficient to teach the This conversation should be such that not only do the participants discuss the problem but the structure of the conversation as a whole is also relevant to same subject." (p. l) lFLuL 35 (2006) Teaching Local Languages in Global Settings: the European Challenge 209 infonnational, referential meaning ofwords within one symbolic system. What has tobe taught is how each symbolic system indexes both its own uses in various contexts and the new connotations gained through juxtaposition with other symbolic systems. 3) Historicity. The reason so much miscommunication takes place even between people who share the same language is the differing ways in which they remember and understand historical events and their conventional representations. A plurilingual pedagogy will have to reflect on the way knowledge is mediated by textual genres, disciplinary traditions, and institutional rules and nonns for the management of knowledge. 4) Subjectivity. Contact zones are also zones of imagined communities, fantasized identities, projected selves. Cultural mediation must take into account the subjective aspects oflanguage use and the sensitivity of non-native speakers to the meaning of form. A plurilingual pedagogy will have to integrate the subjective experiences ofleamers in various languages and draw on their imagination to make sense of their own various contact zones. 5. Conclusion In the end, I too have to state my subject position. This paper was written and conceived by a bilingual author who spent the first half of her life in France, the second in the United States. While writing in English, she remembers her native language, French, and feels the tensions carried by each of the two languages' connotations. This tension is favorable to the imagination and the scenarios ofpossibility that it opens up. As Gayatri Spivak noted recently: "The imagination is nourished by the slow leaming ofthe other's language, with the memory ofthat first leaming in the works" (SPIV AK 2002: 720). I have chosen to discuss the "European challenge" in English, but as someone who shares her time between the United States and Europe, speaks English, and often thinks French. This dis-location makes me both acutely aware ofthe very different discourses on foreign language education in the United States andin Europe. Their non-equivalence is sometimes a source of frustration, but more often than not it is a source of inspiration and, as more and more people around the globe share in this condition, it is also a source of enrichment and hope for the future. References BATES0N, Gregory (1972): "Metalogues". In: Steps to an Ecology of Mind, 1-60. HELLER, Monica (2003): "Plurilinguisme et didactique. Textes introductifs". In: Seminaire Langues, cultures, identites en didactique des langues. 27-28 mars 2003. Paris: INALCO. KRAMER, Jane (2005): "Difference". In: The New Yorker, Nov. 21, 41--42. KRAMscH, Claire (2002): "Standard, norm, and variability in language leaming: A view from foreign language research". In: GASS, Susan / BARD0VI-HARLIG, Kathleen / SIEL0FF MAGNAN, Sally / WALZ, FLuL 35 (2006) 210 Claire Kramsch Joel (eds.): Pedagogical Normsfor Second and Foreign Language Learning and Teaching. Amsterdam: John Benjamins, 59-80. KRAMSCH, Claire (in press): "The uses of communicative competence in a global world". In: Review of Applied Linguistics in China, vol.2. LEVY, Danielle / ZARATE Genevieve (eds.) (2003): La mediation et la didactique des langues et des cultures. Numero special duFram; ais dans le Monde, Janvier 2003. OLNECK, Michael R. (1990): "The recurring dream: Symbolism and ideology in intercultural and multicultural education". In: American Journal of Education, February, 147-175. PRATT, Mary-Louise (1991): "Arts ofthe contact zone". In: Profession 91, 33-40. PRATT, Mary-Louise (1992): Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation. London: Routledge. SPIVAK, Gayatri C. (2002): "Righting wrongs". In: OWEN, Nicholas (ed.): Human Rights. Human Wrongs. The Oxford Amnesty Lectures 2001. Oxford: OUP, 168-227. ZARATE, Genevieve (ed.) (2001): Langues, xenophobie, xenophilie dans une Europe multiculturelle. Caen: Centre Regional de Documentation Pedagogique de Basse-Normandie. ZARATE, Genevieve / GOHARD-RADENKOVIC, Aline / LUSSIER, Denise / PENZ, Hermine (eds.) (2004): Cultural Mediation in Language Learning and Teaching. Strasbourg: Council ofEurope. ZARATE, Genevieve (2003): « L'entree plurilingue et pluriculturelle en contexte europeen. Textes introductifs ». In: Seminaire Langues, cultures, identites en didactique des langues. 27-28 mars 2003. Paris: INALCO. FLuL 35 (2006) Matthias HUTZ * Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language: A Cross-linguistic Study of Requests Abstract. The objective of this study is to investigate aspects of interlanguage pragmatics and discourse competence in German learners of English. In particular, the investigation attempts to compare requests in the interlanguage of German leamers ofEnglish with requests made by native speakers since this speech act is assumed to be one of the most sensitive areas in German-English interactions. The study examines a corpus of data of e-mail requests drawn from both academic and non-academic contexts. In the present study the moves necessary for writing a request were analysed as weil as the request strategies. lt was found that the German learners ofEnglish appear to rely on more direct forms of requests and that they use fewer supportive moves than native speakers of English and German. Despite the fact that the need to teach pragmatic functions is widely acknowledged, such issues are still rarely addressed in foreign language teaching. The paper therefore concludes by discussing some implications for language teaching, especially conceming the development of pragmatic competence in language leamers. 1. Cross-cultural Pragmatics and lnterlanguage Pragmatics The phenomenon of cross-cultural pragmatic variation is widely recognized. Cultures vary in their pragmatic behaviour and these differences may persist when learners start to communicate in a new language. At least initially, leamers may consider the rules guiding their interactions to be universally valid, for instance, when apologising or requesting something. Therefore, they might not be aware of subtle differences in pragmatic behaviour between their home culture and the target culture. The recognition that pragmatic behaviour is not necessarily govemed by universal principles, but to a certain extent culture-specific has led to a vast number of contrastive investigations, in particular on how specific speech acts are realised in different languages. Within the framework of cross-cultural pragmatics language use in different cultures is explored, taking pragmalinguistic as well as sociopragmatic aspects into account. Some of the basic assumptions are that people in different communities speak differently, that these differences in ways of speaking are profound and systematic and that they reflect different cultural values and different communicative styles (WIERZBICKA 1991: 69). Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Matthias HUTZ, Univ.-Prof., Pädagogische Hochschule Freiburg, Institut für Fremdsprachen, Abt. Englisch, Kunzenweg 21, 79117 FREIBURG. E-mail: hutz@ph-freiburg.de Arbeitsbereiche: Fachsprachenforschung, Textlinguistik, Interkulturelle Kommunikation und Zweitsprachenerwerbsforschung. lFlLuL 35 (2006) 212 Matthias Hutz One of the most well-known research projects in this field of enquiry is the Cross- Cultural Speech Act Realization Project (e.g. BLUM-KULKA [et al.] 1989; HüUSE 1989; WEIZMAN 1993) contrasting speech acts realisations such as requests and apologies from native speakers and non-native leamers. This seminal project and numerous other studies helped to pave the way for the development of interlanguage pragmatics, which is primarily concemed with language used by leamers in a social context rather than with language form. In analogy to Selinker's interlanguage theory, the term was coined focussing on the leamers' development of a pragmatic system in a second or foreign language. Since leaming a second language requires more thanjust the acquisition ofthe phonological, lexical and syntactic system, interlanguage pragmatics can provide us with insights on how leamers develop pragmatic knowledge over time. Research has mainly concentrated on communicative skills and speech act realisations by leamers; in particular, it has been investigated how leamers deal with the illocutionary force of individual speech acts and how they express politeness values in the target language. Deviations from pragmalinguistic norms in the target language are normally considered to be the result of pragmatic transfer from L 1, of overgeneralising principles thought to be universal or of simplification of pragmatic knowledge. This study explores the use of request strategies by native speakers and leamers of English. Based on a corpus of 100 e-mails written by native speakers of English, native speakers of German and two groups of German leamers of English, it addresses the question how the speech act of requesting is realized by these groups and whether there is any evidence of pragmatic transfer. In a second step, consequences for the development of pragmatic competence are discussed. 2. Pragmatic transfer and failure The fact that pragmatic norms and conventions may differ across cultures is a potential risk to communicative success. Disregarding cultural distinctiveness may lead to conflicts or even breakdowns in communication or to the development of negative stereotypes (cf. BLUM-KULKA [et al.] 1989: 6; THOMAS 1983: 107). Different social frames ofreference may represent barriers to effective intercultural communication. In particular, differences in politeness behaviour (e.g. when asking for a favour or apologising) can become potential pitfalls for leamers. For instance, being overly direct, mayin the worst case result in misconceptions of rudeness. Common politeness routines in English (e.g. "nice to meet you", "see you later") may cause leamers tCi develop negative stereotypes such as superficiality, when interpreted too literally. Problems typically arise • when leamers transfer Ll pragmatic conventions to the target language without being aware that they are culturally determined • when the home culture is looked on as the norm and the target language culture as deviant • when leamers assume that some pragmatic norms are universal, when, in fact, they are not (cf. BARRON 2003: 25-26; RILEY 1989: 234). FLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 213 Pragmatic transfer may thus be regarded as the carryover of existing pragmatic knowledge and social conventions from the Ll culture to an L2 setting, i.e. "from a situation of intracultural communication to a situation of intercultural communication" (ZEGARAC/ PENNINGTON 2000: 166). With regard to pragmatic failure, THOMAS (1983: 99) makes a general distinction between pragmalinguistic and sociopragmatic errors, both, however resulting in inappropriate language use. Pragmalinguistic failure is language-specific, i.e. learners may have problems to identify and express meanings appropriately, while sociopragmatic failure is culture-specific, i.e. there is a failure to identify the situation and social reality correctly (cf. RILEY 1989: 235). In the first case, a speech act may be inappropriately transferred from LI to L2 as a result of different pragmalinguistic conventions (SPENCER- ÜATEY 2000: 42)for instance, a German learner requesting a beer in an English pub by saying ''I'm getting a beer" whereas in the second case different cultural principles and values may be responsible for communicative problems. An example of sociopragmatic failure could be the following situation. When asked 'How do you like the US? ', a German leamer on an exchange visit began to list all the things he liked and disliked. He interpreted the question as an invitation to express his personal opinion quite explicitly and was astonished to find his American hosts reacting in a somewhat embarrassed manner. Other examples would include the inappropriate use of informal terms of address or different concepts about signalling modesty. Although the literature abounds in evidence for both pragmalinguistic and sociopragmatic failure, it should be noted, however, that negative transfer must not necessarily lead to a breakdown in communication (cf. ZEGARACIPENNINGTON 2000: 169). As KASPER/ BLUM-KULKA (1993: 11) have pointed out, such differences should not be equated with negative transfer resulting in errors, since this equation has proved tobe just as inaccurate for pragmatics as for other types of transfer as well (e.g. in phonology, syntax or lexical semantics). Moreover, a prediction of potential transfer errors based on cross-cultural comparison is simply not possible. Nevertheless, because of the potential risks the influence from leamers' native language and culture on their IL pragmatic knowledge and performance should not be ignored. 3. The development of pragmatic competence in the foreign language lt is well established that pragmatic norms of interactions are acquired relatively late in the first language and that such knowledge seems to be partly unconscious (SCHMIDT 1993). To know what is appropriate behaviour in a given situation requires an immense amount ofbackground knowledge and cultural experience. For obvious reasons, this task is even more complex in a second language and poses a great challenge to leamers since they need to become familiar with potentially new pragmalinguistic and sociopragmatic pattems and discoursal rules. This is also reflected in the following quotation by BYRAM: "[... ] to acquire and use a foreign language is to enter another way of life, another rationality, another mode ofbehaviour, however similar it may appear to that ofthe leamer (1988: 17)". FLuL 35 (2006) 214 Matthias Hutz Complete accommodation to L2 pragmatic norms might not be a realistic, perhaps not even a desirable objective since the individual communicative styles expressed by learners can also serve as a marker of cultural identity, but familiarity with the pragmatic norms ofthe target language and culture as well as the ability to behave appropriately in a given situation i.e. the development of pragmatic competence should be one of the essential elements of foreign language teaching. According to BARRON (2003: 10), pragmatic competence is understood as "knowledge ofthe linguistic resources available in a given language for realising particular illocutions, knowledge of the sequential aspects of speech acts and finally, knowledge of the appropriate contextual use of the particular languages' linguistic resources". Several studies have demonstrated, however, that even with advanced learners (cf. GAss/ HoucK 1999: 199) considerable deficits in appropriate pragmatic behaviour in the second language can be observed. For instance, ELLIS (1992) found that the request strategies used by the leamers he investigated did not correspond to L2 pragmatic norms even at more advanced stages of their development. However, he noticed a higher degree offlexibility in using the request strategies with increasing proficiency and a tendency to use more native-like strategies (e.g. indirect strategies) at later stages. This correlation between linguistic and pragmatic competence was also confirmed by Trosborg's crosscultural study of Danish leamers and native speakers of English: "Only when leamers have acquired a wider range of communicative strategies and modificational devices can they begin to deliberately select strategies and markers according to the demands of the social Situation" (TROSBORG 1994: 428). 4. Request strategies in e-mails: A cross-linguistic corpus study 4.1 The speech act of requesting The purpose of the following study was to attempt an investigation into the strategies native and non-native speakers ofGerman and English use in order to request something. Requests represent a pragmatically sensitive area in the communication between Americans and Germans since they can be performed very directly or indirectly (e.g. WOOD- MAN 2003). A request in this context refers to the speech act with the illocution of"getting somebody to do something" which is primarily to the benefit of the speaker. These acts may range in illocutionary force from ordering to begging and are potentially face-threatening acts (TROSBORG 1994: 188). According to BROWN/ LEVINSON (1987: 91), request strategies and the degree of directness are influenced by the social distance and the relative power of speaker and hearer as well as the absolute ranking of impositions in the particular culture, including, for instance, the legitimacy of the request. The corpus contained 100 e-mails written by American and German students, both in German and in English, and by German software engineers, only in English. The group of German students were all quite advanced leamers of English compared with the second group who mainly used English for their job. E-mails were chosen because they lFLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 215 constitute a very common activity resulting in a clearly recognisable genre, especially in academic and business settings (GAINS 1999). All ofthe e-mails contained requests. The approach which was used intended to bring together three important resources for language teaching, namely cross-cultural pragmatics, genre analysis and corpus analysis. The study of typical pragmatic and textual patterns from a cross-cultural perspective might be useful for language teaching. The analysis of a genre based on data obtained from a small corpus oftexts has become a widely used method of obtaining information about language use (HENRY/ RüSEBERRY 2001). The overall aim of a genre approach to language teaching is to make learners aware ofthe relationship between the communicative purpose of a genre, the context and the language chosen to achieve this purpose. According to SWALES (1990: 58) and BHATIA (1993: 13), genre is a highly structured recognizable communicative event characterized by a set of communicative purpose(s) identified and mutually understood by the members of a discourse community in which it regularly occurs. Learning a genre therefore also implies learning how to participate in the actions of a discourse community. In genre analysis texts are usually divided into so-called moves, i.e. elements of text structure that fulfil a partial purpose of the genre. All the moves together provide the genre's total communicative purpose. In the present study the moves necessary for writing a request were investigated. Within a genre framework, a speaker or writer often has a choice as to how to accomplish a particular move. The choices available are called rhetorical strategies (BHATIA 1993: 30-32). In this case the degree of directness involved in request strategies was analysed. With regard to directness several researchers (e.g. HOUSE 1996; WOODMAN 2003) state that the German preference for more direct and explicit forms may stem from an overall preference for clarity in communication and content-orientation. This is also claimed in the following extract from a book on cross-cultural business behaviour: "Clarity of understanding being the prime goal of communication for Germans, they pride themselves on speaking their mind. Whereas relationship-focussed people often use indirect communication, Germans value direct, frank, even blunt language" (GESTELAND 2002: 313). Whether this difference hypothesis concerning directness and explicitness also holds true for the requests found in e-mails written by Germans and Americans was one ofthe main objectives ofthis study. 4.2 Analysis of moves in e-mail requests In a first step, the frequency of individual moves in the requests was analysed. Apart from the greeting at the beginning and the closing of an e-mail five different moves can be distinguished following e.g. WOODMAN (2003), TROSBORG (1994) or HOUSE (1989): lFLuL 35 (2006) 216 Move 1: Preparing the request la: Introducing the topic: Matthias Hutz When introducing a topic, the requester can structure the e-mail in such a way the request fits naturally into the context, e.g. by presenting a specific problem: (1) I have started looking around for job offers and am now applying for a job as a trainee at the Goethe-Institut in Munich. I do need to give reference addresses from University teachers or former employers. (NNS-E-Students-17) lb: Social pleasantry The main purpose here is to create a friendly atmosphere: (2) How are you? I really hope you are doing fine! (NNS-E-Students-12) lc: Preparing the speech act The requester can also prepare the speech act in such a way that the person addressed can anticipate the request: (3) I'm in a bit of a rush, so I'll get right to the question: ... (NNS-E-17) (4) I need your help. (NNS-E-Students-14) Move 2: Softening the request Several interpersonal strategies may be used to soften a request, i.e. they are used as negative politeness strategies stressing the fact that the writer is aware of a possible imposition. 2a: Disarmers Disarmers may serve as general apologies for the request and may anticipate possible complaints. Disarming statements are, for example: (5) I'm very sorry for any inconvenience I'm causing. (NS-E-8) (6) I'm sorry to bother you again with this subject. (NNS-E-Students-1) 2b: Sweeteners Another possible strategy is to flatter and praise the person you are asking to do you a favour. The function here is, of course, to make the reader more favourably disposed to the request: (7) Because you know so much about Ireland and your seminar on Ireland was very good and interesting I thought that it would be good ifyou would be the second proofreader. (NNS-E-Students- 1) (8) I already made some corrections but I am sure that it needs a good proof-reader... (NNS-E- Students-14) 2c: Cost minimizing A requester can also point to factors that will minimize any costs thereby reducing the weight of imposition: (9) Since travelling is not a problem forme, I can also offer to see you at UWM ifthere should be any need for personal negotiations. (NS-E-Students-11) lFJLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 21 7 Move 3: Explaining the request Here the requester may specify the reasons for making the request by hinting at a problern that has occurred or by justifying the request. This move generally anticipates a possible 'Why? ' and may either occur before or after the request, as the following examples show: 3a: Pre-request reasons (10) I've just had a really bad last few weeks and this class has been hard forme to keep up with. I'll try to get my midterm to you by tomorrow aftemoon. (NS-E-8) 3b: Post-request reasons (11) I was wondering ifyou would give one more day to turn in the midterm. I have to go out of town tonight for a funeral in the moming. (NS-E-16) An inductive approach, i.e. to give the reasons first, may often be the more effective strategy since the reader is prepared for the request in a better way. Move 4: Request The fourth move is the central one, the request itself. Move 5: Finalizing the request There are two potential strategies to end a request: Sa: Offering assistance (ifthe requester feels that further information might be helpful): (12) Please don't hesitate to ask questions or call me. (NS-E-6) or Sb: Expressing thanks: (13) Thanks, as always, for all your help. At the very least, I owe you lunch at your favourite place. (NS-E-4) For the purpose of the analysis the frequencies of the different moves were calculated per request strategy for each of the four groups of native and non-native speakers: a) English e-mails written by native speakers ofEnglish (American students) = NS-E b) German e-mails written by native speakers ofGerman (students) = NS-G c) English e-mails written by German leamers ofEnglish (students) = NNS-E-Stud d) English e-mails written by German employees of an international company = NNS-E- Bus FLuL 35 (2006) 218 Matthias Hutz Analysis of moves in requests (relative distribution in%) 0,8 0,6 0,4 0,2 0 111 NS-E (Stud.) 111 NS-G (Stud.) ONNS-E (Stud.) IIINNS-E (Bus.) Move 1 Move 2 Move 3 Move 4 Move 5 Frequencies per request MOVES GroupNS-E GroupNS-G GroupNNS-E GroupNNS-E (Students) (Students) (Students) (Business) Move 1: 0.76 0.67 0.54 0.46 Preparing the request Move2: 0.35 0.41 0.28 0.02 Softening the request Move3: 0.83 0.89 0.49 0.32 Explaining the request Move4: 1.0 1.0 1.0 1.0 Request MoveS: 0.31 0.27 0.36 0.13 Finalizing the request Total number of suppor- 2.25 2.24 1.67 0.93 tive moves (1+2+3+5) The analysis ofthe five moves brought several quite interesting results: In general, there is basically only one obligatory move, the request itself. The moves "preparing request" and "explaining request" seem to be of great significance as supportive moves. On the other hand, the moves "softening the request" and "finalizing the request" seem to be optional. There seems tobe a correlation between these moves on the one hand and the weight of imposition and the social distance on the other hand. The higher the social distance and the weight of imposition perceived by the requester the more likely supportive moves will be used. The analysis also revealed that the moves were variable. In some cases the central move, i.e. the request, was placed right at the beginning of the mail (deductive approach), in particular if the move was thought to be a legitimate one that did not put too much FLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 219 pressure on the reader. However, in the overall data, the request most often occurred much later in the text after some extensive preparation of the negative message. The comparison ofthe two groups ofnative speakers showed that the total number of supportive moves used in requests was virtually the same. With regard to the frequency, they did not differ significantly in ANY ofthe moves, which may be taken as an indication that at least as far as the structuring of text elements is concemed - German students support their requests equally well as their American counterparts. However, the results also show that the German leamers of English, in general, provided significantly fewer supportive moves for the requests than both groups of native speakers. In the case ofbusiness e-mails this may be partly explained by the fact that employees often have to write their e-mails under great time pressure. This means that they do not have much time to soften or even prepare or explain a request they just focus on the central move, the request itself. In the case of German students writing request mails in English the reasons may be different, especially since the control group, the native speakers of German, produced a much higher number of supportive moves. The shortcoming found in leamers may be either ascribed to a lack of linguistic means, e.g. to produce disarmers, or it may indeed be the result of a lack of familiarity with request pattems in English. This would confirm the findings by ELLIS (1992) and TR0SB0RG (1994) mentioned earlier. 4.3 Analysis of request strategies In a second step, the individual request strategies were analysed in particular with regard to their degree of directness. Based on previous research in the framework ofthe Cross- Cultural SpeechActRealizationProject(BLUM-KULKA! OLSHTAIN 1984; BLUM-KULKA! HousE 1989) as well as TR0SB0RG (1994) and AIJMER (1996) four different categories were distinguished showing an ascending degree of directness: Indirect requests, readeroriented requests, writer-oriented requests and finally direct request. CAT I: lndirect requests/ hints Hints are the most implicit form of requests. A speaker or writer who does not want to state the purpose of the request explicitly may rely upon hinting strategies, where the desired action is not mentioned. This lack of transparency is intentional (TR0SB0RG 1994: 193), it is left to the reader or hearer to infer the writer's intention. (14) As you know, good applications always include good letters of recommendation. (NNS-E-12) (15) I've missed a few classes and I'm falling behind. (NS-E-8) CAT II: Reader-oriented request Another strategy in formulating requests is to refer to the reader's willingness or ability to accept the requester's desired action. Reader-oriented requests are often routinized constructions which imply that the reader "is in a position of control to decide whether or not to comply with the request" (TR0SB0RG 1994: 197). They are often considered tobe lFLuL 35 (2006) 220 Matthias Hutz more polite than writer-oriented requests (CAT III) since the requester also takes noncompliance into account, at least on the surface. (16) Could you please confirm ... ? (NNS-E-Business 19) (17) Would it be possible to distribute the exam next Monday and have it due back on Wednesday? (NS-E-9) CAT III: Writer-oriented request In writer-oriented requests the writer focuses on his or her own wishes, desires and needs. However, the weight of imposition is relatively high since such requestive strategies do not really give the reader or hearer a choice to opt out of the desired action. Therefore such explicit requests are often regarded as more direct and less polite. Examples from the corpus are: (18) I would like to know whether you already know the results ofthe term papers in lntercultural Communication. (NNS-E-Students 4) (19) I will need copies ofall previous ... forms. (NS-E-21) CAT IV: Direct requests In the most direct form of requesting one of the following options might be chosen: • a performative verb (e.g. to ask, to urge, to order) which explicitly signals the illocutionary force: (20) I'm asking you to make payments like all my other business partners (NNS-E-Business-7) • an obligation or necessity: (21) You should read the information in the attached document. (NS-E-10) • an imperative, which may signal that the utterance is an order, perhaps modified by please: (22) Please answer asap. (NNS-E-Business-3) General categories of request strategies (relative distribution in % ) Request strategies GroupNS-E GroupNS-G GroupNNS-E GroupNNS-E (Students) (Students) (Students) (Business) CATI: 179 16.3 2.4 0 Indirect requests CATII: 32.8 41.9 33.3 6.6 Reader-oriented requests CAT III: 29.9 32.6 47.6 6.6 Writer-oriented requests CATIV: 194 9.2 16.7 86.8 Direct requests Total 100 100 100 100 lFLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language . .. 221 The request strategies were classified as belonging to one of the four major categories. For each e-mail, the number of strategies was computed and the scores were compared across groups. 