Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
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Narr Verlag Tübingen
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2007
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Gnutzmann Küster SchrammFLuL 36. Jahrgang (2007) Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen nschwerpunlzt·. l ,\. rbeitsspracbe 1'herne cbe a s ~ vremdspra d studiUlll •n Sc\lU\e Uß Gnutzmann 1 C\aus d•niert von koor 1 ~ Gunter Narr Verlag Tübingen Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen Herausgeber: Claus Gnutzmann (Braunschweig) · Frank G: Königs (Marburg) • Ekkehard Zöfgen (Bielefeld) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Redaktion FLuL, Prof. Dr. Ekkehard Zöfgen, Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Postfach 1001 31, 33501 Bielefeld E-Mail: Ekkehard .Zoefgen@Uni-Bielefeld.de Prof. Dr. Frank G. Königs, Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Straße, 35032 Marburg/ Lahn E-Mail: Koenigs @staff.uni-marburg.de Prof. Dr. Claus Gnutzmann, TU Braunschweig, Englisches Seminar, Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik, Bienroder Weg 80, 38106 Braunschweig, E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Beratende Mitarbeit: Jens Bahns (Kiel) · Hans Barkowski (Jena) • Rupprecht S. Baur (Essen) • Wolfgang Börner (Hamburg) •Eva Burwitz-Melzer (Gießen) • Franz Josef Hausmann (Erlangen) • Jürgen Kurtz (Karlsruhe) • Manfred Raupach (Kassel) • Claudia Riemer (Bielefeld) Fremdsprachen Lehren und Lernen erscheint einmal jährlich mit einem Umfang von ca. 240 Seiten. Das Jahresabonnement kostet €42,- (zuzügl. Postgebühren). Vorzugspreis für private Leser € 34,- (zuzügl. Postgebühren/ Lieferung und Rechnung an Privatadresse), sofern sie dem Verlag schriftlich mitteilen, dass sie die Zeitschrift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch beziehen . Erfolgt keine Abbestellung bis zum 15. November, so verlängert sich das Abonnement automatisch um ein Jahr. © 2007 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH+ Co. KG , Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden . Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gern. § 54 (2 ) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissen schaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld und des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung der Philipps-Universität Marburg. Druck und Bindung: Laupp&Göbel, Nehren Printed in Germany ISSN 0932-6936 ISBN 978-3-8233-5957-9 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+ Co. KG CIA US GNUTZMANN Zur Einführung in den Themenschwerpunkt DIETER WOLFF Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines 3 systematischen Überblicks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 WOLFGANG ZYDATJß Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . 30 FRANK G. KÖNIGS Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen aus der Perspektive der (neuen) Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 CIAUS GNUTZMANN Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning" 63 RITAKUPETZ Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu Content and Language Integrated Learning (CLIL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 WOLFGANG HAUET Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 CHRISTA RIITERSBACHER Zur Eignung der Naturwissenschaften insbesondere der Chemie für den bilingualen Unterricht: Die Synergetik sprachlicher und sachfachlicher Phänomene 111 ANDREAS BONNET Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL . . . . . . . . . . 126 ANNE INGRID KOLLENROIT Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts mit besonderem Fokus auf Mediennutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 HEIKE WEDEL Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel - Alles nur „Theater"? . . . . . . . . . . . 159 (Fortsetzung umseitig) KLAUS BOEHNKE, MANDY BOEHNKE Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 THOMAS VOGEL Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung in die Studiengänge: Überlegungen aus der Praxis 185 CHRIS DAVISON, JOHN TRENT Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English in an English-Medium University in Asia .............................. 200 EBERHARD KLEIN Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Andreas NIEWELER (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch. Tradition I Innovation I Praxis. [...]. Stuttgart: Klett 2006 (EKKEHARD ZÖFGEN) ............................. 236 Marion NETZLAFF: La collocation adjectif-adverbe et son traitement lexicographique. [...]. Norderstedt: Books on Demand 2005 (EKKEHARD ZöFGEN) ................. 239 Astrid ERTELT-VIETH: Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. [...]. Tübingen: Narr 2005 (RUPPRECHT BAUR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Franke INTEMANN, Frank G. KöNIGS (Hrsg.): Ach/ texte - Didak-Tick der modernen, unmodernen und außerirdischen Sprachen. Eine etwas andere Festschrift für Claus Gnutzmann zum 60. Geburtstag [...]. Bochum: AKS 2006 (WOLFGANG BöRNER) . . . . . 249 Petra PLIEGER: Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. [...] Berlin: LIT 2006 (ANTJE STORK, LISANNE KLEIN GUNNEWIEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Jörg-Ulrich KEßLER: Englischerwerb im Anfangsunterricht diagnostizieren. [...]. Tübingen: Narr 2006 (ANDREAS MARSCHOLLEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Stefan ETTINGER, Manuela NUNES: Portugiesische Redewendungen [...]. Hamburg: Buske 2006 (LISANNE KLEIN GUNNEWIEK, ANTJE STORK) .............. ; . . . . . . 256 Jose Maria DOMINGUEZ, Miguel V ALLE: Spanische Übungsgrammatik für Fortgeschrittene [...]. Berlin: Erich Schmidt 2006 (SABINE WOLF-ZAPPEK) . . . . . . . . . 259 Eva NEULAND (Hrsg.): Variationen im heutigen Deutsch[... ]. Frankfurt/ M. [etc.] Lang 2006 (ERNESTA RACIENE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Eingegangene Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 IFLulL 36 (2007) Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium CLAUS GNUTZMANN Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 1 Der diesjährige Schwerpunkt behandelt einen Themenbereich, der im Hinblick auf den schulischen Anwendungskontext „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL)" zu den bedeutendsten Innovationen der letzten zwanzig Jahre zählt und nicht zu Unrecht als „Erfolgsgeschichte" tituliert wird. Im Vergleich dazu ist die Verwendung von Fremdsprachen als Arbeitssprache im Kontext deutscher Universitäten, insbesondere bei der Einführung englischsprachiger Studiengänge, sehr viel umstrittener gewesen (vgl. hierzu MOTZ 2005). Bei dieser abwartend bis negativen Einstellung zu fremdsprachigen Studiengängen hat sicherlich auch der veränderte Status des Deutschen als Wissenschaftssprache und der mit der fortschreitenden Etablierung des Englischen in der Lehre befürchtete weitere Rückgang des Deutschen in der internationalen Wissenschaftskommunikation eine wichtige Rolle gespielt (AMMON 1998; 2001; 2004; 2005; AMMON/ MCCONNELL 2002; EHLICH 2004; 2005; GARDTIHÜPPAUF 2004; PÖRKSEN 2005). Mit der Internationalisierung des Arbeitsmarktes haben sich ebenso die Anforderungen an Arbeitnehmer entsprechend verändert. Von ihnen wird vielfach erwartet, dass sie zusätzlich zu den notwendigen fachlichen Qualifizierungen sowohl sprachliche als auch interkulturelle Kompetenzen mitbringen, um auf internationaler fachlicher und betrieblicher Ebene angemessen agieren zu können. Derartige fachbezogene Fremdsprachenkenntnisse und Diskurskompetenzen können zu verschiedenen Zeitpunkten in unterschiedlichen Institutionen und Bildungskontexten erworben werden, z.B. im schulischen bilingualen Sachfachunterricht, im fachbezogenen Fremdsprachenunterricht in Schule und Hochschule und in fremdsprachlichen Studiengängen. Dabei fungiert die Fremdsprache prinzipiell jeweils als Arbeitssprache. Sie dient also vorrangig als Medium und nicht als Gegenstand des Unterrichts, wenn auch vielleicht in modifizierter Form für den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht (Veranstaltungstyp: Business English, English for Science and Technology, Wirtschaftsfranzösisch), wo sie sowohl als Medium wie auch als Gegenstand des Unterrichts dienen kann. Bilingualer Sachfachunterricht ist fremdsprachiger Fachunterricht 2 und soll die Ler- Für die effiziente Hilfe bei der Vorbereitung des Bandes danke ich meiner Mitarbeiterin Kathrin LIPSKI- BUCHHOLZ. 2 Einführende Übersichtsdarstellungen in kompakter und gut lesbarer Form bieten FrNKBEINER/ FEHLING (2002), HALLET (2005), HELBIG (2003), ÜTTEN/ WILDHAGE (2003), SCHMID-SCHÖNBEIN/ SIEGISMUND (1998), WOLFF (2006), für den europäischen Kontext vgl. COYLE (2006), MARSH (2002) sowie den Beitrag von WoLFF FLU! lL 36 (2007) 4 Claus Gnutzmann nenden in die Lage versetzen, fachliche Sachverhalte in gesellschaftswissenschaftlich basierten Fächern wie Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft und Politik, in den Naturwissenschaften und Mathematik, aber auch in künstlerischen Fächern und im Fach Sport zu verstehen und zu kommunizieren. 3 Ein weiteres, bisher allerdings erst ansatzweise in den Blick genommenes, Bestreben des bilingualen Sachfachunterrichts kann in einer zielgerichteten Vorbereitung auf ein Hochschulstudium liegen, für das hinsichtlich der Zusammensetzung der Studierenden wie auch der an sie gestellten Forderung nach Mobilität mehr und mehr das Kriterium Internationalisierung zutrifft, das aber auch wegen der in Lehrveranstaltungen zugrunde gelegten fremdsprachigen, insbesondere englischen Fachliteratur mehr und mehr hochwertige Fremdsprachenkenntnisse erforderlich macht. Um Studierenden vor allem international ausgerichteter Studiengänge die Aneignung angemessener Sprachkenntnisse zu ermöglichen, wird heute an fast allen Hochschulen und Universitäten, insbesondere von den (Fach-)Sprachenzentren, studienbegleitend fachbezogener Fremdsprachenunterricht angeboten. In diesem Zusammenhang ist das vom Arbeitskreis der Sprachenzentren (AKS) getragene UNicert®-Zertifikatssystem hervorzuheben. Der Internationalisierungsgedanke hat Ende der neunziger Jahre dazu geführt, dass zunehmend fremdsprachige Studiengänge sehr häufig englischsprachige in kontinentaleuropäischen Ländern eingerichtet wurden (COLEMAN 2006; MAIWORM/ WÄCHTER 2002). 4 Die Universitäten versprechen sich durch diese Innovation eine Steigerung ihres Attraktivitätswertes sowohl für ausländische wie auch inländische Studenten. Ausländischen Studierenden ist es so möglich, in einem Land zu studieren, dessen Muttersprache sie zu Beginn ihres Studiums nur unzureichend oder noch gar nicht beherrschen. Der Nutzen für inländische Studenten besteht darin, dass sie aufgrund der internationalen Ausrichtung fremdsprachiger Studiengänge sprachliche und interkulturelle Fähigkeiten erwerben können, die ihre Persönlichkeit prägen und auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt sind. Die überwiegende Zahl der in diesem Band vereinigten Beiträge (WOLFF, ZYDATrß, KÖNIGS, GNUTZMANN, KUPETZ, HALLET, RITTERSBACHER, BONNET, KOLLENROTT, WEDEL) geht zurück auf ein Kolloquium zum Thema „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL): Lehrerausbildung und Unterrichtspraxis", das im November 2006 anlässlich der Einführung der ,neuen' Masterausbildung in den Lehrämtern mit der Möglichkeit einer CLIL-Spezialisierung an der Technischen in diesem Band. 3 Als sehr informativ, nützlich und praxisbezogen erweisen sich die fachspezifischen Beiträge in WILDHA- GE/ OTIEN (2003) von HAUPTIBIEDERSTÄDT (Geography), WILDHAGE (History), RlcHTERIZIMMERMANN (Biology), NIETSCH! VOLLRATH (Physical Education). 4 Die Abfrage der Datenbank des DAAD zu Studiengängen mit internationalen Abschlüssen, in denen Englisch als Arbeitssprache verwendet wird, ergibt derzeit 459 Treffer. Der Hochschulkompass, das Informationsangebot der Hochschulrektorenkonferenz zu den Studienangeboten der deutschen Hochschulen, listet unter der Studienform ,Jntemationaler Studiengang" momentan 433 grundständige und 414 weiterführende Studienmöglichkeiten auf (Stand 30.8.2007). Die Tendenz der Einrichtung englischsprachiger Studiengänge ist angesichts des Bolognaprozesses steigend. lFLulL 36 (2007) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 Universität Braunschweig stattfand. Die in diesem Band darüber hinaus enthaltenen Aufsätze von BOEHNKE/ B0EHNKE, VOGEL und DAVIS0N/ TRENTergänzen die vor allem aus der Perspektive von Schule und Lehrerausbildung verfassten Beiträge des vorangehenden Teils und beschäftigen sich mit unterschiedlichen Facetten der Verwendung des Englischen im Hochschulbereich in Deutschland und Asien, insbesondere Hong Kong. Die Tatsache, dass der Untersuchung von Fremdsprachen als Arbeitssprache in der Schule hier mehr Aufmerksamkeit als im Hochschulbereich gewidmet wird, spiegelt den bisher erreichten hohen Leistungsstand des schulischen bilingualen Sachfachunterrichts im europäischen und deutschen Kontext wider. Der Gebrauch von Fremdsprachen, insbesondere des Englischen, als Arbeitssprache im tertiären Bildungssektor, vor allem seine dynamische Entwicklung in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden, und zwar nicht nur in postgraduate-, sondern bereits in undergraduate-Studiengängen, lässt jedoch darauf schließen, dass diese Entwicklung, mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, auch in Deutschland in der Zukunft zu nachhaltigen Veränderungen führen wird (vgl. HELLMANN/ PÄTZOLD 2005; WAHL 2005). Der vorliegende Band besteht aus fünf thematisch gegliederten Abteilungen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Aufgrund der weithin anerkannten Ergebnisse, die bislang in Forschung und Unterrichtspraxis des bilingualen Sachfachunterrichts in Europa und in Deutschland vorgelegt worden sind, erscheint es folgerichtig, dass der Band von zwei bilanzierenden Überblicksaufsätzen hierzu eröffnet wird. Der Beitrag von DIETER WOLFF (Bergische Universität Wuppertal) liefert eine systematische Übersicht zur Umsetzung des bilingualen Sachfachunterrichts in Europa, bei dem mit Blick auf den anschließenden Beitrag von Wolfgang Zydatiß die Entwicklung in Deutschland weitgehend unberücksichtigt bleibt. Nach Ausführungen zur Organisation des CLIL-Unterrichts stellt der Verfasser das didaktisch-methodische Konzept von CLIL im europäischen Kontext vor und rückt dabei die Aufgaben und Ziele von CLIL, die inhaltlichen Bestimmungen und die methodischen Ansätze wie auch Fragen der Bewertung und Zertifizierung sowie die Ausbildung von CLIL-Lehrkräften in den Vordergrund seiner Betrachtungen. Den bemerkenswerten Erfolgen, die der bilinguale Sachfachunterricht zu verzeichnen hat, stehen jedoch auch eine Reihe von Problemen gegenüber, die von der restriktiven Schulgesetzgebung in Europa, dem Mangel an qualifizierten Lehrkräften bis zum Verlust muttersprachlicher Kompetenzen durch den intensiven Unterricht in einer Fremdsprache und zur mangelnden Integration mehrsprachiger Migrantenkinder reichen. Der Beitrag schließt mit einigen sprachenpolitischen Überlegungen zum Thema Mehrsprachigkeit und CLIL und einer Vorstellung von CLIL-relevanten Programmen der Europäischen Kommission wie LLP (Life-long Learning Programme) und dem Comenius Programm. Im Mittelpunkt des Beitrags von WOLFGANG ZYDATijJ (Freie Universität Berlin) steht die Entwicklung und Bilanzierung von bilingualem Unterricht in Deutschland. Für den als „grass roots movement" beschriebenen bilingualen Sachfachunterricht, der mittlerweile auf eine über 35-jährige Geschichte zurückblicken kann, werden als besondere Charakteristika und Tendenzen sein Vorkommen in unterschiedlichen Organisationsformen (Langzeitlehrgang/ bilingualer Zweig, Kompaktkurs, Modul), eine Verlagerung zum Eng- IFILllL 36 (2007) 6 Claus Gnutzmann lischen als dominante Arbeitssprache sowie eine Erweiterung des Fächerspektrums benannt. Ausgehend von Coyles 4C-Modell (Content, Cognition, Communication, Culture) werden verschiedene Aspekte des Verhältnisses von Sprachenlernen und fachlichem Lernen erörtert, mögliche Synergieeffekte von bilingualem Unterricht und begleitendem Fremdsprachenunterricht diskutiert und Amegungen zu Planungsfeldern für das integrierte Sach-Sprachlernen gegeben. Inwieweit die den Aufsatz beschließende Prognose, dass das Englische nach 2020 seinen Zenit als bedeutendste Weltverkehrssprache überschritten haben wird und dann zugunsten des Chinesischen, Hindi oder Arabischen zurückstehen werde, sich bewahrheitet, wird zu gegebener Zeit zu erfahren sein. Die zweite Gruppe umfasst drei Beiträge, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit konzeptuellen, inhaltlichen und methodischen Überlegungen zur Ausbildung von bilingualen Sachfachlehrern im Hochschulbereich beschäftigen. Ausgehend von einem auch andere Bildungsräume Europas betreffenden uneinheitlichen Verständnis von bilingualem Unterricht, der damit verbundenen landesspezifischen Divergenz von Konzepten und einer je nach Betrachtungsweise unterschiedlichen Schwerpunktsetzung liefert FRANKG. KÖNIGS (Philipps-Universität Marburg) eine kritische Bestandsaufnahme der Lehrerbildung in Deutschland und diskutiert wünschenswerte Verfahrensweisen einschließlich damit verbundener Probleme in der Ausbildung von Lehrern mit CLIL-Kompetenz. Kritisiert wird dabei die bisher mangelnde Einbettung eines Ausbildungskonzepts Sachfachunterricht in der Fremdsprache in die bestehende Bachelor/ Master-Struktur des Lehramtsstudiums. Um die durch die Abfolge und Trennung der Studiengänge hervorgerufenen Unzulänglichkeiten zu überwinden, wird eine stärkere Einbettung und Koppelung von fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Inhalten schon im Bachelor vorgeschlagen und damit verbunden für ein Verständnis des BA als Vermittlungsinstanz von Grundkompetenzen der Lehrerbildung plädiert. Eine fächerübergreifende Einigung auf kerncurriculare Inhalte wie auch die Zusammenführung der teilweise konträren Perspektiven ergeben sich als notwendige Konsequenz, um innerhalb der Lehrerbildung zu einem ausgewogenen Verhältnis von Fremdsprachenvermittlung und Ausbildung im Sachfach zu gelangen. CLAUS GNUTZMANN (Technische Universität Braunschweig) befasst sich mit den Auswirkungen der durch den Bolognaprozess ausgelösten Einführung der konsekutiven BA/ MA-Studienstruktur in der Lehramtsausbildung in Niedersachsen, insbesondere mit den Möglichkeiten, die dieser Prozess für die Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht beinhalten kann. Während diese Ausbildung bisher durch universitäre Zusatzstudiengänge (z.B. Bochum, Bremen, Hamburg, Wuppertal) und/ oder durch Ausbildungsangebote an den Studienseminaren bereitgestellt wurde, ist es mit dem ab WS 06/ 07 an der TU Braunschweig eingeführten Masterstudiengang erstmals möglich, eine Vertiefung „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL)" innerhalb des regulären Master-Studiums im Fach Englisch ohne die Auflagen eines zusätzlichen Studiengangs zu studieren. Nach einer Darstellung des historisch-institutionellen Zusammenhangs des neuen Master-Studiengangs und der Erörterung von Grundfragen des bilingualen Sachfachunterrichts werden die Voraussetzungen und Charakteristika der Vertiefungsrichtung „CLIL" vorgestellt. Unter dem lFLllL 36 (2007) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 Eindruck des ebenfalls im deutschen Hochschulbereich zu beobachtenden Anwachsens englischsprachiger Studiengänge wird perspektivisch dafür plädiert, zukünftig auf eine stärkere Abstimmung von bilingualem Sachfachunterricht und der Studienform „englischsprachiger Studiengang" hinzuarbeiten. Eine Erweiterung des Fächerspektrums verbunden mit einer stärkeren Betonung der Naturwissenschaften und der Mathematik wären als positive Ergebnisse einer solchen Abstimmung zu bewerten, wodurch gleichzeitig der Funktion des Englischen als weltweite Wissenschaftssprache Rechnung getragen würde. Der Beitrag von RITA KUPEIZ (Leibniz Universität Hannover) thematisiert das vielfältige Potenzial von videografiertem Unterricht für die Lehrerausbildung im Allgemeinen und für die Sensibilisierung für CLIL-Charakteristika im Besonderen. Videobasierte Fallstudien nehmen dabei eine zentrale Rolle ein, da sie nicht nur situiertes Lernen durch die Beobachtung Dritter bzw. Selbstbeobachtung ermöglichen, sondern auch Interaktionsanalysen zulassen, die in dem Beitrag anhand von CLIL-Unterricht in Erdkunde, Geschichte und Biologie exemplifiziert werden. Das Modell der Diskursanalyse von Sinclair/ Coulthard wird eingesetzt, um Interaktionsmuster auf drei unterschiedlichen Ebenen herauszuarbeiten: CLIL-spezifische, sachfachspezifische und lehrerbzw. lernersprachenspezifische Interaktionsmuster. Dabei kann die Diskursanalyse dazu dienen, die spezifische Verflechtung von Sprach- und Sacharbeit zu verdeutlichen. Der dritte Block der Beiträge thematisiert, ausgehend vom Konzept der scientific literacy, konzeptuelle und unterrichtsbezogene Überlegungen zum bilingualen Sachfachunterricht in den Naturwissenschaften, insbesondere am Beispiel der Chemie, und nimmt damit auf ein Fächerspektrum Bezug, dem bisher weder in der Praxis noch in der Forschung besondere Beachtung geschenkt worden ist. Der Beitrag von WOLFGANG HAUET (Justus-Liebig-Universität Gießen) beginnt mit der Feststellung, dass die bilinguale Schullandschaft in Deutschland noch weitgehend von den gemeinschaftskundlichen Fächern, also von Geschichte, Politik, Wirtschafts- und Sozialkunde sowie von Erdkunde, geprägt ist und dieser Fächerkanon bisher maßgeblich das Begründungsparadigma, z.B. Interkulturalität und interkulturelles Lernen, des bilingualen Unterrichts bestimmt hat. Eine Ausweitung auf weitere, naturwissenschaftliche Fächer macht somit eine konzeptuelle Anpassung erforderlich. Diese kann mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Bildungsstandards geleistet werden, da ihre Lernbereiche und das Konzept des integrierten sprachlich-kommunikativen und fachlich-inhaltlichen Lernens auf den bilingualen Sachfachunterricht übertragbar seien. Naturwissenschaftliches Lernen wird mittlerweile auch in Deutschland unter Rückgriff auf das Konzept der scientific literacy legitimiert, z.B. in den nationalen Bildungsstandards für die Naturwissenschaften. Allerdings ist naturwissenschaftlicher Fachunterricht bislang vorrangig monolingual geprägt und seine Vermittlung in der Fremdsprache eine bisher den Bildungsstandards unbekannte Vorstellung. Dieser Sachverhalt gibt dem Autor Anlass, für ein mehrsprachiges Bildungskonzept zu plädieren, in dem die Naturwissenschaften bilingual unterrichtet werden und somit als Anker für Mehrsprachigkeit fungieren können. CHRISTA RITTERSBACHER (Pädagogische Hochschule Karlsruhe) möchte mit ihrem Beitrag das bisher kaum erkannte, jedoch tatsächlich beachtliche Potenzial des naturwissenschaftlichen Unterrichts für den bilingualen Unterricht am Beispiel der Chemie lFLulL 36 (2007) 8 Claus Gnutzmann verdeutlichen. Dabei geht sie nicht nur auf die neueren curricularen Entwicklungen ein wie die Formulierung von Kompetenzen für den Chemieunterricht, die untrennbar mit Sprache verknüpft sind, sondern auch auf die positiven Wirkungen, die fremde Sprachen auf den naturwissenschaftlichen Unterricht haben. Ihre Forderung nach einem bilingualen naturwissenschaftlichen Unterricht wird unter anderem gestützt durch die Tatsache, dass das Englische in seiner Lingua-franca-Funktion bereits als Wissenschaftssprache der Naturwissenschaften fungiert. Demzufolge komplettiert eine fremde Sprache nicht nur die durch entsprechende Experimente herbeigeführte „Spektakularität" des Chemieunterrichts, sondern hilft vor allem auch dabei, die Kluft zwischen Alltagssprache im Alltagskontext und der Fachsprache im wissenschaftlichen Kontext zu überwinden. Vor allem die bewusste Wahrnehmung sprachlicher Phänomene führt zur Vermittlung zwischen den Sprachen, wie anhand von verschiedenen Beispielen zur Beziehung zwischen Sache und Sprache gezeigt wird, und stützt die These der Autorin, dass bilingualer Unterricht einsprachigem naturwissenschaftlichen Unterricht überlegen sei. Ausgehend von der insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich wahrnehmbaren Popularität von bilingualem Unterricht in gesellschaftswissenschaftlich basierten Fächern sowie der allmählich auch anerkannten Eignung der naturwissenschaftlichen Fächer für diese Unterrichtsform, entwickelt ANDREAS BONNET (z. Zt. Universität Hamburg) ein Drei-Säulen-Modell für CLIL, das auf den gezielten Erwerb folgender Kompetenzen abhebt: die fremdsprachliche, die sachfachliche und die interaktionale. Es geht in diesem Zusammenhang insbesondere um ein auf dem Konzept der Bedeutungsaushandlung basierendes methodisches Modell, mit dem CLIL-Arrangements geplant, inszeniert und evaluiert werden können. Bedeutungsaushandlung wird hier unter zwei Aspekten betrachtet. Zum einen erfüllt sie für die Schüler die Funktion des gegenseitigen Abgleichs ihrer in den Unterricht mitgebrachten Vorstellungen. Die Lernenden verbalisieren diese Vorstellungen und erhalten aus der Lerngruppe Zustimmung oder kritische Reaktionen darauf. Des Weiteren findet man, vor allem in kooperativen Arrangements mit Kleingruppen, aber auch den Fall, dass sich in der Interaktion Ideen entwickeln, die über die von den Teilnehmern zunächst eingebrachten Vorstellungen hinausgehen und somit erst durch Interaktion entstehen. Dies führt den Autor zu der Schlussfolgerung, dass in CLIL-Situationen instruktivistische Unterrichtsformen möglichst vermieden werden und dass Lehrer stattdessen eine experimentelle Haltung gegenüber dem eigenen Unterricht einnehmen sowie Schüler als didaktische Experten akzeptieren sollten. Die vierte Gruppe besteht aus zwei Aufsätzen, die sich aus der Unterrichtsperspektive mit didaktisch-methodischen Fragestellungen des bilingualen Sachfachunterricht in den Fächern Geschichte und Darstellendes Spiel beschäftigen. ANNE INGRID KOILENROTT präsentiert in ihrem Aufsatz die Ergebnisse einer qualitativquantitativ empirischen Studie, in der anhand von Fragebögen und Interviews die Sichtweisen von Lehrkräften des deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterrichts in Niedersachsen erhoben wurden. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Umsetzung von bilingualen Lehrinhalten, die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf CLIL und der Einsatz von Medien. Ein besonderer Schwerpunkt wird darüber hinaus auf interkulturelles Lernen gelegt, da dem bilingualen Geschichtsunterricht durch seine lFLllL 36 (2007) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 Kombination von historischem und sprachlichem Lernen hierzu ein besonderes Potenzial zugesprochen wird. Ein weiterer, medial fokussierter Teil der Untersuchung befasst sich mit der Analyse von Aufgabenstellungen im Lehrwerk Spotlight on History unter besonderer Berücksichtigung des interkulturellen Lernens. Obwohl der bilinguale Geschichtsunterricht in Niedersachsen seit über 15 Jahren etabliert ist, zieht die Autorin ein eher pessimistisches Fazit, da sie den Fortbestand des derzeitigen Angebots für den deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht durch die Verknappung der seitens der Landesregierung bereitgestellten Ressourcen bedroht sieht. HEIKE WEDEL (Humboldt-Universität Berlin) beschäftigt sich mit dem Bilingualen Unterricht Darstellendes Spiel (BUDS), dem bisher weder in der Theorie noch in der Praxis besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Die Ambiguität im Titel des Beitrags "Unterricht Darstellendes Spiel-Alles nur, Theater? "') verweist aufBUDS und darauf, worin sich dieser von den wichtigsten Ansätzen zum Theaterspielen innerhalb des etablierten Englischunterrichts und des Schulfaches Darstellendes Spiel (DS) unterscheidet. Mit Blick auf die Legitimation von BUDS wird hervorgehoben, dass dieser nur begründet werden kann, wenn er die Ziele und Inhalte, den Kompetenzerwerb und die Verfahren von Englischunterricht und Unterricht in Darstellendem Spiel vereint. Vor allem die Tatsache, dass die Funktion und Wirkungsweise von Theater bei der Verwendung von darstellendem Spiel als Methode im Englischunterricht kaum hinterfragt und der Arbeit an der Fremdsprache höchste Priorität zugestanden wird, wird kritisch vermerkt. Im Zusammenhang mit dem Unterricht Deutsch als Fremdsprache stellt die Autorin den Begründungsansatz einer dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis vor und geht auf die Forderung nach einem Fremdsprachenunterricht im Sinne einer Wahrnehmungsschulung ein. Mit Bezug auf die im Titel gestellte Frage spricht sich die Autorin eindeutig für BUDS aus, sofern das gemeinsame Arbeiten an der Sprache und an den anderen theatralen Zeichen in diesem Fach im Dienste einer theatralen Wirkung als grundlegendem Merkmal theatraler Gestaltung steht. Der abschließende fünfte Block der Beiträge beschäftigt sich mit der Rolle des Englischen als Arbeitssprache in nicht originär englischsprachigen Lehr- und Lernumgebungen (Deutschland, Hong Kong). Die angesprochenen Themenbereiche betreffen die Sprachenpolitik und -praxis an der Jacobs University in Bremen, die Zertifizierung und Integration von Fach- und Sprachausbildung im Rahmen von UNicert® sowie verschiedene Probleme der Kooperation von Fach- und Sprachlehrern. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Lehrende und „College Master" der privaten, mittlerweile in Jacobs University umbenannten International University Bremen befassen sich KLAUS BOEHNKE und MANDY BOEHNKE mit einem einzigartigen Beispiel von Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Universitätsbereich. Aufgrund der dezidiert internationalen Ausrichtung dieser Universität und der daraus resultierenden sprachlichen Vielfalt werden alle Lehrveranstaltungen auf Englisch abgehalten. Doch nicht nur die ausschließliche Verwendung des Englischen in der Lehre, sondern auch das Zusammenleben der Studenten in Colleges auf dem Campus die Verflechtung von Privatleben und Universität sollen den Status des Englischen als Lingua franca fördern: Während sich der Großteil der Studierendenschaft aus Deutschen, Rumänen und Bulgaren zusammenlFL111lL 36 (2007) 10 Claus Gnutzmann setzt, die jeweils untereinander die eigene Muttersprache benutzen können und dieses auch tun, fördert das Zusammenleben mit Studenten aus weiteren 88 Nationen die Kommunikation durch das Englische. Die Autoren erörtern das Kursangebot und gehen auf vollzogene Entwicklungen und Fortschritte ebenso ein wie aus ihrer Sicht notwendige Veränderungen, um das Angebot noch attraktiver zu gestalten: Durchgehende Mehrsprachigkeit unter den Studierenden wurde ebenso wenig erreicht wie ausreichende Deutschkenntnisse, da als Verkehrssprache das Englische oder innerhalb der genannten Gruppen häufig die jeweilige Landessprache eingesetzt wird. Verpflichtende Sprachkurse in Deutsch schaffen Abhilfe für zumeist ungenügende Sprachfertigkeiten und können ausländischen Studierenden den deutschen Arbeitsmarkt öffnen. Deren Anrechnung als fakultatives Lehrangebot, führte jedoch zu einer Benachteiligung deutscher Studierender, dem durch die Einführung weiterer Sprachkurse, z.B. für Chinesisch, begegnet wurde. Am Beispiel der Europa-Universität Viadrina stellt THOMAS VOGEL (Universität Frankfurt/ Oder) das hochschulübergreifende Zertifizierungssystem UNicert® vor, das die Qualitätssicherung der Sprachausbildung an den Hochschulen Deutschlands gewährleisten soll. Nachdem der Bolognaprozess den Weg zur Internationalisierung der europäischen Hochschulen gangbarer gemacht hat, werden auch in Deutschland fremdsprachige Studiengänge eingeführt. Im Bachelor/ Master-System ist das Fremdsprachenlernen bereits als Schlüsselqualifikation integriert, durch die Verdichtung des Studiums ist jedoch eine enge Verzahnung von Sprache und Fachstudium unabdingbar geworden. Als erfolgreiches Beispiel einer solchen Kombination und der Internationalisierung der Studentenschaft führt der Autor die Europa-Universität Viadrina an, die durch den Nachweis von Kompetenzen in bis zu drei Fremdsprachen das Fachstudium mit der Sprachausbildung verbindet und über einen vierzigprozentigen Anteil an ausländischen Studierenden verfügt. Im Rahmen von UNicert® bietet die Viadrina eine Ausbildung in neun Sprachen an, wobei vor allem die Auslandsaufenthalte eine wichtige Rolle spielen, während der vom Fach gelöste Unterricht im Sprachenzentrum als eher zweitrangig angesehen wird. Auch wenn seitens der Angewandten Linguistik und TESOL "Teaching English to Speakers of Other Languages") die Notwendigkeit einer verstärkten Kooperation von „English for Academic Purposes" (EAP) und nicht-sprachlichen Studienprogrammen wie z.B. "Economics and Finance" seit langem propagiert wird, so findet diese tatsächlich nur in sehr eingeschränktem Umfang statt, wie CHRIS DAVISON und JOHN TRENT (University · of Hong Kong) in ihrem Beitrag am Beispiel der University of Hong Kong demonstrieren. Eine engere Verknüpfung in der Vermittlung von Fachkenntnissen und fachbezogenen Sprachkompetenzen des Englischen wäre auch deshalb sinnvoll, weil sie dem Selbstverständnis "international profile") dieser Institution entspräche. Dafür gibt es allerdings neben eher praktischen Hinderungsgründen wie W orkload, Kursplanung und Ressourcen auch erkenntnistheoretische Unterschiede zwischen den Fachdisziplinen und EAP, die sich wiederum auf die sozialen Beziehungen ihrer Vertreter im universitären Arbeitskontext auswirken können. Die auf der Grundlage von Fragebögen, Interviews und Beobachtungsdaten durchgeführte Studie versteht sich als eine ethnographische Untersuchung von Studienanfängern chinesischer Herkunft des Faches „Economics and Finance", die diesen Studiengang mit Englisch als Arbeitssprache studieren. Erschwerend für die ]F]LW[, 36 (2007) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 11 derzeitige Sprachensituation kommt hinzu, dass seit der Übergabe Hong Kongs an China sich der relativ geringe Anteil der sich als des Englischen mächtig bezeichnenden Bevölkerung weiter verringert hat, wodurch Englisch trotz seines offiziellen Status als eine der beiden Hauptsprachen vor allem noch als „auxiliary language" Verwendung findet. Zudem wird nur noch einem Viertel der „secondary government schools" die Möglichkeit zugesprochen, Englisch als „medium of instruction" einzusetzen. Damit ergeben sich notwendigerweise weitere negative Konsequenzen für die englischsprachige Kompetenz der Studierenden. Die Ergebnisse der Untersuchung legen verschiedene sprachdidaktische Maßnahmen nahe: eine klare Explizierung der Ziele der Spracharbeit im fachspezifischen Kontext, Aushandlung eines gemeinsamen Verständnisses der Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten von Sprach- und Fachdozenten, aber auch Sicherstellung, dass das Fach EAP wie die damit verbundene Dozentenschaft einen angemessenen Status „within the disciplinary hierarchy" erhält. Literatur AMMON, Ulrich (1998): Ist Deutsch noch internationale Wissenschaftssprache? Englisch auch für die Lehre an den deutschsprachigen Hochschulen. Berlin/ New York: de Gruyter. AMMON, Ulrich (Hrsg.) (2001): The Dominance of English as a Language of Science: Effects on Other Languages and Language Communities. Berlin/ New York: de Gruyter. AMMON, Ulrich (2004 ): "German as an international language of the sciences - Recent past and present". In: GARDT / HüPPAUF (Hrsg.), 157-172. 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Content and language integrated learning (CLIL) has become enormously popular in Europe during the last decade. Whereas in the middle of the 1990s CLIL was looked upon as something almost exotic, nowadays this new integrated pedagogical approach has been implemented in almost all countries of the European Union and in other European countries as well. In my contribution I will try to give an extensive overview of CLIL in the European context. My survey is based on a number of recent reports, two of which were published only a short time ago by the European Commission and the Council of Europe. The following aspects will be discussed: the countries in which CLIL has been implemented, organisational and administrative aspects of CLIL, aims, contents, methodology, assessment, teacher training and problems related to this new approach. At the end of the paper I will address the new lifelong learning programme (LLP) of the European Commission and what it has to offer to promote CLIL. 1. Vorbemerkungen Der didaktisch-methodische Ansatz, den wir in Deutschland als bilingualen Sachfachunterricht bezeichnen, ist in der pädagogischen Diskussion in Europa im letzten Jahrzehnt in den Vordergrund gerückt. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt darin, dass die Europäische Kommission mit ihrer Forderung, jeder Bürger Europas solle neben seiner Muttersprache noch zwei weitere Sprachen sprechen, nun Ernst macht. Viele Länder der Europäischen Union setzen, um dieser Forderung gerecht zu werden, seit einiger Zeit auf integrierte Formen der Sprach- und Inhaltsvermittlung und führen sie in ihre Schulsysteme ein. Aufgrund der unterschiedlichen pädagogischen Traditionen und sprachlichen Kontexte haben sich in Europa verschiedene Modelle des bilingualen Unterrichts entwickelt, die zu vergleichen lohnenswert ist, weil aus der Kenntnis der anderen Modelle Stärken und Schwächen des eigenen Modells besonders augenfällig werden. Der Gedanke, der Europa als politisches Modell so faszinierend macht, der Gedanke von der Einheit in der Vielfalt, spiegelt sich auch in den folgenden Überlegungen, wobei allerdings zu unterstreichen ist, dass der Vergleich nicht dazu dienen darf, aus der Vielfalt Uniformität zu machen. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. em. Dieter WOLFF, Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich A, Gaußstr. 20, 42097 WUPPERTAL. E-mail: wolff.dieter@t-online.de Arbeitsbereiche: Lemerautonomie, Neue Technologien und Fremdsprachenunterricht, Zweitsprachliches Verstehen, Bilingualer Sachfachunterricht. 1 Dieser Beitrag klammert den bilingualen Sachfachunterricht in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend aus; er wird in dem Beitrag von Wolfgang Zydatiß in diesem Themenheft detailliert dargestellt. ]F[,utl, 36 (2007) · 14 Dieter Wolff Im Folgenden soll der methodisch-didaktische Ansatz des bilingualen Sachfachunterrichts im europäischen Kontext vergleichend dargestellt werden, wobei keine Beschränkung auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erfolgen soll, sondern auch auf Länder eingegangen wird, die dem Europarat angehören, natürlich nur, wenn sie den bilingualen Unterricht in ihr Schulsystem eingeführt haben. Ein solcher Überblick wird dadurch erleichtert, dass gerade jetzt eine Reihe von Quellen zur Verfügung stehen, die zum Teil erst 2006 veröffentlicht wurden, z.B. der Eurydice-Bericht der Europäischen Kommission (EURYDICE-BERICHT 2006), bzw. sich zum Teil noch im Druck befinden, z.B. der vom Europarat herausgegebene Länderbericht (MALJERS [et. al.] 2007). Außerdem kann auf zwei Veröffentlichungen von MARSH (Profiling European CLIL Classrooms, 2001; CLIUEMILE: The European Dimension, 2001) Bezug genommen werden, die allerdings schon etwas älter sind. Es versteht sich von selbst, dass im folgenden Bericht nicht dürre Zahlen und Prozente präsentiert werden, sondern vielmehr versucht werden soll, Tendenzen zu erläutern und wichtige Aspekte zukünftiger Entwicklungen herauszustellen. Am Ende dieser Ausführungen sollte dann deutlich geworden sein, dass die Erfahrungen, die die europäischen Länder mit integrierten Formen von Inhalts- und Sprachlernen gewonnen haben, durchaus vielversprechend sind und darauf hindeuten, dass der bilinguale Unterricht kein elitäres sondern ein sozial verträgliches Unterrichtsmodell ist, dessen flächendeckender Einführung wenig im Wege steht. 2. Zum Verständnis des Begriffs bilingualer Sachfachunterricht (CLIL/ EMILE) im europäischen Kontext Obwohl sich zur Bezeichnung des didaktischen Konzeptes, über das hier gehandelt werden soll, in Deutschland der Begriff bilingualer Sachfachunterricht durchgesetzt hat, soll im Folgenden das englische Akronym CLIL verwendet werden, das durchgängig im europäischen Kontext benutzt wird und für das es eine allgemein akzeptierte Definition gibt, die jetzt .vorgestellt werden soll. Es gibt diese Definition in verschiedenen Varianten, es soll hier die Variante vorgestellt werden, die im Eurydice-Bericht benutzt wird: "The acronym CLIL is used as a generic term to describe all types of provision in which a second language (a foreign, regional or rninority language and/ or another official state language) is used to teach certain subjects in the curriculum other than language lessons themselves" (EURYDICE 2006: 8). Diese und andere ähnliche Definitionen (z.B. MARSH/ LANGE 2000: iii) sind bewusst sehr weit gefasst, weil sie den unterschiedlichen sozialen Kontexten und vor allem den unterschiedlichen bildungspolitischen Anliegen in Europa gerecht werden wollen. Die Definition soll in den Worten von BAETENS-BEARDSMORE (1993: 12) deutlich machen "that there is no single blueprint of content and language integration that can be applied in the same way in different countries no model however successful is for export". Aber gerade eine so weit gefasste Definition bedarf. einiger Erläuterungen, die im Folgenden gegeben werden sollen. ■ Die Definition macht deutlich, dass CLIL nicht einfach als fremdsprachendidaktisches Konzept verstanden werden darf, bei dem das Sachfach nur eingebracht wird, um die lFlLllllL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 15 fremdsprachliche Kompetenz des Lernenden zu verbessern; es ist vielmehr ein Ansatz, der Inhalt und Sprache gleichermaßen umfasst. Sprache und Inhalt werden integriert gelernt, d.h. sie werden miteinander verbunden und als etwas Ganzes behandelt. Es wird später deutlich werden, dass sich die Ansätze in den verschiedenen europäischen Ländern auch dahingehend voneinander unterscheiden, inwieweit sie die fremdsprachliche bzw. die Sachfachkomponente in den Vordergrund rücken. ■ Die Definition macht deutlich, dass CLIL sich sowohl auf das Lernen von Inhalten wie auf das Lernen von Sprache bezieht. Das heißt, dass anders als in Immersionsprogrammen des kanadischen Typs bewusst auf Sprache abgehoben wird. Sprache ist nicht nur Medium des Unterrichts sondern auch Inhalt. Das bedeutet, dass neben der Fremdsprache die Muttersprache thematisiert wird und in diesem Sinne von bilingualem Unterricht (im Verständnis der ursprünglichen deutschen Begrifflichkeit) gesprochen werden kann. Und es bedeutet, dass die Fremdsprache daneben auch unabhängig im regulären Fremdsprachenunterricht vermittelt wird. ■ Die Definition macht deutlich, dass sich CLIL nicht auf den gesamten Fächerkanon einer schulischen Ausbildung bezieht; es werden einige, nicht alle Fächer in der Fremdsprache unterrichtet, um auf diese Weise auch der Gefahr zu begegnen, dass die muttersprachliche Entwicklung des Lernenden behindert wird. Damit unterscheidet sich dieser Ansatz von dem der eher elitär ausgerichteten Auslandsschulen, der binationalen und der europäischen Schulen, aber auch von dem der kanadischen Immersionsprogramme, in denen häufig alle Sachfächer in (einer) anderen als der Muttersprache des Lernenden unterrichtet werden. ■ Die Definition schließt bewusst unterschiedliche Sprachen als Unterrichtssprachen ein; die großen westeuropäischen Verkehrssprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch) können ebenso gewählt werden wie osteuropäische oder asiatische Sprachen. Aber auch Minderheits- und Regionalsprachen können als Unterrichtssprachen genutzt werden, seien es nun die Sprachen von Minderheiten mit Migrationshintergrund (Arabisch, Türkisch) oder anderer historisch oder politisch bedingter Minderheiten (Baskisch, Franko-Provenzalisch, Sorbisch). Wie im Folgenden deutlich werden wird, lassen sich zwar alle bekannten europäischen CLIL-Konzepte der obigen Definition zuordnen, aber schon bei der Berücksichtigung der der Definition unterliegenden Merkmale ergeben sich Unterschiede, die zu verschiedenen Modellen führen. Diese Unterschiede aufzuzeigen, wird Aufgabe der folgenden Abschnitte sein. 3. Zum Status von CLIL in den europäischen Erziehungssystemen: Ein Überblick auf der Grundlage der Eurydice-Daten Es ist erstaunlich, wie schnell sich CLIL einen Platz im europäischen Bildungskontext erobert hat. Während es vor 1980 nur wenige Länder gab, in welchen integriertes Inhalts- und Fremdsprachenlernen bekannt war und es zwar häufig auf langen Traditionen beruhend dort meist nur in Eliteschulen stattfand, kann man heute davon ausgehen, dass lFL1.! lL 36 (2007) 16 Dieter Wo/ ff mit wenigen Ausnahmen im gesamten europäischen Kontext CLIL in einer der Definition entsprechenden Form angeboten wird. Zu den Ausnahmen gehören Dänemark, Griechenland, Litauen, Portugal und Zypern. Wie aus dem Eurydice-Bericht hervorgeht, ist in den Erziehungssystemen der übrigen Länder CLIL entweder fest oder in zeitlich begrenzten Projekten verankert, wobei zwischen drei und dreißig Prozent der Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe an einem solchen Unterricht teilnehmen. Luxemburg und Malta sind die einzigen Länder, in welchen alle Schülerinnen und Schüler in wenigstens zwei Sprachen unterrichtet werden. Der Eurydice-Bericht klammert Kontexte aus, in welchen Minderheitssprachen von Migranten zur Vermittlung von Sachfachinhalten genutzt werden, obwohl sie auch als eine Form von CLIL im Sinne der Definition verstanden werden müssen. 2 Der Eurydice-Bericht gibt einen detaillierten Überblick über die Sprachen, die als CLIL-Sprachen im Unterricht verwendet werden. Neben Fremdsprachen sind es regionale Minderheitssprachen bzw. andere offizielle Sprachen des jeweiligen Landes. In den meisten Ländern, die CLIL anbieten, sind die verwendeten Sprachen sowohl Fremdals auch Minderheitssprachen. Beispiele: Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland 3 , wo sowohl Minderheitssprachen als auch Fremdsprachen als CLIL-Sprachen genutzt werden. Nicht nur der Eurydice-Bericht sondern auch die früheren Berichte und der Länderbericht des Europarates geben einen genauen Überblick über die Sprachen, die als CLIL- Sprachen genutzt werden. Bei den Fremdsprachen steht, wie nicht anders zu erwarten ist, in allen Ländern Englisch mit weitem Abstand an der Spitze, gefolgt von Französisch und Deutsch. Einzelne Länder nennen auch Spanisch, Italienisch und Russisch. Hierzu gehören z.B. Ungarn und Tschechien. In den offiziell mehrsprachigen Ländern werden natürlich die jeweils anderen offiziellen Landessprachen verwendet, also z.B. Flämisch im französischsprachigen Teil Belgiens, Irisch in der Republik Irland, Schwedisch in Finnland. In vielen Ländern der Europäischen Union und des Europarates werden auch Minderheitssprachen als CLIL-Sprachen genutzt, z.B. Bretonisch, Katalanisch, Okzitanisch in Frankreich, Russisch in Estland, Sami in Norwegen oder Ukrainisch in Rumänien. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass einige dieser Sprachen reinen Minderheitsstatus haben (z.B. das Friesische in den Niederlanden), andere hingegen auch Mehrheitssprachen, meist in benachbarten Ländern, sind (z.B. Slowenisch in Österreich, das in Slowenien Mehrheitssprache ist). Wie aus Befragungen bekannt ist, sind die Einstellungen der Lerner (und ihrer Eltern) im Hinblick auf solche Sprachen unterschiedlich. Minderheitssprachen, die in anderen Ländern nicht als Mehrheitssprachen gesprochen werden, werden meist nur von Sprachgruppen angenommen, die eine solche Minderheitssprache auch in der häuslichen Umgebung sprechen (also z.B. das schon genannte Sorbisch in Deutschland), Minderheitssprachen, die in einem umliegenden Land Mehrheitssprachencharakter haben, werden hingegen häufig auch von Menschen angenommen, die keine kulturelle Bindung zu dieser Sprache haben, z.B. das Deutsche in den französi- 2 Ein Beispiel hierfür ist eine Berufsschule in Wuppertal, in der Wirtschaft zum Teil in türkischer Sprache unterrichtet wird. So wird in Deutschland z.B. Sorbisch als CLIL-Sprache benutzt. IFLlLillL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 17 sehen Ostregionen. Hervorzuheben ist die Situation in Rumänien, wo laut Eurydice- Bericht Deutsch als Fremdsprache in bilingualen Schulen verwendet wird, während es als Minderheitssprache in Schulen der deutschsprachigen Minderheit Eingang findet. Die unterschiedlichen Berichte stellen zudem ausführlich dar, in welchem Bildungsabschnitt in den verschiedenen Ländern CLIL-Angebote gemacht werden. Besonders hilfreich ist hier, dass der Eurydice-Bericht die Daten nach der International Standard Classification of Education (ISCED) kategorisiert hat, die einen wirklichen Vergleich zwischen den einzelnen Ländern ermöglicht. 4 In einer Vielzahl von Ländern wird CLIL sowohl im Primarbereich als auch im Sekundarbereich angeboten. In manchen Ländern, z.B. in Belgien, Spanien, Italien, Finnland, Großbritannien und Rumänien, gibt es schon in der Vorschule Aktivitäten in einer anderen Sprache. In einzelnen Ländern werden sowohl Regionalals auch Minderheitssprachen im Primarbereich angeboten, so z.B. in Polen und Rumänien. In den meisten Ländern ist CLIL jedoch ein Anliegen der Sekundarschulen. Während die mögliche Dauer des CLIL-Unterrichts gemeinhin bis zum Ende der Schulpflicht reicht und daher theoretisch bis zu zehn Jahren dauern könnte, ist sie in Wirklichkeit sehr variabel und geht in vielen Ländern bis zum Ende der Upper Secondary Education. 4. Zur Organisation des CLIL-Unterrichts in Europa Dieser Abschnitt bildet die Struktur des entsprechenden Kapitels im Eurydice-Bericht ab. Wie schon angedeutet, wurde CLIL bisher nur in wenigen Ländern flächendeckend eingeführt. Deshalb stellt sich die Frage, worauf die Auswahl der Schüler beruht, die am CLIL-Unterricht teilnehmen. Während sich in den Anfängen dieses Problem durch Angebot und Nachfrage gleichsam von selbst regelte, haben sich inzwischen in einer Reihe von Ländern Zugangskriterien etabliert, die von allgemeinen Wissenstests bis hin zu Sprachtests reichen. So müssen Lerner in der Tschechischen Republik, in der Slowakei und in Bulgarien, wenn sie am CLIL-Unterricht teilnehmen wollen, Eingangsprüfungen ablegen, in welchen ihr Allgemeinwissen, ihr mathematisches und ihr muttersprachliches Wissen getestet wird. In Frankreich und Rumänien wird hingegen das Wissen und Können in der Zielsprache getestet, bevor Zugang zum CLIL-Unterricht gewährt wird. In Ländern wie Ungarn, den Niederlanden und Polen beziehen sich die Testverfahren auf das Allgemeinwissen und auf die Sprachfähigkeit in der Zielsprache. Eingangstests werden in schriftlicher Form administriert, es gibt aber auch mündliche Prüfungen. In der Mehrzahl 4 ISCED trennt zwischen vier Stufen: Pre-primary education (ISCED 0): Es ist die erste organisierte Form der Erziehung und beginnt mit dem 3. Lebensjahr. Primary education (ISCED 1): Beginnt zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr, ist verpflichtend für alle Kinderund dauert vier bis sechs Jahre. Lower secondary education (ISCED 2): Führt die Curricula der Primarstufe fort, der Unterricht ist stärker fachbezogen. Endet normalerweise mit dem Ende der Schulpflicht. Upper secondary education (ISCED 3): Beginnt am Ende der Schulpflicht meist mit 15 oder 16 Jahren. Eingangsqualifikationen sind üblich. Die Dauer liegt zwischen zwei und fünf Jahren. JFLIIILIL 36 (2007) 18 Dieter Wolf! der europäischen Ländern gibt es jedoch bisher keine Zugangsvoraussetzungen, um am CLIL-Unterricht teilzunehmen. Eine wichtige Rolle bei der Diskussion um CLIL hat von Anfang an die Frage gespielt, welche Fächer sich gut, welche sich hingegen weniger gut für den Unterricht in einer anderen Sprache eignen. Gemeinhin wird zwischen drei Fächergruppen unterschieden, nämlich geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern (Geschichte, Geographie, Sozialkunde), naturwissenschaftlichen Fächern (Mathematik, Physik, Biologie) und musischen Fächern (Kunst, Sport, Musik). Generell wird aus den Befragungen deutlich, dass es in nicht vielen Ländern wirkliche Festschreibungen im Hinblick aufbestimmte Fächer oder Fächergruppen gibt. Im Primarbereich sind sie fast nicht existent, d.h. jedes Fach bzw. jeder Lernbereich kann in einer anderen Sprache unterrichtet werden. Ausnahmen bilden Estland und der deutschsprachige Teil Belgiens, wo nur musische Fächer in einer Fremdsprache unterrichtet werden sollten. Im Sekundarbereich überlassen viele Länder bei der Auswahl der Sachfächer den Schulen die freie Wahl, so z.B. Spanien, Frankreich, Italien, Irland, England und Wales, Polen, Ungarn und Österreich. In anderen Ländern, z.B. in Tschechien und Rumänien ist die Auswahl eingeschränkt auf naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Fächer. In Schweden und Finnland, in den Niederlanden und Bulgarien stehen natur- und sozialwissenschaftliche, aber auch musische Fächer im Vordergrund. Bei den naturwissenschaftlichen Fächern werden gemeinhin Mathematik, Biologie, Physik, Chemie und Technik in dieser Häufigkeitsfolge genannt. Die am häufigsten genannten sozialwissenschaftlichen Fächer sind Geschichte, Geographie und Wirtschaft, die am häufigsten genannten musischen Fächer Musik und Kunst. Ein wichtiger Indikator im Hinblick darauf, inwieweit CLIL in das jeweilige Schulsystem integriert ist, ist die Zahl der Unterrichtsstunden, die für diesen Ansatz zur Verfügung steht. Exposure time ist in einer Reihe von Ländern überhaupt nicht festgelegt und hängt von der individuellen Schule ab, so z.B. in Finnland, in Italien, in Slowenien. Andere Länder machen ungefähre Vorgaben wie z.B. der französischsprachige Teil Belgiens, Tschechien, Österreich und Deutschland, wieder andere geben ganz präzise Zahlen an wie z.B. einige der autonomen Regionen Spaniens, Frankreich, die Niederlande, Polen. Malta und Luxemburg, die aufgrund ihres Sonderstatus sonst aus dieser Befragung ausgeklammert bleiben, veranschlagen 50% bzw. zwei Drittel der Unterrichtszeit für den Unterricht in der anderen Sprache. überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass die Unterschiede zwischen den Ländern, die mehr oder weniger feste Zahlen für die Unterrichtsstunden angeben, groß sind. So legen einige der autonomen Regionen Spaniens für die ISCED-Stufe Osieben bis neun Stunden pro Woche fest, für ISCED 1 neun bis zwölf Stunden und für ISCED 2 elf Stunden. Diese Regionen, zu denen Andalusien und Madrid gehören, liegen damit an der Spitze im europäischen Vergleich. Vergleichsweise niedrig liegen die französischen Zahlen. Hier sind für ISCED 1 zwei Stunden zusätzlichen Unterrichts festgelegt, für ISCED 2 und 3 jeweils vier Stunden 5• Zu den Stufen vgl. Fußnote 3. lFlLIIJlL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 19 5. CLIL als didaktisches Konzept im europäischen Kontext Die vorliegenden Quellen sind bedauerlicherweise nicht besonders aussagekräftig im Hinblick auf das, was man als den eigentlichen Kern des CLIL-Ansatzes bezeichnen könnte, d.h. das unterliegende methodisch-didaktische Konzept. Wenn man ganz traditionell die vier Kernfelder, die einen Unterrichtsansatz didaktisch bestimmen, als Aufgaben und Ziele, Inhalte, Methoden und Bewertung bezeichnet die Medien seien hier einmal ausgeklammert dann wird man feststellen, dass zumindest zu zwei dieser Felder - Inhalte und Methoden für CLIL nur geringe oder gar keine Informationen vorliegen. Der Eurydice-Bericht weist ganz explizit darauf hin, dass methodische Ansätze wegen mangelnder Informationen nicht berücksichtigt werden konnten. Auch die anderen Berichte bieten zur CLIL-Methodologie keinerlei Informationen. Ähnlich sieht es mit den Inhalten aus. Einzig Aufgaben und Ziele sowie Evaluation lassen sich durch die Berichte abdecken. Wir wissen also nur wenig darüber, was im europäischen CLIL-Klassenzimmer geschieht, wenn der Lehrer einmal die Tür hinter sich geschlossen hat. Im Folgenden soll aber trotzdem versucht werden, einen kleinen Einblick in das didaktisch-methodische Konzept des bilingualen Unterrichts zu geben. Im Hinblick auf die Inhalte soll dabei vor allem auf Überlegungen eingegangen werden, die von Didaktikern entwickelt wurden oder in Curricula verankert sind. Selbst wenn man nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass diese Überlegungen im Unterricht vollständig verwirklicht werden, gewinnt man einen Einblick in das didaktisch-methodische Potenzial von CLIL. 5.1 Aufgaben und Ziele Im Hinblick auf die Aufgaben und Ziele des CLIL-Unterrichts lassen sich zunächst einmal verschiedene Ausprägungen des integrierten Inhalts- und Sprachlernens ausmachen, die vom reinen Fremdsprachenunterricht bis hin zu einem Fachunterricht reichen, in dem die Fremdsprache nicht zum Inhalt des Unterrichts gemacht sondern weitgehend als Arbeitssprache verwendet wird. Einer fremdsprachlichen steht also eine eher integrative Interpretation gegenüber. Der Ansatz wird im ersteren Fall überwiegend als eine innovative Form von Fremdsprachenunterricht verstanden, und das Potenzial, das zweifellos für das Sachfachlernen vorhanden ist, wird weniger berücksichtigt. Es wird angenommen, dass der Unterricht weitgehend die fremdsprachliche Kompetenz des Lernenden verbessert. Im letzteren Fall wird stärker auf die Integration abgehoben und nach dem Mehrwert des Unterrichtens in der Fremdsprache für das Sachfach gefragt. Im ersteren Fall ist das oberste Ziel von CLIL die Optimierung des fremdsprachlichen Lernens, im letzteren eine Verbesserung des Sachfachwissens durch Einbeziehung einer interkulturellen Komponente. Es sei allerdings angedeutet, dass beide Zielsetzungen weder in den Berichten formuliert noch in den didaktischen Konzepten detailliert beschrieben werden und deshalb in dieser Reinform nicht existieren. Zu den Ländern, die CLIL als eine besonders erfolgreiche Form des Fremdsprachenunterrichts sehen und es deshalb eingeführt haben, gehören Estland, Italien, Lettland und Litauen; ein besonders hohes Potenzial im Hinblick auf das Sachfach wird allein von lFJLl.llL 36 (2007) 20 Dieter Wolff Ungarn hervorgehoben. Hier scheint der sonst überall so stark betonte sprachliche Mehrwert keine große Rolle zu spielen. Von einigen Ländern werden neben den fremdsprachlichen vor allem sozioökonomische und soziokulturelle Zielsetzungen genannt, d.h. es wird erwartet, dass CLIL die Chancen der Schüler im späteren Berufsleben erhöht und dass sie eine interkulturelle soziale Kompetenz entwickeln, die ihnen ebenfalls später im Beruf dienlich ist. Zu diesen Ländern gehören Tschechien und die Niederlande. Rein sozioökonomische Ziele werden allerdings sehr viel häufiger genannt als soziokulturelle. Belgien, Spanien, Finnland, Schweden, Norwegen und Bulgarien gehören hierzu. Frankreich, die Slowakei, Schottland und Rumänien heben überwiegend auf soziokulturellen Zielsetzungen ab. Von einigen Ländern wird davon ausgegangen, dass CLIL die allgemeine Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler fördert, dazu gehören Belgien (französischsprachiger Teil), Tschechien, die Niederlande, Österreich, Polen, Slowenien, Finnland, Großbritannien (England) und Bulgarien. Natürlich hängt die Betonung unterschiedlicher nichtsprachlicher Zielsetzungen auch mit einem Aspekt zusammen, der durch den Status der Sprachen vorgegeben ist. Wenn die CLIL-Sprache eine Minderheitssprache ist, ist die soziokulturelle Zielsetzung ausgeprägter als die sozioökonomische, die bei einer CLIL-Fremdsprache stärker in den Vordergrund rückt. Politische Motive, wie etwa das Recht auf Erziehung in der Sprache der regionalen Minderheit oder der Schutz der Minderheitssprache, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. 5.2 Inhaltliche Bestimmungen Der Eurydice-Bericht gibt keinerlei Informationen zu den möglichen Inhalten des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache. Dabei wäre insbesondere die Frage, inwieweit die Inhalte des Sachfachs aufgrund der Vermittlung in der anderen Sprache Veränderungen erfahren, also reduziert, modifiziert oder simplifiziert werden, von großer Bedeutung. Ebenso interessant wäre die Beantwortung der Frage, inwieweit insbesondere in sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern Inhalte auf das Land oder die Länder der Zielsprache zugeschnitten werden. Wenn man den Begriff Inhalt weiter fasst, wie sich das für den bilingualen Sachfachunterricht anbietet, hätte man auch Fragen, wie die nach den sprachlichen Inhalten eines integrierten Unterrichts dieser Art, stellen müssen. Fragen, die sich auf die Inhalte des Sachfachs beziehen, wurden in dem Fragebogen, der dem Bericht von Marsh (MARSH [et al.] 2001) zugrunde liegt, gestellt; allerdings war dieser Fragebogen an Einzelschulen und nicht an die jeweiligen Länder gerichtet. Von mehr als der Hälfte der Schulen wurde ausgesagt, dass die curricular festgelegten Inhalte des Sachfachs für den CLIL-Unterricht verändert werden. Aus den Antworten geht leider nur indirekt hervor, welcher Art diese Veränderungen sind: Umstellung der Inhalte, Reduktion der Inhalte, Fokussierung der Inhalte auf das Land der Zielsprache waren Kategorien, die genannt wurden. Wenn man die bestehenden Curricula für den bilingualen Sachfachunterricht durchsieht ihre Zahl ist bisher nur sehr gering so wird man feststellen, dass man dort grundsätzlich davon ausgeht, dass das sachfachliche Endergebnis des CLIL-Unterrichts lFLllllL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 21 vergleichbar sein muss mit dem des normalen muttersprachlichen Sachfachunterrichts, d.h. Schüler aus den bilingualen Zweigen müssen das Sachfach genauso gut beherrschen wie Schüler, die es in der Muttersprache gelernt haben. So wird es z.B. in allen Empfehlungen des Schulministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen für den bilingualen Unterricht festgehalten. Im Lehrplan für den bilingualen Unterricht Deutsch-Sozialkunde der autonomen Region Andalusien 6 werden die Inhalte wie folgt definiert: Im bilingualen Sachfachunterricht geht es um die Entwicklung einer interkulturell geprägten Sachfachkompetenz, die sich durch besondere Teilkompetenzen charakterisiert, zu welchen u.a. eine hohe fremdsprachliche Kompetenz zählt. Die Inhalte dieses Unterrichts bestimmen sich 1. durch die Vorgaben des Sachfachs, 2. durch die funktionalen Kategorien des sprachlichen Handelns in der Fremdsprache vor dem Hintergrund des Sachfachs, 3. durch die für das Sachfachlernen und das fremdsprachliche Lernen erforderlichen Lern- und Arbeitstechniken. Im weiteren Verlauf differenziert der Lehrplan jede dieser drei Kategorien in Unterkategorien; hier sei dies am Beispiel der Inhalte des Sachfachs und der funktionalen Kategorien des sprachlichen Handelns exemplifiziert. Die aus dem Sachfach abzuleitenden Inhalte lassen sich folgendermaßen definieren: • Die im offiziellen muttersprachlichen Lehrplan festgelegten Inhalte. • Inhalte, die einen Bezug zur fremdsprachlichen Kultur haben und die Vermittlung des Sachfachs in der Fremdsprache rechtfertigen. • Inhalte, die multikulturelles Lernen ermöglichen, d.h, von globalem Interesse sind. Die für die Auswahl der sprachlichen Mittel notwendigen funktionalen Kategorien des sprachlichen Handelns sind die Folgenden: • Beschreiben mit den Teilhandlungen identifizieren, definieren, klassifizieren. • Erklären mit den Teilhandlungen exemplifizieren, elaborieren, reduzieren. • Bewerten mit den Teilhandlungen argumentieren, nachweisen. • Schlussfolgerungen ziehen mit den Teilhandlungen erschließen, erklären. Sie dienen der Arbeit mit den Inhalten des Sachfachs und sind deshalb als sprachliche Inhalte den Inhalten eines CLIL-Unterrichts zuzuordnen. 5.3 Lernorganisation (methodische Ansätze) Bei der Behandlung lernorganisatorischer Fragestellungen (d.h. der Gestaltung der Lern- und Lehrprozesse im Unterricht) und ihrer Einbeziehung in ein didaktisches Konzept des 6 Der Lehrplan, auf den hier Bezug genommen wird, ist in Zusammenarbeit zwischen der Junta de Andalucia, dem Goethe-Institut Madrid und dem Verfasser entstanden. Er wird inzwischen in modifizierter Form an den Schulen Andalusiens gebraucht. lFJLIIIL 36 (2007) 22 Dieter Woljf bilingualen Sachfachunterrichts begegnet man dem bereits erwähnten Problem, dass der Eurydice-Bericht diesen Aspekt wie alle anderen didaktischen Fragestellungen fast völlig ausgeklammert hat. Der Europaratsbericht geht allerdings auf diese zentrale Fragestellung ein, jedoch beschäftigen sich viele Länder nicht mit methodischen Aspekten. Einige Beispiele für methodische Überlegungen aus dem Europaratsbericht müssen hier genügen: Großbritannien: Auf der Grundlage der Arbeiten von Bernhard Mohan (z.B. Mohan 1986) entwickelte Coyle (z.B. 1999) das sogenannte 4C-Framework, ein theoretisches Konzept, das in vielen europäischen Ländern in der CLIL-Didaktik Grundlage didaktischer Entscheidungen bis hin zur konkreten Unterrichtsstunde geworden ist. Das 4C- Framework fokussiert auf die Beziehungen zwischen Inhalt (des Sachfachs), Kommunikation (Sprache), Kognition (Denken und Lernen) und Kultur (Selbstbewusstheit und Bewusstheit des anderen): Content - Communication - Cognition - Culture. Das 4C- Framework versucht, Lernen (Inhalt und Kognition) und Sprachlernen (Kommunikation und Kultur) zu integrieren. Österreich: Wie bei fast allen Ländern wird hier kein Modell vorgestellt, sondern es werden ganz konkrete Unterrichtsmerkmale angesprochen: Reduktion der Vermittlungsgeschwindigkeit, Unterteilung des zu lernenden Sachwissens in kleinere Einheiten, Unterstützung der Darbietung durch visuelle Stimuli, mehr Zeit für Wiederholungen, größere Toleranz gegenüber sprachlichen Fehlern, Vereinfachung der Inhalte, soweit es das Curriculum erlaubt, Nutzung der Methoden des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts. Grundsätzlich aber werden die methodischen Zugänge des Sachfachunterrichts verwendet. Tschechien: Hier wird die Gruppenarbeit und die Nutzung von authentischen Materialien im CLIL-Unterricht betont. Außerdem werden als kognitive Werkzeuge Brainstorming, Problemlösen, Induktion, entdeckendes Lernen genannt. Ebenso wie in Ungarn werden die methodischen Ansätze des kommunikativen Unterrichts in den Vordergrund gerückt. Norwegen: Der CLIL-Unterricht wird hier als in hohem Maße lernerzentriert beschrieben mit einer starken Betonung auf Lern- und Arbeitstechniken. Estland: Hier gibt es eine methodische Checkliste für guten CLIL-Unterricht: Lernerzentriertheit, Gruppenarbeit, Herausbildung kritischen Denkens, Entwicklung einer reichen Lernumgebung, Kontakt mit Muttersprachlernern, unterschiedliche Evaluationsprozeduren sind Ecksteine dieser Checkliste. Slowakei: Hier steht die sprachliche Unterstützung der Schüler und die Herausbildung guter sprachlicher Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Hörverstehen, Sprechen) im Vordergrund. lFLIIIL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 23 5.4 Bewertung und Zertifizierung Mit der Bewertung der Leistungen von Schülern, die in einem CLIL-Kontext Sachfächer lernen, haben sich Lehrer und Schulbehörden in allen Ländern, in welchen CLIL angeboten wird, intensiv beschäftigt. Der Eurydice-Bericht gibt hierzu einen umfassenden Überblick. Eine wichtige Frage ist, in welcher Sprache das erworbene Sachfachwissen arn Schuljahresende oder arn Ende der Schulzeit getestet wird. In den meisten Ländern ist es so, dass das erworbene Sachfachwissen nur in der Zielsprache getestet wird. Zu diesen Ländern gehören u.a. Spanien, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien und Bulgarien. In einer Reihe von Ländern können Schüler wählen, in welcher Sprache sie getestet werden wollen, in der CLIL-Sprache oder in der Sprache, die die übliche Sprache im jeweiligen Erziehungssystem ist. Zu diesen Ländern gehören die Republik Irland, Österreich und Ungarn. Es gibt auch Länder, in welchen keine Bewertungsprozesse stattfinden, z.B. in Großbritannien (England), in den Niederlanden, in Belgien (französischsprachiger Teil), in Tschechien und in Slowenien. Reine Sprachprüfungen finden in keinem Land statt. Die Zertifizierung der erworbenen sachfachlichen und sprachlichen Kenntnisse ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. In den meisten europäischen Ländern erhalten die Schüler nach dem erfolgreichen Durchlaufen eines CLIL-Angebotes ein besonderes Zertifikat, das die zusätzliche Leistung bestätigt. In einigen Ländern wird keine formale Zertifizierung durchgeführt, die Teilnahme arn CLIL-Kurs allerdings in Jahres- oder Abschlusszeugnissen bestätigt. Eine formale Zertifizierung ist in vielen Ländern deshalb wichtig, weil aufgrund bilingualer Abkommen Schüler, die ein solches Zertifikat vorlegen können, an den Universitäten des jeweiligen Partnerlandes studieren können, ohne eine Sprachprüfung ablegen zu müssen. Von großem Interesse ist, dass eine externe Bewertung von CLIL-Schulen in vielen europäischen Ländern bisher noch kaum existiert. Anfänge finden sich z.B. in der deutschsprachigen Gemeinde in Belgien (CHOPEY-PACQUET 2007), in der Tschechischen Republik und in Lettland. In diesem Zusammenhang soll darauf verwiesen werden, dass in den Niederlanden ein engmaschiges Netz von CLIL-Schulen existiert, die von der Europees Platform betreut werden. Die Plattform hat ein CLIL-Qualitätsraster entwickelt, zu welchem Selbstbewertung, Besuche von Kollegen anderer Schulen und unabhängiger Experten gehören. Letztere bewerten die CLIL-Angebote im Hinblick auf die Standards, auf die sich alle Schulen verpflichtet haben. Wenn eine Schule allen Kriterien genügt, dann erhält sie ein offizielles Qualitätssiegel (vgl. hierzu MALJERS 2007). 6. Lehreraus- und -fortbildung Wie jede andere Form von Unterricht hängt der CLIL-Unterricht in hohem Maße von der Qualität der Lehrer ab, die ihn geben. Dabei ist die erforderliche Qualifikation des CLIL- Lehrers eine doppelte: er muss ein qualifizierter Sachfach- und ein qualifizierter Fremd- IFlLlllllL 36 (2007) 24 Dieter Woljf sprachenlehrer sein. Dazu kommt im Idealfall noch eine Qualifikation als CLIL-Lehrer, d.h. eine professionelle Ausbildung in der Didaktik und Methodik des bilingualen Sachfachunterrichts. Eine solche Ausbildung haben bisher nur die wenigsten Lehrer. Das zeigt der Eurydice-Bericht, der darauf abhebt, dass nur in wenigen europäischen Ländern, z.B. in Österreich, Deutschland und Norwegen, die doppelte Qualifikation in der Lehrerausbildung existiert und dass in den meisten anderen Ländern Lehrer an CLIL-Schulen häufig eine Sachfachqualifikation oder eine Qualifikation als Fremdsprachenlehrer haben. Vergleichsweise selten scheinen Lehrer zu sein, die als Muttersprachler einer Zielsprache und ausgebildete Sachfachlehrer im Zielsprachenland Sachfachunterricht geben. Von den Schulverwaltungen werden deshalb häufig nicht alle skizzierten Qualifikationen gefordert, wenn es um die Einstellung als CLIL-Lehrer geht. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Einzustellende ein voll ausgebildeter Lehrer sein muss. Darüber hinaus werden in den meisten Ländern sprachliche Qualifikationen in den Vordergrund gerückt, obwohl meist nicht auf grundlegende Kenntnisse im Sachfach verzichtet wird. Weitere Kriterien; die bei der Einstellung eine Rolle spielen, werden in den europäischen Ländern unterschiedlich gewichtet, z.B. dass der Einzustellende ein Muttersprachler der Zielsprache ist, dass er in der Zielsprache studiert hat, dass er an einer auf CLIL bezogenen Lehrerfortbildung teilgenommen hat oder dass er einen Sprachtest in der Zielsprache bestanden hat. In einigen europäischen Ländern werden erste Versuche unternommen, um schon in der ersten Phase systematisch CLIL-Lehrer auszubilden. Die Möglichkeiten sind noch sehr eingeschränkt, z.B. Zusatzstudiengänge in den Niederlanden, in Deutschland oder Großbritannien. In solchen Studiengängen erworbene Qualifikationen sind aber noch nirgendwo Voraussetzung für eine Einstellung als CLIL-Lehrer. In Frankreich gibt es seit 2003 eine neue Qualifikation, die an den IUFM in der zweiten Phase der Lehrerausbildung erworben werden kann und zum Unterrichten in den classes europeennes qualifiziert. Lehrerfortbildungsmaßnahmen gibt es in allen Ländern, in welchen CLIL-Programme angeboten werden. Hier spielen Programme der Europäischen Union eine wichtige Rolle, auf welche ich abschließend zu sprechen kommen werde. 7. Probleme Obwohl CLIL im europäischen Kontext noch nicht flächendeckend eingeführt wurde, zeigen sich doch schon eine Reihe von Problemen, die im Eurydice-Bericht aber auch in den anderen Berichten genannt werden. Der Eurydice-Bericht nennt vier allgemeine Faktoren, die die Implementierung von CLIL unterschiedlich in den verschiedenen Ländern behindern. Es sind die Folgenden: • Restriktive Schulgesetzgebung. • Mangel an qualifizierten Lehrern. JFLIJL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 25 • Mangel an angemessenen Unterrichtsmaterialien. • HoheKosten. Ähnliche allgemeine Probleme werden auch in den anderen Berichten genannt, wobei der Mangel an Unterrichtsmaterialien sich anscheinend zu reduzieren beginnt. W eitere Probleme, die immer wieder genannt werden und nicht typisch für einzelne Länder sind, beziehen sich auf folgende Aspekte: • Verlust muttersprachlicher Fähigkeiten durch den intensiven Unterricht in einer Fremdsprache. • Verlust sachfachlicher Kenntnisse und Fähigkeiten durch den Unterricht des Sachfachs in der Fremdsprache (WOLFF 2007). • Dominanz des Englischen, wenn man die Zielsprachen betrachtet. • Keine klare Bevorzugung bestimmter Fächer. • Notwendigkeit einer flächendeckenden Einführung im europäischen Kontext. • Bessere Integration von Kindern, die bereits mehrsprachig sind (überwiegend durch Migrationsprozesse). 8. CLIL und die Programme der Europäischen Union 8.1 CLIL als politisches Programm: Mehrsprachigkeit und die Europäische Union Die Europäische Union hat sich, seit sie existiert, mit Fragen der Mehrsprachigkeit beschäftigt. Dabei hat sie immer darauf hingewiesen, dass Mehrsprachigkeit als etwas Positives verstanden werden muss, als ein Reichtum, der diese politische Union gegenüber anderen politischen Zusammenschlüssen auszeichnet. Die Frage, wie die individuelle Mehrsprachigkeit in der EU gefördert werden kann, beherrscht seit langem die Diskussion in der Kommission und in den Mitgliedsstaaten. Schon in der Resolution des Ministerrats aus dem Jahre 1976 sowie in den Ergebnissen der europäischen Gipfeltreffen von 1983 und 1984 wird die Bedeutung eines effizienten Fremdsprachenunterrichts betont. In den neunziger Jahren wurde die Bedeutung neuer Unterrichtsmethoden stärker in den Vordergrund gerückt. Das geschah z.B. durch die Etablierung des LINGUA-Programms 1990, in dem explizit die Notwendigkeit einer Förderung innovativer Methoden im Fremdsprachenunterricht betont wurde. 8.2 Politische Unterstützung für CLIL durch die EU In der Resolution des Ministerrats von 1995 (COUNCIL RESOLUTION 1995) wird zum ,ersten Mal das CLIL-Konzept erwähnt (der Begriff CLIL existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht). Die Resolution bezieht sich auf die Förderung innovativer Methoden und insbesondere auf "the teaching of classes in a foreign language for disciplines other than languages, providing bilingual teaching" (COUNCIL RESOLUTION 1995: 3). Im selben Jahr erschien das Weißbuch der EU Teaching and Learning-Towards the lFLllL 36 (2007) 26 Dieter Wolff Learning Society. Auch hier wird Bezug auf CLIL genommen: "lt could even be argued that secondary school pupils should study certain subjects in the first foreign language learnt, as is the case in the European schools". In den europäischen Programmen, insbesondere der zweiten Stufe des Sokrates Programms (2000-2006), wurde CLIL bereits Raum gegeben. Das gilt vor allem für das Comenius Programm, in welchem Anträge auf finanzielle Zuwendungen für die Mobilität von Lehrern anderer Disziplinen gestellt werden können, wenn sie in einer Fremdsprache unterrichten wollen. Auch der Aktionsplan 2004-2006 der Europäischen Kommission hebt auf CLIL und sein Potenzial ab und vertritt die Auffassung, CLIL könne einen wesentlichen Beitrag zu den Sprachlernzielen der Union leisten. Schließlich erfolgte im Jahre 2005 unter der Luxemburger Präsidentschaft der eigentliche Durchbruch. Die Luxemburger Konferenz vom März 2005 The Changing European Classroom: The Potential of Plurilingual Education stellte CLIL in den Mittelpunkt. Daraus erwuchs die Forderung der Luxemburger Präsidentschaft "to ensure that pupils and students are involved in CLIL type provision at the different levels of school education". Außerdem wurde der Wunsch geäußert, Lehrer dazu zu ermutigen, sich zum CLIL- Lehrer ausbilden zu lassen. 8.3 Ein Blick in die Zukunft: CLIL und das neue LLP (Lifelong Learning Programme) Im Jahre 2005 hat die Europäische Kommission das neue Programm für lebenslanges Lernen (LLP) dem Ministerrat der Bildungs- und Erziehungsminister und dem Europaparlament vorgelegt und ist mit diesem Programm auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Das neue LLP basiert auf den Entscheidungen des Europäischen Rates in Barcelona im Jahre 2002, der beschlossen hatte, die europäischen Erziehungs- und Ausbildungssysteme bis zum Jahre 2010 soweit zu entwickeln, dass sie einen Spitzenplatz in der Welt erreichen. Das LLP ist so angelegt, dass Sprachen und der sprachlichen Vielfalt sehr viel größere Bedeutung als bisher zukommt. Deshalb lag es nahe, die bisherigen Sprachprogramme in das LLP zu integrieren. Der Grundgedanke besteht darin, die vier Teilprogramme des LLP (Comenius, Leonardo, Erasmus, Grundtvig) durch die Transversale „Sprachen und sprachliche Vielfalt" miteinander zu verbinden. Es sind vor allem vier zentrale Schwerpunkte, die das LLP im Hinblick auf Sprachen setzt: 1. Sprachlernen und sprachliche Vielfalt werden vom LLP als allgemeine Zielsetzung verstanden, d.h. zum ersten Mal erhält ein Programm dieser Größenordnung eine sprachliche Zielsetzung. 2. Die im Programm geförderten Zielsprachen sind nicht auf die offiziellen Sprachen der Europäischen Union und der anderen Teilnehmerländer beschränkt. Jede Zielsprache, d.h. auch Minderheitssprachen und Migrantensprachen, kann gefördert werden. 3. Das in das LLP integrierte Comenius-Programm soll der zweiten Fremdsprache eine besondere Priorität geben. lFLulL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Europa: Versuch eines systematischen Überblicks 27 4. Die allgemeinen Sprachlernziele sollen in den jeweiligen Programmen, d.h. Comenius, Grundtvig, Erasmus, Leonardo, erreicht werden, die sich wie bisher an bestimmte Zielgruppen wenden. Die wichtigsten Empfehlungen der hierfür zuständigen Experten im Hinblick auf das neue Comenius-Programm sind die folgenden: ■ Förderung des frühen Fremdsprachenlernens (im Kindergarten und auf der Primarstufe). ■ Förderung des "Content and Language lntegrated Learning" auf der Primarstufe und im Sekundarbereich. ■ Förderung des Sprachenlernens von Erwachsenen. ■ Förderung der Verstehenskompetenz in verschiedenen Sprachen. ■ Zertifizierung von Sprachkompetenzen. ■ Förderung einer bereichsspezifischen Lehrerausbildung. ■ Förderung des Fremdsprachenlernens für Schüler mit Behinderungen. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass das Comenius-Programm diese Schwerpunkte nur fördern kann, wenn sie existieren; die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden im Rahmen des Programms aber aufgefordert, diese Schwerpunkte in ihren Bildungsprogrammen zu entwickeln. Das Comenius-Programm wird als das wichtigste transversale Programm angesehen. Die folgenden Förderschwerpunkte werden in den Empfehlungen genannt: ■ Individuelle Mobilität. Jeder, der ein Comenius-Stipendium bekommt, soll in die Lage versetzt werden, sich sprachlich auf das Gastland vorzubereiten. ■ Lehrerfortbildung und Assistententätigkeit. Neben einer Reihe anderer Maßnahmen wird vorgeschlagen, dass Assistenten, die Sachfächer unterrichten, für ihre Zukunft als CLIL-Lehrer vorbereitet werden und während ihres Auslandsaufenthaltes eine CLIL-Ausbildung erhalten sollen. ■ Comenius-Schulpartnerschaften. In bilateralen wie in multilateralen Schulpartnerschaften soll die Möglichkeit einer Sprachförderung für Lehrer wie Schüler gegeben sein, selbst wenn die Partnerschaft keine sprachorientierte Partnerschaft ist. ■ Comenius multilaterale Projekte. Sprachbezogene multilaterale Projekte sollten über den engeren Sprachbereich hinausgehen und neben Sprachlehrern auch CLIL- Lehrer, Primarstufenlehrer, Schuldirektoren und Administratoren einbeziehen. Zu den sprachbezogenen Projekten sollten CLIL-Projekte gehören, in welchen es vor allem um didaktische Ansätze und Lehrerfortbildung geht. ■ Comenius-Netzwerke. Comenius-Netzwerke sollten sich auf die oben genannten thematischen Bereiche beziehen. Daneben werden genannt: Sprachunterricht über Grenzen hinweg, Austausch von Mehrsprachigkeitsprogrammen, Unterrichten von weniger gebrauchten Sprachen. Auch im Leonardo-Programm taucht CLIL als eine Förderungsmaßnahme auf. Bilaterale Partnerschaften sollen gefördert werden, wenn CLIL eingesetzt wird, um die Sprache des Projektpartners zu fördern. lFJLUIL 36 (2007) 28 Dieter Wo/ ff Insgesamt lässt sich aus den Plänen und Empfehlungen ableiten, dass CLIL als ein wichtiger methodischer Ansatz identifiziert wurde, um fremdsprachliche Kompetenzen zu fördern. In den Empfehlungen ist CLIL der einzige methodische Ansatz, der namentlich genannt wird. 9. Schluss Am Ende dieser Ausführungen soll ein Zitat aus COYLE (2007) stehen, in welchem die Vorteile von CLIL sehr überzeugend dargestellt werden: CLIL is applicable to all sectors of the population from "cradle to grave". lt embraces primary learners, secondary students, vocational and professional workers as well as adult "lifelong" learners. lt ranges from curricular timetabling of specific hours per week, to intensive modules which last a few months. lt may be spread over several years or it may be intensified into two weeks. lt may involve story telling, geography, hairdressing and aerodynarnics. lt may include project work, exarnination courses, chemistry practicals and mathematical investigations. CLIL is dynarnic, a flexible concept where topics and subjects foreign language and non-language subjects are integrated in some kind of mutually beneficial way so as to provide added value to educational outcomes for the widest possible range of leamers. 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Over the years the approach has seen functional differentiation, e.g. towards bilingual modules or temporary enrichment courses at both the lower and the upper secondary school level. The range of 'bilingual' subjects taught in a foreign language has increased, and there has been a significant shift from French towards English-medium content teaching. Since it is now widely accepted that the subject-matter and the foreign language have ajoint curricular role, the concept needs a sound theoretical foundation on which to base the various approaches which have sprung up under the term of CLIL (Content and Language Integrated Learning). The article summarizes both the history of the approach in Germany and the parameters requiring further didactic research and development. 1. Entstehung und Begriffsbestimmung des bilingualen Sachfachunterrichts 1.1 Zur Genese der kanonischen Struktur des bilingualen Unterrichts Der so genannte ,Bilinguale Unterricht' ist ein im Gefolge des Deutsch-Französischen Vertrags von 1963 entstandenes curriculares Konzept, das aus der Unterrichtspraxis einzelner Schulen erwachsen ist. Die Unterrichtspraxis ist nicht aus einer didaktischen Theoriebildung abgeleitet worden, sondern sie ist in ihren Grundzügen eine grass roots- Bewegung (eine Initiative ,von unten'), die von der explorativen, erfahrungsgestützten Praxis engagierter Lehrkräfte vor Ort getragen wurde. Die Anfänge des Konzepts (Ende der 60er Jahre) sind als Beitrag unseres Bildungswesens zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich zu verstehen. Von daher hat die interkulturelle Komponente eine wesentliche Rolle gespielt. Letzteres zeigt sich vor allem in der traditionellen Fächerwahl für diese Unterrichtsform, die deutlich das gesellschaftswissenschaftliche Feld favorisiert hat (Geografie, Geschichte, Sozialkunde, Politik) und die darüber hinaus Austausch- und Begegnungsprogrammen zwischen den Schulen einen relativ hohen Stellenwert eingeräumt hat. Die Erfahrungsberichte von Praktikern, die die frühen Publikationen zum bilingualen Unterricht beherrschen, spiegeln diese übergeordneten Ziele des damit intendierten Perspektivenwechsels und Fremdverstehens sowie des größeren Radius an alltagssprachlichen Verständigungsmöglichkeiten gut wieder. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Wolfgang ZYDATiß, Univ.-Prof., Freie Universität Berlin, Didaktik der Englischen Sprache und Literatur, Habelschwerdter Allee 45, 14195 BERLIN. E-Mail: WBKZydatiss@t-online.de Arbeitsbereiche: Lernersprachenforschung, integrierte Text-Spracharbeit, Evaluation von Schulversuchen (i.A. bilingualer Unterricht). lFI,1\IL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 31 Bilingualer Unterricht im deutschen Schulsystem bedeutet im Kontext der 70er und 80er Jahre vorrangig, dass an weiterführenden Schulen (meist an Gymnasien) ein oder zwei Fächer aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Spektrum auf Französisch oder (zunächst weniger häufig) auf Englisch unterrichtet werden; nicht notwendigerweise von Muttersprachlern oder genuin zweisprachig aufgewachsenen Personen, sondern (vermutlich sogar mehrheitlich) von deutschen Lehrkräften mit der Doppelfakultas Sprache & Sachfach. Die übliche Organisationsform ist die des ,bilingualen Zweigs/ Zugs', für den die Schüler sich speziell bewerben müssen und in dem sie über mehrere Jahrgangsstufen zusammenbleiben. Von daher ist es durchaus angemessen, von einem eigenständigen, längerfristig angelegten Bildungsgang zu sprechen. Die Schüler(innen) absolvieren in den ersten beiden Jahren nach der Primarstufe (bzw. nach der sechsjährigen Grundschule in Berlin) einen so genannten ,Vorlauf' mit einem verstärkten Fremdsprachenunterricht in der jeweiligen Zielsprache, bevor daran anschließend das erste Sachfach und ein Jahr darauf das zweite Sachfach in der ,fremden Sprache' unterrichtet wird. Für das Kurssystem der gymnasialen Oberstufe gab bzw. gibt es in der Regel die Auflage, die Arbeitssprache als Leistungskurs und ein Sachfach (meistens das Fach Politik) als fremdsprachig unterrichteten Grundkurs zu wählen (inklusive einer eventuellen mündlichen Prüfung im Abitur). Für Absolventen eines deutsch-französischen Zugs gibt es die längerfristig durchaus motivierende Perspektive, ein so genanntes ,Abi-Bac' abzulegen; was die an einem Studium in Frankreich interessierten Kandidaten von der ansonsten obligatorischen sprachlichen Aufnahmeprüfung entbindet. 1.2 Abgrenzung der Unterrichtsform von genuin bilingualen Bildungsgängen Der Begriff des ,bilingualen Unterrichts' ist eigentlich wenig passend, denn der fremdsprachig erteilte Sachfachunterricht an den weiterführenden Schulen des deutschen Bildungswesens hat zum Teil relativ wenig mit den genuin ,bilingualen' Bildungsgängen zu tun, die in zwei- oder mehrsprachigen soziokulturellen Kontexten implementiert werden; etwa: • die Schulkonzepte in zweisprachigen Regionen Europas (wie z.B. in Südtirol oder in Wales) • die verschiedenen Immersionskonzepte von der frühen totalen bis zur späten partiellen Immersion im offiziell zweisprachigen Kanada, • die bilingualen Angebote für die Regionalsprachen eines bestimmten Staatengebildes (z.B. Deutsch im Elsass, Sorbisch bzw. Wendisch in der Lausitz oder Gälisch auf den schottischen Hebriden), • die reziproken Immersionsprogramme in Gesellschaften mit massiver Einbzw. Zuwanderung (so z.B. die two way / dual track immersion für Hispanics in den USA oder die Staatliche Europa-Schule Berlin: vgl. ZYDATiß 2000). Die hier genannten bilingualen Bildungsgänge bewegen sich letztendlich (unter den Bedingungen einer ,dominanten' Mehrheitssprachengesellschaft) im Spannungsfeld zwischen der gesellschaftlichen Integration bzw. der kulturellen Anpassung auf der einen Seite und der sprachkulturellen Eigenständigkeit bzw. der doppelten oder hybriden lFJLlllL 36 (2007) 32 Wolfgang Zydatiß Identität der jeweiligen Minderheit auf der anderen Seite. Bei den Adressaten handelt es sich primär um Gruppen (vgl. BACH 2005: 15 zu diesen Polen), und nicht wenige Schüler in derartigen Bildungsgängen sind bereits beim Eintritt in die Schule zweisprachig (wenngleich auf sehr unterschiedlichen Niveaus und in verschiedenen Ausprägungen). Die Lehrkräfte in diesen Programmen sind in aller Regel Muttersprachler ihrer jeweiligen Partnersprache. Diese Momente scheinen mir beimfremdsprachig (! ) erteilten Sachfachunterricht an weiterführenden Schulen unseres Bildungswesens nicht in der gleichen Weise und im gleichen Ausmaß gegeben zu sein (vgl. hierzu die Begriffsbestimmung in der neuesten Publikation der KMK 2006), sodass hier nach anderen Begründungssträngen für die Ausweitung der Unterrichtsform gesucht werden muss, die in den letzten 15 Jahren stattgefunden hat (siehe Kap. 2.4). 2. Zur Flexibilisierung des bilingualen Prinzips 2.1 Die 90er Jahre: der „Run" auf das Englische Mit dem Übergang von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union zum Jahreswechsel 1992/ 93 hat sich in der Domäne des Fremdsprachenunterrichts (der durchgehend in seiner Geschichte von Entwicklungen auf der makropolitischen Ebene beeinflusst wurde) ein bemerkenswerter, an Dynamik zunehmender Wandel vollzogen. Mit dem wachsenden Binnenmarkt und der Niederlassungsfreiheit aller Bürger in der Union erhöht sich das Bewusstsein, innovative Konzepte zur Intensivierung, Diversifizierung und funktionalen Differenzierung der schulischen Fremdsprachenangebote entwickeln und stützen zu müssen, um insbesondere die jungen Leute für das vielsprachige, von immenser kultureller Diversität charakterisierte Europa ,fit zu machen' (Stichworte: Mobilität, sprachliche und interkulturelle Handlungsfähigkeit). Offiziell propagiert die EUROPÄISCHE KOMMISSION (1995) die , 1 + 2 '-Strategie in der Sprachenpolitik, derzufolge jeder Bürger der EU zusätzlich zu seiner Erstsprache mindestens zwei weitere Sprachen der Union funktional (wenngleich mit durchaus unterschiedlich ausgeprägten Kompetenzgraden) verfügbar haben sollte. Der bilinguale Sachfachunterricht wird in diesem Kontext (ebenso wie der fremdsprachliche Frühbeginn in der Primarstufe) als eine hervorragende Möglichkeit zur nachhaltigen Förderung fremdsprachlicher Kompetenzen gesehen (vgl. COUNCIL OF EUROPE 1998). Dabei schwingt die Überlegung mit, dass man dann (auf den späteren Stufen des Lehrgangs) den Unterricht in der Eingangsprache (der ersten Fremdsprache) reduzieren könnte, um Raum und Zeit für weitere Fremdsprachen in der schulischen Stundentafel zu gewinnen. Diese Position der europäischen Gremien ist nicht ganz unproblematisch, denn sie fokussiert zum einen relativ einseitig den funktional-pragmatischen Gebrauchswert des unterrichtlich gesteuerten Fremdsprachenerwerbs und blendet dabei unter Umständen die persönlichkeitsbildenden Momente des Fremdsprachenunterrichts an allgemeinbildenden Schulen weitgehend aus (vgl. ZYDATiß 2005a zur Kritik an den Bildungsstandards der KMK 2003). Sie nährt zum anderen ein gewisses Misstrauen auf Seiten der Sachfächer, lFJL1l! lL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 33 deren Vertreter eine Instrumentalisierung ihrer Fächer für das Fremdsprachenlernen befürchten, gekoppelt an einen Substanzverlust in den Fachkompetenzen (vgl. HOFFMANN 2004: 211 und HASBERG 2004: 232 für die Geografiebzw. Geschichtsdidaktik). Zusätzlich zum quantitativen ,Boom' des bilingualen Sachfachunterrichts in den 90er Jahren sind die qualitativen Veränderungen derartiger Programme bemerkenswert. Mit dem Vertrag von Maastricht löste das Englische ganz klar das Französische als die am häufigsten angebotene Arbeitssprache ab, sodass i.A. etwa 500 Schulen in der Bundesrepublik (davon etwa 350 Gymnasien) über bilinguale Zweige mit der Arbeitssprache Englisch verfügen. Die Zahl von deutsch-englischen Zügen an Real- oder Gesamtschulen dürfte somit etwa ein Drittel betragen (ca. 120 Schulen). Daneben gibt es noch an einigen wenigen Grundschulen in Deutschland (vermutlich fünf) bilingualen Unterricht mit der Zielsprache Englisch (diese und alle weiteren Zahlen nach WERNER 2007). - Für die Arbeitssprache Französisch scheint es i.A. etwa 84 Angebote an Gymnasien, 13 an Real- und Gesamtschulen sowie 20 an Grundschulen zu geben (in 11 Bundesländern). Damit liegt die Zahl deutsch-englischer Züge ca. vier Mal so hoch wie die deutsch-französischer Zweige. Berücksichtigt man nun noch die anderen schulischen Fremdsprachen, dann beträgt die Verteilung beim Italienischen auf die Schulformen Gymnasium, Real-/ Gesamtschulen und Grundschule 6: 3: 12 (ein Gesamt von 21 Schulen in sieben Bundesländern. Beim Spanischen lautet die Verteilung 4: 2: 4; zusammen also zehn Schulen in den vier Bundesländern Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Für die drei slawischen Sprachen Russisch, Polnisch und Tschechisch scheint es insgesamt an zehn Schulen bilinguale Angebote zu geben; für Portugiesisch an fünf und für Niederländisch an sechs Schulen. Für Neugriechisch weist die neueste Statistik sieben und für Türkisch drei Schulen mit bilingualen Zweigen aus (immer für Deutschland insgesamt, mit deutlichen regionalen Unterschieden). Über das Gesamt aller Sprachen und Schulformen gesehen bieten zur Zeit knapp 700 Schulen bilinguale Zweige an (zur länder-, sprachen-, schulform- und organsiationsspezifischen Differenzierung vgl. KMK 2006). Der ,Run' auf das Englische hat zweifellos mit den vielfältigen Prozessen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunikationstechnologien, Unterhaltungsindustrien, Sport u.a. zu tun, die wir gemeinhin als Globalisierung bezeichnen. Aber auch die weitere Vergrößerung der EU auf 25 Mitgliedsländer hat faktisch (in gewisser Weise gegenläufig zur offiziellen Sprachenpolitik der Union) das Englische als gemeinsame Kommunikationssprache gestützt. In der Wahrnehmung bildungsaffiner Elternhäuser sowie der Bildungsadministration und der an einer Profilbildung interessierten Schulen (die politisch gewollt ist) dürfte zur Zeit am Status des Englischen als globale Verkehrssprache nicht vorbeizugehen sein. Das zeigt sich im Übrigen in der Verlagerung zu anderen Fächern, über den gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich hinaus. So dürfte der Anteil naturwissenschaftlicher Fächer inzwischen bei über 10% liegen, wobei hier die Biologie am stärksten vertreten ist (BONNET 2004: 20). Angesichts der weltweit dominanten Stellung des Englischen in Wissenschaft und angewandten Technologien ist dieser Anteil im Hinblick auf die Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven der Heranwachsenden jedoch als nicht ausreichend anzusehen. Ähnlich unterrepräsentiert (im lFLIIL 36 (2007) 34 Wolfgang Zydatiß Kanon der Schulfächer generell, wie im Spektrum bilingual unterrichteter Fächer) scheint das Lernfeld Wirtschaft zu sein (vgl. GNUTZMANN 2006: 182). 2.2 Bilinguale Module Für die auf der Palette bilingualer Angebote ,neuen' Fächer (etwa Kunst, Musik, Sport, Mathematik oder Chemie) und Arbeitssprachen (z.B. Spanisch) sowie an den nichtgymnasialen Schularten gilt häufig eine andere Organisationsform; nämlich die der ,bilingualen Module' (vgl. CHRIST 2002; KRECHEL 2003, 2005): Die ,fremde' Sprache kommt für eine begrenzte Zeit (zwischen 2-6 Wochen) als Arbeitssprache in einem themenzentrierten und oft auch fächerübergreifenden Unterrichtsvorhaben zum Einsatz. Ein für mich in dieser Hinsicht prototypisch-vorbildhaftes Projekt ist der ,Klassiker' aus Rheinland-Pfalz zum Thema „Wine Country Germany" (PÄDAGOGISCHES ZENTRUM 1996), in dem der Weinbau an Rhein und Mosel aus geografischer, biologisch-chemischer, kulturhistorischer und ökonomischer Sicht betrachtet wird. Hierbei ist die lebensweltliche Anschlussfähigkeit und sprachliche Anwendung des Gelernten in der realen Begegnung mit ausländischen Besuchern in der Region gegeben. Die curriculare Struktur des flexiblen Einsatzes einer Arbeitssprache in epochalen, projektartigen Modulen ist für das Englische besonders in Österreich entwickelt worden: vgl. ABUJA/ HEINDLER (1993); ABUJA (1998). Für die romanischen Sprachen liegen inzwischen Vorschläge von ABENDROTH-TIMMERIWENDT (2000) vor; ferner ABENDROTH-TIMMER (2002; 2007); CHRIST (2002) sowie speziell für das Französische (unter der Redaktion von H.-L. Krechel) vom Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSWF 2000). Das Konzept kürzerer, themenzentrierter Unterrichtssequenzen in einer Fremdsprache ist gleichermaßen für die Lehrkräfte und Schüler aber auch für Schulleitungen und -behörden interessant, weil zum einen prinzipiell alle Fächer, Schulformen und partielle Kompetenzen auf Seiten der Lehrer zum Einsatz kommen können, und weil zum anderen von derartigen Projekten eine hohe Motivationskraft und ein signifikanter Gewinn an Methodenkompetenz für die Lernenden ausgehen können. Trotz der Ausweitung auf andere, nicht primär gesellschaftliche Fächer wird die Zielsprache in solchen Modulen nicht nur als kulturneutrale lingua franca erfahren und verwendet. Der fächerverbindende Charakter dieser Vorhaben kann die historischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und/ oder ökologisch-ethischen Momente eines Themas berühren, was zum interkulturellen Lernen beiträgt, denn die soziokulturelle Dimension einer komplexeren Fragestellung induziert geradezu den für diese Kompetenzen notwendigen Perspektivenwechsel. Zeitlich begrenzte, inhaltlich fokussierte fremdsprachige Module sollten in Zukunft im Fremdsprachenunterricht der ausgehenden Sekundarstufe I (also in den Ja: hrgangsstufen 9 und 10) fest verankert sein. Die neueren schulpolitischen Entwicklungen (Stichworte: Bildungsstandards, Mittlerer Schulabschluss) lassen den einzelnen Schulen fachbezogene Freiräume (neben dem obligatorischen Kerncurriculum, das den ,Regelstandards' zuarbeitet), die von den Fachschaften für entsprechende (möglichst fächerverbindende) Angebote zu nutzen und zu verantworten sind. lFLllllL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 35 2.3 Kompetenzkurse Eine weitere mögliche Fortentwicklung des bilingualen Prinzips deutet sich im Konzept der in Hamburg entwickelten „Kompetenzkurse" an (BEHÖRDE FÜR SCHULE, JUGEND UND BERUFSBILDUNG 1997). Hierbei steht die Überlegung im Vordergrund, dass nach sieben oder neun Jahren Englischunterricht (inklusive Frühbeginn in der Primarstufe) Schüler eines gymnasialen Grundkurses in der Lage sein sollten, ausgewählte Inhalte eines Sachfaches über authentische, englischsprachige Materialien zu rezipieren (die fachliche, reflexiv-bewertende Verarbeitung der Themen geschieht dann in der Regel auf Deutsch). Indem man semesterweise das Fach wechselt (etwa Biologie, Informatik, Geografie oder Politik) können insbesondere Arbeitstechniken für die heute in der Lernzieldiskussion hoch angesiedelte Methodenkompetenz ausgebildet werden: z.B. das selektive oder intensive Lesen von Sachtexten, das schlussfolgernde und kritisch-evaluative Interpretieren ,diskontinuierlicher' Materialsorten (Grafiken, Tabellen, Schaubilder u.a.), das eigenständige Erschließen von Wortbedeutungen (einschließlich der Arbeit mit modernen Wörterbüchern), die Nutzung der elektronisch-digitalen Technologien (Internet, Suchmaschinen, Korpora) für die Informationsbeschaffung und -verarbeitung, Visualisierungs- und Präsentationstechniken u.v.a. mehr. In dem hier skizzierten Einsatz einer Arbeitssprache im fortgeschrittenen Fachunterricht wird ein substantieller Beitrag zur Studierfähigkeit und zu einer vertieften Allgemeinbildung künftiger Abiturienten liegen. Das Englische ist i.A. nicht nur die weltweit führende Publikationssprache in der naturwissenschaftlichen Domäne (mit etwa 90% aller Artikel in Zeitschriften), sondern auch in den geistesbzw. sozialwissenschaftlichen Disziplinen (ca. 82%), was für Kompetenzkurse in beiden Bereichen spricht (zu den quantitativen Angaben vgl. die Quellen in GNUTZMANN 2006). Da in derartigen Kompetenzkursen die Sprachmittlung (= mediation), wie sie vom Europarat propagiert wird (COUNCIL OF EUROPE 2001: 87 t), eine nicht unwichtige Rolle spielt, eröffnen sich hier Chancen für eine größere Sprachbewusstheit (= language awareness). Schließlich bilden die kontrastive Quellenarbeit, Übersetzungen und Terrninologievergleiche interessante Anknüpfungspunkte für fachgebundene theoretische Reflexionen, aber auch für ein vertieftes interkulturelles Lernen; denn hinter den Fachbegriffen (gerade der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer) stehen oft kulturell unterschiedliche Denotationen, Konnotationen und Mentalitäten, deren Wahrnehmung der sprachlich-intellektuellen Präzision und der Bewusstseinserweiterung dienen kann. 2.4 Pragmatische Bildungstheorie und bilingualer Unterricht Meines Erachtens kann und muss sich der bilinguale Unterricht in die Grundstruktur einer auf Nachhaltigkeit angelegten Allgemeinbildung einfügen. Gemäß einer pragmatischen Bildungstheorie (wie sie u.a. von BAUMERT 2002: 113 und KLIEME [et. al.] 2003: 55 vertreten wird) lässt sich eine diesbezügliche Matrix (Abb. 1 [--t S. 36]) aus fachlich fundierten Dimensionen des Weltverstehens und aus funktional verfügbaren Basisqualifikationen modellieren (den so genannten Kulturwerkzeugen, von denen bereits VYGOTSKY JFLIIL 36 (2007) ~ w 0\ i BASISQUALIFIKATIONEN MODI DER WELTBEGEGNUNG (Kulturwerkzeuge: cultural tools) (Domänen des Wissens, Könnens und Verkehrs- Fremdsprache Mathematische Informations- Selbstlem- Handelns) sprache Formalisierung technologie kompetenz Kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt • Mathematik • Natur- und Geisteswissenschaften • Technologie Ästhetisch-expressive Erfahrungen und Gestaltung • Sprache/ Literatur • Bildende Kunst/ Musik/ Darstellendes Spiel • Physischer Ausdruck (Sport, Tanz...) Normativ-evaluative Auseinandersetzung mit soziokulturellen Realitäten • Geschichte • Politik/ Gesellschaft • Wirtschaft/ Recht Formen und Probleme der Rationalität • Philosophie/ Ethik • Religion/ Lebenskunde Abb. 1: Grundstruktur der Allgemeinbildung und des Kemcurriculums allgemeinbildender Schulen w 0\ ~ s l ~ ! } 'S Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 37 1978 gesprochen hatte). Transportiert über einen konsensfähigen Kanon fachlicher Gegenstände wird daraus heutzutage ein ,Kerncurriculum' für allgemeinbildende Schulen abgeleitet, das den Heranwachsenden grundlegende aber vielfältige (domänenbezogene) Kompetenzen vermittelt, damit sie den komplexen Anforderungen der heutigen und zukünftigen Lebenswelt gerecht werden können. Hier begegnet man den drei zentralen Konzepten in KLAFKis (1993) Entwurf einer bildungstheoretischen Didaktik wieder: Gegenwarts- und Zukunftsrelevanz sowie der „kategorial"-exemplarische Charakter des Gegenstands. Letztendlich sollen die Lernenden zu einer differenzierten Teilhabe an Politik, Kultur und Gesellschaft fähig werden und zu einer möglichst selbstbestimmten, reflektierten Gestaltung des eigenen Lebens und der eigenen Entwicklung gelangen. Unsere Lebenswelt und unsere Lebenswege (Alltag, Urlaub, Freizeit, Ausbildung, Studium, Beruf, Medienkonsum und Mediennutzung, Informationstechnologien, kommunale und regionale Nachbarschaft, Migration und Mobilität) werden immer mehr von einer Kommunikationspraxis charakterisiert, in der rezeptive wie produktive zwischenmenschliche oder medial transportierte Interaktionsprozesse über außersprachliche Sachverhalte in einer fremden Sprache realisiert werden. Angesichts dieser Situation stehen unsere Schulen in der Pflicht, unter dem Anspruch einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen Allgemeinbildung das schulische Lernen so zu gestalten, dass im Prinzip alle Schülerinnen und Schüler befähigt werden (sicherlich mit pädagogisch wie didaktisch sinnvollen Abstufungen in den erwartbaren Kompetenzprofilen), der Anforderung gerecht werden zu können, fachunterrichtliche Inhalte auch (zumindest phasenweise und in Ansätzen) in einer Fremdsprache zu erwerben. Dies ist eine Basisqualifikation für die Heranwachsenden, über die sie unabdingbar verfügen müssen, wenn ihnen die allgemeinbildenden Schulen den Zugang zur Teilhabe an der Gesellschaft, zur Gestaltung des eigenen Lebens und zum lebenslangen Weiterlernen eröffnen sollen. Gerade weil sich das bilinguale Prinzip ausdifferenziert und flexibilisiert hat, kann es sich in die Grundstruktur der Abb. 1 [ ➔ S. 36] bestens einfügen; und zwar in verschiedenen curricularen Organisationsformen (z.B. als extensiver Langzeitlehrgang, als zeitlich und thematisch eingegrenztes Modul oder als semesterweise wechselnder Kompetenzkurs), in den verschiedenen Lernfeldern des Curriculums (im gesellschaftsund/ oder naturwissenschaftlichen Lernbereich ebenso wie etwa in der ästhetisch-expressiven und/ oder der rational-kritischen Domäne), in verschiedenen Schulfächern wie bereits bisher z.B. in Geografie, Geschichte, Politik und Biologie, aber auch in Fächern, die eher selten oder gar nicht im bilingualen Spektrum vertreten sind (etwa Musik, Sport, Kunst, Darstellendes Spiel, Wirtschaft, Technik/ Arbeitslehre oder Philosophie) sowie in verschiedenen Jahrgangsklassen der Sekundarstufen I und II. Das erweiterte Konzept des bilingualen Unterrichts wird in anglophonen Kontexten unter dem Begriff content and language integrated learning (= CLIL) diskutiert (vgl. MASIH 1999; COYLE 2006). lFlLIIL 36 (2007) 38 Wolfgang Zydatiß 3. Umrisse einer integrierten bilingualen Sachfachdidaktik Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf den ,kanonischen' Typ des bilingualen Zweiges. Die Grundprinzipien gelten auch für die anderen Organisationsformen bilingualer Angebote. 3.1 Die vier Parameter des bilingualen Unterrichts Nach meinem Verständnis muss der fremdsprachig erteilte Sachfachunterricht an weiterführenden Schulen, wenn er sich zum einen in ein nachhaltiges Allgemeinbildungskonzept einpassen will, und wenn er zum anderen die Vorbehalte betreffs eines eventuellen fachlichen Substanzverlusts wirksam entkräften will, über die traditionellen Sichtweisen des bilingualen Unterrichts hinausgehen. In der einen Variante wird er einseitig als ein „Fremdsprachenlernen über Fachinhalte" charakterisiert (WODE 1995: 12), in der anderen wird ihm eine gewissermaßen „gespaltene Geisteshaltung" unterstellt "We speak English in our geography class, and we leam English in our English class": GRÖNE 1997). Dem ist eine dritte Position entgegenzustellen, die die unauflösbare, interdependente Einheit von Sach- und Sprachlernen auf der einen Seite und von Sprache und Denken bzw. von Sprache und Kultur auf der anderen Seite betont. COYLE (z.B. 2006) hat dafür die sehr griffige Formulierung eines Curriculums mit den „4Cs" geprägt: CONTENT, COGNI- TION, COMMUNICATION & CULTURE; ein Konstrukt, das in leichter Abwandlung gegenüber COYLE (2006: 9) in Abb. 2 repräsentiert werden soll. COMMUNICATION CONTENT COGNITION Abb. 2: Ein curriculartheoretischer Rahmen für CLIL-Angebote Das curriculare Konzept des bilingualen Unterrichts muss konstruktiv mit dem Moment umgehen, dass in dieser Unterrichtsform (zumindest in den gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Sachfächern) zuallererst ein schulisch-fachlicher Wissenserwerb stattfindet (in einem weiten Sinn verstanden: Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen), und zwar mittels einer ,fremden' Arbeitssprache. Für diese Zusammenhänge gibt es inzwischen eine Fülle von Konstrukten: z.B. "Cognitive / Academic Language Proficiency" oder kurz CALP (im Gegensatz zur ,Alltagssprache', BICS bei CUMMINS 1978, 1979; vgl. ZYDATiß 2000: 91 ff; ÜTTEN/ WILDHAGE 2003: 28 f), "Textkompetenz" (PORTMANN- TSELIKAS 2002), "Sachfachliteralität" (ZYDATiß 2002) oder „Akademische DiskurslFlLuL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 39 kompetenz" (ZYDATiß 2007). Gemeinsam ist allen diesen Konzepten, dass hier zum einen ein qualitativ anderer Sprachgebrauch gefordert ist als bei der Kommunikationsfähigkeit in Alltagssituationen und dass zum anderen die sprachlich-diskursive Dimension der Vermittlung bzw. des Erwerbs fachlichen Wissens und Denkens das Bindeglied zu den übrigen Parametern darstellt (vgl. ZYDATiß 2005b zur konzeptionellen Realisierung eines "knowledgeframework" im Anschluss an MOHAN 1986). Weder ist die Instrumentalisierung eines Faches für einen vertieften und differenzierten Fremdsprachenerwerb hinnehmbar noch darf der Sachfachunterricht negieren, dass die neuen Fachinhalte (also insbesondere die wissenschaftlich fundierten, abstrakten Seinsbegriffe und Konstrukte sowie die für das Fach konstitutiven Strukturen und Prozesse des Denkens) über ,Kulturwerkzeuge' vermittelt werden, deren Darstellungsformen symbolischer Natur sind, die ihrerseits auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen angesiedelt sind: auf der gegenständlich-handlungsbezogenen, der linguistischen, der visuell-grafischen und der mathematisch-formelhaften Ebene (vgl. LEISEN 2005: 11). Da Sprache und Denken sich in der sozialen Interaktion mit anderen entwickeln (zwischen ,Experten und Novizen'), werden neue Kognitionen vor allem diskursiv vermittelt. In der Schule vollzieht sich das sachfachliche Lernen vorrangig über Sprache sowie über andere symbolisch-semiotische ,Systeme' (= cultural tools). Die Kulturwerkzeuge sind im Unterricht ,präsent', direkt verfügbar; während die Gegenstände der Sachfächer in aller Regel ,außerhalb' der Schule liegen. Schulfächer sollen den Heranwachsenden diese Domänen des Weltverstehens ,erschließen'. Hierbei lernen die Schüler(innen) neue Begriffe, Denkweisen und Erkenntnisse, die ontologisch gesehen(= ,das Sein betreffend') anderen Charakters sind als die unmittelbaren erfahrungs-, erlebens- und kontaktbasierten Schemata des Alltagswissens. Das Verständnis und die Verarbeitung des neuen Sachwissens ist über weite Strecken des Unterrichts an die Auseinandersetzung mit den Materialsorten, Textarten und Arbeitsmethoden des jeweiligen Faches gebunden; sprich, die neuen Kognitionen werden über einen relativ formal-expliziten sowie diskursiv-textgebundenen Sprachgebrauch transportiert. Was das Beziehungsgefüge von Sache und Sprache betrifft, so folgt daraus das „spezifische Dilemma des bilingualen Unterrichts", zwei Pole (den konzeptuell-kognitiven und den linguistischen) in den Blick nehmen zu müssen: "doppelte Abstraktion und doppelter Fokus" bei ZYDATiß (2002: 43), "bifokal" bei HABEKOST (2006). Eine etwas ausführlichere Begründung für die soeben skizzierte sozialkonstruktivistische Position des (fachlichen) Lernens ist in dieser Zeitschrift (ZYDATiß 2005b: 158- 168) nachzulesen. Dort wird auch die Relevanz funktionaler Sprachtheorien für den bilingualen Unterricht expliziert, weil die dort entwickelten Konzepte des Register- und des Genrebegriffs von herausragender Bedeutung für die Sachfächer sind. Wissenschaftliche Disziplinen und Schulfächer konstituieren ihre ,eigenen' Domänen mit sehr spezifischen Fragestellungen, Methoden, Begrifflichkeiten, Denkweisen und Argumentationsmustern (sprich: mit sehr speziellen Diskursen). Indem die Lernenden an den Diskursinteraktionen eines Sachfachs teilnehmen, wachsen sie allmählich in eine Diskursgemeinschaft hinein, die sich u.a. über ihre Materialsorten, Genres, Arbeits- und Erkenntnisweisen definiert. Ein fachkompetenter Lerner verfügt über eine angemessene DiskurslFL11llL 36 (2007) 40 Wolfgang Zydatiß fähigkeit: im rezeptiven wie produktiven und im mündlichen wie schriftlichen ,akademisch-literaten', textgebundenen Sprachgebrauch. Dass Sprache und Kultur interdependent aufeinander bezogen sind, muss heutzutage eigentlich nicht mehr explizit betont werden. Alle kommunikativen Handlungen unterliegen sozialen Konventionen. Der bilinguale Unterricht potenziert jedoch die Möglichkeiten für interkulturelles Lernen, weil Themen, Materialien und Aufgabenstellungen (die für die spezifischen bilateralen Beziehungen Deutschlands zu den Zielsprachenkulturen besonders interessant und wichtig sind) gezielt ausgewählt werden können. Auch wenn diese curricular-inhaltliche Problematik zur Zeit noch weit davon entfernt ist, als ,gelöst' betrachtet zu werden (weil die Schnittmenge bisher nicht systematisch eruiert wurde), so erlaubt eine diesbezügliche Erarbeitung prinzipiell eine erweiterte, mehrperspektivische Sicht auf soziowie interkulturell relevante Sachverhalte und Gegebenheiten. Begegnungs- und Korrespondenzprojekte (über Schüleraustausch und E-Mail-Kontakte) erhöhen die Direktheit und Authentizität der interkulturellen Kommunikation, die (wenn sie in bilingualen Unterrichtskontexteri inszeniert wird) auf einem inhaltlich anspruchsvollen Niveau ablaufen kann. 3.2 Begründung für den so genannten ,Vorlauf' Das in der Spezifik des so genannten bilingualen Unterrichts liegende Strukturmerkmal, eine ,fremde' Arbeitssprache für sachfachliche Lehr-Lernprozesse einzusetzen, hat eine Reihe von Konsequenzen, die für die didaktisch-methodische Modellierung des curricularen Konzepts unverzichtbar sind. Hier ist zuallererst die (ebenfalls auf CUMMINS 1978, 1979 zurückgehende) "Schwellen-Hypothese" zu nennen; derzufolge es eine „untere Schwelle" (= lower threshold) der zweitbzw. fremdsprachlichen Kompetenz gibt, die unbedingt erreicht sein sollte, wenn ein bilingualer Unterricht nicht mehr Schaden als Nutzen bringen soll. Leider lässt sich diese untere Schwelle in lexikogrammatischer Hinsicht nicht operationalisieren; d.h. es kann nicht genau gesagt werden, über welches Struktureninventar oder über wie viele lexikalische Einheiten Lernende verfügen sollten, damit der Unterricht in einer fremden Arbeitssprache nicht zu Defiziten in den Fachleistungen führt (im Vergleich zu einem muttersprachig erteilten Unterricht). Auf jeden Fall hat es sich im bilingualen Unterricht bewährt, dem Beginn des fremdsprachig erteilten Sachfachunterrichts in der Sekundarstufe I einen zweijährigen ,Vorlauf' verstärkten Fremdsprachenunterrichts vorzuschalten. Darauf darf bei einer Ausweitung des Konzepts auf möglichst viele Schüler (wenn z.B. Schulversuche in den Status einer Regelform des Unterrichts übergehen) auf keinen Fall verzichtet werden. 3.3 Der begleitende Fremdsprachenunterricht Die beiden tragenden Säulen des bilingualen Unterrichts (also der fremdsprachige Sachfachunterricht und der begleitende Fremdsprachenunterricht) stehen nach meiner Einschätzung weitgehend in einem ,Nicht-Verhältnis' zueinander (vgl. ÜTTEN 2003: 218): lFLulL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz Bisher kümmern sich die Fachdidaktiken der Fremdsprachen noch kaum um den genuinen Auftrag des Fremdsprachenunterrichts in einem bilingualen Bildungsgang außerhalb der propädeutischen Vorkurse für die Jahrgangsstufen 5 und 6. Sie haben ... schlicht versäumt, die besonderen Aufgaben des Fremdsprachenunterrichts im bilingualen System zu bestimmen und explizit auszuweisen. 41 Es scheint weder ein Bewusstsein dafür da zu sein, dass das offenkundig vorhandene höhere Kompetenzniveau in der Arbeitssprache (vgl. ZYDATiß 2005a, 2007) Rückwirkungen auf die didaktisch-methodische Konzeption des begleitenden Fremdsprachenunterrichts haben sollte, noch scheint ein differenziertes Verständnis dafür vorhanden zu sein, in welcher Weise der parallel laufende Fremdsprachenunterricht das fremdsprachige Sachfachlernen gezielt und strukturiert vorbereiten, unterstützen bzw. vertiefen könnte. Chancen für Synergieeffekte gäbe es schon, z.B. in den folgenden Bereichen: • integrierte, inhaltlich anspruchsvolle Text-Spracharbeit: eher analytischer Zugriff auf authentische Materialien (inkl. diskontinuierlicher Textarten; noticing,focus onform) • anspruchsvolle Hör-, Lese- und Hör-Sehverstehensschulung mit Übergängen zu den textproduktiven (mündlichen wie schriftlichen) kollllllunikativen Aktivitäten (skill integration), Arten des Verstehens, Inferenzen induzieren, Ausbau des Wortschatzes • Schulung des zusallllllenhängend-monologischen wie des interaktiv-dialogischen (geplanten und improvisierten) ,freien' Sprechens: über verschiedene Diskursgenres und inhaltlich gestufte Anforderungen; mit traditionellen und neuen Medien; Fokussierung auflexikalisierte Satzställlllle, feste Wendungen und andere sprachliche Routinen • text(sorten)gebundenes Schreiben: Narration, Explikation, Argumentation; prozessorientiertes und kreatives Schreiben; kontextualisierte, text(forrn)sensitive grallllllatische Unterweisung (z.B. Tempora, Passiv, Bedingungssätze, indirekte Rede) • behaltens- und aktivierungsgerechte Vermittlung eines großen themenbezogenen Sachwortschatzes (nicht nur Fachbegriffe! ): Bezugs-, Wort-, Ausdrucks-, Klangfelder; Wortfarnilien und Wortbildungsprozesse (potentieller Wortschatz); Phraseologismen, Partikelverben und Kollokationen; Gebrauch der "Academic Word List" (COXHEAD 2000). Im Interesse einer größeren Sprach(lern)bewusstheit und längerfristigen Motivierung ,bilingualer Schüler' sollte diesen Lernenden ihr höheres Kompetenzniveau transparent gemacht werden: etwa über die Portfolioarbeit zur Sprachlernbiografie und Selbsteinschätzung sowie über die Teilnahme an Vorbereitungskursen für internationale Sprachzertifikate. Damit ließe sich der spezifische fremdsprachliche Mehrwert dieser Unterrichtsform auch nach außen hin besser (als über eine wenig aussagekräftige Zeugnisnote) dokumentieren. Schulen sollten in Zukunft in der Lage sein, die von den Lernern erreichten globalen Kompetenzniveaus (gemäß dem Europäischen Referenzrahmen) zu zertifizieren. 