50 40 30 20 10 0 Comparison of both groups of native speakers CATI CATII CATill CATN 1ii1 NS-E (Stud) ~NS-G(Stud) The results again are similar for the two groups of native speakers. Both revealed a tendency for rather indirect and reader-oriented requests. American and German students writing in their mother tongue primarily relied on the three least direct strategies: hints, requests conceming ability or willingness, and the expression of wishes and needs. In both cases the occurrence ofhints is relatively high compared to the other groups. Hints largely rely on shared knowledge, high linguistic proficiency and on the reader's skill to infer the intended meaning. Perhaps quite surprisingly, the number of reader-oriented requests is even higher among German students than among American students whereas the direct requests are higher among the Americans. However, the imperative is mainly used for minor requests in such cases e.g. "please e-mail me back"). However, this is certainly an indication that at least for this corpus the idea that Germans in general tend to be very direct in their requests cannot be maintained. Comparison of native speakers of English and learners of English/ native speakers of German and learners of English lFLuL 35 (2006) 50 40 30 20 10 0 CATI CATII CATill CATN l! ! INS-E(Stud) ~NNS-E(Stud) 222 50 40 30 20 10 0 CATI CATII CATIII CATN Matthias Hutz iiNS-G(Stud) l§INNS-E(Stud) If we compare the group of student leamers with both groups of native speakers, we find some more remarkable differences. Firstly, German students ofEnglish hardly make use ofhints, possibly because of their potential ambiguity and the lack of clarity. lt might also be hypothesized that hints or indirect strategies might be found more often with more advanced leamers than with beginners or intermediate leamers since they require a relatively high degree oflinguistic proficiency. Instead, German students relied more on readerand writer-focussed requests and often expressed their needs and desires very explicitly, revealing a higher degree of selforientation. lt has to be conceded, however, that these rather direct requests often contained mitigating devices. They often used pre-packed verbal request routines a typical request, for example, would include phrases like J just wanted to ask you or I would like to know, which are found much more often in leamer texts than in the American data. The usage of such expressions might be an indication that leamers rely on unanalyzed formulas {KASPER/ ROSE 2002: 140; ELLIS 1992). Comparison ofnative speakers ofEnglish and learners ofEnglish (business group) 100 80 60 40 20 0 CAT I CAT II CAT III CAT IV DNS-E (Stud) ~NNS-E(Bus) The data gathered from the business e-mails proved to be extremely oriented towards directness and explicitness in their request strategies. More than 86% of the requests were lflLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 223 categorized in the last category, most of which were very explicit imperatives, often modified by please. A typical example would be "Please send me the manual." This frequency of imperatives can largely be explained by the fact that the requests often involved urgency and immediate compliance. "Please" is almost always placed at the beginning of a request, which may even serve as a visual marker of requests in the case of scan reading. Perhaps, unsurprisingly, hints were completely avoided-=probably because of the <langer of creating ambiguity and the lack of clarity. Judging from the data in this section, however, the lack of indirect request strategies in the English mails written by non-native speakers is perhaps not so much the result of a pragmatic transfer from the mother tongue, but rather the result of a lack of stylistic ranges and the consequence of an orientation toward clarity and content. In general, the contrastive genre analysis and the analysis of the request strategies demonstrated a large amount of overlap between the English and the German native speakers. For this reason, a more differentiated perspective conceming the discussion about the degree of directness suggested for both cultures should be considered. At least in the data of the written communication analysed here, there are no indications that Germans per se show less indirectness and thus may appear to be less polite. Instead, the problem seems to lie elsewhere. Leamers, even those who are more advanced, seem to rely on more direct forms of requests which may have a linguistically less sophisticated structure, e.g. imperatives or formulaic expressions. This may, of course, provoke difficulties in communication with native speakers, especially when directness is equated with rudeness, when, in fact, the students do not have the necessary linguistic means and a wider range of pragmatic strategies at their disposal in the foreign language. With increasing proficiency in the second language it is quite likely that leamers will use the same strategies they use in their first language. 5. Implications for teaching: The road to pragmatic competence The implications that can be drawn from cross-cultural pragmatics, may, among other things, include the following aspects: the exploration of pragmatically critical areas in interactions (e.g. requests or complaints) is of great significance to foreign language teaching awareness should be raised for a range of possible strategies and linguistic pattems to realize speech acts in the first andin the second language (however, both differences and similarities between L1 and L2 should be focussed on) an attempt should be made to increase the acceptability ofthe other culture's preferences in pragmatic behaviour to increase mutual understanding and the avoidance of stereotypes. For these reasons, it seems evident that knowledge of speech act realisations should be a central objective of foreign language teaching. The issue now is how these features of language should be taught in order to reach the ultimate goal of improving leamer's lFLuL 35 (2006) 224 Matthias Hutz pragmatic competence. In this last section I would like to present a few ideas that may be used forthe teaching ofpragmatic skills based on the following sequence: 1. Exploring relevant speech acts 2. Raising cross-linguistic awareness 3. Developing pragmatic skills 4. Engaging in language use activities 1 In a first step, speech acts should be identified which are relevant for the learners as well as material that might be used to explore relevant speech acts. lt is important to use authentic materials (e.g. internet, films, TV interviews) that can be recorded and analyzed for speech-act content. The speech act in question might be pointed out to the learners (explicit teaching) or students are asked to identify the speech act themselves. For instance, a letter written by a native speaker might be selected which contains a request. The task could then be to discover and underline the main request and all the politeness strategies which can be found in the letter. Another exercise might be to fill out questionnaires (e.g. "How do you react when your American host asks you "How do you like the US? "? ) testing the learners' reactions in potentially critical situations. Learners might also gather their own examples of speech acts from their own environment. However, simple exposure to characteristic input is not very likely tobe sufficient for second language acquisition of pragmatic and discoursal knowledge because the linguistic realizations of pragmatic functions may not become transparent to the learners (SCHMIDT 1993: 36). Therefore, in a second step, cross-linguistic awareness could be raised. With the teacher's guidance, students can discuss which cross-linguistic differences exist between the native and the TL speech acts and perhaps why they exist. Self-reflection on one's own culture might also be a good starting-point. In this way learners might become aware of the fact that the other culture is just as differentiated as their own. Letters, e-mails or other genres could be analysed from a cross-cultural perspective, possibly by contrasting them with L 1 examples. This way discussions could be stimulated which draw on the learners' existing but largely unconscious knowledge ofhow texts are created in their own cultural context. Finding out about cross-linguistic differences and similarities in pragmatic behaviour can be an essential part of exploratory learning in the classroom. Attention can be drawn to both the linguistic forms that are employed and the sociolinguistic variables that may determine the pragmatic behaviour (e.g. age, gender, status, relationship ofthe participants): Task: Here are five ways in English to express the wish that someone leave. Try to order the expressions on a scale from very polite to very impolite. In which situation would you use these expressions? See also the model suggested by JUDD (1999: 162) containing five components: teacher analysis ofspeech acts, cognitive awareness skills, receptive/ integrative skills, controlled productive skills and free, integrated practice. FLuL 35 (2006) Pragmatic Transfer and the Development of Pragmatic Competence in Second Language ... 225 a) Please go. b) I think I would like to be alone now. c) J'd appreciate it if you would leave. d) Get out of here e) Would you be willing to leave? In the third stage, pragmatic skills could be further developed, i.e. the attempt is made to incorporate the pragmatic pattems into the leamers' speech production and to encourage students to use specific speech acts, e.g. in guided simulations or role plays. Students are asked to adopt certain roles that would require them to produce certain speech acts. For example, to practice the speech act "complaining" the students might be given the following situation (cf. JUDD 1999: 159): Student A: You have ordered food in a restaurant and the waiter brought you a different dish. Student B: You know that you brought the correct meal and that the customer has forgotten what was originally ordered. Similarly, contrastive role plays could be used (JUDD 1999: 165) to help students to develop pragmatic competence. A series of role plays is presented with differing sociolinguistic variables in each case to demonstrate how these factors might influence the performance ofthe speech act. For instance, the leamers may have to apologize to their mother for coming late, to their teacher for forgetting the homework or to a policeman for riding a bicycle at night without turning the lights on. By assessing role and status relationships leamers are forced to reflect upon crucial sociolinguistic variables. The final stage then is to have students put their pragmatic knowledge into practice. Free activities simulating various speech act pattems could be set up, for example, the leamers might have to organize a party conference, a business meeting or a ceremony where prizes are awarded. In such scenarios students would be required to use various speech acts (e.g. thanking, criticizing, agreeing, disagreeing) so that the complexity of pragmatic behaviour could be simulated in the foreign language in meaningful contexts. As far as the leaming and teaching of second language pragmatics is concemed "attention to linguistic forms, functional meanings, and the relevant contextual features is required" (SCHMIDT 1993: 35). Therefore, task-based language leaming constitutes an ideal approach to developing pragmatic competence. In general, however, it is essential to help leamers create an awareness that pragmatic behaviour is not necessarily universal, but can be culturally determined. FLlllL 35 (: 2006) 226 Matthias Hutz References AIJMER, Karin (1996): Conversational Routines in English. Convention and Creativity. Harlow: Addison Wesley Longman Limited. BARR0N, Anne (2003): Acquisition in Interlanguage Pragmatics. Amsterdam [etc.]: John Benjamins. BHATIA, Vijaj K. (1993): Analysing Genre: Language Use in Professional Settings. London: Longman. BLUM-KULKA, Shoshana / H0USE, Juliaue ( 1989): "Cross-cultural and situational variation in requestive behaviour". 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The underlying hypothesis targeted the cultural specificity of meaning construction. lt was assumed that abstract nouns require a more intensive activation of mental images (for lack of concrete references) and therefore lead to more metaphoric processes which in turn are reflected in a broader and more metaphoric spectrum of semantic associations by the informants. The results of the present exploratory study partly confirm the hypothesis but the study was not designed to produce conclusive. results. However, it provides interesting insights into a field of investigation central to intercultural communication in general and language teaching in particular. The study finishes with a number oftentative conclusions that might lead to further research and better (more sensitive) teaching practice. Das Kernproblem der interkulturellen Kommunikation sind die unterschiedlichen Konzepte der Wahrnehmung der Welt. Diese manifestieren sich auch in den semantischen Merkmalen der Begriffe, mit denen die Menschen ihre Welt fassen. Allerdings treten die Konzepte an der lexikalischen Oberfläche der Sprachen nicht immer deutlich zum Vorschein. So ergeben sich unter dem Schein der Gleichheit oder Ähnlichkeit der Begriffe entscheidende Differenzen, die zu gravierenden Problemen in der interkulturellen Kommunikation führen können. Der Beitrag untersucht mittels eines vergleichenden Wortassoziationsexperimentes die assoziativen Reaktionen von insgesamt 102 deutschsprachigen und frankokanadischen Versuchspersonen auf 9 vorwiegend konkrete Adjektive, 11 Konkreta und 10 Abstrakta. Damit schließt er an eine ertragreiche Forschung an, die über die vergangenen Jahrzehnte primär für psychologisch-therapeutische Zwecke semantische Differentiale untersucht hat. Diese Forschung hat sich aus guten Gründen vor allem mit den Begriffsfeldern von Konkreta beschäftigt und dabei (eher am Rande auch) deutliche kulturelle Unterschiede zwischen Versuchspersonen aus verschiedenen Kulturkreisen festgestellt. Um das Ausmaß der kulturellen Bedingtheit von Begriffen besser ermessen zu können, richtet sich in der vorliegenden Untersuchung das Hauptinteresse auf Begriffsfelder von Abstrakta. 1 Damit sollen zum einen semantische Differentiale von ausgewählten Abstrakta exem- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Jörg ROCHE, Univ.-Prof., Universität München, Multimedia Forschungs- und Entwicklungslabor, Dpt. für Kommunikation und Sprachen, Prinzregentstr, 7, 80535 MÜNCHEN. E-mail: roche@daf.uni-muenchen.de Arbeitsbereiche: Theorie und Medien der Sprach- und Kulturvemrittlung, Spracherwerb, InterkultureHe Kommunikation. MelQdy Roussv-PARENT, MA, Universität München, Multimedia Forschungs- und Entwicklungslabor, Department für Kommunikation und Sprachen„ Prinzregentstr, 7, 80535 MÜNCHEN E-mail: melody.rnussy-parent@t-online.de Arbeitsbereiche: Entwicklung von Sprachlernsoftware für Französisch. 1 Die Daten wurden von Melody RoussY-PARENT im Rahmen einer an der Ludwig-Maximilians-Universität FLuL 35 (Z006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 229 plarisch dargestellt werden. Zum zweiten soll ermittelt werden, ob diese Differentiale große Unterschiede zu Konkreta und Adjektiven aufweisen. Die zugrunde liegende Annahme ist dabei, dass Abstrakta noch mehr als Konkreta von kulturspezifischen mentalen Bildern geprägt sind, die sich nicht in dem Maße. durch „fassbare" Merkmale der Umwelt interkulturell standardisieren lassen, wie das bei Konkreta der Fall ist. Aus den Ergebnissen dieser explorativen Untersuchung lassen sich Konsequenzen für das Untersuchungsdesign weiterführender Forschungen sowie für den wissenschaftlichen und angewandten Bereich der interkulturellen Kommunikation einschließlich des Fremdsprachenunterrichts ableiten. 1. Einleitung Die neueren Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation weisen immer wieder darauf hin, wie stark die Beziehung zwischen Sprache und Kultur ausgeprägt ist. 2 Diese Beziehungen manifestieren sich nicht nur in diskursiven Prozessen und Routinen oder in der Struktur von Textsorten (siehe etwa EBER 1997 und andere Arbeiten zur kontrastiven Textologie), sondern lassen sich bis in die Grammatik der Sprachen verfolgen. Die Spracherwerbsforschung hat kontinuierlich und überzeugend belegt, dass im Zentrum des Spracherwerbs, und besonders in den Anfangsphasen, vor allem die Wörter stehen. Die Spracherwerbsforschung und die neuere sprachtypologische Forschung, die konzeptuelle Aspekte der Repräsentation von Wissen berücksichtigen, weisen diesbezüglich weitere interessante Perspektiven auf. Vor allem spielt die hochgradige kulturelle Vernetzung der Begriffe, mit denen Sprecher schließlich ihre Welt erfassen und benennen, eine herausragende Rolle. Diese komplexe Vernetzung, die man an der Oberfläche am ehesten am metaphorischen Sprachgebrauch erkennen kann, ist in Wirklichkeit wenig transparent. Gerade diese mangelnde oder nur scheinbare Transparenz macht Kommunikation oft so schwer und nur scheinbar erfolgreich, und zwar nicht nur über kulturelle Grenzen hin- München 2005 entstandenen Magisterarbeit erhoben und ausgewertet. Die Arbeit stellt darüber hinaus die historische Entwicklung der Wort-Assoziationsexperimente ausführlich dar, untersucht semantische Differentiale weiterer Begriffsfelder und vergleicht diese eingehend mit den Ergebnissen früherer Studien. Der vorliegende Beitrag bezieht sich demgegenüber vorwiegend auf die Daten zu den Abstrakta und behandelt gegenüber der genannten Magisterarbeit wesentlich erweiterte, vertiefte und fokussierte Aspekte der Daten. Die Autoren danken Petra Plieger für eingehendes Feedback zu einer früheren Fassung dieses Beitrages. 2 Autoren wie BEHAL-THOMPSON [et al.] (1994), BYRAMIFLEMING (1998), BYRAMIMORGAN (1994), EHLERS (1989), HOG [et al.) (1984 ff), HUNFELD [et al.] (2001) MÜLLER-JACQUIER (1981, 1992), MÜLLER (1990), KRAMSCH (2004), NOLDENiKRAMSCH (1996), ROCHE (2001), ROCHE/ WEBBER (1995) und SEELYE (1985) sind Vertreter einer kontrastiven, expliziten und Sprache integrierenden Behandlung kulturellen Kontaktes als Bedingung für die Vermittlung interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht. Das Verfahren ist kontrastiv, weil es gezielt kulturelle Erscheinungen in Kontakt bringt. Es ist explizit, weil es dabei auch kontroverse und potenziell konfliktive Themen und Stereotypisierungen bewusst macht und behandelt. Es integriert Sprache, weil Sprache ein konstitutiver Bestandteil von Kulturen ist und nicht auf strukturelle Elemente reduziert werden kann. Das Verfahren ist darüber hinaus reflexiv und reziprok, weil es nicht unidirektional auf den Erwerb der fremden Sprache und einer Zielkultur gerichtet ist, sondern diese gleichzeitig als Katalysator für das bessere Verstehen des eigenen Bezugssystems und der eigenen Sprache verwendet. Somit handelt es sich um ein hermeneutisches, das heißt prozessorientiertes Verfahren, das im Sinne von Gadamer zu einer Horizontverschmelzung führt und dabei ,kritische Kompetenz' ausbildet (vgL ROCHE/ WEBBER 1995). FLuL 35 (2006) 230 Jörg Roche, Melody Roussy-Parent weg, sondern auch innerhalb einer „Sprachgemeinschaft" (intralingual). Zu viele kulturspezifische Konnotationen und Interpretationen erschweren das gegenseitige Verstehen. Diese Schwierigkeiten kann man durch sprachliche Standardisierung vermeiden oder einzudämmen versuchen. Zu den möglichen Mitteln gehören implizite und explizite N ormierungen über sprachliche Rituale und Formeln, Register, Genres und Diskursschemata, aber auch die Ausformung von Fachsprachen oder einer Lingua Franca. Die dadurch geleistete Standardisierung trägt zur Kommunikationseffizienz und Schadensbegrenzung wesentlich bei, auch wenn sie bei weitem nicht dazu ausreicht, problemlose Kommunikation zu gewährleisten. Nach der kognitiven Theorie von SHORE (1996) kann man Kulturen als Modelle oder Schemata fassen. Diese Schemata entsprechen mentalen Strukturen und werden vom menschlichen Geist erzeugt, um das Weltwissen zu kategorisieren. Dabei besitzen die mentaleR Modelle zwei miteinander verflochtene Ebenen: die persönliche und die kulturelle. Die kulturelle Ebene, die Ebene des mentalen Modells, entsteht aus tradierten Konventionen einer Gemeinschaft. Allerdings werden die kulturellen Modelle nicht einfach übernommen, sondern im Sinne konstruktivistischer Theorien von dem Individuum selbst interpretiert. Die individuelle Rekonstruktion der Realität ist somit idiosynkratisch und einmalig. Mit der lexikalischen Realisierung der Schemata bekommt Kultur im Sinne von GEERTZ (1973) eine symbolische Funktion, durch die menschliches Verhalten konstruiert und tradiert wird. Ohne eine hinlängliche Kenntnis der Symbole einer Kultur und der ihnen zugrunde liegenden Schemata ist demnach erfolgreiche interkulturelle Kommunikation nicht möglich. Trügerisch ist interkulturelle Kommunikation oft deshalb, weil die vermeintliche Nähe zu den sprachlichen Formen (zum Beispiel bei „Falschen Freunden") Ähnlichkeit suggeriert, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Sie ist oft auch trügerisch, weil Sprecher und Hörer nicht zwischen den Begriffen und den Gegenständen unterscheiden. Überdeutlich wird dies etwa bei der Verwendung von Farb- oder Tierbegriffen in den Sprachen (vgl. ROCHE 2001: 22 ff; ROCHE/ WEBBER 1995), die trotz ihrer denotativen Äquivalenz als Konkreta in der Metaphorik stark differieren. Wenn es aber diese trügerischen, oft durch Wörterbucheinträge autorisierten Fehläquivalenzen und Fehlkorrespondenzen gibt, wie lassen sich dann semantische Differenzen überhaupt sinnvoll und systematisch erfassen? Lexikographische Verfahren greifen oft zu kurz, weil sie vor allem die allgemein-kulturelle (denotative) Ebene abzubilden versuchen und die konnotativen und idiosynkratischen Realisierungen weitestgehend auslassen. Selbst wenn sie versuchen, wie etwa das Grimmsche Wörterbuch, die Grundbedeutungen und Verwendungsweisen möglichst akribisch festzuhalten, so gelingt es ihnen nur schwer, das gesamte Begriffsfeld nachzuzeichnen. Das hat KÜHN (2005) unter anderem an dem Begriff der, Toleranz' überzeugend belegt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Semantik stärker als andere Bereiche der Sprache diachronen und synchronen Entwicklungsprozessen ausgesetzt ist (vgl. NEULAND 2006). 3 Der entscheidende Einwand gegen die gängigen lexikographischen Man vergleiche hierzu nur das Begriffsinventar der Political-Correctness-Bewegung. FLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 231 Verfahren der Bedeutungserfassung besteht aber in der dargestellten kulturspezifischen Ausprägung der Begriffsfelder und damit in der mangelnden Anschlussfähigkeit an die Konzeptwelt der Rezipienten. Anders ausgedrückt: es nutzt relativ wenig für die interkulturelle Kommunikation, wenn Begriffe in einer zielsprachlichen Systematik ausführlich und differenziert dargestellt sind, sich diese Systematik aber nicht an die Adressaten vermitteln lässt. Dem kann Abhilfe verschafft werden, indem man versucht, eine gemeinsame Referenzbasis für beide Sprachen zu etablieren. Hierzu gibt es mittlerweile eine Reihe von Quantifizierungsversuchen, bei denen als universal geltende Merkmale als Bezugsebene dienen. Diese werden in bipolaren Skalen angeordnet, auf denen dann die in Frage stehenden Begriffe angeordnet werden. So ergibt sich ein bestimmter Grad (Wert) der Merkmalspolarität. TROMPENAARS (1993) verwendet zum Beispiel die folgenden universalen Kriterien zur Bestimmung kultureller Werte: • in der Beziehung mit Menschen: Universalismus versus Partikularismus, Individualismus versus Kollektivismus, Neutralität versus Affektivität, Spezifik versus Ungerichtetheit, Erbringung versus Zuschreibung/ Zufallen von Verdiensten • in Einstellungen gegenüber der Zeit: Linearität versus Zirkularität • in Einstellungen gegenüber der Umwelt: Kontrolle innerhalb des Individuums versus Kontrolle innerhalb der Natur. BRAKE [et al.] ( 1992) schlagen in ähnlicher Weise zehn Hauptvariablen zur Bestimmung der grundlegenden Dimensionen von Kulturen vor: Natur, Zeit, Handlung, Kommunikation, Raum, Macht, Individualismus, Wettbewerbsfähigkeit, Struktur und Formalität (vgl. auch MüLLER-JACQUIER [et al.] 1981 und ROCHE 2001). Man könnte, über die wenigen als universal geltenden Kriterien hinausgehend, vorschlagen, dass im Grunde jedes semantische Oppositionspaar zur Bestimmung der Werte eines kulturellen Mosaiks geeignet ist. SZALAYIFISHER (1987) verfolgen mit den Semantographen einen derartigen Ansatz zur Qualifizierung und Visualisierung semantischer Überlappungen und Differenzen verschiedener kultureller Systeme (siehe auch ROCHE 2001: 24). Die semantischen Felder der Sprachen lassen sich also nicht nur durch die Auswertung von Wörterbucheinträgen erstellen. Dafür sind diese oft zu ungenau, zu wenig kontextabhängig, zu stark verallgemeinernd und knüpfen nicht hinreichend an die Konzeptwelt der Nutzer an. Verallgemeinerungen führen ihrerseits zu einem statischen und homogenen (stereotypen) Bild von Kulturen. Wie gezeigt wurde, bestehen Kulturen aber auch aus individuell aktualisierten Schemata des Weltwissens, sind also zu einem gewissen Teil idiosynkratische Konstrukte. Diese individuellen Aktualisierungen lassen sich mit Wortassoziationsexperimenten fassen, wie sie aus der psychologischen Forschung bekannt sind, und mittels der Semantographen ansatzweise dargestellt werden können. Mit ihrer Hilfe lassen sich sowohl überindividuelle (kulturspezifische) Gemeinsamkeiten als auch idiosynkratische Spezifizierungen und Abweichungen ermitteln. Das Instrument der Wortassoziation wird schon länger von Psychologen für diagnostische und therapeutische Zwecke genutzt, allerdings vorwiegend im Bereich der Konkreta. Die Psychologen Kent und Rosanoffhaben dazu bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eine Liste von 100 englischen Begriffen entwickelt, die vielfach angewendet und in verschiedene Sprachen RuL 35 (2006) 232 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent übersetzt wurde (vgl. BLUHM 1983; JENKINS 1970; MILLER 1970; MÜLLER 1994; ROSEN- ZWEIG 1957/ 1970; RUSSELL 1970). In den Untersuchungen zeigen sich insgesamt große Differenzen in den semantischen Differentialen zwischen Versuchspersonen aus verschiedenen Altersgruppen, sozialen Gruppierungen und Kulturkreisen (LAMBERT/ MOORE 1966; ROSENZWEIG 1970; GENTNER 1989; HASSELHORN/ GRUBE 1994). Diefür die vorliegende Untersuchung besonders wichtigen kulturellen Differenzen lassen sich auch in psycholinguistischen und erwerbslinguistischen Untersuchungen der komplexen Differenzen in den semantischen Vernetzungen des bilingualen mentalen Lexikons nachweisen. Sie erlauben damit empirisch untermauerte Aussagen über die Entwicklungsprozesse vom paarassoziativ-unterordnenden Modus zum differenziert zusammengesetzten Bilingualismus. 4 Die meisten der verfügbaren Kultur vergleichenden Daten betreffen Konkreta. So sind 91 % der Begriffe der Kent-Rosanoff-Liste als Konkreta einzustufen. Konkrete Begriffe weisen gegenüber abstrakten jedoch einen wesentlichen Unterschied auf: ihr denotativer Gehalt lässt sich an der Realität wenigstens zum Teil auch bei kulturspezifisch geprägter Wahrnehmung überprüfen. Daraus ergibt sich in der Regel eine mehr oder minder ausgeprägte objektivierbare Schnittmenge auch über kulturelle Grenzen hinweg. Konkrete Begriffe verweisen also direkter auf die Gegenstände, die sie bezeichnen. Trotz dieser direkten Bezüge weisen Konkreta eine beträchtliche, empirisch messbare Varianz auf. Konsequenterweise müssten sich bei abstrakten Begriffen noch erheblich größere Differenzen ergeben. Es ist zu vermuten, dass sich abstrakte Begriffe qualitativ und quantitativ in höherem Maße auf mentale Bilder beziehen, die stark kulturspezifisch geprägt sind. Die in der· vorliegenden Untersuchung getestete Hypothese geht also davon aus, dass Abstrakta noch mehr als Konkreta von kulturspezifischen mentalen Bildern geprägt sind, die sich nicht in dem Maße durch „fassbare" Merkmale der Umwelt interkulturell standardisieren lassen, wie das bei Konkreta trotz ihrer Konnotationen zumindest teilweise der Fall ist (vgl. auch LAMBERT 1972: 11). Da in einigen Untersuchungen Adjektive als separate Gruppe behandelt wurden, wird auch in der vorliegenden Untersuchung eine Kontrollgruppe von Adjektiven überprüft Aufgrund der hohen Bildhaftigkeit der Konkreta kann angenommen werden, dass sie einheitlichere Reaktionen hervorrufen. Im Gegensatz dazu sollte wegen der größeren Verdichtung der Information bei Abstrakta eine größere Varianz der Reaktionen auftreten als bei Konkreta. Durch diese Varianz werden die Verarbeitungsprozesse erschwert (siehe KLIX 1971, vgl. auch MÜLLER 1994 und ÜFFE [et al.] 1994). Schließlich ist anzunehmen, dass durch die starke Verkürzung der inhaltlichen Merkmale und durch den reduzierten Aspekt der sinnlichen Erfahrung die Reaktionen auf die untersuchten Abstrakta metaphorisch beeinflusst werden. Diese Annahmen sollen in dem vorliegenden Beitrag explorativ anhand von ausgewählten Begriffen untersucht werden. Aus den Ergebnissen der Untersuchung lassen sich Beobachtungen gewinnen, die die Bedeutung semantischer Differentiale für den wissenschaftlichen und angewandten Bereich der interkulturellen Kommunikation konkretisieren lassen. Hieraus ergeben sich 4 Vgl. hierzu vor allem die umfangreiche theoretische Fundierung und empirische Studie in PLIEGER (2006); siehe auch RüCHEIPLIEGER (2004). lFlLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 233 gleichzeitig Konsequenzen in Bezug auf die Sensibilisierung für semantische Differenzen und ihre didaktische Umsetzung im Fremdsprachenunterricht. 2. Das Wortassoziationsexperiment als Forschungsinstrument in interkultureller Kommunikation Für die interkulturelle Kommunikation sind die Untersuchungen von ROSENZWEIG (1970) besonders relevant, da hier zum ersten Mal ein statistisch brauchbarer Vergleich semantischer Differentiale durchgeführt wurde. Dabei wurden Anzahl sowie Art und Distribution der Reaktionen der jeweiligen Sprachgruppen verglichen. Um eine Vergleichbarkeit der Wortfelder der beteiligten Sprachen zu gewährleisten, wurden die Stimuli so genau wie möglich übersetzt. Bei der Übersetzung nicht eindeutig zuzuweisender Wörter verzichtete Rosenzweig allerdings auf die Berücksichtigung etymologischer und abstraktionsgerechter Äquivalente. Diese Herangehensweise erlaubt jedoch keinen semantischen Vergleich, wenn die Stimuli etymologisch oder klassifikatorisch nicht ähnlich sind (ROSCH [et al.] 1976), ist also in dieser Hinsicht problematisch. Der englische Stimulus short kann so zum Beispiel nicht mit französisch petit übersetzt werden, wie ROSENZWEIG (1970) das tut. Das Wortshort ist etymologisch mit court verwandt. Beide stellen das Partizip Perfekt der indogermanischen Wurzel *(s)ker- ,schneiden' (POKORNY 1959: 93 8) dar und *(s )qr .-t6s bedeutet ,etwas geschnittenes'. short und court bezeichnen also den allgemeinen Zustand des Geschnittenen, während petit und little Hyponyme dazu sind und das zusätzliche Merkmal der Relation beinhalten. Auch die umfangreichen kulturkontrastiven Untersuchungen von LAMBERT/ MOORE (1966) haben eine besondere Relevanz für die Interkulturelle Kommunikation. Sie verglichen anhand freier Wortassoziationen die Reaktionen von französischen und amerikanischen sowie insgesamt vier mono- und bilingualen anglo- und frankokanadischen Gruppen von Versuchspersonen. Dabei ergab sich ein Reaktionskontinuum von vergleichsweise hoher Uniformität der assoziierten Begriffe (Lambert/ Moore sprechen hier von stereotypy) bei den anglophonen US-Amerikanern auf der einen Seite und einer geringen Homogenität bei den französischen Versuchspersonen am anderen Ende des Spektrums. Das heißt, die französischen Sprecher differenzierten die Begriffsfelder am stärksten (LAMBERT/ MooRE 1966: 315). Es zeigte sich weiterhin, dass die übrigen anglophonen und (englisch-)bilingualen Versuchsgruppen semantisch stärker zu den US- Amerikanern tendieren, aber dennoch deutlich von ihnen abweichen, während die (französisch-)bilingualen und die monolingualen Frankokanadier (Quebecois) stärker zu der französischen Referenzgruppe tendieren, aber sich qualitativ auch von dieser deutlich unterscheiden. Das Frankokanadische kann damit semantisch zwischen dem Angloamerikanischen/ Anglokanadischen und dem Französischen positioniert werden. 5 Die Divergenz von Frankokanadischem sowie Angloamerikanischem/ Anglokanadischem lässt sich im Übrigen auch heute als Politikum in der alltäglichen Kommunikation genauso beobachten wie in der Auseinandersetzung über das Separationsreferendum von 1995, dessen wichtigster Streitpunkt das Begriffspaar distinct lFLuL 35 (2006) 234 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent Since the associational pattem ofthe French-Canadian group is relatively isolated from all ofthe others, French-Canadians may realize their difficulty in expressing the füll meaning of their ideas and thereby sense a certain pressure to adjust to either the English-Canadian and American pattem, or at least the French-French pattem. (LAMBERT/ MOORE 1966: 319) 3. Forschungsmethode Viele der einschlägigen Wortassoziationsexperimente sind mit dem Englischen unternommen worden. Die vorliegende Untersuchung arbeitet zum Kontrast mit zwei Sprachen, die vom Englischen unterschiedlich weit entfernt sind, zu denen aber bereits kulturkontrastive Ergebnisse vorliegen: dem Deutschen und dem Frankokanadischen. Das Frankokanadische der Provinz Quebec ist eine Sprache, die sich historisch und etymologisch aus einer Mischung von Altfranzösisch, Englisch und indianischen Sprachen zusammensetzt (POIRIER 1999: XV). Sein konzeptuelles Begriffssystem unterscheidet sich, wie oben dargestellt, nicht nur vom Englischen, sondern auch vom Standard-Französischen. Die Befragungen der Versuchspersonen der vorliegenden Studie wurden schriftlich in Form eines Fragebogens durchgeführt, der an die Versuchspersonen persönlich per Email verschickt wurde. Er bestand aus einem diskreten Erstassoziationsexperiment. Der Assoziationstest wurde in einer begrenzten Altersgruppe (25-40 Jahre) durchgeführt, da frühere Untersuchungen gezeigt hatten, dass Wissensverknüpfungen altersspezifisch vorgenommen werden (HASSELHORN/ GRUBE 1994 und GENTNER 1989). Das durchschnittliche Alter bei den Deutschen betrug 29 und bei den Frankokanadiern 28. Insgesamt nahmen je 51 Deutsche und Frankokanadier (zusammen also 102 Versuchspersonen) an der Untersuchung teil, mit annähernd gleicher Geschlechterverteilung: bei den deutschen Versuchspersonen 26 männliche und 25 weibliche, bei den Frankokanadiem 25 männliche und 26 weibliche. Alle Teilnehmer lebten in ihrem jeweiligen Heimatland und sprachen jeweils muttersprachlich Deutsch oder Frankokanadisch. Die Versuchspersonen wurden vorab über den Zweck der Untersuchung informiert. Allerdings erfuhren sie nicht, um welche Kulturen es sich bei der Vergleichsuntersuchung handelte. Die Versuchspersonen hatten jeweils 30 Begriffe aus ihrer Muttersprache zu bewerten. Die Aufgabe wurde folgendermaßen gestellt: In dem ersten Teil des Fragebogens schreiben Sie für jeden der 30 Begriffe das erste Wort, mit dem Sie es assoziieren. Schreiben Sie also das erste Wort auf, das Ihnen zu dem jeweiligen Begriff spontan einfällt. Respektieren Sie dabei die Reihenfolge und überspringen Sie bitte keine Wörter. Alle Stimuli waren in einer Spalte untereinander angeordnet. Die Reaktionen darauf sollten die Versuchspersonen in einer rechten Spalte notieren. Mit dieser Darstellung der societylsociete distincte war. Die unterschiedliche Semantik dieser Begriffe hatte wesentlich zu einer Polarisierung der Positionen über den Status Quebecs in Kanada beigetragen und damit um ein Haar das Auseinanderbrechen des Landes bewirkt. FLulL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 235 Stimuli sollten Ablenkungen verringert werden. Um Reihenfolgeeffekte zu vermeiden, wurden die 30 Begriffe gemischt präsentiert. So wurden Gegensatzpaare, deskriptive Merkmale wie STADT-LAUT und Begriffe, die zu demselben Begriffsfeld gehören, getrennt dargestellt. Die Reihenfolge der präsentierten Stimuli war jedoch für alle Probanden gleich. Die Versuchspersonen hatten keine vorgegebenen Antworten oder Hinweise auf Antwortklassen, um ihre Spontaneität möglichst wenig zu beschränken (vgl. SCHMUCK 1993, 1994 und DORN 1998). Durch die Untersuchung werden daher weder spezifische Formen der Gedächtnisorganisation noch die Merkmalsklassen in dem begrifflichen System überprüft (SCHMUCK 1993: 9), sondern sie dient lediglich dazu, kulturelle Unterschiede in den Begriffsfeldern zu identifizieren. Auch auf andere Merkmale, die für psychopathologische oder therapeutische Untersuchungen von Relevanz sind, wurde hier verzichtet. Schließlich wurde der Störfaktor der Homophonie beseitigt, indem die Stimuli und die Reaktionen geschrieben wurden. Homophonie spielt im Französischen eine stärkere Rolle als im Deutschen. Die Stimuli Von der Kent-Rosanoff-Liste wurden insgesamt 19 Wörter ausgesucht und sowohl ins Französische als auch ins Deutsche übersetzt. Es wurden analog zu früheren Studien zwei grammatische Kategorien von Wörtern untersucht: Adjektive und Nomen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Stimuliwörter in der Alltagssprache weit verbreitet sind. Die Adjektivpaare lauten kalt/ froid, bitter/ amer, sauer/ acide, süßlsucre, laut/ bruyant, weich/ mou, hart/ dur, schwer/ lourd und die Konkreta Stadt/ ville, Käse/ fromage, Kind/ enfant, Haus/ maison, Mond/ lune und Adler/ aigle. Mit den Stimuliwörtern wie sanft/ doux, Heim/ foyer, Doif/ village, Frosch/ grenouille, Partner/ partenaire und Ratte/ rat wurde die Palette der konkreten Begriffe der Kent-Rosanoff-Liste erweitert, um eine genauere begriffliche Abgrenzung zwischen SÜSS-SANFT, HAUS-HEIM und STADT-DORF zu ermöglichen. Derartige bedeutungsnahe Begriffe können dazu beitragen, eine kulturspezifische Differenzierung abzuklären. Den Begriffen RATTE und FROSCH kann seinerseits ein starker Kontrast zu dem hochgeschätzten ADLER beigemessen werden. Um die Reaktionen auf abstrakte Begriffe untersuchen zu können, wurden 10 weitere Begriffe in die Liste der Stimuli aufgenommen: die fünf Wortspaare Wut/ colere, Krankheit/ maladie, Gesundheit/ sante, Bequemlichkeit/ confort und Sorge/ trouble von der Kent- Rosanoff-Liste und die Wörter Frieden, Stolz, Glück, Eifersucht und Freiheit mit ihren französischen Entsprechungen paix, fierte, bonheur, Jalousie und liberte. 6 Bei der Auswertung der Reaktionen entsteht durch die freien Nennungsmöglichkeiten naturgemäß eine größere grammatische und lexikalische Variation. Die Gruppierung lexikalisch verwandter Reaktionen folgt daher in der vorliegenden Untersuchung dem 6 20 der 30 Begriffe der französischen Liste wurden dabei in einem unabhängigen Experiment von VIKIS- FREIBERG (1976) auf einer 7beziehungsweise 9-Punkte Skala durch Versuchspersonen als konkrete beziehungsweise abstrakte Begriffe klassifiziert. Für die neu hinzugekommenen konnte eine solche Validierung leider nicht vorgenommen werden. FLulL 3 5 (2006) 236 Jörg Roche, Melody Roussy-Parent Verfahren von DORN (1998: 80): die unterschiedlichen Flexionen, die Komposita und die unterschiedlichen grammatischen Kategorien werden auf eine Grundform zurückgeführt und als jeweils ein Eintrag gewertet. Das Nomen Seide und das dazu gehörige Adjektiv seidig werden somit zum Beispiel als gleichwertige Reaktionen gewertet. Bei der Darstellung der frankokanadischen Reaktionen werden die deutschen Hilfsübersetzungen jeweils in Klammem angegeben. Um den Grad der Übereinstimmung zwischen den deutschen und frankokanadischen Reaktionen zu prüfen, wurde nach dem Verfahren von RoSENZWEIG (1964) vorgegangen. Mit diesem Verfahren wird jeweils die prozentuale Häufigkeit einer bestimmten Reaktion auf einen bestimmten Stimulus für beide Sprachen ermittelt. Der geringste Prozentsatz der beiden Ergebnisse, das heißt der kleinste gemeinsame Nenner, stellt jeweils die gemeinsame Schnittmenge als prozentuale Übereinstimmung dar. Das bedeutet also, wenn bei dem Stimulus kalt 16% der Deutschen Winter und bei dem Stimulus froid 45% der Frankokanadier mit der entsprechenden Reaktion hiver geantwortet haben, dann beträgt die prozentuale Übereinstimmung 16% (Übereinstimmungswert: 0,16). Auf diese Weise können alle Reaktionen auf einen Stimulus überprüft und zu einer Gesamtsumme addiert werden. 4. Ergebnisse und Interpretation Aus der Befragung ergibt sich eine Reihe von Ergebnissen, die im Folgenden dargestellt werden sollen. In Tabelle 1 und 2 sind die (quantitativen) Übereinstimmungswerte von allen deutschen und frankokanadischen Begriffen dargestellt. Sie ergeben ein allgemeines Bild kulturspezifischer Divergenzen, wobei sich bei den drei untersuchten Kategorien tendenzielle Unterschiede zeigen. Diese lassen sich in dieser explorativen Studie aber nur schwer verallgemeinern. In den darauf folgenden Tabellen werden die Übereinstimmungswerte der Abstrakta im Einzelnen aufgeführt. Hieraus ergibt sich ein Bild der qualitativen Differenzen der Begriffsfelder und es eröffnen sich Einblicke in kulturspezifische Strategien der Begriffserschließung und Vemetzung. 7 7 Zur Notation. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden Konzepte durchweg in Großbuchstaben geschrieben. Der Begriff STOLZ soll zum Beispiel nicht als das deutsche Wort Stolz beziehungsweise das französische Wort fierte, sondern als das Bezeichnete, das heißt der Begriff, verstanden werden. Wörter als Syrnbolzeichen werden kursiv geschrieben werden (siehe DORN 1998). Bei etymologischen Erklärungen werden indogermanische Wörter auch kursiv geschrieben und die deutsche Entsprechung steht in einfachen Anführungszeichen. Hierbei weist das Symbol , *' daraufhin, dass das Wort nicht belegt, sondern rekonstruiert ist. Die fett gedruckten Reaktionen markieren Übereinstillllllungen in beiden Sprachen. lFLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 237 Adjektive kalt/ froid 0,54 bitt: er/ amere 0,22 sauer/ acide 0,34 süß/ sucre 0,2 sanft/ doux 0,2 laut/ bruyant 0,26 weicb/ mou 0,25 hart/ dur 0,45 schwer/ lourd 0,24 Konkreta Stadt/ ville 0,2 Dorf/ village 0,24 Käse/ fromage 0,28 Kind/ enfant 0,32 Mond/ lune 0,5 Ad! er/ aigle 0,44 Ratt: e/ rat 0,37 Froscb/ grenouille 0,42 Haus/ maison 0,32 Heim/ foyer 0,12 Partner/ partenaire 0,3 Abstrakta Gesundheit/ sante 0,36 Krankheit/ maladie 0,36 Wut/ colere 0,32 Sorge/ trouble 0,1 Bequemlichkeit/ confort 0,24 Frieden/ paix 0,45 Stolz/ fierte 0,14 Glück/ bonheur 0,24 Eifersucht/ Jalousie 0,28 Freiheit/ liberte 0,24 Mittelwert 0,298 Median 0,28 Tabelle 1: Übereinstimmungswerte zwischen den deutschen und frankokanadischen Gruppen Mittelwert Median Tabelle 2: Die mittleren Übereinstimmungskoeffizienten der Adjektive, Konkreta und Abstrakta FLuL 35 (2006) 238 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent Der niedrige Median der Übereinstimmungskoeffizienten von 0,28 zeigt deutlich, dass Deutsche und Frankokanadier weit auseinander liegende Vorstellungen von den untersuchten Begriffen haben. Die Stimuli, die in der vorliegenden Untersuchung die niedrigsten Übereinstimmungswerte erlangt haben, sind die Abstrakta Sorge/ trouble mit 0, 10 und Stolz/ fierte mit 0,14 und das Konkretum Heim/ Foyer mit 0,12, das allerdings im Deutschen eine stärker abstrakte Komponente enthält als im Frankokanadischen. Wie Tabelle 2 zeigt, stimmen die Assoziationen der abstrakten Begriffe (Mittelwerte) im Vergleich mit denen der Konkreta insgesamt am wenigsten überein. Zwischen den Korrelationen der Adjektive mit 0,25 und der Abstrakta mit 0,26 besteht allerdings kein signifikanter Unterschied. MÜLLER-JACQUIER (1992: 138) und MÜLLER (1994: 16) schließen aus ähnlichen Beobachtungen, dass Adjektive wie Abstrakta zu behandeln sind. 4.1 Qualitative Differenzen Reaktion (Erstnennung) Anzahl Reaktion Angst 7 eau (Wasser) Falten 7 probleme (Problem) Kind/ er 6 double (doppelt) Zukunft 4 apprentissage (Lernfähigkeit) Problem 3 difficile (schwierig) Kummer 3 vue/ vision (Sicht/ Sehvermögen) Arbeit, Besorgnis, Dunkelheit, je 1 anxiete, auditif, brouille, cardiaque, Familie, Geld, Gesundheit, grau, Not, chicane, comportement, confusion, sans-soucis, schlimm, Schmerz, correction, desagrement, embrouille, Seele, Stirnrunzeln, Tasche, traurig, espiegle, fatigue, fete, flou, guerre, ungewiss, unnötig, Unsicherheit, homme, jeu, mecanique, memoire, Versicherung, viele, Wehmut psychologique, solution, temps, tracas, tranquilite, yeux Tabelle 3: Anzahl der Reaktionen (Erstnennungen) auf den Begriff SORGE bei den Deutschen und Frankokanadiem Anzahl 11 6 3 2 2 2 je 1 Obwohl Sorge in vielen Fällen im Frankokanadischen mit dem vom englischen entlehnten Wort trouble, das den Zustand von Kummer, Sorge und Unannehmlichkeit definiert (DIONNE 1974: 651, DUGAS/ SOUCY 1991: 21), übersetzt werden kann, zeigt das Experiment eine Unstimmigkeit in den assoziativen Verknüpfungen. In den meisten Fällen reagieren die frankokanadischen Versuchspersonen mit Nennungen von Anomalien, vor allem Verknüpfungen zu physiologischen Eigenschaften wie vue (Sicht), auditif(auditiv), cardiaque (Herz), apprentissage (Lernfähigkeit), memoire (Gedächtnis), comportement (Verhalten), psychologique (psychologisch). Doch sind auch Ausdrücke der Besorgnis wie anxiete (Angst), probleme (Problem) und tracas (Sorgen) und der Auseinandersetzung wie chicane (Schikane), guerre (Krieg) undfete (Fest) in geringer Zahl vorhanden. JFLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 239 Die deutschen Versuchspersonen beschränken sich ihrerseits auf Begriffe, die Besorgnis ausdrücken, wie Angst, Falten, Stirnrunzeln, und auf wichtige Lebensbereiche, die mit Sorgen in Verbindung stehen können, wie Zukunft, Kinder, Geld und Arbeit. Reaktion Anzahl Reaktion Anzahl Liebe 5 joie (Freude) 7 Lotto 5 amour (Liebe) 6 Pech 4 amitie (Freundschaft) 4 Zufriedenheit 4 liberte (Freiheit) 4 Gefühl 2 sourire (Lächeln) 3 Familie 2 vie/ vivre (Leben/ leben) 2 Frieden 2 famille (Familie) 2 Partner/ Partnerschaft 2 sante (Gesundheit) 2 danken dafür, Erfüllung, Freude, je 1 bien-etre, bonte, calme, chum, je 1 Fröhlichkeit, Geborgenheit, Geld, conjointe, couple, etemel, heureux, genießen, Gesundheit, Haus, Herz, ideal, malheur, maternite, Nadine, Hoffnung, Hufeisen, Kleeblatt, Muß, plaisir, quotidien, reussite, rire, sexe, mein Onkel, Pilz, schön, selten, Sex, ski, soleil, vin Sonne, Unglück, vergänglich, vollkommen, Wohlstand, zurück Tabelle 4: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff GLÜCK bei den Deutschen und Frankokanadiem Die Vorstellungen der Stimuli Sorge/ trouble (0,10), Stolz/ fierte (0,14), Glück/ bonheur (0,24), Bequemlichkeit/ confort (0,24) unterscheiden sich mehr als der Durchschnitt. Während Glück den Aspekt der Chance mit einbezieht, beschränkt sich bonheur auf den Zustand der Freude. Hinter dem Konzept von Stolz versteckt sich im Gegensatz zu fierte eine negative Einstellung. Reaktion Anzahl Reaktion Anzahl faul/ Faulheit 18 maison (Haus) 11 Couch 8 chaleur (Wärme) 6 Sofa 7 douilette (Bettdecke) 5 Sessel 3 divan (Couch) 5 Ruhe 2 fauteuil (Sessel) 4 gemütlich 2 sofa (Sofa) 3 Bett, Essen, Fernseher, geht einfach, je 1 foyer (Heim, Haus, Herd, Haushalt) 2 Komfort, Lethargie, schön, Sport, Toleranz, Unflexibel, Wo? hötel (Hotel) 2 lFLulL 35 (2006) 240 Jörg Roche, Melody Roussy-Parent salon (Wohnzimmer) agreable, argent, chalet, laz-y-boy, lit, luxe, nature, pantoufle, pyjama, relaxation, siege Tabelle 5: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff BEQUEMLICHKEIT bei den Deutschen und Frankokanadiem 2 je 1 Abgesehen von den gemeinsamen Reaktionen Sessellfauteuil, Couch/ divan Sofa/ sofa und Bett/ fit verbindet mehr als ein Drittel der Deutschen Bequemlichkeit mit Faulheit. Diese Assoziation ist bei der frankokanadischen Teilentsprechung confort nicht zu finden. Außerdem gibt es bei den Frankokanadiem keine begriffliche Abgrenzung zwischen Bequemlichkeit und Gemütlichkeit, wie das im Deutschen der Fall ist. Deswegen werden Reaktionen wie maison (Haus), chaleur (Wärme), douillette (Bettdecke) und foyer (Herd/ Heim) assoziiert. Reaktion Anzahl Anzahl Reaktion wichtig 5 8 bonne (gut) Krankheit 5 maladie (Krankheit) Schnupfen 3 alimentation (Lebensmittel) Glück 3 vie (Leben) Erkältung 2 bonheur (Glück) ffi 2 creur (Herz) Fitneßstudio 2 2 de fer (eisern) gut 2 2 forme (Körperform, fit) Medizin Reform Apotheke, Arzt, dankbar sein, Familie, Fanatiker, Fieber, Gemüse, Geschenk, Grundvoraussetzung, laufen, Muskeln, schnell, selten, Sport, toll, Unbeschwertheit, Vitalität, Vitamine, wertvoll, wohl fühlen 2 2 je 1 mal (Schrnerz) marcher (gehen) medecin (Arzt) angoisse, bebe, bien-etre, course, je 1 docteur, energie, grippe, important, joie, mauvais, medicament, mentale, orange, precieu: x, probleme, produit naturel, sang, soleil, sport, systeme, vaccination Tabelle 6: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff GESUNDHEIT bei den Deutschen und Frankokanadiem JFJLµL 35 (4006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation Reaktion Krankenhaus Leid Gesundheit Bett schlimm Schmerz Tod Alter Fieber Grippe schlecht Arzt, blöd, Diabetes, düster, Erkältung, Genesung, Hitze, Husten, Krebs, gehört zum Leben, Medizin, Schnupfen, Schwäche, schweres Los, schwierig, Sorge, unangenehm, Unfall Anzahl 5 5 3 3 3 3 3 2 2 2 2 je 1 Reaktion cancer (Krebs) höpital (Krankenhaus) sante (Gesundheit) tristesse (Traurigkeit) creur (Herz) lit (Bett) medicament (Medizin) mentale (geistig) mort (Tod) sida (Aids) agonie, chronique, combat, congenitale, fibrose, grave, medecin, misere, peine, retablissement, soin, souffrance, sournois, terminale, terrible, vasculaire, vieillesse, vitamine Tabelle 7: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff KRANKHEIT bei den Deutschen und Frankokanadiern 241 Anzahl 9 4 4 4 2 2 2 2 2 2 je 1 Schließlich zeigen die Vorstellungen der Stimuli Gesundheit/ sante (0,36) und Krankheit/ maladie (0,36) eine überdurchschnittliche Übereinstimmung. Die häufigsten Reaktionen auf den Begriff GESUNDHEIT sind gut/ banne, Krankheit/ maladie und Glück/ bonheur. Jedoch empfinden 9 Deutsche und nur 2 Frankokanadier Gesundheit/ sante als wichtig und wertvoll. In Bezug auf den BegriffKRANKHEIT verbinden viele Frankokanadier maladie mit ernsten Krankheiten wie cancer (Krebs), coeur (Herz), agonie (Agonie) und sida (Aids). Im Gegensatz dazu reagieren die Deutschen mit Wörtern des Unwohlseins wie Leid, Schmerz, Fieber, schlecht, usw. 4.2 Metaphorische Prozesse Reaktion Anzahl Reaktion Anzahl Rot 11 rouge (rot) 13 Zorn 7 noir (schwarz) 5 Ärger 5 fache (böse, sauer) 3 JFLuL 35 (2006) 242 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent Haß 5 rage (Tollwut) 3 Anfall 2 frustration (Frustration) 2 Angst 2 Sauer 2 Böse 2 Bank, entbrannt, enttäuscht, je 1 agressif, amere, anxieux, bleue, chicane, je 1 Explosion, hilflos, kalt, combat, cri, defoulement, enervement, Magenkrämpfe, Ohmnacht, fort, fou, furie, ire, malaise, mauvais, Schmerz, Schrei, Unbeherrschtheit, misere, paix, panique, peter les plombs, vermeiden, weinen, Wutausbruch, rancceur, regret, separation, sourcil, zerstören tonnerre, volcan Tabelle 8: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff WUT bei den Deutschen und Frankokanadiem Dass bei der Aktivierung abstrakter Begriffe metaphorische Prozesse beteiligt sind, lässt sich am Beispiel des Begriffes WUT veranschaulichen. Beide Gruppen nennen an erster Stelle mit einer deutlichen Gewichtung von 25% die Farbe rotlrouge. Mit Lakoff lässt sich diese semantische Reaktion durch die metaphorischen Prozesse des Verkörpems (LAKOFF 1987: 206) erklären. Der menschliche Körper wird als Container betrachtet, dessen biologische Reaktionen auf andere Konzepte übertragen werden. Bei einem verärgerten Menschen werden demnach Merkmale wie ein errötetes Gesicht und ein steigender Blutdruck als Bildspender verwendet. Dementsprechend sind Ausdrücke wie je suis rouge de colere oder er sieht rot entstanden. Darüber hinaus erscheint bei den Frankokanadiem als weitere wichtige Farbe noir (schwarz). Auch sie markiert einen Zustand WUT. Diese Assoziation lässt sich ebenfalls auf körperliche Ursachen zurückführen. In einem wütenden Zustand verliert der Mensch die Vemunft und die Klarheit. Es ergibt sich eine ,dunkle Seite'. Zu den weiteren metaphorischen Assoziationen gehören auch Explosion und Ausbruch, die den französischen Bildspendern volcan (Vulkan) und tonnerre (Donner) ähneln. Sie drücken sich auch in metaphorischen Assoziationen wie entbrennen und peter ! es plombs (explodieren) aus. Reaktion Anzahl Reaktion Anzahl Taube 13 amour (Liebe) 6 Krieg 8 guerre (Krieg) 6 Ruhe 5 monde (Welt) 6 Hoffnung 3 colombe (Taube) 5 weiß 3 blanc (weiß) 4 auf Erden 2 Noel (Weihnachten) 3 Freiheit 2 tranquilite (Ruhe) 3 serenite (Heiterkeit) 2 JFLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 243 terre (Erde) 2 brauchen wir, Demonstration, je 1 beaute, bonheur, honte, doux, Gandi, je 1 Freude, Friede,Freude,Eierkuchen, indien, interieure, joie, Friedensengel, Kirche, leben, Nations-Unies, religion, romaine, Seelenruhe, Sehnsucht, selten, souhait, un jour peut-etre, vie schön, stiftend, Stille, Utopie, verzeihen Tabelle 9: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff FRIEDEN bei den Deutschen und Frankokanadiem Die positive Empfindung des FRIEDENS wird von beiden Versuchsgruppen mit der hellen Farbe weiss/ blanc assoziiert. Bei den frankokanadischen Versuchspersonen findet dabei eine vereinfachte Assoziation von WUT mit SCHWARZ und FRIEDEN mit WEISS statt. Bei beiden Gruppen erscheint zudem der metaphorische Begriff Taube/ colombe als Symbol des FRIEDENS. Die frankokanadischen Versuchspersonen nennen darüber hinaus auch den metaphorischen Begriff Noel (Weihnachten). Reaktion Anzahl Liebe 5 Neid 4 gelb 3 Mord 3 schlimm 3 Ärger 2 Frau 2 unnötig 2 Angst, beleidigt, Beziehung, blöd, je 1 Drama, Empfindung, fremdgehen, Gier, grämen, Haß, kaputt, krank, Kurzschluß, mangelndes Vertrauen, nervend, Partnerschaft, rot, schlechtes Gefühl, Selbsbeherrschung versagt, Stich, Szene, Tod, Traurigkeit, Unsicherheit, Wut, zerstörend, Zorn Reaktion Anzahl amour (Liebe) 7 couple (Paar) 4 femme (Frau) 4 ami (Freund) 2 defaut (schlechte Eigenschaft) 2 fille (Mädchen) 2 malsain (ungesund) 2 peine (Kummer) 2 vert (grün) 2 agressivite, amere, bleu, c'est fatigant, je 1 chanson, confiance, conflit, desolation, detester, ennemi, envie, homme, inquietude, insecurite, inutile, mal, mefiant, mesquin, probleme, rancune, trahison, tristesse, tromperie, trop c'est comme pas assez Tabelle 10: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff EIFERSUCHT bei den Deutschen und Frankokanadiem Bei dem Begriff EIFERSUCHT wird eine kulturspezifische Präferenz für Farbmetaphorik deutlich. Während die deutschen Versuchspersonen gelb und rot assoziieren, nennen die frankokanadischen Versuchspersonen bevorzugt vert (grün) und blau. FLulL 35 (2006) 244 Jörg Roche, Melody Roussy-Parent Reaktion Anzahl Reaktion Anzahl Gefängnis 5 expression (Meinungsäußerung) 5 Statue 4 voyage (Reise) 3 grenzenlos 3 air (Luft) 2 Weite 3 bonheur (Glück) 2 Frieden 2 cheval (Pferd) 2 Luft 2 choix (Wahl) 2 Münchener Freiheit 2 cinquante-cinq (55) 2 Reisen 2 democratie (Demokratie) 2 schön 2 fleuve (Strom) 2 Urlaub 2 fraternite (Brüderlichkeit) 2 wichtig 2 statue (Statue) 2 Berge, Betrug, Brüderlichkeit, je 1 auto, cage, celibataire, conditionnelle, je 1 Fahne, Feigheit, fliegen, conge, dans mon coeur, defendre, faire französische Revolution, Gleichheit, ce que je veux, finalement, Gut, Heimat, Knast, kostbar, Liebe, humanitaire, independance, n'est pas Natur, Unabhängigkeit, une marque de yaourt, oiseau paix, Uneingeschränktheit, Vogel, paranofaque, patrie, Quebec, radio, wegfahren, wertvoll, Wind, Wunsch, region, respiration, revolution, s'arrete Zeit ou commence celle de l'autre, servitude, totale, ville Tabelle 11: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff FREIHEIT bei den Deutschen und Frankokanadiem Reaktion Anzahl aufrecht/ erhoben 7 Arroganz 4 Hochmut 3 Nase hoch tragen 3 ich 2 Neid 2 verletzbar/ verletzt 2 angenehm/ gut, Arbeit, Bayern, je 1 demütig, Denkmal, Dummheit, Eifer, Eigenschaft, Freude, Gefühl, hart, Holz, Italiener, Kind, Leistung, Mann mit Zylinder, Nation, nicht immer gut, Patriotismus, Pfau, Rosen, Schwan, selbstbewußt, suerte, übel, Überzeugung, unnahbar, unsympathisch Reaktion Anzahl gai (schwul) 11 travail (Arbeit) 6 reussite (Erfolg) 4 accomplissement (Leistung) 3 content de soi (Selbstzufriedenheit) 2 estime (Hochachtung, Wertschätzung) 2 orgueil (negativer Stolz) 2 patriotisme (Patriotismus) 2 assurance, bonheur, carriere, depassement, drapeau, enfants, grande, hautain, maitrise, masculin, monument, nation, panache, parents, patron, Quebecois, rouge, rej ouissance, terre je 1 Tabelle 12: Anzahl der Reaktionen auf den Begriff STOLZ bei den Deutschen und Frankokanadiem JFLulL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 245 Assoziationen mit Tiermetaphern finden sich bei den Reaktionen auf die Begriffe FREI- HEIT und STOLZ. Der Schwan und der Pfau repräsentieren durch ihr erhobenes Haupt und durch ihr Selbstbewusstsein ein Gefühl, das die deutschen Versuchspersonen mit STOLZ assoziieren. Anders interpretieren die frankokanadischen Versuchspersonen diesen Begriff: monument (Denkmal) und drapeau (Fahne) stehen für Erfolg, Leistung und Patriotismus. Mit FREIHEIT assoziieren beide Gruppen Tiere in der freien Wildbahn. Die Reaktionen schließen dementsprechend auch Vogel/ oiseau und cheval (Pferd) mit ein. Auch geographische Metaphern spielen im Konzept von FREIHEIT eine wichtige Rolle. Die deutschen Berge als Gegensatz zum kanadischen fleuve (Fluss/ Strom) belegen dabei eine kulturspezifische Ausprägung, die sich leicht auf geographische Gegebenheiten in der Umgebung der Versuchspersonen zurückführen lassen. Schließlich gibt es in beiden Gruppen eine symbolische Verbindung zur Freiheitsstatue. 4.3 Reaktionsvarianz Nach Cramer (1968) kann die Messung der Varianz der Reaktionen mittels eines distributiven Wertes erfolgen. Die Distribution a gibt das Verhältnis der Anzahl der genannten Reaktionswörter zu der Gesamtzahl der Nennungen an. Je größer der Wert ist, desto disparater sind die Antworten. In Graphik 1 sind die Distributionswerte für alle drei Kategorien von Begriffen der Wortliste zusammengestellt. Dabei ist ersichtlich, dass die abstrakten Begriffe in beiden Sprachen eine höhere Distribution besitzen als die konkreten Begriffe. Distribution der Reaktionen 0,8 0,6 0,4 -+-Deutsch --II- Frankokanadisch 0,2 0 Adjektive Konkreta Abstrakta Summe Graphik 1: Die mittleren Distributionskoeffizienten der Adjektive, Konkreta und Abstrakta im Deutschen und im Frankokanadischen Begriffe wie EIFERSUCHT (a=0,69), STOLZ (a=0,67) und FREIHEIT (a=0,65) illustrieren beispielhaft, wie hoch Abstrakta verdichtet sind. JFLuL 35 (2006) 246 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent Auffällig ist zudem, dass die Reaktionen der deutschen Versuchspersonen auf Adjektive einheitlicher oder stereotypisierter (a=0,39) ausfallen als die der frankokanadischen Gruppe (a=0,55). Während die Frankokanadier mit einer Vielfalt von Prototypen, die mit der Eigenschaft verbunden sind, reagieren, antworten die deutschen Versuchspersonen mit Antonymen. Ein Viertel aller Reaktionen der deutschen Versuchsgruppe bestehen nämlich aus antonymen Nennungen. Bei den Frankokanadiern sind diese dagegen nur bei den Stimuli sucre, mou und dur zu beobachten. Die frankokanadischen Versuchspersonen tendieren eher zur Verwendung von Prototypen, die die Abgrenzung eines Konzepts markieren sollen (vgl. RoscH [et al.] 1976). 5. Diskussion und Bezug zum Fremdsprachenunterricht Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen vor allem die großen qualitativen Unterschiede zwischen den frankokanadischen und den deutschen Begriffsfeldern. Die Studie bestätigt damit die Ergebnisse früherer Untersuchungen zu kulturellen, altersbedingten und sozialen Differenzen. Auch wenn die Medianwerte eine gewisse Differenz von Abstrakta und Adjektiven auf der einen und Konkreta auf der anderen Seite zeigen, so lässt sich die starke Hypothese, nach der sich Abstrakta gravierend anders verhalten als Konkreta, nicht bestätigen. Die hohe Standardvariation in den einzelnen Begriffsfeldern lässt die uneingeschränkte Bestätigung einer solchen Hypothese nicht zu. Um genauere Aussagen machen zu können, müsste gegebenenfalls der Abstraktheits- und Konkretheitsgrad der Begriffe im Einzelnen und in der Einschätzung bei den betroffenen Versuchspersonen ermittelt werden. Das konnte in der vorliegenden explorativen Untersuchung nicht geleistet werden. Die Reaktionen der Versuchspersonen in beiden Sprachen zeigen aber eine beträchtliche Tendenz von Konkretisierungsversuchen bei abstrakten Begriffen, die auf Prozesse der Metaphorisierung hinweisen. Diese Metaphorisierungsprozesse bei Abstrakta lassen sich in beiden Sprachen gleichermaßen beobachten, sind aber kulturspezifisch jeweils anders ausgeprägt. Die höhere Distribution der Reaktionen auf Abstrakta deutet auf einen verdichteten Informationsinhalt hin. Bei der Aktivierung eines konkreten Begriffes entstehen im Sinne von PAIVIO (1966) ein bestimmtes Bild oder ein Prototyp, die sich mit Eigenschafts-, Beziehungs- und Verhaltensmerkmalen beschreiben lassen. Konkrete Begriffe wie KALT, MOND, HART und ADLER werden so aufgrund ihrer klaren Vorstellung mit vergleichsweise einheitlichen Reaktionen verbunden und benötigen keine Verknüpfungen zu abstrakten Einheiten. Hingegen erfordert die Aktivierung von abstrakten Begriffen die Vermittlung über verbale Elemente. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen für die Vermittlung und den Erwerb von Fremdsprachen: 1. Die stark unterschiedliche Ausprägung der Begriffsfelder in unterschiedlichen Sprachen bei alltagssprachlichen, konkreten und häufig verwendeten Begriffen deutet an, wie weit die semantischen Systeme von Sprachen voneinander entfernt sind. Auch bei der Gegenüberstellung nahe verwandter Sprachen wie dem Französischen und dem JFLuL 35 (2006) Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation 247 Frankokanandischen, die sich unter anderem aus einem Vergleich mit den frühen Untersuchungen von LAMBERTIMOORE (1966) ergibt, haben sich bereits größte Differenzen in der Ausprägung semantischer Felder gezeigt. 2. Für den Fremdsprachenunterricht allgemein und den Französischunterricht im Besonderen ergibt sich daraus die Forderung nach einer stärker differenzierten Behandlung sprachlicher und kulturell-landeskundlicher Varietäten (etwa der Frankophonie im Französischunterricht). Insbesondere die Konzepte der Abstrakta zeigen deutliche kulturspezifische Ausprägungen. Das wurde unter anderem an den Abstrakta Stolz, Glück, Sorge, Bequemlichkeit und Freiheit illustriert. Eine Nicht-Beachtung dieser Differenzen kann zu gravierenden Problemen in interkultureller Kommunikation führen. 