3.4 Planungsfelder für das integrierte Sach-Sprachlernen Nach meinem Dafürhalten gibt es bisher keine systematisierten Beschreibungsversuche, die die sachfachliche Planung mit der sprachlichen Planung verzahnt (am besten ist dieser lFLwL 36 (2007) 42 Wolfgang Zydatiß Aspekt bei WILDHAGE 2003: 89-96 entfaltet). Die curriculare Grundeinheit dafür scheint mir die sachfachliche Lernaufgabe(= task) zu sein, die in aller Regel auf eine fachrelevante Material- oder Textsorte(= genre) fokussiert wird; und zwar über eine Aufgabenstellung (= assignment oder activity), die die von den Schülern verlangte kognitive Operation in der Form einer so genannten Makrofunktion spezifiziert. Meistens enthalten die Arbeitsanweisungen für die Schüler die Operatoren DESCRIBE, EXPLAIN, EVA- LUATE (vgl. WILDHAGE 2003: 93); eine Einteilung, die der in ZYDATiß (2005b: 166f) ausgeführten Systematik der Wissensstrukturen entspricht (dort Abb. 4). Fachliches Lernen in der Schule ist langfristig und kumulativ angelegt. Es folgt einem systematischen Lehrgang, der die fachspezifischen Methoden und Arbeitstechniken aufbaut. (• Abb. 3, S. 43]) Primärer Bezugspunkt für das integrierte Sach-Sprachlernen sind somit die Inhalte des Faches, wie sie über bestimmte Themenbereiche im Rahmenplan festgelegt sind. Allerdings erschöpft sich das sprachliche Lernen nicht in der Vermittlung der Fachbegriffe und des themenbezagenen Sachwortschatzes, die in der Tat in aller Regel (zusammengestellt in meistens zweisprachigen Glossaren) den Schülern verfügbar gemacht werden. Wie die entsprechende gegenstandsbezogene Material- oder Text(sorten)analyse immer wieder zeigt (vgl. ZYDATiß 2005b: 169-171), kommen bei den im Unterricht eingesetzten Materialien (bzw. bei deren inhaltlicher Erschließung und Verarbeitung) noch weitere Aspekte zum Tragen. Zu den fachspezifischen Nationen eines Schulfachs gehören neben den grundlegenden Konzepten (= concepts) spezielle semantisch-kategoriale Wissensschemata (= categories), die von Fach zu Fach verschieden sein können. Während für das Fach Geschichte z.B. die Chronologie historischer Ereignisse oder Kontinuität bzw. Wechsel zentrale Kategorien darstellen, dürfte für das Fach Biologie die taxonomische Ordnung der Tier- und Pflanzenwelt oder die Stufen eines Prozesses (etwa beim Klonen bzw. bei der Entwicklung eines Frosches oder Schmetterlings) fachbestimmende Kategorien sein. Im Vollzug des gegenstandsbezogenen, fachlichen Lernens werden einerseits die fachspezifischen Notionen (d.h. die Fachbegriffe und die basalen semantischen Kategorien des jeweiligen Faches) erarbeitet, was ohne lexikograrnmatische Kompetenzen unmöglich ist. Sachfachliches Lernen ist andererseits ohne eine diskursiv-prozessuale Komponente undenkbar; denn es werden auch textgebundene Diskurspraktiken ,eingeübt' (mündliche wie schriftliche), die den Lernenden gestatten, in die Denk- und Kommunikationsmodalitäten eines bestimmtes Schulfachs (als discourse community) hineinzuwachsen: Genres als soziale Prozesse. Das ,materielle Substrat' des fachlichen Lernens ist die Text- oder Materialsorte (als linguistische Manifestation eines Genres auf der Produktebene), deren Inhalte je nach Aufgabenstellung zu er- und verarbeiten sind. Nicht wenige Genres werden fächerübergreifend eingesetzt und verdienen deshalb besondere Berücksichtigung in den verschiedenen Varianten des fremdsprachigen Sachfachunterrichts: z.B. das Interpretieren von Grafiken, Tabellen, Kurven und Diagrammen mit den entsprechenden Präsentationen oder das Beschreiben und Auswerten von Bildern, Fotos und Karikaturen. lFlLlJIL 36 (2007) ~ +- LEHR-/ LERNARRANGEMENTS ➔ +- MATERIAL-ffEXTSORTE (GENRE) ➔ +- SPRACHLICHES HANDELN ➔ t; l °' j Sicherung des Textverständnisses Fachspezifische Notionen (concepts): Diskursfunktionen ( academic . Fachbegriffe language functions) • rhetorical organization . thematischer Sachwortschatz . description • consciousness raising: . sachbezogene Nominalisierungen . classification noticing,focus onform (grammatical metaphor) . definition • role of LI . Begriffe aus der Academic Word List . comparison and contrast 1 t t . cause and effect . hypothesizing . rankinglrating etc. Fachspezifische Methoden Aufgaben- und Arbeitstechniken stellung (models of enquiry & Fachrelevante Interkulturelle l Wissensschemata Dimensionen (categories): . intracultural (Makrostudy skills): . chronology scripts and Fachkommunikative funktion): I ➔• case study DESCRIBE, . biography . continuityl connotations _____. Aktivitäten change . change of per- • rezeptiv/ produktiv EXPLAIN, . experiment . stages ofa spective (bila- . monologisch/ dialogisch EVALUATE . working with process teral, European, . sprachmittelnd sources/ maps etc. . taxonomies etc. global) . mündlich/ schriftlich t l t l Sprachliche und visuelle Sprachliche Realisierung des Textes Gemeadäquate diskursive Stützen (scaffolding) (language exponents) Realisierung • language support . textsortenspezifische grammatische . Zusammenfassung • visualization: Strukturen • Versuchsbericht pictorial, iconic, . logische Konnektoren • Funktionsbeschreibung diagrams (conjunctions, sentence adverbs) . Präsentation von • actionslgestures . themenbezogene Kollokationen und Fakten/ Meinung • levels of abstraction Wendungen (semi-technical language) Abb. 3: Von der Aufgabenstellung zum diskursiven sprachlichen Handeln im fremdsprachigen Sachfachunterricht ~ 1l .... ~ " s: 1: : , w 1st : : i ~ s· 0 ~ [ 15"' ; , ~ "' s· "' ~ ~ -1>- ~ 44 Wolfgang Zydatiß Die gemeinsame, zentrale Schnittmenge von Inhalt, Denken und Sprache (siehe Abb. 2 [ _____. S. 38]) ist in ZYDATiß (2005b: 163 f) als akademische Diskursfunktion bezeichnet worden. Beispiele hierfür sind: Benennen, Identifizieren, Klassifizieren, Beschreiben, Fragenstellen, Erklären, Schlussfolgern, Begründen, Hypothesen bilden, Definieren, Vergleichen; Beziehungen von Ursache-Wirkung, Teil-Ganzes oder Mittel-Zweck erkennen und ausdrücken; Vorhersagen machen, chronologische Sequenzen oder Phasen von Prozessen ausdrücken; Alternativen, Präferenzen oder Prioritäten formulieren; Gewichten und Bewerten von Argumenten bzw. Positionen u.dgl. mehr. Im Vollzug des sachwie sprachkompetenten Diskurses werden derartige sprachlich-kognitive Äußerungseinheiten in linguistisch komplexere Organisationsstrukturen integriert; sprich, zu situations- und zweckadäquaten Genres synthetisiert: z.B. zu Zusammenfassungen, Berichten, Besprechungen, Kommentaren, Vorgangsbeschreibungen, Anleitungen, Erläuterungen, Erklärungsmustern und Argumentationsketten. Die in derartigen Texten oder Diskursen generierte ,Welt' ist konstruiert; weil sie entweder bestimmten Konventionen gehorchen muss, oder weil der Textproduzent das Genre nach kommunikativen Zwecken und Zielen ,formt'. Was die uns besonders vertraute akademische Fachprosa betrifft, wissen wir natürlich, dass es hier zum Teil sehr stark ausgeprägte soziokulturelle Normen gibt (die als cultural scripts bekannt sind: vgl. WIERZBICKA 1992), die den Aufbau eines Essays oder die Form eines Versuchsberichts bzw. wissenschaftlichen Artikels steuern. Viele Aspekte der textsemantischen und -pragmatischen Erbzw. Verarbeitung von Sachtexten der verschiedenen Fächer können über visuelle und sprachliche Hilfen (das so genannte scaffolding: vgl. WILDHAGE 2003; ZYDATiß 2002, 2005b) strukturiert werden. Verbal-visuelle Stützen erleichtern den Schülern das Verstehen der Ausgangstexte und das diskursive Sprachhandeln über fachbezogene Inhalte. Sowohl die rhetorische Struktur der Fachtexte als auch die Struktur kognitiver Operationen, die in den jeweiligen Texten realisiert werden, sollten den Schülern im fremdsprachigen Sachfachunterricht über möglichst unterschiedliche, wechselnde Darstellungsformen erschlossen werden (vgl. hierzu auch LEISEN 2005). Die Lexik der Fachsprache ist erheblich differenzierter und präziser als das Vokabular der Alltagskommunikation. Abgesehen von den Fachbegriffen ist die Häufung von Nominalisierungen auffallend, die semantisch oft nicht transparent sind (z.B. orographic rainfall, retum of equity bzw. Entlassungsproduktivität): ein komplexes linguistisches Phänomen, das als ,grammatical metaphor' bezeichnet wird. Die Fachsprache zeichnet sich weiterhin durch Abstrakta aus, die in einer Vielzahl akademischer Kontexte vorkommen könnte; etwa: factor, method, policy, cause, force, design, phase, growth, tendency, development; produce, expand, assimilate, accommodate; relative, adjusted, sustained u.v.a. mehr. Die etwa 700 Begriffe dieser "Academic Word List" (COXHEAD 2000) haben einen hohen Transferwert für den akademischen Sprachgebrauch und sollten deshalb (ebenso wie die Diskursfunktionen mit ihren entsprechenden language exponents) im bilingualen Unterricht berücksichtigt werden. lFLwL 36 (2007) Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland: eine Bilanz 45 4. Vermutete Verlagerungen auf dem globalen Sprachenmarkt Die pädagogisch-curriculare Entwicklung, die ,großen' transnationalen Regional- und Verkehrssprachen als Arbeitssprachen im schulischen Fachunterricht zu etablieren, scheint unumkehrbar und unaufhaltsam zu sein. Die didaktischen Konzepte dafür haben sich in den letzten Jahren differenziert und flexibilisiert. Eine Verengung auf das Englische als Arbeitssprache wäre allerdings in einer etwas längerfristigen Perspektive kontraproduktiv. Die Bildungspolitik der EU- und der OECD-Staaten wäre gut beraten, die Szenarien zu den wahrscheinlichen Verschiebungen auf dem ,globalen Sprachenmarkt' rechtzeitig zur Kenntnis zu nehmen (vgl. GRADDOL 1997). Das Englische wird vermutlich um 2020 herum auf dem Zenit seiner Bedeutung als Weltverkehrssprache stehen. Danach (so die Prognosen) könnte es eine Verlagerung zu anderen großen Verkehrssprachen geben: etwa zum Chinesischen und Hindi (der Nationalsprache Indiens) sowie zum Spanischen und Russischen, vermutlich auch zum Arabischen was sehr viel mit der Wirtschaftskraft, den Rohstoffressourcen und der demografischen Entwicklung in diesen Regionen zu tun hat. Das Englische wird demgegenüber (in relativer Hinsicht) an Dominanz einbüßen. Der Schulsprachenpolitik obliegt es, dafür angemessene Weichenstellungen vorzunehmen. Das bilinguale Prinzip bleibt davon unberührt; nur sollte die nationale Bildungspolitik rechtzeitig für stärker diversifizierte Angebote sorgen, was die Arbeitssprachen bei dieser Unterrichtsform angeht. Literatur ABENDROTH-TIMMER, Dagmar (2002): "Interkulturelles Lernen durch bilinguale Module im Sachfachunterricht". In: Französisch heute 3l.3, 376-387. ABENDROTH-TIMMER, Dagmar (2007): "Zur sprachenpolitischen Bedeutung und motivationalen Wirkung des Einsatzes von bilingualen Modulen in sprachlich heterogenen Lerngruppen". In: CASPARI, Daniela [et. al.] (Hrsg.), 177-191. ABENDROTH-TIMMER, Dagmar/ WENDT, Michael (2000): "Französisch/ Spanisch als Arbeitssprache im Sachfachunterricht". In: ABENDROTH-TIMMER, Dagmar/ BREIDBACH, Stephan (Hrsg.): Handlungsorientierung und Mehrsprachigkeit. Frankfurt/ M.: Peter Lang, 131-148. ABUJA, Gunther (Hrsg.) (1998): Englisch als Arbeitssprache. 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After abrief outline and some criticism of the main features influencing current efforts to reform such training in Germany, the paper focuses on the contentrelated requirements inherent in CLIL. The following section investigates whether, and to what extent, the various study formats are appropriate for a CLIL-teacher-training programme. In conclusion, the article describes a curricular alternative that integrates both the reform demands and the content-related requirements. 1. Einleitung Die Beschäftigung mit bilingualem Unterricht, "Content and Language Integrated Learning (CLIL)", oder dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache hat durchaus Konjunktur. Dabei deuten bereits die unterschiedlichen Begrifflichkeiten an, dass die sich dahinter verbergenden Konzepte keineswegs so übereinstimmend sind. Das impliziert aber immerhin auch, dass die Diskussionen und die Ansätze relativ breit gestreut sind. Wolfgang ZYDATiß (in diesem Band [S. 30-47]) hat in seiner Bilanz für Deutschland unter anderem diesen vielfältigen Zugriff bestätigt und untermauert, und Dieter W OLFF (in diesem Band [S. 13-29]) hat darauf hingewiesen, dass sich diese Vielschichtigkeit - oder sollte man sagen: diese Multiperspektivitätdurch wohl die meisten europäischen Länder zieht. Die Ursache für die Vielfalt in den Konzepten liegt einerseits in den unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen innerhalb der jeweiligen politischen Rahmenmaßgaben, die je nach landesspezifischer Schwerpunktsetzung zu gänzlich anders gelagerten Konzepten führt und führen musste. Die Ursache liegt aber auch in der durchaus unterschiedlichen Wahrnehmung derjenigen Realität, die sich hinter diesen Konzepten und Begrifflichkeiten verbirgt. Und natürlich gibt es auch durchaus fachlich begründete Unterschiede in den Einschätzungen darüber, was ein Sachfachunterricht in der Fremdsprache leisten kann und was nicht. Während sich aus der Sicht derjenigen, die sich mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen befassen, doch ganz überwiegend positive Einschätzungen Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Frank G. KÖNIGS, Univ.-Prof., Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Str., 35032 MARBURG. E-mail: koenigs@staff.uni-marburg.de Arbeitsbereiche: Konzeptbildungen der Sprachlehrforschung, Psycholinguistik des Fremdsprachenlernens, Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung (insbesondere Deutsch als Fremdsprache und Romanische Sprachen), Übersetzungsdidaktik, Curriculumentwicklung, Lehrerbildung. lFLllllL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 49 mit dem Konzept verbinden, kommen bisweilen deutliche Vorbehalte aus der Sicht derjenigen Fächer, die in der Fremdsprache unterrichtet werden sollen. Die Vorbehalte richten sich zumeist darauf, dass es eine Überforderung bedeuten würde, einen komplexen, möglicherweise sogar noch kultur- oder kulturraumbezogenen Gegenstand in einer Fremdsprache zu behandeln 1; möglicherweise das lasse ich einmal dahin gestellt spielt dabei auch die durchaus zutreffende Selbsteinschätzung eine Rolle, dass die Behandlung von Themen des eigenen Faches in der Fremdsprache so problemlos nicht möglich sei. Dabei wird auch die Gefahr gesehen, dass die Perspektive der Fremdsprachen(didaktik) die Sichtweise des Sachfaches an den Rand drängt. Nun werde ich mich im Folgenden nicht mit der Frage auseinander setzen, welche der Termini und der dahinter stehenden Konzeptionen die angemessenen sind, wenn man sich mit dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache näher beschäftigen oder ihn bezeichnen will. Ich lasse es im Folgenden beim „Sachfachunterricht in der Fremdsprache", wohl wissend, dass die unterschiedlichen Begrifflichkeiten nicht selten auch mit unterschiedlichen konzeptuellen Vorstellungen verbunden sind. Wenn man sich vor diesem Hintergrund mit dem Zusammenhang von „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" und Lehrerbildung befasst, steht man gemeinhin vor der Frage, aus welcher Richtung die Argumentation angegangen werden soll: Je nachdem ob man aus der Sicht der Fremdsprachenvermittlung, des Sachfachunterrichts oder der Lehrerbildung argumentiert, ergeben sich grundsätzlich andere Perspektiven, die allerdings im Kontext der Konzeptentwicklung für die Lehrerbildung zusammengeführt und miteinander verknüpft werden müssen. Da etliche Beiträge im Rahmen dieses Bandes den Blick insbesondere aus der Fremdsprachendidaktik auf den Gegenstand richten, werde ich im Gegensatz dazu versuchen, meine Gedanken zum Zusammenhang von Lehrerbildung und Sachfachunterricht in der Fremdsprache aus der anderen Richtung, nämlich aus der Sicht der Lehrerbildung, zu entwickeln. Die Einnahme dieser Perspektive führt mich zu der folgenden Gliederung meiner Ausführungen: Ich werde in meinem ersten Abschnitt auf die konzeptuellen Entwicklungen der Lehrerbildung in Deutschland eingehen (Kapitel 2). Im Anschluss daran werde ich auf die meines Erachtens nach wesentlichen Elemente einer Fremdsprachenlehrerbildung zu sprechen kommen, die sich zum Ziel setzt, gezielt auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache vorzubereiten (Kapitel 3) und Gedanken darüber vorstellen, welche curricularen Strukturmuster sich für diese Inhalte entweder an- oder verbieten (Kapitel 4). In meinem letzten Abschnitt werde ich diese Überlegungen zusammenführen und versuchen darzustellen, in welche Richtung sich möglicherweise Konzepte für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern entwickeln lassen, in deren Fokus der Sachfachunterricht in der Fremdsprache steht (Kapitel 5). Zwei Einschränkun- Exemplarisch verwiesen sei auf BAIER (1991) und seine Kritik daran, dass der Geschichtsunterricht durch den Gebrauch einer Fremdsprache einer wesentlichen Funktion beraubt werde: "Die Wirklichkeit, die den Menschen tatsächlich umgibt, wird durch die Muttersprache geistig umgewandelt und so unserem Bewusstsein zugänglich gemacht [...]. Gemäß dieses Weltbilds ihrer Muttersprache sind alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft durch eine Denkwelt auf der geistigen Ebene zusammengehalten[...]. Hat ein Schüler nicht die Pflicht, die Geschichte des Staates, dessen Bürger er ist, mit seiner ,Denkwelt' zu erfahren? " (BAIER 1991: 35). JFLIIIL 36 (2007) 50 Frank G. Königs gen sind noch nötig: Ich werde überwiegend strukturell argumentieren und erst im letzten Abschnitt - und auch dort nur ansatzweise stärker auf die eigentlichen Inhalte, bezogen auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache, eingehen. Und ich beziehe mich beinahe ausschließlich auf die universitäre Seite der Lehrerbildung, also die sogenannte erste Phase. 2. Die Reform der (deutschen) Lehrerbildung Die aktuellen Reformbemühungen im Kontext der Lehrerbildung verdanken ihre Entstehung im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einem dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler in internationalen Vergleichstests und zum anderen dem Bologna- Prozess, der auf die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraums in Europa zielt. Während die Entwicklung in anderen Ländern zumindest zu länderspezifischen Schwerpunktsetzungen geführt hat, die allerdings von der angestrebten europaweiten Einheitlichkeit ein gutes Stück entfernt sind, führt der deutsche Föderalismus in den einzelnen Bundesländern zu ganz unterschiedlichen Konzepten für die Lehrerbildung insgesamt: Neben Ländern, die das Staatsexamen beibehalten und sich damit (noch) gegen die Einrichtung gestufter Studiengänge in der Lehrerbildung wehren (z.B. Bayern und Hessen), finden wir daneben Länder mit einer eindeutigen Präferenz für die gestuften Studiengänge (z.B. Niedersachsen). Vollends disparat wird die Lage in den Ländern, die in ihren Universitäten je nach Standort Staatsexamen- oder Masterstudiengänge anbieten. Dabei gilt, dass vor allem traditionelle Lehramtsstudiengänge immerhin mit Aufbau- oder Ergänzungsstudiengängen inhaltliche Schwerpunktsetzungen erlauben; an Standorten mit Staatsexamen als Regelabschluss der Lehrerbildung finden wir folglich Angebotsstrukturen, die nach Absolvierung entsprechender Schwerpunkte Zertifizierungen erlauben. Hier haben auch spezifische Studiengangsoptionen ihren organisatorischen Platz, die sich dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache verschreiben. Demgegenüber schließt die Philosophie des Bologna-Prozesses Zusatzund/ oder Ergänzungsstudiengänge zunächst einmal grundsätzlich aus. Möglich werden jedoch ggf. Masterstudiengänge mit speziellen Schwerpunktsetzungen. Erschwert wird die Konstruktion dieser Studiengangsoptionen jedoch durch die Tatsache, dass der Bologna-Prozess die beteiligten Länder zu einer vom Umfang her beschränkten Ausbildung zwingt. Durch die Pauschalisierung des vermeintlichen Studienaufwands verringert sich de facto die Anzahl der Seminare, Semesterwochenstunden etc., die ein Studierender in der ersten Phase seiner Ausbildung zu absolvieren hat 2 • Gleichzeitig wird vielerorts der Anteil der berufswissenschaftlichen Aus- 2 Hier mag man einwenden, dass dieser Vorwurf nicht zutrifft, da Bachelor (3 Jahre) und Master (2 Jahre) eine Gesamtstudiendauer von 5 Jahren ergeben, die wir zuvor ja auch hatten. Die relative dann doch gegebene BeschränkungNerkürzung resultiert aus der meines Erachtens nach unseligen Quantifizierung des Arbeitsaufwands; die im ,alten' System existierende Möglichkeit zur Intensivierung bestimmter Studieninhalte entfällt, wobei dies insbesondere in Bezug auf den zeitaufwändigen Erwerb fremdsprachlicher Kompetenzen nachteilig sein dürfte zumindest solange Fachwissenschaft und Fremdsprachenkompetenz in einem merkwürdig anmutenden Ausschlussverhältnis bisweilen beziehungslos nebeneinander existieren. Dass wir zukünftigen lFLlllllL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 51 bildungsanteile erhöht immerhin auch das ein Ergebnis der Nach-Pisa-Diskussion-, wobei dazu erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Studienanteile gerechnet werden, die je nach Bundesland unterschiedlich eine Ausweitung erfahren. Bei der Überführung der ,alten' Staatsexamensstudiengänge in die gestuften Studiengänge wird in der curricularen Entwicklungsarbeit vielfach mit dem Instrument der so genannten ,Kerncurricula' gearbeitet. Diese sollen den inhaltlichen Kern des jeweiligen Faches oder Fachsegments darstellen und führen in der Praxis trotz gegenteiliger Bekundungen realiter nicht selten zu einer Art Mindestinventar. Aus der Sicht des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache ergeben sich vor diesem Hintergrund die folgenden Optionen, wobei das Votum für oder gegen eine Option sich keineswegs nur nach den inhaltlichen Notwendigkeiten richtet, die mit dem angestrebten Ausbildungsziel verbunden sind: • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung (siehe unten 4.1) • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen' in modularisierter Form: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung (siehe unten 4.2) • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Additum zur ,normalen' Fremdsprachenlehrerausbildung mit entsprechender Zertifizierung (siehe unten 4.3) • Gestufte Studiengänge: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung (siehe unten 4.4) • Masterprogramme mit Schwerpunkt „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" (siehe unten 4.5) Nun wissen wir alle, dass curriculare Entscheidungen sehr häufig nicht (oder zumindest nicht nur) curricularen Planungsaktivitäten in Abstimmung mit fachbezogenen Notwendigkeiten folgen, sondern dass die Standortbedingungen die Curriculumplaner dazu zwingen, aus der Not eine Tugend zu machen. Mit anderen Worten: Die personelle Ausstattung sowie die Abstimmungsprozesse und -ergebnisse ,vor Ort' entscheiden darüber, welche Gestalt ein Ausbildungsprogramm letztlich annimmt. Für meine folgenden Überlegungen ignoriere ich diese Realität zunächst einmal und versuche stattdessen, Überlegungen dazu anzustellen, welche inhaltlichen Anforderungen ein Ausbildungsgang für angehende Lehrer eines Sachfaches in der Fremdsprache erfüllen muss. Dazu werde ich einige Prämissen aus der einschlägigen Fachliteratur ableiten und diese dann jeweils versuchen, in den genannten fünf unterschiedlichen Optionen zu verorten. Damit komme ich zu meinem dritten Kapitel. Fremdsprachenlehrern einen längeren Aufenthalt im Land ,ihrer' Fremdsprache im Vertrauen darauf nahe legen, dass sie dort schon die notwendigen Sprachkompetenzen erwerben werden, die wir dann nur noch abtesten, stellt für mich ein unzureichendes Ausbildungskonzept dar. lFlLlllL 36 (2007) 52 Frank G. Königs 3. Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Ausbildung von Lehrern für einen Sachfachunterricht in der Fremdsprache Diese inhaltlichen Anforderungen leiten sich direkt oder indirekt aus den spezifischen Anforderungen an den Sachfachunterricht in der Fremdsprache selbst ab. Für diesen gilt allem Anschein nach, dass er etwas anderes ist als reiner Fremdsprachenunterricht und dass er etwas anderes ist als reiner Fachunterricht in der Muttersprache. Wenn ÜTTEN/ WILDHAGE (2003: 24 ff) in ihren Thesen zu einer integrativen Didaktik und Methodik des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache konsequent die ,Integration von Inhalt und Sprache' in ihrer Bedeutung für den Unterricht aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, so deutet sich damit an, welche Anforderungen an den Unterricht und an die Lehrenden sich damit verbinden: Die inhaltliche Orientierung des Unterrichts folgt den Kriterien und Anforderungen des Sachfachs, und die Benutzung einer Fremdsprache als Arbeitssprache bedeutet dabei gerade nicht die Verlängerung des Fremdsprachenunterrichts mit ähnlichen Mitteln in ein anderes Fach hinein, sondern die Erweiterung des sachfachunterrichtlichen Potentials durch konsequenten Einbezug unterschiedlich kulturgebundener Perspektiven mittels der jeweiligen Fremdsprache. Dabei gilt das Primat der Fachdidaktik des jeweiligen Faches, die durch Methoden und Verfahren der Fremdsprachendidaktik lediglich eine synergetische Ergänzung erfährt. Dies muss dann allerdings - und hier stimme ich THÜRMANN (32005) ausdrücklich zu zu einer spezifischen Methodik des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache führen, wobei sich für das Verhältnis von Inhalt und Sprache die Schwierigkeiten offenkundig abzeichnen: „Das Spannungsverhältnis von Sach- und Spracharbeit kristallisiert sich als Knackpunkt einer zukünftigen Didaktik des bilingualen Lehrens und Lernens heraus" (KUPETz/ ZIEGENMEYER 2005: 87). Mit anderen Worten: Würde man den Sachfachunterricht in der Fremdsprache als jeweiliges Additum begreifen, also aus der Sicht des Sachfaches ein Mehr durch die Fremdsprache oder aus der Sicht der Fremdsprache ein Mehr durch die Inhaltsorientierung durch das Sachfach, wäre es ausreichend, die jeweiligen Kompetenzen zu , addieren', um einen Eindruck vom notwendigen Lehrerprofil zu gewinnen, also z.B. durch Teamteaching von Sachfach- und Fremdsprachenlehrer. Nicht nur aus Kostengründen wird diese Sichtweise abgelehnt, denn: Der Sachfachunterricht zeichnet sich eben nicht durch die bloße Addition scheinbar unterschiedlicher Wissensbereiche aus, sondern durch die Integration von Inhalt und Fremdsprache; beide Bereiche sind auf den Gegenstand und damit auf ein spezifisches Lernen bezogen. Gerade diese Tatsache wird ins Feld geführt, um den Begriff des CLIL und das mit ihm verbundene Konzept zu begründen und in seiner besonderen Leistungsfähigkeit für die schulische (Aus-)Bildung darzustellen (vgl. z.B. WüLFF in diesem Band [S. 13-29)). Damit muss vom Lehrenden erwartet werden können, dass er die Aneignungsprozesse seiner Schüler gleichermaßen vom Sachfach- und vom Fremdsprachenlernen her anregt, begleitet, kontrolliert und zu optimieren hilft. Er muss sich also mit sachfachbezogenen Aneignungsvorgängen ebenso auskennen wie mit fremdsprachlichen, und er muss darüber hinaus deren mögliche Synergie- oder StörpotenlFLl.llL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 53 tiale für den jeweils anderen Aneignungsvorgang beurteilen können. 3 Damit ergibt sich beinahe zwangsläufig, dass eine bloße Addition sachfachdidaktischer und fremdsprachendidaktischer Erkenntnisse nicht ausreichend ist, denn gerade diese beiden Erkenntnisbereiche müssen in ihrer gegenseitigen Wirkung aufeinander bezogen werden. Dass dies relativ früh bemerkt wurde, mag man an der Entwicklung von Zusatzstudiengängen für bilinguales Lernen und bilingualen Unterricht erkennen, die gerade darauf abzielen, diese notwendigen Integrationsprozesse in der Person des Lehrers zu verankern und in ihm bewusst zu machen. Damit soll erreicht werden, dass sowohl der Inhaltsals auch der Sprachumsatz auf der Grundlage kommunikativen Handelns sowie unter Einbezug entsprechender Materialien mittels entsprechender „Aufmerksamkeitszuwendung und Aktivität der Lernenden zu Ausgangspunkten kognitiven, sprachlichen und affektiven Lernens" gefördert werden (KRücKILOESER 2002: 38). Dies schließt u.a. ein, die verschiedenen gegenstandsbezogenen Formen der Textarbeit stärker zu berücksichtigen, die sich von einem kommunikativen Fremdsprachenunterricht erheblich unterscheiden, als auch die Auseinandersetzung mit kulturbedingt unterschiedlichen Zugriffsweisungen auf den Gegenstand (vgl. z.B. das unterschiedliche Geschichtsverständnis in Frankreich und Deutschland) (vgl. zu den notwendigen Profilen eines Lehrenden im Sachfachunterricht in der Fremdsprache u.a. WOLFF 2002). Damit stellt sich aus der Sicht der Curriculumsplanung die Frage nach den angemessenen Studienformaten, und damit komme ich zu meinem vierten Abschnitt. 4. Curriculare Strukturmuster 4.1 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung Die fachdidaktischen Anteile in der traditionellen Ausbildung von Fremdsprachenlehrern sind rein quantitativ beschränkt (vgl. zu den Gründen dafür u.a. KöNIGS 2001; 2002; SCHRÖDER 2002). Mit der notwendigen Einführung in Grundbegriffe und -konzepte der Fremdsprachendidaktik und einem thematischen Seminar ist das zur Verfügung stehende Kontingent dann nicht selten ausgeschöpft, wenn auch fachdidaktisch ausgerichtete Schulpraktika diesem Kontingent zugeschlagen werden. Allenfalls ein bis zwei weitere thematische Seminare können je nach Bedingungen ,vor Ort' dann noch angeboten werden. Diese werden aber in aller Regel - und auch mit guten Gründen zur Vertiefung von Inhalten aus dem Grundstudium genutzt. Für die notwendige Vertiefung, derer eine Ausbildung zu einem, bilingual unterrichtenden Lehrer' bedarf, fehlen die zeitlichen (und oftmals auch die personellen) Ressourcen. Bestenfalls dann, wenn die Vertiefung sich auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache erstreckt, besteht die Möglichkeit, dass Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um zwei Aneignungsvorgänge mit allenfalls zufälligen Berührungspunkten handelt. Plausibler ist die Annahme eines gesamthaften Aneignungsvorgangs eben Sprache und Inhalt integriert-, der sich je nach Perspektive anders modellieren lässt. lFLlllL 36 (2007) 54 Frank G. Königs Studierende an diese Form des Unterrichts ganz vorsichtig und sehr langsam herangeführt werden. Da die Ausbildung jedoch in aller Regel eher standortspezifische Bündelungen aufweist (und auch mehr nicht aufweisen kann), ist von einer angemessenen Ausbildung mit dem Fokus auf dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache sicher nicht auszugehen. Eine nicht unerhebliche Modifizierung dazu ergibt sich bei der zweiten strukturellen Variante. 4.2 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen' in modularisierter Form: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung Die Modularisierung hat unter dem Einfluss des Bologna-Prozesses Einzug in die Curriculumentwicklung an Hochschulen gehalten. Darunter wird die thematische Bündelung mehrerer Veranstaltungen verstanden, die sich einem inhaltlichen Schwerpunkt zuordnen lassen. Wo also der Sachfachunterricht in der Fremdsprache als Modulkern verstanden wird, lässt sich eine entsprechende Schwerpunktsetzung dann umsetzen, wenn die notwendigen personellen Ressourcen vorhanden sind, d.h. wenn entsprechend ausgebildetes Personal die angemessene Durchführung derartiger Veranstaltungsbündel sicherstellen kann. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich durch eine denkbare Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahl(pflicht-)modulen, durch die eine Entscheidung für eine entsprechende Profilierung der eigenen Ausbildung in erheblichem Umfang in die Verantwortung der Studierenden gestellt wird. Flankiert werden müsste eine solche Studienoption allerdings nach meiner Auffassung durch eine entsprechende Zertifizierung, die dem Absolventen die Profilbildung bescheinigt. Im Zuge der Förderung einer schulinternen Autonomie nimmt die Zahl so genannter schulscharfer Einstellungen zu, bei denen die Schulen selbst und allein die Auswahl aus dem Kreis der Bewerber vornehmen. Vorstellbar ist in diesem Zusammenhang natürlich eine größere Anzahl von Profilmodulen neben dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache also beispielsweise im Bereich der Neuen Technologien, der Mehrsprachigkeitsdidaktik oder des Testens -, wobei die Profilmodule inhaltlich mit den grundständigen fremdsprachendidaktischen (oder auch fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen) Modulen systematisch und eng verknüpft werden müssten. Dieser Idee steht allerdings neben dem Kapazitätsproblem die Tatsache entgegen, dass der Bologna-Prozess Obergrenzen für den Studienumfang definiert. Zwar ergeben sich gewisse Gestaltungsspielräume durch entsprechende Verschiebungen der mit den Veranstaltungen verbundenen workload, doch implizieren diese Gestaltungsspielräume gleichzeitig eine Aushöhlung der zugegebenermaßen ohnehin recht fragwürdigen - Begrenzung des Studienumfangs. Halten wir als Fazit für diese Variante folglich fest: Sie verbessert zwar die relativ wahllose Anordnung von fachdidaktisch relevanten Inhalten, stellt aber noch kein hinreichendes Ausbildungskonzept für angehende fremdsprachlich unterrichtende Sachfachlehrer dar, wenn die Profilmodule nicht wenigstens in beschränktem Umfang als zusätzliche Studienleistungen definiert werden können/ dürfen. lFLl\lL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 55 4.3 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Additum zur .,normalen' Fremdsprachenlehrerausbildung mit entsprechender Zertifizierung Bereits zu den Zeiten, als das Staatsexamen noch bundesweit der Regelabschluss in der Lehrerbildung war, haben einige Ausbildungsstandorte auf die anwachsende Zahl von Angeboten an Sachfachunterricht in der Fremdsprache und im Gefolge auf die steigende Nachfrage der Schulen nach geeigneten Lehrern (vgl. zu einer Darstellung der Entwicklung in Deutschland z.B. THÜRMANN 2000) durch entsprechende Zusatzausbildungen reagiert. Beispielhaft erwähne ich die Universitäten Wuppertal (vgl. z.B. WOLFF! KRE- CHEL 1997; auch WOLFF2002), Bochum (vgl. z.B. HELBIGIRAABE 2000) oder Hamburg (vgl. z.B. ARNOLD [et al.] 2004). Initiativen dieser Art zielen auf eine systematische Ausbildung von Lehrenden für den Sachfachunterricht in der Fremdsprache und orientieren sich bei Licht betrachtet an der erst später aufgekommenen Idee der Modularisierung, indem sie deren Merkmale in entsprechende Zusatzprogramme überführen. Allerdings verrät ein näherer Blick, dass es hierbei durchaus unterschiedliche Varianten der Studiengangsgestaltung gibt: Sie reichen von der Zusammenstellung von ohnehin in grundständigen Studiengängen vorhandenen Lehrangeboten mit thematischer Bündelung bis zur speziell für die anvisierte Klientel entworfenen und durch entsprechend tiefgehende Praxisanteile sinnvoll ergänzten Programmen (vgl. z.B. ARNOLD [et al.] 2004; vgl. auch KUPETZ/ ZIEGENMEYER 2005). Vor allem die letztgenannten Modelle dürften am nachhaltigsten die Bedürfnisse angehender Lehrer im fremdsprachlichen Sachfachunterricht treffen, machen aber entsprechende personelle Ausstattungen notwendig. Bedenkt man zudem, dass die angestrebte Qualifizierung nur eine denkbare Profilbildung darstellt, so ergibt sich auch hier wie schon in anderen Zusammenhängen angemahnt (vgl. KÖNIGS 2006) die Notwendigkeit von planerischen Absprachen. Es müsste eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, entsprechend breit gefächerte Studienangebote in ihrer regionalen Verteilung und ihrer inhaltlichen Ausrichtung so zu koordinieren, dass es zu einer netzwerkartigen Angebotssicherheit kommt, die es mindestens jedem Flächenland in der Bundesrepublik erlaubt, entsprechende breite Studiengangsoptionen anzubieten. Spätestens hier so steht jedenfalls zu befürchten wird sich die föderale Struktur der Bundesrepublik wieder einmal eher als hinderlich dafür erweisen, entsprechende flächendeckende Ausbildungspläne zu entwerfen. Dass wir eine mit Fachleuten kompetent besetzte Steuerungsinstanz dringend benötigen, scheint mir indes kaum bestreitbar. 4.4 Gestufte Studiengänge: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung Mit der Einführung der gestuften Studiengänge für die Lehrerbildung ist die beabsichtigte Vereinheitlichung (noch) nicht eingetreten. Die Entscheidung für gestufte Studiengänge hat zu unterschiedlichen Varianten geführt. Dabei ist nach wie vor nicht geklärt, welche Funktion der Bachelor für die Lehrerbildung eigentlich haben soll, es sei denn, er dient zur Auslese und verhindert, dass alle Studierenden der Bachelor-Stufe tatsächlich bis zum lFL1.1lL 36 (2007) 56 Frank G. Königs Lehramtsexamen vordringen. 4 Dabei geht die Stufung einher mit der schon erwähnten Begrenzung des Studienumfangs, die ihrerseits insbesondere den Fachwissenschaften sehr zu schaffen macht. Demgegenüber wird der berufswissenschaftliche Anteil, zu dem häufig auch die Fachdidaktik gerechnet wird, quantitativ vielerorts ausgeweitet. Dabei ist eine überregionale Einigung auf kemcurriculare Inhalte allenfalls partiell festzustellen. Dort wo sich die gestufte Lehrerbildung weithin als ,aus einem Guss' versteht, wird dieser Anteil nicht selten dazu genutzt, die bisher nicht behandelten fachdidaktischen Inhalte überhaupt anzubieten. Zudem müssen an einigen Standorten (wie z.B. Marburg) die zusätzlich gewonnenen fachdidaktischen Ausbildungsanteile dazu genutzt werden, den z.T. unter das vertretbare Maß gesunkenen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil durch Schnittstellenmodule auszugleichen, in denen Fachwissenschaftler und Fachdidaktiker gemeinsam Inhalte aus ihrer je spezifischen Perspektive mit den Studierenden erarbeiten. Daher gilt für diese Studiengangsstruktur Analoges wie für die zweite der hier diskutierten Varianten. Thematisch kann also der Sachfachunterricht in der Fremdsprache behandelt werden; für eine Vertiefung, wie sie im Rahmen einer gezielten Qualifizierung nötig wäre, fehlen zumeist die zeitlichen und personellen Ressourcen. Die strukturellen Bedingungen dieser Studiengangsvariante erlauben folglich keine qualifizierte Ausbildung zum Lehrer im fremdsprachlichen Sachfachunterricht. 4.5 Masterprogramme mit Schwerpunkt „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" Wie bereits oben angedeutet, erlauben gestufte Studiengänge in der Masterphase eine Spezialisierung und wissenschaftliche Vertiefung des vorausgehenden Bachelor~Studiengangs. Damit ergibt sich strukturell die Möglichkeit zur Profilbildung eine Möglichkeit, die (wenn ich es recht sehe) die Technische Universität Braunschweig beschreitet und über die Claus GNUTZMANN (in diesem Band [62-75]) berichtet. Allerdings setzt eine solche Akzentuierung, die im Übrigen auch jenseits der Lehrerbildung häufig beschritten wird, zur erfolgreichen und angemessenen Umsetzung mehrere Grundsatzentscheidungen auf der Bachelor-Ebene voraus: • Der fachdidaktische Studienanteil im Besonderen und der berufswissenschaftliche insgesamt dürfen nicht der Masterphase vorbehalten sein. Vielmehr müssen die grundlegenden zu erwerbenden Kompetenzen auch für diese Studiensegmente bereits Gegenstand des Bachelors sein. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass auf der Masterebene die erwünschte wissenschaftliche Vertiefung überhaupt stattfinden kann. Inwie- 4 Es scheint mir ein durchaus interessanter Gedanke zu sein, in das universitäre Studium eine ,Eignungsempfehlung' zu integrieren; wir haben in der Vergangenheit nach meiner Beobachtung allzu häufig wissenschaftliche Kriterien in den Vordergrund gerückt aus der Perspektive der Fächer ebenso wie aus der Sicht der so genannten Berufswissenschaften (Pädagogik, Fachdidaktik); wer wissenschaftlich seine Qualität unter Beweis gestellt hat, wird an die Schule (zumindest in die zweite Ausbildungsphase) gelassen/ geschickt, auch wenn man sich bei einigen Persönlichkeiten des späteren Scheiterns im schulischen Alltag sicher wähnt. Ob ein Bachelor hier allerdings das angemessene Selektionsinstrument ist, wage ich nicht nur (aber auch) aus Kostengründen zu bezweifeln. ][1]Ld 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 57 weit der Bachelor für berufliche Verwendungszusammenhänge außerhalb von Schule zumindest für zahlreiche Schulfächer tatsächlich berufsqualifizierend sein kann, steht auf einem anderen Blatt. • Dies setzt wiederum zweitens eine Verständigung über diejenigen fachdidaktischen und berufswissenschaftlichen Inhalte und Kompetenzen voraus, die unabdingbarer Bestandteil des Bachelors sein müssen. Käme diese Verständigung nicht zustande, würde das für unseren Zusammenhang also den Sachfachunterricht in der Fremdsprache nämlich bedeuten, dass er keine eigene Spezifik vorzuweisen hätte und dass zur Gewinnung von lehrerseitiger Handlungssicherheit die allgemeinen fachdidaktischen Überlegungen, z.B. zur Fehlerkorrektur, zu Vermittlungsmethoden oder zur Gestaltung von und zur Arbeit mit Lehrmaterialien, den Prinzipien des ,normalen' Fremdsprachenunterrichts folgen könnten. Mit den akzentuierten Forderungen an einen angemessenen Sachfachunterricht in der Fremdsprache wäre dies indes kaum in Einklang zu bringen. Ein wesentlicher Vorteil eines spezifischen Masterprogramms liegt nicht zuletzt in der Bezeichnung des spezifischen Abschlusses. Denkt man das konsequent zu Ende, hat dies zwei mögliche und sich durchaus widersprechende Konsequenzen: • Entweder wird damit das Abschlussprofil ,Fremdsprachenlehrer' aufgehoben; wir bilden dann zukünftig nicht mehr ,Fremdsprachenlehrer' aus, sondern ,Fremdsprachenlehrer mit dem Profil X oder Y'. Ich fände diese Möglichkeit so uninteressant nicht, würde sie doch für eine größere Transparenz sorgen, die gerade im Kontext der oben angesprochenen steigenden Schulautonomie von wachsender Bedeutung sein wird. • Oder man leistet damit denjenigen Tendenzen noch Vorschub, die den Bachelor fachdidaktikfrei halten wollen. Die rechtzeitige Selbstvergewisserung, ob man denn tatsächlich dabei ist, den für sich selbst richtigen Berufsweg einzuschlagen bzw. eingeschlagen zu haben, wird noch weiter hinausgeschoben ein Umstand, der sich angesichts der angestrebten Straffung des Studiums und mit Blick auf die Studienzeitverkürzung sogar von Seiten der Bildungspolitik eigentlich von selbst verbieten müsste. Nun kann man aus der bisherigen Diskussion der unterschiedlichen studienstrukturellen Möglichkeiten zu dem Schluss gelangen, dass die Modelle, über die wir aufgrund noch bestehender ,alter' Strukturen oder aufgrund der sich abzeichnenden Umsetzungspraktiken der ,neuen' Strukturen verfügen bzw. demnächst verfügen, zwar interessante Möglichkeiten bieten, aber unter dem Strich dann doch zu viele Kompromisse beinhalten (müssen). Damit komme ich zu meinem letzten Teil und damit auch zu bisweilen etwas unrealistisch anmutenden Gedankenspielen. 5. Und die Alternative? Nun stellt sich abschließend die Frage, wie man mit den Befunden umgeht. Derzeit sehe ich keine Argumente, die mich von einer früher geäußerten Skepsis (vgl. KÖNIGS 2001) gegenüber gestuften Studienstrukturen in der Lehrerbildung abzubringen vermögen. Dies JF[,u]L 36 (2007) 58 Frank G. Königs gilt vor allem angesichts einer deutschen Spezifik in der Lehrerbildung, nämlich der Ausbildung in zwei Fächern, die ja gerade für den Sachfachunterricht in der Fremdsprache von besonderer Bedeutung ist und die ohnehin gegenüber der Ein-Fach-Lehrerausbildung beträchtliche Vorteile hat. Dabei richtet sich meine Skepsis weniger gegen die Stufung an sich, die ja für andere Fächer außerhalb der Lehrerbildung durchaus Vorteile mit sich bringt, oder zumindest bringen kann. Vielmehr zweifle ich an der Berufsqualifizierung im Rahmen der Lehrerbildung, die mit dem Bachelor ja eigentlich verbunden sein müsste. Ob die Bildungspolitik bereit ist, dieses selbstverschuldete strukturelle Hemmnis rückgängig zu machen, bleibt abzuwarten, darf aber kurzfristig nicht erhofft werden. Und dennoch sehe ich eine Möglichkeit zur Nutzung dieser Strukturen und schlage vor, den Bachelor als eine Art Kerncurriculum für die Zwei-Fach-Lehrerbildung zu interpretieren. Hier ist der Ort, wo angehende Lehrer an die fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Grundkompetenzen ihres späteren beruflichen Handelns herangeführt werden. Dies freilich setzt voraus, dass sich alle beteiligten jeweiligen Fachsegmente also auch die Fachdidaktik - Gedanken darüber machen, was denn zu diesen Kernkompetenzen gehört und welchen Beitrag ihre Disziplin dazu leisten muss. Ein so verstandener Bachelor stellt also eine Art gemeinsamen Sockel dar, auf dem die Lehrerbildung zu gründen hätte, kann aber eben noch nicht zu einem Abschluss führen, der z.B. mit dem ! .Staatsexamen in seiner Bedeutung vergleichbar wäre. An diesen Bachelor schließen sich dann differenzierte Masteroptionen an. Dabei unterscheide ich in Analogie zu einem Vorschlag, den ich für Deutsch als Fremdsprache gemacht habe (vgl. KöNIGS 2006), grundsätzlich einen Forschungsmaster und einen Anwendungsmaster. Wer in den Forschungsmaster geht, strebt eine weitere wissenschaftliche Qualifikation und möglicherweise eine wissenschaftliche Karriere an. Hier wäre also der Ort, wo Fachwissenschaften, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften ihre je unterschiedlichen wissenschaftlichen Schwerpunkte entwickeln und in spezifische Studienprogramme münden lassen könnten. Der Forschungsmaster wäre dann der Ort für die noch einmal intensivierte wissenschaftliche Vertiefung, die Auseinandersetzung mit und die Anwendung von je fachspezifischen Forschungsmethoden, wobei den Studierenden die grundsätzliche Option offen stünde, diesen Forschungsmaster in Unterrichtsforschung zu machen, und da z.B. in differenzierten Programmen mit fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer oder erziehungswissenschaftlicher Ausrichtung, oder ob sie sich stärker von der Unterrichtsforschung abwenden und dann z.B. in einen rein fachwissenschaftlich bezogenen Master gehen. Derartige Masterprogramme beinhalten nicht die Eintrittskarte in die zweite Phase der Lehrerbildung. Diese erhält man nach erfolgreicher Absolvierung eines Anwendungsmasters. In diesem Anwendungsmaster erhalten die Studierenden die Möglichkeit der individuellen Profilbildung mit Bezug auf den späteren Lehrerberuf, und zwar mit einer fachdidaktischen oder erziehungswissenschaftlichen Profilbildung. Eine dieser Profilbildungen wäre dann z.B. der Sachfachunterricht in der Fremdsprache; andere mögliche fachdidaktische Profilbildungen habe ich oben angesprochen. Analoges ist auch für den erziehungswissenschaftlich profilierten Anwendungsmaster denkbar, z.B. wenn Studierende besonders in pädagogischer Diagnostik oder Schulentwicklung ausgebildet werden. Graphisch lässt sich dies so darstellen: lFLl! llL 36 (2007) ~ w °' 1 BACHELOR= gemeinsamer „Sockel" nl / Fächecbezogen ~ n x / Forschungsmaster ----------- / Schwerpunkt Fachwissenschaft / t Unterrichtsforschung - Schwerpunkt Fachdidaktik MASTER ~ Brücken- ~ Schwerpunkt Erziehungswissenschaft module / Profil: Sachfachunterricht in der Fremdsprache Anwendungsmaster ~ Profil: Neue Technologien ' ~ Profil: Testen \: \ Profil: Pädagogische Diagnostik Profil: Schulentwicklung Profil: n ... ~ C') ~ ~ ~ ~ ... ; : i ("). ; ; " s· ~... ~ ~ ~ '<: 5 ; ; ; ~ ~ 0o· " ! [ i: ~ i 0: , * .: ~ 0: , ; ,: Ul \0 60 Frank G. Königs Der Wechsel zwischen Forschungs- und Anwendungsmaster sollte nur nach erfolgreicher Absolvierung von entsprechenden Brückenmodulen möglich sein, die in ihren Quantitäten nicht auf die Studienumfänge angerechnet werden. Welche curricularen Implikationen sind nun mit diesem Vorschlag verbunden? Er setzt zunächst einmal voraus, dass ein Grundkonsens über die Inhalte des Bachelors hergestellt werden, denn auch der Bachelor ist meiner Vorstellung nach bereits lehrerbezogen, und aller Erfahrung nach sind Abstimmungsprozesse über die notwendigen Sockelinhalte in allen Ausbildungssegmenten nicht einfach. Deutlich wird aber auch hierbei, dass wir insofern eine Zentralisierung brauchen, die sich um eine Angleichung dieser Sockelinhalte an den verschiedenen Ausbildungsstandorten ebenso kümmert wie um die flächendeckende Verteilung der Masterprofile. Dabei müsste sich eine zentrale Koordinierung auch darum bemühen, dass notwendige Querverbindungen zu anderen Fächern geschaffen werden, die für das spätere Berufsfeld bedeutsam sind. Hier denke ich an entsprechende Teilmodule z.B. aus dem Kontext Deutsch als Fremdbzw. Deutsch als Zweitsprache in Bezug auf den erheblichen Anteil von Schülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch an unseren Schulen. Sicher ist auch, dass wir endlich dahin kommen müssen, der gegenstandsbezogenen Spezifik von Ausbildungsinhalten Rechnung zu tragen: Eine philologische Veranstaltung in einem philologischen Masterprogramm muss zwangsläufig anders aussehen als eine philologische Veranstaltung in einem auf Unterricht bezogenen Masterprofil. Mit anderen Worten: Wir sollten das Prinzip der Synergieerzeugung nicht dadurch ad absurdum führen, dass wir mit relativ allgemeinen Etiketten möglichst viele unterschiedliche Interessen und Anforderungen auf einmal zu bedienen versuchen. Zwei weitere Aspekte sind mir in diesem Zusammenhang noch wichtig: Die Ausbildung zum Fremdsprachenlehrer mit welchem Profil auch immer muss sich um die hinreichende Sprachkompetenz der zukünftigen Lehrer kümmern. Die Beschränkung der Studienumfänge erweist sich in diesem Zusammenhang wiederum als nicht akzeptables Hindernis, insbesondere dann, wenn entsprechende Fremdsprachenkompetenzen nicht bereits mitgebracht werden. Wir müssen hier dem Gedanken der sprachpraktischen Propädeutika näher treten und die Kompetenzstufen des Europäischen Referenzrahmens konsequent als Orientierung nutzen, und zwar für die Definition von Eingangs- und Abschlusskompetenzen ebenso wie für die Gestaltung der sprachpraktischen Ausbildung. Der zweite Aspekt betrifft die Auslandsaufenthalte und die Kooperation mit ausländischen Universitäten. Hier müssen Kontakte mit Partnerhochschulen im Ausland auch zur Angleichung der Ausbildungsprogramme genutzt werden und in gemeinsam organisierte und konzipierte Masterprofile münden. Gerade hier kann ich mir im Zusammenhang mit der anzustrebenden sprachpraktischen Kompetenz sinnvolle Synergieeffekte vorstellen (vgl. hierzu auch W0LFF 2002). Und schließlich sollten die anwendungsbezogenen Masterprofile Modulelemente enthalten, in denen Vertreter der ersten und der zweiten Ausbildungsphase zusammen arbeiten, und zwar nicht additiv, sondern auch integrativ. Gewiss wird der eine oder andere Leser die vorangehenden Ausführungen als (noch? ) nicht konsensfähig ansehen. Gleichwohl scheint es mir angemessen, den meisten vorhanlFLuL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 61 denen Ausbildungsprogrammen zumindest einigen ihrer Komponenten durchaus kritisch gegenüberzutreten. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die hier entfalteten Überlegungen nicht (nur) als Kritik an Bestehendem, sondern auch und vor allem als einen allerdings aus meiner Sicht dringend notwendigen - Beitrag dazu, die Reform der Fremdsprachenlehrerausbildung weiter voranzutreiben. Und da sollte weiterdenken doch auch erwünscht sein ... Literatur ARNOLD, Eva/ BONNET, Andreas / BRUSCH, Wilfried / DECKE-CORNILL, Helene (2004): "Evaluation einer Zusatzqualifikation zum Bilingualen Unterricht (Englisch) im Rahmen eines Lehramtsstudiengangs". In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 15.1, 79-108. BAIER, Wolfgang (1991): "Bilingualer Unterricht eine Möglichkeit für Schuleuropa? " In: Der deutsche Lehrer im Ausland. Mitteilungen - Meinungen - Materialien 38.1, 29-36. HELBIG, Beate/ KLEPPIN, Karin/ KÖNIGS, Frank G. (Hrsg.) (2000): Sprachlehrforschung im Wandel. Beiträge zur Erforschung des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen. Festschrift für Karl-Richard Bausch zum 60. Geburtstag. 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Teacher education in Germany has gone through a considerable number of reforms during the past three decades, most of which have hardly affected the basic structure of teacher education, namely one course of study at university plus a „Referendariat", i.e. a post-university practical training phase of about 18 months to two years. How much time and effort has been invested in these reforms can be appreciated when we consider that Germany comprises 16 Federal States, each of which has its own ministry responsible for all matters concerning education. However, the changes that have recently come about as a result of the Bologna process have had a greater impact with wider ramifications than any of the preceding reforms. In 2002, as a consequence of the Bologna Agreement, Lower Saxony established a collaborative project "Verbundvorhaben") for teacher education initiated by the Ministry of Education and involving all the universities offering 'traditional' courses in teacher education at the time. The implementation of the Bologna process in teacher education has resulted in a 'consecutive' BA/ MA course sequence, where the BA part takes care of the 'content side' of two school subjects and the subsequent MA, which lasts one or two years depending on the type of school students want to qualify for, focuses on didactical and methodological aspects as well as more general educational and psychological topics that future teachers will need in the profession. The BA/ MA structure despite the many problems surrounding it also offers fresh perspectives for teacher education: in our case an innovative concept for the training of Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL). Before the introduction ofthe BA/ MA structure CLIL teaching qualifications could be obtained, for the most part, only by taking an additional course of study (Zusatzstudiengang). An essential characteristic of the new Braunschweig MA course in English Studies is that the CLIL teaching qualification has now been integrated: hence, prospective teachers need no longer enrol for an extra programme, with all the burdens that this entails. The present paper discusses the prerequisites, characteristics and perspectives of CLIL teaching as a specialisation within the Braunschweig MA course in English Studies. 1. Historisch-institutioneller Kontext des neuen Master-Studiengangs Lehramt Studierende und Forscher sind mobiler, flexibler und internationaler als je zuvor. Wissen kennt keine Landesgrenzen. Internationalisierung ist ein Reformschrittmacher für die Entwicklung und Modernisierung des Hochschulwesens. Die Hochschulen müssen sich im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bewähren. Gemeinsam mit seinen europäischen Nachbarn hat sich Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Clans GNUTZMANN, Univ.-Prof., Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien, Englisch als globale lingua franca. lFLlllL 36 (2007) 64 Claus Gnutzmann Deutschland daher 1999 in Bologna das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Der Bologna-Prozess ist die wohl tiefgreifendste Hochschulreform der letzten Jahre. (Homepage des BMBF: http: / / www.bmbf.de/ de/ 3336.php) Der letzte Satz des vorangehenden Zitats zur Charakterisierung des Bologna-Prozesses ließe sich noch dahingehend präzisieren, dass es sich nicht nur um die tiefgreifendste Hochschulreform der letzten Jahre, sondern Jahrzehnte, und auch um die mit Abstand schnellste Hochschulreform handelt. Der den Fakultäts- und Fachbereichsraten vielerorts auferlegte Termindruck war beträchtlich und führte, begünstigt durch die vorausgehenden Veränderungen der Landeshochschulgesetze, dazu, dass im Vergleich zu früher die Studiengangskonzepte immer seltener in Kommissionen erarbeitetet wurden, was ja nicht selten mit hohem Zeitaufwand verbunden war, sondern diese Arbeit jetzt sehr häufig schnell von ,Experten' erledigt wurde, so dass zumindest die von den Ministerien und Hochschulleitungen eng gesetzten Termine eingehalten, allerdings die inhaltlichen, hochschuldidaktischen und bürokratischen Implikationen der Bachelor (BA)/ Master (MA)-Reform häufig nicht ausreichend bedacht wurden. Stöhnen über Verschulung und Reglementierung des Studiums und nicht einkalkulierten Aufwand der verwaltungsmäßigen Folgen der Umstellung sind jetzt quer durch die Republik zu vernehmen, womit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die neue Studienstruktur vor allem negativ zu sehen sei und die ,alten' Studienverhältnisse zufriedenstellend gewesen wären. Mit Erstaunen ist allerdings zu registrieren, dass die BA/ MA-Reform im Grundeproblemlos und ohne größere Widerstände der Betroffenen ,durchgezogen' werden konnte. Dies überrascht umso mehr, wenn man bedenkt, wie wirkungsvoll sich Studierende und Hochschullehrer in der Vergangenheit wegen vergleichsweise geringfügiger Veränderungen von Studien- oder Prüfungsordnungen für Proteste mobilisieren ließen. Allgemeine Resignation oder vielleicht die (partielle) Einsicht, dass das ,alte System' mit seinen zum Teil Schwindel erregenden Abbrecherzahlen und Studiendauern letztlich am Ende war, mögen für die ,Tolerierung' der neuen Studiengänge maßgeblich gewesen sein. Die Vorteile der neuen Studiengänge, wie international anerkannte und berufsqualifizierende Studienabschlüsse nach drei Jahren und somit in einer frühen Lebensphase größere Flexibilität im Hinblick auf die Alternative weiterführendes Studium vs. Berufstätigkeit, haben anscheinend die Studierenden mehr überzeugt, als Kritiker sich vorzustellen vermochten. Mit der Bologna-Deklaration sollen vor allem zwei gemeinsame Zielstrukturen in den europäischen Ländern erreicht werden: die Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen (undergraduate/ (post)graduate) sowie ein Leistungspunktesystem (credit points) nach dem ECTS-Modell. Darüber hinaus soll es um die Herbeiführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Studienabschlüsse gehen, und es sollen weiterhin gefördert werden: die Mobilität durch Beseitigung von Mobilitätshemmnissen, die europäische Zusammenarbeit im. Bereich der Qualitätssicherung und die europäische Dimension in der Hochschulausbildung. Gegenwärtig gibt es in Deutschland 3377 BA- und 2283 Master-Studiengänge, was etwa 48% des Studienangebotes entspricht (Stand Sommersemester 2007, Homepage des BMBF: http: / / www.bmbf.de/ de/ 3336.php). Der Bologna-Prozess und die damit verbunlFL111L 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 65 dene Einführung der konsekutiven BA/ MA-Studienstruktur wirdbeginnend mit konzeptuellen und strukturellen Überlegungen seit 2002 auch in der Lehramtsausbildung in Niedersachsen umgesetzt, und zwar im Rahmen eines sog. Verbundvorhabens. An diesem Verbundvorhaben waren die zu diesem Zeitpunkt (und auch noch heute) in der ,alten' Lehrerausbildung aktiven Niedersächsischen Universitäten in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Vechta wie auch die Universität Bremen beteiligt. Die Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der TU Braunschweig war unmittelbar mit der Einführung der BA-Studiengänge im WS 03/ 04 mit allen an ihr vertretenen Fächern an diesem Projekt beteiligt. Das Verbundvorhaben wird in Niedersachsen vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur und vom Kultusministerium, also zwei verschiedenen Ministerien, sowie vom Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen begleitet. Die Federführung des Gesamtvorhabens liegt bei der Leibniz Universität Hannover (vgl. http: / / www.uni-hannover.de/ bama-lehr). Nachdem zum WS 03/ 04 das Lehramtsstudium in Braunschweig auf die BA/ MA- Studienstruktur umgestellt wurde, gab es im Sommer 2006 die ersten BA-Absolventen, von denen die überwiegende Mehrheit ein Masterstudium aufnehmen wollte und dies im WS 06/ 07 dann auch tat. Mit der Einführung der Bachelor/ Master-Strukturen in der Lehrerausbildung ist auch die Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht in ein neues Stadium getreten. Diese Ausbildung ist bisher vor allem durch universitäre Zusatzbzw. Aufbaustudiengänge (z.B. Bochum, Bremen, Dortmund, Hamburg, Wuppertal) und durch Ausbildungsangebote an den staatlichen Studienseminaren (z.B. Braunschweig, Göttingen, Heilbronn, Kaiserslautern) wahrgenommen worden (vgl. hierzu die Übersicht zu den verschiedenen Qualifizierungsmöglichkeiten in BLELL/ KUPETZ 2005: 13f sowie SCHWIEGEL 2006). Aufgrund der BA/ MA-Strukturen war es jedoch möglich geworden, eine Bili/ CLIL-Qualifikation im Rahmen des regulären Master-Studiums zu erwerben. Genau das will der im WS 06/ 07 im Fach Englisch an der TU Braunschweig eingeführte Masterstudiengang leisten: den Studierenden eine Vertiefung „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" innerhalb des regulären Master-Studiums im Fach Englisch anbieten ohne die Auflagen eines zusätzlichen Studiengangs. Es handelt sich hierbei also - und das sehen wir als großen Vorteil an nicht um ein additives, sondern um ein integratives, nicht die Studienzeit verlängerndes und somit auch zeitökonomisches Studiengangsmodell. In der BA-Prüfungsordnung der Braunschweiger Fakultät heißt es im Hinblick auf das Fächerangebot und die Fächerkombinationen für prospektive Gymnasiallehrer: Mindestens eines der Fächer muss Germanistik, English Studies oder Mathematik sein. Neben einem dieser Fächer kann auch Chemie und ihre Vennittlung, Geschichte, Philosophie, Physik oder Darstellendes Spiel (Immatrikulation bei der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) gewählt werden. (http: / / www.tu-braunschweig.de/ Medien-DB/ fb9/ bachelorpruefungsordnung 051027.pdt) Von diesen Fächern kommt für den bilingualen Sachfachunterricht die Germanistik aus offensichtlichen Gründen nicht in Frage, Philosophie im deutschen Kontext (analog JFLuL 36 (2007) 66 Claus Gnutzmann französische Philosophie im französischen Kontext etc.) scheidet aufgrund ihrer existenziellen Verbindung zur deutschen Sprache aus, ebenso die Physik, die im Lehramtsstudium eigentlich immer zusammen mit dem Fach Mathematik studiert wird. Somit können in Braunschweig die Fächer Geschichte, Darstellendes Spiel, Chemie und ihre Vermittlung sowie Mathematik mit dem Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL)" studiert werden. Der Gedanke, dass Universitäten und Fachbereiche charakteristische Profile herausbilden, mit denen sie sich von anderen Institutionen abheben, hat zu der Forderung geführt, dass geistes- und erziehungswissenschaftliche Lehre und Forschung an einer Technischen Universität sich nach Möglichkeit auch in diesem Kontext mitverorten. Dass die Realisierung dieser Forderung aufgrund gewachsener Strukturen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, kann nicht überraschen und stellt die betroffenen Fakultäten häufig vor einschneidende Probleme im Hinblick auf die Weiter- und Neueinführung von Studiengängen und damit einhergehende Maßnahmen zu ihrer Existenzsicherung. Dabei soll anerkannt werden, dass der Profilierungsgedanke angesichts einer relativ hohen Zahl koexistierender Institutionen mit ähnlichen Aufgaben und Zielsetzungen durchaus seine Berechtigung haben kann. Als Englisches Seminar an einer Technischen Universität soll der neue Master-Lehramtsstudiengang durch die Einbeziehung der Naturwissenschaften und der Mathematik einen innovativen Akzent für den Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" setzen. Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es sicherlich einen Nachholbedarf in der Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht; denn diese Fächergruppe zusammen mit der Mathematik im Übrigen ist bisher sowohl in der Praxis des Bilingualen Unterrichts als auch in der Forschung stark vernachlässigt worden sind. Der Anteil der Naturwissenschaften liegt bei ungefähr 10% (vgl. BONNETT 2004: 37), was darauf zurückgeführt werden kann, dass bisher die Kombination von zwei Fächern aus unterschiedlichen Fachkulturen eher selten ist, dass also die Verbindung von Englisch und Geschichte weitaus häufiger anzutreffen ist als Englisch und Chemie. Da die ,Bili-Bewegung' vor allem von der Lehrerseite getragen wurde, war es bisher kaum möglich, die Kombinationsmöglichkeiten von Studierenden zu beeinflussen. Darüber hinaus ist mir nicht bekannt, dass es von staatlicher Seite in dieser Hinsicht besondere Initiativen gegeben hätte. Da aufgrund der favorisierten Fächerkombinationen (Fremdsprache plus Erdkunde, Geschichte, Politik) bilingualer Sachfachunterricht immer sehr stark mit Interkulturellem Lernen und multiperspektivischer Betrachtung von Unterrichtsgegenständen verbunden worden ist, dieses Potenzial den Naturwissenschaften in der Regel jedoch abgesprochen wurde, hat sich hinsichtlich der lehrerseitigen Präferenz für die Sachfächer im bilingualen Unterricht keine wirkliche Veränderung ergeben. Weiterhin wurde an den naturwissenschaftlichen Fächern kritisiert, dass sie nur auf ein eingeschränktes Repertoire an Kommunikationsfunktionen zurückgreifen und somit nicht die Kommunikativität der ,bewährten' Sachfächer erreichen würden. In meinem Beitrag möchte ich im Folgenden auf drei Grundfragen des bilingualen Sachfachunterrichts (Definition, Zielsetzung, Kompetenzen für bilinguale Sachfachlehrer/ innen) eingehen sowie daran anschließend den Schwerpunkt „Bilingualer SachlFJLlLIL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CL/ L 67 fachunterricht/ CLIL" unseres Master-Studiengangs Englisch im Hinblick auf seine Zulassungsvoraussetzungen, Charakteristika und möglichen Perspektiven vorstellen. 2. Grundfragen des bilingualen Sachfachunterrichts/ CLIL 2.1 Definition Neben der Etablierung des frühen Fremdsprachenlernens auf der Primarstufe gehört die inzwischen bundesweite, wenn auch in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlichem Umfang erfolgte Einführung des bilingualen Sachfachunterrichts 1 zu den nachhaltigsten Innovationen des Fremdsprachenunterrichts der vergangenen zwei Jahrzehnte.2 Vor dem Hintergrund einer internationalen Verbreitung dieser Unterrichtsform wird auch im deutschen Kontext, und diesem Faktum wird im Titel dieses Beitrags Rechnung getragen, häufig das Akronym CLIL, also „Content and Language Integrated Leaming", gegenüber bilingualem Sachfachunterricht vorgezogen, gelegentlich mit dem zusätzlichen Hinweis, dass CLIL die Funktion dieser Unterrichtsform besser zum Ausdruck bringe. Schaut man sich allerdings Definitionen der jeweiligen Begriffe im Einzelnen an, entsteht nicht zwangsläufig der Eindruck, dass es sich bei CLIL notwendigerweise um die passendere Bezeichnung handelte. Sehen wir uns hierzu folgende Definition von MARSH/ LANGE (2000: iii) an: Content and language integrated learning (CLIL) is a generic term and refers to any educational situation in which an additional language and therefore not the most widely used language of the environment is used for the teaching and learning of subjects other than the language itself. Es wird etwa in dieser Definition nicht deutlich, ob die Verwendung der „zusätzlichen Sprache" die alleinige Unterrichtsbzw. Arbeitssprache ist, sie also total-immersiv verwendet wird, oder ob dies nicht der Fall ist. Somit bleibt hier offen, ob die Mutterbzw. Erstsprache im CLIL-Unterricht einbezogen ist oder nicht. Insofern erscheint die im jüngst veröffentlichten KMK-BERICHT (2006: 7) zitierte, aus dem Jahre 1994 stammende Definition von bilingualem Unterricht als „Unterricht mit Teilen des Fachunterrichts in der Fachsprache" durchaus angemessen, da im bilingualen Sachfachunterricht das Prinzip der funktionalen Mehrsprachigkeit praktiziert werden soll; d.h. die funktionale Verwendung von Mutter- und Fremdsprache nach Lern- und Arbeitssituationen „bezogen auf fachrelevante Arbeitsweisen sowie die kognitiven und kommunikativen Anforderungen der jeweiligen Aufgabenstellungen im Lernprozess" (OTTEN/ WILDHAGE 2003: 31). Die Offenheit für die Erstsprache und deren fachsprachliche Verwendung in den Sachfächern ist ein wichtiges Prinzip, das vor allem im Hinblick auf die sprachliche und kulturelle Konstitution von wissenschaftlichen Gegenständen in den Gesellschafts- und Kulturwis- Vgl. hierzu die länderspezifischen Angaben im KMK-BERICIIT (2006: 27-95). 2 Zum „Mehrwert" des bilingualen Sachfachunterrichts aus sprachlicher und inhaltlicher Sicht vgl. ÜTTEN/ WILDHAGE (2003: 18-21), für die entsprechende lemtheoretische Perspektive vgl. WOLFF (2006). lFLlllllL 36 (2007) 68 Claus Gnutzmann senschaften unbedingt erhalten werden sollte. Die Rolle der Sprache in diesen Disziplinen ist dadurch gekennzeichnet, dass durch sie die Untersuchungsgegenstände erst konstituiert werden, wodurch sich gleichzeitig eine enge Verbindung zur jeweiligen Kultur ergibt. 3 Und gerade im Kontext von CLIL bzw. bilingualem Sachfachunterricht gibt es keinen zwingenden Grund, am Prinzip einer dogmatischen Einsprachigkeit festzuhalten. 2.2 Zielsetzung Dass der bilinguale Sachfachunterricht bisher vor allem eine Domäne der Fremdsprachendidaktik und des Fremdsprachenunterrichts geblieben ist, wird ebenfalls durch den KMK- BERICHT (2006: 9-11) im Kapitel „Die Bedeutung und Ziele des bilingualen Unterrichts" unterstrichen. LIPSKI-BUCHHOLZ (2006: 39) hat diesen Sachverhalt in ihrer Zusammenschau einschlägiger Zitate aus dieser Quelle anschaulich dargestellt: - " vertiefte[ .. ] Kenntnisse in den europäischen Partnersprachen und über europäische Partnerländer" (KMK 2006, 9) - "Beitrag zur Begabtenförderung im sprachlichen Bereich" (KMK 2006, 10) - "Erhöhung der sprachlichen und interknlturellen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler" (KMK 2006, 10) - "Bilinguale Lernangebote verfolgen das Ziel, den authentischen Gebrauch der Fremdsprache in einem erweiterten Kontext anzuregen." (KMK 2006, 10) - "Erwerb[ .. ] einer vertieften kommunikativen und interkulturellen Kompetenz im Sinne der Vorbereitung auf die Internationalisierung der Lebenswelten und die europäische Integration" (KMK 2006, 10) - "Förderung der Mehrperspektivität" (KMK 2006, 11) - "Zudem kann bilingualer Unterricht zugleich ein wirtschaftliches Konzept sein, das bei gleich 0 bleibendem Unterrichtsumfang des Sprachenblocks insgesamt einen Synergieeffekt zugunsten des Sprachenlernens umzusetzen vermag." (KMK 2006, 11) Die Zusammenstellung verdeutlicht eine auffällig einseitige Fokussierung auf sprachliche und interkulturelle Kompetenzen, wohingegen die sich aus der Perspektive des Sachfaches ergebenden Zielsetzungen eher unterbelichtet erscheinen und deshalb zukünftig im Hinblick auf eine verstärkte Kooperation von Sachfach- und Fremdsprachdidaktiken bzw. den an einer Schule insgesamt vertretenen Sachfachlehrern und den am bilingualen Sachfachunterricht beteiligten Fremdsprachen-/ Sachfachlehrern sicherlich stärker berücksichtigt werden sollten. Auch die in praktisch allen Darstellungen des bilingualen Sachunterrichts sehr stark in den Vordergrund gerückte Zielsetzung des Interkulturellen Lernens unterstreicht die Dominanz der Fremdsprachendidaktik, zumindest des Teils der Fremdsprachendidaktik, der sich mit besonderer Hingabe dem Interkulturellen Lernen verschrieben hat. So lassen sich in der Literatur durchgehend Forderungen finden wie „Der bilinguale Unterricht unterstützt systematisch das interkulturelle Lernen" und „Fachliche Themen und Inhalte Zu den unterschiedlichen Funktionen des Englischen in gesellschaftswissenschaftlich und naturwissenschaftlich basierten Fächern im bilingualen Sachfachunterricht vgl. GNUTZMANN (2006). lFJLllllL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehrarntsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 69 werden also möglichst in der Dimension des interkulturellen Lernens verortet und ausgewiesen" (vgl. ÜTTENIWILDHAGE 2003: 36). Dieser Forderung kann im Hinblick auf die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer des bilingualen Sachfachunterrichts größtenteils zugestimmt werden, wenngleich nicht grundsätzlich einsichtig ist, warum das Prinzip des Interkulturellen Lernens omnipräsent sein und somit fach- und themenunabhängig praktiziert werden sollte. Weder erscheint im naturwissenschaftlichen Unterricht die Notwendigkeit noch das Potenzial vorhanden zu sein, auf Dauer Interkulturelles Lernen zu praktizieren. Immerhin scheinen Naturgesetze ja kulturunabhängig zu sein, was allerdings nicht besagt, dass hier für eine kategoriale Trennung von naturwissenschaftlichen und sozialen Phänomenen plädiert werden soll. 2.3 Kompetenzen für bilinguale Sachfachlehrer/ innen Im Einklang mit der weithin akzeptierten Auffassung, dass es sich beim bilingualen Sachfachunterricht um eine sprachliches und fachliches Lernen integrierende Unterrichtsform handelt, wird auch aufgrund der in den Schulen gemeinhin geübten Unterrichtspraxis die Forderung erhoben, dass bilingualer Unterricht nur von solchen Lehrkräften erteilt werden soll, die in gleicher Weise in der Fächerkombination Fremdsprache und Sachfach ausgebildet wurden (KMK 2006: 21). Demgegenüber gibt es allerdings, wenn auch derzeit eher im Ausnahmefall, Lehrkräfte, die mit der Durchführung von bilingualem Sachfachunterricht befasst sind, aber kein entsprechendes fremdsprachliches Studium absolviert haben, allerdings über eine sehr gute fremdsprachliche Kompetenz verfügen. Bedenkt man jedoch, dass unter dem Gesichtspunkt der Integration von sprachlichem und fachlichem Lernen eine auf den Fachunterricht bezogene Spracharbeit einen konstitutiven Bestandteil des bilingualen Sachfachunterrichts ausmacht, so ist hierfür schon eine entsprechende didaktisch-methodische Kompetenz erforderlich, die sich nicht allein aus der fremdsprachlichen Kompetenz des Sachfachlehrers ergibt, sondern in einem Fremdsprache und Sachfach verbindenden Studiengang erworben werden sollte. Entsprechend dieser Prämisse und mit Blick auf die notorischen Bereiche Korrektur/ Bewertung sowie Lehr- und Lernmaterialien werden im Bericht der KMK (2006: 21) folgende Anforderungen an Lehrkräfte für den bilingualen Sachfachunterricht formuliert: überdurchschnittliche allgemeinsprachliche und sachfachorientierte Sprachkompetenzen spezifische Kompetenzen in den Bereichen Fremdsprachendidaktik und Sachfachsprachdidaktik (Prinzipien inhaltsbezogener Spracharbeit, funktionaler Einsatz von Mutter- und Fremdsprache, Dimensionen des interkulturelles Lernens im Fachunterricht, Bereitstellung sprachlicher und methodischer Hilfen, Verbindung von Lese- und Schreibtechniken mit sachfachrelevanten Arbeitsweisen) sensibles Korrektur- und Bewertungsverhalten spezifische Kompetenzen bei der Materialauswahl und der Materialgestaltung. Aufgrund der Modell- und Multiplikatorenfunktion von Fremdsprachenlehrern, so lässt sich mit gutem Grund argumentieren, ist es wichtig, dass Lehrende im bilingualen Sachfachunterricht über eine sehr hohe Sprachkompetenz - und zwar sowohl in gemeinsprachlFJL1.lllL 36 (2007) 70 Claus Gnutzmann licher wie auch fachsprachlicher Hinsichtverfügen sollten. Inwieweit hier, wie FREU- DENSTEIN (2002) es einmal für den Fremdsprachenunterricht generell formuliert hat, immer „Muttersprachler an die Front! " sollen, mag jedoch gerade im Hinblick auf die Lingua-franca-Funktion des Englischen in der Wissenschaft wie auch in der Sachfachkommunikation bezweifelt werden. Die genannten spezifischen Kompetenzen wie auch die Anforderungen an das Korrektur- und Bewertungsverhalten ergeben sich aus dem Integrationsprinzip des bilingualen Sachfachunterrichts. Die Frage der Materialauswahl kann sich insofern schwierig gestalten, weil der Markt derzeit noch eher begrenzt ist, wenngleich inzwischen, beispielsweise für den Erdkunde- und Geschichtsunterricht, entsprechende Lehrwerke 4 vorhanden sind. Der Rückgriff auf original englischsprachige Materialien 5 kann einerseits eine besonders positive Herausforderung an die Lernenden darstellen, birgt aber auch die Gefahr einer Überforderung in sich und wird möglicherweise wichtige Kompetenzanforderungen der Richtlinien und Lehrpläne des bilingualen Sachfachunterrichts aussparen. 3. Der Braunschweiger Studiengang Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" 3.1 Voraussetzungen Für die generelle Zulassung zum Masterstudiengang Lehramt Englisch (für Grund-, Haupt- und Realschulen (GHR) und Gymnasium (GYM)) ist ein abgeschlossenes BA- Studium in „English Studies" und einem zweiten Unterrichtsfach erforderlich. Im BA- Studium ist die englische Fachdidaktik mit dem Unterrichtsmodul „Mediating Languages and Cultures" vertreten, das aus einer Einführung in die englische Fachdidaktik und einer weiteren Veranstaltung zur Grammatik- und Wortschatzvermittlung oder alternativ zur interkulturellen Kommunikation und zum Interkulturellen Lernen besteht. Für den Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" gelten darüber hinaus als besondere Voraussetzungen ein mindestens einsemestriges Studium des Sachfaches im englischsprachigen Ausland oder eine vergleichbare Leistung, z.B. als "Assistant Teacher", die sich auch auf den Unterricht in mindestens einem Sachfach erstreckt haben muss. Im Hinblick auf die spätere Tätigkeit im bilingualen Sachfachunterricht wäre wahrscheinlich dem Studium des Sachfachs an einer Universität höhere Priorität als einer Tätigkeit als „Assistant Teacher" einräumen, weil dort auch die Möglichkeit gegeben ist, zusätzlich zur gemeinsprachlichen Kompetenz ebenso mündliche wie auch schriftliche Diskursfähigkeit im Fach zu erwerben. Unseren Studierenden ermöglichen wir bereits innerhalb des 4 Z.B. Erdkunde/ Geschichte, Sek. 1, Vorbereitung: There and Then. Berlin: Cornelsen 2002; Geschichte, Sek. 1: Spotlight an History. Berlin: Cornelsen 1995 (Volume 1) und 1999 (Volume 2); Erdkunde, Sek. 1: Around the World. Berlin: Cornelsen 1993; Erdkunde, Sek. 2: Around Germany. Berlin: Cornelsen 1995; Bilingual Geography. Stuttgart: Klett 1994. 5 Z.B. vertrieben über Klett: Reihe Cambridge History Programme. Cambridge: Cambridge University Press ab 1992; Cambridge Advanced Geography-Geography for AS. Cambridge: Cambridge University Press 2000. lFILl.lllL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch- Schwerpunkt ... CLIL 71 BA-Studiums u.a. durch diverse Erasmus-Programme unseres Seminars in Großbritannien und Irland sowie durch Austauschprogramme mit US-amerikanischen Universitäten die Möglichkeit, entsprechende Studienerfahrungen zu sammeln. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Aufrechterhaltung von Erasmus-Programmen mit britischen und irischen Universitäten vor dem Hintergrund des Rückgangs des Germanistikstudiums in diesen Ländern, eines erhöhten Finanzbewusstseins im Universitätskontext, der hohen und kaum mehr tragbaren Kosten für die teilnehmenden Studierenden zunehmend schwieriger gestaltet. Diese Gründe sowie die schnell steigende Anzahl englischsprachiger Studiengänge 6 können mittelfristig dazu Anlass geben, die Frage der Voraussetzungen im Hinblick auf ,original' englischsprachige Länder zu überdenken. Aufgrund verschiedener Planungsvorgaben des Verbundvorhabens und deren Umsetzung durch Rahmenvorgaben der Fakultät bieten wir zwei Master-Studiengänge Lehramt an: Einen einjährigen Master GHR im Umfang von 60 Credits und einen zweijährigen Master GYM im Umfang von 120 Credits. Im Rahmen des einjährigen GHR-Masters ist aufgrund struktureller Beschränkungen, was sich unter anderem in einer relativ geringen Semesterwochenstundenzahl niederschlägt, eine Bili/ CLIL-Option, wie sie im RahIPen des gymnasialen Studiengangs angeboten wird, leider nicht möglich. Allerdings gibt es regelmäßige Lehrangebote innerhalb bestimmter Lehrveranstaltungen und in Spezialseminaren zum bilingualen Sachfachunterricht, so dass auf diese Weise zumindest gewisse didaktische Grundlagen der bilingualen Sachfachvermittlung und Sensibilitäten für das fachliche Lernen in einer Fremdsprache geschaffen werden können. Eine systematische Ausbildung mit entsprechender Stundenzahl kann allerdings nur für den Gymnasialbereich vorgehalten werden, zumal im Rahmen der neuen konsekutiven Struktur der Lehrerausbildung die Möglichkeit, Zusatzqualifikationen zu erwerben, wie es früher der Fall war, nicht mehr vorgesehen ist. Wir werden jedoch ähnlich wie im Master GHR auch im ,regulären' Master GYM Veranstaltungen zum bilingualen Sachfachunterricht anbieten, so dass auch dort fachliche und didaktisch-methodische Grundlagen des bilingualen Sachfachunterrichts (SFU)/ CLIL erworben werden können. 3.2 Charakteristika Die unten abgedruckte Modulübersicht (Abb. 1 P• S. 72]) ist unter folgender Adresse abrufbar 7: http: / / www.anglistik.tu-bs.de/ MA/ infoblatt-ma-bili.PDF. Bei den grau unterlegten Veranstaltungen handelt es sich um CLIL-spezifische, die anderen sind von allen Studierenden des Masterstudiengangs zu absolvieren. 6 Zu englischsprachigen Studiengängen in Europa vgl. COLEMAN (2006) und MAiwORMIWÄCHTER (2002), zur ,Rivalität' von Deutsch oder Englisch im (deutschen) Hochschulkontext MOTZ (2005) sowie weiterhin WILKINSON (2004), WILKINSON [et al.] (2006). 7 Eine detaillierte Übersicht zu den Modulen und den dort anvisierten Qualifikationszielen findet sich in „Besonderer Teil der Prüfungsordnung für die Masterstudiengänge ,Lehramt an Gymnasien' und ,Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen' der Technischen Universität Braunschweig" (pp. 23-36), abrufbar unter http: / / www.anglistik.tu-bs.de/ ordnungen/ PruefungsordnungMALehraemter.pdf JFLllllL 36 (2007) 72 Claus Gnutzmann Master Gymnasium Englisch (Vertiefung CLIL) Voraussetzung: Mindestens einsemestriges Studium des Sachfaches im englischsprachigen Ausland oder vergleichbare Leistung, z.B. Tätigkeit als Assistant Teacher, die sich auch auf den Unterricht in mindestens einem Sachfach erstreckt hat. Module Advanced and Applied English Studies: CLIL I (Schwerpunktfach: 1./ 2. Sem. Nebenfach: 2./ 3. Sem.) Prüfungsleistungen (Faktor) - Veranstaltungsbegleitende Hausarbeit (ggf. mit Präsentation) (3) - 1 Präsentation ( 1) - 1 Unterrichtsentwurf mit mündlicher Erläuterung (1) SFU MI (9 er.) Advanced and Applied English Studies: CLIL II (3. Semester) Prüfungsleistungen (Faktor) - Veranstaltungsbegleitende Hausarbeit (ggf. mit Präsentation) (3) - 1 Präsentation (1) SFU M2 (6 er.) Fachpraktikum 1 (Gymnasium bilingualer Zweig) (3. Semester oder Block nach dem 3. Semester) Studienleistung: - 1 didaktische Akte SFUFPl Masterarbeit Winter 1 LV Applied Linguistics and Language Teaching/ Learning - Survey Course (50%) and Special Seminar (50%) 1 LV English and American Literature(s) and Culture(s) in the EFL Classroom - Survey Course (1 SWS) 1 LV Literature/ Cultural Studies - Survey Course (50%) and Special Seminar (50%) (2 SWS) Abb. 1: Modulübersicht Keine LV im Sommersemester Keine LV im Sommersemester lFLllilL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 73 Mit der bisher nicht üblichen Aufteilung einer Lehrveranstaltung in „Survey Course (50%)" und „Special Seminar (50%)" soll einerseits unter Berücksichtigung des Schulbezugs sowohl eine gewisse inhaltliche Breite, also ein Überblickswissen, als auch andererseits durch Spezialisierung Tiefe in den Themenbereichen Angewandte Linguistik und Literatur-/ Kulturwissenschaft erreicht werden. Mit dieser neuen Struktur tragen wir auch einer oft geäußerten studentischen Kritik Rechnung, die gerade den Mangel am Erwerb von Überblickswissen im Studium und eine zu frühe Spezialisierung beklagte. Der Master GYM verfügt in seinen fachdidaktischen Veranstaltungen zu „Applied Linguistics and Language Teaching/ Learning", "English and American Literature(s) and Culture(s) in the EFL Classroom" über eine relativ starke fachwissenschaftliche und inhaltsorientierte Fundierung, dieser Ansatz entspricht dem Verständnis der für diesen Studienbereich am Seminar verantwortlichen Lehrenden. Aus unserem Studienplan ergibt sich die Sinnhaftigkeit wie auch die Notwendigkeit und der Wunsch einer engen Kooperation mit Schulen und vor allem Lehrern/ innen des bilingualen Sachunterrichts insbesondere im Rahmen des Fachpraktikums. Dieser Kooperationswunsch gilt in ähnlicher Weise für die an der Fakultät vertretenen Sachfachdidaktiken. Auch hier wäre insbesondere eine Kooperation bei der Vorbereitung und Durchführung der Fachpraktika wünschenswert, aber auch bei anderen Lehrveranstaltungen sinnvoll. Im Hinblick auf die personelle Ausstattung der Institute und die Vielzahl der in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung anfallenden Aufgaben muss man aber realistisch sein: Besonders hilfreich wäre sicherlich zunächst eine Zusammenarbeit bei der Vorbereitung, Betreuung und Begutachtung von Masterarbeiten, zumal die Erstellung dieser Arbeit für Studierende der CLIL-Vertiefung obligatorisch ist, während für ,reguläre' Master-Studierende hier Wahlfreiheit zwischen den beiden Unterrichtsfächern besteht. 3.3 Perspektiven Angesichts der Ausweitung des Englischen in der Wissenschaftskommunikation und in der Hochschullehre, vor allem sichtbar in der wachsenden Verbreitung englischsprachiger Studiengänge weltweit, und einer ständig zunehmenden Internationalisierung von Forschung und Lehre erscheint es sinnvoll, zukünftig zu einer verstärkten Abstimmung von schulischem bilingualem Sachfachunterricht und den Anforderungen eines sich daran anschließenden Hochschulstudiums zu kommen. In diesem Zusammenhang wären dann sicherlich auch die Fächerauswahl im bilingualen Sachfachunterricht und ihre bisherige Fokussierung auf gesellschaftswissenschaftlich basierte Fächer zu überdenken (vgl. auch ABENDROTH-TIMMER [et al.] (2004: 16)). Insofern wird zu berücksichtigen sein, dass zum einen ein immer größerer Teil der von den Studierenden zu lesenden Texte auf Englisch geschrieben sein wird, und zum anderen, dass in den englischsprachigen Studiengängen solche aus dem Bereich der Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften wie auch der Mathematik und Medizin bevorzugt studiert werden (MAIWORMIWÄCHTER 2002: 54). Ein solcher Befund legt nahe, ein Fach Wirtschaft auch an allgemeinbildenden Schulen in größerem Umfang einzuführen und darüber hinaus insbesondere die naturwissenschaftli- JFLl\l][, 36 (2007) 74 Claus Gnutzmann chen Fächer und die Mathematik viel stärker als bisher im Kanon der bilingualen Fächer zu verankern. Der Kontext einer technischen Universität sowie die langjährigen Erfahrungen von Schulen und Studienseminaren mit dem bilingualen Sachfachunterricht in der Region Braunschweig bieten günstige infrastrukturelle Rahmenbedingungen für einen solchen Schwerpunkt in der Ausbildung von Englischlehrern an der Technischen Universität Braunschweig. 4. Zusammenfassung Mit der durch den Bologna-Prozess ausgelösten Einführung der konsekutiven Studienstruktur, die in Niedersachsen in der Lehramtsausbildung seit 2002 im Rahmen des Verbundvorhabens zur Entwicklung und Erprobung von Bachelor/ Master-Strukturen umgesetzt wird, ist auch die Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht in ein neues Stadium getreten. Während diese Ausbildung bisher durch universitäre Zusatzstudiengänge und/ oder durch Ausbildungsangebote an den Studienseminaren wahrgenommen wurde, besteht seit dem WS 06/ 07 an der TU Braunschweig die Möglichkeit, eine Vertiefung „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" innerhalb des regulären Master-Studiums im Fach Englisch ohne die Auflagen eines zusätzlichen Studiengangs zu studieren. Die Tatsache, dass in Deutschland inzwischen 847 Schulen bilinguale Angebote vorhalten (KMK 2006: 15), gegenüber 307 im Jahre 1996 (THüR- MANN 2000: 475), belegt eindrucksvoll, dass die schüler-, lehrer- und elternseitige Einschätzung dieses Angebotes als sehr hoch bezeichnet werden kann; sie lässt darauf schließen, dass diese Unterrichtsform zu einer festen Größe unseres Bildungssystems geworden ist und somit eine entsprechende Nachfrage in der Ausbildung einschlägig qualifizierter Lehrkräfte hervorruft. Das europa- und weltweite Anwachsen englischsprachiger Studiengänge macht es darüber hinaus erforderlich, eine größere Abstimmung zwischen den Möglichkeiten des bilingualen Sachfachunterrichts und den Erfordernissen englischsprachiger Studiengänge herbeizuführen. Eine Erweiterung des Fächerspektrums verbunden mit einer stärkeren Betonung der Naturwissenschaften und der Mathematik wären als positive Ergebnisse einer solchen Abstimmung zu bewerten, wodurch gleichzeitig der Funktion des Englischen als globale Wissenschaftssprache Rechnung getragen würde. Literatur ABENDROTH-TlMMER, Dagmar [et al.] (2004): "Didaktiken im Dialogfür eine integrative Didaktik des bilingualen Unterrichts". In: BüNNET, Andreas/ BREIDBACH, Stephan (Hrsg.) (2004): Didaktiken im Dialog. Konzepte des Lehrens und Wege des Lernens im bilingualen Sachfachunterricht. Frankfurt am Main [u.a.]: Peter Lang, 13-27. BLELL, Gabriele/ KUPETZ, Rita (2005): "Vorwort: Zur Situation der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung für den bilingualen Unterricht". In: BLELL, Gabriele / KUPETZ, Rita (Hrsg.) (2005): Bilingualer Sachfachunterricht und Lehrerausbildung für den bilingualen Unterricht: Forschung und Praxisberichte. Frankfurt am Main [u.a.]: Peter Lang, 7-14. JFII,1.! L 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 75 BONNET, Andreas (2004): Chemie im bilingualen Unterricht: Kompetenzerwerb durch Interaktion. Studien zur Bildungsgangforschung Bd.4. Opladen: Leske und Budrich. COLEMAN, James A. (2006): "English-medium teaching in European higher education". In: Language Teaching 39, 1-14. FREUDENSTEIN, Reinhold (2002): "Ein Modell für Europa: Muttersprachler an die Front". In: Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 31, 106-122. 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The paper reports on the approach of the English Department of the Leibniz University Hanover to Content and Language Integrated Learning (CLIL) in teacher education, where it features in a module on bilingual learning and teaching in the MEd. Videography in general and working with case studies constructed around recorded CLIL lessons and Discourse Analysis are discussed as rich learning environments and tools for student teachers to develop a reflective approach towards teaching practice, to construct knowledge about CLIL and to develop principles of CLIL. The examples discussed are from teaching geography, biology and history in English. 1. CLIL in der Lehrerausbildung an der Leibniz Universität Hannover BLELL und KUPETZ (2005) skizzieren sowohl die durch Nachholbedarf gekennzeichnete Situation der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung in der Bundesrepublik als auch den an der Leibniz Universität Hannover beschrittenen Weg, der ein Modul zum bilingualen Lehren und Lernen im Master für das Gymnasiallehramt vorsieht. Die Leibniz Universität bietet eine Vielfalt an Fächerkombinationen. Im Folgenden wird daher ein exemplarischer Zugang gewählt, der in Bezug auf den bilingualen Sachfachunterricht eine Offenheit für verschiedene Fächer gewährleistet. BLELL hat bereits zu bilingualem Geschichtsunterricht gelehrt und geforscht. Wegweisend sind ihre Arbeiten • zum Fremdverstehen, in: Den Anderen ein Stück näher: Fremdverstehen in bilingualen Lehr- und Lernkontexten Geschichte - Englisch (BEETz/ BLELL/ KLOSE 2005) • zu einem fächerübergreifenden Seminar, in: The Amistad Revolt: Ein fächerübergreifendes Seminar zum bilingualen Geschichtsunterricht (Ein Praxisbericht) (BLELL/ FüLLBERG-STOLBERG 2005). Die Autorin hat bisher Seminare angeboten mit Fokussierung auf Geografie bzw. Biologie, ausgehend von Unterrichtsaufzeichnungen aus diesem Sachfachunterricht. Weitere Fächer und deren Eignung wurden und werden in wissenschaftlichen Hausarbeiten reflektiert. Das Internetforum ,Checkpoint Bili' (www.checkpointbili.twoday.net), gestaltet von Anne Ingrid KOLLENROTT, ist ein weiterer Baustein unserer Konzeption. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Rita KUPETZ, Leibniz Universität Hannover, Englisches Seminar, Königswortber Platz 1, 30167 HANNOVER. E-mail: rita.kupetz@engsem.uni-hannover.de Arbeitsbereiche: Didaktik des Englischen, E-Learning, CLIL und Multiple Literacies in der Lehrerausbildung. lFLllll, 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CUL 2. Zur Arbeit mit videografiertem Unterricht in der Lehrerausbildung 2.1 Videografierter Unterricht in der Lehrerausbildung 77 Ich möchte hier ein Plädoyer halten für den differenzierten Einsatz von Unterrichtsaufzeichnungen in einer Lehrerausbildung, die einen reflektierten Ansatz verfolgt. BROPHYs Sammelband Using Video in Teacher Education (2004) gibt einen guten Überblick über die Nutzung von Videoaufzeichnungen von Unterricht in der Lehrerausbildung in den letzten 40 Jahren. SHERIN (2004: 3 ff) erörtert dort eine Auswahl von Nutzungen: Microteaching: Lehramtsstudierende erproben ausgewählte Lehrmethoden und -techniken, u.U. wiederholt nach Auswertung einer Aufzeichnung Interaktionsanalyse Modellierung der Lehre von Experten bzw. Kommentare von Experten Video-basierte Fallstudien in der Lehrerausbildung Multimediale Programme, die verschiedene digitalisierte Medien integrieren Feldaufnahmen Feedback Beobachtungswerkzeug Modellhaftigkeit Fallstudien werden konstruiert Analyse und Vergleich von Videoaufzeichnungen im jeweiligen Kontext Lehramtsstudierende dokumentieren ihre Unterrichtserprobungen Behavioristisch Prozess- und Produktforschung Kognitiv; Expertenwissen Reflektiert; Entwicklung von professionellen Problemlösungsstrategien Flexibler, kontextualisierter Zugriff auf Unterrichtspraxis Personalentwicklung Abb. 1: Nutzung von Unterrichtsaufzeichnungen SHERIN (2004: 9) fasst zusammen, dass im Laufe der letzten 40 Jahre 1. Videoaufzeichnungen flexibel und in unterschiedlichen Funktionen eingesetzt worden sind 2. diese Veränderungen durch Veränderungen in den konzeptionellen Ansätzen hervorgerufen worden sind und 3. die technologischen Neuerungen veränderte Nutzungen ermöglichten. JF]L! l]L 36 (2007) 78 RitaKupetz REussER (2005) befasst sich mit den vielfältigen, zunehmend akzeptierten Potentialen der Unterrichtsvideografie als Medium und als Instrument der Lehrerprofessionalisierung. Er schreibt den Unterrichtsvideos die Funktion zu, "Kristallisationspunkte gemeinsamer fachlicher Diskussion des Handelns und Geschehens in Klassenzimmern" (REUSSER 2005: 10) zu sein. Für unseren Kontext der universitären Lehrerausbildung ist dabei vor allem eines der von REUSSER (2005) skizzierten Anwendungsszenarien interessant: "Problemorientierte und fallbasierte Analyse von Unterrichtsvideos" mit dem Ziel „des theoretisierenden, explorierend-forschenden Nachdenkens über Grundprobleme des Unterrichtens" (REUS- SER 2005: 12). Zusammenfassend möchte ich die These hervorheben, dass Videoaufzeichnungen eine hervorragende Gelegenheit schaffen, Interaktion im Klassenzimmer entschleunigt zu untersuchen. 2.2 Unterrichtsvideos in der Lehrerausbildung am Englischen Seminar 2.2.1 Videobasierte Fallstudien 1: Modellierung der Lehre von Experten Diese fallbasierte Analyse habe ich bisher in zwei Hauptseminaren zu CLIL genutzt: Einmal wurde eine Unterrichtsaufzeichnung zu Geography in English als Einstieg in die Problematik gewählt, ein anderes Mal wurden zwei aufgezeichnete Biologiestunden in Projektarbeit behandelt. Videografie diente hier dem situierten Lernen durch die Beobachtung Dritter. ! Fallgeschichte: Jonah stolpert über springende Fluten Erwartungshorizant Es soll hinterfragt werden, wie bei der Beschreibung und Erklärung von erdkundlichen Sachverhalten (hier: Gezeiten) Wortlücken oder Missverständnisse für den Fremdspracherwerb produktiv gemacht werden können. In dieser Unterrichtsszene kann sehr gut beobachtet werden, wie vom Schüler Bedeutung mit Hilfe von Sprache ausgehandelt wird (negotiating meaning). Die Auseinandersetzung mit dem als Ressource zu dieser Fallgeschichte angebotenen Konzept der language-related episodes (vgl. SWAIN/ LAPKIN 1995: 378) ermöglicht Studierenden einen spracherwerbstheoretisch fundierten Zugang. Die Verfasserin hat gemeinsam mit Birgit Ziegenmeyer diese Fallgeschichten entwickelt. lFLUIL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL Multimediale Fallgeschichte Ressourcen: Videosequenz "Wiederholung 1: Gezeiten" Ein Schüler skizziert und erläutert die Entstehung der Gezeiten 1. rekonstruierter Stundenverlauf 1 -- -- --- 1 1 Transkript 1 1 L: "Could you briefly 1 1 repeat and explain to 1 1 the group here ... how 1 1 the tides are caused? " 1 L-------------------~ 2. Fachaufsätze zur Output Hypothese und dem Konzept der language-related episode von SWAIN (1993) bzw. SWAIN/ LAPKIN (1995) sowie Aufgaben zur Erarbeitung dieser theoretischen Fundierung Abb. 2: Elemente der multimedialen Fallgeschichte sowie ergänzende Ressourcen Videosequenz Szene Zeit Inhalt 2 0,2465 Wdh. 1: Gezeiten Ein Schüler skizziert und erläutert die Entstehung von Gezeiten. Abb. 3: Videosequenz zur Fallgeschichte Szenenbeschreibung 79 Die Lehrerin bittet die Schülerinnen und Schüler in diesem ersten Teil der Wiederholung, die Entstehung von Gezeiten anhand einer Skizze auf dem Tageslichtprojektor darzustellen. Nach einigem Zögern erklärt sich ein Schüler bereit, das Zusammenwirken von Mond, Sonne und Erde zu erläutern, wobei ihm weder das Anfertigen der Skizze noch die verbale Beschreibung und Erklärung dieses Prozesses leicht zu fallen scheinen. Kommentiertes Transkript zu „How are the tides caused? " L: And there are different processes, I think, we also mentioned and let' s start, well, we can start, well, withthe tides. Could you briefly repeat and explain to the group here and what, how this happens, how this works, how the tides are caused? - Don't be afraid, just start and somebody else will go on, no problem! Sophie: Tue most important aspect, I think, is the earth gravitation and then comes the moon and partly the sun but mostly the earth gravitation that affects ... L: Good. lFLwL 36 (2007) 80 Rita Kupetz Jonah: I think it' s the gravitation of the moon. The moon pulls the water in its direction. L: Could you make a short sketch, maybe? [ ... ] Jonah comes to the overhead projector. Jonah: Okay, this is the moon. L: Gotta speak up. Jonah: This is the moon, this is the earth ... Some pupils are laughing. .. . and the moon affects the water on the earth and so there is a little ... Nils: Bulge. Jonah: Bulge. L: Bulge, here. An dieser Stelle wird der Terminus bulge von einem Mitschüler eingeholfen. Dies ist wohl eine auch sprachlich relevante Unterrichtspassage (language-related episode), die verdeutlicht, wie in einem natürlichen Kontext Lücken durch Interaktion mit Mitschülerinnen und Mitschülern geschlossen werden. Jonah greift den Terminus auf und die Lehrerin bestärkt. L: What happens to the big bulges of water? Jonah: They're, they're pulled to the moon and when the moon circles around the earth and the water goes with the moon and that causes the tides, I think. L: Mareike, can you help him? Mareike: Yes, but it's not only the water, but also the atmosphere, the soiland the surface of earth's also drawing the water ... L: So, circling, spinning around its axis that's also very important, and are there specialities you could also name? Exceptions to the regular tides? Jonah: Yes, when the sun is in the same line with the moon the tide is - Jonah sucht nach dem Begriff spring tide, umschreibt ihn angemessen und bekommt von der Lehrerin eine (irreführende) Hilfestellung. Murmuring in the class. Jonah: What? The tide is higher than normal. L: High tide. Jonah: ... high tide, there is a high tide and when the sun is in ninety degree to the moon there is a low tide because there are two powers that affect the water and there are ... L: And how often do we have high tides? Jonah: Every twelve days, I think. Auch hier zeigt sich, dass der Schüler das Konzept der spring tide im Kopf hat. S: Fourteen! S2: Every fourteen yes, ... half ... every two weeks. L: 1s that right? Nils: Yes. L: Mareike? Mareike: I think we have spring tides every fourteen days and high tides is that what we have two at, in 24 hours. IFlLlllL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL 81 Mareike klärt die Verwechslung sachlich. Jonah vollzieht dieses Missverständnis in seiner nächsten Äußerung nach und bestärkt das Konzept durch die angemessene Versprachlichung spring tide. Jonah: . .. but I was talking about the spring tides when the sun is in one line with the moon. Diese Schülerleistung demonstriert sehr gut, wie durch die Konzentration auf die Inhalte Spraehe im Nachgang, eigentlich unbewusst, angemessen erworben wurde. L: Okay, then probably we misunderstood your statement. Thank you. It's okay, so eh, maybe we put in that's 'the earth' and 'the moon' so rough, rough draft, of course, it's a rough sketch, okay. L adds 'the moon', 'the earth' to the student's sketch. In diesem Sinne war das Missverständnis produktiv und führte zu einem Lerneffekt. Abb. 4: Kommentiertes Transkript zur Fallgeschichte Aufgabenstellung Analyze classroom discourse. Study the interaction in class. Find language related episodes and discuss whether meaning is negotiated. Beitrag der Fallgeschichte zur Didaktik des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache In Auswertung der kanadischen Immersionsprogramme wurde die Output-Hypothese thematisiert, die besagt, dass ein bloßes Eintauchen in die Fremdsprache ohne sprachliche Begleitung nicht ausreicht. Vielmehr sollten die Lernenden Lücken ihres Sprachgebrauchs (noticing the linguistic problem) bei der Sprachproduktion möglichst in interaktionsorientierten Situationen bemerken und zu schließen versuchen, gegebenenfalls über ein entsprechendes (korrigierendes) feedback der Lehrperson. Der Projekt-Ansatz des Hauptseminars Teaching Biology and Beyond führte dazu, dass die Studierenden ausgehend von der Analyse der videografierten Biologiestunden selbst die CD-Rom Teaching Biology in English, eine multimediale Lernumgebung nach einem Beispiel aus der Konzeption der Hannoveraner Unterrichtsbilder von MÜHLHAUSEN (2005), entwickelten. lFlLd 36 (2007) 82 Rita Kupetz Die CD-ROM: Kategorien und Elemente : : : : : : : : ·- "Th: e Earthwortn" - Te'act\ing ßloloQy In Eng\ish f/ '.th grltdej Prepuatlon \ Th• L .. •Goi1· ) Retultl l TheoN,tlc,: f Cont•_xt ] ,.n•ly1ft t Ap"pllaitlon to Other 8ubJed: 1 Welcome to this Teachfng Biology in English project! Have you "'"" heard of teaching Bio! ogy in English? Th" : : : D-Rom give3 you 1 compreMn1i',.. ov11Yiew abmi • Biolngy iit: ! -e.on tl11t M~ heid 1n Engiie.h .: 1t Wie Erich Ktistner O-.-mn•~iu.i ,n L: ,atzen in September WiJ.-. The ttJ; ! ic m' tr1e le5ior, w.-~ "The Eartr! wono•. The an: mei ! ~ irtrc,1: Ju,: ed to tt1e p1Jpfü! ·.11no rece! 1·e tt1t: pc; "itimty lo ! "1e-...e • ,: \o,e \ook «t 1'? ": 11\ ,pecirnern1 ln ci«~$. Tl1e p1·: y~ic3; ! Mture~ ot 1111 warm er• e: .: p; ored 1md no! : ed cfc11o11n bythe pupi/ 11. "'1ttr1e end ~th~ ae,'.'! on the pupil: , collect que: 1t1om1 thet•iil guid! ! their -.irther l'l' □ rk on e1irthoorm, during the fol! owing ie~~one. Abb. 5: Screenshot der CD-ROM „The Earthworm" 1 Fallarbeit: What is it? Teaching Biology or Teaching English or something eise? Erwartungshorizant Bei der Analyse der gesamten Stunde geht es darum, die Spezifik von CLIL zu behandeln und dabei zunächst die Priorität biologiedidaktischer Aspekte herauszuarbeiten, siehe auch Spalte Comments in Abb. 6. Die biologiedidaktisch geprägte Aufgabenstellung „Experiment mit dem Regenwurm" hat in dieser Stunde eine zentrale organisierende Kraft. Es kann hier nur eine sehr kleine Auswahl der Dateien vorgestellt werden, die auf der CD integriert sind. Sie enthält u. a. den rekonstruierten Stundenentwurf, Tafelbilder und von den Studierenden erstellte Aufgabenstellungen für die Erarbeitung des CLIL-Konzeptes. lFLulL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL 83 0-1 mins Asking questions Answering about the last Revision lesson 1-2: 40 mins 'Guessing Guessing and Earthworm Creation of game', teacher asking questions curiosity Introduction to hides earthworm about the the topic of in her hands mysterious earthworms content 2: 40-5 mins Shows Pupils read Earthworms The biological assignments on assignments and in boxes, experiment starts Preparation of blackboard, become excited blackboard working phase hands out earthworms >> Read the tasks. 5-19: 30 mins Teacher walks Work in groups Earthworm Pupils are using around and helps on the German language Working phase (e.g. vocabulary assignments. while talking to help) Pupils observe each other the earthworms precisely Investigation and observation as typical parts of biology 19: 30- 31 mins Collection of Present their Blackboard Visualisation and answers on investigation recording of the Collecting results blackboard results results 31- 38: 30 mins Encourages Asking all kinds Blackboard Keeping up motipupils' general of questions vation and possible Needs analysis questions related to the preparation for next conceming earthworm lesson earthworms and writes them on Questions serve as the blackboard process of realization and recognition 38: 30-45 mins Gives homework Doso assignments and Homework asks to tidy up assignments, tidy the classroom up the classroom Abb. 6: Rekonstruierter Stundenentwurf FLl.llL 36 (2007) 84 Looking at earthworms 1.) Describe the body of your earthworm: colour brown; skin slimy, moist 2.) How do you know where the head is? Goes into that direction, dark brown, thin 3.) Make a drawing ofyour earthworm creeping. head / saddle / segment] Rita Kupetz 4.) Put a coin (Münze) and some paper with vinegar (Essig) in its way. How does the worm react. Worm goes back, does not like it. 5.) Put the worm on dry paper. Be TITI'. quiet! Can you hear something? You can hear a scratching noise 6.) Put the worm on your hand. What can you feel? lt tickles. There are small hairs called bristles! Abb. 7: Tafelbild mit Fragen und einige Antworten In einer weiteren zentralen Phase ermuntert die Lehrperson die Schülerinnen und Schüler, Fragen zum Gegenstand zu stellen, ein typischer Weg zur Erkenntnis in Vorbereitung auf das Lernen mittels Hypothesenaufstellens. Questions What blood circulations do earthworms have? Why does it scratch? What happens if you cut it? How do they reproduce? How do they breathe? Do they have the same organs like us? Do all earthworms have the same number of segments? How long do they live? What is the function ofthe saddle? Do they have a heart? How many? Why is the head thinner than the tail? Abb. 8: Tafelbild mit Schülerfragen zum Regenwurm Im Projekt erhielten die Studierenden den Auftrag, selbst Aufgaben für die Auseinandersetzung mit den Materialien zu entwickeln. Davon verspreche ich mir eine besondere Verarbeitungstiefe. Hier ein Beispiel aus dem Bereich der Spracharbeit: lFL1.llL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CUL 85 Discuss the implications of Merrill Swain' s findings about the role of output for CLIL pedagogy: "Learners need tobe pushed to make use oftheir resources." (SWAIN 1993: 160) "They [the learners] need to reflect upon their output." (SWAIN 1993: 160) Potential für die Wissenskonstruktion Damit liefert die Betrachtung dieser Stunde die Gelegenheit, vom Fall ausgehend, wichtige Aspekte der Biologiedidaktik in ihrer unterrichtsprägenden Funktion zu erfassen. Die weiterhin integrierten Materialien bzw. Aufgabenstellungen zur Spracharbeit erlauben Erkenntnisse zur Notwendigkeit des Monitoring. Ergo ist Raum gegeben für die Erkenntnis, dass bilinguales Lehren und Lernen eine spezielle Didaktik braucht. Die CD-Rom enthält weiterhin eine Audio-Datei mit einem von Studierenden mit der Lehrperson durchgeführten Interview und die Resultate der Befragung der Schüler nach der Unterrichtsaufzeichnung und erlaubt demzufolge eine mehrperspektivische Analyse. Die von REUSSER unter mehrperspektivischer Analyse erläuterte Nutzung entspricht unserem Ansatz, in dem situiert, vom videografierten Fallbeispiel ausgehend, gelernt wird (KUPETZ! ZIEGENMEYER 2005a-c). Dieser Ansatz wird jedoch in unserem Lernszenario der Projektarbeit von den Studierenden selbständig weitergeführt, da sie Materialien und Aufgabenstellungen für die Auseinandersetzung mit den Fallbeispielen entwickeln und somit erst die Fallgeschichte konstruieren bzw. weitere Fallgeschichten konstruierbar machen. Von der Falldiskussion gehen die Studierenden weiter und studieren den theoretischen Diskurs um CLIL. Eine andere Aufgabenstellung besteht darin, in einem weiteren Schritt der Verarbeitung Materialien für ihr jeweiliges Sachfach (z.B. Chemistry in English) zu entwickeln. 2.2.2 Unterrichtsvideo für Selbstbeobachtung und Interaktionsanalyse In ihrer Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Lande Niedersachsen Politik auf Englisch. Möglichkeiten und Grenzen eines Modulansatzes entwickelt Alke EILERS (2006) eine Modulkonzeption für den 10. Jahrgang zum Thema „Das Regierungssystem Großbritanniens im Vergleich zu Deutschland ein Vergleich beider Staatsoberhäupter". Sie nutzt die entsprechenden Dokumente im Original, so dass dadurch sowohl Englisch als auch Deutsch als Arbeitssprache, allerdings nebenbzw. nacheinander, genutzt werden. Das Englische wird von den Schülern als Arbeitssprache angenommen. Die Unterrichtsaufzeichnung im Sinne der Selbstbeobachtung wird von der Verfasserin beschrieben und reflektiert. Es wird aufgezeigt, dass das Vorgehen • lehrerzentriert ist und • dem Basismuster von Initiation-Response-Feedback folgt. In der Funktion der Unterrichtsaufzeichnung zur Unterstützung der Selbstbeobachtung wird der Lehramtsstudierenden deutlich, dass sie zum Lehrerecho neigt. Des Weiteren steht hinter ihrem Vorgehen die folgende subjektive Theorie: lFLl.lL 36 (2007) 86 RitaKupetz Im Politikunterricht vermute ich, dass das Interaktionsmuster zwischen Schülerlnnen und Lehrerlnnen anders gestaltet ist als im CLIL. Im Politikunterricht übernimmt man als Lehrerln eher die Rolle eines Beraters, der die Arbeit der Schülerlnnen begleitet, Hilfestellungen gibt, sich aber sonst sehr zurückhält. Im CLIL ist dies (besonders am Anfang) eher schwierig, da die Schülerlnnen noch mehr „Führung" im Unterricht bzw. im Umgang mit der Fremdsprache benötigen. (EILERS 19.10.2006 Reflexion) Unsere weiteren Unterrichtsaufzeichnungen bestätigen, dass sowohl diese Annahme als auch diese Unterrichtspraxis sehr häufig vorkommen, dies sollte daher weiter untersucht und kritisch hinterfragt werden. 2.2.3 Unterrichtsvideos für Fremdbeobachtung und lnteraktionsanalyse KRUSEs Studie History Taught in English - Discourse Patterns, Discourse Strategies (2007) nutzt Videografie zur Dokumentation für Diskursanalyse (s. Kapitel 3.2). 3. Diskursanalyse und Sprachenlernen 3.1 Spracherwerbstheoretische Erwägungen Bei der Erarbeitung von Konzepten für CLIL ist eine spracherwerbstheoretische Fundierung unumgänglich und sie wird auch im Studium geleistet. Die folgenden Kernpositionen werden thematisiert: SWAINILAPKIN (1995) haben ja bereits auf die Rolle der Interaktion verwiesen und auf die Notwendigkeit, die Lerner an ihre Grenzen stoßen zu lassen. Auch LONGs Interaktionshypothese (1981) bietet den spracherwerbstheoretischen Kontext für Content and Language Integrated Learning. Input, Output und Monitoring stellen wesentliche Aspekte des Modells dar, die hier in Form von Corrective Feedback behandelt werden. 3.2 Diskursanalyse und Patterns Dies ist nicht der Ort, um Grenzen des Birmingham Modells von SINCLAIRICOULTHARD (1975 und 1992) zu erörtern, sondern die Kategorien des Modells werden genutzt, um dieses Prozedere der Analyse in der Lehrerbildung zur Sensibilisierung von Lehramtsstudierenden einzusetzen.2 In Auswertung von CooK (1989), CELCE-MURCIA/ OLSHTAIN (2005) und DEMO (2001) schreibt HANSMANN, eine Lehramtsstudierende im Hauptstudium, in ihrer Hausarbeit: Discourse Analysis works as an instrument, foremost for teachers but consecutively also for pupils, which has the potential to help them in their development towards successful communicators. (HANSMANN 2006: 15) 2 Da die Lehrveranstaltungen auf Englisch stattfinden, werden nachfolgend die Termini im Englischen belassen. lFlLulL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL 87 Diskursbzw. Lernersprachenanalyse wird des Weiteren eingesetzt, um CLIL-spezifische Interak: tionsmuster herauszuarbeiten. I Interaktionsmuster I: Code Switching Es ist zu fragen, wer den Wechsel initiiert und wie damit umgegangen wird. Wir stellen zwei Vorgehensweisen vor. Entweder wird mit dem einfachen Transkript oder mit einem diskursanalytisch angereicherten Transkript gearbeitet. In der vorliegenden Stunde The Earthworm (Jahrgang 7) wird im Transkript der Stunde, ausschließlich von den Schülerinnen und Schülern (= SuS), 2lmal vom Englischen in die deutsche Sprache gewechselt. Diese Wechsel lassen sich grob in drei unterschiedliche Kategorien einordnen: 1. SuS sprechen die Lehrerin an: " Frau von W. ..." - 5mal wird die Lehrerin mit „Frau von W." adressiert. Anschließend sprechen die SuS auf Deutsch weiter, was wiederum von der Lehrerin ignoriert wird, indem sie weiterhin Englisch spricht. Beispiel (11. 59-60): P: Frau von W.? Ist das Erde unter dem Wurm? T: No, ... the white under the earthworm is plaster of Paris. 2. SuS erfragen fehlende lexikalische Einheiten - 9mal wechseln die SuS ins Deutsche, weil ihnen eindeutig die englischen Vokabeln fehlen oder sie Wortbedeutungen erfragen müssen. Beispiel (11. 64-65): P: Ern, und diese braune ... T: Sorry? And? That's, erm, soil. "Erde" 3. Emotionales - 7mal wechseln die SuS ins Deutsche, weil sie spontan und sehr emotional auf eine unvorhersehbare Tatsache reagieren oder sich auf etwas außerhalb des Unterrichtsstoffes beziehen. Beispiele (11. 26, 101, 119): P: Regenwürmer! Iiiih! KRUSE (2007) untersucht in seinen Daten zu History in English Typen von Code Switching, die er unter Ausnutzung des Birmingham Modells differenziert beschreibt. In Anlehnung an LIEBSCHERIDAILEY-O'CAIN (2005) findet er Belege für zwei Typen von Code Switching, für vom Diskursteilnehmer initiierte und durch den Diskurs motivierte Wechsel. Im vom Diskursteilnehmer initiierten Wechsel übernehmen sowohl Schüler als auch Lehrpersonen diese Rolle. lFLuL 36 (2007) 88 Rita Kupetz 4. Vom Lerner initiierter Wechsel Er tritt auf, wenn eindeutig Lücken den Ausdruck der Idee behindern oder wenn der Fortgang des Redebeitrages wichtiger erscheint als die korrekte sprachliche Realisierung. Im nachfolgenden Beleg fragt der Lehrer nach neuen Technologien, die im 1. Weltkrieg genutzt worden sind. Opening Move (elicit) Answering Follow-Up Erm, Hendrik? (n) Moreover, there were some Aha. (e) new submarines ... (rep) Answering Follow-Up ...and they were really "Tender" they're called. (com) important because they can't be seen and they can't, can appear suddenly in front of some ships or neutral ships like Versorgungsschiffe, support ships. (rep) Answering Follow-Up Tender. (rep) T-E-N-D-E-R. Tender. (com) Y eah. Erm, yeah, okay, (e) Opening Move (elicit) Answering Follow-Up Jens. (n) As I said there were new Y ou think that was a new strategies, like a new form of strategy. (e) war., erm, because, erm, the soldiers already, always stayed in one position and fought against each other in a Graben. (rep) Abb. 9: Jahrgang 12, Replik 46-49 (KRUSE 2007: 35) Im Falle von Versorgungsschiffe liefert der Schüler den deutschen Terminus und anschließend selbst eine akzeptable Paraphrase. LIEBSCHERIDAILEY-O'CAIN (2005) haben ein ähnliches Phänomen in authentischen bilingualen Kontexten beobachtet, wo bilinguale Sprecher beide Sprachen nutzen und Code Switching als Auslöser für eine zielsprachige Sprachproduktion dient. [C]ode-switching can provide [students] with a back-up language in situations where they cannot easily retrieve a word, a process that can also be observed with native speakers of a language. [...] From a psychological point of view, the switch may even help [...] in retrieving [the foreign language], functioning as a trigger. (LIEBSCHER/ DAJLEY-O'CAIN 2005: 239) Die Lehrerreaktionen sind ebenfalls wichtig. Im vorliegenden Beleg treten zwei typische Reaktionen auf: Entweder der Terminus wird eingeholfen oder der Diskurs wird fortgeführt. In beiden Fällen wird der Diskurs nicht unterbrochen, sondern im Gegenteil vorangetrieben. (KRUSE 2007: 3) lFLlllL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL 89 5. Von der Lehrperson initiiertes Code Switching zwecks Wortschatzsicherung Opening Move (elicit, student) Answering (teacher) What's the meaning of conquest? (el) Conquest? (1) Eroberung. (rep) So, when they conquered that particular part of the country, the colonial powers conquered... (com) Abb. 10: Jahrgang 9, Replik 21 (Kruse 2007: 37) Die Lehrperson sichert zeitökonomisch das Verständnis durch eine direkte Übertragung ins Deutsche. 6. Von der Lehrperson initiiertes Code Switching zwecks Verständnissicherung bei der Quellenarbeit KRUSE belegt, dass bei der Arbeit mit Quellen die Lehrpersonen nach Übertragungen in die LI fragen, um das Verständnis zu sichern (KRUSE 2007: 39). 7. Vom Diskurs motiviertes Code Switching LIEBSCHERIDAILEY-O' CAIN haben den Typ des vom Diskurs motivierten Code Switching beschrieben und er kommt auch im Kontext von CLIL vor. In der Stunde in Klasse 7 wurden die Namen Karl der Fünfte auf Deutsch und Charles the Fifth auf Englisch eingeführt. Warum wählt die Lehrperson dann die deutsche Bezeichnung im informierenden Lehrervortrag? Opening Move (inform) The Habsburg originally is a small, small castle somewhere here (points to eastern part of modern Austria). Somewhere here. (i) But at that time, Karl der Fünfte was emperor of the Holy Roman Empire of German Nations. He was also the Emperor of Austria, including Hungary. He was also the Emperor of this part of nowadays Holland and Belgium. He was also the Emperor of Spain. (i) Abb. 11: Jahrgang 7, Replik 40 (KRUSE 2007: 41) „What monolinguals accomplish by repeating louder and/ or slower, or with a change of wording, bilinguals can accomplish by switching languages" (ZENTELLA 1997: 96). KRUSE (2007: 42) argumentiert, dass das Füllen einer Wortschatzlücke hier als Erklärung nicht zu trifft, vielmehr könnte der Wechsel als ein diskursstrategisches Verhalten gedeutet werden, das Aufmerksamkeit erzeugt. lFL1.! lL 36 (2007) 90 Rita Kupetz 1 Interaktionsmuster II: Explain the meaning of terms Die Lehrerin führt in der Stunde The Earthworm fünf sachfachspezifische Vokabeln ein bzw. wiederholt sie. Dabei kann zwischen einer schülerinitiierten und einer lehrerinitiierten Einführung unterschieden werden. Die lehrerinitiierte Arbeit mit den Termini betrifft Vokabeln, die Merkmale des Regenwurms beschreiben und daher am lebenden Objekt demonstriert werden können, ohne dass eine deutsche Übersetzung notwendig ist. AufVokabelnachfragen von den Schülern reagiert die Lehrerin direkt und gibt jeweils englische und deutsche Termini. Es wäre zu prüfen, ob dieses Vorgehen systematisch genutzt wird, denn der Aspekt der Zweisprachigkeit in einem bilingualen Unterricht ist ja in der Didaktik von CLIL durchaus als Desiderat bekannt. 1 Interaktionsmuster III: (Corrective) Feedback Zu dem Thema Corrective Feedback wurde im Rahmen des Projekts Teaching Biology in English eine Hausarbeit (HORN/ WILLEMS 2005) verfasst, die die folgenden Beispiele und Kategorisierungsvorschläge der Moves in Anlehnung an SINCLAIRICOULTHARD vornimmt. ➔ informative ( + new vocabulary item) + comment 11. 59-63P: Frau von W.? Ist das Erde unter dem Wurm? T: No, erm, Ladies and gentlemen, erm, the white, the white under the earthworm is plaster of Paris. Plaster of Paris in German is "Gips". Erm, so, erm, it's nice and wet, er, but, er, the earthworm cannot dig a hole. Right? Wir nehmen an, dass diese Situation typisch für CLIL ist: Die Schüler erfragen etwas auf Deutsch, die Lehrperson erklärt in der Fremdsprache. ➔ informative 11. 75/ 76P: What's the word for "kratzig"? T: Scratchy. Scratchy. Wir nehmen weiterhin an, dass auch diese Situation typisch für CLIL und wohl die didaktisch besser bewertete Variante ist: Die Schüler erfragen etwas auf Englisch, die Lehrperson erklärt in der Fremdsprache. ➔ accept + corrective f eedback 11. 23-25 P: Erm, we leamed about some groups, erm, from, erm, animals. T: Yes, some groups of animals. Die Lehrperson bestätigt und korrigiert. IFJL1lllL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CL/ L ➔ co"ective f eedback + accept 11. 302/ 303 P: When you cut it in the middle what happens? T: What happens if we cut it into two? Yes (writes it down). Die Lehrperson korrigiert und bestätigt. ➔ promptlcorrective feedback II. 150/ 51 P: Yes, äh, hier, an den Seiten... T (interrupts): On the sides. Die Lehrperson flüstert ein. ➔ (loop: ) correctivefeedback II. 249-251 T: Right. Now I think only Geske did the last experiment. P: Nee, Jana auch. T: Jana did it, too? 91 Es entsteht eine Schleife, in der die Lehrperson den englischsprachigen Diskurs aufrechterhält. ➔ directive 11. 338-342 T: How many? Right. Aha. [A boy in the back row, Joel, talks loudly to his neighbour using the German language to which the teacher reacts.] T (after having finished writing): Joel, I would like you to use some good English words and no scandalous German ones ! Die Lehrperson fordert Joel zu angemessenem Sprachgebrauch in English auf. ➔ clue 11. 