3. Die aufgezeigten Differenzen bei weit verbreiteten Begriffen, die Entsprechungen in vielen Sprachen haben, werfen die Frage auf, inwieweit es sich mit allgemeinen Konzepten von Begriffen in der Sprachvermittlung arbeiten lässt. Dies gilt besonders für Lehrprogramme des Tertiärsprachenerwerbs, die etwa Englisch als erste Bezugsfremdsprache für Deutsch oder Französisch als zweite sehen "Deutsch nach Englisch"). Die Frage der Eignung dürfte sich jedoch bei standardisierten Internationalismen weniger stellen, wie sie etwa mit dem Eurolatein oder romanischen Universalbegriffen in romanischen Sprachen verbreitet sind (siehe MEißNERIBURK 2001). Von völliger Identität dieser Begriffsfelder in allen Sprachen ist jedoch auch nicht auszugehen. 4. Die gängigen Unterrichtsverfahren zur Einführung und Memorierung von Wortschatz über denotative Paarassoziationen scheinen angesichts der Vielfalt der Wortfelder nur sehr bedingt geeignet. Eher ist davon auszugehen, dass mit verkürzten Wortgleichungen wesentliche Elemente von Begriffsfeldern übersehen werden. Dadurch kann es zu einer gravierenden Belastung interkultureller Kommunikation kommen. Das wirkt sich durchaus bereits in der Grundstufe aus. 5. Im Fremdsprachenunterricht sollte für die deutlichen semantischen Differenzen auch bei „unscheinbaren" Begriffen mit geeigneten Verfahren sensibilisiert werden. Dies kann grundsätzlich mit Assoziogrammen und kontrastiven Fallbeispielen geschehen. Graphisch gut darstellen lassen sich die Differenzen in Diagrammen (Semantographen). Semantische Differentiale bieten sich daher als Instrument der Sensibilisierung, Bewusstmachung und Erklärung konzeptueller Unterschiede von Verstehenssystemen an. 6. Metaphorisierungsprozesse sind gerade bei der Vermittlung von abstraktem Wortschatz ein geeignetes Mittel. Diese können auch durch visuelles Material unterstützt werden, wobei jedoch zu beachten ist, dass auch die visuelle Wahrnehmung kulturspezifischen Einflüssen (Wahrnehmungsmustern etc.) unterliegt (siehe ROCHE 2001a). 8 Visuelle Information trägt jedoch nicht immer auch zu einer Erleichterung der Verarbeitung und des Lernens bei. RocHE/ ScHELLER (2004) zeigen dies anhand einer Untersuchung von Grammatikanimationen. lFLuL 35 (2006) 248 Jörg Rache, Melody Roussy-Parent 7. Das Verfahren der kontrastiven Assoziation scheint ein geeignetes Mittel zur Vorbereitung und Entlastung von jeder Art interkultureller Kommunikation. 8. Dabei erweist sich die relative Bestimmung semantischer Felder effizienter als die verbreitete Einstufung nationaler Kulturen anhand profilbildender Kriterien wie im Interkulturellen Training üblich. Diese entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als stereotype Charakterisierung mittels ethnozentrischer Merkmale der Kultur des Betrachters. Diese folgenschweren Vor-Urteile über fremde Kulturen, die sich wegen ihrer Zirkularität immer nur bestätigen können, vermeidet das Assoziationsverfahren. Damit zeigt sich, dass der Einsatz von Wortassoziationsverfahren im Fremdsprachenunterricht insgesamt ein lohnenswerter Ansatz für die interkulturelle Sensibilisierung der Lerner ist. Gleichzeitig ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer weiteren (intensivierten) Erforschung des Erwerbs des mentalen bilingualen Lexikons. Hieraus ließen sich komplexere und effiziente Lehr- und Lernverfahren entwickeln, die günstigenfalls durch dynamische mediale Anwendungen etwa im Sinne eines bilingualen visuellen Thesaurus unterstützt werden können. Hier wird sich also in absehbarer Zeit viel der spannendsten Forschung und Entwicklung im Bereich des Sprachenlernens und Sprachenlehrens abspielen. Literatur BEHAL-THOMPSON, Heike [et al.J (1994): Typisch Deutsch? München: Langenscheidt. 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VIKIS-FREIBERG, Vaira (1976): "Abstractness and emotionality values for 398 French words ". In: Canadian Journal of Psychology 30, 22-30. lFLuL 35 (2006) Laurenz VOLKMANN * Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens Abstract. The present paper examines the uses of politeness and conversation routines in cross-cultural communication. lt explains how instruction in these routines would have to take place within the wider framework of concepts of communicative, intercultural and transcultural learning. Perceiving language and culture as inextricably interconnected, the author describes how pragmalinguistic approaches can be related to positions emphasizing culture-oriented approaches to EFL teaching. This paper shows that theories Oll the importance of politeness in conversation (LAKOFF, LEECH, BROWN/ LEVINSON, GOFFMAN' etc.) which claim tobe universally applicable are, on closer scrutiny, ofvarying significance in specific cultures. In particular, it is argued that German native speakers need to be exposed to and leam verbal routines in English to avoid pragmatic blunders. An array of important politeness strategies for communicative situations in English is delineated; in addition, cognitive as weil as affective methods for teaching them are described. 1. Interpersonale Kommunikation und interkulturelle Kompetenz Bekanntlich mangelt es „den Deutschen" aus der Perspektive angelsächsischer Betrachter trotz vielfach konstatierter „Fortschritte" in den Bereichen von Demokratiedenken, Toleranz und Flexibilität nach wie vor an zwei für den zwischenmenschlichen Umgang essenziellen „Kulturtugenden": dem Humor und der Höflichkeit (vgl. GELFERT 1998; AREND-HERLYN 2001). Allerdings wirken auch in diesen Bereichen bereits Globalisierungstendenzen. Dies bezeugt zum einen die starke Popularität von britischen Fernseh- und Kinoproduktionen wie Mr. Bean oder Monthy Python, zum anderen die rege Nachfrage nach Comedyformaten im amerikanischen Stil (von der Late-Night-Show bis zur Slapstick-Comedy). Zudem lässt die Renaissance von Knigge-Handbüchern sowie die Verbreitung von Etikette-Regeln in Zeitungen und Zeitschriften ein weit verbreitetes Bedürfnis erkennen, in den Zeiten starker ökonomischer Unsicherheit sich jene soft skills anzueignen, welche noch vor wenigen Jahren als überflüssige Sekundärtugenden vernachlässigt oder sogar als gekünstelte und oberflächliche bourgeoise Zwangsroutinen ideologisch desavouiert wurden. 1 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Laurenz VOLKMANN, Univ.-Prof., Universität Jena, Institut für Anglistik/ Amerikanistik, Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 JENA. E-mail: 1.volk@uni-jena.de Arbeitsbereiche: Literatur- und Kulturdidaktik, Interkulturelles Lernen, Globalisierung und Fremdsprachenlernen. 1 So widmete sich die Titelgeschichte des Wochenmagazins Focus in einer kürzlichen Ausgabe (2/ 2006) dem Thema „Benimm und Stil: Die 99 wichtigsten Regeln" (vgl. SCHUBERT 2006). FLuL 35 (2006) 252 Laurenz Volkmann Insbesondere Höflichkeitsroutinen, wie sie generell in ungezwungenen Alltagsgesprächen und speziell im small talk zwischen sich erstmals treffenden englischsprachigen Kommunikationsteilnehmern auftreten, sind im Zuge der Ausbreitung von Konzepten des interkulturellen Lernens seit den 1980er, spätestens seit den 1990er Jahren auch als wichtiger Bestandteil des Lernziels interkulturelle Kompetenz verstanden worden. Verständlicherweise betonen gerade Vertreter der linguistischen Forschung, zumal mit empirischer und pragmalinguistischer Ausrichtung, die Notwendigkeit, interkulturelles Lernen vorrangig im sprachlichen Bereich zu fördern und Gesprächsroutinen zu vermitteln, welche eine flüssige und reibungslose Kommunikation ohne typisch deutsche faux pas oder gar Affronts im Gespräch mit Briten oder Amerikanern ermöglichen (HOUSE 1998). Zugleich, wenn auch teilweise ohne Bezug auf neuere linguistische Forschungen, liegt eine Reihe von verstreut publizierten unterrichtspraktischen Überlegungen und Vorschlägen zum Thema Kommunikationsstrategien im Englischunterricht vor (vgl. vor allem ARENDT 1996; BLUDAU 1975; BUBLITZ! WEBER 1986; HINZ 1990; MUGGLESTONE 1980; NASH 1976; SCHÄFER 1988; THIERING 1998), so dass eine Monografie bzw. ein Sammelband, welche(r) linguistische Strategien der Gesprächsführung im Englischen zu einem schlüssigen, vielfältig in der Praxis applizierbaren Modell zusammenführt, ein wirkliches Desideratum darstellt. Entsprechend strebt der vorliegende Beitrag es weniger an, neue Perspektiven zum Thema Konversationsroutinen zu entwickeln, als vielmehr in Auswahl darzulegen, wie vor allem in der Sprachwissenschaft verwurzelte Theoriemodelle zur (höflichen) Konversationsführung sich mit unterrichtspraktischen Überlegungen verknüpfen lassen. Dabei wird zunächst eine Zuordnung des Bereichs Konversationsroutinen zum neuen Vermittlungsparadigma des interkulturellen Lernens angestrebt. Im Anschluss sollen gängige Höflichkeitsregeln, wie sie unterschiedliche Anthropologen, Linguisten und auch Kommunikationsexperten erstellten, skizziert und diskutiert werden. Dann gilt es, schematisch einige prägnante Differenzen zwischen deutschem und· englischem Kommunikationsverhalten zu beschreiben und daraus Schlussfolgerungen für die unterrichtliche Praxis zu ziehen. Hierbei sei eine Auswahl der prägnantesten Konversationsstrategien für Gespräche in der Zielsprache Englisch vorgestellt, stichpunktartig und kontrastiv zum Deutschen. Im letzten Teil werden weiterhin Prinzipien, Methoden und Modelle der Vermittlung dieser Strategien skizziert. Im soziokulturellen historischen Rahmen ist die Forderung nach Gesprächskompetenz als Teil einer gesellschaftlichen Bedürfnislage zu verstehen. Sie ergibt sich aus einem "Paradigmenwechsel in der europäischen Gesellschaftsgestaltung" (MATTHES 1998: 227). Die nationalstaatlich geformten europäischen Gesellschaften der Neuzeit schufen sich ihre nationale Kollektivität vor allem durch Homogenisierungs- und Zugehörigkeitsdruck im Inneren und die Abgrenzung gegenüber anderen, fremden Nationen und Gemeinschaftsformen. Den dadurch entstandenen kollektiven Identitäten ging allerdings „ein Verständnis- und Regelwerk für die Koexistenz von Fremdem und Eigenem in räumlicher Mischung" (MATTHES 1998: 227) verloren. Mit der Auflösung der festen europäischen Nationalgesellschaften wenn sich kollektive Identitäten im Zuge der Globalisierung, Internationalisierung, Multikulturalität und allgemein rapide gesteigerten Mobilität ineinander schieben und vermischen tritt dieser Mangel an Vertrautheit mit FLuL 35 (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 253 dem Fremden in nächster Umgebung, diese Absenz eines eingespielten sozialen Regelwerks für den Umgang mit Alterität in der heutigen Zeit offen zu Tage. Die Fähigkeit, mit kulturellen Differenzen umgehen zu können und dabei den Anspruch auf Aneignung des Anderen zu verlieren, erscheint demgemäß geradezu ein „Überlebenserfordernis" (MATTHES 1998: 228) im Zeitalter des global village. So betonen einschlägige Publikationen zum interkulturellen Lernen ein übergeordnetes, ethisches Lernziel das der erhöhten Sensibilität gegenüber der Fremdkultur, die Entwicklung von Toleranz und Empathiefähigkeit sowie die Fähigkeit, die eigene kulturspezifische Perspektive relativieren zu können (vgl. etwa PAUELS 1993). Die Entwicklung interkultureller Kompetenz entspricht damit der Herausbildung vielfältiger allgemeiner sozialer Kompetenzen als Teil der tertiären Sozialisation und der „Persönlichkeitsentwicklung" des Menschen als soziales Wesen (DOYE 1992: 6). Hierzu gehört besonders die Aneignung von Kenntnissen in den eng miteinander verbundenen Bereichen von fremder Sprache und Kultur. Betrachten wir zunächst zwei unterschiedliche Ansätze hierzu im Bereich des interkulturellen Lernens: (1) den eher kulturwissenschaftlich oder landeskundlich ausgerichteten Ansatz sowie (2) die eher linguistisch-pragmatisch ausgerichtete Perspektive. Der kulturwissenschaftlich orientierte Ansatz (1) betont eher die Bedeutung kultureller Konnotationen: Soziokulturelle Normen und Werte liegen der Kommunikation zu Grunde und formen diese entscheidend. Im Unterricht gelte es entsprechend, eine breite Palette von zielkulturellen Themen exemplarisch zu behandeln, die sich von alltagskulturellen Phänomenen über institutionelle, geografische, historische bis zu (sozio-)kulturellen Themen einschließlich der vielschichtigen und vielfältigen Aspekte zielkultureller Mentalität(en) erstreckt (vgl. etwa PAUELS 1993: 346 f). Ein kompetenter Kommunikationsteilnehmer zeichnet sich durch entsprechende Kenntnisse in diesen Bereichen aus. Zunehmend stellt sich dabei allerdings die Frage, welche Kenntnisse von und Einsichten in andere Kulturen mit der Erweiterung des Focus von den angelsächsischen Kernländern (Großbritannien, USA) auf andere englischsprachige Länder (Australien, Südafrika etc.) sowie auf Kommunikationssituationen des lingua .franca-Gebrauchs des Englischen im Unterricht zum Tragen kommen sollen. Das pragmatischere, zuweilen rein funktionalistische Verständnis von Linguisten und Sprachpraktikern (2) versteht interkulturelle Kompetenz hingegen als praktische linguistische Fähigkeit, Probleme und Irritationen bei interpersonalem Austausch in der Fremdsprache zu vermeiden. Es geht dabei weniger um eine Assimilation an die andere Kultur als vielmehr um die „Beherrschung von Strategien zur Vermeidung und Reparatur von Mißverständnissen in der Kommunikation" (KNAPP! KNAPP-POTTHOFF 1990: 85). Dies legt den Schwerpunkt auf „kommunikative, fremdsprachliche und interaktive Fähigkeiten und bezieht zusätzlich den Prozesscharakter jeder interkulturellen Situation mit ein" (MÜLLER 1993: 72). Damit ist interkulturelle Kompetenz stark angelehnt an die „klassische" Definition des Begriffs kommunikative Kompetenz, die Dell Hymes als "appropriate use of language" beschrieb (zit. in K.lES- LING/ PAULSTON 2005: 289). Dennoch birgt ein rein auf die Vermittlung von sprachlichen Kommunikationsstrategien reduziertes Verständnis von interkulturellem Lernen die Gefahr in sich, als lediglich oberflächlich angelerntes Regelwerk der Kommunikation in der Praxis der Begegnung zu lFLulL 35 (2006) 254 Laurenz Volkmann versagen. Das fremdkulturelle "Alltagsleben in seinen ethnokulturellen Selbstverständlichkeiten" (O0MEN-WELKE 2004: 82) bleibt bei diesem Verständnis von Kommunikation fremd. Auch die Tatsache, dass selbst intensiver Kontakt mit einer fremden Kultur das Verhältnis eines Fremdsprachenlerners mit dieser keinesfalls verbessern muss (also die Widerlegung der „Kontakthypothese") bestärkt die Forderung nach einer gezielten Beschäftigung mit sprachlichen und kulturellen Mustern fremder Kulturen (vgl. AREND- HERLYN 2001: 43 f). Probleme und Missverständnisse der interkulturellen Kommunikation können nur in einem lebenslangen, im schulischen Unterricht angebahnten Prozess erkannt und immer wieder neu beseitigt werden, wenn Lernende aus egozentrischen Mustern ausbrechen, die vor allem aus dem Denken bestehen, dass alle anderen Menschen und Kulturen die eigenen Wahrnehmungs- und Denkschablonen teilen (vgl. THOMAS/ WAGNER 1999: 229). In diesem Sinne ist auch die Forderung nach stärkerer Betonung von language awareness und language learning awareness zu verstehen, also „sprachreflexive, metakommunikative und metaunterrichtliche Anteile verstärkt in den Unterricht einzubeziehen" (GNUTZMANN 2000: 32). Dass dabei kulturwissenschaftliche und linguistische Herangehensweisen nicht im Gegensatz zueinander stehen müssen, soll in der folgenden knappen, vermittelnden Beschreibung von drei unterschiedlichen Positionen zu diesem Verhältnis skizziert werden. ( 1) In einem programmatischen Aufsatz hat Juliane House die sprachlichen und sprachpraktischen Komponenten interkulturellen Lernens hervorgehoben und teilweise apodiktisch gegenüber philosophisch-idealisierten Vorstellungen von Kommunikation, dem unscharfen „affektiven" Lernziel der Toleranz und der Vernachlässigung praktischer sprachlicher Kompetenzen in deutschsprachigen Publikationen abgegrenzt (H0USE 1998: 63-64). Allerdings ist diese deutliche Positionierung der von House und anderen verfolgten „kontrastiven Pragmatik", also der kognitiven Aufdeckung von sprachlichen Gegensätzen in Alltagsäußerungen von Deutschen und Vertretern angelsächsischer Länder, dann weniger markant bei den zahlreichen praktischen Beispielen, welche House aufführt: Diese verdeutlichen zwar einerseits die Wichtigkeit von sprachlicher Instruktion und reflektierender Sprachbetrachtung, lassen aber andererseits stets erkennen, dass die unterschiedlich verwendeten sprachlichen Muster auf konträren, eben soziokulturell enkodierten Denkmustern beruhen. (2) Andere Positionen erkennen zwar einen deutlichen Zusammenhang, aber auch ein Hierarchieverhältnis zwischen der Vermittlung von sprachlicher Kompetenz und kulturellen Lernzielen. Im Grunde gehen sie nach wie vor von einer Dichotomie von Sprache und Kultur aus, wenn sie erklären, dass landeskundliches Lernen „immer eingebettet in das Primärziel der kommunikativen Kompetenz" sein sollte (CHEE 1997: 174). Zunehmend aber - und dies ist eine wichtige Erkenntnis der Ablösung von landeskundlichen durch kulturkundliche Konzepte wird die Verschränkung von Sprache mit unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten hervorgehoben. (3) Zwei grundlegende linguistische Studien zur Struktur von Alltagsgesprächen (HOBLER 1983; SCHULZE 1985) haben deutlich gemacht, wie auch in gesprochener Sprache gesellschaftliche Werte und Normen das Kommunikationsverhalten der Akteure entscheidend formen. Denn die soziokulturelle „Matrix" von Gesprächen wird nicht FLuL 35 (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 255 hinterfragt, sie ist gleichsam „naturalisiert". Bruce Fraser benutzt hierfür den Terminus des (ungeschriebenen) "conversational contract" (FRASER 1990: 233), der zwischen Kommunikationsteilnehmern besteht und auf einem breiten Fundament von gemeinsamen soziokulturellen Voraussetzungen beruht, die sich in Gesprächsroutinen, Themen, der Vermeidung von Themen etc. ausdrücken. Da der nicht-muttersprachliche Kommunikationsteilnehmer diesen Hintergrund nicht oder nur ansatzweise teilt, gilt es für ihn (oder für sie), Einblicke in diesen soziokulturellen Hintergrund zu erlangen, um als kommunikations- oder diskursfähig zu gelten. Kommunikationstheoretisch lassen sich solche Begegnungen demnach als das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturcodes verstehen, die sich in den verwendeten sprachlichen Äußerungen niederschlagen (vgl. beispielhaft THOMAS/ WAGNER 1999: 234). Diese kulturtheoretischeetwa semiotisch zu beschreibende - Sicht der engen Verbindung von sprachlichen Verwendungsformen und spezifischen Kulturemen oder Behavioremen ließe sich auch auf die meist eher kontrastiv und pragmalinguistisch ausgewerteten empirischen Studien zu interkulturellen Gesprächen (etwa zwischen Deutschen und Briten oder Amerikanern) übertragen. Dies belegen beispielsweise die Analysen von CASPER-HEHNE (1997: 75), denen zufolge das Gesprächsverhalten „von grundlegenden kulturellen Normen und Werten bestimmt" ist. Interkulturelles Lernen im Bereich der Gesprächskonventionen wird demnach über die Sprache und paraverbale oder nonverbale Kommunikationsmodi (wie Prosodie, Schweigen und Körpersprache) hinaus kulturelle Normensysteme mit einschließen müssen. 2. Höflichkeit als sprachliche Strategie beimface-work: Eine Universalie? Es sei an dieser Stelle auf eine gerade von linguistischer und sprachpraktischer Seite eindrucksvoll herausgearbeitete „Universalstrategie" für erfolgreichen (mündlichen) Sprachgebrauch eingegangen. Die Rede ist hier von der Vorstellung von Sprache als einem Instrument, dessen Wirksamkeit durch den Einsatz von Höflichkeit erheblich zu steigern ist. Die Forschung, die vor allem im angelsächsischen Raum einflussreiche wissenschaftliche Ergebnisse lieferte, welche im deutschsprachigen Gebiet aufgegriffen und teilweise unter besonderer Berücksichtigung deutscher Fremdsprachenlerner modifiziert wurden, hat dabei nahezu durchgehend Höflichkeitsroutinen und -strategien als Universalien beschrieben. Diese erscheinen sozusagen als überkulturell anwendbar. Die entwickelten Höflichkeitsregeln könnten in der Tat, wie bisweilen gefordert, für sich betrachtet zum festen Vermittlungsrepertoire des Englischunterrichts gehören. Dennoch ist bei den im Folgenden kurz referierten Basisregeln dreierlei zu beachten: (1) Wenn schon die Vorstellung, ein festes Regelwerk von (mündlichen) Höflichkeitsstrategien sei universell mit gleichen positiven Resultaten anwendbar, problematisch erscheint, so muss darüber hinaus festgestellt werden, dass derartige Regeln in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich häufig und intensiv mit unterschiedlichen Ergebnissen verwendet werden. Gerade die kontrastive Pragmalinguistik hat verstärkt herausgearbeitet, dass im Vergleich zur deutschen Gesellschaft angelsächsische Gesellschaften in weit stärkerem Maße von Höflichkeitsregeln geprägt sind. (2) Hierzu gehört auch, dass vor dem Hintergrund des lFJLu1 35 (2006) 256 Laurenz Volkmann philosophischen Idealismus, sozialromantischer Einflüsse und egalitärer und anti-elitärer Denkmuster in Deutschland die Vorstellung des instrumentellen, also „manipulativen" Verwendens von Sprache (außer in Situationen, die explizit rhetorische Fähigkeiten verlangen) deutschen Sprachbenutzern eher suspekt, künstlich und unehrlich erscheint. Weit verbreitete Vorurteile gegenüber dem scheinbar inhaltslosen und seichten small talk verkennen dabei etwa, dass Sprache nicht allein Informationen transportiert, sondern auch dazu dient, interpersonale Bindungen herzustellen, diese zu fördern und zu pflegen (vgl. VENTOLA 1979: 267). (3) Ebenso fremd erscheint deutschen Sprachbenutzern eines der Grundaxiome, auf denen die unterschiedlichen Höflichkeitskonzepte fußen: dass jede Sprechhandlung „prinzipiell als eine Grenzüberschreitung, ein Betreten des Freiraums oder Terrains des Adressaten aufgefasst werden kann" (BACH 1995: 195). Für die Höflichkeitsforschung stellt sich Sprachgebrauch demnach als ein ständiger Balanceakt dar, bei dem der Sprecher mit dem Instrument der Sprache etwas zu erreichen sucht, wobei er zugleich die immanente Bedrohung des Adressateninteresses antizipieren, verhüllen oder zumindest abschwächen muss (vgl. SCHULZE 1985: 18-19). In der Kommunikationsforschung wurden Höflichkeitsregeln in Anlehnung an und komplementär zu Regeln effizienter Kommunikation entwickelt, wie sie etwa Paul GRICE (1975) aufstellte. Dessen cooperative principle drückt sich in vier „Konversationsmaximen" aus, deren Beachtung die Voraussetzung für gelungene Kommunikation darstellt: konzise Darlegung des Inhalts ohne Auslassen wichtiger Informationen ("quantity"), Ehrlichkeit ("quality"), Relevanz ("relation") und Klarheit ("manner") (GRICE 1975: 45f.). Höflichkeitsregeln neigen dazu, mit diesen Maximen zu konfligieren, so dass FRASER (1990: 235) sogar ein "zero-sum game" konstatiert: "the greater politeness, the less efficient information transfer". Drei eng aufeinander bezogene und ähnliche Regelwerke zur sprachlichen Höflichkeit sind besonders rezipiert worden: (1) 1973 formulierte Robin LAKOFF mit Blick auf die Generalmaxime "be polite" eine erste „Universalkonzeption pragmatischer Kompetenzregeln" (SCHULZE 1985: 70): 1. Don 't impose. 2. Give options. 3. Make A[ddressee] feel goodbefriendly (LAKOFF 1973: 298). (2) Die bei Lakoff vorgeschlagene Verwendung von indirekten Redeweisen, "Heckenbegriffen" (hedges) und Höflichkeitsformeln wurde von Geoffrey LEECH 1973 mit dem Terminus des "politeness principle" ähnlich formuliert, kulminierend in den beiden allgemeinen Forderungen: "Minimize [...] the expression of impolite beliefs" und "[m]aximize the expression ofpolite beliefs" (LEECH 1973: 81). Dazu entwickelte Leech sechs Höflichkeitsmaximen, deren primäres das "tact maxim" darstellt (LEECH 1973: 107-110): "Minimize cost to other, maximize benefit to other". (3) Aufbauend auf den Arbeiten des Linguisten und Anthropologen Erving GOFFMAN (1967) entwarfen Penelope BROWN und Stephen L. LEVINSON (1987) das bisher überzeugendste und systematischste Konzept von Höflichkeit alsface-work (vgl. SCHULZE 1985: 78, 82; BACH 1995: 196-197). Nach GOFFMAN (1967: 5) beschreibt der Begriff face "the positive social value a person effectively claims for himselfby the line others assume he has taken during a particular contact". Zu vermeiden sindface-threatening acts, also die Bedrohung zweier unterschiedlicher Komponenten desface, wie BROWN/ LEVINSON (1987: 66) spezifizieren: "(a) negative face: the basic claim to territories, personal preserves, rights to non-distraction FLuL 35 (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 257 i.e. to freedom of action and freedom from imposition, (b) positive face: the positive consistent self-image or 'personality' (crucially including the desire that this self-image be appreciated and approved of) claimed by interactants". Face-work besteht somit einerseits darin, Äußerungen, die das Bedürfnis des Adressaten nach negative face bedrohen (wie Befehle, Bitten, Ratschläge, Angebote, Versprechen, aber auch Abneigungsbekundung), zu vermeiden oder indirekt und in sprachlich abgeschwächter Form zu formulieren. Andererseits gilt es, das Verlangen des Adressaten nach positiveface durch Bestätigung, Verständnis und Bewunderung aber auch durch das Vermeiden tabuisierter Themen zu unterstützen. In Anlehnung an dieses Modell hat die Gesprächs- und Höflichkeitsforschung für den englischsprachigen Bereich zahlreiche verbale Strategien und deren Funktion in Gesprächen beschrieben, wie weiter unten eingehender mit Bezug auf unterrichtliche Vermittlung zu erklären ist. Über verbale Strategien des face-work hinaus wurde auf die Existenz bestimmter Tabuthemen im englischsprachigen Bereich hingewiesen (Sex, Politik, Religion, der Vietnamkrieg etc., aber auch falsche Konversationseröffnungen oder falsches turn-taking, vgl. DEVITO 1992: 273); safe topics hingegen schaffen eine Atmosphäre der Übereinstimmung und Gemeinsamkeit zwischen Sprecher und Hörer, etwa „belanglose Themen über das Wetter, das persönliche Wohlempfinden usw." (SCHULZE 1985: 85). Daneben haben Unterrichtspraktiker darauf hingewiesen, dass die von Dale Carnegie äußerst erfolgreich präsentierten Ratschläge für zwischenmenschlichen Erfolg (wie etwa Smile oder Remember that a person 's name is to that person the sweetest and most important sound in any language) sich auch für die Vermittlung kommunikativer Kompetenz im Englischen als gültig erweisen (z.B. TmERING 1998: 83). Für deutsche Fremdsprachenlernende hat Juliane HOUSE (1998: 83) im Rahmen eines von ihr beschriebenen sensitivity training sieben Maximen für erfolgreiche Kommunikation mit Muttersprachlern des Englischen aufgelistet. Sie seien hier verkürzt wiedergeben: 1. Entwickle Sensibilität gegenüber Missverständnissen! 2. Stelle klärende Fragen bei möglichen Missverständnissen! 3. "Repariere" Missverständnisse taktvoll! 4. Vermeide rigide Beurteilungen der ,4.°ußerungen des Anderen. 5. Gehe flexibel auf .A'ußerungen ein! 6. Wenn nötig, schalte in eine andere Sprache um! 7. Gehe nie davon aus, dass andere Dich verstehen! 3. Konversationsroutinen im Kontrast: Deutschland und der angelsächsische Raum Mit den oben aufgeführten, hier exemplarisch vorgestellten sieben (verbalen) Verhaltensmaximen, welche House deutschen Gesprächsteilnehmern als Richtschnur für die Kommunikation mit englischen Muttersprachlern empfiehlt, wird deutlich, dass Höflichkeitstheorien zwar den Anspruch auf Universalität erheben mögen, aber doch in unterschiedlichen soziokulturellen bzw. auch nationalen Kontexten unterschiedliche Bedeutung tragen. Sie sind somit innerhalb des weiten Bezugsrahmens interkultureller Untersuchungen verortet, welche mit Hilfe von ausgesuchten Weltwahmehmungsmustern Kulturunterschiede herauszupräparieren suchen. Die interkulturelle Forschung hat hier lFLl! L 35 (2006) 258 Laurenz Volkmann Aspekte wie Umgang mit Zeit und Raum, Kommunikationsrhythmus, aber auch sogenannte high and low context-Kommunikation als Beschreibungskategorien genannt (wobei low context eine geringere Beachtung des Kontextes bei stark expliziten Botschaften bedeutet und in der Regel der deutschen Kommunikationsweise zugeschrieben wird). Geert Hofstede, der 1968 über 100.000 Firmenangehörige von IBM aus 50 Ländern befragte, entwarf vier Dimensionen, die durch Polarität (hoher vs. niedriger Grad) ausgedrückt werden und grundlegende Handlungsorientierungen ausdrücken, welche sich auch in Gesprächskonventionen niederschlagen. (1) Machtdistanz (bei hoher Machtdistanz werden starke Autoritäten akzeptiert). (2) Unsicherheitsvermeidung (bei hoher Unsicherheitsvermeidung besteht Scheu gegenüber Risiken). (3) Maskulinität vs. Femininität (Durchsetzung vs. Ausgleich als Kommunikationsstrategie). (4) Individualismus vs. Gemeinschaftsorientierung (die Beziehung zwischen Ich und Gesellschaft) (vgl. HoF- STEDE 1991; MEAD 1994: 65). Das Bemühen weiter Teile der interkulturellen Forschung, Gesellschaften oder Nationen entsprechenden Polen zuzuordnen, läuft stets Gefahr, nationaler Stereotypenbildung Vorschub zu leisten und individuelle Mentalitätsstrukturen als vernachlässigbare Größe zu werten. Dennoch kann die Berücksichtigung von Dimensionen der unterschiedlichen Weltwahrnehmung und damit auch Kommunikationsformen im interkulturellen Diskurs wichtige Einsichten liefern, wie sich dies am Beispiel der von House aufgestellten fünf polaren Dimensionen des Kommunikationsverhaltens mit Bezug auf deutsche und englische Muttersprachler illustrieren lässt. Verschiedene empirische Untersuchungen belegen dabei, dass englische Sprecher eher den rechts aufgeführten Verhaltensmustern folgen, deutsche eher den links aufgeführten (HOUSE 1996: 346-355). Directness Orientation towards Self Orientation towards Content Explicitness Ad-Hoc Formulation Indirectness Orientation towards Other Orientation towards Addressees Implicitness Verbal Routines Kontrastive empirische Studien konnten aufzeigen, wie deutsche Sprecher im interkulturellen Dialog ihre englischsprachigen Gegenüber irritierten oder verärgerten (REYNOLDS 1984: 276; MÜLLER 1993: 64; CASPER-HEHNE 1997: 63, 65; THOMAS/ WAGNER 1999: 235): Verursacht wurde dies durch die weitgehende Abwesenheit eines Repertoires an Gesprächsroutinen, durch direkten, konfrontativen Kommunikationsstil, die Bevorzugung der inhaltlichen gegenüber der „zwischenmenschlichen" Gesprächsebene. Als unangenehm wird auch ein selbstbewusstes, Autorität bzw. Desinteresse am Gegenüber ausstrahlendes Auftreten gewertet, welches leicht als Arroganz ausgelegt wird. Weiterhin sind deutsche Sprecher äußerst sparsam mit Komplimenten oder dem verbal grooming. Kommunikationsprobleme entstehen aber auch durch den Trugschluss, im angelsächsischen Bereich gelte in Gesprächen (schon auf Grund des frühen Ansprechens mit dem Vornamen) das Prinzip des anything goes. Dazu noch wird die Neigung deutscher Gesprächsteilnehmer zum langen Diskutieren und Lamentieren kritisiert, ebenso wie eine allzu ausgeprägte Vorliebe für tiefgründige und politisch heikle Themen, bei denen FLuL 35 (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 259 Deutsche mit besserwisserischem Gestus auf ökologischem und politischem Gebiet belehren. Einer der amerikanischen „Probanden" der empirischen Untersuchungen fasste die Kommunikationsunterschiede in folgender Bemerkung zusammen: "[The Germans] are apt to really just simply say what they believe and that's it, and we just say 'well you know ... ' and dance around trying not to hurt each other" (HOUSE 1996: 351 ). Zweifellos legen empirische Untersuchungen (aber auch allgemeine Betrachtungen zu unterschiedlichen Ausformungen kultureller Dimensionen) nahe, das Thema Höflichkeit in Konversationen zu einem der zentralen Themen des Englischunterrichts zu erheben wurde doch gezeigt, dass mangelnde sprachliche oder landeskundliche Kenntnisse in interkulturellen Begegnungen eher akzeptabel erscheinen als das Ignorieren konventionalisierter Kommunikationsmuster. Es gilt allerdings zu beachten, dass hier wenn auch nicht in diesem Maße im schulischen Unterricht, wo Ausdifferenzierungen im Bereich der Höflichkeit z.B. bei Anfängern eher Verwirrung stiften würden erheblicher Bedarf nach komplexeren, weniger mit nationalen Gegensätzen operierenden Höflichkeitsmodellen besteht, um nicht in der Theoriebildung bereits im Klischeedenken zu erstarren. Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass gängige Forschungsansätze zu interkulturellen Unterschieden aber auch zur Gesprächsführung in der Regel von pauschalen Vorstellungen von einer weißen, protestantischen Mittelschicht ausgehen und deren Einstellungen perpetuieren, ohne etwa Kategorien wie intrakulturelle Unterschiede, Geschlecht, Alter, soziales Milieu, sozialer Rang, gesellschaftliches Umfeld etc. entscheidend zu berücksichtigen (vgl. zu dieser Kritik auch SCHULZE 1985: 6; CASPER- HEHNE 1997: 60; THOMAS/ WAGNER 1999: 235; CAMERON 2002). Weiterhin erscheint es notwendig, die zunehmende Verwendung des Englischen als linguafranca zu berücksichtigen, die als Teil des Globalisierungsprozesses auch teilweise zu Harmonisierungstendenzen im Bereich der Kommunikation führt: Zudem bezieht sie weitere, noch stärker Höflichkeitsrituale betonende Kulturen in den globalen Höflichkeitsdiskurs mit ein (z.B. Japan, vgl. HURLEY 1992: 269). Schließlich erscheint bereits die Grundannahme eines gemeinsamen, von Briten und Amerikanern geteilten Konversationsstils als stark simplifizierend, wie interkulturelle Beobachtungen mit wirtschaftlicher Ausrichtung deutlich gemacht haben. Man mag hier zunächst von einem Gegensatz ausgehen: zwischen britischer Bescheidenheit, dem understatement und der starken Neigung zum Indirekten einerseits und andererseits der amerikanischen Neigung zur Ich-Darstellung sowie zum offenen, direkten Ansprechen von Problemen. Der amerikanische Verhandlungsstil wurde sogar etwas despektierlich als „John Wayne style" beschrieben (APFELTHALER 1999: 146). Robert GIBSON (2000: 45) stellt folgende sprachliche Äußerungen sicherlich etwas polarisierend gegenüber: US Jack'll blow his top. You're talking bullshit. You gotta be kidding. GB Our chairman might tend to disagree. I'm not quite with you on that. Hm, that's an interesting idea. Allerdings erscheinen auch hier einfache Kontrastpaare problematisch, wenn berücksichtigt wird, dass in bestimmten Gebieten (wie im militärischen Bereich) der britische FLuL 35 (2006) 260 Laurenz Volkmann Kommunikationsstil unter Umständen als "much more frank, direct and polite" als der amerikanische empfunden wird (MEAD 1994: 171). 4. Strategien in englischen Alltagsgesprächen im Überblick Trotz der hier geäußerten Bedenken gegenüber der Annahme einer Universalität von Höflichkeitsmaximen sowie der Verortung individueller Gesprächsteilnehmer innerhalb eines Rasters von national bestimmten Gesprächskonventionen erscheint es insbesondere im schulischen Unterricht empfehlenswert, den Lernenden Einsichten in das angelsächsische Verständnis von Kommunikation zu bieten und sie dazu zu ermutigen, Gespräche in der fremden Sprache als einen Austausch zu verstehen, bei dem neben Vokabel- und Grammatikbeherrschung auch eingehende Kenntnisse von Gesprächsroutinen nötig sind. Gespräche dienen, vor allem beim small talk, nicht allein dem (ernsthaften) Austausch von Informationen oder der Erörterung eines Themas, sondern dem angelsächsischen Verständnis nachder „Beziehungsarbeit", dem Aufbau und der Pflege von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen (McMASTER 2002: 64). Die dabei verwendeten Gesprächsroutinen werden im folgenden knapp im Überblick vorgestellt. Zunächst erscheint es wichtig, dass Schülerinnen und Schülern überhaupt bewusst wird, dass Gespräche, auch die des Alltags, zwar von einem unterschiedlichen Grad an Spontaneität, Wechselseitigkeit und Informalität geprägt sind (vgl. BUBLITZIWEBER 1986: 223), aber zugleich erstaunlich festen Strukturen und Regeln des Ablaufs folgen (vgl. VENTOLA 1979: 271; BUBLITZ/ WEBER 1986: 226). VENTOLA (1979) hat hierzu intrikate Verlaufsschemata entworfen, die sich mit NASH (197 6: 25) einfacher als drei sukzessiv ineinander übergehende Phasen beschreiben lassen: opening transaction conclusion. In den jeweiligen Phasen herrschen bestimmte Gesprächsroutinen vor, die sich exakt beschreiben und entsprechend einüben lassen. Im folgenden werden die wesentlichen Elemente mit Blick auf deutsche Lernende beschrieben. Begrüßung: Die im englischsprachigen Raum geläufigen längeren Gesprächsroutinen beim Begrüßen gelten bei Deutschen bisweilen als oberflächlich und sogar heuchlerisch (SCHULZE 1985: 108). Die im amerikanischen Englisch gestellte Frage How are you? initiiert dabei ein kurzes Begrüßungsritual, bei dem selbstverständlich nicht nach dem tatsächlichen Geistes- und Körperzustand des Begrüßten gefragt ist. Vielmehr wird ein Austausch von Höflichkeiten erwartet, der eventuell die Konversation eröffnet. Auch wenn Begrüßungsformeln innerhalb der englischsprachigen Welt variieren, so gilt doch, dass die deutsche Regel des Händeschüttelns (als "hone crusher" beschrieben, zit. in HEUER 1996: 55) nicht anzuwenden ist. Eher gilt es bereits hier, z.B. als Übergang zum Hauptteil des Gesprächs, conversation opener im Sinne der face work ins (verbale) Spiel zu bringen: etwa, indem etwas Positives (vor allem über die andere Person) bemerkt oder eine Gemeinsamkeit angesprochen wird. Zu vermeiden ist anfangs zu offenes Eingehen auf eigene Probleme oder Sorgen. Gesprächsführung: (1) Zu achten ist auf verbale Rückmeldung, wie sie sich schon in der häufigen und situativ angemessenen Verwendung von please und thank you zeigt. (2) JFLuL 35. (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 261 Verbale Rückmeldung ist Teil des üblichen Konversationsrhythmus' im Englischen, der sich mit den „three As" beschreiben lässt (vgl. T0MALIN/ STEMPLESKI 1993: 108 f): "answer, add, and ask". Dadurch wird das Gespräch im Fluss gehalten und vermieden, dass eine Person zu dominant auftritt. Überhaupt sind Formeln der Rückmeldung (J see, I agree, that must have been terrible for you, oh my dear ... ) Teil der Beziehungsarbeit (CASPER-HEHNE 1997: 72; DEVIT0 1992: 277) und bestätigen Gemeinsamkeiten zwischen den Kommunizierenden. (3) Bei schwierigen oder unangenehmen Themen sollte elegant zu einem neuen Gesprächsgegenstand gewechselt werden (now what about, there is also the question ... ). (4) Dem indirekten Sprachstil entsprechen vor allem die im Englischen geläufigen „Heckenausdrücke" und understatements: I think, I believe, I assume dienen so der Subjektivierung des Gesagten und lassen die Diskussion offen bzw. Raum zur Abänderung von Positionen. Als „protektive Taktiken der sozialen Interaktion" (zit. in SCHULZE 1985: 88) gelten auch einschränkende Ausdrücke wie so to say, actually, for the most part oder you know, by the way, anyway, I might mention at this point, J'm a little bit disappointed in you, Could you kind oflend us some CDs usw. -überhaupt alle downgraders, die die eigene Position oder den eigenen Anspruch relativieren, Modalität markieren oder direkte Mittelungen durch indirekte ersetzen. Die subtilen Bedeutungsmuster des understatement sind fremdsprachlichen Lernenden nicht immer ersichtlich, kann das Untertreiben doch durchaus auch als starke Bekräftigung gemeint sein, nach dem Motto: "Ich habe es nicht nötig, etwas zu übertreiben oder in den Vordergrund zu treten (denn ich stehe bereits im Vordergrund)" (zit. in HEUER 1996: 68). (5) Neben den downgraders gibt es allerdings auch upgraders (vgl. eingehender HOUSE/ KASPER 1981: 166-171 ), die jedoch nicht wörtlich zu nehmen sind, z.B. die Amede luv an der Supermarktkasse oder emphatische Ausrufe und Komplimente wie That's gorgeous! , She'sfrightfully nice! oder That's terribly sad! . Eher sind starkes Lob oder auch die frühe Verwendung der Bezeichnung friend eine verbale Überbrückung weiterhin bestehender zwischenmenschlicher Distanz.·(6) Zur gelungenen Kommunikation gehört auch das Beherrschen von „Reparaturstrategien". Diese liegen zunächst im Verwenden von Entschuldigungsroutinen oder Äußerungen, welche (mögliche) face-threatening acts kaschieren oder erträglicher machen, wie J didn 't do it, lt wasn 't so bad, Yes, but ... (DEVITO 1992: 282) Zu achten ist hierbei ebenfalls auf die starke Konventionalisierung derartiger Sprachmuster: Dem nach einem Dank für geleistete Hilfe folgenden englischen Ausdruck Don 't mention it! darf somit keinesfalls der (typisch deutsche) Respons Okay! I won 't mention a soul! folgen (vgl. SCHUBERT 2006). (7) Für fremdsprachliche Kommunikationsteilnehmer ist das Beherrschen einer Reihe von „Handicap-Signalen" von großer Bedeutung, in denen klar erklärt wird, dass sprachliche Probleme oder Unsicherheiten das Gespräch beeinflussen könnten: Sorry, couldyou possibly speak a little more slowly? I am not a native speaker oder Please don 't speak so fast. I can 't follow you bzw. Sorry, but J'm afraid my English is not quite good enough (yet). Andere Handicap-Signale nach einer getätigten Äußerung könnten sein: Perhaps I sounded awkward ... I didn 't mean to be rude oder J'm afraid I didn 't use the right words. I didn 't mean to offend you (vgl. HEUER 1996: 94, 98). Gespräche beenden: Am Ende eines Gesprächs „dünnt" dieses aus. Auch hier gibt es FLuL 35 (2006) 262 Laurenz Volkmann eine Reihe von Abschiedsritualen, die innerhalb der angelsächsischen Welt sehr verschieden sind. "Express pleasure with interaction", so lautet die Grundregel für den Abschied (DEVIT0 1992: 282), wobei Einladungen und Bekundungen des Interesses an einem baldigen Wiedersehen nicht immer wörtlich, sondern als positives Feedback oder unverbindliche freundliche Geste zu begreifen sind (THOMAS/ WAGNER 1999: 228). 5. Prinzipien und Methoden der Vermittlung Die Vermittlung kommunikativer Gesprächskompetenz stellt sich als ein höchst komplexes und schwieriges Unterfangen heraus. Denn pragmatische Fehler sind nicht so auffällig oder leicht (selbst) korrigierbar wie Fehler im Bereich von Lexik oder Grammatik. Zudem werden in interkulturellen Begegnungssituationen linguistische Schwächen eher akzeptiert, während Verstöße gegen Kommunikationskonventionen leicht als Arroganz oder sogar individuelles Charakterproblem gedeutet werden und somit unter Umständen zum (sukzessiven) Abbruch der Interaktion führen. Aus diesem Grund erscheinen regelmäßige und altersadäquate Lernsequenzen, in denen die Bedeutung sprachlicher Höflichkeit thematisiert und diese eingeübt wird, ebenso wichtig wie die Betonung von höflichen Umgangsformen im alltäglichen Englischunterricht. In der Forschung wurde besonders das Prinzip des kontrastiven Erarbeitens, des expliziten Aufi: nerksam-Machens auf Unterschiede zwischen Gesprächsabläufen und -routinenim Deutschen und im Englischen empfohlen (VENT0LA 1979: 287; H0USEIKASPER 1981: 184). Zugleich könnte auch die Suche nach Gemeinsamkeiten im Sprachgebrauch die Betonung kultureller Differenzen weniger scharfkonturieren. Weiterhin gilt es im Alltag des Englischunterrichts, soweit dies möglich ist, die üblichen lehrerzentrierten Konversationsmuster (Stimulus-Respons-Evaluation) zu vermeiden, welche den offenen Mustern alltäglicher Gespräche nicht entsprechen und Lernende „kontraproduktiv" konditionieren (NASH 1976: 24; HURLEY 1992: 273 ). Überhaupt zeigt die Konversations- und Höflichkeitsforschung, dass die rezeptiven skills des Hörens auch im Sinne des aufi: nerksamen Zuhören-Könnens gefördert werden sollten. Für gezielt eingesetzte Unterrichtssequenzen zur Förderung von language awareness, Höflichkeit und der Beherrschung von Gesprächskonventionen im Englischen seien hier drei Vorgehensweisen beschrieben, die in der Regel sukzessive zum Tragen kommen können, jedoch nicht unbedingt streng voneinander zu trennen sind (vgl. BUBLITZ/ WEBER 1986: 226; HURLEY 1992: 274): (]) Die kognitive Analyse von ausgewählten Gesprächen. Bei diesem "cognitive teaching" (H0USE 1998: 77) steht die Diagnose ausgewählter Texte oder Gesprächsaufzeichnungen im Vordergrund. Dabei können Lernende über Erfolg oder Misserfolg kommunikativer Äußerungen reflektieren zudem, wenn ihnen die Lehrkraft eine der üblichen Listen mit Höflichkeitsmaximen an die Hand gibt bzw. in die Grundthematiken vonface work einführt (eine Liste von unterrichtsrelevanten Fragen bietet z.B. HURLEY 1992: 277). Zugleich können Lernende dabei über die den sprachlichen Äußerungen zu Grunde liegenden kulturellen Orientierungssysteme nachdenken. Zur Reflexions- und lFLuL 35 (2006) Konversationsroutinen im Englischen als wesentlicher Bestandteil interkulturellen Lernens 263 Diskussionsgrundlage dienen dabei höchst unterschiedliche Textsorten: so genannte critical incidents oder Passagen aus Kinofilmen, Fernsehmitschnitte, Teile aus Dramen oder Romanen, in denen kulturelle Missverständnisse thematisiert werden oder typisch angelsächsische Formen der Konversation hervortreten (vgl. VOLKMANN 2002). Es gilt hier, passende kommunikative Lösungsansätze zu erarbeiten. Dieser Teil einer Sequenz zu Gesprächsroutinen sollte allerdings nicht zu extensiv gegenüber dem folgenden, handlungsorientierten Teil sein; er kann allerdings bereits sprachliche und pragmatische Modelle für die späteren, auf sprachliche Aktivität konzentrierten Übungen liefern. (2) Die Simulation von Gesprächen. Auch unter Berücksichtigung der vorgestellten oder erarbeiteten sprachlichen und kommunikativen Regeln werden entsprechende Redemittel in zunächst stark strukturierten, dann sich zunehmend freier gestaltenden Dialogen oder Rollenspielen eingesetzt. Insbesondere für die Arbeit mit Musterdialogen liegt eine Reihe von praxisnahen Vorschlägen vor, die auch in der Unterstufe und in leistungsschwachen Klassen Lernende Schritt für Schritt in Techniken der Gesprächsführung einweisen. Mit Hilfe von cue cards, mit Wort- und Bildimpulsen, können so Musterdialoge und Rollenspiele erarbeitet werden (vgl. BLUDAU 1975; MUGGLESTONE 1980; SCHÄFER 1988; HINZ 1990; ARENDT 1996; THIERING 1998; GEDICKE 2003). Generell lassen sich hier verschiedene Gesprächsthemen unterscheiden: (a) Die Lernenden wählen eine Hitliste eigener Themen, für die es Vokabeln und Redemittel zu erstellen und typische Dialoge zu entwickeln gilt. (b) Die Lernenden erhalten eine Reihe von standardisierten „Bausteinen" oder eine „Gesprächskarte" für typische Themen im small talk (Wetter, Urlaub usw.), mit Hilfe derer sie Minidialoge einüben können. (c) Die Lernenden entwickeln einen Dialog, der typisch für die Begegnung mit anderen Kulturen ist (at the reception, ordering in a restaurant). (d) Die Lernenden üben ein, wie sie im Kontakt mit Vertretern anderer Kulturen höflich reagieren, wenn die Sprache auf heikle Themen kommt (z.B. die eigene religiöse Überzeugung, den Nationalsozialismus usw., vgl. THIERING 1998). (e) Die Dialoge oder Rollenspiele können allgemein eine kritische Situation enthalten (bei einer Beschwerde im Restaurant: Waiter, J'm afraid there is a spider in my soup! ) oder ein Element der Irritation (z.B.: das letzte Hotelzimmer ist bereits ausgebucht; jemand, der sich auf eine Prüfung vorbereiten will, wird durch laute Partymusik gestört) und so kommunikative Gewandtheit fördern, aber auch in critical incidents unter Umständen einen vorgelagerten Kulturschock auslösen, den es zu überwinden gilt (THOMAS/ WAGNER 1999: 235; AREND-HERL YN 2001 ). (f) Beim Einüben und Vortragen von Dialogen und Rollenspielen sollten schließlich die Elemente von Humor und Witz nicht zu kurz kommen. So kann beispielsweise auch ein Nonsens-Dialog, in dem zwei Personen, die sich nicht kennen, die üblichen sprachlichen Klischees des Englischen austauschen (so nice to meet you again ... ), Vergnügen bereiten und zugleich Anlass zur Sprachreflexion bieten (MEDGYES 2002: 194 f). (3) Evaluation / Feedback: Die Arbeit mit Dialogen und Rollenspielen kann in eine (erneute) kognitive Betrachtungsphase überleiten, in der die gewonnenen Erkenntnisse über den Verlauf von Kommunikation Vertiefung finden. JFLuL 35 (2006) 264 Laurenz Vollanann 6. Zusammenfassung Zweifellos gehört das Einüben von Gesprächsroutinen zu einem wichtigen und zugleich schwierigen Gebiet des Englischunterrichts vom Frühbeginn, bei dem bereits die Höflichkeitsformeln wie please und thank you als selbstverständlicher Teil des Austauschs in der Fremdsprache eingeführt werden, bis zur Oberstufe, in der die Erörterung von Konversationsmaximen in Verbindung mit modellhaft betrachteten und vorgeführten critical incidents pragmatische Sprachkenntnisse vermittelt. Auch in universitären Kursen sollte die Analyse von Gesprächsroutinen in der Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft sowie der Fachdidaktik zum festen Bestandteil des fachlichen Themenkanons gehören. Wie vielfach festgestellt wurde, geht es hierbei um das Aneignen von Kommunikationstechniken, die in unserer zunehmend mobiler, multikulturell und multiethnisch werdenden Welt von existenzieller Bedeutung sind (MATTHES 1998). Dabei geht es weniger darum, in die absolute Imitation von native speakers zu verfallen. Es sollte jedem Lernenden überlassen bleiben, wie weit er oder sie in tatsächlichen Kommunikationssituationen in der englischen Sprache das hier erörterte angelsächsische Modell von Höflichkeit übernehmen möchte. Eine Beherrschung der gängigen Regeln der Gesprächsführung könnte, wie festgestellt wurde (THIERING 1998: 81), bei Fremdsprachenlernern nicht allein das Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigene Kommunikationsfähigkeit steigern. Eine stärkere Sensibilität für die Zwischentöne menschlicher Kommunikation und die bewusste Rücksichtnahme auf das face des Gegenübers mögen dabei sogar auf die Verwendung der Muttersprache abfärben. 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Consequently, adjective-adverb-collocations are not combined freely by the speak: er but only reproduced and are stored in the memory of every native speaker. Errors resulting from the transfer of collocational pattems from the mother tongue to the foreign language normally do not prevent communication but unmask the speak: er as a foreign language leamer. Advanced leamers should therefore know adjective-adverb collocations. Qu'en frarn; : ais un celibataire soit endurci alors qu'il est eingefleischten allemand, nous en sommes conscients, au moins depuis que Franz Josef HAUSMANN s'est servi de cette opposition pour illustrer l'importance des collocations. Mais qu'un adjectif et un adverbe forment aussi une collocation et que le choix de l'adverbe pourun certain adjectifne soit par consequent pas libre, cela n' est pas encore assez connu des apprenants du frarn; ais : ainsi on est profondement der; u alors qu' on est schwer enttäuscht. 1. Definition du terme de collocation L'objet du present article sont les collocations formees entre un adjectif et un adverbe en -ment. Les collocations sont, d'apres HAUSMANN (1984), des combinaisons usuelles prefärees par la norme a d'autres combinaisons qui, d'apres le systeme, seraient aussi envisageables. Une collocation est constituee d'un element semiotaxiquement autonome, Korrespondenzadresse: Dr. Marion NETZLAFF, Studienreferendarin an Gymnasien in Bayern, Clausewitzstr. 10, 93049 REGENSBURG. E-Mail: marion.netzlaff@arcor.de Arbeitsbereiche: Kollokationsforschung, Lexikographie FLuL 35 (2006) 268 Marion Netzlaff la base, et d'un element semiotaxiquement dependant, le collocatif (HAUSMANN 1997). Le choix du collocatif se fait en fonction de la base ; il n' est donc pas libre mais norme. Ainsi les substantifs suivants sont obligatoirement accompagnes de ces verbes ou adjectifs : prendre une decision, commettre une erreur, prendre des mesures une pluie torrentielle, un echec cuisant, une grave erreur. Contrairement a la locution, la collocation est transparente : son sens correspond a la somme des sens de ses elements. Le fait qu'il ne soit pas possible de faire une diffärence nette entre les combinaisons libres et les collocations n' est pas genant du point de vue de l'apprentissage des langues etrangeres ni du point de vue lexicographique: pour l'apprenant, une combinaison est interessante et merite de figurer dans le dictionnaire du moment qu'elle est differente de la combinaison correspondante dans sa langue matemelle. L'histoire du concept de collocation tel que nous l'employons ici commence au debut du : xxe siecle avec BALL Y, le pere de la phraseologie moderne, qui avait esquisse une theorie des collocations (BALL Y 3 1951 ). Ce concept a surtout ete developpe par des metalexicographes et lexicographes et a mis tres longtemps a s'imposer aux yeux des linguistes fram; ais. Le concept de collocation du contextualisme britannique diverge fortement de notre concept, puisqu'il inclut toutes les cooccurrences frequentes saus faire la difference entre les collocations et les combinaisons libres frequentes pour des raisons extralinguistiques. On peut alors parler de deux courants dans la recherche collocationnelle ou meme se demander s'il ne faudrait pas diffärencier les deux objets d'etude par des tennes diffärents (tels que collocations vs cooccurrencesfrequentes). 2. La collocation adjectif-adverbe Dans la collocation adjectif-adverbe, c'est l'adjectif qui remplit la fonction de la base, l'adverbe celle du collocatif. Le locuteur ne cree pas une collocation quand il l'utilise mais la repete de memoire. Des exemples de collocations adjectif-adverbe sont grievement blesse, gravement malade, profondement de9u, fortement impressionne, profondement tauche, fortement endommage. 2.1 Idiomaticite des collocations adjectif-adverbe Alors que le locuteur natif n' est pas conscient de l' idiomaticite des collocations, celle-ci est evidente dans une approche contrastive, car deux langues peuvent varier fortement dans le choix d'un collocatif pour une meme base : schwer verletzt schwer krank schwer bewaffnet grievement blesse gravement malade arme jusqu 'aux dents lFLuL 35 (2006) « Eperdument amoureux, profondement de<; u, hautement qualifie, ... » schwer beeindruckt schwer behindert schwer enttäuscht schwer verdaulich schwer verständlich schwer getroffen schwer beschädigt profondement impressionne lourdement handicape profondement de<; u lourd a digerer dif.ficilement comprehensible ou dif.ficile a comprendre serieusement atteint serieusement endommage 269 II a pu etre demontre que les collocations adjectif-adverbe etaient frequentes et productives dans des corpus du frarn; ais ecrit (NETZLAFF 2005). Pour le frarn; ais, ce type de collocations n'avait pourtant pas encore ete analyse. 2.2 Categories d'adverbes formant des collocations avec des adjectifs Dans une etude precedente (NETZLAFF 2005), les collocations adjectif-adverbe [= CAA] ont ete analysees sous differents aspects. Les resultats principaux sont les suivants : Ce sont uniquement les adverbes en -ment qui forment de telles collocations, car les adverbes non-derives ne connaissent pas assez de restrictions d' emploi pour qu' on puisse parler de collocations. Parmi les adverbes en -ment, ce sont principalement les adverbes d'intensite qui sont productifs de ce genre de collocations. I1 faut faire la diffärence entre les adverbes purement intensifs (tels que hautement dans hautement qualifie) et ceux qui expriment en meme temps un jugement positif ou negatif (tels que admirablement, horriblement). Les adverbes de maniere (comme dans les collocations ioliment decore, coquettement meuble, pauvrement vetu), les adverbes de domaine (financierement dependant, genetiquement modifie, politiquement correct) et les adverbes exprimant une refärence temporelle (recemment paru, recemment debarque, momentanementferme) forment aussi des CAA mais en nombre plus reduit. La fonction d'un adverbe de domaine' peut etre paraphrasee par des locutions prepositionnelles telles que du point de vue de + SUBSTANTIF ou sur le plan de+ SUBSTAN- TIF. Ces adverbes expriment le point de vue a partir duquel, ou bien le domaine par rapport auquel la qualification etablie par l'adjectif est valable. Dans le cas des adverbes de domaine, le statut de collocation est problematique : on ne peut pas parler de prefärence du collocatif face a d'autres collocatifs envisageables parce que l'adverbe de domaine n'a en general pas d'adverbe synonyme. Ce quijustifie d'enregistrer les combinaisons avec adverbe de domaine c' est que 1' apprenant ne peut pas prevoir les restrictions qui existent pour la formation d'adverbe de domaine etde CAA avec ce type d'adverbes. Terme employe par GUIMIER (1996: 141). MOLINIERILEVRIER (2000) parlent d'adverbe de point de vue. FLuL 35 (2006) 270 Marion Netzlaff Categories d'adverbes formant des collocations avec des adjectifs adverbes d'intensite adverbes de maniere adverbes de domaine adverbes exprimant une reference temporelle 2.3 La syntaxe des collocations adjectif-adverbe Quelques observations apropos de la syntaxe des collocations adjectif-adverbe : la CAA apparait le plus souvent en position attributive ou comme epithete d'un nom. 2 Une CAA epithete avec un adverbe en -ment est toujours postposee au nom auquel elle se rapporte. Quanta la syntaxe interne, l'adverbe est le plus souvent antepose a l'adjectif. Seuls les adverbes de domaine et les adverbes temporels admettent aussi la postposition. adverbe d'intensite: adverbe de maniere: adverbe de domaine: adverbe de refärence temporelle: gravement malade / *malade gravement tristement celebre / *celebre tristement financierement dependant / dependant financierement economiquement superieur / superieur economiquement (un magasin) momentanement ferme / (un magasin) ferme momentanement La cohesion entre une base adjectivale et un collocatif adverbial n' est pas aussi forte que dans d'autres types de collocations. Il est rare qu'il y ait exclusion totale d'autres collocatifs synonymes ou presque-synonymes. Les CAA sont en concurrence avec d'autres collocations ou expressions. En frans; ais, il semblerait y avoir une prefärence pour les collocations nominales, a savoir les collocations substantif-adjectif. Les CAA avec adverbe d'intensite en -ment sont en concurrence avec les comparaisons imagees du type maigre comme un clou ou bete comme ses pieds, que nous considerons aussi comme des collocations puisqu'on peut y determiner une base ; en suivant la terminologie allemande, on pourrait les appeler des comparaisons phraseologiques. Finalement, les CAA rivalisent aussi avec les prefixes augmentatifs tels que archiou hyperou avec le sufftxe intensificateur -issime. 3. Implications didactiques 3.1 Apprentissage des collocations L'approche contrastive montre clairement l'importance des CAAcomme de tout type de collocations dans l'apprentissage d'une langue etrangere puisque l'apprenant n'est pas en mesure de predire quel adverbe sert de collocatif pour une base donnee et qu'il 2 Nous avons analyse 50 contextes minimaux dans un corpus joumalistique pour chaque collocation. lFLuL 35 (2006) « Eperdument amoureux, profondement det; u, hautement qualijie, ... » 271 risque de commettre des fautes. Une faute dans le choix du collocatif adverbial n'empeche certes pas la communication mais elle demasque le locuteur en tant qu'etranger. Les difficultes qu'ont les apprenants en ce qui conceme les collocations s'expliquent par les differences fondamentales entre l'apprentissage de L1 et de L2 (cf. resume chez PöLL 1996: 27-28). Pour la reception (l'input), la diffärence consiste en ce que l'enfant apprenant sa langue matemelle n'analyserait pas les collocations rencontrees mais les memoriserait en tant qu'unites (meme sans les avoir comprises). Cependant l'apprenant adulte aurait tendance ä. les decomposer automatiquement en elements constitutifs et ne les retiendrait donc pas comme unites. L'attention de l'apprenant serait centree sur le sens, la forme passant inapen; ue. Lors de la production, l'apprenant adulte chercherait separement des equivalents pour la base et le collocatif et formerait une combinaison ä. son gre. L'apprentissage des collocations en langue etrangere doit donc etre systematique puisqu'il suppose que l'apprenant les remarque et ensuite qu'il les memorise. A la lecture, les collocations passent inapen; ues puisque leur decodage ne pose pas de probleme en raison de leur transparence (cf. ZöFGEN 2001: 91). Pour qu'il les remarque, l'apprenant doit avoir ete sensibilise aux collocations, il doit connaitre cette notion et etre conscient de l'importance du phenomene. Pour la memorisation des collocations, il ne suffit pas de lire des textes (cf. BAHNS/ SIBILIS 1992, LEWIS 1994, BAHNS 1997: 192 et ZöFGEN 2001 ), mais il faut faire des exercices speciaux. 11 est deplorable que ce materiel pedagogique necessaire pour l'apprentissage systematique des collocations frarn; aises n'existe toujours pas. Le precurseur de la theorie collocationnelle, Charles BALLY, avait presente dans le deuxieme volume du Traite de stylistique fram; aise des exercices de collocations. Les exercices sont, en general, des textes dans lesquels les collocatifs ont ete effaces. Ceux-ci se trouvent tous en bloc ä. la fin du texte. A l'apprenant d'attribuer ä. chaque phrase le collocatif correspondant. Ce qui est interessant dans notre objectif c'est que Bally avait corn; u des exercices pour des collocations d'intensite : substantif + adjectif intensificateur, verbe + adverbe intensificateur (cf. BALLY 3 1951: 43ss.). Bien que les CAA n'y apparaissent pas, Bally avait dejä. reconnu l'importance des collocations avec adverbe intensificateur. Depuis Bally, c'est surtout pour l'anglais que des exercices de collocations ont ete proposes (BAHNS 1997: 147). Meme s'il ne faut pas surestimer l'efficacite des exercices de collocations pour la memorisation de celles-ci, ils sont, sans aucun doute, indispensables. L'apprenant doit etre conscient de la necessite de 1'exercice continu qui exige aussi, comme 1' a souligne ZöFGEN (2001: 104) de contraster les deux langues meme quand on ne remarque pas, au premier abord, de diffärences structurelles. SIEPMANN (2002, 2003 et 2004) souligne ä. juste titre que la recherche ne doit pas seulement relever les collocations en les isolant, mais aussi etudier leur emploi dans la phrase, ce qui a ete trop longtemps neglige. 11 s'agit de determiner les restrictions d'emploi d'une collocation donnee ou les contextes dans lesquels elle apparait de prefärence. Pour relever ce type de restrictions, il faut traiter de nombreux contextes tires de lFLuL 35 (2006) 272 Marion Netzlaff corpus differents. 