274-76 P: Nummer... T: Number. .. P: Number four I didn't understand. Die Lehrperson hilft mit dem Englischen ein. ➔ loop + cue II. 83/ 84P: Was ist mit der ... T: Sorry? I can't understand you. Die Lehrperson gibt bedauernd vor, nicht zu verstehen. lFILd 36 (2007) 92 RitaKupetz 1 Interaktionsmuster IV: Embedded Transaction KRUSE (2007: 57 ff) beschreibt das Phänomen der eingeschobenen Phasen, das bei SINCLAIR und COULTHARD nicht vorkommt. In die Transaktion "Luther writes a letter to the bishop" ist eine kürzere Phase "What is a hierarchy? " eingeschoben. Ich würde diese Transaktionsverflechtung vorsichtig als Beispiel für die Integration von Sachfach- und Spracharbeit deuten. l 1nteraktionsmuster V: Answering Strategies Die Antwortstrategien sind ebenfalls interessant, denn von dem klassischen Muster, nach dem der Lehrer fragt und die Schüler antworten in Replik 64, weicht Replik 65 ab, indem der Schüler durch die Nutzung prosodischer Mittel eine weitere Reaktion der Lehrperson provoziert (KRUSE 2007: 80). Opening Move (elicit) Answering Follow-Up And what kind of monarchy Absent..., erm, absolute, Parliamentary, yeah, okay. as we know several types of constitute...constitutional and (acc) them? (el) Can you remember parliamentary. (rep) the three types of monarchies? (cl) Can we, can we just recapitulate? (p) Opening Move (elicit) Answering Follow-Up Which one did we have in Erm, Erm, constitutional? Very good. (e) Good guess. Germany at that time? (el) (rep) (com) Abb 12: Jahrgang 12, Replik 64-65 (KRUSE 2007: 80) Es kann an dieser Stelle nicht geklärt werden, ob diese Unsicherheit des Schülers auf sprachlicher oder auf fachlicher Ebene liegt. Auch dies ist ein Phänomen von CLIL und Ausdruck der Verflechtung von Fach- und Spracharbeit. Die hier vorgestellten Patterns belegen, dass die Interaktionen im vorrangig englischsprachig geführten Sachfachunterricht spracherwerbsförderlich ablaufen. Es deuten sich idiosynkratische bzw. stufenspezifische Muster an, die einer weiteren Verifizierung bedürfen. Abschließend wird ein sachfachspezifisches (Interaktions-)Muster für Biology besprochen: Es hat mit der Aufgabenstellung ,Stellt Fragen' zu tun. T: ... Can you make questions about earthworms? What would you like to know? Alexandra. P: What [unintelligible] [Tafelanschrieb: What blood circulations do earthworms have? ] T: That's a good question! ... In der Lehrerausbildung ist es allerdings notwendig, den Sprachgebrauch auch kritischkonstruktiv zu behandeln. *"Can you make questions? " ist wohl eher als idiosynkratischer lFlLl! lL 36 (2007) Videografische und diskursanalytische Betrachtungen von/ zu CLIL 93 Sprachgebrauch einzuordnen. Alternativen wären Can you think of a question? Can you come up with a question? Can youformulate a question? Can you ask a question? Diese Aufforderung wird dreimal von der Lehrperson geäußert. Sie ist als biologiedidaktisch wertvoll einzuschätzen, da sie den Weg der Erkenntnis durch Fragen initiiert. 4. Zusammenfassung und Ausblick Die hier vorgestellten Einblicke in Unterrichtspraxis und deren Reflexion stehen für die vielfältigen Formen der Integration von CLIL-Aspekten in die Lehrerausbildung an der Leibniz Universität Hannover, sowohl in der Lehre als auch über Selbststudium mittels CD-Rom und studentische Forschung in Seminararbeiten und abschließende wissenschaftliche Hausarbeiten. Unsere Aufzeichnungen und die von den Studierenden erstellten CD-Roms haben Eingang in unsere Videosammlung gefunden. Diese kann von den Studierenden im CIP-Pool genutzt werden. Ein netzbasiertes Angebot ist in Vorbereitung. Hauptwege der Sensibilisierung für die CLIL-Spezifik sind dabei Videografie reflektiert, unter Ausnutzung eines situierten und fallbasierten Lernkonzeptes. Diskursanalyse dient der Bewusstmachung für die spezifische Verflechtung von Sprach- und Sacharbeit. 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Puerto Rican Children in New York. Blackwell: Oxford. lFLllL 36 (2007) WOLFGANG HALLET* Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht Abstract. In the field of Content and Language Integrated Leaming (CLIL) in Germany, for most of the time the sciences have only played a minor role. Since more recently the range of school subjects taught in a foreign language is beginning to widen and to include the sciences, pedagogical concepts are required to legitimize the introduction of CLIL in this curricular spectrum. Simultaneously, the concept of scientific literacy has become part of the official pedagogical rationale in connection with the implementation of centralized educational standards ('Bildungsstandards') in the sciences in Germany. A closer exarnination of this pedagogical concept suggests that on the one hand the standards are widely compatible with CLIL since the idea of Content and Language Integrated Learning forms an integral part of the underlying concept of scientific literacy. On the other hand, teaching subject matter in a foreign language is a concept completely alien to the standards so that they seem to pose a threat to plurilingual education. Therefore, the last part of the article is a plea for a plurilingual concept of literacy and education, with the sciences as CLIL subjects and as a starting point and a core of plurilingualism. 1. Scientific Literacy in neueren bildungstheoretischen Ansätzen in Deutschland Die bilinguale Schullandschaft in Deutschland ist noch weitgehend von den gemeinschaftskundlichen Fächern geprägt, also von Geschichte, Politik, Wirtschafts- und Sozialkunde sowie von Erdkunde. Die politischen und historischen Gründe für diese Dominanz die Entstehung des Bilingualen Unterrichts (BU) mit bikultureller Orientierung aus dem Gedanken der Völkerverständigungsind des Öfteren erörtert worden. Sie wirken fort im didaktischen Begründungsparadigma der lnterkulturalität, das aber aus eben diesem Grunde stark an den traditionellen bilingualen Fächerkanon gekoppelt ist. Wenn nun, wie es seit einiger Zeit der Fall ist, mehr und mehr Unterrichtsfächer sich das bilinguale Programm zu eigen machen, so ist natürlich auch aufs Neue über die bisher gängigen, beinahe schon konsensuellen bildungstheoretischen oder didaktischen Begründungen für ein solches Bildungs- und Lernprogramm nachzudenken. Dies bedeutet nicht, dass sich das vorwiegend im Bereich der gemeinschaftskundlichen Fächer wirksame Paradigma der ,lnterkulturalität' als didaktische Orientierung erledigt hat. Vielmehr lassen sich kulturelle Differenzen zwischen allen wissenschaftlichen Disziplinen und den entsprechenden fachdidaktischenAnsätzen bis in die Unterrichtsmaterialien und Lehrwerke verschiedener Sprachen und Kulturen hinein ablesen (vgl. HALLET 2004). Dennoch muss sich jedes neue Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Wolfgang HALLET, Institut für Anglistik, Justus-Liebig-Universität, Otto-Behaghel-Straße lOB, 34394 GIEßEN. E-Mail: Wolfgang.Hallet@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Kulturwissenschaftliche Text-, Literatur- und Kulturdidaktik, literatur- und kulturtheoretische Ansätze in der Fremdsprachendidaktik, Lehrerbildung, Bilingualer Sachfachunterricht. lFLllL 36 (2007) 96 Wolfgang Hallet bilinguale Sachfach als Bildungsvorhaben aufjeweils spezifische Weise legitimieren und den berühmten ,Mehrwert' gegenüber dem fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht nachweisen. Denn es liegt auf der Hand, dass sich, ebenso wie in den geltenden bildungstheoretischen Überlegungen für den deutschsprachigen Sachfachunterricht, so unterschiedliche Fächer wie Kunst und Musik, Sport und Darstellendes Spiel oder Chemie und Mathematik jeweils auf spezifische Weise legitimieren und ihre Stellung in einem mehrsprachigen Bildungsprogramm bestimmen müssen. Daher gehört die Reflexion über bildungstheoretische Begründungen und didaktische Orientierungen auch zu einem bilingualen Lehrerbildungsprogramm in den naturwissenschaftlichen Fächern und der Mathematik, wie es z.B. die TU Braunschweig entwickelt hat (vgl. GNUTZMANN in diesem Band). Nun muss auch im Fall des fremdsprachigen naturwissenschaftlichen Unterrichts das Rad nicht völlig neu erfunden werden. Denn interessanterweise findet gegenwärtig mit dem Konzept der scientific literacy, einer kompetenzorientierten naturwissenschaftlichen Bildung, ein kultureller Transfer aus angloamerikanischen Bildungskontexten in die deutsche Bildungslandschaft statt, die sich bis in den englischsprachigen Begriff hinein dokumentiert. In die bilinguale Sachfachdidaktik hat sie, jedenfalls in einem komplexeren didaktischen Zugriff, als erster BONNET (2004a: 69 ff) in seiner empirischen Studie zum bilingualen Chemieunterricht eingeführt. Schon allein die Schwierigkeit einer adäquaten deutschsprachigen Entsprechung für literacy zeugt allerdings von der fehlenden Verankerung dieses Bildungskonzeptes in der deutschen Bildungstradition. Jedenfalls ist der Begriff in Deutschland erst durch die internationalen Bildungsstudien prominent geworden und auf diese Weise in den bildungstheoretischen Debatten in Deutschland verankert worden. In der OECD-PISA-Rahmenvorgabe von 2003 heißt es z.B.: Naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) ist die Fähigkeit, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, welche die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betreffen. (zit. PISA 2004: 112) Brisanterweise ist das Konzept in Deutschland allerdings vor allem mit der Wahrnehmung und der Diagnose von Defiziten des deutschen naturwissenschaftlichen Unterrichts und dessen fehlender Anschlussfähigkeit an internationale Standards prominent geworden. Auf die Problematik solcher Setzungen den outcome von Bildungsprozessen an Konzepten zu messen, die diesen offensichtlich nicht zugrunde lagen kann hier nicht näher eingegangen werden. In der Didaktik der Naturwissenschaften wird die Rezeption dieses Konzeptes jedenfalls ausdrücklich mit Bezug auf die Defizit-Befunde der internationalen Bildungsstudien erklärt. Der einleitende Beitrag zu dem Sammelband Scientific Literacy. Der Beitrag der Naturwissenschaften zur Allgemeinen Bildung (GRÄBER [et al.] 2002) z.B. begründet das Interesse an diesem angloamerikanischen Bildungskonzept ausdrücklich mit der empirische[n] Evidenz dessen, was der naturwissenschaftliche Unterricht tatsächlich leistet: Das in der Schule erworbene Wissen junger Menschen ist lückenhaft, das Interesse an den naturwissenlFLuL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht schaftlichen Schulfächern sinkt mit der Dauer der Schulzeit, und die Einstellungen zu den Naturwissenschaften sind eher negativ gefärbt. (GRÄBER/ NENTWIG 2002: 7) 97 Das Konzept samt seiner Begriffsgeschichte kann hier nicht im Einzelnen entwickelt werden (vgl. z.B. LAUGKSCH 2000 oder GRÄBER/ NENTWIG 2002); aber ein Blick auf wenige der zahlreichen Stimmen, die den Ansatz für neuere bildungstheoretische Konzepte in Deutschland rezipiert haben, zeigt, dass es durchaus nicht nur Zustimmung gibt. In unerwartet kritischer Diktion spricht z.B. der Bildungstheoretiker Jürgen Oelkers von ,Heilserwartungen' bezüglich der Verbesserung der Allgemeinbildung, "bloß weil ein Schlagwort vorhanden ist und die Kommunikation über Schule bestimmt" (OELKERS 2002: 118). Dennoch wurde das Konzept in Deutschland auf durchschlagende Weise wirksam. Denn die Vorstellung von literacy als einer funktionalen, auf die Anforderungen der Lebenswelt bezogenen Bildung, die sich in Könnens-Definitionen fassen lässt, ist eine der zentralen bildungstheoretischen Annahmen der großen Bildungsexpertise (KLIEME [et al.] 2003), die die Grundlage lieferte für die Entwicklung und Festlegung von Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz im gleichen Jahr. Dort findet sich ein Bildungsbegriff, der sich aus dem Gedanken der demokratischen Teilhabe an den entscheidenden gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen in der Lebenswelt herleitet: Für moderne, der Tradition der Aufklärung verpflichtete und demokratisch organisierte Gesellschaften gilt dann ein Bild von Individualität als leitend, in dem wie es das Grundgesetz sagt die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit oberste Maximen sind. Zu allgemeinen Bildungszielen werden diese Prämissen, weil erst im Prozess des Aufwachsens zu sichern ist, dass alle Heranwachsenden einer Generation, und zwar unabhängig von Herkunft und Geschlecht, dazu befähigt werden, in der selbständigen Teilhabe an Politik, Gesellschaft und Kultur und in der Gestaltung der eigenen Lebenswelt diesem Anspruch gemäss zu leben und als mündige Bürger selbstbestimmt zu handeln. (.KLIEME [et al.] 2003: 63) Diese Formulierung findet sich fast wörtlich in den Verlautbarungen der Kultusministerkonferenz zu den Bildungsstandards wieder (z.B. KMK 2005d) und ist daher auf hochgradige Weise nicht nur bildungs- und schulpolitisch, sondern auf mittlere Sicht entsprechend der Intention der Standards auch unterrichtspraktisch wirksam. Das auf diese Weise über die Klieme-Expertise und die Bildungsstandards implementierte, bis in die fächerübergreifende Allgemeinbildung hineinreichende literacy-Konzept liefert die konzeptuelle Grundlage dafür, dass spezifischere, fachbezogene Kompetenz- Konzepte wie die mathematical literacy oder die scientific literacy grundsätzlich als Beitrag zur Ausstattung der jungen Menschen mit jenen Fähigkeiten verstanden werden, die ihnen eine aktive, gestaltende gesellschaftliche Teilhabe im umfassenden Sinne und die individuelle Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen. Fachunterricht bestimmt sich in seinen Inhalten und den zu vermittelnden Kompetenzen daher grundsätzlich nicht von den korrespondierenden Fachdisziplinen, sondern von jeweils zu definierenden Bildungszielen her, die sich wiederum aus dem übergeordneten Gedanken der demokratischen Partizipationsfähigkeit herleiten (vgl. auch HALLET 2006: 20 f). So ist das Konzept der mathematical literacy im OECD-PISA-: framework z.B. definiert als IFL1lllL 36 (2007) 98 Wolfgang Hallet die Fähigkeit einer Person, die Rolle zu erkennen und zu verstehen, die Mathematik in der Welt spielt, fundierte mathematische Urteile abzugeben und Mathematik in einer Weise zu verwenden, die den Anforderungen des Lebens dieser Person als konstruktivem, engagiertem und reflektiertem Bürger entspricht (zit. PISA 2004: 48). Dieses Bildungskonzept, das sich für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen verallgemeinern lässt, orientiert sich an der dritten Stufe einer von BYBEE (1997 und 2002) entwickelten Taxonomie, in der eine "konzeptionelle und prozedurale Scientific Literacy" als die Fähigkeit definiert wird, "naturwissenschaftliche Konzepte", "naturwissenschaftliche Vorgänge", "die Zusammenhänge zwischen Teilbereichen einer naturwissenschaftlichen Disziplin und ihrer konzeptionellen Gesamtstruktur" sowie „die grundlegenden Prinzipien und Prozesse einer Naturwissenschaft" zu verstehen und über naturwissenschaftliche Fertigkeiten zu verfügen (GRÄBER/ NENTWIG 2002: 11). Für die hier interessierenden Überlegungen im Zusammenhang mit dem bilingualen Sachfachunterricht ist vor allem von Interesse, dass es sich um einen ganzheitlichen Bildungsbegriff handelt, der die kognitiv-konzeptuale, die kommunikativ-diskursive, die reflexive und die methodische Dimension mathematischen und naturwissenschaftlichen Lernens als Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe umfasst.' Diese bildungstheoretische Setzung, welche die Demokratiefähigkeit der heranwachsenden Generation im Kern auch an die Fähigkeit naturwissenschaftlichen-mathematischen Weltverstehens und -gestaltens knüpft, lässt sich auch an den deutschen Bildungsstandards für die Naturwissenschaften ablesen. Exemplarisch soll deshalb im nächsten Abschnitt ein Blick auf die Bildungsstandards für die Klassen 9/ 10 für das Fach Biologie geworfen werden, um zu zeigen, auf welche Weise der oben skizzierte literacy-Begriff auf dem Weg über die Bildungsstandards schulisch und, jedenfalls in der Intention der bildungspolitisch Verantwortlichen, unterrichtspraktisch wirksam wird. In einem weiteren Schritt soll dann in Teil 3 beschrieben werden, auf welche Weise sich scientific literacy und Fremdsprachlichkeit im Bilingualen Unterricht als Bestandteil eines Konzeptes mehrsprachiger Allgemeinbildung zusammenführen lassen. 2. Naturwissenschaftliche Bildung in den deutschen Bildungsstandards Für den Bilingualen Unterricht ist der Blick in die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz überhaupt nur dann hilfreich (nötig ist er immer), wenn diese eine Vorstellung von den oben skizzierten Dimensionen des Lernens vermitteln, auch und vor allem hinsichtlich der diskursiv-kommunikativen und der kognitiv-konzeptualen Prozesse. Das tun die Standards in der Tat, und zwar für alle naturwissenschaftlichen Fächer in annä- An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass ungefähr zeitgleich mit diesen internationalen Entwicklungen in BONNET/ BREIDBACHIHALLET (2003) eben diese Kompetenz-Dimensionen fremdsprachigen Lernens im Bilingualen Unterricht in allgemeiner Form-nicht nur für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht entworfen wurden. , lFLuL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht 99 hernd gleicher, oftmals identischer Art und Weise. Deshalb können die hier betrachteten Standards für das Fach Biologie als exemplarisch gelten. Wie bereits angedeutet, liegt auch den naturwissenschaftlichen Standards der oben skizzierte Bildungsbegriff zugrunde, demzufolge naturwissenschaftliche Bildung „dem Individuum eine aktive Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation und Meinungsbildung über technische Entwicklung und naturwissenschaftliche Forschung" ermöglicht und „deshalb wesentlicher Bestandteil von Allgemeinbildung" ist (KMK 2005a: 6; vgl. entsprechend KMK 2005b: 6; 2005c: 6). Die Bildungsziele des naturwissenschaftlichen Fachunterrichts werden also nicht aus dem inhaltlichen Zuschnitt der Disziplinen oder aus fachlichen Inhalten selbst, sondern aus der gesellschaftlichen Relevanz des in den naturwissenschaftlichen Disziplinen und Fächern verhandelten Wissens und seiner Kommunizierbarkeit legitimiert: Ziel naturwissenschaftlicher Grundbildung ist es, Phänomene erfahrbar zu machen, die Sprache und Historie der Naturwissenschaften zu verstehen, ihre Ergebnisse zu kommunizieren sowie sich mit ihren spezifischen Methoden der Erkenntnisgewinnung und deren Grenzen auseinanderzusetzen. (KMK 2005a: 6) Da dieses umfassende Bildungsziel in den naturwissenschaftlichen Standards explizit mit dem Begriff der Diskursfähigkeit belegt wird (z.B. KMK 2005a: 11), ist alles naturwissenschaftliche Lernen damit im Kern als diskursiv-konzeptuelle, wissenschaftsbasierte Welterkenntnis definiert. Im naturwissenschaftlich-mathematischen (deutschsprachigen) Unterricht kommt der Sprache als Medium des·Erkennens und des Verstehens von Welt, der Wissensvermittlung und der Reintegration von wissenschaftlichen und von alltagsweltlichen Diskursen sowie der Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen (natur-) wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden also eine überragende, zentrale Bedeutung zu. Eine so verstandene Diskursfähigkeit in den naturwissenschaftlichen Sachfächern ist auch der Kern des Begriffs scientific literacy mit seiner Doppelbedeutung von fachlicher Kompetenz und wissenschaftsbasierter lebensweltlicher Diskursfähigkeit (vgl. auch VOLLMER 2007: 282). Von hier aus lässt sich wegen der zentralen Rolle sprachlichdiskursiver Prozesse auch die prinzipielle Eignung des literacy-Begriffs als Begründungsparadigma für den BU erkennen, in dem bekanntlich fachliches und sprachliches Lernen in eins fallen (Content and Language Integrated Learning; vgl. dazu zuletzt VOLLMER 2006). In der didaktischen Logik des literacy-Ansatzes ist es deshalb auch nur folgerichtig, dass die Standards für die Naturwissenschaften neben dem „Fachwissen" und der „Erkenntnisgewinnung" auch die „Kommunikation" und die „Bewertung" naturwissenschaftlicher Erkenntnisse als Kompetenzbereiche definieren (KMK 2005a: 6 ff. 2005b: 1I; 2005c: 7 ff). "Kommunikationskompetenz" wird dort als „die Grundlage menschlichen Zusammenlebens sowohl in der privaten Sphäre als auch in der Arbeitswelt" bezeichnet: Kommunizieren ermöglicht den Lernenden die Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit und damit auch das Erfassen und Vermitteln biologischer Sachverhalte. Formen von Kommunikation sind einerseits direkter Lerngegenstand, andererseits Mittel des Lernprozesses. Erkenntnisgewinn und fachbezogener Spracherwerb bedingen sich gegenseitig (KMK 2005a: 11). lFJLIJIL 36 (2007) 100 Wolfgang Hallet Die Formulierung diskursiv-kommunikativer Kompetenzziele für den naturwissenschaftlichen Sachfachunterricht kann deshalb nicht überraschen: Da die „Wortsprache" "Grundlage zur Erschließung der Welt" sei, leiste auch das Fach Biologie „einen unterrichtlichen Beitrag zum Ausbau der Sprachkompetenz, vor allem der fachlich basierten Lese- und Mitteilungskompetenz der Lernenden". Diese allgemeine kommunikative Kompetenz soll sich auch auf andere symbolische Repräsentationsformen (Bilder, Grafiken, Tabellen usw.) erstrecken und die Fähigkeit umfassen, verschiedene Informationsträger, Medien und Quellen zur Erkenntnisgewinnung zu nutzen, "den Informationsgehalt der verschiedenen Träger" zu erfassen, aufeinander zu beziehen, zu verarbeiten und sich dazu zu äußern. Die Übersetzbarkeit fachsprachlicher Symbolisierungen in alltagssprachliche Kodierungen kann sogar auf der Mikroebene des individuellen Lernprozesses als die eigentliche Bildungsleistung naturwissenschaftlichen Lernens betrachtet werden, denn der Wechsel zwischen verschiedenen Darstellungsformen stellt für die Lernenden „die entscheidende Brücke für die Verbindung von alltagsweltlichem und sachfachlich-wissenschaftlichem Weltverstehen" (LEISEN 2005: 11) dar. Auch der Kompetenzbereich „Erkenntnisgewinnung" kann im Kern als diskursbasiert betrachtet werden, denn bei der Hypothesenbildung, der Interpretation und der Modellbildung bezüglich der jeweils zu verstehenden natürlichen Prozesse und Phänomene kommt interaktionalen und diskursiven Aushandlungsprozessen eine zentrale Bedeutung zu. Überdies verknüpft der Kompetenzbereich „Bewertung" noch einmal die kritische Reflexion mit der diskursiven Verhandlung und der Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen. Letztere können wieder als die eigentlichen diskursiven Kontexte naturwissenschaftlichen Lernens in der Schule betrachtet werden, denn die ethische Bewertung von wissenschaftlichen Verfahren und Möglichkeiten verlangt die Beschäftigung und die Auseinandersetzung der Lernenden mit der Vielfalt der Positionen und Perspektiven in einem Diskurs: Dabei nehmen sie in unterschiedlicher Weise die familiäre Perspektive oder die Sichtweise des Freundeskreises, die Perspektive einzelner Gruppen in der Gesellschaft, einer anderen Kultur, der Gesetzgebung oder auch die Dimension der Natur ein. Zu dieser Fähigkeit des Perspektivenwechsels gehört auch, sich in die Rolle eines anderen Menschen einzufühlen und Verständnis dafür zu entwickeln, dass jemand anders denkt und sich daher anders entscheidet als man selbst. [... J Lernende sollen selbst ein eigenes oder auch fremdes, andersartiges Urteil begründen können. Auf dieser Basis vertreten sie unter Berücksichtigung individueller und gesellschaftlich verhandelbarer Werte einen eigenen Standpunkt. (KMK 2005a: 12) Die Standards der naturwissenschaftlichen Sachfächer zielen also in allererster Linie auf die kundige, fachlich fundierte und kommunikativ kompetente Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen zu wichtigen Frage- und Problemstellungen. Daher sind zahlreiche Einsichten der Standards auch für das Sachfachlernen in der Fremdsprache zentral: Fachliches und sprachliches Lernen sind untrennbar miteinander verknüpft, jedes fachliche Lernen ist auch Sprachlernen, und jedes sprachliche Lernen ist auch Inhaltslernen. Wolfgang ZYDATiß hat es so ausgedrückt: Da die meisten Kognitionen sprachlich transportiert werden, ist fachliches Lernen über weite Strecken immer auch ·sprachliches Lernen [... J. Daraus folgt, dass sprachliches Lernen in einem lFLl.llL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht 101 themenzentrierten Unterricht (sei er ,mono-' oder ,bilingual') nicht abgekoppelt von den kognitiven Strukturen und Prozessen des jeweiligen Inhalts erfolgen kann. Schule ist in einem zentralen Bereich ihrer Bildungsarbeit- ,Sprachschule'. (ZYDATiß 2002: 37) Im deutschsprachigen wie im bilingualen Sachfachunterricht geraten also zurecht die Sprachlichkeit bzw. die Fremdsprachlichkeit ins Zentrum der didaktischen Überlegungen, weil die doppelte Versprachlichung von Wissensbeständen deren Charakter als stets sprachspielgebundene Repräsentationsform von Wirklichkeit in den Prozess der sinnstiftenden Bedeutungsaushandlung zwischen den am Lehr-Lernprozess Beteiligten einbezieht (BONNET [et al.] 2002: 155). Insofern können die KMK-Standards für die naturwissenschaftliche Bildung als weitgehend kompatibel mit einem zentralen Begründungsparadigma des Bilingualen Sachfachunterrichts der Integration von sprachlichem und fachlich-inhaltlichem Lernen gelten. 2 Freilich lautet die mit Blick auf den Bilingualen Unterricht entscheidende Einschränkung: Für die naturwissenschaftlichen Bildungsstandards sind Sprachlichkeit und Monolingualität eins. Denn in Formulierungen wie ,fachbezogener Spracherwerb', ,Diskursfähigkeit' oder ,Kommunikationskompetenz' (alle Beispiele KMK 2005a: 11) spielt eine mögliche fremdsprachige Dimension keinerlei Rolle, sie wird nicht einmal ansatzweise ins Spiel gebracht, wie selbstverständlich gehen die Bildungsstandards davon aus, dass alles Wissen auch im 21. Jahrhundert noch in deutschsprachiger Form verfasst ist und ausgehandelt wird. Bei aller Betonung der Sprachlichkeit des Lernens schreiben die Standards für die naturwissenschaftlichen Fächer auf diese Weise die Monolirtgualität der Allgemeinbildung (als deren Teil ja die naturwissenschaftlichen Standards das fachliche Lernen verstehen) und die Trennung zwischen dem Fremdsprachenunterricht und allen anderen Formen und Inhalten des Lernens fort. In Abschnitt 3 ist zu zeigen, dass dies den Bedingungen, unter denen im 21. Jahrhundert gelehrt und gelernt wird, nicht adäquat ist. Zuvor sollen die wichtigsten Folgerungen aus dem kurzen Blick auf die Bildungsstandards für die naturwissenschaftlichen Sachfächer in Form von Thesen zusammengeführt werden. • Die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sehen zwar einerseits (in den Standards für die Fremdsprachen) das Erlernen von Fremdsprachen und andererseits (in den naturwissenschaftlichen Standards) den Erwerb naturwissenschaftlicher Diskursfähigkeit vor. Da auf diese Weise jedoch inhaltlich-fachliches und fremdsprachliches Lernen getrennt bleiben, werden in den Standards keine Konzepte und keine 2 Damit ist noch kein Gesamturteil über die naturwissenschaftlichen Bildungsstandards gefällt. Wie man an den Standards für die Fremdsprachen sieht, kann ein solches Urteil nicht ohne Analyse der Konkretisierungsebenen und insbesondere der Aufgabenbeispiele und darüber hinaus auch nur von den dafür zuständigen Fachdidaktikern und Fachlehrern gefällt werden. Wie VOLLMER (2006: 217 ff) zeigt, ist z.B. eine der zentralen Fragen, ob sich die verschiedenen Kompetenzbereiche überhaupt getrennt voneinander überprüfen lassen. Der vorliegende Aufsatz beschränkt sich daher auf die EU-relevanten Aspekte und auf die Untersuchung der allgemeinen didaktischen Teile der naturwissenschaftlichen Bildungsstandards. lFlLllllL 36 (2007) 102 Wolfgang Hallet Kompetenzen entworfen, in denen, wie im Bilingualen Unterricht, inhaltliches Lernen an eine Fremdsprache gebunden ist. • Die Bildungsstandards für die ersten Fremdsprachen entwickeln wegen ihrer völligen Vernachlässigung des inhaltlich-fachlichen Lernens und kognitiv anspruchsvoller Wege des Weltverstehens keine Kompetenzen, an die der BU im Sinne integrierten fachlich-sprachlichen Lernens anknüpfen könnte oder die auf den Bilingualen Unterricht übertragbar wären. Bildungskonzepte für den Bilingualen Unterricht können sich also auch nicht auf die Fremdsprachenstandards stützen. • Der Bilinguale Unterricht findet aus den genannten Gründen weder in den Fremdsprachennoch in den naturwissenschaftlichen Standards seinen Platz. Da die Standards gemäß ihrem theoretischen Anspruch den Ertrag (outcome) von Bildungsprozessen erfassen und zugleich determinieren wollen, muss man darin eine relative Bedrohung des Bilingualen Unterrichts erblicken, auf jeden Fall die der Marginalisierung oder der Stigmatisierung als elitärer Luxus. Denn in der Philosophie der Bildungsstandards geht fremdsprachigem Sachfachwissen offenbar jene Funktionalität ab, die für die ,Standardisierung' von Wissen erforderlich ist. Es bleibt aber festzuhalten, dass die naturwissenschaftlichen Standards für den deutschsprachigen Fachunterricht mit ihren zentralen Begründungsparadigmen der Sprachlichkeit und der Diskursfähigkeit im Grunde das Feld für den Bilingualen Unterricht komplett bestellen sofern man die schulsprachliche durch die fremdsprachige Dimension ersetzt. Die bildungstheoretischen und didaktischen Rahmungen der naturwissenschaftlichen Bildungsstandards jedoch sind im Grunde, was die Lernbereiche und das Konzept des integrierten sprachlich-kommunikativen und fachlich-inhaltlichen Lernens betrifft, praktisch eins zu eins auf den Bilingualen Sachfachunterricht übertragbar. 3. Scientific Literacy und mehrsprachige Bildung Oben ist angedeutet worden, dass naturwissenschaftlicher Unterricht in einer Fremdsprache sich letztlich nur über ein umfassendes Mehrsprachigkeitskonzept für die schulische, möglicherweise auch für die nachschulische Bildung legitimieren lässt, das aus der Sicht einer mathematical und einer scientific literacy zu füllen ist. Es sind also Dimensionen mehrsprachiger Bildung zu entwickeln, die vor allem für die naturwissenschaftlichen Sachfächer und die Mathematik interessant sein können. Die Mehrsprachigkeit naturwissenschaftlicher Bildung muss sich in Fortführung des oben dargestellten Konzeptes von scientific literacy vor allem an den gesellschaftlichen und diskursiven Bedingungen orientieren, unter denen heute, in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts, naturwissenschaftliches Wissen generiert und zirkuliert wird. Dabei wird sich zeigen, dass damit nicht nur die Monolingualität des deutschen Bildungssystems herausgefordert wird, sondern dass damit zugleich auch der bisher eng gesteckte curriculare Rahmen des Bilingualen Unterrichts (man könnte auch sagen: die Nischenexistenz) in Frage gestellt wird. lFLmL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht 103 3.1 Die Mehrsprachigkeit gesellschaftlicher Diskurse Wenn die naturwissenschaftlichen Bildungsstandards als Zielkompetenzen die Fähigkeit vorgeben, fachliche Sachverhalte und Zusammenhänge „in Lebenswelt, Alltag, Umwelt und Wissenschaft erkennen" (KMK 2005c: 10), bewerten und kommunizieren zu können, so tragen sie damit einer Forderung der so genannten muliliteracies-Didaktik Rechnung, die schon seit längerem die Bemühung um die Entwicklung der kulturellen und gesellschaftlichen Partizipationsfähigkeit der jungen Menschen in den Mittelpunkt eines Bildungskonzeptes stellt. Der von der sog. New London Group entwickelte interdisziplinäre und internationale didaktische Ansatz der multiliteracies versteht sich als Antwort auf umfassende Veränderungen sozialer, kultureller und sprachlicher Art in globalisierten Migrationsgesellschaften, wie sie auch in anderen didaktischen Ansätzen in Deutschland thematisiert wurden, to extend the idea and scope of literacy pedagogy to account for the context of our culturally and linguistically diverse and increasingly globalised societies; to account for the multifarious cultures that interrelate and the plurality of texts that circulate (TIIE NEW LONDON GROUP 2000: 9; vgl. auch GOGOLIN 1994: 19 f und GNUTZMANN 2005: 15 ff). Die Fähigkeit, Sachverhalte in verschiedenen Sprachen undfür die Naturwissenschaften von besonderem Belang in verschiedenen Symbolsystemen kommunizieren sowie zwischen den Sprachen und zwischen verbalsprachlichen und anderen, z.B. visuellen Darstellungsformen wechseln zu können, kann hierfür als zentral gelten: Cultural and linguistic diversity is now a central and critical issue and, as a result, the meaning of literacy pedagogy has changed as well. Local diversity and global connectedness mean not only that there can be no standard; they also mean that the most important skill students need to learn is to negotiate regional, ethnic, or class-based dialects; variations in register that occur according to social context; hybrid cross-cultural discourses; the code-switching often tobe found within a text among different languages, dialects, or registers; different visual and iconic meanings; and variations in the gestural relationships among people, language, and material objects. [... ]. (TIIE NEW LONDON GROUP 2000: 14) Eine national und monolingual beschränkte Bildung wird vor dem Hintergrund der sprachlich-kulturellen Heterogenität und der Globalisierung aller Diskurse als obsolet angesehen: "The decline of the old, monocultural, nationalistic sense of 'civic' has vacated a space that must be filled again. We propose that this space be claimed by a civic pluralism" (THE NEW LONDON GROUP 2000: 14). Die monolinguale Schule, die den allergrößten Teil ihres Bildungswissens in nur einer Sprache vermittelt, kann demzufolge nicht länger als zukunftsfähig gelten (vgl. GOGOLIN 1994: 14ff). In multikulturellen, globalisierten Gesellschaften muss die Fähigkeit, an zentralen gesellschaftlichen Diskursen in mehr als nur einer Sprache teilzuhaben, als essentiell für die Eröffnung individueller Zukunftschancen und für die Entwicklung zukunftsfähiger demokratischer Gesellschaften gelten. Der Bilinguale Unterricht stellt sich damit als eines der Bildungsangebote dar, das durch die Entwicklung einer fachlich gegründeten Diskursfähigkeit in der Weltsprache Englisch eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe an gesellschaftlichen lFLulL 36 (2007) 104 Wolfgang Hallet Diskursen vermittelt (vgl. auch HALLET 1998: 117 f). Umgekehrt kann der Bilinguale Unterricht so auch zur Überwindung des ,monolingualen Habitus' des deutschen Bildungswesens beitragen, denn er orientiert sich „am Leitbild des mehrsprachigen, metasprachliche Kompetenz innehabenden Menschen [... ], denn nur dieser wäre in der Lage, seine kommunikative Praxis auf eine noch unbekannte Zukunft in sprachlicher Pluralität hin auszurichten" (G0GOLIN 1994: 21). Daher trifft Gogolins Beobachtung von 1994, dass die traditionellen Didaktiken „das Problem des Lernens unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit" nicht reflektieren, sondern stattdessen bloß „Monolingualität voraussetzen und zugleich zum Ziel haben" G0GOLIN 1994: 22), auch noch auf die Bildungsstandards für die naturwissenschaftlichen Sachfächer des Jahres 2007 zu. In den bilingualen Sachfachdidaktiken hingegen hat die Reflexion der „Fremdsprachlichkeit als Spezifikum" (BONNET [et al.] 2002) des Lernens ihren Niederschlag gefunden. Denn beim Bilingualen Unterricht mit seinen fremdsprachigen Kognitivierungen handelt es sich um eine sowohl vom Fremdsprachenunterricht als auch vom traditionellen Sachfachunterricht verschiedene und zu unterscheidende Form des Lehrens und Lernens, nämlich um echte mehrsprachige Bildung, in der sich Weltverstehen und -erkenntnis in einer fremden Sprache ereignen (vgl. Abschnitt 3.4). 3.2 Englisch als internationale lingua franca Die fortschreitende Etablierung von Englisch als einer globalen lingua franca ist in vielen Zusammenhängen beschrieben worden (vgl. GNUTZMANN 2005). Für die schulische naturwissenschaftliche Bildung ist von besonderer Bedeutung, dass diese mit einer zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung und Europäisierung des Bildungswesens (,Bologna-Prozess'), des Arbeitsmarktes und der mit diesem verbundenen Qualifikationsanforderungen und -erwartungen niederschlägt, mit denen Absolventen des deutschen Bildungssystems konfrontiert werden. Die monolinguale Schulbildung und der herkömmliche Fremdsprachenunterricht werden den sprachlichen Anforderungen eines globalisierten und europäisierten Arbeitsmarktes und Bildungs- und Ausbildungswesens nur bedingt gerecht. Schülerinnen und Schüler mit bilingualer naturwissenschaftlicher Bildung dagegen haben gelernt, Zusammenhänge und Phänomen in einer fremden Sprache zu erkennen, zu verstehen, zu interpretieren und zu kommunizieren. Sie sind in der Lage, auf wissenschaftlich fundierte und fachliche angemessene Weise in der lingua franca zu kommunizieren (vgl. HALLET 1998: 117 ff). Unter den gegenwärtigen (eingeschränkten) curricularen Bedingungen des Bilingualen Unterrichts wird jedoch nur eine (privilegierte) Minderheit der deutschen Schüler/ innen mit jenen Qualifikationen und Kompetenzen ausgestattet, die unter den Bedingungen von Europäisierung und Globalisierung wirklich zukunftsfähig sind. Nur eine allgemeine Verankerung des mehrsprachigen Lernens, mit dem Bilingualen Unterricht als Kern, kann die gegenwärtig andauernde Privilegierung der mehrsprachigen Bildung aufheben und mehrsprachiges Sachfachlernen zum Bestandteil der Allgemeinbildung machen. Im Sinne der in den internationalen Vergleichsstudien angemahnten Anschlussfähigkeit der deutschen naturwissenschaftlichen Bildung an internationale Standards von scientific literacy und der Vergleichbarkeit mit solchen IFLlLIL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht 105 Konzepten kann dem naturwissenschaftlichen Bilingualen Unterricht hier eine Vorreiterrolle zukommen. 3.3 Die Mehrsprachigkeit der Wissenschaften Es ist gewiss keine neue Erkenntnis, dass wissenschaftliche Diskurse auf allen Ebenen vom Experiment im Labor über international zusammengesetzte Forschungsteams bis hin zur Publikations- und Kongresssprache grundsätzlich internationalisiert und damit mehrsprachig sind. Überdies kommt auch im Wissenschaftsbetrieb internationalen Kooperationen und internationalen Forschungsclustern eine immer stärkere Bedeutung zu. Auch die Wissenschaftskommunikation und die Internationalität des wissenschaftlichen Austauschs sind ohne Mehrsprachigkeit gar nicht denkbar und ebenfalls auf Englisch als lingua franca angewiesen (vgl. GNUTZMANN [et al.] 2004), gegebenenfalls sind bestimmte Forschungsergebnisse oder wissenschaftliche Erkenntnisse in deutscher Sprache gar nicht zugänglich. Die Annahme einer ,deutschsprachigen Wissenschaft', gleich welcher disziplinären Zugehörigkeit, ist also seit langem nicht nur ein Anachronismus, sondern auch eine reine Fiktion (zur Transkulturalität der Wissenschaften vgl. auch GNUTZMANN [et al.] 2004; HALLET 2004: 146). Gleichwohl wird sie von vielen Fachwissenschaftler/ innen, aber auch von Fachlehrer/ innen gerne aufrechterhalten und verbreitet, was sich u.a. auch im monolingualen Zuschnitt des Lehrangebots an den Hochschulen niederschlägt. Demgegenüber muss bezweifelt werden, ob eine ,einsprachige' Wissenschaft unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts überhaupt noch denkbar und anschlussfähig ist und ob in Deutschland und im deutschen Fachunterricht nicht wichtige wissenschaftliche Ansätze und Konzepte bloß deshalb unbeachtet bleiben, weil sie nicht in deutscher Sprache zirkuliert werden. Ein Beispiel aus dem Fach Biologie mag dies verdeutlichen: Ein Phänomen wie AIDS ist biologisch-naturwissenschaftlich und in seinen sozialen und kulturellen Implikationen mit deutschsprachigen Texten und Materialien alleine nicht adäquat zu erfassen. Forschung, Therapie und vorbeugende Bekämpfung haben, ebenso wie die Erforschung sozialer und kultureller Ursachen (kurz: der AIDS-Diskurs), längst eine globale Dimension gewonnen, die in einem rein deutschsprachigen Fachunterricht nur mühsam transportiert werden kann (vgl. das Unterrichtsbeispiel bei ÜETTER 2005). Auch wird an dieser Stelle deutlich, dass sich die von naturwissenschaftlichen Standards geforderte Diskursfähigkeit in deutscher Sprache nur bedingt realisieren lässt. Denn die globale Relevanz des AIDS-Phänomens und die daraus resultierende reflexive und ethische Dimension verlangen nach einem Diskurs, der weit über die Grenzen nur einer Sprache hinausreicht. Diese Art Mehrsprachigkeit und die mit dem Phänomen AIDS verbundene ethische, kulturelle und internationale Vielstimmigkeit lässt sich im deutschsprachigen Biologieunterricht kaum repräsentieren. lFJLIJlL 36 (2007) 106 Wolfgang Hallet 3.4 Fremdsprachiges Weltverstehen Wenn den jungen Menschen im schulischen Unterricht eine Ausbildung vermittelt werden soll, die ihnen umfassende gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe durch eine mehrsprachige Bildung ermöglichen soll, so ist damit eine neue Art kognitiver Anforderung verbunden, die sich als fremdsprachiges Weltverstehen bezeichnen lässt. Für das naturwissenschaftliche Lernen bedeutet dies, dass in den betreffenden Domänen ein systemisches, fachlich-wissenschaftlich gegründetes Begriffssystem in der Fremdsprache entwickelt wird: However, particular content requires thinking in certain ways, and this thinking in certain ways involves language of a certain sort. In other words, some content involves ways of thinking which require specific cognitive processes, which in turn call upon particular concepts and ideas and the language to express them. (GRENFELL 2002: 41) Bei diesen spezifischen sprachlich-kognitiven Prozessen der fremdsprachigen Konzeptualisierung von Welt handelt es sich um ein Spezifikum des Bilingualen Unterrichts. Im Hinblick auf scientific literacy kann als Ziel der Erwerb eines fremdsprachig verfassten naturwissenschaftlichen Wissens und der Aufbau eines systemischen, theoriegeleiteten, intersubjektiv validen Begriffswissens gelten (vgl. im Einzelnen HALLET 2002; ZYDATrß 2002: 37ff; BONNET [et al.] 2003: 176fu. 182f; HALLET 2005: 5f). In einem solchen Konzept von Mehrsprachigkeit, das auf bilingualem Sachfachlernen beruht, sind Weltverstehen und Welterklärung in mehr als einer Sprache möglich, Konzepte und Systematiken sind von der einen in die andere(n) Sprache(n) übersetzbar und gegenseitig anschließbar; es ist sogar denkbar, dass sich kognitive Begriffssysteme (als hybride Gebilde) aus Elementen verschiedener Sprachen zusammensetzen (gewissermaßen ein kognitiver plurilingualism; vgl. auch GNUTZMANNIBEINHOFF 2005). Im Grunde kann diese Art der kognitiven Verankerung einer Fremdsprache, die das Denken, das Verstehen und die Welterkenntnis eines Menschen mitformt, als die eigentliche Mehrsprachigkeit gelten. So kann der Bilinguale Unterricht auch auf der kognitiven Mikroebene das System der monolingualen Bildung durchbrechen. 3.5 Fremdsprachige Bedeutungsaushandlung Besonders in der Erkenntnisgewinnung der naturwissenschaftlichen Disziplinen und Fächer sind mit der Entwicklung von Hypothesen, Modellen, Begriffssystemen und Theorien immer diskursive Aushandlungsprozesse verbunden. In der Wissenschaft wie im Unterricht nähert man sich einem Gegenstand, einer Problemstellung oder einem Phänomen mit hypothetischen Annahmen, vagen Vorstellungen oder intuitiven Erklärungsversuchen mit alltagsweltlichen Begriffen. Fachlich-wissenschaftliche Erklärungsmodelle entstehen durch den interaktiven Austausch über die Hypothesen, durch den Vergleich mit den Erklärungsversuchen anderer oder durch mannigfache Revisionsprozesse und Reformulierungen. In jedem Fall ist, wie Bonnet gezeigt hat, naturwissenschaftliches Lernen auch im BU das Ergebnis diskursiver Aushandlungsprozesse in der FremdlFLuL 36 (2007) Scientific Literacy und Bilingualer Sachfachunterricht 107 sprache (vgl. dazu umfassend BONNET 2004a; vgl. auch BONNET 2004b sowie BONNET [et al.] 2003: 185 ff). Dieser diskursive Charakter des naturwissenschaftlichen Lernens ist die Voraussetzung sowohl für die nachhaltige kognitive Verankerung fremdsprachiger Konzepte als auch für die fachlich-inhaltliche Ausdifferenzierung der fremden Sprache der Lernenden. Auf diesem Wege entwickelt der naturwissenschaftliche Bilinguale Unterricht nicht nur die fremdsprachigen fachlich-wissenschaftlichen Begriffssysteme der Lernenden, sondern auch ihre Fähigkeit, in der fremden Sprache über die Deutung von Sachverhalten und Phänomenen beim Verstehen und der Erklärung von Welt zu verhandeln. 3.6 Englisch als schulische lingua franca Schließlich ist, wenn scientific literacy in der Fremdsprache als Teil eines mehrsprachigen Konzeptes der Allgemeinbildung verstanden wird, noch auf einen bisher wenig beachteten Gesichtspunkt hinzuweisen. Es handelt sich um die an vielen Schulen große Gruppe jener Lernenden, deren Erstsprache nicht die Schulsprache Deutsch ist und die oft nur mit Mühe oder kaum dem deutschsprachigen Sachfachunterricht folgen können. Da auch in der Philosophie der naturwissenschaftlichen Bildungsstandards alles fachliche Lernen an Sprache gebunden ist, sind die besonderen Schwierigkeiten von Lernenden mit Migrationshintergrund leicht erklärbar (vgl. zur Verteilung auf die Schularten KLIEME [et al.] 2006: 22f). Wenn nun die für das fachliche Lernen entscheidenden Prozesse in einer Fremdsprache und nicht in der Schulsprache Deutsch stattfinden, so ist hierin zumindest ein möglicher Lösungsansatz für die Lernschwierigkeiten und die damit verbundenen Bildungsnachteile dieser Schülerpopulation enthalten. Denn da die Ausgangsbedingungen beim fachlichen Lernen in einer Schul-Fremdsprache für alle Lernenden gleich sind, kann in diesem Fall die Benachteiligung der Lernenden nichtdeutscher Sprache durch die Verwendung der gemeinsamen Fremdsprache kompensiert werden. Beim fremdsprachigen Sachfachlernen können alle Schüler/ innen gleich welcher Muttersprache ,auf gleicher Augenhöhe' und in der gleichen Weise an allen Lernphasen und -prozessen teilnehmen. Diese Vermutung wird durch die Ergebnisse der DESI-Studie (KLIEME [et al.] 2006, im Folgenden DESI 2006) gestützt, derzufolge Lernende nicht-deutscher Erstsprache trotz "des in Deutsch recht deutlichen Leistungsrückstands" (DESI 2006: 25) im Englischunterricht vergleichsweise erfolgreich sind: Bei Kontrolle der sonstigen Hintergrundvariablen [Bildungsgang, sozioökonomischer Status, Geschlecht, kognitive Grundfähigkeiten - W.H.] findet sich ein positiver Effekt der Zugehörigkeit zur mehrsprachigen oder nicht-deutschsprachigen Schülergruppe auf die Gesamtleistung in Englisch. [... ] Bei Berücksichtigung dieser Hintergrundvariablen scheint das Aufwachsen mit Deutsch als Fremdsprache für das Erlernen der Fremdsprache Englisch sogar von Vorteil zu sein. Auch innerhalb der Hauptschule lässt sich ein solcher Effekt nachweisen. (DESI 2006: 25) Da also im fremdsprachigen Sachfachunterricht die sprachliche Benachteiligung entfällt, stellt sich der fremdsprachige Sachfachunterricht als eine Chance dar, wenigstens in einem begrenzten Bereich für alle Lernenden Lernbedingungen zu schaffen, die unab- IFLwL 36 (2007) 108 Wolfgang Hallet hängig von ihrer Erstsprache und daher für alle annähernd gleich sind. Bilingualer Unterricht würde so zu einem Beitrag zur Mehrsprachigkeit in dem Sinne, dass er zur Verminderung von Bildungsnachteilen aufgrund der sprachlichen Herkunft der Lernenden beitragen könnte. Freilich ist dies kein Plädoyer für die Abschaffung der Schulsprache Deutsch oder die flächendeckende Einführung fremdsprachigen Sachfach- oder naturwissenschaftlichen Unterrichts. Für alle jungen Menschen und Lernenden im deutschen Bildungssystem gilt, dass gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Zukunftschancen in deutschsprachigen Gesellschaften von der Beherrschung der deutschen Sprache abhängen. Der Blick auf die naturwissenschaftlichen Standards hat gezeigt, dass der darin enthaltene Bildungsgedanke und der damit verbundene Kompetenzbegriff einer scientific literacy sehr tragfähig sind wäre da nicht die Frage der sprachlichen Verfasstheit des Lernens, des Kompetenzerwerbs und damit von Bildung überhaupt, die unreflektiert auf die deutsche Sprache beschränkt wird. Für die lern- und kognitionspsychologischen Konzepte des BU bieten sie mit dem zentralen Konzept der Sprachlichkeit naturwissenschaftlichen Weltverstehens einen hervorragenden Anknüpfungspunkt. Es ist daher nur ein kleiner gedanklicher (aber großer bildungspolitischer) Schritt, in die von der KMK beschriebenen Bildungsstandards für die Sachfächer neben der deutschsprachigen auch eine fremdsprachige Dimension hineinzudenken, Bildung also entsprechend der vielsprachlichen Verfasstheit von ,Welt' grundsätzlich mehrsprachig zu denken. Ein bilingualer naturwissenschaftlicher Unterricht, der dem Konzept einer fremdsprachigen scientific literacy verpflichtet ist, kann der Kern eines Konzeptes mehrsprachiger Allgemeinbildung an deutschen Schulen sein. Literatur BONNET, Andreas (2004a): Chemie im bilingualen Unterricht. Kompetenzerwerb durch Interaktion. Opladen: Leske / Budrich. BONNET, Andreas (2004b): "Kompetenz durch Bedeutungsaushandlung - Ein integratives Modell für Bildung und sachfachliches Lernen im bilingualen Unterricht". In: BONNET / BREIDBACH (Hrsg.), 115-126. BONNET, Andreas/ BREIDBACH, Stephan (Hrsg.) (2004): Didaktiken im Dialog. 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In the light of the supposedly different functions of language in social sciences as opposed to the natural sciences, language is taken as the constituting medium for the genuine comprehension of science phenomena (i.e. comprehension as opposed to pure knowledge). Three examples in which linguistic phenomena play a crucial role illustrate the added value of bifocal teaching and the possible implications for science education. 1. Die Naturwissenschaften und ihr Potential für das sprachliche Lernen Dem Titel dieses Beitrages klingt zwischen der Zeile eine gewisse Rechtfertigungsnot mit, so, als müsse explizit erklärt werden, dass sich auch die Naturwissenschaften für den bilingualen Unterricht eignen, und im Hinblick auf den Kanon bilingual unterrichteter Fächer in Deutschland schiene dies auch verständlich: Im Vergleich zu den sozial- und geisteswissenschaftlichen Schulfächern kommt de.n naturwissenschaftlichen mir ein geringer Anteil am bilingualen Lehren und Lernen zu. 1 Der vorliegende Beitrag will zunächst den naturwissenschaftlichen Unterricht aus seiner Rechtfertigungsnot befreien und im Gegenteil das einzigartige Potential des Naturwissenschaftsunterrichts für das fremdsprachliche Lernen herausstellen.2 Dazu werden in diesem Abschnitt zunächst Argumente angeführt, die sich aus einem neu auf Kompetenzen hin orientierten naturwissenschaftlichen Unterricht ergeben, und diese werden dann exemplarisch für das Fach Chemie spezifiziert. Korrespondenzadresse: Dr. Christa RITTERSBACHER, Jun. Prof., Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Europalehramt, Bismarckstr. 10, 76133 KARLSRUHE. E-Mail: rittersbacher@ph-karlsruhe.de Arbeitsbereiche: Bilinguales Lehren und Lernen, Früher Fremdsprachen-/ bilingualer Sachfachunterricht, Integrierter Naturwissenschaftsunterricht. 1 Derzeit liegen für Deutschland keine konkreten Zahlen zum bilingualen Naturwissenschaftsunterricht vor. Für 1999 summiert Andreas BONNET unter Bezug auf den Bericht der KMK den bilingualen Naturwissenschaftsunterricht mit Zielsprache Englisch auf 14% im gesamten Bilingualangebot (für die Zielsprache Französisch waren es 2% ). Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der naturwissenschaftlichen Fächer seither deutlich gestiegen ist (der Bericht der KMK von 2006 belegt eine größere Gesamtzahl der Schulen mit bilingualem Angebot). 2 Auch BONNET (z.B. 2004a, 2005) hat einen solchen Versuch für den Chemieunterricht unternommen; seine Beiträge stützen das hier Vorgebrachte. lFlLuruL 36 (2007) 112 Christa Rittersbacher Im weiteren Verlauf des Beitrags wird dann umgekehrt der Mehrwert des bilingualen Lernens für den naturwissenschaftlichen Unterricht herausgearbeitet. Es sei für beide Blickrichtungen gleich hinzu gesagt, dass sich die in diesem Beitrag dargelegte Sicht der Dinge aus einer etwas anderen Perspektive auf die curriculare Funktion der naturwissenschaftlichen Fächer ergibt, als sie landläufig in Kreisen der Naturwissenschaftsdidaktiker vorgetragen wird, indem den naturwissenschaftlichen Fächern einerseits ein anderer Stellenwert im allgemeinen Bildungsziel „Kulturelle Teilhabe" beigemessen wird und andererseits das Verstehen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge als konstitutiv für die Persönlichkeitsbildung gesehen wird. Unter dem Schlagwort „Bildung stärkt Menschen" haben die Bildungspläne des Landes Baden-Württemberg einen grundlegenden Paradigmenwechsel in den verbindlichen Vorgaben für den Unterricht an unseren Schulen vollzogen. Während die früheren Lehrpläne vorrangig auswiesen, welche Inhalte zu unterrichten seien, schreiben die neuen Bildungspläne vor, welche Kompetenzen Kinder und Jugendliche erwerben müssen. Aus dem Bildungsplan für den Fächerverbund ,Naturwissenschaftliches Arbeiten' (NWA) für die Realschulen ist im Folgenden eine Auswahl von Kompetenzen gelistet, die unabtrennbar mit Sprache verknüpft sind. Der Bezug auf das Kernfach NWA der Realschule 3 wird dabei deshalb vorgenommen, weil in seiner Curriculumsstruktur ein besonders gelungenes Beispiel modernen auf Scientifi,c Literacy ausgerichteten naturwissenschaftlichen Unterrichts vorliegt. Der Bildungsplan für NWA listet fünf Abteilungen des angestrebten Kompetenzerwerbs (vgl. Bildungsplan Realschule: 97-102): 1. Kompetenzerwerb durch Denk- und Arbeitsweisen, dazu zählen: • beschreiben, fragen, Hypothesen bilden • schlussfolgern, Daten beschreiben und vergleichen • reflektieren, Erklärungen heranziehen, Zusammenhänge formulieren, Modelle bilden • Ergebnisse reflektieren und diskutieren und bewerten • Quellen, ab Klasse 8 auch englischsprachige, zum Erkenntnisgewinn nutzen • im Internet Informationen abrufen und aufarbeiten • Sachinformationen sammeln, sortieren und gewichten • Ergebnisse präsentieren 2. Kompetenzerwerb durch das Erschließen von Phänomenen, Begriffen und Strukturen, dazu zählen: • erkennen, beschreiben • verstehen, erklären, Deutungen erfahren • Fachsprache nutzen • [differenzierte] Möglichkeiten von Phänomenbeschreibungen erleben • die öffentliche Diskussion wahrnehmen 3. Kompetenzerwerb im themenorientierten Unterricht der Klassen 5 bis 7 Ausführlicher dargestellt bei ÜEÖRG [ et al.] (2001), neuerdings auch ausführlich begründet bei HAAs [et al.] (2006). lFLllllL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 113 4. Kompetenzerwerb im grundlagenorientierten Unterricht der Klassen 8 und 9 4 5. Kompetenzerwerb im projektorientierten Unterricht der Klasse 10 Es wird aus dieser Liste deutlich, dass die Kompetenz „Quellen, ab Klasse 8 auch englischsprachige, zum Erkenntnisgewinn nutzen" (Bildungsplan Realschule: 97) zwar der stärkste, aber bei weitem nicht der einzige Hinweis auf das Potential ist, das naturwissenschaftlicher Unterricht dieser Art für das Sprachenlernen hat. Dies wird besonders deutlich, wenn der Bildungsplan in der Weise verstanden wird, dass auf die curriculare Vorgabe „der Fächerverbund ,Naturwissenschaftliches Arbeiten' wird in Klasse 10 projektorientiert unterrichtet" ab Klasse 5 sukzessive hingearbeitet wird. Wir wenden uns spezieller der Chemie zu: Das Spezifische der Chemie ist in nicht zu unterschätzender Weise ihre Spektakularität. Bereits die erste Chemiestunde ist häufig eine, die unsere Schülerinnen und Schüler nicht vergessen. Hier verliert die Lehrkraft das geliebte Spitzentaschentuch der Großmutter bei einem Brand (nur um es später, völlig unversehrt zurückzuerhalten) oder verwandelt Wasser in sieben verschiedenfarbige Flüssigkeiten durch bloßes Umschütten. "Das Thema des Chemieunterrichts sind Prozesse: Stoffe wandeln sich um. Diese Wandlungsphänomene faszinieren Schülerinnen und Schüler nach wie vor, und sie erwarten zu Beginn des Chemieunterrichts experimentelle Handlungen zum Bereich „chemisch reagieren", erklärt auch der Siegener Chemiedidaktiker Volker SCHARF (2004: 20). Im Laufe der Schulzeit werden die Lernenden in diesem Zusammenhang auch die photochemisch gezündete Chlor-Knallgas-Explosion überstehen und manch anderes nicht selten beeindruckendes Experiment. Unvergesslich kann dabei auch werden, wenn es die Schülerinnen und Schüler bei einem Schulfest „einmal so richtig knallen lassen wollen" und bei der Chemie-Show Feuerwerkskörper im Abzug des Fachraums zünden, die sie nach einem Ansatz zusammen gemischt haben, der für ein Gartenfest unter freiem Himmel gedacht war. .. Wenn sich das Ganze dann in der Fremdsprache abspielt, sind der Zauber, die Zauberei, das Spektakuläre komplett. Mit dem spezifischen Beitrag des bilingualen Unterrichts hat dies nur zweitrangig zu tun. Die Tatsache aber, dass auch das sprachliche Lernen nicht ohne eine positive motivationale Grundhaltung auskommt und „Spaß und Erfolgserlebnisse [... ] für eine lernpositive Hormonlage und damit für ein reibungsloses Funktionieren der Synapsen" sorgen (VESTER 1996: 142-143), lässt die (sprach)lernpositiven Rahmenbedingungen im bilingualen Naturwissenschaftsunterricht erahnen. Nicht ohne Grund heißt das neue Kernfach des baden-württembergischen Bildungsplans ,Naturwissenschaftliches Arbeiten'. Damit verbunden ist das experimentelle Praktikum, mit dem sich sämtliche oben gelisteten naturwissenschaftlichen Kompetenzen in Verbindung bringen lassen. Die praktische Dimension naturwissenschaftlicher Bildung hat im NWA-Bildungsplan dadurch eine Erweiterung erfahren, dass im experimentellen Praktikum heute auch ,eigene Experimente' vorgesehen sind, Experimente, die von den Lernenden nicht nur selbst durchgeführt, diskutiert und ausgewertet, sondern auch selbst 4 Für die Abteilungen 3. und 4. hat Andreas BONNET das Potential des bilingualen Unterrichts erkundet (z.B. 2004a, 2005). lFJL111llL 36 (2007) 114 Christa Rittersbacher erdacht werden (vgl. RITTERSBACHER 2006 zu eigenen Experimenten in einem bilingualen Chemiemodul). Im gruppenteiligen Arbeiten und Umgehen mit Materialien und Geräten erhält die Mitteilungsorientierung eine dem naturwissenschaftlichen Unterricht inhärente Form der Authentizität von besonderer Qualität, eine „Authentizität nämlich, die sich über den Kommunikationsmodus hinaus auf den Gegenstandsbereich erstreckt" (BONNET 2004a: 55). Der lebensweltliche Bezug ist im Chemieunterricht beinahe jedem Thema inhärent. Nicht selten liefern uns die Nachrichten am Morgen den Einstieg in die folgende Chemiestunde, oder ein Beipackzettel aus dem Haushalt eröffnet die Notwendigkeit, ihn auf seine Inhalte hin zu untersuchen. Realien fungieren dabei im Unterricht nicht schlicht als anschauliche und authentische Materialien, sondern exemplifizieren den Gegenstand der Chemie selbst und werden vor dem Hintergrund der Denk- und Arbeitsweisen der Chemiker erforscht. Forscherbiographien fungieren im Chemieunterricht als Zeugnisse und Lehrexempel naturwissenschaftlicher Bildung, indem sie die „Fähigkeit, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, welche die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betrifft" transportieren und vermitteln (DEUTSCHES PISA-KONSORTIUM 2001: 66). Welcher Art die „durch menschliches Handeln [... ] vorgenommenen Veränderungen" sein können, illustrieren die folgenden stichwortartig wiedergegebenen Beispiele: • Prof. Haber, Thema Chlor. Zeit des Ersten Weltkriegs. An einem Punkt in der Geschichte fordert Frau Haber, selbst Chemikerin, ihren Mann auf, seine Forschung zum Chlorgas sofort einzustellen. Haber macht weiter. 100.000 kg Chlor werden als Giftgas eingesetzt, Tausende Soldaten sterben. In derselben Nacht erschießt sich Habers Frau mit seiner Dienstwaffe (VONLEITNER 1993). • Linus Pauling, Chemienobelpreis 1954. Zeit des Zweiten Weltkriegs. Pauling ist bekennender Pazifist. 1958 legt er den Vereinten Nationen eine Petition vor, mit der 11.000 Wissenschaftler den sofortigen Stopp der Atomtests fordern. Pauling ist auch Friedensnobelpreisträger (GOERTZEL 1995). Die wenigen oben kursiv gesetzten Stärken des Chemieunterrichts vermögen ihn kaum in all seinen Facetten zu erfassen. Aber bereits die wenigen Aspekte lassen die große Bandbreite von Inhalten, vor allem aber Handlungs-, Interaktions- und damit Kommunikationssituationen erahnen, die den naturwissenschaftlichen Unterricht prägen. Wer den Unterricht aus beiden Didaktiken beleuchtet, der Fremdsprachen- und der Naturwissenschaftsdidaktik, sieht unweigerlich Möglichkeiten, die Spezifika des Chemieunterrichts im Fremdsprachenunterricht zu nutzen (Andreas BONNET nutzt diese Möglichkeiten; vgl. dazu seine 2005 anschaulich wiedergegebenen Dialoge). Aus dieser Sichtweise schiene es geradezu nahe liegend, das present progressive im Englischunterricht beispielsweise anhand der de Vos'schen Petrischalen-Versuche einzuführen (DE Vos, o.J.). Das außerordentliche Sprachlernpotential wird den naturwissenschaftlichen Fächern mittlerweile auch von Seiten der Fremdsprachendidaktik attestiert (BUTZKAMM 1993: 153). Dieses Potential begründet sich nicht zuletzt dadurch, dass sich die Involviertheit der Lernenden, JFIJLllllL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 115 die Möglichkeiten zur Lernendenautonomie, die reiche und in einer besonderen Weise authentische Lernumgebung, das Arbeiten mit Lern- und Arbeitstechniken sowie das breite Repertoire an Sozial- und Arbeitsformen (vgl. WOLFF 1997) unmittelbar und per se aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht selbst ergeben, aus den Inhalten, Methoden und Arbeitsweisen der Naturwissenschaften und dass diese auch das sprachliche Lernen fördernden Charakteristika nicht inszeniert werden müssen. Damit begründet sich der bilinguale Naturwissenschaftsunterricht jedoch nur teilweise. Aus der Sicht der Naturwissenschaftsdidaktik ist von untergeordneter Rolle, dass dieser Unterricht dem herköIIlIIllichen Fremdsprachenunterricht überlegen sein kann (WOLFF 1997: 50). Vielmehr stellt sich die Frage, ob er dem herköIIlIIllichen Naturwissenschaftsunterricht überlegen ist. Um den Mehrwert für das sachfachliche Lernen deutlicher herauszuarbeiten, wird im Folgenden in die umgekehrte Richtung geschaut: Wie kann der naturwissenschaftliche Unterricht nicht Vehikel für das fremdsprachliche Lernen sein, sondern die fremde Sprache Verstehenshilfe für den naturwissenschaftlichen Unterricht leisten? Diese Überlegung wird zu einer Begriffspräzisierung führen, indem vorgeschlagen wird, das Wort ,bilingual' durch das Wort ,bifokal' zu ersetzen, um die gleichwertige Bedeutung und Synergie des landläufig „bilingual" genannten Unterrichts sowohl für das fremdsprachliche Lernen als auch für das Verstehen naturwissenschaftlicher Inhalte zu betonen. 