3 Un tel travail n'a pas encore ete entrepris pour le frarn; ais, mais le projet de« Collocations » Cologne-Nancy 4 devrait livrer de tels resultats pour les noms. Un constat interessant (ZöFGEN 2001, NESSELHAUF 2003) est. que ce ne sont pas tellement les collocatifs a fortes restrictions (tels que grievement) qui conduisent a faire des fautes, mais les collocatifs qui ont relativement peu de restrictions, car les collocatifs a fortes restrictions sont plus memorises comme unites et ne sont donc pas combines librement. Les fortes restrictions attirent tout simplement plus l'attention des apprenants, des enseignants et des lexicographes. Plus une collocation nous surprend, mieux nous la retiendront. Moins elle nous surprend, c'est-a-dire plus elle nous semble habituelle, plus nous aurons du mal a laretenir (Cf. ZöFGEN 2001: 93). C'estpourcettememeraison que les locutions sont plus facilement retenues que les collocations. Ainsi la plupart des apprenants avances connaissent l' emploi du collocatif grievement alors qu'ils ne sauront probablement pas avec quels adjectifs employer hautement ou quand fortement. 3.2 Regles de collocations Alors que pour HAUSMANN et la majorite des specialistes le choix du collocatif est idiosyncrasique et donc imprevisible pour l'apprenant, d'autres specialistes 5 cherchent a detecter les regles semantiques selon lesquelles les collocations seraient formees et pourraient non seulement etre expliquees, mais deduites. Ainsi SCHERFER (2001) a essaye de formuler des regles qui permettraient de prevoir les partenaires possibles et surtout d'exclure ceux qui sont impossibles. C'est a partir des verbes qu'il formule ses regles en vue des substantifs avec lesquels ils forment des collocations. I1 part donc du collocatif, ce qui va a l' encontre de l'importance primordiale de la base dans notre concept ; comme les champs collocationnels des bases sont trop vastes, c 'est en effet le seul moyen de parvenir a des regles. La finalite didactique de telles entreprises ne peut pas etre atteinte pour les raisons suivantes: Le traitement de grands corpus implique le risque qu'on se perde dans la rnasse des cooccurrences et qu' on en deduise que ! es collocations ne peuvent pas etre representees dans un dictionnaire papier, comme le pretend Schafroth (2003: 410). Nous sommes pourtant d'avis qu'il est possible de determiner parmi la masse des cooccurrences celles dont l' apprenant aura vraisemblablement besoin. L' orientation aux besoins de l' apprenant pennet de limiter le nombre de collocations a enregistrer dans un dictionnaire, car il ne s' agit pas de refleter tout ce qui est possible dans une langue mais de fournir a l'apprenant des moyens pour s'exprimer. 4 Projet de recherche Cologne-Nancy « Cologne »: http: / / www.uni-koeln.de/ phi! -fak/ roman/ ho]lle/ blumenthal/ 5 Le projet Cologne-Nancy a entre autres comme but de formuler des regles de collocations. De meme Hartenstein (1996), Scherfer (2001 ), Sieprnann (2004) ou encore Grossmann / Tutin (a paraitre), qui constatent : «[...] nous pensons que non seulement des regularites sont observables, mais qu'elles sont explicables et meme partiellement predictibles. Nous refutons donc le point de vue « anomaliste l>, ! es collocations etant souvent considerees comme des associations arbitraires. lFLuL 35 (2006) « Eperdument amoureux, profondement de9u, hautement qualifie, ... » 273 il n'est pas toujours possible de trouver une explication semantique aux restrictions syntagmatiques. Dans le cas des CAA, une explication semantique est souvent difficile. L'arbitraire semble au contraire regner. Comment expliquer qu'on disefortement interesse et non pas hautement ou profondement ? 11 est a la rigueur possible de formuler des regles tres generales du type: l'adverbe X se combine avec des adjectifs qui ont le seme POSITIF. GROSSMANN/ TUTIN (2003: 16) s'efforcent d' expliquer l' emploi de « profond » avec des substantifs de sentiments : « [... ] la profondeur associee a certains noms d'emotion s'appuie sur une metaphore du fond (vs. la surface) [... ] » Cette explication a posteriori n'est pas utilisable dans l'enseignement, ce que ne pretendent d'ailleurs pas les auteurs: etant donne que les regles ne peuvent etre formulees que pour les collocations qu'on a relevees, l'exhaustivite est impossible. pour formuler des regles generalement valables qui respecteraient aussi les exceptions, il faudrait les rendre tellement complexes qu'elles ne seraient plus memorisables ni applicables par l'apprenant. 11 semble plus facile de memoriser, comme le fait le locuteur natif, les differentes collocations que de chercher a retenir un grand nombre de regles complexes. Des qu'on simplifie une regle, on risque de pousser l'apprenant a faire des fautes. BAHNS (1997: 179) est d'avis que de telles regles de collocations pousseraient au transfert, a l'interfärence et favoriseraient ainsi les fautes. Ce qui nous semble plus utile que des regles de collocations, c'est de systematiser l'apprentissage des collocations en introduisant une collocation avec ses derives, comme cela a ete fait dans les dictionnaires DAFA et DAFLES. Il faudrait ainsi apprendre en meme temps la collocation substantifadjectif un desir ardent et la collocation verbe-adverbe desirer ardemment. 3.3 Fautes commises par les apprenants dans le domaine des CAA Les fautes commises par les apprenants sont d'une part des interfärences de la langue maternelle a la langue etrangere, d'autre part des generalisations et clone simplifications (MöHLE 1985: 625, ZöFGEN 2001: 100 ss) : ils font un emploi exagere de mots generaux peu precis, dans le cas des CAA, d'adverbes «passe-partout» peu idiomatiques. Plus que d'autres types de collocations, les CAA relevent d'un haut niveau chez l'apprenant. Il est vrai qu'on peut tres souvent se tirer d'affaire par l'emploi d'un « adverbe passe-partout», c'est-a-dire d'un adverbe qui ne forme pas de collocations, mais qui a un tres grand champ collocationnel et qui n'est pas idomatique. 6 L'emploi exagere d'adverbes tres generaux est typique des textes produits par des apprenants etrangers. Ceci a ete demontre, pour l'anglais, par les etudes de GRANGER (1998) et de LORENZ (1999), toutes les deux effectuees dans le contexte de l'elaboration du International Corpus of Learner English, ICLE. 6 Nous entendons par adverbes passe-partout des adverbes simples, tels que tres ou peu. Certains adverbes en -ment sont devenus des« adverbes passe-partout»: par exemple les adverbes de degre extremement, totalement, completement. lFLuL 35 (2006) 274 Marion Netzlaff GRANGER a analyse l' emploi dans la langue ecrite de collocations formees d'un adverbe en -ly et d'un adjectifpar des apprenants avances de langue matemelle fran9aise. En le comparant a l'emploi qu'en font des locuteurs natifs, Granger en vient a la conclusion que les apprenants etrangers utilisent nettement moins de CAA, que leur choix d'adverbes est beaucoup plus limite et que des adverbes peu specifiques tels que totally ou completely sont suremployes. 7 Granger demontre aussi que les apprenants ne savent pas differencier les collocations des combinaisons peu specifiques. LORENZ s'interesse a la fa9on dont les apprenants realisent la fonction d'intensification d'adjectifs en incluant dans son analyse tous les types d'adverbes sans se limiter aux adverbes en -ly. II demontre que dans ce domaine les diffärences entre des textes rediges par des locuteurs natifs et ceux rediges par des apprenants (de langue matemelle allemande) sont moins dues aux structures grammaticales qu'a l'idiomaticite. Lorenz constate en outre que les apprenants font un emploi exagere d'intensificateurs tres frequents et generaux. Ses resultats confirment ceux de Granger. Une observation interessante est que les apprenants auraient tendance a exagerer l'emphase, ce que Lorenz explique par le fait qu'ils chercheraient a compenser le manque de precision des adjectifs qu'ils emploient parce qu'ils ne connaissent pas le terme precis (LORENZ 1999: 159). 4. Traitement lexicographique 4.1 Dictionnaires monolingues C'est pour cette raison que le traitement lexicographique des CAA a ete analyse dans plusieurs dictionnaires monolingues fran9ais (NETZLAFF 2005). La question se pose de savoir comment recenser les collocations, ou les enregistrer, soit a I' article de la base, soit a celui du collocatif. Logiquement, ce n'est qu'a l'article de la base qu'un apprenant etranger peut trouver le collocatif pour une base donnee puisque la base est forcement Süll point de depart. Diffärents dictionnaires, dictionnaires papier et electroniques, ont ete analyses : le dictionnaire d'apprentissage Dictionnaire dufran9ais (REY-DEBOVE 1999), le Nouveau Petit Robert (REY 2000), dictionnaires papier et electronique, le Tresor de la Langue Fran9aise (IMBS 1971-1994) et le Tresor de la Langue Fran9aise informatise. Pour cela, un corpus de 100 CAA tirees de corpus j oumalistiques avait ete elabore 8 • Le resultat de cette analyse est que le traitement des CAA est insuffisant dans tous les dictionnaires puisque peu de CAA y sont retenues. Les CAA y sont trop souvent introuvables parce qu' elles sont cachees a I' article du collocatif: seul l'usager qui connait deja la collocation entiere peut les y retrouver, mais pas l'usager qui ne connait pas le collocatif adequat; or 7 Granger constate aussi que les apprenants font moins de combinaisons creatives. Nous sommes d'avis que cela est normal et constitue bel et bien la diffärence entre apprenants et locuteurs natifs. 8 Les corpus electroniques Le Monde sur CD-ROM et Europresse qui, lui, englobe differents joumaux francophones d'Europe. lFJLuL 35 (2006) « Eperdument amoureux, profondement de<; u, hautement qualifie, ... » 275 c' est precisement ce demier qui consultera le dictionnaire a cette fin. Meme les systemes de recherche des dictionnaires electroniques ne permettent que rarement de trouver le collocatif inconnu pour une base donnee. Comme la collocation ne constitue pas une categorie dans le Petit Robert electronique, la recherche de collocatifs inconnus n' est pas possible. Enfin, dans le Tresor de Ja Langue Franr; aise informatise, il existe certes une telle categorie (appelee « syntagme »), qui permet, en principe, la recherche ciblee d 'une collocation, c'est-a-dire la recherche d'un collocatif inconnu, mais le nombre de CAA enregistrees et balisees comme telles est insuffisant. Le but de la comparaison de ces dictionnaires, qui est certes problematique puisqu'ils sont de taille et d'objectif tres differents, est de montrer lequel de ces dictionnaires constitue la meilleure source d'information sur les CAA : parmi les dictionnaires papier c'est le Petit Robert qui informe le mieux sur les CAA, ce qui est surtout dü au fait qu'il enregistre le plus grand nombre de CAA a l'article-base. Parmi les dictionnaires electroniques le TLFi l'emporte sur le Petit Robert electronique parce qu'il reconnait les collocations comme une propre categorie. Le bilan de cette analyse est que l'apprenant du fram; ais rencontrera de grandes difficultes pour trouver des informations sur les CAA dans les dictionnaires monolingues. 4.2 Dictionnaires bilingues Demandons-nous maintenant comment les dictionnaires bilingues fran9ais-allemand traitent les CAA. Les dictionnaires bilingues devraient, eux aussi, enregistrer un grand nombre de collocations puisqu'ils pretendent aider a l'encodage et qu'il s'est avere que les apprenants preferent consulter les bilingues plutöt que les monolingues pour tout type de traduction, donc aussi pour l'encodage. 9 Les dictionnaires bilingues fran9ais-allemand, allemand-fran9ais qu'on trouve sur le marche sont presque tous bidirectionnels et bifonctionnels, c'est-a-dire qu'ils sont destines a servir aux deux communautes linguistiques autant pour le decodage que pour I' encodage. La consequence est une microstructure tres lourde parce que contenant des informations inutiles pour une certaine situation d'utilisation ou, ce qui est plus souvent le cas, une microstructure incomplete. C'est surtout pour l'encodage en langue etrangere que les informations des dictionnaires sont souvent pauvres, en particulier l'information collocationnelle. Dans les dictionnaires bilingues, le traitement des collocations differe en partie de celui dans les dictionnaires monolingues : l'enregistrement a l'article du collocatif de la langue matemelle de l'usager y est aussi utile. L'analyse de plusieurs dictionnaires bilingues fran9ais-allemand des maisons d'edition Klett et Langenscheidt, dictionnaires papier et electroniques, a confirme le constat etabli pour les dictionnaires monolingues : le traitement des CAA est insuffisant et ne permet pas a l'usager de s'informer sur une CAA dont il ne connait que la base en langue etrangere. Le e-Handwörterbuch de Langenscheidt, dictionnaire electronique, obtient le 9 Ceci a ete demontre par exemple par ATKINSN ARANTOLA (1998), HEATHIHERBST (1985), SCHAFROTH (1995) ou ÜALISSON (1987). JFLIIL 35 (2006) 276 Marion Netzlaff resultat le plus satisfaisant panni les dictionnaires bilingues. Cette analyse a ete faite a partir de CAA allemandes, c'est-a-dire de la perspective de l'apprenant germanophone qui partirait de sa langue matemelle et chercherait des equivalents fran9ais. En resume, il n'y a pas d'ouvrage de refärence, ni bilingue ni monolingue, qui contienne des informations systematiques sur les CAA. Trop de CAA frequentes dans la langue courante ecrite manquent dans les dictionnaires. 5. Necessite d'un dictionnaire de collocations La richesse des collocations fran9aises depasse les limites inherentes au dictionnaire papier general. Pour ce format, seul un dictionnaire specialise en collocations est envisageable. I1 existe, pour l'anglais, un dictionnaire de collocations pouvant servir de modele, le Oxford Collocations Dictionary (DEUT 2002). Un tel outil pour la production en langue etrangere et meme en langue matemelle fait encore defaut pour le fran9ais. Aucun des dictionnaires de collocations, le Dictionnaire explicatif et combinatoire du fram; ais (MEL'CUK 1984), leLangenscheidts Kontextwörterbuch (ILGENFRITZ/ STEPHAN-GABI- NEL/ SCHNEIDER. 1989), le Dictionnaire d'apprentissage du fram; ais des affaires (BIN ON [ et al.] 2000), ni les projets de dictionnaires de collocations fran9ais en cours d' elaboration, le DAFLES, Dictionnaire d 'apprentissage du fram; ais langue etrangere ou seconde (BIN ON a paraitre ), le Lexique actifdu fram; ais (MEL' cUKIPOLGUERE 2005) et le projet Cologne-Nancy « Collocations » 10, ne prennent en compte les CAA en nombre satisfaisant etant donne qu'ils sont centres exclusivement ou principalement sur le nom. Comme le dictionnaire de collocations a la fonction d'aider a l'encodage, la macrostructure devrait etre composee uniquement de bases. Certes les articles de collocatifs serviraient pour etablir le champ collocationnel d'un collocatif, mais les dictionnaires de definitions remplissent deja plus ou moins bien cette fonction en traitant les collocations principalement aux articles des collocatifs. Les lemmes seraient donc des substantifs, pour lesquels on indiquerait les collocatifs verbaux et adjectivaux, des adjectifs, pour lesquels on indiquerait les collocatifs adverbiaux, et des verbes, pour lesquels on indiquerait les collocatifs adverbiaux. Comment devrait etre con9ue la structure des articles dans le dictionnaire de collocations fran9ais ? 11 est evident que les collocatifs ne doivent pas simplement etre ranges par ordre alphabetique mais d'apres un systeme. Les articles de mots polysemiques seront divises en plusieurs sous-paragraphes pour les diffärents sens du lemme. Bien que le dictionnaire de collocations ne remplisse pas la fonction explicative, il ne peut pas renoncer aux definitions, car celles-ci aident l'utilisateur a identifier la collocation dans laquelle le lemme a le sens voulu. Ce seront des definitions minimales, « sense discriminators » 11 , qui rempliront uniquement cette fonction. 1 ° Cf. http: / / www.uni-koeln.de/ phil-fak/ roman/ home/ blumenthal/ 11 C 'est Je principe du Oxford Collocations Dictionary et du Langenscheidts Kontextwörterbuch. lFLulL 35 (2006) « Eperdument amoureux, profondement dec; u, hautement qualifie, ... » 277 Pour chaque sens, on indiquera les collocations possibles, soit en entier (par exemple quand l'ordre des mots est inhabituel), soit compactees. A l'interieur d'un tel sousparagraphe, les collocatifs seront regroupes d'abord selon la morphosyntaxe, ensuite selon la fonction que remplit le collocatif. 12 Alors que le Oxford Collocations Dictionary se contente d'enumerer les collocatifs, il nous semble utile, dans certains cas du moins, d'indiquer la fonction d'un collocatif, meme si cela alourdit la microstructure. Pour ces fonctions, on pourrait s'inspirer des fonctions lexicales du DEC de Mel'cuk tout en les simplifiant, comme cela a ete fait dans le DAF A (BINON 2000) et le DAFLES (Binon a paraftre). Les fonctions devraient etre assez generales pour s'appliquer au plus grand nombre possible de mots et etre facilement comprehensibles pour l'usager. 6. Conclusion Le devoir de tout enseignant du fran9ais est de sensibiliser les apprenants au sujet des CAA pour les rendre conscients du fait que le choix du collocatif adverbial est idiomatique et qu'il n'est pas libre. Le traitement des CAA doit etre ameliore dans les dictionnaires fran9ais generaux et un dictionnaire de collocations frarn; ais qui inclurait les CAA est une necessite. La lexicographie fran9aise doit affronter le defi de combler le retard qu'elle a pris dans la lexicographie didactique du fran9ais langue etrangere, en particulier dans le traitement lexicographique des collocations. Les locutions ont, jusqu'a present, davantage suscite l'interet des linguistes et des lexicographes, alors qu'elles sont moins nombreuses et secondaires par rapport aux collocations puisqu'elles ne presentent qu'un probleme de reception et qu'elles peuvent etre evitees lors de la productiori. La lexicographie fran9aise, d'un pays « qui peut se prevaloir d'une tradition glorieuse et ininterrompue depuis le Xvne siede dans le domaine de la lexicographie monolingue » (ZöFGEN 1994: 325-326), a pris un deplorable retard par rapport a la lexicographie anglaise en matiere de dictionnaires de collocations et d'apprentissage : quand les apprenants disposeront-ils d'un dictionnaire d'apprentissage monolingue pour le fran9ais langue etrangere qui remplisse reellement la fonction de dictionnaire actif, c'est-a-dire qui foumisse les informations syntagmatiques necessaires pour l'encodage en langue etrangere? 12 Ce rangement avait ete propose par Hausmann (1979: 193) et a ete realise par exemple dans le Langenscheidts Kontextwörterbuch, ! e DAFA et le DAFLES. FLuL 35 (2006) 278 Marion Netzlajf Exemples de collocations adjectif-adverbe frequentes 13 chaudement recommande desagreablement surpris diametralement oppose directement implique entierement responsable eperdument amoureux etroitement lie fermement decide fermement oppose jinancierement dependant fortement impressionne frafchement elu genetiquement modijie Bibliographie globalement positif gravement malade grievement blesse hautement qualifie legerement blesse maladivementjaloux parfaitement heureux politiquement correct profondementchoque profondement convaincu profondement der; u strictement interdit superieurement intelligent ATKINS, B. T. Sue / V ARANTOLA, Krista (1998): "Language Learners Using Dictionaries : The Final Report on the EURALEX / AILA Research Project on Dictionary Use". In: ATKINS, B. T. Sue (ed.): Using Dictionaries. Studies of Dictionary Use by Language Learners and Translators. Tübingen: Niemeyer, 21-81. 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Die insgesamt acht Kapitel enthalten jeweils theoretische Ausführungen mit Beispielen aus der Praxis, einige festigende Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle sowie eine Liste mit weiterführender Literatur. Die Kapitel behandeln folgende Bereiche: Lerntheorien und Fremdsprachenerwerb; Lernervariablen; Lernuniversalien; Fremdsprachenerwerb; Sprache; Lehr- und Lernziele; Interkulturelle Sprachdidaktik; Medien. Darüber hinaus findet sich ein Anhang mit Lösungen zu den in den einzelnen Kapiteln aufgeführten Übungsaufgaben, einem Register und einer Liste deutschsprachiger Grundlagenliteratur. ROCHE führt in jedem Kapitel zunächst in den zu behandelnden Bereich kurz ein. Danach werden die wichtigsten Begriffe mit Hilfe von Grafiken erläutert und/ oder Beispiele für den Unterricht gegeben. Am Ende jedes Kapitels gibt es einige Übungsaufgaben und 2 bis 25 im Schnitt 12 - Angaben zu weiterführender Literatur, die sich hauptsächlich auf deutschsprachige Veröffentlichungen beziehen. Dies ist ein Aufbau, der für eine grundlegende Einführung sehr geeignet ist. Im ersten Kapitel „Lerntheorien und Fremdsprachenerwerb- Überblick" werden die wichtigsten lerntheoretischen Ansätze vorgestellt: die Grammatik-Übersetzungsmethode, das behavioristische, das kognitivistische und das konstruktivistische Verfahren, der moderate Konstruktivismus, die kommunikative Didaktik und alternative Methoden sowie einige aus heutiger Perspektive wichtige Elemente der Fremdsprachendidaktik. Der Überblick über die bedeutendsten Lerntheorien wird verständlich und mit anschaulichen Beispielen und Schemata dargeboten. Einflüsse auf die Lerntheorien aus Sprachwissenschaft und Psychologie werden jedoch kaum explizit erwähnt, und es finden sich nur selten Literaturverweise. Im zweiten Kapitel „Lernervariablen" werden relevante Faktoren der Lernerpersönlichkeit dargestellt, die einen Einfluss auf das Erlernen einer (Fremd-)Sprache ausüben. Behandelt werden dabei sowohl Personenmerkmale wie z.B. Lernfähigkeit, Lernbereitschaft, Neugier, Interesse, Motivation, emotionelle Einstellungen des Lerners-als auch die Variablen Lerntradition, Lernertyp, Alter, Sprachlernvermögen (von ROCHE als Sprachanlage bezeichnet) und Geschlecht. Auch in diesem Kapitel sind allerdings nur wenige Literaturverweise zu finden. Im dritten Kapitel „Lernuniversalien" werden Prozesse der Sprach- und Informationsverarbeitung behandelt. Nach einer Erläuterung des Aufbaus und der Funktionsweise des Gehirns wird ausführlich auf die Konstruktion von Bedeutung, die Rolle der Aufmerksamkeit, die Informationsspeicherung und die Koordination von Sprach- und Bildverarbeitung eingegangen. Anhand eines Modells der Sprachverarbeitung erläutert ROCHE die Prozesse des Sprachverstehens und der Sprachproduktion und erklärt dann, warum die Organisation des mentalen Lexikons und der Zugang zum Wortschatz beim Sprachenlernen eine bedeutsame Rolle spielen. Schließlich werden FLuL 35 (2006) 282 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel auf der Basis von den zuvor behandelten theoretischen Grundlagen didaktische Vorschläge zur Wortschatzvermittlung und Fehlerkorrektur im Fremdsprachenunterricht dargeboten. Der Schwerpunkt des vierten Kapitels „Fremdsprachenerwerb" liegt auf Studien zum natürlichen Spracherwerb, deren Ergebnisse aus Sicht RocHEs zu einem effizienteren Fremdsprachenunterricht beitragen können. Hier wird aber leider nicht auf die an verschiedenen Stellen geführte Diskussion über die (ungewisse) Relevanz dieser Studien für den Fremdsprachenunterricht verwiesen 1. Die bekanntesten Hypothesen zum Fremdsprachenerwerb, die in der Fremdsprachenforschung mehr oder weniger intensiv diskutiert wurden oder werden - Kontrastivhypothese, Identitätshypothese, Monitorhypothese, Interaktionshypothese, Pidginisierungshypothese, Akkulturationshypothese, lnputhypothese, Outputhypothese und Interlanguagehypothese -, werden berücksichtigt und verständlich beschrieben. Leider bleiben Literaturverweise hierzu jedoch aus. So wären wenigstens bei den sehr wichtigen Hypothesen wie beispielsweise bei der Interlanguagehypothese ein Verweis aufSelinker (1972) 2 und bei der Monitorhypothese sowie bei der Inputhypothese Literaturhinweise aufKrashen (1982, 1985) 3 zu erwarten gewesen. Der Beschreibung der kognitiven Entwicklung des Kindes in Anlehnung an Piaget folgt eine Zusammenfassung von Studien zu Erwerbssequenzen, die Einsichten in die Fehlerursachen von Fremdsprachenlernern liefern soll. Schließlich werden die Begriffe Mehrsprachigkeit und Input und daraus abgeleitete Empfehlungen für den Fremdsprachenunterricht einleuchtend dargestellt. Das fünfte Kapitel „Sprache" präsentiert verschiedene Möglichkeiten, Sprache als Zeichensystem zu beschreiben. Gelungen thematisiert werden Sprachnormen, Allgemeinsprache, Fachsprachen, Sprachvariation und Sprachwandel sowie die Bereiche der Sprache wie z.B. Semantik und Syntax. Unterschiedliche Beschreibungsansätze von Grammatiken sowie die Rolle der Grammatik im Fremdsprachenunterricht werden anhand von vielen praxisorientierten Beispielen eingehend erläutert. Sehr anschaulich stellt R0CHE dar, was einen Text ausmacht und welche Rolle Texte im Fremdsprachenunterricht spielen oder eigentlich spielen sollten. Außerdem hebt er die Wichtigkeit der Einbeziehung von Erkenntnissen aus der Pragmatik im kommunikativen Fremdsprachenunterricht hervor. Im sechsten Kapitel „Lehr- und Lernziele" werden für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts relevante Aspekte angesprochen. Dabei werden einerseits bildungspolitische Ziele und zu erreichende Kompetenzen anhand von Beispielen übersichtlich dargestellt und andererseits die einzelnen Fertigkeiten prozessorientiert und aus methodisch-didaktischer Sicht beschrieben. Auf einleuchtende Weise legt R0CHE dar, welche Rolle das Übersetzen im Fremdsprachenunterricht hat oder haben könnte. Bei der Behandlung der Themen Methodik und Handlungsorientierter Unterricht gibt er überzeugende Empfehlungen, wie im Fremdsprachenunterricht prozessorientiert und handlungsorientiert vorgegangen werden könnte. Vgl. z.B. Artikel 1, 2, 5, 6 und 80 in Karl-Richard BAUSCH, Herbert CHRIST und Hans-Jürgen KRUMM (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke (4., vollständig neu bearbeitete Auflage) 2003; Catherine J. DOUGHTY: "Instructed SLA: constraints, compensation, and enhancement". In: DOUGHTY, C. J. / LONG, M. H. (eds.): The Handbook of Second LanguageAcquisition. Oxford: Blackwell (2003), 256-310; Rod ELLIS: Second Language Acquisition. Oxford: Oxford University Press 1997; Peter ROBINSON: Cognition and Second Language Instruction. Cambridge: Cambridge University Press 2001; Nina SPADA: "Form-focussed instruction and second language acquisition: a review of classroom and laboratory research". In: Language Teaching 30 (1997), 73-87. 2 Larry SELINKER: "Interlanguage". In: ! RAL 10.2 (1972), 209-231. Stephen KRASHEN: Principles and Practice in Second Language Acquisition. Oxford: Pergamon 1982; Stephen KRASHEN: The Input Hypothesis: Issues and Implications. London: Longman 1985. JFLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 283 In Kapitel sieben wird der Ansatz „Interkulturelle Sprachdidaktik" ausführlich dargestellt. Dass Sprache (sowie Bilder) und Kultur untrennbar zusammengehören, wird anhand von illustrativen Beispielen gezeigt. Bei seinen Ausführungen über Interkulturelle Vermittlung macht ROCHE deutlich, von welch hoher Relevanz die Entwicklung interkultureller Kompetenz bei den Fremdsprachenlernern ist. Außerdem wird die Landeskunde aus der Sicht der interkulturellen Sprachdidaktik anhand mehrerer Praxisbeispiele (Kulturstudien, Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde, Interkulturelle/ transkulturelle Landeskunde) behandelt. Leider werden nur Beispiele im Bereich Deutsch als Fremdsprache aufgeführt, wodurch die Leser aus anderen fremdsprachlichen Bereichen sich möglicherweise weniger angesprochen fühlen. Im letzten Kapitel „Medien" werden der Einsatz von (elektronischen) Medien und deren Beitrag zum Fremdsprachenlernen in knapper Form dargestellt. Außerdem werden sowohl die Vorteile von elektronischen Medien als auch die Faktoren, die das Lernen in virtuellen Klassenverbänden fördern, anhand von Beispielen erläutert. Anschließend geht ROCHE ausführlich auf elektronische Lernplattformen ein, um dann das Thema Tandem anzureißen; wobei er jedoch nur auf das Tandem-Projekt der Universität Bochum verweist. ROCHE ist eine übersichtliche sowie verständlich geschriebene Darstellung zum Thema Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachendidaktik gelungen. Aktuelle sowie illustrative Grafiken und Beispiele unterstützen den Text. Die wichtigsten theoretischen Grundlagen werden anschaulich erklärt, und erfolgreich ist auch ROCHEs Unternehmen, Möglichkeiten darzustellen, wie sich theoretische Erkenntnisse im Fremdsprachenunterricht praktisch umsetzen lassen, indem er klare didaktische Empfehlungen mit theoretischen Grundlagen in Verbindung setzt. Leider fehlt es an vielen Stellen an Literaturverweisen, die man in anderssprachigen Einführungen zu den jeweils behandelten Themen zumeist findet4, und an einigen theoretischen Hintergründen, insbesondere zum gesteuerten Fremdsprachenerwerb. Dazu kommt, dass sowohl die Literaturangaben am Ende jedes Kapitels als auch die empfohlene Grundlagenliteratur im Anhang sich größtenteils auf deutschsprachige Veröffentlichungen beschränken. Ebenso beziehen sich die didaktischen Empfehlungen vor allem auf den Unterricht Deutsch als Fremdsprache, wodurch Lehrende anderer Fremdsprachen etwas zu kurz kommen. Das soll aber ROCHEs Verdienst nicht schmälern, denn sein Buch ist eine empfehlenswerte Einführung in das Gebiet des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen insbesondere des Deutschen als Fremdsprache. Marburg L! SANNE KLEIN GUNNEWIEK Britta HUFEISEN, Madeline LUTJEHARMS (Hrsg.): Gesamtsprachencurriculum - Integrierte Sprachendidaktik - Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung. Tübingen: Narr 2005 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 148 Seiten [26,00 €] Geduld wird belohnt! Denn ein Sammelband zum wichtigen Thema ,Gesamtsprachencurriculum' liegt nun vor. Der Begriff ,Gesamtsprachencurriculum' (auch ,Integrierte Sprachendidaktik' genannt) wird im ersten Beitrag erläutert: "Damit ist gemeint, dass wir die verschiedenen Sprachen in einem Lernumfeld, in Individuen, in Curricula nicht mehr getrennt betrachten, sondern den 4 Vgl. z.B.: Keith JOHNSON: An Introduction to Foreign Language Learning and Teaching. London: Longman 2001; Diane LARSEN-FREEMAN, Michael H. LONG: An Introduction to Second Language Acquisition. New York: Longman 1991; Juana M. LICERAS: La adquisicion delas lenguas extrariferas, Madrid: Visor 1991; Patsy M. LIGTHBOWN, Nina SPADA: How Languages are Learned. Oxford: Oxford University Press 1999; Anne VERMEER, Rene APPEL: Tweede-Taalverwerving en Tweede-Taalonderwijs. Bussum: Coutinho 1994. FLuL 35 (2006) 284 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Forschungsergebnissen der Spracherwerbsforschung folgend sie als Teile eines Ganzen, einer Einheit wahrnehmen. Die Veränderungen einer der involvierten Variablen kann eine Änderung des gesamten Prozesses nach sich ziehen" (HUFEISEN, S. 9). Der Band bietet einen guten Überblick über die bisherigen Entwicklungen im Bereich des Sprachencurriculums in Richtung einer Integrierung der (in einer Institution oder einer individuellen Sprachenbiografie) vorhandenen Sprachen miteinander oder mit anderen Fächern - Entwicklungen, die zur Konzeption eines Gesamtsprachencurriculums, einer integrativen Sprachendidaktik oder eines Common Curriculum führen. In den Beiträgen geht es um Entwicklungen sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern, in denen es vorbildliche Initiativen in diesem Bereich gibt (Irland, Schweiz und Belgien). Der Sammelband gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil führen die beiden Herausgeberinnen in den