2. Zur Bewertung der Naturwissenschaften in Bezug auf Kultur und internationale Kommunikation Der Bedeutung sprachlicher Phänomene für die naturwissenschaftlichen Fächer, wie sie im Folgenden in den Blick genommen werden, wurde bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das lässt sich vielleicht damit erklären, dass in der Diskussion um die Eignung der Sachfächer für den bilingualen Unterricht die sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächer deutlich anders bewertet werden als die naturwissenschaftlichen. Diese unterschiedliche Bewertung der Perspektiven zeigt sich nicht zuletzt in der Debatte zum vermeintlich fehlenden Potential der Naturwissenschaften für das interkulturelle Lernen. Andreas BONNET hat der Diskussion eine neue Richtung gegeben, indem er die kulturanthropologische Betrachtungsweise aufgreift und den Begriff der Interkulturalität als „Fremdheitse,fahrung" denkt, den er im Naturwissenschaftsunterricht selbst als Prozess interkultureller Kommunikation verortet (2000: 158). Mit Bezug auf die sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächer spielt diese Sicht bislang nur eine untergeordnete Rolle - und das, obwohl die Kluft zwischen fachwissenschaftlichem und alltagssprachlichem Kontext doch auch dort für den alltagsweltlich geprägten Menschen bisweilen geradezu eine interkulturelle Begegnung darstellen kann (vgl. hierzu BREIDBACH 2001: 11 [in BONNET 2004a: 44]). Im Gegenzug spielt für die naturwissenschaftlichen Sachfächer der Blick durch die Brille der Fremdsprache als „Begegnung mit der Sichtweise des Partnerbzw. Zielsprachenlandes" (WILDHAGE 2002: 5) eine untergeordnete Rolle, und das, obwohl uns die Medien solche unterschiedlichen Sichtweisen täglich präsentieren, lFlLllllL 36 (2007) 116 Christa Rittersbacher beispielsweise im Zusammenhang mit Umweltkatastrophen, dem Umgang mit Rohstoffen oder neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, über die in unterschiedlichen Ländern deutlich unterschiedlich berichtet wird. Solche Beispiele halten dieser Auffassung nicht stand, dass die Naturwissenschaft selbst davon ja nicht betroffen sei. Diese Sichtweise hat MÄSCH auf den Punkt gebracht, als er erklärte, "Natural science subjects have no significant relationship with the culture ofthe partner country" (1993: 162). Aber ist das wirklich so? Diese Sicht scheint nur dann stimmig, wenn die Brille nicht scharf genug justiert ist. Bei näherem Hinsehen bedingen bereits die unterschiedlichen Ausbildungssysteme und die dabei verwendeten anderen Lehrbücher Unterschiede in der Herangehensweise an die Naturwissenschaften und ihren Wirkungen auf Kultur und Gesellschaft. Ein weiteres Justieren der Brille schärft den Blick auf die Sprachen selbst: Die Linguisten identifizieren „Wissenschaftssprachen", die von den „Umgangssprachen" semantisch und syntaktisch abweichen (PöRKSEN 1994). Im naturwissenschaftlichen Unterricht sind beide Sprachen präsent und für Verstehensprozesse naturwissenschaftlicher Phänomene gleichermaßen relevant (vgl. dazu beispielhaft BUCK 1989). Als Wissenschaftssprache der Naturwissenschaften hat sich in den letzten Jahren das Englische als lingua franca durchgesetzt (AMMON 2001). Es kommt uns entgegen, wenn die Forderung nach mehr bilingualem Naturwissenschaftsunterricht dadurch an Gewicht erhält, dass auf diese lingua franca hingewiesen wird und die Kenntnis dieser als Schlüsselqualifikation formuliert wird. GNUTZMANN (2006: 181) erklärt die naturwissenschaftlichen Fächer vor diesem Hintergrund zu „bilingualen Fächern par excellence". Gleichzeitig wird diese ,eine' globale Sprache der Naturwissenschaften jedoch bisweilen herangezogen, um aus einem vermeintlich „kulturunabhängigen" Charakter der Naturwissenschaften abzuleiten (ebd.: 179), die Funktion der Sprache sei in den naturwissenschaftlichen Fächern eine grundlegend andere als in den sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern (GNUTZ- MANN 2006). Während auf die Bedeutung der Sprache für das Verstehen im Naturwissenschaftsunterricht in den folgenden Kapiteln näher eingegangen wird, sei bereits an dieser Stelle zur linguafranca der Naturwissenschaften ergänzt, dass dieser internationale Wissenschaftsdiskurs faktisch (noch) nicht existiert: Im internationalen Kontext sind nationale Normenbücher nach wie vor Maß gebend und auf Kongressen folgt der Diskurs den Regeln des beklagten „global English", das aber nicht ein Niveau hat, wie das Lateinische vor der Nationalisierung der Wissenschaftssprachen (vgl. PöRKSEN 1990). Global English und American (oder British) English verhalten sich dabei etwa wie Schulchemie zu Forschungschemie (vgl. PöRKSEN 2005: 12-14; EISENBERG 2005). Da auch Fachsprachen eine Geschichte haben (und viel dafür spricht, dass sie aus den Lebensweltsprachen herausgewachsen sind) und die allermeisten Fachbegriffe (daher) massive Bedeutungswandel durchgemacht haben (KUHN 1973), sind die praktisch gehandhabten Fachsprachen durchweg mit Jargon durchzogen, und zwar in den verschiedenen Sprachen auf verschiedene Weise. Innerhalb der Wissenschaftssprachen besteht daher über das Phänomen des global English hinaus eine beträchtliche terminologische Verworrenheit. Fachsprachen sind folglich keineswegs in Semantik und Syntax deckungsgleich; diese Tatsache und die Bedeutung der Alltagssprache erzeugen den eigentlichen Mehrwert, den der bilinguale Unterricht für das Verstehen naturwissenschaftlicher Inhalte haben kann. lFlLulL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 117 3. Die sprachliche Kluft zwischen Alltagskontext und Wissenschaftskontext Ausgangsüberlegung zu der in diesem Beitrag vorgestellten Mehrwerthypothese des bilingualen Unterrichts bildet die auf den Chemiedidaktiker TEN VOORDE (1977, 1983b) zurückgehende Niveautheorie, nach der das Lernen naturwissenschaftlicher Fachbegriffe einem bestimmten Procedere folgen muss, das, wenn es nicht beachtet wird, unweigerlich zu einer „Kluft des Nicht-Verstehen-Könnens" führt (TEN VooRDE 1983b). Die Theorie erklärt sich vor der Tatsache, dass die naturwissenschaftliche Fachsprache in der Praxis ihre vermeintlichen Charakteristika ,Prägnanz', ,Klarheit', ,Kohärenz' und ,Konsistenz' nicht erfüllt 5 (vgl. JANICH 1996: 244 und 1997: 26): Verschiedene Sprachebenen können innerhalb desselben Kontexts zu Homonymien führen (DE Vos 1998, 1999), da historische Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften zu in verschiedenen Fachkontexten unterschiedlich realisierten - Neuordnungen und Bedeutungsverschiebungen geführt haben (vgl. KUHN 1973: 142-151, 174). Dies ist im Folgenden am ,Säurebegriff' illustriert (vgl. EGGERT 1999, 2001): a) Für BOYLE ist eine Säure ein Stoff, der in Wasser gelöst saure Eigenschaften gegenüber einem Indikator zeigt. b) Für LA VOISIER entsteht eine Säure bei der Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff; Sauerstoff ist also Prinzip der sauren Eigenschaften. c) DA VY entwickelt den Lavoirsier' sehen Kontext weiter und postuliert basierend auf der Zerlegung von Chlorwasserstoff - Wasserstoff als Prinzip der sauren Eigenschaften. d) Für ARRHENlUS und ÜSTWALD dissoziiert eine Säure in wässriger Lösung unter Abgabe von Wasserstoffionen (H+). e) Mit der Weiterentwicklung der Atomtheorie werden Säuren nach BRÖNSTED zu Protonendonatoren. f) Im Kontext der Theorie chemischer Bindungen definiert LEWIS Säuren als Elektronenpaarakzeptoren. Für Nicht-Chemiker sei die Konsequenz dieser Paradigmenwechsel erklärend auf den Punkt gebracht: Es handelt sich bei den obigen Säurebegriffen nicht nur um unterschiedliche, in unterschiedlichen Zeiten und Forschungskontexten entstandene Definitionen ein und desselben Wortes, sondern die zugrunde liegenden „Sachen" sind jeweils andere: Bei Zweifelsohne kann die Nonniertheit von Begriffen nicht pauschal in Frage gestellt werden. Das globale Unternehmen Naturwissenschaft könnte kaum funktionieren, wenn beispielsweise Messgrößen nicht weitestgehend international normiert wären. Schon zu ,Stoff' aber, einem elementaren Grundbegriff der Chemie, konstatiert die DIN-Kommission beispielsweise, es sei vergeblich versucht worden, ,Stoff' zu definieren; er wurde „für nicht normierungsfähig erklärt" (BUSEMANN 1996: 54). Auch die ,normierten' Gehaltsangaben von Inhaltsstoffen in Präparaten, die ja streng genommen auch Messgrößen sind, können im Widerspruch zur Theorie stehen: So kann es nach dem Deutschen Arzneimittelbuch (DAB) durchaus angezeigt sein, in die Beipackzettel oder Frachtbriefe zu schreiben, dass die Inhaltsstoffe von Medikamenten in ihrer Summe 102% ergeben können, weil die im Deutschen Arzneimittelbuch normierten Bestimmungsverfahren solche Werte ergeben können. lFLl.lL 36 (2007) 118 Christa Rittersbacher a) ist es eine Flüssigkeit, bei b) ein Gas oder ein Feststoff, bei c) eine Verbindung, die das Element Wasserstoff enthält, und bei d) e) und f) schließlich geht es nicht mehr um Stoffe, sondern um Teilchen. Es stecken also hinter dem Wort ,Säure' grundlegend unterschiedliche Sachen. Entscheidend ist auch, dass sich die Säurebegriffe nicht schlicht historisch gegeneinander abgelöst haben; sie existieren heute auch im Chemieunterricht nebeneinander. Der Chemiedidaktiker TEN V OORDE spricht in solchen Situationen von einer „Kluft des Nicht-Verstehen-Könnens" in dem Sinn, dass zwei Menschen, die über dieselbe Sache sprechen, jedoch mit Begrifflichkeiten verschiedener Ebenen oder in verschiedenen Fachkontexten jonglieren, eigentlich von zwei verschiedenen Sachen sprechen (TEN VooRDE 1983b). Im Naturwissenschaftsunterricht hat die Kluft des Nicht-Verstehen- Könnens eine andere sprachliche Dimension. Nun tritt der Alltagskontext hinzu und Verstehen bedeutet, die Kluft zwischen Alltagssprache mit Alltagskontext und Fachsprache mit wissenschaftlichem Kontext zu überwinden (vgl. hierzu BucK 1990; TEN VOORDE 1977, 1983a; VOGELEZANG 1988; BONNET 2004b; HALLET 2003: 50ff und ZYDATiß 2002: 37 ff). Das folgende Beispiel deutet an, welche Missverständnisse im Chemieunterricht resultieren können, wenn die Paradigmenwechsel in der Wissenschaft und der Alltagskontext ignoriert werden: Ein Chemiker sagt bedenkenlos: "Ich verdünne diese Säure mit Wasser". Er hält dabei ein Gefäß mit 20%iger Schwefelsäure in der Hand und gibt dann Wasser hinzu. In einer anderen Situation sagt er ebenso bedenkenlos „Wasser ist eine Säure" und will damit vielleicht die elektrische Leitfähigkeit von Wasser erklären. Er befindet sich nun nicht im Labor, sondern erläutert ein Basis-Konzept, nämlich den Brönsted-Kontext: "Wasser ist nicht nur eine Säure, sondern auch eine Base" nun ist nicht mehr vom Stoff Wasser die Rede, sondern von H 2 O-Teilchen, die einmal „Säure-Teilchen", das andere mal „Base-Teilchen" bilden können. Wovon der Chemiker in dieser Situation spricht, ist etwas völlig Anderes als flüssiges Wasser (bzw. der Stoff ,Wasser'). Der Argumentation zur Eignung der Naturwissenschaften für den bilingualen Unterricht scheint das Dargelegte auf den ersten Blick gegenläufig: "Ja aber", möchte man vielleicht einwenden, "mit Hinzukommen der Fremdsprache wird das alles ja noch komplexer, indem zu Fach- und Alltagssprache im Deutschen nun auch noch Fach- und Alltagssprache im Englischen hinzukommen. Dadurch wird die Kluft des Nicht- Verstehen-Könnens doch verdoppelt! " Streng genommen würde die Kluft nach dieser Vorstellung mindestens vervierfacht (auch BONNET verortet bilingualen Unterricht „im Koordinatensystem von vier Sprachen", 2004a: 94-95). Und in der Tat lässt sich die Sprachbarriere nicht leugnen und damit die Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler das, was sie sagen wollen, unter Umständen in der Fremdsprache nicht sagen können. Mit der Kluft des Nicht-Verstehen-Könnens hat das jedoch nur zweitrangig zu tun. Andreas BONNET hat in einer empirischen Studie unter anderem gezeigt, dass der Sprachenwechsel bzw. das Abweichen vom Gebrauch der Fremdsprache die inhaltliche Verstehensbarriere im bilingualen Naturwissenschaftsunterricht nicht abbaut, indem, "die Verwendung der Muttersprache in keinem Fall zur Überwindung konzeptueller Probleme führte" (2004a: 290). Die Kluft des Nicht-Verstehen-Könnens kann aber dann überwunden werden, wenn lFLIIIL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 119 das Beachten der sprachlichen Phänomene zur Vermittlung zwischen den Sprachen führt, zwischen Alltags- und Fachkontext und zwischen deutscher und englischer Fachsprache. Die fremde Sprache kann das dadurch tun, dass sie Sachverhalte in einem anderen System von Homonymien und Synonymien ordnet. Entscheidend ist dabei, dass Sprache jetzt nicht mehr als ,Etikettiermaschine' für vorfindliche Sachverhalte im Reagenzglas oder in der Atomewelt angesehen wird, sondern als Mittel in einer Kommunikation unter Menschen, das auf Bemerktes und Gedachtes hinweist. 4. Die Bedeutung der Sprache(n) für das Verstehen und weshalb bilingualer Unterricht eigentlich bifokaler Unterricht genannt werden sollte Damit kommen diese Ausführungen zu einem sehr wesentlichen Punkt im naturwissenschaftlichen Unterricht: dem Verstehensprozess der Schülerinnen und Schüler, in dem die Bedeutung der Sprache essentiell ist. Weil Verstehen im Medium der Sprache geschieht, bewirkt die Tatsache, dass weder Lexik noch Grammatik der einen Sprache deckungsgleich mit der einer anderen Sprache sind, dass im bilingualen Unterricht ein ,Aufweckeffekt', ein „Stolperstein" (W AGENSCHEIN 2002: 59) auftreten kann, der zum eigenen Nachdenken über die Sache und zum Verstehen anregt. Das hier Gemeinte ist verwandt mit Andreas BüNNETs „Fremdheitseffekt". Er spricht davon, dass die „Verwendung der fremden Sprache" das Gespräch verlangsamt und „bisweilen zum kommunikativen Abbruch" führen kann und dass dadurch das sachfachliche Lernen eine neue Dimension erreichen kann, denn: "In einem ,zweiten Blick' kann den Lernenden bewusst werden, dass ihnen manche Begriffe schon in der Erstsprache nicht deutlich sind" (2000: 157). In Aushandlungsprozessen des eigenen Verstehens, im (wagenschein'schen) Gespräch mit Klassenkameraden und/ oder der Lehrkraft, kommt der Sprache eine noch tiefer gehende Bedeutung zu. Die Bedeutung, die Rolle und die Geltungsbezüge der Sprache "im Aggregatzustand ihrer Gesprochenheit", wie Martin Buber das nennt (BUBER 1962: 7 ff), einerseits und „in ihrem Aggregatzustand des Sprachbestands" andererseits für das Verstehen hat Gadamer im Kapitel III.1 von Wahrheit und Methode (1960) ausführlich diskutiert. Er erkärt: "Die Sprache ist das universale Medium, in dem sich das Verstehen selber vollzieht. Die Vollzugsweise des Verstehens ist die Auslegung" (GADAMER 1960: 366). Hieraus leitet sich eine weitere Unterstützung der sachfachlichen Verstehensprozesse durch einen bilingualen Unterricht ab, denn die fremde Sprache öffnet auf einmal den Horizont für die Möglichkeit, verschiedene Verstehensweisen zu erkennen. Sie ist eine wesentliche Hilfe dafür, zu bemerken, dass Wörter nicht Etiketten für vorfindliche ,Sachen' sind, sondern Ausdruckinstrumente von Menschen, die etwas mitteilen wollen. Die Horizonthaftigkeit der Sprache wird überhaupt durch die fremde Sprache erst erkennbar; erst durch den direkten Fokus auf die Sprache tritt sie aus dem blinden Fleck hervor, in dem sie vorher übersehen wurde. Der Gedanke, dass nicht nur reale Sachfach-Unterrichtsinhalte das Fremdsprachenlernen unterstützen können, sondern dass umgekehrt auch die ,fremde' Sprache das Verstehen von Sachverhalten erleichtert, ist die Kernidee bifokaler Betrachtungen, welche ]F[,i.ill, 36 (2007) 120 Christa Rittersbacher sich wechselseitig bedingende Sprachbetrachtungen und Sachzusammenhang-Betrachtungen in Einern darstellen. Die ,fremde' Sprache spitzt dabei sozusagen die Verstehensprobleme, die sich im monolingualen Unterricht ergeben, dadurch zu, dass sie die Sachverhalte mit einem anderen System von Homonymien und Synonymien sprachlich verarbeitet. Eine Unterrichtskonzeption, in der der Sach- und der Sprachaspekt beide gleichermaßen im Brennpunkt stehen, lässt sich treffender als mit ,bilingual' mit ,bifokal' bezeichnen: als ein Unterricht mit dem Fokus auf verschiedene Dinge, auf die Sache(n) und die Sprache(n). 6 5. Die Synergetik 7 sprachlicher und sachfachlicher Phänomene Die im Folgenden anhand von drei Beispielen dargelegte Beziehung von Sprache und Sache illustriert das oben dargelegte Konzept bifokalen Unterrichts: Die Sprache mit dem ihr eigenen System von Homonymien und Synonymien wird genutzt, um den Fokus auf unterschiedliche Sichtweisen ein und derselben Sache zu lenken und so die Sache selbst besser zu verstehen (vgl. RITTERSBACHER 2007 (in Druck) zur Darlegung zweier entsprechender Unterrichtseinheiten). 5.1 ,Raum' als Ordnungskategorie der Lebenswirklichkeit Der baden-württembergische Bildungsplan für die Grundschule liefert als ein Kompetenzfeld im Sachunterricht „Raum und Zeit erleben und gestalten", mit dem ,Raum' als elementarer Ordnungskategorie der Lebenswirklichkeit (Bildungsplan Grundschule 2004: 101). Wer das Thema bifokal denkt, merkt, dass das, was im Deutschen ein Raum ist, im Englischen noch lange keiner sein muss. Die folgenden ,Räume' machen das deutlich: ,Zeitraum', ,Zwischenraum', ,Zahlenraum', ,Lebensraum', ,Sprachraum'. An manchen Stellen müssen wir space verwenden, wie beim ,Zwischenraum'. An anderen Stellen spricht das Englische von ,Fläche', wie beim Sprachraum (linguistic area) oder von ,Gebiet', wie beim Zahlenraum, number range. Ein ,Lebensraum' ist eben kein living room, und ein so paradoxes Wort wie ,Zeitraum' kennen die Engländer gar nicht, sie haben ein eigenes Wort für das Gemeinte (interval). Kurzum: der Umweg über die Übersetzung ins Englische zeigt uns, dass die Sachunterrichtskategorie ,Raum' in der Lebenswirklichkeit auf ganz Verschiedenes hinweist: auf Räume, die ein oben-untenvorne-hinten-links-rechts kennen, und auf solche, wo diese Orientierung nicht in Frage 6 Der Begriff ,bifokaler Unterricht' selbst wurde von Peter BUCK geprägt, auch HABEKOST (2004) hat ihn von Buck übernommen. 7 Das Wort ,Synergetik' wurde mit Bedacht gewählt. Zum einen bezeichnet es mit der Endung-ik, wie auch die Wörter ,Poetik', ,Diätetik', ,Phonetik' usw., einen Phänomenkomplex. Ursprünglich geht es auf den theoretischen Physiker Hermann HAKEN zurück, dem Begründer eines „interdisziplinären Forschungsgebiets" mit Namen "Synergetik" (vgl. HAKEN/ BUCK 1980). lFlLuL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 121 kommt, sondern wo ,Räume' Kategorisierungen im weitesten Sinne gewährleisten. Während im Deutschen dasselbe Wort offene, geschlossene, metaphorische und viele andere ,Räume' bezeichnet, differenziert das Englische zwischen diesen Ordnungskategorien der Lebenswirklichkeit. 5.2 Wasserstoff und der Stoff Wasser Die Unterscheidung von ,Wasser' und ,Wasserstoff' scheint evident (zumal das eine bei Normalbedingungen eine Flüssigkeit, das andere ein Gas ist). Für Chemielernende muss jedoch keineswegs klar sein, warum {Wasserstoff} und {der Stoff Wasser} nicht ein und dasselbe sein sollten (vgl. BUCK 2004: 26). Im Anfangsunterricht Chemie passiert Folgendes: Die Schülerinnen und Schüler lernen Stoffe, ihre Eigenschaften und verschiedene Trennmethoden von Stoffgemischen kennen. Später geht es um Wasser und dabei um die Frage, ob Wasser ein elementarer Stoff oder eine Verbindung sei. Hier ist das Anknüpfen an Vorwissen in der englischen Sprache leicht. Water ist eine ,Verbindung', compound, und wird damit im Englischen mit einem Wort beschrieben, das die Zusammensetzung aus Komponenten, components, betont. Der erste in dieser Unterrichtsphase untersuchte component ist hydrogen, ein elementarer Stoff, der im Englischen eben nicht ,Wasserstojf heißt und anders als im Deutschen den Schülerinnen und Schülern nicht vorgaukelt, es könnte sich um den Stoff Wasser handeln. 5.3 Die Unterscheidung von Farbe und Farbe Lehrerinnen und Lehrern der Naturwissenschaften bereitet die Unterscheidung von ,Farbe' und ,Farbe' keine Schwierigkeiten, wohl aber Schülerinnen und Schülern von 12 oder 13 Jahren, wenn wir sie, wie etwa Wobbe DE Vos das tat (2002), im Chemieunterricht fragen, wie das denn kommt, dass plötzlich eine gelbe Farbe auftritt (wo vorher alles völlig farblos und durchsichtig gewesen war, etwa wenn wir Bleinitrat und Kaliumiodid mit einander verreiben oder in Lösung miteinander reagieren lassen). Für Schülerinnen und Schüler, die anfangen Chemie zu lernen, ist nicht im geringsten klar, was gemeint ist, wenn von ,Farbe' gesprochen wird. Die folgende Aufzählung macht deutlich, wo das Problem liegt, indem vier Beispiele aus dem Kontext der Schule gegeben werden, in denen das Wort ,Farbe' den Lernenden in mindestens vier Kontexten mit mindestens vier unterschiedlichen Konnotationen begegnet: 1. Im Chemieunterricht, wenn Farbe eine charakteristische Stoffeigenschaft ist: Schwefelblüte ist gelb, Magnesiumoxid weiß, Eosin bläulich, in Lösung rot. Die Engländer sagen hier colour. 2. Im Chemieunterricht, wenn die Farbe der Stoff selbst ist (und nicht eine Eigenschaft). Im Englischen unterscheiden wir bei dieser ,Farbe' dann paint, pigment und dye: o paint ist das Mittel, das zum Anmalen von Gegenständen, Leinwänden usw. verwendet wird. Chemisch ist es eine Stoffmischung (z.B. auf Acrylbasis); o pigment ist der Stoff, der für paint benötigt wird. Bei einem pigment ist die Farbe des Stoffs im Prinzip identisch mit dem Farbeffekt, den man erzielen will. Pigments fJLulL 36 (2007) 122 Christa Rittersbacher kann man auch (z.B. im Zeichenunterricht) selbst mit Wasser verrühren und mit dem Pinsel auftragen. Dann hat man genau genommen paint hergestellt; o dye ist ein Stoff, der einen Farbeffekt auf einem anderen Stoff erzielen soll. Die Farbe des dye stimmt meist nicht mit dem Farbeffekt überein (z.B. beim Indigo (Indigweiß) der Blue Jeans). 3. Im Physikunterricht, wenn ein Schatten farbig ist oder ein Lichteffekt auftritt; für die Physiker ist „Farbe" dann eine Lichtart. Die Engländer sagen dazu colour. 4. Im Kunstunterricht, wenn mit Farben gearbeitet wird. Mal bedeutet Farbe dann paint, je nach Farbstoff und zu färbendem Materialpigment oder dye und, wenn es um die Farbeigenschaft geht, colour. 6. Konsequenzen für den bifokalen Unterricht Es liegt auf der Hand, dass eine solche Beachtung der sprachlichen Phänomene, wie sie die obigen Beispiele zeigen, nicht ausdrücklich einer Fremdsprache bedarf. Wir könnten uns auch im Deutschen präzise ausdrücken. Das meint Peter BUCK, wenn er seit Jahren erklärt, wir sollten im Unterricht auch über Sprache und nicht allein über Chemie sprechen (vgl. dazu auch VoGELEZANG 1988). Aus seinem wagenschein'schen Verständnis von Unterricht und Verstehen argumentiert auch er, dass Verstehen eben im Medium der Sprache ablaufe und Menschen-Missverstehen und Sachzusammenhänge-Missverstehen ja sehr häufig durch den Hinweis auf die Teekesselehen, auf die Homonyme, geklärt werden können. Das Sprechen über Chemie würde dann zu weniger Missverständnissen führen, wenn wir die Kontexte genauer beachten würden, in denen wir sprechen. So könnten wir bei den Säuren explizit von Lewis-Säuren, Brönsted-Säuren usw. sprechen; beim Beispiel der Farbe könnten wir konsequent unterscheiden zwischen ,Farbeigenschaft', ,Farbstoff', ,Farbeffekt', ,Färbemittel', ,Wandfarbe' etc. Beim Wasserstoff wird es schon schwieriger um diese Elementbezeichnung kommen wir nicht herum. Gerade hier kann die Fremdsprache helfen, um Missverständnisse zu verhindern. Wenn wir ,Wasserstoff' nicht schlicht als das andere, deutsche Etikett für hydrogen verstehen, können wir die Kluft zwischen englischer und deutscher Fachsprache nutzen, um zu bemerken, wo die Verstehensprobleme liegen, und um zu erkennen, dass Schülerinnen und Schüler Wörter anders lesen und linguistisch gesehen Grund haben, Wasserstoff als den Stoff Wasser zu verstehen, schließlich ist Weizenmehl das Mehl des Weizens. Aus den Übersetzungen können wir zweierlei lernen, wenn wir sie genau genug betrachten: Verschiedene Sprachen gehen verschieden an die Formulierung eines Sachverhalts heran, sie haben unterschiedliche Wörter, eine unterschiedliche Grammatik und Eins-zu-eins-Übersetzungen einzelner Wörter sind selten möglich. Dadurch werden wir auf die Unterschiede in der Sache nicht nur aufmerksam, wir können sie auch genauer benennen, z.B. indem wir Wörter aus der einen oder der anderen Sprache zu unserer persönlichen Formulierung des Verstandenen heranziehen. Unser Sachverstand (SachlFlLulL 36 (2007) Zur Eignung der Naturwissenschaften ... für den bilingualen Unterricht ... 123 horizont) weitet sich in Synergie mit dem Sprachhorizont. Im bifokalen Unterricht ist das Eine (die Sache) auf das Andere (die Sprache) verwiesen und umgekehrt. Literatur ABENDROTH-TIMMER, Dagmar/ BREIDBACH, Stephan (Hrsg.) (2000): Handlungsorientierung und Mehrsprachigkeit. KFU Band 7. Frankfurt a.M. [usw.]: Lang. AMMON, Ulrich (Hrsg.) (2001): The Dominance of English as a Language of Science: Effects on other Languages and Language Communities. Berlin: Mouton de Gruyter. Bildungsplan Grundschule, siehe MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BADEN-WÜRTTEM- BERG (2004a). 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The following paper presents a threefold teaching model that can be used in any CLIL situation. lt promotes the acquisition of the three major competences that learners need: foreign language competence, subject matter competence and interactional competence. Each of the three aspects is discussed on both a theoretical and practical level including suggestions for helpful teaching strategies. 1. CLIL: Formen, Methodik, Didaktik Die Verwendung einer Fremdsprache als Unterrichtssprache im Fachunterricht ist mittlerweile ein fester Teil der deutschen Schul- und Hochschullandschaft. Die verschiedenen Angebote unterscheiden sich insbesondere in ihrer Organisationsform und ihrer Klientel. Das Spektrum reicht von den Europaschulen mit ihrer binationalen Schülerschaft auf der einen Seite bis zu den so genannten Kompetenzkursen (FRAEDRICHILEHBERGER 2001), in denen die Fremdsprache nur rezeptiv verwendet wird. Dazwischen liegen alle möglichen Abstufungen des so genannten Bilingualen Unterrichts, von ganzem Bildungsgang bis zu mehrwöchigem Modul und von der globalen lingua franca Englisch bis zu den Herkunftssprachen von Migrant(inn)en. Eine gängige Definition von Bilingualem Unterricht, "Fachunterricht in einer Fremdsprache", beschreibt außerdem treffend die tägliche Situation von unzähligen Migrant(inn)en im deutschsprachigen Fachunterricht. All dies ist also CLIL, und eine CLIL-Methodik muss in der Lage sein, mit möglichst geringen Anpassungen die Inszenierung all dieser Unterrichtsformen zu ermöglichen. Das ersetzt keine Didaktik und ist damit keinesfalls als Konkurrenzveranstaltung zu aktuellen didaktischen Ansätzen zu sehen. Sowohl der schultheoretische (ZYDATiß 2002) als auch der bildungstheoretische (BREIDBACH 2006) Ansatz, so wie sie z.B. in der Forschung zu Bilingualem Unterricht in Deutschland vorgetragen werden, sind notwendig, um die Inhalte von CLIL zu bestimmen. Noch notwendiger sind sie, um die engen institutionellen Grenzen, die Unterricht gesetzt werden, durch alternative Ansätze, wie Korrespondenzadresse: Dr. Andreas BONNET, Vertretungsprofessor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Universität Hamburg, Fakultät 4- Fachbereich Erziehungswissenschaft, Sektion 4: Didaktik der sprachlichen und ästhetischen Fächer, Von-Melle-Park 8, 20146 HAMBURG. E-Mail: a.bonnet@gmx.de Arbeitsbereiche: Bilingualer Unterricht, empirische Unterrichtsforschung, Filmdidaktik. lFL1llllL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 127 z.B. die Bildungsgangforschung (vgl. z.B. BONNETIBREIDBACH [im Druck]), aufzuweiten. Während die Didaktik also die Frage nach den Inhalten des Unterrichts stellt, verstehe ich die Methodik getreu der ursprünglichen griechischen Bedeutung (methodos = Weg auf ein Ziel hin) als die Frage nach der Art und Weise der unterrichtlichen Bearbeitung dieser Inhalte. Ihr Ziel ist es also, theoretische Prinzipien und konkrete Verfahren bereitzustellen, um Unterricht so zu inszenieren, dass die Schüler darin Kompetenz erwerben können. VIELAU (2003: 239) bringt dies in seinem Methodenaufsatz für das Handbuch Fremdsprachenunterricht prägnant auf den Punkt, wenn er formuliert, dass es das Ziel der Methodik sei, "begründete Lehrhypothesen zur Optimierung der Lernprozesse zu bilden". 2. Die Drei-Säulen-Methodik: Ausgangsmodell und Bezugspunkte Im Folgenden geht es also um ein methodisches Modell, mit dem CLIL-Arrangements inszeniert und damit sowohl geplant als auch evaluiert werden können. Ausgangspunkt ist meine eigene Erfahrung als Forscher, der Bilingualen Unterric\lt empirisch untersucht hat, sowie als Lehrer, der Bilingualen Unterricht als Modul im Fach Chemie durchgeführt hat. Sowohl zur Evaluation als auch zur Planung von CLIL hat sich für mich ein Modell als erfolgreich erwiesen, das aus drei Säulen besteht (BONNET 2004a). reduziert Komplexität führt zu ~ .. " reduziert Komplexität ✓ reduziert Komplexität führt zu Abb. 1: Empirisches Modell der Bedingungsfaktoren für erfolgreiche CLIL-Inszenierungen (vgl. z.B. BONNET 2004b). Kompetenzen und Bedeutungsaushandlung bedingen sich gegenseitig lFL11lJL 36 (2007) 128 Andreas Bonnet Im Zentrum steht dabei das Konzept der Bedeutungsaushandlung. Dieser Begriff wird in den Didaktiken sehr unterschiedlich verwendet (vgl. für die Fremdsprachendidaktik z.B. BACH 1998; BLEYHL 2003; MEYER 1992; NISSEN 1998). Einig sind sich die Ansätze lediglich darin, dass Bedeutungsaushandlung der Schlüssel zum Kompetenzerwerb ist. Gelingt sie, so finden Lernen und Bildung statt, gelingt sie nicht, läuft der Unterricht ins Leere. Ich verwende im Folgenden ein Modell von Bedeutungsaushandlung, das sich in meiner empirischen Untersuchung zu bilingualem Chemieunterricht (BONNET 2004a) als sehr fruchtbar erwiesen hat. Bedeutungsaushandlung hat danach zwei Aspekte. Zum einen erfüllt sie für die Schüler die Funktion des gegenseitigen Abgleichs ihrer in den Unterricht mitgebrachten Vorstellungen. Die Lernenden verbalisieren ihre Ideen und erhalten aus der Lerngruppe kritische oder bestätigende Rückmeldung dazu. In der Sprache des Konstruktivismus: Es findet Viabilitätsprüfung statt. Zum anderen findet man empirisch insbesondere in kooperativen Arrangements mit Kleingruppen aber auch den Fall, dass in der Interaktion Ideen entstehen, die deutlich über die von den Teilnehmern eingebrachten Vorstellungen hinausgehen. Problemlösungen entstammen dann nicht den Köpfen Einzelner, sondern entspringen der Interaktion. In der Sprache des symbolischen Interaktionismus: Es findet Emergenz statt. Bedeutungsaushandlung ist dann erfolgreich - Viabilitätsprüfung und/ oder Emergenz finden also statt -, wenn die Komplexität des Interaktionsraums genügend gering ist, damit die Lerner sich in ihren Interaktions- und Argumentationszügen aufeinander beziehen können, einfach gesagt: wenn sie ausdrücken können, was sie sagen wollen, und ihre Partner sie verstehen. Empirisch hat sich gezeigt, dass drei Bedingungsfaktoren diese Komplexität entscheidend beeinflussen: die (fremd)sprachliche Kompetenz, die sachfachliche Kompetenz und die interaktionale Kompetenz der Schüler (vgl. Abb. 1 [S. 127]). Das Fundament des CLIL-Gebäudes steht somit auf drei Säulen. Wenn eine davon zu kurz oder schwach ist, bricht das gesamte Gebäude zusammen. Alle anderen zweifelsohne wichtigen Aspekte wie z.B. die methodische Einbindung der kulturellen Hintergründe der Beteiligten werden dadurch keinesfalls in Frage gestellt. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob sie nicht genauso existenziell für diese Unterrichtsform sind wie die hier berücksichtigten drei Dimensionen. Alle mir zugänglichen empirischen und praktischen Erkenntnisse belegen aber auf jeden Fall, dass die nicht ausreichende Berücksichtigung einer oder mehrerer der hier behandelten drei Säulen Kompetenzerwerb scheitern lässt. Daher beschränke ich mich auf diese drei aus meiner Sicht mit Sicherheit existenziellen Säulen von CLIL. Das im Folgenden vorgestellte Modell versucht den Anspruch der Übertragbarkeit zu erfüllen, indem Ansätze aus verschiedenen Bereichen berücksichtigt werden. Dies soll auch einen Beitrag dazu leisten, diese Bereiche miteinander ins Gespräch zu bringen. Dabei werden jeweils Ansätze gewählt, die ihre besondere Stärke in Unterrichtspraxis oder empirischer Forschung gezeigt haben. Die Forschung zu Bilingualem Unterricht trägt den sprachlichen Anteil, die Forschung zu deutschsprachigem Fachunterricht an den deutschen Auslandsschulen den Sachfachanteil, und die Erziehungswissenschaft kümmert sich um die interaktionale Kompetenz. Ich werde diese drei Säulen nun nacheinander lFJL1llllL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 129 vorstellen und dabei jeweils drei Schritte machen. Nach einer kurzen Darstellung der theoretischen, unterrichtspraktischen oder empirischen Herkunft der Überlegungen werden zunächst Grundprobleme und· Prinzipien und im Anschluss daraus abgeleitete methodische Maßnahmen erläutert. Die drei Teilbereiche bilden dann zusammen eine methodische Landkarte, mit deren Hilfe sich CLIL planen und evaluieren lässt. Diese Landkarte findet sich am Ende des Aufsatzes. 3. Die Förderung des Erwerbs (fremd)sprachlicher Kompetenz Die erste Aufgabe, die eine Methodik für CLIL erfüllen muss, ist es, den Erwerb der fremdsprachlichen Kompetenz der Schüler zu fördern. Für diesen Teilbereich ist der Blick auf die fremdsprachendidaktisch geprägte Forschung zu Bilingualem Unterricht in Deutschland interessant. Hier ist man immer wieder davon ausgegangen, dass die Kombination von Fremdsprach- und Sachfachmethodik zum Ziel führt. Im jüngsten Ansatz, der "bifokalen Unterrichtsplanung" (HABEKOST 2004), wird dies schon im Titel deutlich: Man zieht also wechselseitig eine fremdsprachen- und sachfachmethodische Brille auf und plant so den Unterricht. Dies reagiert auf die Grundsituation, dass im Bilingualen Unterrichtman muss allerdings einschränken, dass dies so nur in der Mittelstufe der Fall ist (vgl. z.B. PILZECKER 2001)die Sprachkompetenz der Schüler hinter ihrer Sachfachkompetenz zurücksteht. Mit diesem Problem haben sich auch frühere Ansätze, wie z.B. THÜRMANNS (2000) "Inseln im Methodenarchipel", auseinander gesetzt. Man kann also sagen, dass die deutsche Diskussion um Bilingualen Unterricht erst sehr spät dazu gekommen ist, neue Wege zu einer wirklichen Integration von Fach und Sprache zu suchen. Dieser Mangel hat allerdings gleichzeitig eine Stärke hervorgebracht, nämlich eine beachtliche Expertise im systematischen Umgang mit der Förderung der fremdsprachlichen Kompetenz. 3.1 Grundprobleme und Prinzipien Das grundlegende Problem beschreibt THÜRMANN in seinem eigenen methodischen Ansatz als „Diskrepanz zwischen den fremdsprachlichen und den kognitiven Möglichkeiten der Lernenden in den Sachfächern" (2000: 75), wobei die fremdsprachliche Kompetenz den allgemein-kognitiven und sachfachlichen Kompetenzen hinterherhinke. Entsprechend baut er seinen Ansatz seine „Inseln im Methodenarchipel" (a.a.O.: 82 ff) um die Sprachrezeption und -produktion herum auf. Auf der Basis derselben Diagnose formuliert Krechel die Zielsetzung für die Methodik als Durchführung einer auf die Inhalte bezogenen Spracharbeit: "Die inhaltsbezogene Spracharbeit, die sprachliches Lernen mit methodischem und inhaltlichem Lernen verknüpft, hat zum Ziel, die Lernenden zu einer erhöhten fremdsprachlichen Flexibilität zu führen, und dies unter fachspezifischen Bedingungen." (2003: 197) Aus diesen Grundannahmen ergeben sich folgende Prinzipien für die sprachliche Säule der CLIL-Methodik: lFLulL 36 (2007) 130 Andreas Bonnet 1. Das sprachliche Verstehen bildet die Grundlage der unterrichtlichen Arbeit. Das bedeutet zum einen, dass der Unterricht von der Sprachrezeption zur Sprachproduktion voranschreitet. Zum anderen folgt daraus aber auch, dass das Verstehen durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen -Thürrnann betont besonders die Visualisierungerleichtert werden muss. 2. Besondere Bedeutung kollllllt der Lesekompetenz zu, die dazu dient, sowohl kontinuierlichen als auch diskontinuierlichen Texten Informationen zu entnehmen. Der (Fremd)Sprach(en)unterricht stellt dazu entsprechende Methoden bereit. Dabei betont KRECHEL sehr zu Recht, dass es gerade in der CLIL-Situation besonders wichtig sei, vielfältige Texte zu wählen, um „mehrere informationsverarbeitende Kanäle bei den Lernenden zu nutzen" (a.a.O.: 200). Außerdem kann man davon ausgehen, dass dadurch das Interesse der Lernenden steigt und damit der den Spracherwerb hellllllende affektive Filter (z.B. KRASHEN) reduziert wird. 3. Gelingende Sprachproduktion ist die Grundlage dafür, dass die Schüler sich im Sinne der zwei Anteile von Bedeutungsaushandlung in den Unterricht einbringen können. Sie muss daher durch funktionale Spracharbeit explizit gefördert werden, wobei je nach schulischen Gegebenheiten der Fremdsprachenunterricht Teile davon übernehmen kann. THÜRMANN nennt hier besonders die Wortschatzarbeit, sowie die Bereitstellung von Phrasen der Unterrichtssprache und die Erarbeitung von Redemitteln für grundlegende kognitive Operationen wie z.B. Vergleichen, Klassifizieren oder Bewerten. (a.a.O.: 87 t) 4. Die Erstsprachen der Lernenden haben einen wichtigen Platz im CLIL-Klassenzillllller. Zwar bezweifele ich aufgrund meiner eigenen empirischen Forschung (BONNET 2004a) und Unterrichtserfahrung, dass mit der Erstsprache Probleme beim sachfachlichen Kompetenzerwerb geklärt werden können. KRECHEL nennt aber andere überzeugende Anlässe, bei denen sie hilfreich ist, u.a. zur Entwicklung fachsprachlicher Kompetenz in der Muttersprache und bei der Metakollllllunikation. (a.a.O.: 201) 5. Es besteht kein Zweifel, dass die Toleranz gegenüber formalen sprachlichen Fehlern im CLIL-Klassenraum so hoch wie möglich sein sollte. Das Kriterium ist dabei stets die Verständlichkeit einer Aussage. Nur wenn die Bedeutungsaushandlung irreparabel gestört ist, ist eine Intervention unvermeidlich. 3.2 Methodische Maßnahmen Um diesen Prinzipien gerecht werden zu können, benötigt man im Unterricht eine Reihe von Methoden, die alle auch im Fremdsprachenunterricht angewendet werden. All diese Methoden erfordern z.T. komplexe kognitive Prozesse und systematische Arbeitsorganisation. Ihr Erlernen kann daher nicht nebenbei erfolgen, sondern es muss expliziter Bestandteil des Unterrichts sein. Um die Rezeption zu erleichtern, hat sich die schrittweise Texterschließung als erfolgreich erwiesen. Dabei wird ein Text in mehreren Durchgängen erschlossen und je nach Fragestellung in verschiedener Genauigkeit ausgewertet. Das Prinzip der inhaltsorientierten Spracharbeit bedeutet dabei, dass im Zentrum der Arbeit am Textaußer wenn dies lFJLuL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodikfür CL/ L 131 z.B. bei der Bearbeitung von Karikaturen oder satirischen Kommentaren explizites Unterrichtsziel ist nicht dessen Kompositionsprinzipien sondern die Informationsentnahme steht. KRECHEL (a.a.O.: 204) schlägt dafür vier Phasen vor: (1) Pre-reading-activities wie Brainstorming oder Assoziieren, um das Vorwissen und den thematischen Wortschatz zu aktivieren. (2) Orientierendes Erstlesen zur Schaffung von „Verstehensinseln". (3) Detailerfassung mit je nach Aufgabenstellung verschieden intensiver Wörterbucharbeit. (4) Abschließendes ggf. nur noch passagenweises Lesen zum Komplettieren der eigenen Notizen. Auch die Textproduktion ist für die Lernenden eine komplexe Aufgabe. Dementsprechend ist auch hier eine systematische Aufgliederung des Produktionsprozesses sinnvoll. Wiederum schlägt KRECHEL (a.a.O.: 213 ff) ein vierstufiges Verfahren vor: (1) Pre-writing-activities wie Mind-mapping oder Erstellen von Vokabellisten, um fachliches und sprachliches Wissen zu aktivieren. (2) Erstellen eines Textplans und Formulieren von Textteilen. (3) Überarbeitung des Textes durch u.a. Elaborieren, Verkürzen und Verbinden. (4) Die Schlussredaktion, in der ein evtl. Adressatenbezug verwirklicht und die Fehlerkorrektur durchgeführt wird. Neben den sehr komplexen Verfahren der Textrezeption und -produktion müssen die Schüler natürlich auch die im fremdsprachlichen Unterricht üblichen allgemeinen Lern- und Arbeitstechniken beherrschen. KRECHEL (a.a.O.: 206) nennt hier drei zentrale Fertigkeiten: (1) Inferierungstechniken wie z.B. Wortsegmentierung oder Kontextanalyse, um Bedeutung auch ohne Hilfsmittel erschließen zu können. (2) Kenntnis des Wörterbuchs, um Wortbedeutungen sicher zu erschließen und die umfangreichen Informationen der dictionaries auch für die Textproduktion zu nutzen. (3) Techniken der Informationsentnahme und Visualisierung wie z.B. Note-taking oder Mind-mapping. Schließlich ist auch im CLIL-Klassenraum explizite Wortschatzarbeit notwendig. Aufgrund der Vielzahl spezieller Verwendungszusammenhänge kann man hier in den seltensten Fällen auf fertige Wortschatzsammlungen zurückgreifen. Daher hat sich ein vierstufiges Verfahren bewährt (BONNET 2005). (1) Der Lehrer erstellt für die Schüler einführend eine Sammlung relevanter nicht-themenspezifischer, aber sehr wohl für das Fach relevanter Wörter und Formulierungen für die Naturwissenschaften z.B. logische Relationen, Farben oder Oberflächenbeschaffenheiten. (2) Die Schüler fertigen unterrichtsbegleitend selbst eigene Wörterlisten an. Am besten werden diese Listen natürlich als Vokabelkartei (vgl. z.B. QUETZ 1998) geführt. (3) Etwa zur Hälfte einer Unterrichtseinheit wird eine Mind-Map aller neu aufgetretenen Wörter erstellt, in denen der Fachwortschatz nach Wortfeldern gegliedert ist. Bei der Klärung einzelner Wortbedeutungen ergeben sich zumeist wichtige fachliche Diskussionen zur Erläuterung oder Vertiefung behandelter Phänomene. (4) Zum Abschluss wird aus den einzelnen Listen eine Gesamtliste erstellt und eine gemeinsame Mind-Map erstellt. Diese von den Lernenden erstellten Produkte haben sich in der Praxis als sehr hilfreich für die weitere inhaltliche Arbeit und Vorbereitung auf Prüfungen erwiesen. lFILwL 36 (2007) 132 Andreas Bonnet 4. Die Förderung des Erwerbs sachfachlicher Kompetenz Für die Betrachtung der sachfachlichen Kompetenz muss man von der Fremdsprachenin die Sachfachdidaktiken wechseln. Dort hat sich in den vergangenen Jahren besonders im Kontext der großen Querschnittuntersuchungen TIMSS und PISA eine rege Diskussion entfaltet, was im jeweiligen Fach unter Kompetenz zu verstehen sei. Im Zentrum der Diskussion steht dabei oft das aus dem angelsächsischen Sprachraum übernommene Konzept der literacy, das für das jeweilige Fach ausbuchstabiert wird. Derartige fachspezifische Modelle sind bereits ansatzweise für den Bilingualen Unterricht und damit auch für CLIL diskutiert worden. Vorwiegend didaktische Überlegungen für die Fächer Biologie, Chemie, Geographie, Geschichte, Kunst, Musik, Politik, Physik und Sport finden sich in (BONNET/ BREIDBACH 2004: 205-330), methodische Ansätze für die Fächer Biologie, Geographie, Geschichte und Sport in (WJLDHAGE/ OTTEN 2003: 46-169). 4.1 Grundprobleme und Prinzipien Gewiss hält der Unterricht für die Schüler in jedem Fach ein besonderes Profil kognitiver und emotionaler Anforderungen und Angebote bereit. Der bis in die jüngste Vergangenheit oft unternommene Versuch, dies auf die Unterrichtsfächer selbst zurückzuführen, indem jeder Disziplin bestimmte kognitive Operationen und damit Sprachfunktionen zugeordnet werden, führt jedoch in die Irre, denn „die Zuordnung einzelner Fächer zu bestimmten sprachdidaktischen Funktionen lässt sich nicht aus einer ,Sachlogik' der Fächer ableiten" (MüHLMANN/ OTTEN 1991: 7). Viel wichtiger ist die methodische Orientierung des Unterrichts, die z.B. ohne weiteres selbstbestimmte, ästhetische und expressive Handlungen und Mitteilungen auch im naturwissenschaftlichen Unterricht erlaubt. Was bedeutet dies für die Suche nach geeigneten Strategien zur Förderung der sachfachlichen Kompetenz? Nicht die Betonung der Individualität der Fächer, sondern die Suche nach ihrem gemeinsamen Kern führt zum Ziel. Dabei ist Hallets Ansatz hilfreich, der Bilingualen Unterricht und damit auch CLIL als „fremdsprachige Konstruktion wissenschaftlicher Begriffe" modelliert (HALLET 2002). Man kann an seinem sehr pointierten Ansatz kritisieren, dass er viele didaktische Entscheidungen implizit vorwegnimmt, und z.B. fragen, warum er die senso-motorische oder emotionale Seite von Kompetenz unterschlägt oder wie er dazu kommt, sich auf „wissenschaftliche" Begriffe zu konzentrieren. Sein großes Verdienst ist aber zweifelsohne die Analyse, dass es beim Erwerb sachfachlicher Kompetenz immer auch darum geht, die für den jeweiligen Gegenstandsbereich zentralen Konzepte zu verstehen und mit ihnen Probleme zu lösen. Ob es nun der Begriff „Raum" in der Geographie, "Stoff' in der Chemie oder „Demokratie" in der Politik ist, immer greift die inhaltliche Arbeit auf komplexe Konzepte zurück. Am Beispiel des „Niederschlag[s]" zeigt Hallet eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem relativ übersichtlichen Alltagskonzept „Regen", das wir im Wesentlichen als „Wasser von oben" verstehen, und dem fachlichen Konzept „Niederschlag", das nur über das Verständnis des kompletten Wasserkreislaufs mit seinen physikalischen und chemischen Prinzipien erschließbar ist. lFLllliL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 133 Damit wird deutlich, wie weit die Strecke ist, welche die Schüler auf dem Weg zu sachfachlicher Kompetenz zurücklegen müssen. Die englische Naturwissenschaftsdidaktikerin Rosalind Driver verwendet daher zu Recht das Bild der langen Reise, die die Lernenden unternehmen. Eine für CLIL geeignete Unterrichtsmethodik hat daher die Aufgabe, diese Reise der Lernenden zu begleiten und zu erleichtern. Dazu findet sich mit dem „Wechsel der Darstellungsformen" (LEISEN 2005) ein systematisch ausgearbeiteter und auf viele Unterrichtsfächer herunter gebrochener Ansatz (LEISEN 2000) für den sog. "deutschsprachigen Fachunterricht" an den Deutschen Auslandsschulen eine CLIL- Situation, in der nicht-deutsche Muttersprachler in ihrer L2 (Deutsch) unterrichtet werden. Josef Leisen geht dabei von folgenden Prinzipien aus: 1. Der Erwerb fachlicher Kompetenz in einem Sachfach zielt im Kern darauf ab, fachspezifische Aufgaben- und Problemstellungen bewältigen zu lernen (LEISEN 2005: 9). Eigentlich muss man auch hier die Frage stellen, wie groß die Spezifik einzelner Fächer wirklich ist. Unterrichtspraktisch stellt sich diese Frage aber nicht, da Leisens Ansatz auch ohne die Beantwortung dieser Frage bestens funktioniert. 2. Die fachlichen Gegenstände können mit verschiedenen Methoden (z.B. Experiment oder szenische Interpretation) und damit in verschiedenen Darstellungsformen konstruiert werden. Jede Darstellungsform kann man einem bestimmten Abstraktionsniveau zuordnen (vgl. Tab. 1 [-+ S. 134)). 3. Jeder Gegenstand kann in der Reihenfolge steigender Abstraktion 1 gegenständlich (z.B. als Handlung: Exkursion in einem Ökosystem), bildlich (z.B. als Filmleiste: Schlüsselszenen eines Romans), sprachlich (z.B. als Präsentation: Regeln eines Ballspiels), symbolisch (z.B. als Flussdiagramm: Abfolge von Schritten eines Wahlverfahrens) und mathematisch (z.B. als Formel: Berechnung des arithmetischen Mittels) dargestellt werden. 4. Bei jedem Wechsel zwischen zwei Ebenen findet Kompetenzerwerb nicht nur im sprachlichen und fachlichen Bereich statt, sondern die Schüler erweitern auch ihr Methodenrepertoire und werden über verschiedene Wahrnehmungskanäle angesprochen (LEISEN 2000: 16). 4.2 Methodische Maßnahmen Entsprechend dieser Prinzipien ist es nun möglich, den Unterricht als stetigen Wechsel der Darstellungsformen zu inszenieren. Eine solche Sequenz könnte wie folgt aussehen: Die Progression in steigender Abstraktion ist im konstruktivistisch gedachten Modell von Leisen nicht zwingend. Berücksichtigt man allerdings die Erkenntnisse der Evaluation der nordamerikanischen Immersionsprojekte und insbesondere das Sprachebenenmodell von Jim Cummins (z.B. CUMMINS 2000) mit seiner Bewertung der Schwierigkeit sprachlicher Kommunikation entlang zweier Achsen (Kontexteinbettung vs. inhaltlicher Anspruch mit den Extremen Basic lnterpersonal Communicative Skills [BICSJ vs. Cognitive Academic Language Proficiency [CALPJ), so stellt die Progression von Darstellungsformen niedriger Abstraktion zu jenen hoher Abstraktion sicher, dass möglichst viele Schüler(inn)en sich beteiligen können. Die kanadische Forschung belegt dies insbesondere für Lernende mit Migrationshintergrund (vgl. z.B. CUMMINS/ SWAIN 1998). IFILl.llL 36 (2007) 134 Andreas Bonnet (1) Die Lernenden lesen einen Text über den Ablauf von Gesetzgebungsverfahren (Ebene III). (2) Sie erstellen ein Organigramm und ein Flussdiagramm (Ebene II). (3) Die Lerngruppe teilt sich in die relevanten Organe auf und stellt das Organigramm nach (Ebene I). (4) Die Lerngruppe führt in einem Planspiel selbst ein Gesetzgebungsverfahren durch (Ebene I). LEISEN (2005) gibt für die jeweiligen Ebenen folgende Darstellungsformen an: Ebene Darstellungsformen V Mathematische Darstellung Gesetz, Formel IV Symbolische Darstellung Strukturdiagramm, Flussdiagramm, Graph, Tabelle, Mind-Map III Sprachliche Darstellung Gespräch, Text, Mind-Map, Gliederung II Bildliche Darstellung Bild, Filmleiste, Zeichnung, Piktogramm, Mind-Map I Gegenständliche Darstellung Gegenstand, Experiment, Handlung Tab. 1: Darstellungsformen und ihre Ebenen (nach: LEISEN 2005) Dies bringt für CLIL einen entscheidenden Vorteil. Jeder Wechsel ist eine Sollbruchstelle, an der die Fachkompetenz der Lernenden herausgefordert wird - oder konstruktivistisch: an der sich die Viabilität der von ihnen bisher konstruierten fachlichen Konzepte zeigt. Dadurch wird verhindert, dass der Unterricht über längere Strecken an den Schülern vorbeiläuft, was besonders durch die im CLIL-Klassenraum erschwerend hinzukommenden sprachlichen Schwierigkeiten zu unlösbaren Problemen führen kann. Statt dessen ergeben sich für die Lerner überschaubare Rückmeldungs-Zyklen, durch die Verständnisprobleme schnell sieht- und bearbeitbar werden. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, all die Methoden aufzuzählen, die JosefLeisens Handbuch (LEISEN 2000) bereitstellt. Es soll genügen darauf zu verweisen, dass es allein im sog. Werkzeugkasten 40 Methoden von „Archiv" bis „Wortgeländer" anbietet und danach ausgearbeitete Arbeitsmaterialien für u.a. Biologie, Geschichte oder Mathematik enthält. 5. Die Förderung des Erwerbs interaktionaler Kompetenz Um die Förderung der interaktionalen Kompetenz zu diskutieren, ist erneut ein Perspektivwechsel erforderlich. Es geht nun darum, nicht nur sprachlich und fachlich von den Lernenden her zu denken. Blickt man durch ihre Brille, sieht man Unterricht nämlich nicht nur - und häufig gar nicht vor dem Hintergrund von Sprach- und Fachkompetenz sondern vor dem Hintergrund ihrer Lebenswelt: ihrer Träume und Ängste, ihrer Interessen und Abneigungen. Insbesondere in kooperativen Lernarrangements, die ja eigentlich dazu dienen, Bedeutungsaushandlung zu maximieren, ist das, was Schüler tun, oft nicht das, was wir als Lehrer glauben (BONNET [im Druck]). Besonders der Projektunterricht zeigt, welch lange Wege Schüler gehen müssen, bis sie mit der Arbeit am fachlichen Projekt lFLulL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 135 beginnen können. Dies ist keineswegs spezifisch für CLIL. Dies zu ignorieren, macht aber CLIL genauso unmöglich wie jeden anderen Unterricht. Deshalb muss die interaktionale Dimension berücksichtigt werden. 5.1 Grundprobleme und Prinzipien Dazu liefert die empirische Unterrichtsforschung einen sehr interessanten Ansatz. Untersucht man die Arbeit von Kleingruppen in einer CLIL-Situation (BONNET 2004a), so kann man folgendes Muster finden: In einer kooperativen Lernumgebung scheitert die Gruppe, obwohl zwei Teilnehmer eine hohe fachliche Kompetenz haben. Folgt man der bisher vorherrschenden Meinung, so müsste man annehmen, dass dies zum einen an einer zu geringen fremdsprachlichen Kompetenz der Schüler liegt, und dieses Problem sich zum anderen durch ein Ausweichen in die Muttersprache lösen lässt. Paradigmatisch wird diese Annahme durch BUTZKAMMs Konzept des "conversational lubricant" (1998) vertreten. Bei näherer Datenanalyse in diesem Fall (BONNET 2004a) stellt man aber fest, dass die Lernenden sehr wohl über eine für die Problemlösung ausreichende Sprachkompetenz verfügen, und dass das Problem auch durch Ausweichen in die Erstsprache nicht gelöst werden kann. Dieses Muster ist keinesfalls beschränkt auf die eine Kleingruppe. Auch in anderen CLIL-Situationen ebenso wie im fremdsprachlichen Literaturunterricht (BONNET/ DECKE-CORNILL 2007) zeigt sich folgendes Prinzip: Die Muttersprache tritt zwar in der Tat bei inhaltlichen Problemen auf, führt aber in keinem der untersuchten Fälle zu einer Lösung des inhaltlichen Problems. Vielmehr wechseln die Lernenden zurück in die Fremdsprache und nehmen einen neuen methodischen Anlauf. Eine Strategie dabei ist interessanterweise mit Josef LEISEN gesprochen eine Art selbständiger Wechsel der Darstellungsformen. Aus der Zusammenschau aller Analysen lässt sich folgern, dass die Lernenden vier Probleme lösen müssen, um in kooperativen Lernumgebungen erfolgreich zu sein: 1. Das Partizipationsproblem: Die Schüler müssen quantitativ überhaupt zum Zuge kommen, und ihre Beiträge müssen von den anderen Unterrichtsteilnehmern gehört werden. Es braucht also eine paritätische und demokratische Partizipationsstruktur. 2. Das Beziehungsproblem: Die Schüler müssen mit Antipathie und bewusster Störung umgehen können. Sie brauchen also eine Mediationskompetenz. 3. Das Komplexitätsproblem: Die Schüler müssen die Komplexität ihrer Interaktion kontrollieren, d.h. regelmäßig Resümees ihrer Arbeit ziehen und Werkzeuge haben, die die Komplexität des bearbeiteten Problems beherrschbar machen (z.B. Mind-Maps oder Tabellen). 4. Das Argumentationsproblem: Die Schüler dürfen nicht nur behaupten, sondern müssen auch begründen können. Argumentationstheoretisch heißt das: Sie dürfen nicht nur Schlussfolgerungen mitteilen, sondern müssen Begründungen liefern oder sogar erklären können, mit welchen Theorien sie gerade argumentieren. Erst auf dieser Ebene erfolgt Viabilitätsprüfung. lFLlllL 36 (2007) 136 Andreas Bannet Daraus lässt sich ein empirisch gegründetes Modell einer interaktionalen Kompetenz ableiten, das aus zwei Kategorien mit je zwei Dimensionen besteht. soziale Dimension Beziehungsaspekt Antipathie und Sympathie Partizipationsaspekt Beteiligung an der Interaktion regeln metakognitive Dimension Organisationsaspekt "Projektmanagement'') Argumentationsaspekt Begründungen und Erklärungen Abb. 2: Empirisches Modell der interaktionalen Kompetenz mit zwei Kategorien und insgesamt vier Dimensionen (vgl. BONNET [im Druck]). 