Band ein. Der zweite Teil enthält Beiträge zu theoretisch-allgemeinen, sprachenpolitischen und curricularen Aspekten. Die Beiträge des darauf folgenden angewandten, didaktisch-methodischen dritten Teils befassen sich mit Grundsätzlichem sowie mit Fallbeispielen und empirischen Projekten. Im vierten Teil schließt LUTJEHARMS den Band mit einer Art Zusammenfassung aller Beiträge und einen Blick auf Zukunftsperspektiven ab. Im ersten Beitrag beschreibt Britta HUFEISEN sehr überzeugend das Sich-Abzeichnen eines Paradigmenwechsels in der Spracherwerbsforschung und einer curricularen Trendwende. Dies untermauert sie zum einen anhand eines anschaulichen Überblicks über rezente Spracherwerbsmodelle, die im Gegensatz zu den bisherigen mehr als zwei Sprachen mit einbeziehen und die nicht implizieren, dass jeder weitere Spracherwerb wie der Erwerb der ersten Fremdsprache verläuft. Zum anderen zeigt sie das Sich-Abzeichnen einer curricularen Trendwende, indem sie neuere Entwicklungen didaktisch-methodischer Konzepte vorstellt, die die Sprachen in einer Institution oder in einem Individuum nicht mehr getrennt voneinander betrachten: So werden z.B. in der Lehrerausbildung Lehrveranstaltungen phasenweise fächerübergreifend angeboten, und im Fremdsprachenunterricht wird auf alle im Kopf der Lernenden vorhandenen Sprachen zurückgegriffen. Bei der Entwicklung eines Gesamtsprachencurriculums bedarf es laut HUFEISEN des Zusammenspiels folgender Akteure und Institutionen: Sprachenpolitik, Spracherwerbsforschung, Lehreraus- und -fortbildung, Curriculumentwicklung, Lehrmaterialentwicklung, Didaktik und Methodik sowie Unterrichtspraxis. HUFEISEN plädiert dafür, dass ein Gesamtsprachencurriculum den planerischen Rahmen schaffen müsse, in dem „die VertreterInnen der jeweiligen Sprachen untereinander und die VertreterInnen der Sprach- und Sachfächer miteinander arbeiten können" (S. 13). Für den Schulalltag hieße dies u.a., dass die Fremdsprachenkonferenzen fächerübergreifend und gemeinsam mit Lehrenden von bilingual unterrichteten Sachfächern stattfinden, dass alle Fremdsprachenlehrenden sich auf eine einheitliche grammatische Terminologie einigen und sich auf gleiche Konzepte zu Lerntechniken und -strategien, Sprach- und Lernbewusstmachungsstrategien beziehen, dass sprachenübergreifende Projekte sowie Fremdsprachen und andere Fächer verzahnende Unterrichtsprojekte organisiert werden, dass Lehrende verschiedener Sprachen ihren Unterricht eng aufeinander abstimmen und dass alle Lehrenden über Kenntnisse in der Didaktik und Methodik von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) verfügen, um allen Lernenden gerecht werden zu können. Außerdem sollte sich nach Ansicht der Autorin die Standardbeschreibung eines solchen curricularen Rahmens am Europäischen Referenzrahmen orientieren und Sprachenportfolio, TANDEM und Lernberatung mit einbeziehen. HUFEISEN schließt ihren Beitrag mit einem spannenden Ausblick: dass im Rahmen eines curricular verankerten Mehrsprachigkeitskonzepts Sprachen anders, aber auch mehr Sprachen gelernt werden und dass Sprachen nicht miteinander konkurrieren, sondern aufeinander aufbauen und alle Muttersprachen (Deutsch und Herkunftssprachen) sowie DaZ miteinbezogen werden. FLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 285 Monika METTLER stellt in ihrem klar strukturierten Beitrag das Schweizer Gesamtsprachenkonzept vor. Einleitende Bemerkungen zum schweizerischen Bildungswesen beziehen sich auf die landesspezifische Situation der Mehrsprachigkeit sowie auf das föderalistische Bildungssystem. Anschließend wird die Entstehung des Gesamtsprachenkonzepts (durchgängig als GKS von Mettler abgekürzt) zusammenfassend dargestellt, das in der Schweiz in breiten Kreisen diskutiert wurde und der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) zur Formulierung von politischen Empfehlungen zur Koordination des Sprachenunterrichts in der obligatorischen Schule diente. Diese Empfehlungen wiederum stellen für die Kantone eine Planungshilfe dar. Darauffolgend erläutert METTLER die Grundsätze des Sprachenkonzepts, die sich auf die Auswahl und Reihenfolge der zu erlernenden Sprachen sowie auf die zu Grunde liegenden Ziele beziehen. Dabei liegt die Priorität in der Entwicklung der Erstsprachen, d.h. in der ersten und in einer zweiten Landessprache. Außerdem sollen die schweizerischen Lernenden mindestens zwei Fremdsprachen lernen und die Gelegenheit haben, fakultativ eine dritte Fremdsprache zu lernen. Die Ziele des Schweizer Sprachenkonzepts orientieren sich am Europäischen Referenzrahmen und geben die zu erreichenden Kompetenzniveaus an, die für die verschiedenen Sprachen unterschiedlich hoch angesetzt werden. METTLER hebt hervor, dass das GKS die Förderung der Migrationssprachen vorschlägt, dies aber auf Ablehnung gestoßen ist. Außerdem listet sie auf, welche Mittel und Wege in der Schweiz genutzt werden (sollen), um den Fremdsprachenunterricht qualitativ zu verbessern: die Förderung des metalinguistischen Bewusstseins ab dem Kindergarten, eine integrierte Sprachendidaktik, Formen des außerschulischen Lernens (z.B. Austauschprogramme), die gezielte Anwendung verschiedener Sprachlehrund-lernformen sowie eine regelmäßige Evaluation des Sprachunterrichts. Diese Ziele sollen bis 2012 (und bis 2016/ 17 vollständig) umgesetzt werden. Dazu sind noch Anpassungen in verschiedenen Bereichen nötig, z.B. in der Lehreraus- und -fortbildung, bei den Lehrmitteln und Ressourcecentren sowie im Hinblick auf die Entwicklung einer Didaktik der Mehrsprachigkeit. Vorhaben des GKS, die in der Schweiz derzeit umgesetzt werden, sind eine Bewusstseinsbildung für die Bedeutung der Mehrsprachigkeit, die Vorverlegung des Beginns des Fremdsprachenunterrichts auf das dritte Schuljahr, eine Integration der Konzepte ,language awareness' und ,Immersion' in den Unterricht, die Entwicklung von kantonalen Konzepten in Übereinstimmung mit dem Schweizer GKS sowie die Anpassung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an das GKS. Schließlich erwähnt die Autorin einige Hindernisse bei der Umsetzung des GKS, die im Kern Uneinigkeit und Widerstand in der Praxis bezüglich einiger Vorschläge des GKS zum Ausdruck bringen. Hans-Jürgen KRUMM hält ein überzeugendes Plädoyer zur Notwendigkeit der Entwicklung einer curricularen Mehrsprachigkeit, in der die Minderheiten-, Migranten- und Nachbarsprachen einbezogen werden. Anhand des ,Arbeitsprogramms des Europäischen Rates zur Umsetzung der Ziele der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung im Hinblick auf das Jahr 2010' stellt er zunächst fest, dass das darin festgehaltene Ziel, Europas Mehrsprachigkeit zu sichern, indem europäische Bürger mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen, nur unzureichend verfolgt wird. In Österreich und in der Bundesrepublik werde die Mehrsprachigkeitsvermittlung meist von der englischen Sprache dominiert, gefolgt von Französisch, wohingegen andere Sprachen wie die Minderheitensprachen, Sprachen der Zuwanderer oder Sprachen der mittel-, süd- und osteuropäischen Nachbarländer eher vernachlässigt würden. Drei Begründungen können laut Krumm diese Entwicklung, d.h. das Misslingen von Mehrsprachigkeit im Bildungswesen, erklären: Zunächst bemängelt er die Einführung des Englischen als erste Fremdsprache, die durch ihren leichten Zugang und ihre universelle Anwendbarkeit für das Erlernen weiterer Sprachen demotivierend wirken kann. Weiterhin sieht er als Manko die ungenutzten Möglichkeiten der vorhandenen Mehrsprachigkeit unter den Schülern. Als Drittes spricht er den unterschiedlichen Status von Sprachen an, denn es seien vor allem nützliche Sprachen, die die Menschen lernen wollen. AnlFLulL 35 (2006) 286 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel schließend plädiert Krumm für eine Sprachenpolitik auf allen Ebenen, die die Mehrsprachigkeit im Bildungswesen verwirklichen könnte. Sein Plädoyer unterstützt er mit praktischen Empfehlungen. Außerdem führt er an drei Punkten aus, aufweiche Weise ein Umdenken in der Sprachlehr- und Spracherwerbsforschung sowie in der Fremdsprachendidaktik stattfinden müsse, damit eine curriculare Mehrsprachigkeit funktionieren kann. Als ersten Punkt nennt Krumm die Notwendigkeit, Sprachlehr- und Sprachlernprozesse vielsprachiger Menschen intensiver zu erforschen; als zweiten Punkt die Abwendung von der weit verbreiteten Orientierung an der Sprachbeherrschung der Muttersprachler sowie an dem Modell des monolingualen Muttersprachlers. Als dritten Punkt führt er die Notwendigkeit auf, die Defizithypothese und die Forderung der ,Near Nativeness' für den Sprachlernprozess zu korrigieren. Schließlich folgen einige Vorschläge zur konkreten Umsetzung der curricularen Mehrsprachigkeit. Diese betreffen nicht nur die Sprachenpolitik und die Bildungsverwaltung, sondern auch den fremdsprachlichen Unterricht sowie die Lehreraus- und fortbildung. Waltraud HOFMANN (vom hessischen Kultusministerium) gibt in ihrem Beitrag einen Einblick in die (Fremd-)Sprachenpolitik des Bundeslandes Hessen. Sie beschreibt, welche sprachlichen Angebote hessischen Schülern gemacht, welche Wege beschritten und Ziele verfolgt werden (sollen) und welche Schwierigkeiten in der Praxis zu bewältigen sind. Der hessische Ansatz von Mehrsprachigkeit orientiere sich am Europäischen Referenzrahmen, was „einen Paradigmenwechsel im Spracherwerb und somit auch im Fremdsprachenunterricht" bedinge (S. 38). Dies bedeutet, dass der Fremdsprachenunterricht noch gezielter auf kommunikative Basiskompetenzen fokussieren sollte und eine gezielte Qualifizierung der Lehrerinnen gewollt sei. Ein wichtiges Ziel ist die möglichst frühzeitige Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache, damit alle Kinder schon am ersten Schultag Deutsch sprechen. Außerdem sollen Kinder mit Migrationshintergrund zur Förderung ihrer gesellschaftlichen Integration zusammen mit Kindern deutscher Muttersprache unterrichtet und zu den gleichen Abschlüssen geführt werden. Auf der einen Seite soll die Unterrichtssprache Deutsch zur Förderung der gesellschaftlichen Integration von Kindern nicht-deutscher Muttersprache beitragen; auf der anderen Seite soll das frühe Fremdsprachenlernen für interkulturelle Kommunikation sensibilisieren und zu Toleranz sowie Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen und Sprachen beitragen. Das frühe Fremdsprachenlernen wird als „Grundlage für die Erziehung zur Mehrsprachigkeit, die Basis für lebenslange Sprachlernbereitschaft" (S. 40) gesehen. Darüber hinaus präsentiert die Autorin anhand von Tabellen das fremdsprachliche Bildungsangebot der Sekundarstufen I und II an hessischen Schulen, wobei die angebotenen Fremdsprachen sowie die Sprachenwahl der Schüler und bilinguale Bildungsangebote für Gymnasium, Mittleren Bildungsgang und Grundschule aufgeführt werden. In allen Tabellen ist die Dominanz der Fremdsprache Englisch festzustellen, sowohl als angebotene wie auch als gewählte Fremdsprache. Und da Englisch eher als eine lingua franca gilt, könnte das politische Ziel der Erziehung zur Mehrsprachigkeit und der Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen in Hessen schwer erreichbar sein. Statt mit einer Schlussfolgerung beendet HOFMANN ihren Beitrag mit einigen Vorschlägen zur Verbesserung der (Fremdsprachen-)Lehrerbildung, die sie stichwortartig aufführt (Einführung eines Auslandssemesters als integraler Bestandteil der Lehrerbildung, Entwicklung von Didaktiken für den bilingualen Unterricht u.a.). Muiris 6 LAOIRE beschreibt in seinem interessanten Beitrag zunächst die Struktur des irischen Schulsystems, um danach ausführlicher über das irische (Fremd-)Sprachencurriculum und dessen Umsetzungen in die Praxis innerhalb der letzten 15 Jahre und schließlich über neue Entwicklungen zu berichten. Ein wichtiges Thema im irischen Fremdsprachencurriculum ist das Verhältnis zwischen Englisch und Irisch als Ll bzw. L2 und der dritten und vierten Sprachen, zu denen u.a. Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch gehören. Der Mitte der l 980er und Anfang der lFLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 287 1990er Jahren eingeführte Lehrplan für die dritten und vierten Sprachen (d.h. erste und zweite Fremdsprachen) enthält Inhalte, die auf einem kommunikativen Ansatz basieren. In der Oberstufe sollen z.B. Konzepte wie ,language awareness' und ,cultural awareness' vermittelt werden allerdings scheint die Vermittlung dieser Konzepte in der Praxis wenig Anklang zu finden. Folglich besteht das Problem der isolierten Vermittlung der Fremdsprachen ohne jeden Bezug auf die Ll und L2 (Englisch und Irisch). Wie diesem Zustand entgegegengewirkt wird, erläutert 6 LAOIRE anhand von mehreren seit Ende der 1990er Jahren durchgeführten Studien zum förderlichen Einfluss des metalinguistischen Bewusstseins auf das Lernen (von Fremdsprachen). In seiner Schlussfolgerung erwähnt er das Mehrsprachigkeitsmodell von HERDINAIJESSNER (2001 ), das die Weiterentwicklungen des Sprachencurriculums beeinflusst. Außerdem nennt er einige fortschrittliche Initiativen im Bereich der Grundschule und der Sekundarstufe, die „hopeful signs of movement towards a more dynamic view of multilingualism being implemented in our classroom" (S. 49) darstellen. Schließlich plädiert er für weitere und systematische Forschung zur Mehrsprachigkeit und zu den irischen Lernenden, die alle drei Sprachen lernen. Gerhard NEUNER nennt in seinem praxisorientierten Beitrag zuerst zwei grundlegende sprachenpolitische Empfehlungen zum Mehrsprachigkeitsskonzept im europäischen Rahmen (bessere Kenntnis moderner europäischer Fremdsprachen, Schutz der Sprachen und Kulturen in Europa). Daraus leitet er sieben überzeugende Perspektiven für die Auswahl und Gewichtung der Fremdsprachen im schulischen Bereich ab. So plädiert eru.a. dafür, Englisch als Folge-und nicht als erste Fremdsprache und nicht nur zahlenmäßig stark vertretene Sprachen, sondern auch z.B. Nachbar- und Nachbarschaftssprachen anzubieten. Anschließend geht er der Frage nach, wie sich die sprachenpolitischen Vorgaben des Europarats mit der Sprachenpolitik der Schweiz abstimmen lassen. Dabei stellt er fest, dass ein neuartiges didaktisch-methodisches Gesamtkonzept des integrierten Sprachenlernens entwickelt und auf dieser Grundlage eine spezifische Tertiärsprachendidaktik entfaltet werden muss. Im Anschluss daran erörtert NEUNER sehr ausführlich die Grundzüge der Tertiärsprachendidaktik und -methodik. Dabei zieht er als Beispiel das Sprachenangebot in den Schulen der Westschweiz heran, wo Französisch als Muttersprache, Deutsch als erste und Englisch als zweite Fremdsprache angeboten werden. Bei der Tertiärsprachendidaktik soll der Grundsatz gelten, dass alle im Schulbereich zeitlich nacheinander einsetzenden Sprachen so gelehrt und gelernt werden, "dass sie nicht isoliert voneinander bleiben, sondern aufeinander bezogen sind und aufeinander aufbauen und so die sprachliche Kommunikationsfähigkeit der Lernenden insgesamt beständig erweitern" (S. 57). Anhand von anschaulichen Beispielen geht NEUNER auf einige Grundlagen zur Planung des Gesamtsprachencurriculums und zur Entwicklung des didaktischen Mehrsprachigkeitskonzepts ein: Entfaltung von deklarativem Wissen (durch Vergleich der Sprachsysteme von L 1, L2 und L3, Interkulturelles Lernen u.a.) und Entfaltung von prozeduralem Wissen (z.B. durch Entwicklung des Sprachlernbewusstseins). Aus den skizzierten Grundlagen werden folgende sechs Prinzipien der Tertiärsprachendidaktik und-methodik am Beispiel der Konstellation L2 Englisch - L3 Deutsch abgeleitet und erläutert Kognitives Lehren und Lernen (Vergleichen und Besprechen), vom Verstehen zur Äußerung t! Besprechen/ Diskutieren), Inhaltsorientierung, Textorientierung, Ökonomisierung des Lernprozesses und Aktivierung der Lernenden. Auf Grundlage dieser Ausführungen schließt N euner auf ein besonderes Profil der Tertiärsprachendidaktik bei der Konstellation ,Englisch nach Deutsch', bei dem Veränderungen der Progression der Lehrstoffe vor allem im Anfangsunterricht-, der Unterrichtsmethodik (z.B. zweisprachige/ dreisprachige Wortschatzarbeit) und der Profilbildung bei der Entwicklung der sprachlichen Fertigkeiten (z.B. diskursives Sprechen neben partnerbezogenem Sprechen) vorgenommen werden (sollten). Christine LE P APE RACINE berichtet über ein interessantes einjähriges Projekt (2002-2003), in dem französischsprachige Kinder im Kanton Neuenburg (Schweiz) im Kindergarten sowie in der lFLulL 35 (2006) 288 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 1. und 2. Klasse in einem frühen Minimal-Immersionsprogramm Deutschunterricht erhielten, mit dem Ziel, die Begegnung mit der Nachbarsprache Deutsch und auf spielerische Art und Weise das Hörverstehen, die Aussprache sowie .den Erwerb realistischer kultureller Repräsentationen zu fördern. Die Autorin stellt die äußeren Rahmenbedingungen und Variabeln von immersivem Unterricht anhand einer Tabelle dar und beschreibt anschaulich den Verlauf des Projektes, einschließlich vieler der behandelten Themen und Aktivitäten in den einzelnen Lerngruppen. Anschließend geht sie ausführlich auf die Anwendung der Methode im Unterricht ein, wobei sie die didaktische Behandlung der kommunikativen Fertigkeiten, des Wortschatzes und der Grammatik nachvollziehbar wiedergibt. Sie nennt einige Erkenntnisse und Phänomene, die sich während des Projekts ergeben bzw. gezeigt haben, wie z.B. die Übertragung des französischen Akzents der Kinder auf die deutschen Lehrpersonen, deutsch-französische Unterschiede in der Unterrichtskultur und im Lehrplan, Unterschiede in der Lehrer-Schüler-Beziehung und Unterschiede in den Traditionen. Als Ergebnis wird u.a. festgehalten, dass die Zielsetzungen bei den Kindern in unterschiedlichem Maße erreicht wurden"... viele Kinder haben Freude gezeigt und viel gelernt, für andere war der Deutsch-Unterricht eine unangenehme Pflicht", S. 84) und dass die Kinder im folgenden Fremdsprachenunterricht weniger Angst vor der Sprache und dem Sprachenlernen hatten, woraus die Autorin schließt, dass die Sensibilisierung ohne Druck und Noten durchaus erfolgreich war. Ingrid GüGOLIN beschäftigt sich in ihrem informativen Beitrag mit der bilingualen Literalisierung. Zunächst berichtet sie über den Stand der Bildungsforschung und der Zweisprachigkeitsforschung im Hinblick auf Leistungsdisparitäten zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Dabei erinnert sie an die u.a. durch die PISA-Ergebnisse deutlich gewordene Tatsache, dass das deutsche Bildungssystem erhebliche Schwächen im Hinblick auf die schulische Förderung von Schüler/ innen mit Migrationshintergrund aufweist, und erwähnt u.a. ein Ergebnis aus der Internationalen Grundschul-Leseuntersuchung, nach dem Deutschland zu der Ländergruppe gehört, "die die höchste Leistungsdifferenz zwischen den Kindern aus zugewanderten Familien und denen ohne Migrationshintergrund erzeugt" (S. 90). Darüber hinaus gibt die Autorin wichtige Forschungsergebnisse zur schulischen Sprachförderung und zweisprachigen Entwicklung wieder. So hätten sich in einschlägigen Untersuchungen die Merkmale zweitsprachenspezifischer Fördermaßnahmen als einflussreiche Faktoren auf den Schulerfolg erwiesen, und in mehreren Studien sei das Bestehen eines engen Zusammenhangs zwischen dem Erwerb einer Zweitsprache und dem der jeweiligen Erstsprache festgestellt worden. GOGOLIN listet kurz auf, unter welchen Bedingungen die Förderung in der Erst- oder Familiensprache positive Auswirkungen hat. Dies sei dann der Fall, wenn z.B. der Unterricht beider Sprachen möglichst koordiniert vonstatten geht und eine Dauer von etwa sechs Jahren hat; am besten schneiden nach Aussage der Autorin aber diejenigen bilingualen Modelle ab, "die einen kontinuierlichen Unterricht in beiden Sprachen anbieten" (S. 93). Im Anschluss an diese Ausführungen stellt Gogolin einen vielversprechenden Modellversuch zum bilingualen Unterricht in Hamburg vor, dessen Ziel die Literalisierung in den beiden unterrichteten Sprachen ist, wobei .es sich um die Sprachenpaare Deutsch und eine ,mitgebrachte' Sprache von Zuwanderern, z.B. Italienisch, Portugiesisch, Spanisch oder Türkisch handelt. Am Beispiel einer deutsch-portugiesischen Schule werden die bisher gemachten Beobachtungen und Resultate zur Entwicklung von Literalität in beiden Sprachen geschildert. So sei z.B. "bei den Schriftsprachenproduktionen am Ende des zweitens Schuljahres ein leichter Kompetenzvorsprung der zweisprachigen Kinder mit lebensweltlich erworbenen Kompetenzen in beiden Sprachen feststellbar" (S. 97), und es gebe ein Indiz dafür, "dass die Kompetenzen im Schriftlichen eher eine Aussage über die allgemeine Sprachkompetenz der Kinder zulassen als ihre sprechsprachlichen Fähigkeiten" (S. 97). Daraus wird die These abgeleitet, "dass frühe Schriftorientierung das Sprachlernen im Sinne schulischer Leistungsfähigkeit nachdrücklicher unterstützt lFJLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 289 als die Entwicklung mündlicher Fähigkeiten" (S. 98), die in weiteren Untersuchungen verfolgt wird. Am Schluss des Beitrags stellt die Autorin fest, dass die bisherigen Resultate die aus der internationalen Forschung vorliegenden Ergebnisse bestätigen: "Koordinierte Literalisierung in beiden Sprachen scheint ein erfolgversprechender Weg der Sprachentfaltung bei Kindern mit Migrationshintergrund zu sein" (S. 98). Siegfried SEYLER beschreibt in seinem Beitrag eingängig eine mögliche Umsetzung der Zielsetzung der individuellen Mehrsprachigkeit in die Praxis am Beispiel der Europaschule Gladenbach. Zunächst gibt er den Hintergrund und die bildungspolitischen Ziele kurz wieder. Seit 1994 wird Englisch ab dem 1. Schuljahr und seit 1989 wahlweise Französisch ab dem 3. Schuljahr im Sinne eines europaorientierten Curriculums unterrichtet, damit die Schüler/ innen u.a. mit anderen europäischen Schüler/ innen korrespondieren und so andere kulturelle Traditionen kennen lernen können. Parallel zur Einführung des Englischen im ersten Schuljahr wurden 1994 bilinguale Klassen im Gynmasialzweig eingerichtet, in denen die Fächer Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde im Wechsel auf Englisch unterrichtet werden. Frühenglisch im Wahlpflichtangebot des bilingualen Zuges wird verstärkt fortgesetzt, was größtenteils auch für den Realschulzweig gilt, in dem seit 1999 die Fächer Sozialkunde und Arbeitslehre auf Englisch zur Wahl angeboten werden. Nach der erfolgreichen Einführung von Englisch ab dem 1. Schuljahr sollte dann ein Gesamtsprachenprogramm entwickelt werden, das einerseits den Gegebenheiten einer kooperativen Gesamtschule mit Grundschulen im Verbund und andererseits den Anforderungen eines modernen Fremdsprachenunterrichts genügt. Ausgehend von der ,Weilburger Erklärung' des Hessischen Kultusministeriums (2001) zielt das Sprachprogramm der Europaschule Gladenbach darauf ab, dass europäische Bürger neben der Muttersprache über Kenntnisse in zwei Fremdsprachen verfügen. Dabei kommt der Einbeziehung der Herkunftssprachen der Schüler/ innen im Rahmen eines integrativen Mehrsprachigkeitskonzepts eine große Bedeutung zu so werden z.B. Russisch und Türkisch (für Muttersprachler) als zweite Fremdsprache in Klasse 5 angeboten. Darüber hinaus listet der Autor weitere Entwicklungsabsichten des integrativen Mehrsprachigkeitskonzepts auf, wobei zusammengefasst versucht wird, "Synergieeffekte im Sprachenlernen durch unterschiedliche Progressionen und curriculare Schwerpunktsetzungen zu erzielen" (S. 103). Anschließend diskutiert SEYLER eine mögliche Übertragbarkeit des Gladenbacher Modells auf verschiedene Schulformen, Regionen oder ganz Deutschland, wobei er wohl überlegt verschiedene Aspekte anspricht. Im abschließenden Ausblick werden die laufenden Entwicklungsschritte der Umsetzung des integrativen Mehrsprachigkeitskonzepts vorgestellt. Als Anlage ist der Schulversuchsantrag ,Fremdsprachenfolge und Mehrsprachigkeit an der Europaschule und im Schulverband' angehängt (S. 106-117). Katja LOCHTMAN gibt in ihrem Beitrag einen guten Überblick über den (mehrsprachigen) Fremdsprachenunterricht in Belgien, sowohl über den state-of-the-art als auch über zukünftige Perspektiven. Die übliche Form des belgischen Fremdsprachenunterrichts sei (noch) die traditionelle. Diese Situation wird auf die (sprach-)politische Geschichte Belgiens zurückgeführt und auf die Tatsache, dass Sprachgesetze aus den 1960er Jahren noch jetzt die Organisation des dort vorherrschenden Fremdsprachenunterrichts beeinflussen. Obwohl Belgien ein dreisprachiges Land ist, werde dies bislang (noch) kaum für eine mehrsprachigkeitsbasierte Fremdsprachendidaktik genutzt. Die Autorin weist daraufhin, dass das ,Weißbuch der Europäischen Kommission' von 1995, in dem die Bedeutung der (individuellen) Mehrsprachigkeit der europäischen Bürger (Ll plus zwei Fremdsprachen) hervorgehoben wird, u.a. 1998 in der Französischen Gemeinschaft zu einem Dekret führte, das Schulen ermöglicht, bilingualen Sachfachunterricht anzubieten. Auch die Lage in Flandern ändere sich, denn seit April 2004 dürfen in der Grundschule neben Französisch auch andere Fremdsprachen in den Klassen 5 und 6 unterrichtet werden. Unter dem Begriff ,mehr- FLuL 35 (2006) 290 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel sprachiger Unterricht' (MSU) wird in Belgien gefasst, was in Deutschland unter dem Begriff ,bilingualer Sachfachunterricht' verstanden wird. Beim MSU werden die Fächer Geschichte oder Geographie in einer anderen Sprache als in der L1 unterrichtet, wobei es sich um eine Form des inhalts- oder erfahrungsbezogenen Fremdsprachenunterrichts handelt. Darüber hinaus wird der MSU in Belgien als eine Kombination von Immersionsunterricht und traditionellem Fremdsprachenunterricht, die parallel organisiert werden, sowie als ein erfahrungsbezogener Fremdsprachenunterricht auf kognitiver Grundlage verstanden. Im Anschluss an diese Ausführungen beschreibt LOCHTMAN einige schon vorhandene neue Wege im belgischen Fremdsprachenunterricht, d.h. Entwicklungen im Bereich des MSU. Sie berichtet über Projekte mit Migrantenkindern, die schon seit Anfang der 1980er Jahren praktiziert werden, und über jüngere Projekte für den MSU, wie z.B. das Projekt STIMOB, in dem niederländischsprachige Grundschulen in Brüssel im ersten und zweiten Schuljahr den Mathematikunterricht sowohl auf Niederländisch als auch auf Französisch organisieren. Außerdem präsentiert die Autorin erste Forschungsergebnisse zum belgischen MSU: Einige Studien deuten z.B. darauf hin, dass Zweisprachigkeit keinen negativen Einfluss auf die Intelligenz hat, dass Zweisprachige insgesamt keinen Rückstand, sondern sogar eine höhere kognitive Flexibilität aufweisen als Einsprachige. Außerdem wird auf eine kleine Studie verwiesen, in der sich gezeigt hat, dass die zweisprachigen - Schüler/ innen aus dem MSU sowohl im Hinblick auf Sachkenntnisse als auch hinsichtlich der Beherrschung der L1 statistisch nicht signifikant schlechter abschneiden als Schüler/ innen im monolingualen Unterricht. Schließlich erwähnt Lochtman den Einfluss der zweisprachigen Bürgerinitiative zur Förderung der Mehrsprachigkeit in ganz Belgien, was Anlass zur Hoffung für die Zukunft gibt. Franz-Joseph MEißNER kritisiert in seinem Beitrag u.a. die zögerliche Umsetzung der europäischen Sprachpolitik in Bezug auf die Anwendung der Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Praxis. Er weist darauf hin, dass insgesamt neben der lingua franca Englisch kaum andere Fremdsprachen gelernt werden und dass das deutsche Schulwesen „statistisch nur eingeschränkt den Leitlinien der Europäischen Union" entspricht (S. 129). Meißner nennt mehrere positive Auswirkungen des Mehrsprachigkeitsbzw. des Interkomprehensionsunterrichts auf das Fremdsprachenlernen und bemerkt, dass ein erfolgreicher Mehrsprachigkeitsunterricht das Erlernen von zwei modernen Fremdsprachen voraussetzt. Darüber hinaus geht er ausführlich auf lehrseitige Defizite ein und verbindet dies mit Impulsen für die Lehreraus- und -fortbildung sowie für die Optimierung des Fremdsprachenunterrichts. Dabei führt er erstens verschiedene Nachteile des traditionellen im Vergleich zum mehrsprachigkeitsbasierten Fremdsprachenunterricht auf, wie z.B. die nur schwache Förderung des Fremdensprachenlernens. Zweitens spricht er die vermeintliche Begrenztheit der Mehrsprachigkeit auf Seiten der Lehrenden an und verweist auf deren methodische Unsicherheit im Umgang mit den Lehrverfahren der Mehrsprachigkeitsdidaktik, die er auf eine mangelnde Vermittlung der Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Aus- und Fortbildung sowie in den aktuellen Lehrwerken der romanischen Sprachen und des Englischen zurückführt. Abschließend erwähnt MEißNER im Kapitel ,Ausblick' die Absicht, "die Interkomprehensionsmethode innerhalb eines Lehrernetzwerks Mehrsprachenunterricht auszubauen und empirisch zu beschreiben" (S. 134). Madeline LUTJEHARMS fasst in ihrem Beitrag die bisherigen Entwicklungen im Bereich der Mehrsprachigkeit, der integrierten Sprachendidaktik und des schulischen Fremdsprachenunterrichts zusammen, wobei sie mehrmals Bezug auf die Beiträge des Sanunelbandes nimmt. Im Kapitel ,Mehrsprachigkeit in Europa' verweist sie u.a. darauf, dass gegenwärtig in fast jedem europäischen Staat viele Zwei- und Mehrsprachige leben und dass bei der Förderung der Mehrsprachigkeit „oft die Einbeziehung der Herkunftssprachen als Zielsetzung" gilt (S. 137). In dem sich anschließenden Kapitel werden Faktoren aufgeführt, die den (Fremd-)Sprachenerwerb motivieren. Dabei verweist LUTJEHARMS sowohl auf schon im Sanunelband genannte motivationale Faktoren, wie z.B. die FLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 291 Nützlichkeit, der Status, das Image und der Klang einer Sprache, als auch auf die positiven Auswirkungen von z.B. dem Setzen von Nahzielen, der Pflege der Herkunftssprachen und des bilingualen Unterrichts (in dem die jeweilige Landessprache und eine Herkunftsbzw. Nachbarsprache unterrichtet werden). Anschließend erinnert die Autorin daran, dass „dem Zweit- und Fremdsprachenerwerb besonders in mehrsprachigen Ländern viel Bedeutung beigemessen wird" (S. 139) und dass in (offiziell) einsprachigen Gebieten das Interesse für die Mehrsprachigkeit der Schüler/ innen durch den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen sowie die Empfehlungen von Europarat und EU deutlich erhöht wurde. Sie betont jedoch, dass die Sprachenwahl noch stark traditionsorientiert und Englisch meistens die erste Fremdsprache ist, aber auch Beispiele von variiertem Sprachangebot in der Schulpraxis zu finden sind. Im vierten Kapitel schneidet sie das Thema ,Alter beim Fremdsprachenerwerb' an. Dabei verweist LUTJEHARMS u.a. auf gemachte Erfahrungen sowie aufschon in den Beiträgen des Sammelbandes erwähnte - Vorschläge und auf weitere Studien zu diesem Thema. Außerdem nennt sie auch einige Faktoren, die den Erfolg des Erwerbsprozesses bedingen, wie z.B. lernerbedingte Faktoren, der Grad der Sprachverwandtschaft zwischen schon erworbenen und noch zu erwerbenden Sprachen, die Art des Inputs und die Dringlichkeit des Erwerbs der betreffenden weiteren Sprache. Im fünften Kapitel weist die Autorin auf Entwicklungen und Modelle im Bereich der Mehrsprachigkeitsdidaktik hin, bei denen es um die Förderung des Erwerbs von mehr als einer Fremdsprache und einer mehrsprachigen Kompetenz sowie um rezeptiv orientierte Ansätze geht. In diesem Kontext