5.2 Methodische Maßnahmen Akzeptiert man die Notwendigkeit, die interaktionale Kompetenz der Schüler als Grundlage - oder vielmehr: unverzichtbare Vorbedingung von Bedeutungsaushandlung zu entwickeln, so kann man nicht bei Mikromethoden stehen bleiben. Spätestens hier geht es um die Gesamtinszenierung des Unterrichts. Sollen die Schüler, die nun nicht mehr nur Lernsondern auch Bildungsprozesse durchlaufen, eine solche Kompetenz entwickeln, so brauchen sie offene Lernarrangements wie Rollenspiel, Projektarbeit oder Simulation. Und sie brauchen reflexive Produkte wie z.B. Lernertagebücher (BONNET 2005) die es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Prozess des Kompetenzerwerbs zu beobachten und zu steuern. Die vier Dimensionen können dabei wie folgt gefördert werden: Die Partizipationsstruktur kann verändert werden, indem die Lernenden Zeit und Anhaltspunkte zur Reflexion bekollllllen. So hat es sich bewährt, nach Ende einer Projektphase die Schüler mit Hilfe von Material zur Gruppendynamik wie z.B. Informationen über die verschiedenen Standardrollen in Gruppen (Chef, Ameise, etc.) ihre eigene Rolle herausarbeiten zu lassen. Anschließend können sie sich überlegen, ob sie beim nächsten Mal bewusst eine andere Rolle einnehmen wollen und dies schriftlich niederlegen, so dass der Erfolg der eigenen Vorsätze nach dem folgenden Projekt überprüft werden kann. Die erforderliche Mediationskompetenz kann zum einen grundlegend durch entsprechende Trainings (z.B. HAGEDORN 2005) erworben werden. Diese sind aufgrund des Zeitumfangs meist in Schulentwicklungsprojekte eingebunden. Die Kompetenz kann aber auch niederschwelliger einfach dadurch erworben werden, dass der Lehrer bei ernsthaften Problemen in Gruppen als Mediator auftritt und Gespräche mit entsprechendem Leitfaden führt. Die Schüler lernen so durch persönliches Erleben und können die Mediatorenrolle lFLwL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodikfar CLIL 137 schrittweise selbst einnehmen. Dabei ist die Abfolge immer ähnlich (z.B. a.a.O.: 60 f): (1) Vereinbaren der Unparteilichkeit des Mediators und des Unterbleibens weiterer Eskalation während des Gesprächs. (2) Darstellung des Konflikts durch die Beteiligten ohne Unterbrechung. (3) Nachfragen und Zusammenfassung des Konflikts durch den Mediator, bis alle Parteien signalisieren, dass sie ihre Sicht der Dinge als verstanden betrachten. (4) Vorschläge für Lösungen. (5) Formulierung von Verhaltensvereinbarungen, Sanktionen und ggf. Festlegung eines Folgetermins. Im Bereich der Metakognition sind zum einen einfache Werkzeuge zur Strukturierung der Interaktion wie z.B. Mind-Map oder Tabelle erforderlich. Für viele Schüler gehört das mittlerweile zum Glück zur methodischen Grundausstattung. Spätestens auf der Oberstufe sind aber komplexere Verfahren zur Strukturierung von Projekten notwendig. Trotz Unterschieden in Details folgen diese immer dem allgemeinen Ablauf der Projektplanung: (1) Festlegung von Gegenstand und Problem. (2) Strukturierung des Problems in einem Projektstrukturplan (PSP). (3) Aufteilung der Teilbereiche in konkrete Aufgaben, die mit Personen und einer zeitlichen Dauer versehen sind (Arbeitspakete). (4) Erstellung eines Zeitplans. (5) Regelmäßige Überprüfung der Arbeitsfortschritte, sowie evtl. Anpassung der Planung (Projektsteuerung). Die Argumentationskompetenz schließlich kann weniger in der Projektarbeit selbst, als vielmehr in Debatten und Rollenspielen bearbeitet werden. Die Lernenden nehmen Rollen ein, argumentieren in Debatten und reflektieren hinterher, warum welche Schüler überzeugender waren als andere. Die Bandbreite im Unterricht erprobter Rollenspiele reicht dabei von Kleinformen z.B. einem Hearing zur Installation einer Bohrinsel im Wattenmeer bis zu umfangreichen Simulationen ganzer Gesetzgebungsverfahren. Insgesamt ist das Phänomen der interaktionalen Kompetenz, wie auch die Prozesse in kooperativen Lernumgebungen überhaupt, noch sehr wenig erforscht (RABENSTEIN/ REH [im Druck]). Dieser Bereich stellt für Unterricht und Forschung gleichermaßen eine Herausforderung dar. 6. Eine methodische Landkarte des CLIL-Unterrichts Das Drei-Säulen-Modell gründet den Unterricht im CLIL-Klassenraum somit auf drei Kompetenzen: die (fremd)sprachliche, die sachfachliche und die interaktionale. Aufgabe der abgeleiteten CLIL-Methodik ist die Förderung dieser drei Kompetenzen bzw. die Kompensation von Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, dass die Kompetenzen noch nicht ausreichend entwickelt sind. Das eingangs dargestellte Unterrichtsmodell führt damit zu einer methodischen Landkarte (Abb. 3). Darin werden Prinzipien aufgezeigt, mit denen man sich Routen zu erfolgreichen Unterrichtsinszenierungen erschließen kann und Werkzeuge benannt, mit denen man Vehikel sprich: Phasen, Stunden und Sequenzen bauen kann, um diese Routen zu befahren. • Abb. 3 [S. 138-139] IFILl! lL 36 (2007) 138 Prinzipien/ Probleme - Rezeption zuerst - Umfangreiche Visualisierung - Vielfältige Texte (kontinuierliche und diskontinuierliche) verwenden - Redemittel funktional erarbeiten - Erstsprache einbeziehen - Toleranz gegenüber formalen Fehlern Andreas Bannet Methodische Maßnahmen - Schrittweise Textrezeption: pre-reading activities -> orientierendes Erstlesen -> Detailerfassung -> Komplettieren der eigenen Notizen - Schrittweise Textprodnktion: pre-writing activities -> Textplan erstellen und Textteile schreiben -> Überarbeitung -> Schlussredaktion - Lern- und Arbeitstechniken: Techniken der lnferierung, Wörterbucharbeit, Informationsentnahme, Visualisierung - Komplexe Wortschatzarbeit: Vorentlastung durch Bereitstellung relevanten Wortschatzes ->Schülererstellen Glossars/ Mind-Maps im Unterrichtsverlauf Fremdsprachliche Kompetenz durch explizite Spracharbeit und Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken ~ Drei-Säulen-Methodik 1 Interaktionale Durch offene Arrangements und Prinzipien/ Probleme - Beziehungsproblem: Umgang mit Antipathie und Sympathie - Argumentationsproblem: Nicht nur behaupten, sondern auch begründen und erklären - Organisationsproblem: Komplexität der Interaktion kontrollieren durch Techniken des Projektmanagement - Partizipationsproblem: Beteiligung an der Interaktion gestalten (paritätische und demokratische Partizipationsstruktur ist erstrebenswert) Abb. 3: Methodische lFLuL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CL/ L Methodische Maßnahmen - Wechsel der Darstellungsformen: gegenständlich (z.B. Theateraufführung) -t bildlich (z.B. Filmleiste) -t sprachlich (z.B. Gespräch) -t symbolisch (z.B. Flussdiagramm) -t mathematisch (z.B. Formel) - Methodischer Werkzeugkasten in (LEISEN 2000): Archive, Aushandeln, Begriffsnetz, Bildergeschichte/ -sequenz, Diagramme, Dialog, Expertenkongress, Filmleiste, Fehlersuche, Ideennetz, Kärtchentisch, Kartenabfrage, Kugellager, Lehrer-Karussell, Lernhilfen, Lernplakat, Lückentext, Partnerkärtchen, Satz-/ Fragemuster, Schaufensterbummel, Spiele nnd Rätsel, Sprechblasen, Thesentopf, Wortliste, Wortgeländer, Wortfeld, Zuordnung Prinzipien/ Probleme - Fachliche Kompetenz = Lösung fachspezifischer Aufgaben und Problemstellungen - Verwendung unterschiedlicher Darstellungsformen - Progression aufsteigender Abstraktionsniveaus (von "BICS" zu „CALP") - Sprachlicher, fachlicher und methodischer Kompetenzerwerb bei jedem Wechsel der Darstellungsform Sachfachliebe Kompetenz durch Wechsel der Darstellungsformen für CLIL Kompetenz reflexive Produkte Methodische Maßnahmen - Mediation: Eingangsvereinbarung -t Konfliktdarstellung durch Parteien -t Paraphrase durch Mediator -t Lösungsvorschläge -t Vereinbarung von Konsequenzen - Argumentieren lernen: durch Debatten und Planspiele, sowie deren Reflexion - Projektmanagement: Definition des Gegenstands -t Projektstrukturplan -t Arbeitspakete -t Zeitplan -t Projektsteuerung - Partizipation gestalten: Reflexion auf Gruppendynamik Landkarte des CLIL-Unterrichts lFL! .1lL 36 (2007) 139 140 Andreas Bonnet Es mag zunächst erstaunen, dass vieles darin gar nicht CLIL-spezifisch ist. Allzu lange hat die didaktische Forschung aber v.a. auf die fremdsprachlichen Besonderheiten dieser Unterrichtsform geschaut und dabei vergessen, dass alle Sprachförderung nichts nützt, wenn elementarste sachfachdidaktische und allgemeinpädagogische Qualitätskriterien nicht eingelöst werden. Meine Überlegungen gelten daher natürlich auch in anderen Unterrichtssituationen, aber ganz besonders im CLIL-Klassenraum. Es sei erneut gesagt: Das hier präsentierte Modell erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und mindestens der Aspekt der Kultur muss noch eingearbeitet werden. Sehr wohl erhebt das Modell aber Anspruch auf Gültigkeit, denn die Bedeutung jeder der drei Säulen hat sich in Unterrichtspraxis und empirischer Forschung bestätigt. Über die Mikromethoden hinaus sollte dabei deutlich geworden sein, dass es für den Lehrer in der CLIL-Situation besonders darauf ankommt, Instruktivismus zu vermeiden und statt dessen eine experimentelle Haltung gegenüber dem eigenen Unterricht anzunehmen, in der die Schüler als didaktische Experten ernst genommen werden. Dann entsteht in offenen Unterrichtsarrangements mit reflexiven Produkten ein Maximum an Rückkopplung zwischen Lehrern und Schülern. Literatur BACH, Gerhard (1998): "Interkulturelles Lernen". In: TIMM, Johannes-Peter (Hrsg.), 192-200. BLEYHL, Werner (2003): "Psycholinguistische und pragmadidaktische Überlegungen zum handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht". In: BACH, Gerhard/ TIMM, Johannes-Peter (Hrsg.): Englischunterricht - Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 3. Aufl. Tübingen: Francke, 38-55. BONNET, Andreas (2004a): Chemie im bilingualen Unterricht: Kompetenzerwerb durch Interaktion. Opladen: Leske und Budrich. 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Tue research interest was to determine how teachers approach their subject and how they assess prevailing scholarly assumptions on the potential of teaching history in English, also with regard to intercultural learning. Data was collected in a multimethod-approach employing a questionnaire survey (n=134) and interviews (n=8). In this article, special attention is paid to the teachers' use of media and how they deal with teaching a subject which has received less attention in current school reforms. 1. Kurzvorstellung des Forschungsvorhabens Der Beitrag präsentiert erste Ergebnisse eines Dissertationsvorhabens zum bilingualen Geschichtsunterricht am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover. In einer qualitativ-quantitativ empirischen Studie wurden Sichtweisen der ihn erteilenden Lehrkräfte auf deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht in Niedersachsen erhoben. Im Frühjahr und Sommer 2006 wurden landesweit Lehrkräfte mit einem fünfseitigen Fragebogen (n= 134; Rücklaufquote 74%) und in problemzentrierten Leitfadeninterviews (n=8) in Anlehnung an WITZEL (1985) zu ihren Deutungsmustern und Handlungsorientierungen befragt. Die Daten wurden zum einen in ihrer Gesamtheit ausgewertet, zum anderen wurden zwei Teilgruppen unterschieden: berufsunerfahrenere Lehrkräfte und berufserfahrenere Lehrkräfte. Diese Unterscheidung basiert im Sinne des Expertenansatzes nach BROMME (1992) auf der Annahme, dass die Berufserfahrung die Sichtweisen der Lehrkräfte und damit auch ihre Wahrnehmung schulischer Handlungsräume prägt. 1 Ein besonderer Schwerpunkt wurde in der Untersuchung auf interkulturelles Lernen gelegt, da dem bilingualen Geschichtsunterricht durch seine Kombination historischen und sprachlichen Lernens hier ein besonderes Potenzial zugesprochen wird (BLELrJKLosE 2002; CHRIST 2000). Teil der Untersuchung war hier auch einen Deskription und Analyse von Korrespondenzadresse: Anne Ingrid KOLLENROTT, Tiestestraße 21, 30171 HANNOVER. E-mail: annekollenrott@web.de Arbeitsbereiche: Bilingualer Geschichtsunterricht, Interkulturelles Lernen, Lesekompetenz, Übergang Primarstufe-Sekundarstufe. Zu den tatsächlichen Handlungsräumen kann damit keine Aussage getroffen werden. Auch ist die Unterscheidung in berufsunerfalrrenere und berufserfalrrenere Lehrkräfte wertneutral, es soll damit nicht impliziert werden, dass es sich um ,bessere' oder ,schlechtere' Lehrkräfte handelt. lFLulL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 143 Aufgabenstellungen in Spotlight on History auf ihr interkulturelles Potenzial hin. Spotlight on History ist ein zweibändiges Arbeitsheft für den deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht, das der Comelsen Verlag seit 1995 (Band 1) bzw. 1999 (Band 2) vertreibt. Der erste Band ist dem siebten und achten Schuljahr zugeordnet, der zweite Band der neunten und zehnten Klasse. In der deutschen Schulbuchlandschaft nimmt Spotlight on History als bislang einziges eigens für den deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht konzipiertes Angebot eine Sonderstellung ein. 1.1 Kurzvorstellung des Erhebungsinstruments Fragebogen Der Fragebogen erforderte die Auswertung von drei Datentypen. Erstens die geschlossenen Items, bei denen die Befragten auf einer fünfstufigen Skala von STIMMT bis STIMMT NICHT den Grad ihrer Zustimmung zu ihnen vorgelegten Aussagen angeben mussten. 2 Hier wurden mithilfe der Software SPSS 14.0 Häufigkeitsanalysen (absolute und prozentuale Häufigkeitsverteilung) und Korrelationsanalysen durchgeführt. Zur Durchführung der Korrelationsanalysen wurde eine als GESAMTALTER bezeichnete Skala gebildet (Cronbachs Alpha .78). 3 Hierfür wurde für alle Befragten jeweils ein Summenscore aus den drei Einzelitems Alter, Unterrichtsalter bilingualer Geschichtsunterricht und Unterrichtsalter insgesamt errechnet. Das GESAMTALTER wurde berücksichtigt, um die Berufserfahrung der Lehrkräfte zu operationalisieren und der auch in den Leitfadeninterviews getroffenen Unterscheidung zwischen berufserfahreneren und berufsunerfahreneren Lehrkräften zu entsprechen. Das GESAMTALTER wurde dann mit den im Vorfeld gebildeten Skalen korreliert, denn bei der Gestaltung der Fragebögen wurde ein Teil der Einzelitems so konzipiert, dass sie in der Auswertung zu thematisch komplexeren Gesamtkonstrukten gruppiert werden konnten. Von den fünf derart konstruierten Skalen konnte durch die Berechnung von Cronbachs Alpha für vier der fünf Skalen die interne Konsistenz bestätigt werden, womit sie für die bivariate Korrelationsanalyse nutzbar wurden. Auch Mittelwert (M), Modus und Streuungsmaße wurden bestimmt. Bei der ebenfalls in den Fragebogen integrierten Bewertung des Schulbuchs Spotlight on History wurde allerdings eine andere Skalierung genutzt, die Lehrkräfte wurden gebeten, Spotlight on History nach elf Einzelkriterien und einmal insgesamt auf einer Notenskala von SEHR GUT bis UNGENÜGEND zu zensieren. Zwischen Band 1 und 2 wurde nicht unterschieden. Zweitens mussten die Befragten zwischen Mehrfachauswahlantworten wählen. Hier wurden die Streuungsmaße bestimmt. Bei diesem Antworttypus kamen auch noch abhängige Fließtextantworten hinzu, denn es konnte bei den meisten Items mit Mehrfachauswahlantworten eine Ergänzung vorgenommen werden (vgl. • Abb. 1). Nur die Pole wurden beschriftet, die Zwischenstufen 2-4 wurden nicht benannt. Cronbachs Alpha erhebt die durchschnittliche Korrelation zwischen den der Skala zugeordneten Einzelitems, wobei der Wert durch die Spearrnan-Brown-Forrnel um die Anzahl der Einzelitems nach oben korrigiert wird. Cronbachs Alpha beruht auf der Analyse der Varianz zwischen den Befragten und zwischen den Einzelitems, er steigt mit der proportionalen Varianz zwischen den Befragten. Ab einem Wert von .7 gilt die interne Konsistenz als bestätigt, bei explorativen Untersuchungen ist auch ein Wert ab .6 zulässig. lFLlllL 36 (2007) 144 Anne Ingrid Kollenrott 0 Studium 0 Anders, nämlich 0 Studienseminar Abb. 1: Beispiel für eine Mehrfachauswahlantwort-Frage mit abhängiger Fließtextantwort Drittens wurden unabhängige Fließtextantworten formuliert, denn der Fragebogen enthält vier offene Fragen bzw. Schreibaufträge: • Was sind für Sie die Schwierigkeiten bilingualen Geschichtsunterrichts? • Bitte beschreiben Sie eine Situation in Ihrem bilingualen Geschichtsunterricht, in der interkulturell gelernt wird. • Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft des bilingualen Geschichtsunterrichts? • Möchten Sie noch etwas anmerken? Die abhängigen und die unabhängigen Fließtextantworten wurden thematisch geordnet und in Synopsen zusammengefasst. 1.2 Kurzvorstellung des Erhebungsinstruments Leitfadeninterview Für die Interviews konnten acht Lehrkräfte gewonnen werden, wobei die Zahl der Befragten anders als in der quantitativen Forschung in der qualitativen Forschung an und für sich kein Kriterium darstellt. Sie bestimmt sich in Abhängigkeit von der Forschungsfrage und der Realisierbarkeit. Verallgemeinerbarkeit ist insofern erstrebenswert, als dass die Ergebnisse in ein theoretisches Modell eingespeist werden können. Die Auswahl der Befragten erfolgte, wie der Qualititative Stichprobenplan verdeutlicht (vgl. Abb. 2 [S. 145]), dementsprechend absichtsvoll (purposeful). In der Grounded Theory (STRAUSS/ CORBIN 1996) spricht man hier von theoretical sampling. Durch die kriteriumsbasierte Gewinnung der zu Interviewenden wurde gewährleistet, dass das Merkmal der Berufserfahrung, das im Vorfeld als potenziell relevant eingestuft worden war, in seinen Ausprägungen vertreten war (heterogene Stichprobe). Die Berufserfahrung wurde ebenso wie in der Fragebogenerhebung durch das biologische Alter der Lehrkräfte, den Umfang ihrer Berufserfahrung insgesamt und ihrer Erfahrung mit dem bilingualen Geschichtsunterricht operationalisiert, wobei alle drei Aspekte zur Wahrung der Anonymität der Befragten gestuft erhoben wurden. Das Fakultas-Kriterium konnte nicht berücksichtigt werden, weil es in Niedersachsen nahezu keine bilingualen Geschichtsunterricht erteilenden Lehrkräfte gibt, die nicht beide Fakultates besitzen. 4 Eine Gleichverteilung von Lehrerinnen und Lehrern in der Stich- 4 Das legen die Ergebnisse der Fragebogenerhebung nahe. Von den 134 teilnehmenden Lehrkräften gaben lFLl.llL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 145 probe wurde nicht gezielt verfolgt, da die Fragebogenerhebung keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Befragten gezeigt hatte. Es wurde lediglich darauf geachtet, dass Lehrerinnen wie Lehrer befragt wurden. Die Lage und Angebotsstruktur der Schulen, an denen die Lehrkräfte unterrichteten, wurde insofern aktiv berücksichtigt, als dass eine Standorts- und Angebotsvielfalt vertreten sein sollte. Die Reihenfolge, in der die Interviews im Zeitraum vom 08.-22. Mai 2006 geführt wurden, wurde durch die Terminfindung mit den Lehrkräften bestimmt. Einige der Interviewten äußerten im Rahmen der Fragebogenerhebung initiativ die Bereitschaft, für weitere Befragungen zur Verfügung zu stehen, die Rekrutierung weiterer Lehrkräfte erfolgte durch das Schneeballprinzip. Alter "; 30 Jahre (1) 31-45 Jahre (3) 46--60 Jahre (2) > 60 Jahre (2) Unterrichtsalter bi- "; 5 Jahre (2) bis 10 Jahre (3) bis 15 Jahre (0) > 15 Jahre (3) lingualer Geschichtsunterricht Unterrichtsalter ins- "; 5 Jahre (2) bis 10 Jahre (2) bis 15 Jahre (0) > 15 Jahre (4) gesamt Fakultates Fakultas Englisch (8/ 8) Fakultas Geschichte (8/ 8) Geschlecht männlich (6/ 8) weiblich (2/ 8) Schulen Sechs verschiedene Gymnasien an fünf verschiedenen Orten in Niedersachsen, an denen bilingualer Geschichtsunterricht in unterschiedlichen Klassenstufen und in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlieher Kombination rnit anderen bilingual erteilten Sachfächern in eigens eingerichteten Zügen oder jahrgangsbezogenen Kursen oder als Wahlpflichtkurs erteilt wird, zum Teil bis hin zum Abitur. Abb. 2: Zellen des Qualitativen Stichprobenplans rnit anteiligen Angaben zur absoluten Häufigkeit' Um eine Auswertung der lnterviewdaten zu ermöglichen, wurden die Interviews auf der Grundlage der bei Durchführung erstellten Audioaufzeichnungen standardorthografisch verschriftet (Transkription). Für die Auswertung der Transkripte wurde in Anlehnung an Kodierverfahren der Grounded Theory thematisch kodiert. Zur Kontextualisierung der Interviewdaten wurden vor den Interviews Erwartungen an das Interview verschriftet (Präskripts) und nach den Interviews die beim Interview entstandenen Eindrücke festgehalten (Postskripts). 125 an, beide Fakultates zu besitzen. Eine Lehrkraft machte keine Angaben, weitere acht Lehrkräfte vermerkten den Besitz nur einer Fakultas. 5 Um die Anonymität der Befragten zu gewährleisten, werden hier ausschließlich die Merkmale der Befragten insgesamt benannt und nicht die Einzelkombinationen mit spezifischen Ausprägungen. lFLlllL 36 (2007) 146 Anne Ingrid Kollenrott 1.3 Weitere Ausführungen zum Forschungsvorhaben Alle gewonnen Daten wurden abschließend trianguliert, d.h. die Ergebnisse wurden systematisch zueinander in Bezug gesetzt. Um eine ergiebige Triangulation zu gewährleisten, wurden die Instrumente von Anfang an ineinander verschränkt entwickelt. Die offenen Fragen bzw. Schreibaufträge, die der Fragebogen erhielt, wurden auch in den Interviewleitfaden integriert. Auch um beide Instrumente einander anzupassen, wurde auf die Hinzuziehung von Unterrichtsbeoachtungen in den Leitfadeninterviews verzichtet. 6 Zudem wurde sowohl in Fragebögen als auch Interviews auf das Schulbuch Spotlight on History Bezug genommen, um die Befragung der Lehrkräfte auch am Gegenstand durchführen zu können und so eine Konkretisierung der geschilderten Sichtweisen zu ermöglichen. Dabei wurde der Fragestellung dieser Arbeit entsprechend das Augenmerk auf Aufgabenstellungen gerichtet, die zu Perspektivenwechseln anregen, da Perspektivenwechsel als für interkulturelles Lernen besonders gehaltvoll gelten (BEETzlBLELLIHENNIG/ KLOSE/ MEYER 2003a, 2003b). Diese Perspektivenwechsel wurden ebenfalls auf der Basis fachtheoretischer Kriterien für sich beschrieben und analysiert (vgl. auch KOLLENROTT 2007). Damit wurde eine theoriegeleitete Annäherung an die Praxis bezweckt, die zugleich die Korrespondenz zwischen fachtheoretischen Konzeptionen und fachpraktischen Sichtweisen der Lehrkräfte prüfen sollte. So konnte gleichfalls untersucht werden, ob der fachtheoretische Diskurs sich ausreichend weit an den Bedürfnissen und Gegebenheiten der Fachpraxis orientiert, um einen Austausch zu ermöglichen. Die Studie setzte dabei ihren Schwerpunkt wie geschildert auf das interkulturelle Lernen, erhob jedoch ebenfalls die beruflichen Anfänge und die Professionalisierung der Lehrkräfte und Äußerungen zu den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern, erfragte die Bewältigbarkeit des Unterrichts (Hilfen und Hürden bei der Erteilung), sammelte Daten zur Materialbereitstellung und Materialnutzung, hier insbesondere zum schon erwähnten Schulbuch des Cornelsen Verlags Spotlight on History, und zu Wünschen und Notwendigkeiten. Im Folgenden sollen im Anschluss an eine sehr knappe Darstellung des Werdegangs des bilingualen Geschichtsunterrichts einige Untersuchungsergebnisse präsentiert werden. 7 Dabei wird berichtet, wie sich die Etablierung des bilingualen Geschichtsunterrichts in Niedersachsen gestaltet. Hier wird die Entwicklung der letzten Jahre als Ressourcenschöpfung charakterisiert. Dazu gehören die Gewinnung von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern (3.1) sowie die Bereitstellung von Materialien (3.2), die curriculare Positionierung (3.3) und die Bestimmung fachdidaktischer Grundlagen (3.4). Der Schwer- 6 Dass von Unterrichtsbeobachtungen nach anfänglichen Überlegungen Abstand genommen wurde, kam zugleich dem Fokus dieser Arbeit auf das interkulturelle Lernen entgegen, weil es sich um ein im konkreten Unterricht flüchtiges Geschehen handelt, das eher als Abstraktum gefasst werden kann. 7 In Kürze werden auch die Ergebnisse in Gänze vorliegen. Das 2007 abzuschließende Dissertationsprojekt wird 2008 beim Peter Lang Verlag in der Reihe Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert von Gabriele Blell, Karlheinz Hellwig und Rita Kupetz erscheinen. lFLllL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 147 punkt wird dabei insgesamt auf die Frage der Materialien gelegt. Abschließend wird ein erstes Fazit geäußert. 2. Werdegang Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, auch bekannt als Elysee-Vertrag. Die deutsche und die französische Regierung verpflichteten sich damit zur Beratung bei entscheidenden Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik einerseits und der Jugend- und Kulturpolitik andererseits. Teil dieser Annäherung war der Beschluss der Förderung von Kenntnissen der Nachbarsprachen. Um bei dieser Annäherung an den vormaligen Erbfeind auch Sachaspekte aufarbeiten zu können, implementierten Baden-Württemberg und Hessen als Grenzregionen ab 1969 deutsch-französisch bilingualen Sachfachunterricht (erstmals am damaligen Regau-Gymnasium in Singen), schwerpunktmäßig angebunden an das Fach Geschichte. Der Ursprungsgedanke der Entfeindung und Völkerverständigung dieses politisch motivierten Partnersprachenkonzepts ist inzwischen im interkulturellen Lernen, einem geistigen Kind der 1990er Jahre, aufgegangen. Auch wird bilingualer Sachfachunterricht mittlerweile in der Bundesrepublik in vielen Sprachen, in vielen Fächern und in vielen Formen erteilt. An die Seite des Französischen und Englischen sind Sprachen wie das Italienische, das Niederländische, das Polnische und das Spanische getreten. Neben den traditionell bilingual unterrichteten Sachfächern Biologie, Erdkunde, Geschichte, Politik und Sport wagen Fächer wie Chemie, Kunst, Musik und Religion den Schritt zum bilingualen Sachfachunterricht. Bilinguale Züge und Zweige entstehen weithin, bilinguale Module unterschiedlicher Fa<; on schießen wie Pilze aus dem Boden. BONNET (2004: 20) geht von mittlerweile 400 Schulen in Deutschland mit bilingualem Sachfachunterricht aus. Nach jahrelanger Randständigkeit ist bilingualer Sachfachunterricht damit inzwischen eher Trend als Leuchtturm-Projekt oder Nische. Für das Bundesland Niedersachsen konnten Ende 2004 insgesamt 74 Schulen ermittelt werden, die bilingualen Sachfachunterricht anbieten (vgl. • Abb. 3 [S. 148]). Wenngleich gerade in den letzten Jahren besonders seitens der Fremdsprachendidaktik bemerkenswert konzentrierte Anstrengungen unternommen wurden, die derzeitige Unterrichtspraxis theoriebildend zu unterfüttern, so dass einerseits bestehende Unterrichtspraxis erfasst und andererseits zukünftige Unterrichtspraxis mitgestaltet werden kann, kann noch nicht von einer etablierten Didaktik für den bilingualen Sachfachunterricht insgesamt oder die jeweiligen Sachfächer gesprochen werden. (FEHLING 2005: 37; WILDHAGE 2005: 42) lFLl.lllL 36 (2007) 148 Anne Ingrid Kollenrott 60 50 .t: : 40 i ~ 30 : : : ; $ : eo ~ 20 10 Geschichte Erdkunde Biologie Politik Sport Musik Andere Abb. 3: Verteilung bilingual unterrichteter Sachfächer an 73 der 74 erteilenden niedersächsischen Schulen, Stand Ende 2004 (schriftliche Auskunft des Nds. MK vom 29.08.2005) 8 3. Etablierung durch Ressourcenschöpfung Das Forschungsvorhaben stützt sich auf die Annahme, dass die Etablierung des bilingualen Geschichtsunterrichts durch eine Ressourcenschöpfung ermöglicht wurde und wird. Dazu gehört die Gewinnung der Beteiligten, nämlich der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler. Teil der Gewinnung ist dabei sowohl die Einstiegsbereitschaft als auch die Qualifizierung, die notwendig ist, um Handlungsfähigkeit zu gewährleisten die Lehrkräfte müssen die Durchführbarkeit des Unterrichts verantworten und die Schülerinnen und Schüler die Teilnahme am Unterricht bewältigen. Hinzu kommen die Bereitstellung von Materialien, die curriculare Positionierung durch das Ministerium und die Bestimmung fachdidaktischer Grundlagen. 3.1 Gewinnung von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern Mittels der Fragebögen wurde u.a. erhoben, wie Lehrkräfte sich für die Erteilung bilingualen Geschichtsunterrichts qualifiziert haben (vgl. Abb. 1 [S. 144]). Die häufigste Antwort war Fort-/ Weiterbildungen (83), es folgten Hospitationen bei Kolleginnen/ Für die deutsch-italienische Gesamtschule Wolfsburg als Modellversuch lagen keine Angaben vor. lFLllL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 149 Kollegen (58), Studienseminar (37), Studium (30). 22 Lehrkräfte gaben einen anderen Qualifizierungsweg an und explizierten diese Äußerung mit Verweisen auf learning by doing und Autodidaktik, Erfahrung im Unterrichten anderer bilingualer Sachfächer, Unterrichtstätigkeiten im Ausland, Hospitationen in britischen und amerikanischen Partnerschulen, Auslandsaufenthalte, Fachliteratur, Studium der Fächer Englisch und Geschichte, Übersetzungstätigkeiten, Kongresse und Kollegengespräche. 17 Lehrkräfte gaben an, sich.gar nicht qualifiziert zu haben. Insgesamt wird jedoch ersichtlich, dass ein breites Spektrum an Maßnahmen genutzt wurde. Dieser Überblick kann durch die Interviews vertieft werden, so anhand der Antwort der Lehrkräfte auf den von der Autorin als Interviewerin gesetzten narrativen Eingangsimpuls: Eingangs würde mich interessieren, wie Sie überhaupt zum bilingualen Geschichtsunterricht gekommen sind. Bei der Auswertung wurde in der Unterscheidung der Lehrkräfte in berufsunerfahrenere Lehrkräfte und berufserfahrenere Lehrkräfte deutlich, dass die berufsunerfahreneren Lehrkräfte (hier exemplarisch Lehrkräfte Anton und Bartels 9 ; vgl. Abb. 4) einen institutionalisierten, nämlich durch Studienseminar und Universität begleiteten Einstieg auf eigenen Wunsch im Rahmen ihrer Ausbildung beschreiben. In ihrem Qualifizierungsprozess zeigt sich auch eine Zugewinnsorientierung, nämlich die Hoffnung auf verbesserte Einstellungschancen. Barteis: Das war schon während der Universität. Das, ich weiß gar nicht, ob es Veranstaltungen schon dort gegeben hat, aber es war meiner Ansicht nach im Zuge eines Seminars bei [Name]. Da wurde das innerhalb dieser Seminarveranstaltung thematisiert. Und dann hatte ich mich darum bemüht, dass ich an ein, ein Ausbildungsseminar komme, das die bilinguale Ausbildung auch anbietet und dass ich natürlich auch an eine Ausbildungsschule komme, an der ich das dann machen kann. Also das war schon mir sehr wichtig, halt als Spezialisierung. Damals war es ja noch nicht so sicher, wie es mit Stellen aussehen würde, das ist ja bei Lehrern ohnehin immer so eine Sache, und das ist natürlich ein Weg der Spezialisierung, da es ja auch damals im Kommen war. Anton: Als ich damals mein Referendariat begann, hatte ich das große Glück, nach Bonn zu kommen, (Kollenrott: Ja.) und Bonn ist ja nun ein ja also Standort des Bilingualen, weil da ja Hans- Ludwig Krechel und Edgar Otten vor Ort sind, und da wurde die bilinguale Ausbildung angeboten. [...] Und das war eine Chance, die ich einfach wahrgenommen habe, weil man natürlich dadurch auch die Einstellungschancen verbessert. Abb. 4: Berufsunerfahrenere Lehrkräfte berichten von ihrem Einstieg in den bilingualen Geschichtsunterricht Die berufserfahreneren Lehrkräfte (hier exemplarisch Lehrkräfte Manske und Segler; vgl. Abb. 5 [S. 150) berichten, in den bilingualen Geschichtsunterricht eingestiegen zu sein, als sie bereits regulär unterrichteten. Damit konnten sie bereits von einer umfassenden Qualifizierung in den Regelfächern profitieren. Ausschlaggebend für Herrn Manske war ein institutioneller Einstieg, Frau Segler beschreibt mit Verweis auf die wenigen Erfahrungen mit bilingualem Sachfachunterricht eine Zugewinnsskepsis. 9 Bei den Namen der Lehrkräfte handelt es sich um Pseudonyme. lFLd 36 (2007) 150 Anne Ingrid Kollenrott Manske: Und aufgrund meiner Fächerkombination Sachfach Geschichte und Fremdsprache Englisch bin ich im Zusammenhang mit der, mit dem Personalschlüssel hier in dem bilingualen Geschichtsunterricht eingesetzt worden. Habe mich dann eingearbeitet und sehr großes Interesse gewonnen und bin seither dabei geblieben. Segler: Ich muss sagen, wie fast alle Kollegen, mit denen ich damals zu tun hatte, waren wir erst etwas skeptisch angesichts dieses Konzeptes, das an sich sehr attraktiv schien, und sich Gott sei Dank als nicht nur als attraktiv, sondern tragfähig erwiesen hat im Nachhinein, aber, wie gesagt, wir waren skeptisch, weil eben in unserem unmittelbaren Umfeld, mit dem wir zu tun hatten, beziehungsweise ich damals zu tun hatte, (Kollenrott: Hm.) noch keine konkreten Erfahrungswerte vorlagen. Abb. 5: Berufserfahrenere Lehrkräfte berichten von ihrem Einstieg in den bilingualen Geschichtsunterricht Bereits diese erste knappe Gegenüberstellung lässt erkennen, dass innerhalb der Teilgruppen durchaus Gemeinsamkeiten bestehen, sich also die Teilgruppen voneinander unterscheiden. Die berufsunerfahreneren Lehrkräfte konnten auf institutionelle Ressourcen zurückgreifen, bei den berufserfahreneren Lehrkräften war die Ressource Unterrichtserfahrung vorhanden. Bei einer Sichtung des gesamten Datensatzes wird deutlich, dass der Einstieg und der damit verbundene Qualifizierungsprozess der berufserfahreneren Lehrkräfte durch günstigere Rahmenbedingungen unterstützt wurde, nämlich Zusatz- und Entlastungsstunden, die mittlerweile von der niedersächsischen Landesregierung fast vollständig gestrichen wurden. Dennoch scheint die Hoffnung auf eine Verbesserung der Einstellungschancen ausreichend, um weiterhin Lehrkräfte für den bilingualen Geschichtsunterricht gewinnen zu können. Die Gewinnung von Schülerinnen und Schülern für den bilingualen Geschichtsunterricht ist dem Vernehmen nach ebenfalls gut bewältigbar. In der Fragebogenerhebung schildern die Lehrkräfte keine diesbezüglichen Schwierigkeiten, in den Interviews beschreiben sie eine rege Nachfrage, die zunehmend auch das Angebot übersteigt (hier kommt verschärfend hinzu, dass das Angebot teilweise sinkt). In dieser Situation müssen dann Selektionsentscheidungen getroffen werden. Dabei geht es den Lehrkräften weniger darum, eine Leistungselite zu fördern, vielmehr ist ihnen daran gelegen, besonders engagierten Schülerinnen und Schülern eine Möglichkeit zur zusätzlichen Qualifikation zu eröffnen. 3.2 Bereitstellung von Materialien Bei der Erteilung bilingualen Geschichtsunterrichts kann nicht auf einen etablierten Materialienverbund wie beispielsweise das im Fremdsprachenunterricht genutzte Lehrwerk zurückgegriffen werden. Es stehen lediglich das Schulbuch Spotlight on History, in fachdidaktischen Themenheften (z.B. Derfremdsprachliche Unterricht Englisch 78/ 2005; Praxis Geschichte 1/ 2002) publizierte Materialien sowie Schulbücher aus dem englischsprachigen Ausland, wie sie hierzulande auch vom Comelsen Verlag und Klett Verlag vertrieben werden, zur Verfügung. Hinzu kommen das Internet und von Kolleginnen und Kollegen oder selbsterstellte Materialien. Man könnte den letztendlich genutzten MaterialFLIIL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 151 lienverbund also als Patchwork bezeichnen. Mithilfe der Mehrfachauswahlfragen 2, 2.1 und 2.2 in der Fragebogenerhebung (Abb. 6) konnte dieser aus einer Angebotssichtung und Gesprächen mit Lehrkräften gewonnene Eindruck bestätigt und quantifiziert werden. D Materialien aus dem deutschsprachigen D Hospitationen bei Kolleginnen/ Kollegen Raum, die ursprünglich für den hiesigen deutschsprachigen Geschichtsunterricht konzipiert sind □ Spotlight an History Band 1 D Von mir selbst erstellte Materialien □ Spotlight an History Band 2 0 Weitere Materialien Falls Sie mit weiteren Materialien arbeiten, beantworten Sie bitte 2.1 und 2.2, sonst gehen Sie direkt zu 3. D Internet, nämlich 0 Anders, nämlich Falls Sie weitere Materialien von Kolleginnen/ Kollegen bekommen, beantworten Sie bitte 2.3, sonst gehen Sie direkt zu 3. D Internet, nämlich 0 Anders, nämlich Abb. 6: Beispiel für Mehrfachauswahlfragen zur Materialienbereitstellung im bilingualen Geschichtsunterricht lFLlllL 36 (2007) 152 Anne Ingrid Kollenrott Der überwiegende Teil der befragten Lehrkräfte nutzt Materialien aus dem englischsprachigen Raum, die für den dortigen englischsprachigen Geschichtsunterricht konzipiert wurden (128). Weniger verbreitet ist die Nutzung von Materialien aus dem deutschsprachigen Raum, die ursprünglich für den hiesigen deutschsprachigen Geschichtsunterricht entwickelt wurden (52). Spotlight an History Band 1 (99) und Spotlight on History Band 2 (92) sind in der Unterrichtspraxis präsent, aber auch selbst erstellte Materialien (111) spielen eine große Rolle. Hinzu kommen weitere Materialien (122), die die Lehrkräfte aus dem Internet (96; vgl. Abb. 7), von Kolleginnen/ Kollegen (79), von Schulbuchverlagen (56), aus der Fachliteratur (55) und von Landesinstituten (43) beziehen. Des Weiteren werden auch auf anderem Wege Materialien beschafft (22), v.a. im Ausland und direkt von britischen Schulbuchverlagen. In der Auswertung der Befragung wurde auch deutlich, dass die Materialbereitstellung ein massives Hindernis bei der Unterrichtsbewältigung darstellt. Dabei wird besonders ein Manko an darstellenden Texten und an geeigneten Quellen beklagt. Website http: / / www.bbc.co.uk/ http: / / de.encarta.msn.com/ http: / / www.bbc.co.uk/ children/ http: / / www.zum.de/ psm/ http: / / www.bbc.co.uk/ history/ http: / / www.school-history.co.uk/ http: / / www.documentarchiv.de/ http: / / www.spartacus.schoolnet.co.uk/ http: / / www.britannica.com/ http: / / www.britishmuseum.co.uk/ http: / / www.historyonthenet.com/ http: / / www.guardian.co.uk/ http: / / www.history-online.com/ http: / / memory.loc.gov/ http: / / www.historyteacher.net/ http: / / www.open.ac.uk/ http: / / www.fordham.edu/ halsall/ sbook.html http: / / content.tibs.at/ http: / / www.fordham.edu/ halsall/ mod/ modshttp: / / www.usembassy.de/ book.html http: / / www.historyforkids.org/ http: / / www.lib.utexas.edu/ http: / / www.lehrer-online.de/ http: / / en.wikipedia.org/ http: / / www.dhm.denemo/ http: / / www.yale.edu/ Abb. 7: Websites, über die niedersächsische Lehrkräfte nach eigenen Angaben Materialien für den bilingualen Geschichtsunterricht beziehen 10 10 Die aufgeführten Websites wurden aus den größtenteils stichwortartigen, aber ausreichend präzisen Angaben der Lehrkräfte rekonstruiert. Auf andere Bezugsmöglichkeiten für Materialien verweist der von der lFJLllL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 153 Die Lehrkräfte wurden in der Fragebogenerhebung ebenfalls gebeten, das Schulbuch Spotlight on History nach elf Einzelkriterien (Grafische Gestaltung, Darstellende Texte/ Autorentexte, Umfang der Quellen, Informationsgehalt der Quellen, Gegenstandsangemessenheit der Aufgaben/ Arbeitsformen, Angemessenheit der Aufgaben/ Arbeitsformen für das Lernalter, Sprachliche Angemessenheit für das Lernalter, Angemessenheit für das Lernalter insgesamt, Anregungsgehalt für historisches Lernen, Anregungsgehalt für interkulturelles Lernen, Anregungsgehalt für sprachliches Lernen) sowie in seiner Gesamtheit zu bewerten (alle Einzelitems zusammen bildeten die Skala SPOTLIGHT). Dabei wurde nicht nach Band 1 und Band 2 unterschieden. Für die Bewertung wurde eine Notenskala von SEHR GUT bis UNGENÜGEND genutzt. Insgesamt stuften die Lehrkräfte Spotlight on History als befriedigend (M=3.02) ein. Dabei konnten durch die bivariaten Korrelationsanalysen einige interessante Korrelationen zwischen dem eingangs erläuterten GESAMTALTER und den Sichtweisen der Lehrkräfte etabliert werden. Für die bivariaten Korrelationsanalysen wurden vier Skalen genutzt, u.a. die Skala SPOTLIGHT (Cronbachs Alpha .88), die sich aus den vorgestellten elf Einzelkriterien und der Gesamtnote berechnete, und die Skala VERSORGUNG (vgl. Abb. 8). Diese Skala zielt darauf ab, die externen Ressourcen, die Lehrkräften zu Verfügung stehen, zu sammeln und daraufhin zu sichten, ob die Versorgung ausreichend ist bzw. Lehrkräfte aus ihrer Sicht unzureichende Unterstützung erfahren. Eine niedrige Zustimmung zu den Aussagen, dass benötigte Materialien problemlos erhältlich sind und für das Lernalter angemessene Materialien vorliegen, zeigt ebenfalls einen Ressourcenbedarf (die Zustimmungswerte wurden in der Auswertung dementsprechend revers kodiert). Materialien, die ich benötige, bekomme ich in der Regel problemlos. Für das Lernalter angemessene Materialien liegen vor. Das Angebot an Fort-/ Weiterbildungen insgesamt ist dürftig. Das Angebot an für mich relevanten Fort-/ Weiterbildungen ist dürftig. Die Unterstützung seitens der Universitäten/ Pädagogischen Hochschulen ist dürftig. Die Unterstützung seitens der Schulbuchverlage ist dürftig. Abb. 8: Der Skala VERSORGUNG zugeordnete Einzelitems (Cronbachs Alpha .80) Bei der Korrelation dieser beiden Skalen mit dem GESAMTALTER der Lehrkräfte zeigten sich zwei Trends: • Je höher das GESAMTALTER, desto höher ist die Zustimmung zur Skala SPOTLIGHT. (Korrelation r=-.219; Signifikanzniveau p<.05) • Je höher das GESAMTALTER, desto höher ist die Zustimmung zur Skala VERSOR- GUNG. (r=.189; p<.05) Daraus lässt sich ableiten, dass berufserfahrenere Lehrkräfte Spotlight on History tendenziell positiver bewerten und sich tendenziell besser mit Materialien versorgt fühlen und Autorin betriebene Checkpoint Bili: Das Internetforum zu Materialien für den bilingualen Geschichtsunterricht (http: / / checkpointbili.twoday.net). lFLwL 36 (2007) 154 Anne Ingrid Kollenrott das Fort-/ Weiterbildungsangebot sowie die Unterstützung durch Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Schulbuchverlage für weniger dürftig halten. Wenn berufserfahrenere Lehrkräfte Spotlight on History positiver bewerten, heißt das möglicherweise, dass sie weniger kritisch sind oder dass sie geringere Anforderungen an Material haben bzw. es vor einem anderen Erfahrungshorizont bewerten, sich eventuell von Materialien nicht (mehr) so viel versprechen. Die positivere Bewertung des Unterstützungsangebots kann bedeuten, dass berufserfahrenere Lehrkräfte de facto weniger Unterstützung benötigen und sich dementsprechend weniger ,vernachlässigt' fühlen. Möglicherweise benötigen sie aber auch ebensoviel oder sogar mehr Unterstützung, sind jedoch genügsamer in ihren Ansprüchen und damit auch bei der Bewertung des vorhandenen Angebots. Während in der Auswertung der Leitfadeninterviews eine Varianz in der Zustimmung zu Spotlight on History so nicht bestätigt oder widerlegt werden konnte (das mag auch damit zu tun haben, dass zwei der befragten berufsunerfahreneren Lehrkräfte umstandshalber nicht mit Spotlight on History arbeiteten), zeigte sich z.B. eine unterschiedliche Einschätzung der eigenen Versorgung mit Materialien. Die berufsunerfahreneren Lehrkräfte waren tendenziell stark darin eingebunden, Materialien bereitzustellen (patchworking), während die berufserfahreneren Lehrkräfte über einen nahezu ausreichenden Materialfundus verfügten (,Patchworkdecke'). 3.3 Curriculare Positionierung Die Bundesländer divergieren in ihrer curricularen Positionierung des bilingualen Sachfachunterrichts beträchtlich (Hallet 2005: 3; Wildhage 2005: 43). In Niedersachsen gelten für den bilingualen Geschichtsunterricht dieselben curricularen Vorgaben wie für den Regelunterricht. 11 Diese Parallelisierung führt, wie die Darstellung einer interviewten Lehrkraft verdeutlicht (vgl. Abb. 9), in der Praxis zu erheblichen Problemen. Berger: Ich finde, es ist nicht leistbar, in den Rahmenbedingungen das zu schaffen, was man schaffen soll. Das heißt, an vielen Schulen gab es eine Stunde mehr (Kollenrott: Ja.) für den Sachfachunterricht, auch an dieser Schule bis vor ein oder zwei Jahren, und es gab auch eine Zeit lang extra bilinguale Englischklassen oder es gab Extrastunden für die Bilis in Englisch. [...]Und das habe ich ja nun nicht mehr erlebt. Aber meine Kollegen erzählen da eben immer noch heiß und innig davon. Das ist etwas ganz anderes, denke ich.[ ... ] Dann kann man eben Sachen auch vertiefen. Und dann kann man, also so ist es immer ein bisschen Defizitorientierung. Also immer gucken, wie kriege ich es noch irgendwie so hin, dass es noch ungefähr hinkommt. Und das stresst die Schüler, das stresst die Lehrer. Abb. 9: Eine berufsunerfahrenere Lehrkraft berichtet von den Konsequenzen der curricularen Positionierung des bilingualen Sachfachunterrichts 11 , Curriculare Vorgaben' dient in Niedersachsen als Sammelbegriff für sämtliche Unterrichtsvorgaben, wie sie in Empfehlungen, EPA (einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung), Kemcurricula, Rahmenrichtlinien und Themen für das Zentralabitur benannt werden. IFLUJL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 155 Der theoretische Anspruch einer Behandlung derselben Themen in derselben Abfolge ist, wie die befragten Lehrkräfte darlegen, durch die Notwendigkeit der sprachlichen Entlastung praktisch nicht zu bewältigen. Die Situation hat sich mit der seit 2004 vorangetriebenen Schulstrukturreform verschärft. Vormals in Form von Plusstunden für den bilingualen Sachfachunterricht geschaffene Polster wurden weitgehend gestrichen, dem Parallelitätsanspruch muss nun nahezu ohne zusätzliche Ressourcen entsprochen werden. Die bereits vorher nicht immer einfache Bewältigung des Curriculums wird so weiter erschwert, inhaltliche Chancen, wie sie ein eigenes Curriculum für den bilingualen Geschichtsunterricht bieten könnte, bleiben ungenutzt. Erschwerend kommt die mit dem Schuljahr 2006/ 07 begonnene Restrukturierung der gymnasialen Oberstufe hinzu. Die Schülerinnen und Schüler kombinieren nicht mehr relativ frei verschiedene Kurse, sondern müssen sich für ein so genanntes Profil entscheiden. An jedes Profil sind bestimmte Belegverpflichtungen gebunden und die Kurse werden je nach Profil auf erhöhtem oder grundlegendem Anforderungsniveau erteilt. Das gesellschaftswissenschaftliche Profil sieht Geschichte ausschließlich als Fach mit erhöhtem Anforderungsniveau vor. Aus Sicht der befragten Lehrkräfte kann bilingualer Geschichtsunterricht jedoch nicht auf diesem Niveau erteilt werden.12 So werden Schülerinnen und Schüler, die ein gesellschaftswissenschaftliches Profil anwählen möchten, voraussichtlich auf bilingualen Geschichtsunterricht verzichten müssen. Der Wegfall dieser Klientel gefährdet den Bestand des bilingualen Geschichtsunterrichts in der Oberstufe, da die verbleibenden Kurse vermutlich zu klein sein werden, um ihren Fortbestand rechtfertigen zu können. Die Lehrkräfte empfinden dies als besonders bedauerlich, da sie gerade den Oberstufenunterricht, in dem sie quasi die Früchte ihrer langjährigen Arbeit ernten können, als ausgesprochen lohnenswert und motivierend beschreiben. Dieser Zugewinn für die Lehrkräfte fällt dann vermutlich über kurz oder lang weg. Hinzu kommt die generell mit der Umsetzung der Schulstrukturreform verbundene Umstellung der Unterrichtspraxis (u.a. Abschaffung der Orientierungsstufe und damit Integration der fünften und sechsten Klassen in die weiterführenden Schulen, Abschlussprüfungen nach Klasse 10, Abitur nach zwölf Jahren, Profiloberstufe mit Zentralabitur). Für die Lehrkräfte besteht damit eine multiple Belastung, sie können ihre Ressourcen nicht alleine auf die Bewältigung der veränderten Situation im bilingualen Geschichtsunterricht verwenden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass viele der befragten Lehrkräfte eine Nicht-Bewältigbarkeit der derzeitigen Situation beschreiben und den Fortbestand des bilingualen Angebots bedroht sehen bzw. für sich einen Verzieht auf die Erteilung bilingualen Sachfachunterrichts erwägen. Es ist daher zu befürchten, dass die notwendige Ressourcenschöpfung mittelfristig nicht mehr gelingt und das bilinguale Angebot in Niedersachsen sinkt. 12 Die vorliegenden Zahlen zum bilingualen Geschichtsunterricht in Niedersachsen stützen diese Einschätzung. Bei der vorherigen Unterscheidung in Leistungs- und Grundkurse wurde vom Unterrichten auf Leistungskursniveau klar Abstand genommen. Einer schriftlichen Auskunft des niedersächsischen Kultusministeriums vom 29. August 2005 ist zu entnehmen, dass Ende 2004 bilingualer Geschichtsunterricht in Niedersachsen im Abitur ausschließlich als drittes oder viertes Fach geprüft wurde, also auf Grundkursniveau. lFJLTclllL 36 (2007) 156 Anne Ingrid Kollenrott 3.4 Bestimmung fachdidaktischer Grundlagen Zur Ressourcenschöpfung gehört auch die Bestimmung fachdidaktischer Grundlagen. Das hat zum einen damit zu tun, dass unterrichtspraktisches Handeln durch unterrichtstheoretische Erwägungen erweitert und differenziert werden kann. Es ist also die Aufgabe der Fachtheorie, fachpraktische Handlungsräume zu bestimmen, zu untersuchen und auch zu erweitern oder gar zu eröffnen. Zum anderen ist der Ausbau einer fachtheoretischen Betrachtung notwendig, damit die Universitäten und Pädagogischen Hochschulen bereits in der ersten Ausbildungsphase zur Gewinnung und Qualifizierung von Nachwuchs für die Erteilung bilingualen Sachfachunterrichts unter den zukünftigen Lehrkräften beitragen. Der Aufgabe einer Bestimmung der fachdidaktischen Grundlagen ist die fachdidaktische Forschung dabei besonders in den letzten Jahren gerne und umfangreich nachgekommen. Es wurden zunehmend die Unterrichtspraxis und die an ihr Beteiligten (Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler) erkundet, um Charakteristika und Potenzial dieser Unterrichtsform zu bestimmen. Zudem wurde an einem fachtheoretischen Bezugsrahmen gearbeitet, der zugleich Impulse aus der Unterrichtspraxis bündelt und Ansätze für die Weiterentwicklung der Unterrichtspraxis anbietet. Besonders die Fremdsprachendidaktik bringt sich hier mit empirischen und konzeptuellen Beiträgen ein sicherlich auch, weil ihr daran gelegen ist, neue Wege des Fremdsprachenlernens zu erkunden, während die Sachfachdidaktiken hinsichtlich des sachfachlichen Zugewinns eher Skepsis zeigen. So betont für den bilingualen Geschichtsunterricht z.B. HASBERG (2004: 135ff.), dass keinerlei empirische Belege für ein besseres historisches Lernen im bilingualen Geschichtsunterricht vorliegen und weiterhin ungeklärt bleibt, in welcher Relation Fremdsprachenerwerb und historisches Lernen zueinander stehen. Er hinterfragt vielmehr die Qualität dieses Lernens, nämlich den Differenzierungs- und Reflexionsgrad des Erfahrens, Deutens und Orientierens, wenn es an eine weniger gut beherrschte Sprache gebunden wird. Diese Bedenken müssen ernst genommen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein besseres historisches Lernen ermöglicht wird, wenn die empirische Befundlage bereits bei dem aus geschichtsdidaktischer Sicht als Teilkomponente historischen Lernens verstandenen interkulturellen Lernen derart dünn ist (KOLLENROTT 2007: 162). Auch in der Fragebogenerhebung wurden die Lehrkräfte gebeten, ihre Zustimmung zur Aussage Historisches Lernen ist im bilingualen Geschichtsunterricht schwieriger als im deutschsprachigen Geschichtsunterricht zu äußern. Der Mittelwert lässt kaum eine Tendenz erkennen (M 2.85), die Standardabweichung und somit die Streuung der Antworten ist hier von allen Einzelitems am höchsten (SD 1.550; n=l33), die Zahl der völligen Zustimmungen (36) liegt nur knapp über der der völligen Ablehnungen (33). Die Zustimmung der Befragten korreliert auf Einzelitem- Ebene besonders markant mit ihrer Einschätzung der Aussagen Anlässe für interkulturelles Lernen zu schaffen ist ein Mehraufwand (r=.461; p<.001), Historisches Faktenwissen spielt im bilingualen Geschichtsunterricht eine geringere Rolle als im deutschsprachigen Geschichtsunterricht (r=.352; p<.001) und Der deutschsprachige Geschichtsunterricht verlangt weniger sprachliche Unterstützung als der bilinguale Geschichtsunterricht lFLllL 36 (2007) Entwicklung und momentaner Stand des bilingualen Geschichtsunterrichts ... 157 (r=.336; p<.001). Das Einzelitem korreliert auch mit der Skala SPOTLIGHT (r=-.216; p<.05). Ein als schwieriger wahrgenommenes historisches Lernen im bilingualen Geschichtsunterricht steht also in Bezug zu einer Einordnung historischen Lernens als Mehraufwand, einer als geringer eingeschätzten Rolle historischen Faktenlernens, einer Zustimmung, dass der Regelunterricht weniger sprachliche Unterstützung verlangt und einer tendenziell schlechteren Bewertung von Spotlight on History. Zumindest der sprachliche Zugewinn durch den bilingualen Geschichtsunterricht konnte erstmals klar mit der Studie DESI (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen International) von Klieme et al. (2006) belegt werden. Hier stellt sich dann weiterführend auch die Aufgabe zur Bestimmung erfolgreicher Unterrichtsmuster, so dass ebenfalls Impulse für eine Weiterentwicklung des bilingualen Sachfachunterrichts und damit möglicherweise auch des Fremdsprachenunterrichts und des herkömmlichen Sachfachunterrichts gewonnen werden können. Eine weitere fachdidaktische Unterfütterung ist also unbedingt zu leisten auch, um die Notwendigkeit einer weiteren Etablierung bilingualen Sachfachunterrichts zu belegen und einer Entwicklung wie derzeit in Niedersachsen entgegen treten zu können. 4. Fazit und Ausblick Durch verstärkte Anstrengungen aller Beteiligten hat sich bilingualer Sachfachunterricht in Niedersachsen seit 1989 etablieren können. Der Fortbestand des derzeitigen Angebots wird aber, dies lässt sich zumindest für den deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht sagen, durch die Verknappung der seitens der Landesregierung bereitgestellten strukturellen Ressourcen bedroht. Es ist anzunehmen, dass auch verstärkte Bemühungen zur Bereitstellung von Materialien und eine verbesserte fachdidaktische Positionierung diese Ressourcendefizite nicht ausgleichen können. Es bleibt abzuwarten, ob sich der bilinguale Geschichtsunterricht unter diesen sich verändernden Bedingungen halten kann bzw. ob und in welchem Umfang zukünftig Lehrkräfte und Schülerschaft für den bilingualen Geschichtsunterricht zu gewinnen sein werden. Dabei sind die geschilderten Bedingungen veränderbar. Als Ausblick soll stellvertretend für die befragten Lehrkräfte die repräsentative Äußerung einer Lehrkraft zitiert werden, die in der Fragebogenerhebung folgende Antwort auf die Frage Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft des bilingualen Geschichtsunterrichts? äußerte: qualifizierte Kollegen (d.h. Kollegen mit Fakultas für beide Fächer und entsprechenden Fortbildungen) unterrichten mit motivierendem und die Sprachschwierigkeiten auffangendem Material eine möglichst kleine Lerngruppe Es ist auch Aufgabe der Fachdidaktiken, zur Erfüllung dieses Wunsches beizutragen. lFL1JIL 36 (2007) 158 Anne Ingrid Kollenrott Literatur BEETZ, Petra / BLELL, Gabriele/ HENNIG, Gabriele/ KLOSE, Dagmar/ MEYER, Petra (2003a): "Verstehen des jeweils Anderen. The American Drearn an Immigration Perspective. Teil I. German Immigration a Widening Perspective". In: Fremdsprachenunterricht 2, 112-121. BEETZ, Petra/ BLELL, Gabriele/ HENNIG, Gabriele/ KLOSE, Dagmar/ MEYER, Petra (2003b): "Verstehen des jeweils Anderen. The American Drearn an Immigration Perspective. Teil II. Changing Perspective -America and German Immigration". In: Fremdsprachenunterricht 3, 181-188. BLELL, Gabriele / KLosE, Dagmar (2002): "Fremdverstehen im Spannungsfeld von Geschichte und Fremdsprachen. 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Today they are applied in language classes to develop pupils' oral skills, to work with literature and to promote intercultural understanding. lt is increasingly obvious that drama activities have always been used to focus on subsidiary goals, such as "fostering self-esteem and confidence" and "facilitating the formation of a bonded group, which leams together" (Malay/ Duff2005: 1 t) as well as meeting teaching objectives in the fields ofpolitical and social education (e.g. Antigewalttraining) and the learning of foreign languages. This has been critizised throughout the development of „Darstellendes Spiel" (drama) as a separate subject at German schools. Today the idea of drama as a CLIL subject again poses the problem of the relationship between theatrical and language leaming. This paper argues that only by stressing theatre as an art form within a CLIL subject can this special kind of teaching produce a meaningful result. 1. Einleitung Die Doppeldeutigkeit des Titels verweist auf die Zielstellung dieses Beitrags. Es geht um den Bilingualen Unterricht Darstellendes Spiel (BUDS) und darum, worin er sich von den wichtigsten Ansätzen zum Theaterspielen innerhalb des etablierten Englischunterrichts und des Schulfaches Darstellendes Spiel (DS) unterscheidet. Nach einem kurzen Rückblick auf die Vergangenheit von darstellendem Spiel als Methode und Unterrichtsprinzip geht es um den von viel Enthusiasmus und dem Bemühen um Systematisierung, aber auch von Widersprüchen und Ungenauigkeiten geprägten Einsatz von Theaterformen im Fremdsprachenunterricht Englisch und Deutsch. Im Anschluss daran rückt das Schulfach Darstellendes Spiel ins Zentrum der Analyse. Der Vergleich einiger Merkmale von DS als Fach einerseits und Formen des Theaters im Fremdsprachenunterricht andererseits soll Aufschluss über die grundlegenden Merkmale des in der Konzeption befindlichen Faches BUDS geben. Hintergrund für dieses Vorgehen ist die Erkenntnis, dass sich ein zusätzliches Fach BUDS nur rechtfertigen lässt, wenn eine Integration der beiden Einzelfächer (Englisch und Darstellendes Spiel) in punkto Ziele, Inhalte, Kompetenzerwerb und Verfahren möglich ist. Erst dann, so wird vermutet, kann sich eine neue Qualität von Unterricht einstellen, die über die Potenziale der beiden Einzelfächer hinausweist. Korrespondenzadresse: Heike WEDEL, wiss. Mitarbeiterin, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Anglistik/ Amerikanistik, Fachdidaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 BERLIN. E-mail: heike.wedel@rz.hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Lehrerbildung, Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel, Frühenglisch. lFLwL 36 (2007) 160 Heike Wedel Der Begriff Darstellendes Spiel wird von mir hier in Großschreibung nur für das Unterrichtsfach verwendet. Alle anderen Übungsformen und Verfahren, die als Formmerkmal eine Darstellung von Handlungen vor Zuschauern aufweisen, werden im Rahmen dieses Beitrags als Formen des Theaterspiels bezeichnet. Die in diesem Zusammenhang in Literatur und Praxis anzutreffende Begriffsfülle und Definitionsnot wird im weiteren Verlauf des Beitrags thematisiert. 2. Das darstellende Spiel in Verbindung mit dem Lernen und Lehren fremder Sprachen im Rückblick Das Theaterspielen erfüllte schon im 16. und 17. Jahrhundert einen Zweck beim Spracherwerb allerdings vor allem beim Erwerb der lateinischen Sprache im Rahmen von Schuldramaaufführungen an den Universitäten und humanistischen Schulen. Über das sprachliche Lernen hinaus ging es auch schon damals um die Verbesserung von Rhetorik und Merkfähigkeit, um die Gewöhnung an öffentliche Auftritte und um eine Erziehung zu Moral und Humanität (MACHT 1977: 7). Im Ergebnis der schulischen Reformbemühungen am Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das darstellende Spiel vor allem als didaktisches Prinzip verstanden, das in möglichst vielen Unterrichtsbereichen bildend im Geiste der Reform wirken und nicht Gegenstand eines besonderen Faches sein sollte (HESSE 2005: 176). Darstellendes Spiel als Unterrichtsprinzip verweist auf die besonders im Grundschulalter ausgeprägte Durchdringung allen schulischen und außerschulischen Lernens mit gestaltenden bzw. gestalterischen Aktivitäten sei es nun Zeichnen, Singen oder Spielen. Musische Aktivitäten gehören entwicklungsbedingt zu den selbstverständlichen Lebensäußerungen von Grundschulkindern (HESSE 2005: 257). Als Unterrichtsprinzip erstreckte sich die musische Erziehung auch auf andere Fächer und wurde dadurch in Unterrichtsbereichen verwendet, die über die im engeren Sinne mit dem Musischen verwandten Fächer hinausgehen, wie z.B. Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Religion, Zeichnen und Werken, Musik und Leibeserziehung (HESSE 2005: 266, 270). Schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde fächerübergreifend an der Produktion eines schulischen Bühnenspiels gearbeitet (HESSE 2005: 120). Darstellendes Spiel sei per se fächerübergreifend, da es Raum, Sprache, Licht, Farbe, Musik mit einbeziehe und damit in die Zuständigkeiten des Kunst-, Deutsch-, Sport- und Musikunterrichts eingreife (HESSE 2005: 436). Nach dem II. Weltkrieg wird darstellendes Spiel z.B. in den Hamburger Lehrplänen für den Deutschunterricht als Methode zur Sprachgestaltung in den Klassen 5 und 6 empfohlen (HESSE 2005: 257 f). 1966 erscheinen für das Hamburger Schulsystem bundesweit die ersten Richtlinien für das darstellende Spiel in der Schule, in denen seine Funktion als Unterrichtsprinzip und Unterrichtsmethode festgeschrieben wird. Spielformen für den Deutsch- und den Fremdsprachenunterricht werden genannt (HESSE 2005: 279). In den 50er und 60er Jahren fand das Konzeptdrama in education in Großbritannien Verbreitung. Das Theaterspielen mit Laien wurde im Hinblick auf seine persönlichkeitslFLlllL 36 (2007) Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel -Alles nur„ Theater"? 161 bildenden Potenzen entdeckt und in den Unterricht mit einbezogen (DOUGILL 1987: 2 f). Das eigentlich aus dem Bereich des sozialen Lernens stammende Verfahren des Rollenspiels, das auch von einigen Autoren mit zum Darstellenden Spiel gezählt wird, fand seinen Weg aus den USA nach Deutschland und dort ebenfalls Eingang in den kommunikativen Fremdsprachenunterricht, der auf der Suche nach neuen Methoden war (KOCHAN 1974: 250 f). In Deutschland steigt das Interesse an dramabzw. theaterverwandten Unterrichtsformen erkennbar erst wieder mit dem Einfluss alternativer Sprachlehr- und Sprachlernmethoden auf den Fremdsprachenunterricht in den 80er Jahren an (SCHEWE 1993: 28). In den 90er Jahren berichten Fachzeitschriften für den Fremdbzw. Englischunterricht in regelmäßigen Abständen über Projekte und Unterrichtsversuche, in denen aus Sicht der Beteiligten die Einbeziehung von Theaterformen in den Fremdsprachenbzw. in den Englischunterricht mit dem vorrangigen Ziel der (mündlichen) Sprachförderung gelungen ist. Dieser Trend hält bis heute an (vgl. SCHERER 2004; 2005). Sogar einige Themenhefte zu theaterverwandten Themen entstanden. Mit der Neubesinnung auf die Bedeutung literarischer Texte im Rahmen von schülerorientiertem Fremdsprachenunterricht gesellten sich zu den analytischen Methoden der Textarbeit auch solche mit handlungsorientiertem Schwerpunkt. Zu der letzteren Gruppe gehören z.B. das „Erlesen" oder „Erspielen" eines Textes, die „Darstellung eines Textes durch Bewegung und Tanz", die „szenische Umsetzung der von einem Text vorgegebenen Themen / Konflikte", die „Darstellung eines Textes oder Textteils als Puppen-, Marionetten- oder Schattenspiel" und die „Umgestaltung eines Textes in ein anderes Medium" (NÜNNING/ SURKAMP 2003: 155). Für den noch relativ jungen Unterricht im Frühenglisch der 3. und 4. Klassen empfehlen MINDT/ SCHLÜTER (2003: 30 f) nachgeahmte Bewegungen, Pantomime und Spiele mit einzubeziehen sowie einfache Handlungen szenisch darzustellen. In jüngster Zeit hat die Hinwendung zum interkulturellen Lernen innerhalb des Fremdsprachenunterrichts zu einem verstärkten Interesse an produktiven Übungsformen aus dem Bereich des Theaters geführt (vgl. SURKAMP 2001). Parallel dazu entdecken die Theaterpädagoginnen und -pädagogen in der Sprachförderung vor allem von jüngeren Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund (vgl. W ARDETZKY 2006) ein lohnenswertes Betätigungsfeld, was sich schon allein aus der Ankündigung von drei Tagungen zu diesem Thema für das Jahr 2007 ablesen lässt: "Theaterspiel und Sprachlust" im April in Remscheid, "Theaterpädagogische Methoden und Spracherwerb" im Mai in Wolfenbüttel und „Sprachen lernen durch Theater" im November in Berlin. Aus einer Vielzahl von diesen Einflüssen sind im Verlaufe der Jahrzehnte verschiedene Konzepte für den Englischunterricht entwickelt worden, die mit unterschiedlicher Akzentuierung Verfahren aus dem Bereich des Theaterspielens einsetzen. Auch wenn diese Konzepte fast ausschließlich mit der Förderung der Fremdsprache befasst sind, gibt es doch Unterschiede in den Zielsetzungen und Inhalten vor allem aber in der Bezeichnung der Konzepte und Verfahren. Zu den schon von MACHT (1977) aufgelisteten Begriffen Nachahmungs-, Rollen-, Illusionspiel, Darstellendes Spiel, szenisches Spiel, szenische Darstellung und StegreiflFLIIIL 36 (2007) 162 Heike Wedel spiel (MACHT 1977: 7) sind noch hinzugekommen: dramatische Aktivitäten, Inszenierungen, Improvisationen, Dramapädagogik und Theaterspielen im Fremdsprachenunterricht. Diese Begriffe lassen sich derzeit kaum voneinander abgrenzen. Häufig werden sie als Synonyme gebraucht. Die über die Jahrzehnte erhofften Wirkungen vom Einsatz der Mittel des szenischen Spiels im Fremdsprachenunterricht haben sich kaum verändert. Auch heute noch verspricht man sich von der Einbeziehung von Theaterformen und -elementen in den Fremdsprachenunterricht vor allem eine Unterstützung und Förderung des sprachlichen Lernens. Eine Verbesserung der Motivation und der allgemeinen Lern- und Behaltensfähigkeit wird durch aktives sprachliches Handeln, verbunden mit Bewegung und eingebettet in eine Situation, angestrebt. Das Selbstbewusstsein und die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler sollen durch das Theaterspielen günstig beeinflusst werden. Der Einsatz des Theaterspielens als Methode im Englischunterricht soll im nächsten Abschnitt näher untersucht werden. 