unterstreicht sie u.a., dass neben den Fremdsprachen auch die Muttersprache in das gemeinsame sprachliche Curriculum einbezogen werden müsse, dass eine gute muttersprachliche Kompetenz die Grundlage für die Entwicklung der individuellen Mehrsprachigkeit bildet und dass der Muttersprachenunterricht den späteren Fremdsprachenerwerb vorbereiten sollte. Das letzte Kapitel bezieht sich auf die Umsetzung der Mehrsprachigkeit und einer Mehrsprachigkeitsdidaktik in die Schulpraxis. Mängel und Schwierigkeiten, die in Beiträgen des Sammelbandes besprochen wurden, werden hier zusammengefasst genannt. Abschließend plädiert Lutjeharms für eine weitere Erforschung der Hintergründe und Möglichkeiten von Mehrsprachigkeit und fordert die Umsetzung von entsprechenden Konzepten in die Schulpraxis, wobei sie davon ausgeht, dass hierfür noch viel Überzeugungsarbeit bei der Politik, bei den Eltern, bei den Schulbehörden und auch bei den Lehrkräften zu leisten ist. HUFEISEN und LUTJEHARMS haben einen informationsreichen und empfehlenswerten Band zum Thema ,Gesamtsprachencurriculum' zusammengestellt. Die Beiträge des Bandes bestehend aus den überarbeiteten Referaten der Sektion Gesamtsprachencurriculum des 20. Kongresses der DGFF (Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung) und hinzugekommenen Beiträgen aus Irland, Belgien und der Schweiz liefern ein anschauliches Gesamtbild des Entwicklungsstandes von Gesamtsprachencurricula und von bisher entworfenen Mehrsprachigkeitsdidaktik-Konzepten in europäischen Staaten und deutschen Bundesländern. Hoffentlich werden die in dem Band angesprochenen Konzepte, Ideen und Erfahrungen die Praxis und die Forschung zu weitreichenden Entwicklungen von Gesamtsprachencurricula anregen! Marburg LISANNE KLEIN GUNNEWIEK Claus GNUTZMANN, Frauke INTEMANN ( eds.): The Globalisation of English and the English Language Classroom. Tübingen: Narr 2005, 287 Seiten [48,00 €] Keine andere Sprache ist heute weltweit geographisch verbreiteter, existiert in so vielen unterschiedlichen regionalen Standardvarietäten und wird von mehr Sprechern als zweite oder fremde Sprache gesprochen als das Englische, und auch keine Sprache wird heute weltweit so häufig als FLuL 35 (2006) 292 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel lingua franca zwischen Sprechern unterschiedlicher Muttersprachen benutzt. Englisch ist heute ohne Zweifel eine globale Sprache, wenn nicht gar die globale Sprache schlechthin. Dieser Sachverhalt hat sich auf den Englischunterricht an Schulen und Hochschulen allerdings bislang nur sehr wenig ausgewirkt. Zwar fordern Richtlinien für den schulischen Englischunterricht seit einigen Jahren, auch die Rolle des Englischen als Medium der weltweiten Verständigung zu berücksichtigen, aber in der Praxis besonders der schulischen Fremdsprachenvermittlung wie auch im Anglistikstudium dominiert irnrner noch die traditionelle philologische Ausrichtung auf die (Standard-)Sprache und Kultur Großbritanniens und der USA. Dabei dies macht auch das sehr lesenswerte Einleitungskapitel der beiden Herausgeber dieses Buches deutlich wirft die Globalisierung des Englischen wichtige Fragen auf, die die Fremdsprachendidaktik bedenken müsste: So etwa die nach dem Standard oder den Standards, die gelehrt werden sollen, den unterschiedlichen Anforderungen an Korrektheit und Verständlichkeit in der Kornrnunikation mit non-native speakers im Vergleich zu native speakers, die Relevanz von allgemeinem pragmatischen gegenüber kulturspezifischem Wissen für den Gebrauch des Englischen in interkultureller Kornrnunikation, den formalen und funktionalen Eigenschaften von Englisch als lingua-franca (ELF) oder ob das Englische für die Lerner als Fremd- oder als Zweitsprache fungiert. Dass diese Fragen von der Fremdsprachdidaktik bisher kaum reflektiert werden, ist allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass die Rolle des Englischen als globale Sprache und insbesondere als internationale lingua franca erst seit wenigen Jahren intensiver diskutiert wird. Auch das vorliegende Buch, das sei hier vorweggenornrnen, ist überwiegend ein Beitrag zu dieser Diskussion. Es ist aus einer Tagung zurn gleichem Thema entstanden, die 2003 von den Herausgebern an der Universität Braunschweig organisiert wurde, und umgreift in fünf Abschnitten die Vielfalt der Aspekte der Globalisierung des Englischen von sozio-politischen Gesichtpunkten bis zur Lehrerbildung. Es entspricht dem Stand der Diskussion, dass die einzelnen Beiträge sich nicht zu einem einheitlichen Bild zusarnrnenfügen, sondern oft durchaus kontroverse Standpunkte erkennen lassen. So weist etwa Janina BRUTT-GRIFFLER im ersten Abschnitt Political and Sociocultural Dimensions an einem Beispiel von Townshipbewohnern in Südafrika auf, dass die Argumentation der Vertreter des linguistischen (Anti-) Imperialismus und der linguistic human rights, wonach eine Schulausbildung in einer Nicht-Muttersprache wie dem Englischen zu einer sprachlichen und intellektuellen Deprivation führe und deshalb vermieden werden sollte, an den realen Bedürfnissen der Betroffenen nach sozialem Aufstieg, der Englischbeherrschung erfordert, vorbei geht. Dagegen betont Mahendra K. VERMA am Beispiel Indiens, dass das Investment in Englischkompetenz dort derzeit nur den ohnehin privilegierten Sektoren der Gesellschaft nützt und dass ein Anhalten der Dominanz des Englischen in den zukunftsträchtigen Bereichen der Ökonomie den Ausbau der autochthonen indischen Sprachen gefährdet. Der zweite Abschnitt versarnrnelt Beiträge, die linguistische und soziolinguistische Konsequenzen des Kontakts zwischen dem Englischen und anderen Sprachen exemplifizieren. Ulrich BUSSE kommt bei seiner Analyse lexikalischer Entlehnungen aus dem Englischen ins gegenwärtige Deutsch zu dem Ergebnis, dass Anglizismen im Deutschen nur periphere Bereiche des Vokabulars wie technische Ausdrücke und informelle, modischen Einflüssen unterworfenen Register (wie die Sprache von Jugendlichen oder der Werbung) betreffen und damit die Substanz des Deutschen weit weniger beeinflussen als vielfach befürchtet. Ein Abweichung von verbreiteten Annahmen ist auch das Ergebnis der empirischen Untersuchung von Frauke lNTEMANN zurn tatsächlichen Vorkornrnen des im internationalen Luftverkehr verwendeten, in seinem Gebrauch genau reglementierten Aviation English: insbesondere native speakers des Englischen halten sich häufig nicht an den vorgeschriebenen Code und erschweren so die Kommunikation für Nicht-Muttersprachler. Hintergrund des Beitrags von Christiane MEIERKORD bildet die Frage, wieweit sich aus dem ZusarnrnenlFLuL 35 (2006) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 293 treffen der verschiedenen muttersprachlichen, zweitsprachlichen und lernersprachlichen Varietäten in Interaktionen, die in internationalen Kontexten in Englisch stattfinden, ein Bestand an geteilten lexikalischen Elementen ergibt, der für die Vorbereitung auf die Kommunikation mit ELF im Unterricht genutzt werden könnte. Am Beispiel von spontanen Alltagsgesprächen zwischen Sprechern indigenisierter (nigerianische, pakistanische) und europäisch-lernersprachlicher Varietäten des Englischen weist sie auf, dass das vorkommende Vokabular überwiegend beschränkt, morphologisch einfach, unidiomatisch, kulturell neutral und vor allem instabil im Sinne von „nicht antizipierbar" ist. Nur dort, wo z.B. durch gemeinsame Arbeit eine über einen längeren Zeitraum eine stabile Kommunikationsgemeinschaft entsteht, bildet sich auch ein für diese Gemeinschaft charakteristische Varietät des Englischen mit einem spezifischen Bestand an teils innovativen lexikalischen Mitteln heraus. Da es in Meierkords Beitrag um potentiell gemeinsame Merkmale der vielen verschiedenen, im internationalen Kontakt zusammentreffenden Varietäten geht, hätte er auch gut in den dritten Abschnitt des Buches gepasst, der dem Thema der Standards des Englischen gewidmet ist, die dem Englischunterricht im Zeitalter der Globalisierung zugrunde liegen sollten, und der inhaltlich wie qualitativ den Schwerpunkt dieses Bandes darstellt. Im Zentrum dieses Abschnittes steht die Frage, wieweit sich für den Gebrauch des ELF charakteristische strukturale Eigenschaften identifizieren lassen bzw. ob man ELF als eine oder mehrere Varietät(en) des Englischen ansehen kann. Die Antwort hierauf ist entscheidend dafür, ob und wie man Englisch als eine globale Sprache lehren soll und kann. Auch hier sind die vorgetragenen Positionen kontrovers. Angesichts der Heterogenität des weltweit gesprochenen English bestreitet Claus GNUTZMANN die Möglichkeit, International English oder ELF den Status einer Varietät zuzusprechen. In seinem Beitrag vergleicht er das Konzept des „Standard English" mit dem von David Crystal eingeführten Konzept des „World Standard Spoken English" einer regional neutralen Variante des Englischen für die internationale Kommunikation - und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Standard wie das britische oder amerikanische Englisch sowohl im herkömmlichen, auf den Kontakt mit native speakers und ihrer Kultur vorbereitenden Fremdsprachenunterricht als auch bei Unterricht, der auf den Gebrauch von ELF vorbereitet, als sprachliches Modell dienen soll. Zugleich jedoch plädiert er dafür, die Norm der Standardsprache nicht zu Dogma zu machen. Angesichts des nachfolgenden Kapitels von Svenja ADOLPHS erscheint dies auch durchaus notwendig: Sie weist auf, dass längerer Kontakt mit realen native speakers und der dabei wahrgenommenen soziolektalen wie dialektalen Variation Lerner dazu führt, ihre persönlichen Lernziele weg vom Ideal einer standardsprachlichen native-speaker- Norm zugunsten einer größeren Verständlichkeit im internationalen Kontext zu verändern. Dass native-speaker-Standards gerade für solche Kontexte irrelevant sind, in denen ELF gebraucht wird, arbeitet auch Barbara SEIDELHOFER mit ihrer fundierten Kritik an Randolph Quirk heraus, der in seinen Schriften stets die Befolgung dieses Standards propagiert. Sie weist auf den Widerspruch hin, dass die Normen des Gebrauchs des Englischen immer noch ausschließlich von den native speakers dieser Sprache und damit einer Minderheit ihrer Sprecher bestimmt werden und begründet so die Notwendigkeit für empirische Beschreibungen der Merkmale von ELF als Grundlage für den Sprachunterricht. Auf einige der strukturellen Gemeinsamkeiten, die empirische Analysen von ELF-Daten auf allen linguistischen Beschreibungsebenen von der Phonologie bis zur Pragmatik für die unterschiedlichsten ELF-Vorkommen bisher ergeben haben, weist Allan JAMES zunächst in seinem Beitrag zu diesem Abschnitt hin.ffiEr arbeitet dann heraus, dass diese vom britischen oder amerikanischen Standard abweichenden Gemeinsamkeiten je nach Diskurstyp und Grad der Sprachbeherrschung variieren und versucht, diese für ihn typisch postmoderne - Heterogenität der Erscheinungsformen von ELF mit den Varietätentypen „Dialekt", "Register" und „Genre" zu erfassen. lFLuL 35 (2006) 294 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Im Vergleich zu diesen recht globalen Diskussionen über Standards beantwortet das Kapitel von Jennifer JENKJNS die Frage, was das Vorkommen von ELF konkret für den English Language Classroom bedeutet, noch am ehesten. Unter Bezug auf ihre eigene Forschung zum linguafranca core der Menge von Phonemen, die für Verständlichkeit von englischsprachigen Äußerungen essentiell sind und zu denen z.B. die standardenglischen / 8/ und / ö/ nicht gehören, die durch lt! bzw. / d/ zu ersetzen sindargumentiert Jenkins dafür, dass ELF-Aussprachen legitime Varianten des Englischen sind und dass der Beitrag der Aussprache zu erfolgreicher Kommunikation in ELF stärker von Kriterien der Verständlichkeit und der wechselseitigen Akkommodation der Gesprächspartner abhängt als von der Imitation der Akzente von englischen Muttersprachlern. Die Beiträge in den beiden folgenden Abschnitte behandeln sehr unterschiedliche Themen. So beschreibt Janet ENEVER die Schulfremdsprachenpolitik und die Einstellungen von Eltern in Ungarn gegenüber dem Frühbeginn des Englischunterrichts. Margie BERNS und Kees DE BOT zeigen auf, dass Jugendliche in Europa in verschiedenen Ländern in unterschiedlichem und teils so erheblichem Umfang außerhalb der Schule mit Englisch in Kontakt kommen, dass Englisch mitunter den Status einer Zweitsprache einnimmt. Elizabeth J. ERLING berichtet von einer Umfrage unter Studierenden der Anglistik und Amerikanistik der FU Berlin, aus der hervorgeht, dass ein substantieller Teil der Befragten weder besonders an der britischen oder amerikanischen Kultur interessiert sind noch einen native-speaker-Standard anstreben, sondern Englisch eher als lingua franca wahrnehmen. Ulrike JESSNER beschreibt aus der Sicht der Mehrsprachigkeitsforschung Aspekte des Erwerbs des Englischen als dritte Sprache. Angelika KUBANEK-GERMAN argumentiert dafür, das Thema des Global English in den generellen Kontext einer Erziehung zum Weltbürger zu stellen und im Unterricht anhand von zeitgenössischer anglo-indischer, anglo-afrikanischer oder karibischer Literatur die Welten von jugendlichen Immigranten in Großbritannien erfahrbar zu machen. Maike GRAU untersucht die Haltung von Anfängern des Studiums für das Englisch- Lehramt gegenüber der Rolle des Englischen als globaler Sprache und stellt fest, dass die zukünftigen Lehrer zwar allgemein internationale Verständlichkeit als wichtiger einschätzen als die Einhaltung muttersprachlicher Normen, jedoch im konkreten Einzelfall für Aussprache und Grammatik die Einhaltung gerade dieser Normen präferieren. George BRAINE beschreibt abschließend Untersuchungen zum Selbstbild und zur Wahrnehmung von non-native speakers als Englischlehrern. Die in diesem Buch versammelten Beiträge machen deutlich, dass die Globalisierung des Englischen ein äußerst facettenreiches Thema darstellt. Die für einen Tagungsband typische und angesichts des gegenwärtigen Diskussionsstandes wohl auch unvermeidbare inhaltliche Heterogenität lässt gleichwohl erkennen, dass die gegenwärtig interessantesten Themen in den ersten drei Abschnitten des Buches abgehandelt werden. Besonders die dort abgedruckten Beiträge sind von hoher Qualität und liefern einen fundierten Eindruck vom state-of-the-art. Man mag es bedauern, dass die Beiträge zu den eingangs erwähnten, für das Lehren des Englischen als globaler Sprache wichtigen Fragen nur wenige eindeutige Antworten geben noch weniger praktische Konsequenzen daraus erkennen lassen. Doch angesichts der Kontroversen, die noch zu grundlegenden Konzepten bestehen, wären solche Antworten möglicherweise vorschnell. Es ist zweifellos ein Verdienst der Herausgeber, mit ihrem Band zu dieser konzeptuellen Diskussion beigetragen zu haben. Erfurt KARLFRIED KNAPP FLuL 35 (2006) Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher 295 Franz Josef HAUSMANN: Der undurchsichtige Wortschatz des Französischen. Lernwortlisten für Schule und Studium. Aachen: Shaker Verlag 2005 (Wortschatz Lernen Französisch- WLF; Band 2), 348 Seiten [24,80 €] Hinweis: Der in diesem Buch realisierte wortschatzdidaktische Ansatz verdient eine ausführlichere Darstellung, als es im Rahmen einer Besprechung möglich wäre. Aus Platzgründen hätten meine Überlegungen dazu erst im kommenden Jahrgang abgedruckt werden können. Um der Aktualität willen habe ich mich deshalb entschlossen, den Review-Article der Zeitschrift.französisch heute anzubieten, wo er zwischenzeitlich im Heft 2 des aktuellen Jahrgangs 37 (2006), S. 164-179 unter dem Titel „Wortschatzdidaktik im chrestolexikographischem Gewand" erschienen ist. Wir bitten unsere Leser/ innen um Verständnis. Bielefeld EKKEHARD ZöFGEN Eingegangene Bücher * BAUSCH, Karl-Richard / BURWITZ-MELZER, Eva/ KÖNIGS, Frank G. / KRUMM, Jürgen (Hrsg.): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 2006 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 271 Seiten. BYRAM, Michael / FENG, Anwei (eds.): Living and Studying Abroad. Research and Practice. Clevedon [etc.]: Multilingual Matters 2006 (Languages for International Communication and Education; 12), XVI+ 276 Seiten. DOMINGUEZ, Jose Maria/ V ALLE, Miguel: Spanische Übungsgrammatikfar Fortgeschrittene mit Lösungsschlüssel. 3., überarb. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2006, 201 Seiten. (**) DUDEN Basiswissen Schule. Englisch. Mannheim: Bibliographisches Institut & F .A. Brockhaus AG / Berlin: Duden Paetec GmbH 2005, 320 Seiten. DUDEN Basiswissen Schule. Englisch Abitur. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG / Berlin: Paetec GmbH 2004, 360 Seiten + CD-ROM. DUDEN. Die deutsche Rechtschreibung. 24., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln. Mannheim [etc.]: Dudenverlag 2006 (Duden Band 1), 1216 Seiten. DUDEN Oxford Großwörterbuch Englisch. Deutsch- Englisch, Englisch - Deutsch. Herausgegeben von der Dudenredaktion und Oxford University Press. 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG. Oxford: O.U.P. 2005, xxxvii + 1752 Seiten. (**) ERTELT-VIETH, Astrid: Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr 2005, 391 Seiten. (**) ETTINGER, Stefan / NUNES, Manuela: Portugiesische Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene. Hamburg: Buske 2006, 153 Seiten. GEBERT, Doris (Hrsg.): Innovation aus Tradition. Dokumentation der 23. Arbeitstagung 2004. Bochum: AKS-Verlag 2005 (Dokumentationen 9), 349 Seiten. Das Sternchen(*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen(**) deutet an, dass eine Besprechung für den Jahrgang 36 (2007) vorgesehen ist. lFLuL 35 (2006) 296 Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher HAUSMANN, Franz Josef: Der undurchsichtige Wortschatz des Französischen. Lernwortlisten für Schule und Studium. Aachen: Shaker Verlag 2005 (Wortschatz Lernen Französisch - WLF; Band 2), 348 Seiten. (*) HUFEISEN, Britta/ LUTJEHARMS, Madeline (Hrsg.): Gesamtsprachencurriculum -Integrierte Sprachendidaktik- Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiel der Umsetzung. Tübingen: Narr 2005 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 148 Seiten.(*) HÜLLEN, Werner/ KLIPPEL, Friederike (Hrsg.) unter Mitarbeit von Sabine DOFF: Sprachen der Bildung - Bildung durch Sprachen im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2005 (Wolfenbütteler Forschungen. Band 107), 316 Seiten. LAMB, Rike: Fremdsprachenunterricht im soziopolitischen Kontext. Aspekte einer Lehr- und Lernsituation am Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Ungarn. Bochum: AKS-Verlag 2005 (Fremdsprachen in Forschung und Lehre; 39), 240 Seiten. LANGENSCHEIDT & COLLINS: Großes Schulwörterbuch Deutsch -Englisch. München [etc.]: Langenscheidt 2006, 1440 Seiten. (**) LANGENSCHEIDT & COLLINS: Großes Schulwörterbuch Englisch - Deutsch. München [etc.]: Langenscheidt 2006, 1406 Seiten.(**) LEXIFACEPRO FRANZÖSISCH. Elektronisches Großwörterbuch Französisch - Deutsch, Deutsch - Französisch. Stuttgart: Klett 2005, CD-ROM. (**) NETZLAFF, Marion: La collocation acijectif-adverbe et son traitement lexicographique. Frarn; ais allemand espagnol. Norderstedt: Books on Demand GmbH 2005, 280 Seiten. (**) NIEWELER, Andreas (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch. Tradition I Innovation [ Praxis. Von Andreas Grünewald, Jürgen Mertens, Andreas Nieweler, Marcus Reinfried, unter Mitarbeit von Ricarda Luser. Stuttgart: Klett 2006, 351 Seiten+ CD-ROM.(**) PÜRSCHEL, Reiner / TINNEFELD, Thomas (Hrsg.): Moderner Fremdsprachenerwerb zwischen Interkulturalität und Multimedia. Reflexionen und Anregungen aus Wissenschaft und Praxis. Bochum: AKS-Verlag 2005 (Fremdsprachen in Forschung und Lehre; 38), 282 Seiten. ROCHE, Jörg: Fremdsprachenerwerb- Fremdsprachendidaktik. Tübingen und Basel: Francke 2005 (UTB Basics 2691 ), 282 Seiten. (*) Schülerduden. Wörterbuch Englisch. Deutsch - Englisch, Englisch - Deutsch. Herausgegeben von der Dudenredaktion und Oxford University Press. Mannheim: Bibliographisches Institut & F .A. Brockhaus AG. Oxford: O.U.P. 2000, xxi + 938 Seiten. FLulL 35 (2006) ..._ _______ I_n_r_o_r_m_a_t_i_o_n_e_n __ •_V_o_r_s_c_h_a_u _______ ....,I Das Sprachmagazin Spotlight in neuem Gewand - Neuer Input für den Englischunterricht Zum 25-jährigen Jubiläum präsentiert Spotlight zahlreiche neue Impulse für einen abwechslungsreichen Englischunterricht. Das Sprachmagazin bringt ab sofort noch mehr aktuelle Themen: Die neue Rubrik „Debate" regt die Schüler an, aufEnglisch zu diskutieren. Auch Landeskunde und Geschichtsthemen werden spielerisch zugänglich gemacht. Der Sprachteil bietet auf jetzt 17 Seiten Übungen und Rätsel zu Wortschatz und Grammatik für Anfänger und Fortgeschrittene. Auch der didaktische Zusatzservice Spotlight in the classroom zeigt sich in neuem Gewand: Farbiger und übersichtlicher als bisher bringt das Begleitmedium auf sechs Seiten Unterrichtsaktivitäten und praktische Kopiervorlagen das ist echter Nutzwert für den Unterricht. Für Spotlight-Abonnenten in Lehrberufen ist der Zusatzservice kostenlos. Das Spotlight-Team besteht aus erfahrenen Sprach- und Didaktik-Experten. Jeden Monat bietet das Sprachmagazin eine umfangreiche Materialsammlung zu Themen aus der englischsprachigen Welt von Australien bis Kanada. Interessierte Lehrkräfte erhalten das neue Spotlight inklusive didaktischem Begleitservice kostenlos. Kontakt: Spotlight Verlag, Abt. Schulmedien, Tel. 089 856 81 -152; E-Mail schulmedien@spotlight-verlag.de Internet: www.spotlightverlag.de/ lehrerservice. Call for Papers Autonomes Fremdsprachenlernen in Hochschnle und Erwachsenenbildung - Analysen, Erfahrungen, Konzepte Freitag, 9. März 2007 - Samstag, 10. März 2007 an der Universität Bremen Veranstalter: Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB) in Kooperation mit dem Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (AKS) Das autonome Fremdsprachenlernen ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Gegenstände theoretischer Reflexion und praktischer Erprobung innerhalb der Fremdsprachenforschung geworden. Mit der immer größer werdenden Zahl der vorliegenden Positionen, Konzepte und Erfahrungen wächst jedoch auch das Bedürfnis nach Orientierung und Perspektivierung. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Symposion das Ziel, für den Bereich des Fremdsprachenlernens an Hochschulen und in der Erwachsenenbildung die verfügbaren Konzepte zusammenzuführen, auszuwerten und neue Entwicklungen anzustoßen. Es können Vorträge zu folgenden Themenschwerpunkten angemeldet werden: Blended Learning (z. B. Kombinationen von Fremdsprachenunterricht, Distanzlernen und Selbstlernen), Lernberatung (z. B. Beratungsformen und Beratungseinrichtungen im Kontext von individuellen Sprachlernangeboten, Selbstlerneinrichtungen, Distanzlernen oder TANDEM-Lernen), Lerntechnologie und Multimedia (z. B. kommerzielle und nicht-kommerzielle Sprachlernsoftware, Autorenprogramme, Lernplattformen, WWW-Nutzungen), Individuelle Lernziele und Lernerfolge (z.B. Selblernbedürfnisse und SelbstlFLuL 35 (2006) 298 Informationen • Vorschau lernmotivationen, Auswirkungen auf Lernprozesse und Lernerfolge, Konsequenzen für Lern- und Lehrplanung). Vortragsdauer: 20 Minuten zzgl. 10 Minuten Diskussionszeit. Vortragsanmeldung und Abstract im Umfang von max. 150 Wörtern bis zum 30. November 2006. Außerdem werden in sechs Plenarvorträgen renommierte Fachkolleginnen und -kollegen einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen der aktuellen Fachdiskussion geben. Die Publikation einschlägiger Beiträge ist vorgesehen. Organisation: Prof. Dr. Reiner Amtz (Uni Hildesheim/ Fremdsprachenzentrum Bremen), Prof. Dr. Hans Krings (Uni Bremen), Dr. Bärbel Kühn (Fremdsprachenzentrum Bremen), Prof. Dr. Bernd Voss (TU Dresden) Kontakt; Dr. Bärbel Kühn, Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen, Universität Bremen, Bibliothekstraße 1, 28359 Bremen, bkuehn@uni-bremen.de Programm Freitag 9.30 - 10.00 Uhr Grußworte und Eröffnung Prof. Dr. Reiner Amtz, Fremdsprachenzentrum, Willi Lemke, Senator für Wissenschaft und Bildung, Prof. Dr. Wilfried Müller, Rektor der Universität Bremen 10.00 - 10.30 Uh Dr. Thomas Vogel, Vorsitzender des AKS, Leitziele des Symposions 11.30 - 12.00 Uhr Prof. Dr. Dieter Wolff, Wuppertal, Selbstbestimmtes Lernen und Lernerautonomie: Einige Überlegungen zum lernpsychologischen Hintergrund 11.30 - 12.30 Uhr Eröffnungspodium mit den Referentinnen und Referenten der Plenarvorträge, Leitung Dr. Thomas Vogel Mittagspause 12.30-14.00 Uhr 14.00- 14.45 Uhr Prof. Dr. Olga Esteve, Barcelona, Interaktion, Kognition und Lernerautonomie: die Rolle der Interaktion zur Förderung selbstregulierender Lernprozesse" 15.00- 17.00 Uhr Vier Arbeitsgruppen 17.00 - 17.15 Uhr Kaffeepause 17.15 - 18.00 Uhr Prof. Dr. David Little, Dublin, Language learner autonomy in practice Abendprogramm Samstag 9.00 - 09.45 Uhr 10.00 - 12.00 Uhr 12.00-12.15 Uhr 12.15-13.15 Uhr 13.15 - 13.30 Uhr Prof. Dr. Karin Kleppin, Bochum, "Eigentlich trifft kein Sprachkurs genau das, was ich brauche" - Zur Implementierung individueller Sprachlernberatung in Fremdsprachenzentren Vier Arbeitsgruppen Kaffeepause Podiumsdiskussion mit den Leiterinnen und Leitern der Arbeitsgruppen (Leitung Prof. Dr. Voss, Dresden) Abschluss Der von Claus GNUTZMANN (TU Braunschweig) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 36 (2007) trägt den Titel „Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium". Mit der Internationalisierung des Arbeitsmarktes haben sich die Anforderungen an Arbeitnehmer entsprechend verändert. Von ihnen wird erwartet, dass sie sowohl sprachliche als auch interkulturelle Kompetenzen mitbringen, um auf internationaler fachlicher und betrieblicher Ebene agieren zu können. Derartige fachbezogene Fremdsprachenkenntnisse und Diskurskompetenzen lFLuL 35 (2006) Informationen • Vorschau 299 können zu verschiedenen Zeitpunkten in unterschiedlichen Institutionen und Bildungskontexten erworben werden, z.B. im bilingualen Sachfachunterricht, im fachbezogenen Fremdsprachenunterricht und in fremdsprachlichen Studiengängen. Dabei fungiert die Fremdsprache prinzipiell jeweils als Arbeitssprache. Sie dient also als Medium und nicht als Gegenstand des Unterrichts, wenn auch in modifizierter Form für den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht. Bilingualer Sachfachunterricht ist fremdsprachiger Fachunterricht und soll die Lernenden in die Lage versetzen, fachliche Sachverhalte in gesellschaftswissenschaftlich basierten Fächern wie Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft und Politik, in den Naturwissenschaften und Mathematik, aber auch in künstlerischen Fächern und im Fach Sport zu verstehen und zu kommunizieren. Ein weiteres Bestreben des bilingualen Sachfachunterrichts kann in einer zielgerichteten Vorbereitung auf ein Hochschulstudium liegen, das nicht zuletzt wegen der fremdsprachigen, insbesondere englischen Fachliteratur mehr und mehr hochwertige Fremdsprachenkenntnisse erforderlich macht. Um Studierenden vor allem international ausgerichteter Studiengänge die Aneignung angemessener Sprachkenntnisse zu ermöglichen, wird heute an fast allen Hochschulen und Universitäten, insbesondere von den (Fach-)Sprachenzentren, studienbegleitend fachbezogener Fremdsprachenunterricht angeboten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das vom Arbeitskreis der Sprachenzentren (AKS) getragene UNicert-Zertifikatssystem hervorzuheben. Der Internationalisierungsgedanke hat Ende der neunziger Jahre dazu geführt, dass zunehmend fremdsprachige Studiengänge sehr häufig englischsprachige in kontinentaleuropäischen Ländern eingerichtet wurden. In Deutschland gibt es mittlerweile, zunächst vor allem mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des DAAD eingeführter, über 300 solcher Studiengänge, wobei die Tendenz angesichts de Bolognaprozesses steigend ist. Die Universitäten versprechen sich durch diese Innovation eine Steigerung ihres Attraktionswertes sowohl für ausländische wie auch inländische Studenten. Ausländischen Studenten ist es so möglich, in einem Land zu studieren, dessen Muttersprache sie gar nicht oder (zu Beginn ihres Studiums) nur unzureichend beherrschen. Der Nutzen für inländische Studenten besteht darin, dass sie aufgrund der internationalen Ausrichtung fremdsprachiger Studiengänge sprachliche und interkulturelle Fähigkeiten erwerben können, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt sind. Leser und Leserinnen von FLuL, die einen Arbeitschwerpunkt im Bereich des Themenschwerpunktes haben und interessiert sind, einen Beitrag in FLuL 2007 zu veröffentlichen, mögen sich möglichst bald, spätestens bis zum 31.12.2006, zu einer ersten Kontaktaufnahme an den Herausgeber des Themenheftes wenden: c.gnutzmann@tu-bs.de Texte im Fremdsprachenunterricht (koordiniert von Eva Burwitz-Melzer) lFLuL 35 (2006) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1987- 2008)* Jg . 16 (1987): Wortschatz und Wortschatzlernen (hrsg. von Ekkehard Zöfge n) Jg . 17 (1988): Übersetzung und Übersetzen (hrsg. vo n Ekkehard Zöfge n) Jg . 18 (1989): Historische Sprachstufen (hrsg . von Kurt Otto Seidel) Jg . 19 (1990): Fachsprachen und ihre Vermittlung (hrsg . von Gert Henrici und Ekkehard Zöfge n) Jg . 20 (1991): Grammatik und Grammatiklernen (hrsg . von Ekke hard Zöfgen) Jg . 21 (1992): Idiomatik und Phraseologie (hrsg . vo n Ekke hard Zöfge n) Jg . 22 (1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koord. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg . 23 ( 1994 ): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord . von Ekkehard Zöfgen) Jg . 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) Jg. 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) Jg . 26 (1997): Language Awareness (koord . von Willi s J . Edmondson und Juliane House) Jg. 27 ( 1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. vo n Inez De Florio-Hansen) Jg . 28 (1999): Ne ue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord . von Erwin Tschirner) Jg . 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord . von Frank G . Königs) Jg. 30 (200 l ): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord . von Rüdiger Grotjahn) Jg . 3 1 (2002) : Lehrerausbildung in der Diskussion (koord . von Frank G. Königs und Ekke hard Zöfgen) Jg. 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. vo n Karin Aguado u.a.) Jg . 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord . von Erwin Tschirner) Jg . 34 (2005): "Neokommunikativer" Fremdsprachenunterricht (koord . von Franz-Joseph Meißner) : Jg . 35 (2006): Sprachdidaktik interkulturell (koord . von Claus Gnutzmann und Frank G . Königs) Jg . 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (i .V .) Jg . 37 (2008): Texte im Fremdsprachenunterricht (geplant) * Bis Jahrgang 15 (1986) einschließlich erschien die Zeitschrift unter dem Titel Bielefelder Beiträge zur Sprach lehrforschung Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus a ll en für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland . Grundl age für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz de s Gegenstandes für die fremdsprac henunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein . Beiträge , die den sc huli schen Fremdsprachenunterricht z usätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen . Einze lheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen 'style sheet' zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift sie he 2 . Umschlagseite) angefordert werden kann.