3. Darstellendes Spiel als Methode im Englischunterricht Die in der Fachliteratur vorherrschende Motivation für die Einbeziehung von Mitteln aus dem Theater in den Englischunterricht ist in der Regel ein in der einen oder anderen Hinsicht als defizitär beschriebener Fremdsprachenunterricht. Das Theater soll z.B. eine Kompensationsfunktion ausüben für einen kopflastigen und bewegungsarmen Fremdsprachenunterricht (vgl. DOUGILL 1987), für ,blutleere' Lehrbuchübungen ohne Kontext (vgl. DOUGILL 1987; vgl. KURTZ 2001) oder für ein ungünstiges Lernklima (vgl. NEUMANN-ZÖCKLER 1981). Außerdem soll es den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit bieten, auch parasprachliche Mittel einzusetzen (vgl. für den Französischunterricht: RATTUNDE 1993 und für den Englischunterricht: SCHERER 2005). DOUGILL (1987) betont sogar, dass dies Schülerinnen und Schülern über mangelnde fremdsprachliche Kompetenz hinweghelfen könnte. Darüber hinaus soll die Einbeziehung darstellender Methoden in den FSU nicht nur etwas kompensieren, sondern sie soll auch etwas liefern wie z.B. Kontext, Motivation, Sprech- und Schreibimpulse, Texte, Übungen, Methoden und Verfahren sowie Gelegenheit zur ästhetischen Verwendung von Sprache geben. Verblüffend ist nicht nur die Vielzahl der Aufgaben, die dem theaterspielenden Fremdsprachenunterricht immer wieder zugedacht wird, sondern zuweilen auch deren Gegensätzlichkeit. In manchen Konzepten soll das Theaterspielen bewirken, dass die Schülerinnen und Schüler für sich und als sie selbst sprechen (vgl. LEISINGER 1966), in anderen Konzepten hingegen geht es gerade um die Übernahme einer fremden Rolle oder gar um eine Einfühlung (vgl. SURKAMP 2001; NÜNNING/ SURKAMP 2003). Oft wird gewünscht, dass die Schülerinnen und Schüler in realen Situationen mittels szenischen Spiels auf die außerschulische sprachliche Realität vorbereitet werden (vgl. KURTZ 2001). Ein anderes Mal besteht der Vorteil des szenischen Spiels gerade darin, dass die Schülerinnen und Schüler eine fiktive Realität kreieren, die ihnen auch einen gewissen Schutz bietet (vgl. LÖFFLER 1979). Die Verwendung des Begriffes Als-ob-Realität gibt Rätsel auf, weil er lFlLuL 36 (2007) Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel-Alles nur „Theater"? 163 unterschiedlich definiert wird: als Abbildung der Wirklichkeit und als fiktive Realität, die sich gerade von der Wirklichkeit abhebt (vgl. KocHISTREISAND 2003), oder als Raum, den sich jeder Sprachlerner beim Kennenlernen einer anderen Sprache und Kultur schafft (vgl. für DaF: HUBER 2003). Ebenso unterschiedlich wird die Zielsetzung von Theater im Fremdsprachenunterricht formuliert: Zum einen sollen die Spieler und Zuschauer in eine fiktive Realität versetzt werden (vgl. WELSCHER-FORCHE 1999), zum anderen soll gerade das im Schulspiel vermieden werden (vgl. HESSE 2005 mit Bezug auf LUSERKE). Unterschiedliche Ansichten herrschen auch darüber, ob sich Theaterformen eher zum Training von spontanen oder von gelenkten mündlichen Äußerungen eignen, sowie generell über den Stellenwert von (schriftlich fixierten) Texten im Rahmen von Theaterarbeit (vgl. HEISING 1991; KURTZ 2001). Wenige Konzepte favorisieren eine Aufführung im Fremdsprachenunterricht (vgl. LEISINGER 1966; SCHERER 2004), andere halten sie für entbehrlich (vgl. MALEYIDUFF 1985 für Englisch und RATTUNDE 1993 für Französisch). Und noch andere sehen in der Aufführung vor allem eine Bestätigung für die Schülerinnen und Schüler. Viele Konzepte gehen von der Sprache eines Theaterstücks oder einer selbstentwickelten Bühnenvorlage aus, selten erfolgt ein erster Zugang über das Spiel (vgl. SCHERER 2004). Alle im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts Englisch entwickelten Konzepte haben allerdings eines gemeinsam: Sie fragen nicht nach der Funktion und Wirkungsweise von Theater, wie Ulrike HENTSCHEL mit Blick auf verschiedene Unterrichtsfächer kritisiert (1996: 122): Es scheint, als könne theaterpädagogische Arbeit sowohl Lernfortschritte in den unterschiedlichsten Unterrichtsfächern bewirken als auch erzieherische Ziele für den einzelnen und für die Gruppe/ Gemeinschaft verwirklichen. Darüber hinaus scheint es möglich, mit theaterpädagogischen Mitteln auch Ziele im Bereich der politischen Bildung und Lösungen für gesellschaftliche Probleme anzustreben. Ansätze, die an theaterspezifische Qualitäten anknüpfen und diese zum Ausgangspunkt einer genuin ästhetischen Bildung durch Theaterspielen machen sind nur vereinzelt anzutreffen. "Spiel", "Laienspiel", "Schulspiel", "Darstellendes Spiel" sind dann auch Bezeichnungen für eine Praxis, die den Bezug zu den ästhetischen Anforderungen des Theaters bewusst vermeiden möchte. Die Arbeit an der Fremdsprache bleibt bei den meisten Konzepten Gegenstand des Unterrichts und besitzt höchste Priorität. Lediglich am Rande wird auf die Wichtigkeit von körpersprachlichen Mitteln hingewiesen (vgl. LÖFFLER 1979; WELSCHER-FORCHE 1999; SCHERER 2004). Selten werden sie zum Gegenstand des Trainings gemacht. Noch seltener finden sich Anklänge an den ästhetischen Gebrauch der Sprache auf der Bühne (vgl. für den Französischunterricht: RATTUNDE 1993). In keinem Fall wird ausreichend reflektiert, dass Sprache nur ein theatrales Gestaltungsmittel unter vielen ist (vgl. dazu WEDEL 2007). lFL1lJIL 36 (2007) 164 Heike Wedel 4. Dramapädagogik, Wahrnehmung und Theater im Unterricht Deutsch als Fremdsprache Im Gegensatz zu der eher pragmatisch und einseitig auf Sprachzuwachs und Literaturverstehen konzipierten Ausrichtung des Einsatzes von Theaterformen im Englischunterricht hat das darstellende Spiel im Unterricht Deutsch als Fremdsprache eine etwas andere Entwicklung genommen. Vor allem mit dem Namen Manfred Schewe ist die Begründung einer dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis verbunden (SCHEWE 1993). Ausgebend von einer Kritik an einem "verkopften" (SCHEWE 1993: 63) und um seine körpersprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten beraubten Fremdsprachenunterricht und an Lehrbuchdialogen und Rollenspielen, die jegliches.dramatische Potenzial vermissen lassen, entwickelte Schewe seine am kommunikativen Fremdsprachenunterricht ausgerichtete Unterrichtskonzeption. Dafür rezipierte er ausführlich die englischen Entwicklungslinien des drama in education (Dramapädagogik) als,erziehungswissenschaftliche Teildisziplin (SCHEWE 1993: 13) und bezog die Überlegungen um das Stegreifspiel in Deutschland zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in seine gedankliche Auseinandersetzung mit ein. In Abgrenzung vom Rollen- und Planspiel beschreibt Schewe, dass es nicht so sehr um die „Einübung in bestimmte Spielformen institutionellen bzw. gesellschaftlichen Handelns" gehe, sondern um „die Konstruktion von neuem (dramatischen) Sinn, um einfür den ästhetischen Bereich typisches - Experimentieren im nicht nur seienden, sondern auch möglichen Raum menschlicher Erfahrung". Die dabei entstehenden Situationen laden zu intensivem, sprachlichem Handeln ein (SCHEWE 1993: 284). „Die kreative Erarbeitung einer situations-, text- oder themenbezogenen Inszenierung steht im Zentrum der Unterrichtsarbeit. Die Fremdsprache ist in der Regel nicht der explizite Gegenstand des Unterrichts, vielmehr wird die Fremdsprache verwendet und geübt, während Inszenierungen vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet werden." (SCHEWE 1993: 406) Schewe geht von einem weiten Kommunikationsbegriff aus, der auf den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel setzt (SCHEWE 1993: 74). Er plädiert dafür, diese nicht nur als Kompensationsmittel für fehlende verbale Ausdrucksmöglichkeiten zu legitimieren (SCHEWE 1993: 75). Schewe wendet sich gegen eine Funktionalisierung ästhetischen Lernens und plädiert dafür, das ästhetische Lernen in seinem Eigenbzw. Erkenntniswert ernstzunehmen (SCHEWE 1993: 77). Schewes Verdienst besteht darin, das Lernen mit den Formen des Theaters im Fremdsprachenunterricht um deren ästhetische Dimension erweitert und praktische Möglichkeiten ihres Einsatzes systematisiert zu haben. In seinen praktischen Ausführungen gewinnt dann aber doch wieder die Arbeit an der sprachlichen Förderung die Oberhand: Im dramapädagogischen Unterricht nutzen Lehrer und Schüler bis zu dem Grade, der ihnen möglich ist, das methodische Know-How einer Dramatikerin, Regisseurin und Schauspielerin zur Inszenierung von Lernprozessen. Im Vordergrund steht dabei nicht wie im Theater bzw. in theaterpädagogischen Projekten die künstlerische Qualität einer Aufführung, sondern die pädagogische Qualität von Lernprozessen. (SCHEWE 1993: 112) lFJLIIL 36 (2007) Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel -Alles nur„ Theater"? 165 Ruth Huber beginnt ihre Arbeit zur Wahrnehmung und zum Theater im Fremdsprachenunterricht 10 Jahre später mit einer Kritik am kommunikativen Fremdsprachenunterricht und entwickelt daraus ihre Forderung nach einem Fremdsprachenunterricht im Sinne einer Wahrnehmungsschulung. Dabei spielt das ästhetische Lernen und das Lernen in und mit Theaterformen eine wichtige Rolle. Im kommunikativen Fremdsprachenunterricht herrscht insgesamt eine enge Auffassung von Kommunikation vor. Sprache wird auf die verbale Aussage reduziert und Kommunikation auf ein Austauschen von Bedeutungseinheiten, [...]. Dass Kommunikation ein kooperativer, von Interaktions- und Kontextvariablen beeinflusster Prozess ist, der die Bedeutungsaushandlung erst in Gang setzt, ging nur selten in die didaktischen Rezeptsammlungen ein. (HUBER 2003: 58) Sie betont, dass nicht jedes Sprechen mit Intentionen verbundenes.Sprechen ist und dass gerade der spielerisch-improvisatorische Gebrauch der Sprache die dem Lernen so förderliche Entspannung bringen kann. Außerdem arbeitet sie heraus, dass ein Unterricht, der die Informationsübertragung in den Mittelpunkt stellt, wichtige Bereiche der Sprache wie die auditive und visuelle Wahrnehmung ausblendet und somit nur zu einer inadäquaten Meisterung der Fremdsprache führen kann. „Leider existieren keine Untersuchungen darüber, ob und in welchem Maße die physische Unbeweglichkeit im Fremdsprachenunterricht die Lernenden in ihrer Ausdrucksfähigkeit behindert[...]" (HUBER 2003: 59 f). In ihrem Ansatz geht Huber davon aus, dass alle Sinne besonders Seh-, Hör-, und Körpersinn im Fremdsprachenunterricht entwickelt werden müssen. Sehen kann man mit Hilfe von Bildern, hören mit Hilfe von Musik und Körpersinn mit Hilfe von Theater entwickeln. Bei all diesen Prozessen spielt das kreative Schreiben eine Rolle und die Aushandlung von Bedeutungen. Sie lehnt sich an das konstruktivistische Lernermodell an, welches sie im Einklang mit neuesten neurologischen Befunden sieht. Ein weiterer innovativer Ansatz ihres Buches besteht darin, die Lernersprache nicht als eine defizitäre Sprache zu sehen, sondern als eine Sprache zwischen den Kulturen. Die mit den Lernenden gemeinsam durchgeführte Bedeutungshinterfragung sorgt für produktive Lernprozesse. Mehr noch, sie kategorisiert die Lernersprache als eine poetische Sprache und setzt den Lerner mit einem Schriftsteller gleich. Huber kommt zu dem Schluss, dass auf Korrektheit dressiertes Sprechen ohne melodisch-expressive Qualitäten im höchsten Maße antikommunikativ ist, und muss feststellen, dass in der kommunikativen Didaktik kaum kohärente Konzepte existieren, wie der Körper zum Sprechen gebracht werden könnte. Statt nur das muttersprachlich Vor-Arrangierte umzubenennen, kann der Lernende andere, exotisch erscheinende Wirklichkeitskonstruktionen kennenlernen und sich in ihnen bewegen, er kann ungewohnte Rollenangebote wahrnehmen und seine verinnerlichten kulturspezifischen Verhaltensnormen revidieren, zudem hat er in der Fremdsprache ein Medium zur Hand, mit dem er neue Welten einer dritten Art konstruieren und darin selber ein Anderer werden kann. Kurz, er hat die Chance, anders zu erfahren, neu zu sehen und zu hören, als ein Anderer zu handeln, und im hier vorgestellten Konzept wird er durch Wahrnehmungssensibilisierung und Theater angeleitet. (HUBER 2003: 74) IFLllliL 36 (2007) 166 Heike Wedel 5. Zur Entwicklung des Schulfaches Darstellendes Spiel Parallel zu den Entwicklungen als Methode im Fremdsprachenunterricht ist das Fach Darstellendes Spiel seit Ende der 70er Jahre dabei, sich als Schulfach in der bundesdeutschen Schullandschaft zu etablieren. Dieser Prozess hat sich seit Beginn der 90er Jahre auch auf die neuen Bundesländer übertragen, in denen es zwar bis 1989 kein Schulfach Darstellendes Spiel gab, wo aber die Kinder mit Theaterspielen entweder im Deutschunterricht, in Arbeitsgemeinschaften oder in Jugendklubs sowie beim Besuch von Vorstellungen der staatlich geförderten Kinder- und Jugendbühnen oder der städtischen Theater in Berührung kamen. Darstellendes Spiel erhielt über die Jahrzehnte seiner Entwicklung Impulse aus verschiedenen Bereichen, so z.B. vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus an Bewegung und rhythmischer Gestaltung orientierten Strömungen wie das Bewegungsspiel der Spielleiter Luserke und später Giffei (HESSE 2005: 177). Eine andere Quelle stellten Bemühungen dar, den Spieltext vornehmlich unter literarischen Gesichtspunkten und als Ausdruck der Literaturverehrung auf die Schulbühne zu bringen (HESSE 2005: 176). Die Tendenz zur Aufführung ganzer, ursprünglich für das professionelle Theater verfasster Stücke mit Laiendarstellern wurde schon damals von einigen Fachvertretern als Überforderung der Schülerinnen und Schüler kritisiert. Die Entwicklung von Darstellendem Spiel zu einem Unterrichtsfach wurde von Anfang an auf Grund seiner Position zwischen Kunst und Pädagogik von einer Reihe von Disputen begleitet. So wollte Luserke das Theaterspiel der Laien streng von der Theaterkunst unterschieden wissen. Seine Aufführungen bezeichnete er dann auch als „Veranstaltungen", in denen die Spieler den Zuschauern keine Illusion vorgaukeln wollten (HESSE 2005: 248). Zu bestimmten Zeiten wurde die pädagogische Seite des darstellenden Spiels betont, zu anderen Zeiten stand die Besinnung auf die Gesetze der Kunst und des Theaters sowie die Betonung ästhetischer Qualitäten im Mittelpunkt (HESSE 2005: 274). In den 50er Jahren ist im Laienspiel eine verstärkte Beachtung von Theatergesetzen und Theaterhandwerk zu beobachten. Diese Akzentverlagerung war auch ein Ergebnis der Begegnung mit ausländischen Spielgruppen, denen die ungleiche Gewichtung von Form und Aussage fremd war (HESSE 2005: 275). Die bis in die 70er Jahre hinein entstandenen Konzepte für das darstellende Spiel lassen sich in zwei Grundrichtungen einteilen: als Mittel des sozialen Lernens oder als künstlerische Tätigkeit. Als soziales Lernen lässt sich darstellendes Spiel in allen Bildungs- und Unterrichtsprozessen einsetzen, als künstlerische Tätigkeit verlangt es nach einem eigenen Fach, in welchem die spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten gezielt geschult werden können (HESSE 2005: 378 f). Den Vertretern der ersten Richtung ging es darum, Verhalten mittels Theaterspielen zu trainieren und somit die Sozialisation der Schülerinnen und Schüler zu beeinflussen. Die Vertreter der künstlerischen Ausrichtung plädierten für eine Akzentverlagerung bei der Wahl der künstlerischen Mittel hin zu von Schülerinnen und Schülern zu bewältigenden Mitteln, damit auch das Laientheater zu einer ästhetisch überzeugenden Wirkung gelangen kann. lFLl.llL 36 (2007) Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel -Alles nur„ Theater"? 167 In den Lehrplänen setzte sich die Präferenz theatral-ästhetischer Aspekte durch (HESSE 2005: 393), auch abzulesen an der Arbeit auf eine Aufführung hin, die traditionell auf ästhetische Maßstäbe hinweist. 6. Von der Methode im Fremdsprachenunterricht und dem Schulfach in der Muttersprache hin zum Bilingualen Sachfach Darstellendes Spiel Wie die vorangegangenen Abschnitte gezeigt haben, sind die Beziehungen zwischen dem Theaterspielen und dem Fremdsprachenlernen vielfältig und blicken auf eine lange Geschichte zurück. Unterschiedliche Traditionslinien und Kontroversen führten und führen zu den heute bestehenden mannigfaltigen Erscheinungsformen von Theater in Verbindung mit dem Fremdsprachenlernen. Wie im dritten Abschnitt beschrieben, entsprang und entspringt die Einbeziehung von Methoden und Verfahren aus dem Theaterbereich in den Englischunterricht eher einer Defizitorientierung im herkömmlichen Englischunterricht. Es wird in der Regel gefragt, wie Theatermittel bestehende Schwierigkeiten überwinden helfen können, anstatt nach dem originären Bildungspotential von Theater zu fragen. Auch in Anlehnung an die Einflüsse des Rollenspiels und der Literaturdidaktik hat sich dieser pragmatische Zugriff erhalten. Theaterspielen dient im Englischunterricht nach wie vor in erster Linie der Sprachförderung oder der spielerischen Aneignung von Literatur. In jüngster Zeit geht es auch um die Einfühlung in eine andere Rolle zum Zwecke des interkulturellen Lernens. All diese Erscheinungsformen instrumentalisieren das Theaterspielen und fragen in der Regel nicht oder nur am Rande nach den theatereigenen Gesetzmäßigkeiten. Im Unterricht Deutsch als Fremdsprache wurde ein etwas anderer Akzent gesetzt. In den dort verankerten didaktischen und methodischen Hinweisen zum Einsatz des Theaterspielens waren verstärkt seit den 90er Jahren Überlegungen zu ästhetischen Aspekten und deren Funktion bei der Förderung der Fremdsprache präsent. In diesem Zusammenhang wurde auch nach dem Wesen des Theaterspielens gefragt und eine Instrumentalisierung desselben zumindest theoretisch abgelehnt (vgl. SCHEWE 1993; HUBER 2003). Ulrike HENTSCHEL (1996: 135 f.), die von einem theaterpädagogischen Standpunkt her argumentiert, sieht die Besonderheiten des Theaters u.a. in Folgendem: Bei einer Theateraufführung handelt es sich um eine Form direkter Kommunikation, befinden sich doch Sender und Empfänger zur selben Zeit am selben Ort. Das Ereignis einer Theatervorstellung ist unwiederholbar, da es lediglich für die Dauer einer Aufführung für ein bestimmtes Publikum stattfindet. Auch mit Hilfe der technischen Aufzeichnungsmöglichkeiten lässt sich das Ereignis nicht in allen Details wiederholen. Das Theater ist wie keine andere Kunstform abhängig von der „aktuellen geistigen und körperlichen Verfassung der Beteiligten und von ihren situativen Wahrnehmungs- und Verstehensbedingungen" (HENTSCHEL 1996: 136). Dieser ,flüchtige' Charakter des Theaterereignisses ist Grundbedingung der Rezeption [sie] erschwert aber das alltägliche und das wissenschaftliche Reden über das Rezipierte. Gleichzeitig lFlLlllL 36 (2007) 168 Heike Wedel wird es aber dadurch, mehr als andere Kunstformen, für die Rezipienten - und stärker noch für die Produzenteneinem Erlebnis vergleichbar, das von der körperlichen Anwesenheit im Augenblick des (ästhetischen) Erlebens nicht zu trennen ist (HENTSCHEL 1996: 135). Die theatrale Kommunikationsstruktur zeichnet sich durch eine Doppelschichtigkeit aus. Nicht nur die Spielenden sind doppelt vorhanden - und zwar einmal als sie selbst und einmal als Bühnenfigur -, auch die verwendeten Zeichen wie Bühnemaum, Requisiten, Kostüme, gesprochene Worte und Sätze existieren zum einen „als ,Wirklichkeit des Bühnenraumes', als Materialien und Äußerungen des Schauspielers [...] aber auch als ,Wirklichkeit des Spiels"' (HENTSCHEL 1996: 139). Aus dieser Doppelung erwächst auch die Fähigkeit von Theater, alltägliche Zeichen mit nicht-alltäglichen Bedeutungen zu versehen und somit festgefahrene Wahrnehmungs- und Denkstrukturen aufzubrechen (HENTSCHEL 1996: 138f.). Die Spezifik des Theaters ergibt sich demnach aus der „Untrennbarkeit von Subjekt und Objekt des künstlerischen Prozesses und aus der zeitlichen und räumlichen Identität von Rezeption und Produktion" (HENTSCHEL 1996: 141). Die Wirkung von Theater hängt entscheidend davon ab, dass sowohl Zuschauer als auch Darsteller diese erzeugte Wirklichkeit, diesen Als-ob-Zustand, für die Dauer der konkreten Vorstellung akzeptieren und sich entsprechend verhalten; es ist eine bewusste Vereinbarung. Auch wenn es sich hierbei um eine fiktive Situation handelt, ist dies nicht gleichbedeutend mit „unwirklich" oder „unernsthaft" (HENTSCHEL 1996: 141). Vielmehr wird im Spiel eine eigene theatrale Wirklichkeit erzeugt (HENTSCHEL 1996: 141 f). In ihrer weiteren Argumentation führt Hentschel aus, dass Theaterspiel auch im nichtprofessionellen Bereich nur dort seine bildende Wirkung entfalten kann, wo eben diese Grundbedingungen von Theater beachtet werden. Auch in pädagogischen Zusammenhängen eingesetztes Theater bleibt seinem Wesen nach Theater mit all seinen Gesetzmäßigkeiten. Doch weder im Englischunterricht noch im Unterricht Deutsch als Fremdsprache wird den Grundbedingungen von Theater besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das kann erst in einem Zusammenhang geschehen, in dem sowohl das sprachliche als auch das theatrale Lernen zwei gleichberechtigte Zielperspektiven darstellen, wie das im bilingualen Unterricht Darstellendes Spiel der Fall wäre. Es wäre dann nicht mehr zu fragen, wie das Theaterspielen die vorhandenen Defizite im Fremdsprachenunterricht beheben könnte, sondern welchen Beitrag das spezifische Bildungspotenzial von Theater und die damit verbundenen Verfahren und Arbeitsweisen auch in Bezug auf das (fremd-)sprachliche Lernen entfalten könnten. Ausgangspunkt aller Überlegungen wäre dann nicht mehr ein von „außen" vorgegebener Stoff oder ein effektvolles Verfahren, sondern das Kommunikationsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler mittels des Mediums Theater, das Sprache mit dem Ziel einer Wirkung auf das Publikum einsetzt. Aus der Perspektive der Didaktik des Darstellenden Spiels wäre der Einsatz von Sprachen im Unterricht zu bedenken. Während es durchaus möglich und legitim ist, die zu verwendende(n) Unterrichtssprache(n) im Sinne der Zielstellungen des jeweiligen bilingualen Modells festzulegen, wird sich die Wahl der auf der Bühne verwendeten Sprache eher an der beabsichtigten Wirkung beim Publikum orientieren. Diese Sichtweise eröffnet dem Theaterspielen im Zusammenhang mit dem Lehren und Lernen fremder Sprachen Möglichkeiten, die weit JFJLllL 36 (2007) Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel -Alles nur „Theater"? 169 über das Lernen von Einzelsprachen in Einzelfächern hinausgehen und der Pflege und Förderung von Mehrsprachigkeit und der Erziehung zu selbiger wertvolle Impulse geben können (vgl. auch MAIROSE-PAR0VSKY 2000). Die im Titel des Beitrags gestellte Frage lässt sich nun folgendermaßen beantworten: Ja, im bilingualen Sachfachunterricht Darstellendes Spiel muss (fast) alles Theater sein, d.h. das gemeinsame Arbeiten an der Sprache und an den anderen theatralen Zeichen in diesem Fach steht im Dienste einer theatralen Wirkung als grundlegendem Merkmal theatraler Gestaltung. Bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel ist deshalb vor allem und in erster Linie THEATER im ursprünglichen Sinne, gekoppelt mit der Möglichkeit, neben dem Erwerb des Wissens um theaterspezifische Wirkungsweisen auch die Fähigkeit zu gewinnen, sich in einer Fremdsprache wirkungsbewusst ausdrücken zu können. Somit kann bilingualer Unterricht Darstellendes Spiel einen Rahmen bilden, in welchem sprachliches und theatrales Lernen für Schülerinnen und Schüler in einzigartiger Synergie erlebbar wird. Literatur DOUGILL, John (1987): Drama Activities for Language Leaming. London/ Basingstoke: Macmillan Publishers LTD. HEISING, Sigrid (1991): Sprachförderung durch Theaterspiel in der Grundschule. Frankfurt am Main: Peter Lang. HENTSCHEL, Ulrike (1996): Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung. Weinheim: Deutscher Studienverlag. HESSE, Ulrich (2005): Vom Schulbühnenspiel zum Schulfach. Die Geschichte der Integration darstellenden Spiels in die Schule am Beispiel Hamburgs. Milow: Schibri. HUBER, Ruth (2003): Im Haus der Sprache wohnen. Wahrnehmung und Theater im Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Niemeyer. KOCH, Gerd/ STREISAND, Marianne (Hrsg.) (2003): Wörterbuch der Theaterpädagogik. Berlin/ Milow: Schibri. KOCHAN, Barbara (Hrsg.) (1974): Rollenspiel als Methode sprachlichen und sozialen Lernens. Kronberg Ts.: Scriptor. KURTZ, Jürgen (2001): Improvisierendes Sprechen im Fremdsprachenunterricht. Eine Untersuchung zur Entwicklung spontansprachlicher Handlungskompetenz in der Zielsprache. Tübingen: Gunter Narr. 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The authors, having served as College Masters at Jacobs University from November 2002 to January 2007, offer an account of the rules of language use at the private university, and reflect these rules vis-a-vis experience acquired in more than four years of closely living together with students. The article describes how a private institution of tertiary education, which uses only English as the language of instruction, is viable and successful. Jacobs University in Bremen has probably attracted the most diverse student body of any university in the world. While multiculturalism thrives at Jacobs University, multilingualism/ plurilingualism has not yet been accomplished and remains on the agenda for the near future. 1. International University Bremen wird Jacobs University Anfang November 2006 ging eine brandneue Universität durch die deutsche und internationale Presse, die zwar neu, aber so neu, wie es in den Presseberichten den Anschein hatte, dann doch nicht war, die Jacobs University Bremen: Die im Jahre 1999 gegründete International University Bremen hatte in der Schweizer Jacobs Foundation einen hoch motivierten Spender gefunden, der die bis dahin unter dem Rubrum IUB firmierende Einrichtung aus einer großen finanziellen Krise rettete und sozusagen als Dankeschön für eine Spende von in Europa nie da gewesener Größenordnung (200 Millionen Euro) - Namenspatron der Einrichtung wurde. Die Namensgleichheit mit der bekannten Kaffeemarke ist dabei nicht zufälliger Natur. Die vormalige Besitzerfamilie des alteingesessenen Bremer Kaffeehauses hatte beim Verkauf ihres Unternehmens an die amerikanische Firma Kraft Foods vor fast zwei Jahrzehnten wesentliche Teile des Verkaufserlöses in eine Stiftung mit Sitz in der Schweiz eingebracht. Für Linguisten interessante Anmerkung: Bereits die Namensgebung der Einrichtung umfasst ein Stück Sprachenpolitik; Codeswitching bzw. Cross-Over (vgl. TRACY 2000) gehörte zur Gründungsausstattung der Bremer Einrichtung und wurde im Rahmen der Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Klaus BOEHNKE, Dipl.-Psych., Professor for Social Science Methodology, School of Humanities and Social Sciences, Jacobs University Bremen, Campus Ring 1, 29759 BREMEN. E-mail: K.Boehnke@jacobs-university.de Arbeitsbereiche: Jugendforschung, Politische Psychologie und Soziologie, Methoden der empirischen Sozialforschung. Mandy BOEHNKE, Dipl.-Soz., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Empirische und Angewandte Soziologie (EMPAS), Universität Bremen, Celsiusstraße FVG, 28359 BREMEN. E-Mail: boehnke@empas.uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Familiensoziologie, Politische Soziologie, Sozialpsychologie. lFLuL 36 (2007) 172 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke Umbenennung erneut deutlich. Tendierten Mitglieder der Universität von Anfang an dazu, von ihrer Alma Mater auch in anderen Sprachen als dem Englischen als ['a1'ju'bi] zu sprechen, ist es nunmehr erwünscht, sich nicht etwa der ['d3e1kabz]-University zuzuordnen, sondern die deutsche Aussprache des ersten Elements des Namens der Universität zu nutzen, also von ['ja: kops]-University zu sprechen. 2. Geschichte und Struktur der Jacobs University Bremen Bevor wir die Sprachenpolitik darlegen, die die Jacobs University seit ihrer Gründung als IUB verfolgt, scheint es angesichts der Nicht-Alltäglichkeit von Privatuniversitäten in der deutschen Bildungslandschaft notwendig, einen kurzen Abriss der Geschichte der Einrichtung zu geben, da auch dieser bereits einen Einblick in die sprachenpolitische Verortung der Universität ermöglicht. Jacobs, so das voller Zukunftsoptimismus in Anklang an Harvard oder Stanford gewählte neue Namenskürzel, ist eine unabhängige, staatlich anerkannte Universität mit breitem Fächerspektrum in privater Trägerschaft. Im Jahr 2001 wurde sie als erste deutsche Privatuniversität durch den Wissenschaftsrat akkreditiert; eine Reakkreditierung steht aktuell an. Sie kooperiert eng mit der privaten texanischen Rice University und der staatlichen Universität Bremen, ohne dass mit diesen Institutionen finanzielle Verflechtungen existieren. Forschung und Lehre sind in zwei Fakultäten (Schools), die School of Engineering and Science und die School of Humanities and Social Sciences, und ein Forschungs- und (Weiter-)Bildungszentrum, das schon zu IUB-Zeiten gegründete Jacobs Center for Lifelong Leaming and Institutional Development, gegliedert; deutsche Namen haben diese Einrichtungen nicht. Angeboten werden internationale (im BA/ BSc-Bereich durch die Akkreditierungsagentur ACQUIN akkreditierte) Abschlüsse: BA/ BSc, MA/ MSc und PhD. In drei Jahren erwerben die Studierenden den Bachelor of Science oder den Bachelor of Arts. Dabei können sie derzeit unter dreizehn ingenieur- und naturwissenschaftlichen sowie sechs geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern wählen. Seit Herbst 2002 gibt es Graduiertenprogramme, die zu MA/ MSc- und PhD-Abschlüssen führen. Der Lehrbetrieb wurde im Herbst 2001 mit 130 Studierenden aufgenommen. Im Studienjahr 2002/ 2003 waren es dann schon 350 Immatrikulierte, darunter 20 so genannte Graduate Students. Aktuell gibt es 1008 Studierende aus 88 verschiedenen Ländern! Die Jacobs University ist damit aller Wahrscheinlichkeit nach die Universität mit der weltweit größten nationalen und sprachlichen Diversität, wenn man die Anzahl der studentischen Herkunftsländer auf die Gesamtstudierendenzahl umrechnet. Die Zahl der Professor(inn)en beträgt aktuell knapp 100 mit einem Durchschnittsalter von 42: Es wurden vor allem junge Wissenschaftler(innen) mit internationalen akademischen Biographien berufen. Wie bei anderen privaten Hochschulen werden Studiengebühren erhoben und der Zugang ist durch ein Auswahlverfahren beschränkt. Die nominellen Studiengebühren einschließlich Unterkunft und Verpflegung belaufen sich derzeit pro Studienjahr auf 18.600 € (15 .000 € Studiengebühren+ 3.600 € Unterkunft und Verpflegung). Ausgewählt lFLulL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 173 wird ausschließlich nach Leistungskriterien (Scholastic Assessment Test - SAT; TOEFL mit Werten besser als 549! Papierversion, 212/ Computerversion, 78/ Internetversion; Referenzen; Zeugnisnoten, Motivationsessay, und wenn möglich ein persönliches oder Telefoninterview). Belege für außerschulisches Engagement gehören zu den bewerteten Leistungskriterien. Die finanzielle Lage der Bewerber spielt bei der Auswahl keine Rolle. Dem Auswahlkomitee ist die wirtschaftliche Situation der Bewerber/ innen nicht bekannt. Stipendien und Finanzierungsmodelle stellen sicher, dass Bewerber, die das Auswahlverfahren bestanden haben, auch an der Jacobs University studieren können. Das Lehr- und Forschungskonzept der Jacobs University zeichnet sich durch verschiedene Besonderheiten aus, die sie von staatlichen Universitäten und anderen privaten Hochschulen in Deutschland deutlich unterscheiden. Um frühzeitig ,disziplinäre Scheuklappen' zu vermeiden, wird von den Studierenden gefordert, auch Kurse in der jeweils anderen School zu belegen. Das heißt zum Beispiel, dass Studierende, die einen BSc in Biochemie und Zellbiologie anstreben, auch Kurse z.B. in „Theory and History of Arts and Literature" belegen müssen, Arts-and-Literature-Studierende Kurse z.B. in ,Geoastro', wie „Geosciences and Astrophysics" im Studierendenjargon bezeichnet wird. Hinzu kommen fachübergreifende Kurse, so genannte University Studies Courses (USCs), die gemeinsam von zwei Professor(inn)en unterschiedlicher Disziplinen abgehalten werden und Themen von gemeinsamem Interesse behandeln. Dabei gehört ein Kurs zum Thema „Monsters of the Sea", angeboten von einer Meeresbiologin und einem Literaturwissenschaftler, ebenso zum Programm wie ein Kurs „The Sun, the Moon, and the Planets", den ein Astrophysiker und ein Literaturwissenschaftler anbieten. Das zahlenmäßig günstige Verhältnis von Professorinnen zu Studierenden, derzeit 11: 1, sorgt für intensiven Kontakt und Austausch sowie eine sehr gute Betreuung der Studierenden. Alle Studierenden der Bachelor-Studiengänge leben auf dem Campus in so genannten Colleges. Die Colleges sind studentische Wohn- und Arbeitszentren. Sie sind so eingerichtet, dass jeweils zwei möblierte Einzelzimmer zusammen mit einem Badezimmer ausgestattet sind. In jedem College lebt auch ein/ e Professor/ in mit seiner/ ihrer Familie; das Paar nimmt als College Master eine Mentorenrolle für die Studierenden wahr. Die Verfasser haben diese Funktion von 2002 bis 2007 im von der Stiftung Mercator finanzierten Mercator College innegehabt. Zusätzlich gibt es aus den Reihen der Doktoranden oder des nicht-wissenschaftlichen Personals so genannte Resident Associates, die ebenfalls im College wohnen und Studierenden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der ca. 30 Hektar große Jacobs-Campus befindet sich im nördlichen Teil Bremens. Auf dem parkähnlichen Gelände finden sich sämtliche Gebäude für Lehre, Forschung und Verwaltung, die Colleges, ein Gästehaus sowie zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, die auch Sporthallen und -plätze umfassen. Zusammengefasst sind die Bildungsintentionen der Jacobs University im so genannten Mission Statement: • Excellence with regard to the selection of students and faculty; • Intemationality with respect to the student body and faculty, international degrees, instruction in English; · lFlLd 36 (2007) 174 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke • Transdisciplinarity of teaching and research; • Interactivity through a networked environment, unity of living and learning on campus; • Independence of organization and management, and maximum flexibility. 3. Sprachen an der Jacobs University Bremen Soweit die Beschreibung der Gegebenheiten der Jacobs University. Vieles daran mag man wie die Verfasser als beispielhaft erleben. Eine Reihe von Details bedarf jedoch einer nachhaltigen Qualifizierung, wenn man die Sprachenpolitik einer außergewöhnlichen tertiären deutschen Bildungseinrichtung diskutieren will, die ihr Lehrprogramm (fast) ausschließlich in englischer Sprache absolviert. Zunächst einmal gilt es die außergewöhnlich hohe Diversität der Studierendenschaft detaillierter zu beschreiben. Zwar hat die Jacobs University tatsächlich Studierende aus 88 Ländern, doch bedeutet dies keineswegs, dass bei 1008 Immatrikulierten 11 bis 12 Studierende aus jedem Land kommen. Es sind 29 Länder mit einem Studierenden vertreten, 47 weitere Länder stellen 2 bis 10 Studierende. Nur aus 12 Ländern kommen mehr als 1 % der Immatrikulierten der Jacobs University, nämlich Deutschland (24,7 %), Bulgarien (13,3 %), Rumänien (12,7 %), Indien (5,3 %), USA (5,2 %), Nepal (3,5 %), Mazedonien (1,9 %), Litauen (1,8 %), Polen (1,8 %), Türkei (1,7 %), Äthiopien (1,6 %) und Ghana (1,4 %). Die Auflistung macht deutlich, dass es in der Studierendenschaft der Jacobs University drei Länder mit einer größeren Anzahl von Studierenden gibt, Deutschland, Bulgarien und Rumänien, drei Länder mit einem mittelgroßen Anteil (Indien, USA und Nepal) und letztlich 82 Länder mit jeweils einer geringen Anzahl von Studierenden. Tabelle 1 dokumentiert die Verteilung der Muttersprachen der an der Jacobs University Immatrikulierten, wobei hierzu keine Immatrikulationsdaten vorliegen, sondern nur auf der Basis der studentischen Staatsangehörigkeit geschätzt werden kann; aufgeführt sind nur Sprachen, die mindestens von 5 % der Immatrikulierten (als Erstsprache) gesprochen werden. Land der Staatsangehörigkeit mit Amtssprache ... Sprache Deutsch Bulgarisch Rumänisch Englisch Hindi/ Urdu Russisch Prozent der Immatri- 24,7% 13,3 % 12,6% 9,0% 6,1 % 5,9% kulierten der JU Tab. 1: Sprachengruppen unter Studierenden der Jacobs University (JU) Die Tabelle macht zunächst deutlich, dass einige große Weltsprachen (vgl. KATZNER 2002) an der Jacobs University nicht in nennenswertem Umfang vertreten sind, nämlich Arabisch (ist Amtsprache der Herkunftsländer von 2,2 % der Studierenden), Spanisch (2, 1 %), Chinesisch (1,5 %), Französisch (1 %), Bengalisch (0,4 %) oder Portugiesisch (0,3 %). lFLl.lL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 175 Bevor nachfolgend auf die Auswirkungen der berichteten Sprachenverteilung auf das Lernen und Leben an der Jacobs University eingegangen wird, sei noch auf zwei weitere wichtige Aspekte der Sprachenverteilung an der Universität verwiesen: Der Lehrkörper der Jacobs University besteht zu über 80 % aus Deutschen, wobei diese fast ausnahmslos sehr viel Auslandserfahrung mitbringen. Im Bereich des Verwaltungspersonals sind die Prozentsätze ähnlich. 4. Sprache im akademischen Alltag der Jacobs University Bremen Was bedeutet nun die Verteilung der von Studierenden gesprochenen Sprachen für den Alltag an der Jacobs University? Studentisches Leben hat zwei Standbeine, das akademische und das soziale Leben. Dadurch, dass alle Studierenden der BA/ BSc-Studiengänge verpflichtet sind, in einem der drei Colleges auf dem Campus zu wohnen, sind beide Lebensbereiche eng miteinander verzahnt. Das akademische Kursprogramm umfasst im Durchschnitt 7 Kurse in jedem der sechs Semester des BA/ BSc-Programms; im MA/ MSc- Studium sind es weniger, im PhD-Studium reduziert sich die Kursarbeit meist auf einen Kurs pro Semester. Alle Kurse werden in englischer Sprache abgehalten (auf Fremdsprachenkurse gehen wir an späterer Stelle ein). Aus der Perspektive der Lehrenden (und durchaus auch der Kommiliton(inn)en) stellt sich die Frage, ob alle Studierenden der Jacobs University hinreichend gute Englischkenntnisse haben, die sie in die Lage versetzen, anspruchvollen Kursinhalten in einer Nicht-Muttersprache zu folgen (nur knapp 10% kommen, wie berichtet, aus einem Land, in dem Englisch entweder Mutter- (z.B. USA) oder weit verbreitete Amtssprache (wie in den anglophonen Ländern Afrikas oder in Indien) ist. Die Frage ist aus einer Innenperspektive nicht eindeutig zu beantworten, weil ,zu folgen' in Kursen unterschiedlicher akademischer Disziplinen etwas Unterschiedliches bedeutet. Wenn es darum geht, ob Studierende Instruktionen in experimentell ausgerichteten naturwissenschaftlichen Kursen verstehen, ist eine andere Fertigkeit gefragt, als wenn es in einem historischen Seminar über Machiavellismus in italienischen Republiken der Renaissance zu diskutieren gilt. Allgemein lässt sich festhalten, dass basierend auf einem relativ hohen Zulassungsschwellenwert im TOEFL (s.o.) alle Studierenden der Jacobs University in der Lage sind, passiv einem typischen Kursangebot der Universität zu folgen. Ganz anders sieht es aus, wenn akademisches Schreiben gefragt ist. Sowohl an der School of Engineering and Science als auch an der School of Humanities and Social Sciences gibt es eine größere Anzahl von Studierenden, deren Fertigkeiten in diesem Bereich nicht wirklich ausreichen. Dieser Befund entstammt allerdings keiner systematischen empirischen Erhebung, sondern anekdotischen Berichten im Kolleg(inn)enkreis. Der weit verbreitete Eindruck hat dazu geführt, regelmäßig sowohl Academic-Writing- Workshops (vgl. McCORMACKISLAGHT 2005; PALLANT 2004) im Rahmen eines Career- Development-Programms anzubieten, das die Universität für alle Studierenden bereithält, als auch einen optionalen kreditierten Kurs „English for Academic Purposes" für Studierende des dritten BA/ BSc-Jahrgangs und für Graduate Students. Aktuell wird darüber JFLIIL 36 (2007) 176 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke nachgedacht, Academic-Writing-Kurse zu Wahlpflichtkursen zu machen, das heißt, diese als optionales Modul in einem Pflichtkurs anzubieten (auszuwählen etwa aus drei verwandten Career-Development-Angeboten, neben dem Academic Writing z.B. Presentation Skills, CV Writing). Akademische Sprachfertigkeit ist keine Einbahnstraße. Aus Studierendenperspektive stellt sich regelmäßig die Frage, ob Lehrende, die zu 80% Deutsche und zu weiteren ca. 10 % Muttersprachler anderer Sprachen als des Englischen sind, hinreichend in der Lage sind, qualitativ hochstehende Seminare und Vorlesungen in englischer Sprache abzuhalten. In diesem Kontext ist die Frage nicht die der Schreibfertigkeiten (die sind bei allen Mitgliedern des Lehrkörpers der Jacobs University gegeben, da englische Publikationstätigkeit ein informelles Einstellungskriterium ist). Anders die Sprechfertigkeit. Eine nennenswerte Anzahl der Lehrenden an der Jacobs Universität spricht englisch mit einem deutschen oder anderssprachigen Akzent. Studierende monieren dies ggf. ,gnadenlos'. In den allsemestrigen obligatorischen Lehrevaluationen können sie Schulnoten für die englische Sprachkompetenz der Lehrenden vergeben, wobei sie durchaus auch mit der Note „mangelhaft" nicht sparen. In Fällen, wo besonders schlechte Noten der Sprachkompetenz mit schlechten Noten für die didaktischen Fähigkeiten zusammenfallen, kommt es dann durchaus gelegentlich zu Nicht-Verlängerungen von Arbeitsverträgen von Lehrenden. Studierende haben an der Jacobs University einen großen Einfluss auf die Leistungsbewertung von Lehrenden und damit wenn auch sehr indirektauch auf deren Vertragsgestaltung. Die Frage der Sprachfertigkeit spielt im akademischen Leben der Jacobs University allerdings noch eine weitere Rolle. Wenn man einmal von den deutschen Studierenden absieht etwa einem Viertel der Immatrikulierten spricht nur eine Minderheit der Studentinnen und Studenten Deutsch. Eine nennenswerte Anzahl von Studierenden informelle Schätzungen der Verfasser auf der Basis langjähriger täglicher Begegnungen mit Studierenden liegen bei etwa 50% hat nicht einmal rudimentäre Deutsch-Kenntnisse, wenn sie das Studium an der Jacobs University aufnehmen. Ein Problem entsteht, wenn dies bei der Mehrheit dieser Studierenden auch bei Überreichung des BA! BSc- Abschlusszeugnisses noch so ist. Man könnte der Meinung sein, dass mangelnde Deutschkenntnisse an einer Universität, die ihr fachliches Kursprogramm ausschließlich in englischer Sprache anbietet, eigentlich kein Problem sind, doch können die Konsequenzen gravierend sein. Planen Studierende nach dem BA! BSc-Studium an der Jacobs University ein Graduierten-Studium in einem in englischer Sprache angebotenen Programm, so halten sich die akademischen Probleme mangelnder Deutschkenntnisse in der Tat in Grenzen; anders aber, wenn Studierende direkt auf den Arbeitsmarkt oder in ein deutschsprachiges Studienprogramm streben. Dann verbauen sie sich unabhängig von ihrer fachlichen Qualifikation durch nicht in nennenswertem Umfang vorhandene Deutschkenntnisse den Eintritt in den deutschen Arbeits- und Bildungsmarkt. Auch in anderen Ländern gehen Unternehmen regelmäßig davon aus, dass Menschen, die in Deutschland studiert haben, die deutsche Sprache beherrschen und sind verwundert, wenn dies nicht der Fall ist. Die von mangelnden Deutschkenntnissen herrührenden Probleme beginnen jedoch nicht erst bei Bewerbungen nach dem Studium. Bereits wenn es um lFLlllL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 177 Bewerbungen um Plätze für die in allen Studiengängen obligatorischen außeruniversitären Praktika geht, wird vielen Studierenden deutlich, dass ohne Deutschkenntnisse ein Praktikumsplatz in Deutschland schwer zu bekommen ist. Was tut nun die Jacobs University für die Verbesserung der Deutschkenntnisse ihrer Studierenden? Aktuell wohl noch zu wenig! Die Tatsache, dass sämtliche Curricula der Universität keinerlei obligatorische Deutschkurse umfassen, ist zunächst einer Geburtskomplikation der damaligen IUB geschuldet. Im Gründungsprozess wurde entschieden, die BA/ BSc-Curricula der IUB auf eine dreijährige Studiendauer auszulegen, gleichzeitig aber auch den amerikanischen Erwartungen an ein vierjähriges Bachelorprogramm gerecht zu werden. De facto bedeutet dies, dass ein dreijähriges Programm eigentlich Kurse für vier Jahre umfasst. Da zudem auch der Transdisziplinaritätsanspruch (s.o.) erfüllt werden sollte, waren die Curricula aller Programme von Beginn an übervoll: 40 Kurse waren und sind in drei Jahren zu absolvieren. Wo ein amerikanischer Undergraduate pro Semester 5 Kurse besucht, sind es bei Studierenden der Jacobs University eher 7. Für Deutschkurse war in ersten Versionen der Curricula kein Platz. Schon bald nach Aufnahme des Studienbetriebs gab es dann aber studentische Nachfrage nach solchen Kursen. Studierenden anzuraten, diese in ihrer Freizeit zu besuchen, war keine Lösung, da 8. und 9. Kurse für die Studierenden nicht mehr zu verkraften waren. Also entschied man sich, nicht-deutschen Studierenden die Option zu eröffnen, statt zweier im Curriculum vorgesehener interdisziplinärer wahlfreier Kurse "Horne School Electives") Deutschkurse zu besuchen und diese auch kreditiert zu bekommen; für einen typischen bestandenen - BA/ BSc-Kurs werden Jacobs-Studierenden 4,5 Punkte nach dem System des European Credit Transfer Systems (ECTS) gutgeschrieben. EinDeutsch-Kurs erbringt 3 ECTS-Punkte, so dass man mit drei Sprachkursen zwei reguläre Kurse ersetzen kann. Diese Lösung führte dann allerdings zu Protesten der deutschen Studierenden, die natürlich keine Deutschkurse besuchen wollten und durften, aber auch nach einer Möglichkeit verlangten, ihre Sprachkenntnisse ,for credit' zu erweitern. Diesem Wunsch wurde dadurch Rechnung getragen, dass deutsche Studierende ebenfalls zwei Horne School Electives durch Sprachkurse ersetzen können: Spanisch-, Französisch- und (ab Herbst 2007) Chinesisch-Kurse werden seitdem regelmäßig angeboten, für eine Teilnahme an diesen sind aber hinreichende Deutschkenntnisse nachzuweisen. Muttersprachler anderer Sprachen als des Deutschen müssen die Berechtigung zu einer Teilnahme an nichtdeutschen Sprachkursen durch einen so genannten Placement-Test im Deutschen belegen. Deutschkurse sind wohlgemerkt weiterhin nicht obligatorisch. Nicht-deutsche Studierende, denen Deutschkurse zu mühselig sind, können sich durch den in einer Campusuniversität wie der Jacobs University auf ein Minimum beschränkbaren - ,deutschen' Alltag problemlos drei Jahre ,durchwurschteln'. Nachdem auch die von der Universität im Jahre 2006 berufene Perspektivkommission der damaligen IUB nachdrücklich auf das Problem der mangelnden Deutschkenntnisse der Studierenden und der zum Teil daraus folgenden geringen Einbindung der Universität in das lokale und regionale Umfeld hingewiesen hat, wird eine Umstellung des Sprachausbildungskonzepts angestrebt. Dies ist allerdings kein einfaches Unterfangen; wie oben aufgezeigt, ist eine einfache Erhöhung der Zahl der Pflichtkurse ausgeschlossen. Auch JFL1.1][, 36 (2007) 178 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke eine Verpflichtung nicht-deutscher Studierender zur Teilnahme an Deutschkursen, die auf den ersten Blick als eine Option erscheint, könnte zu Verwerfungen führen. Einerseits könnte die Teilnahmepflicht an Deutschkursen solche Studierende vom Studium an der Jacobs University abhalten, die man eigentlich in besonderem Maße für ein Studium gewinnen möchte, nämlich die hervorragenden Bewerber(innen), die sich zwischen einem Studium in den USA und an der Jacobs University entscheiden können, aber nicht speziell an Deutschland und der deutschen Sprache interessiert sind. Dies dürfte vor allem auf Studierende der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge zutreffen, die durchaus auch einen Studienplatz an einer renommierten amerikanischen Universität erhalten können, bisher aber aus verschiedenen Gründen für die Jacobs University optiert haben. Viele besonders talentierte osteuropäische Bewerber(innen) haben bisher so entschieden, weil ein Studium an der Jacobs University zum einen näher an der Heimat angesiedelt ist, zum anderen durch Finanzierungshilfen auch preiswerter war. Obligatorische Deutschkurse könnten unter Umständen dazu beitragen, dass die Waage in Zukunft anders ausschlägt und die angesprochenen Bewerber(innen) sich dann doch lieber für eine amerikanische Universität entscheiden, die ihren Karriereambitionen vielleicht sowieso mehr entspricht. Das gerade skizzierte Problem ist jedoch nicht das einzige. Einige weitere kommen hinzu. Wenn man nämlich für nicht-deutsche Studierende Deutschkurse verpflichtend macht, was verlangt man dann den deutschen Studierenden ab? Eine Ungleichbehandlung käme aus Gründen der Corporate Culture der Jacobs University nicht in Frage: Prozedurale Gerechtigkeit ist an der Universität ein überaus hohes Gut, wird von Studierenden immer wieder eingefordert und von einem paritätisch mit Studierenden und Lehrenden besetzten Academic Integrity Committee überwacht. Sollen also auch deutsche Studierende Sprachkurse besuchen müssen und wenn ja, welche? Jedoch selbst wenn sich dieses Problem lösen ließe, so wäre damit noch nicht unbedingt das Problem geringer Deutschkenntnisse einer großen Anzahl Studierender gelöst. Falls man ohne nennenswerte Deutschkenntnisse sein Studium aufnimmt, wird man durch die Teilnahme an den derzeit gegen Credit vorgesehenen drei Deutschkursen nicht wirklich die deutsche Sprache erlernen, wenn man sich ausschließlich in einer englischsprachigen Lebenswelt wie der Campusuniversität Jacobs aufhält. Dieses Teils der Deutsch-Problematik der Jacobs University Herr zu werden, ist nur möglich, wenn man an mindestens einer von zwei Stellschrauben dreht, nämlich der Residenzpflicht für BA/ BSc-Studierende oder der Transdisziplinariät des Lehrprogramms. Gerade diese beiden Dinge sind aber Eckpfeiler des Gesamtkonzeptes der Jacobs University (s.o. Mission Statement). Auf die Residenzpflicht und deren Konsequenzen gehen wir weiter unten ein. Das Transdisziplinaritätskonzept der BA/ BSc-Ausbildung haben wir oben kurz skizziert. Alle Undergraduates der Jacobs University müssen neben den Pflichtkursen des gewählten Studienfaches transdisziplinäre Kurse besuchen, die so genannten USCs; sie müssen Kurse der jeweils anderen Fakultät besuchen und sich Kurse aus dem Programm benachbarter Fächer aussuchen (Horne School Electives). Will man nunda die Kursgesamtzahl aus den oben dargelegten Gründen nicht erhöht werden kann nicht-deutsche Studierende zu mehr als drei Deutschkursen verpflichten, kann man dies nur unter Streichung inter- und translFLllL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 179 disziplinärer Kurse tun, die aber, wie gesagt, ein Markenzeichen der Universität sind. Wie diesem Dilemma zu entkommen ist, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Verschiedene Lösungen wurden diskutiert, keine davon ist ohne Fehl; Vorschläge für eine umfassende Reform werden seit geraumer Zeit erarbeitet, ohne dass bisher Entscheidungen getroffen wurden. 5. Sprache im sozialen Alltag der Jacobs University Bremen Wie bereits angesprochen, leben die Studierenden der BA/ BSc-Studiengänge der Jacobs University in derzeit drei so genannten Colleges auf dem Campus der Universität. Für Undergraduates besteht zurzeit Residenzpflicht; Ausnahmen von dieser werden nur in wenigen begründeten Einzelfällen gewährt. Wenn neue Studienjahrgänge an der Jacobs University eintreffen, werden sie von den Administratoren der Colleges, den so genannten College-Office-Managern, auf die drei Colleges verteilt, und zwar so, dass in einer Suite (so nennen die Studierenden das Ensemble von zwei möblierten Einzelzimmern mit einem gemeinsamen Bad) zwei Studierende gleichen Geschlechts und unterschiedlicher Nationalität untergebracht werden. Hintergrund dieser Regelung ist der Wunsch der Universität, kulturübergreifende Kontakte zwischen Studierenden (wohn-)strukturell zu fördern, ohne Studierenden, die aus ihren Heimatländern hinsichtlich des Umgangs der Geschlechter miteinander anderes gewohnt sind, die eher libertären deutschen Gewohnheiten zu oktroyieren. Ab dem zweiten Studienjahr nehmen die Studierenden die Raumvergabe in Eigenregie vor. Die Restriktion unterschiedlicher Nationalitäten bei gleichem Geschlecht gilt dann nicht mehr. Die Sprachnutzung im sozialen Leben der Studierenden ist wesentlich komplexer als es im akademischen Leben der Fall ist und hat sich zudem über die Jahre seit Aufnahme des Studienbetriebs im Herbst 2001 deutlich gewandelt. Konnte man beim so genannten Pionierjahrgang noch beobachten, dass auch im sozialen Miteinander der Studierenden praktisch immer Englisch gesprochen wurde, so hat sich dieses in den letzten Jahren mit dem Anwachsen der Anzahl der Immatrikulierten deutlich geändert. Zwar gab es auch in der ersten Studierendenkohorte bereits die drei großen Nationalitätengruppen (Deutsche, Bulgaren, Rumänen), doch kannten sich damals noch alle Studierenden untereinander gut, hervorgerufen auch durch die vielen gemeinsamen Aktivitäten des ,Institution-Building'. Man sprach aus dem Wunsch und der Notwendigkeit nach permanenter kulturübergreifender Kommunikation heraus Englisch. Nach Ende der ersten Phase des Institution- Building mit der Graduierung des ersten BA/ BSc-Jahrgangs im Jahr 2004 bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der Studierenden trat ein deutlicher Wandel ein. Die Gruppe der deutschen, bulgarischen und rumänischen Studierenden war jetzt (und ist dies auch heute) so groß wie im ersten Jahr die gesamte Studierendenschaft. Bulgarische Studierende können problemlos ihren nicht-akademischen Alltag ausschließlich mit Bulgaren verbringen. Nationalitätentische in den drei Mensen der Jacobs University sind nicht unüblich. An diesen Nationalitätentischen wird dann selbstverständlich auch nicht Englisch gesprochen, sondern die Heimatsprache. Die Option, Nationalitätentische (an JF[,1JL 36 (2007) 180 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke einen Mensatisch passen je nach Tischarrangement mindestens 8 Personen) zu organisieren, haben allerdings nur Studierende aus den Ländern, die hinreichend viele Immatrikulierte an der Jacobs University haben. Wenn man bedenkt, dass die Studierenden in etwa gleicher Zahl in den drei Colleges leben und typischerweise (obwohl dies freigestellt ist) auch die Mensa des eigenen Colleges besuchen, wird schnell deutlich, dass eigentlich nur Deutsche, Bulgaren, Rumänen und, gelegentlich vielleicht noch Inder, Amerikaner und Nepali über eine Zahl von Jacobs-Studierenden verfügen, die Nationalitätentische ermöglichen. Formen Amerikaner Nationalitätentische, fällt dies zudem nicht weiter auf, da ihre Muttersprache ja die Verkehrssprache der Jacobs University ist; auch Inder sprechen nicht selten untereinander Englisch. Die Bildung von sprachlich homogenen sozialen Gruppen wird durchaus kontrovers diskutiert. Die College Master (zu denen die Verfasser einige Jahre selbst gehörten) versuchen unter Berufung auf das Wittgenstein'sche Credo, "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt" (Tractatus 5.6, WITTGENSTEIN 2003) der latenten sprachlichen Ghettobildung entgegenzuwirken. Ihre Maßnahmen greifen jedoch am Mittagstisch kaum. Einfluss können die College Master eher auf die Nationalitätenverteilung in Teileinheiten ihrer Colleges nehmen. Wie ausgeführt, regeln die Studierenden ab dem zweiten Studienjahr die Vergabe von Räumen in den Colleges autonom. In diese Autonomie versuchen die College Master in langen, oft zermürbenden Diskussionen einzugreifen, indem sie etwa verlangen, Höchstprozentsätze für einzelne Nationalitäten auf einem Wohnflur (etwa 12 ,Suiten') festzulegen. Es gibt in den Colleges der Jacobs University derzeit durchaus noch Flure, auf denen nahezu ausschließlich Bulgaren oder ganz überwiegend Deutsche wohnen. Auf diesen Fluren ist dann das Englische keineswegs mehr Verkehrssprache, es wird vielmehr nahezu ausschließlich bulgarisch (oder auch deutsch) gesprochen. Aus der Perspektive des Multi- oder Plurilingualismus könnte man zunächst meinen, dass eine Diversifizierung des monolingual englisch angelegten Campuslebens das gegenseitige Verständnis und die sprachlichen Fertigkeiten Einzelner wechselseitig erhöhen könnten (vgl. auch BURCK 2005). Eine solche Position verkennt jedoch, dass dies einen gleichberechtigten Austausch verschiedensprachiger Kommunikationsbeiträge voraussetzt. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Nur mazedonische Studierende haben ein Verständnis des Bulgarischen, das es ihnen ermöglicht, problemlos an bulgarischer Alltagskommunikation teilzunehmen; Muttersprachler anderer slawischer Sprachen werden regelmäßig das Kommunikationsthema identifizieren können, darüber hinaus aber werden Mitglieder der Jacobs Community durch die weitverbreitete öffentliche Nutzung des Bulgarischen ausgegrenzt, eine Tendenz, die dem multikulturellen Anspruch der Jacobs University zuwider läuft. Kontroverse Debatten kennzeichnen die Situation: Brauchen die Studierenden die Kommunikation in der Muttersprache als Zuflucht in einer Situation hoher akademischer Leistungserwartung? Macht die öffentliche Nutzung vielfältiger Muttersprachen allen Studierenden die Notwendigkeit deutlich, mehrere Sprachen zu sprechen? Oder ist es vielmehr so, dass die öffentliche Nutzung der eigenen Muttersprache, sofern diese nicht Englisch ist, die Studierendenschaft im Sinne dessen, was die englischsprachige SoziolFLILIIL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 181 linguistik einen Bipart-Lingualism nennt {vgl. LATORRE 2006), spaltet? Kein Zufall vielleicht, dass die verbreitete Nutzung der Muttersprache im universitätsöffentlichen Bereich von Bulgaren forciert wird, ist doch der Balkan eine Region Europas, die oft als Region par excellence für Bipart-Lingualismus gesehen wird, eine Region in der Muttersprachler verschiedener Sprachen auf recht engem Raum zusammenleben (Slawen, Rumänen, Griechen, Türken und Albaner), die sich aber wechselseitig nicht verstehen. Aus einer sprachwissenschaftlichen Perspektive ließe sich aber auch behaupten, die Jacobs University sei ein Hort der Diglossie oder gar ein Paradebeispiel für Ambilingualismus. Unter Diglossie wird bekanntlich die Nutzung der Verkehrssprache hier des Englischen in allen auch nur annähernd formalen Kontexten verstanden, während die Muttersprache in informellen Kontexten zum Einsatz kommt. In Deutschland charakterisiert Diglossie etwa die Realität der Sorben in der Lausitz oder der Bewohner der niederdeutschen Regionen, in denen ,Platt' gesprochen wird (HANSEN-JAAX 1995). Ambilingualismus meint eine Form des Bilingualismus, bei dem eine von zwei oder mehreren Sprachen relativ zufällig als Kommunikationssprache genutzt wird (NEUNER 1995); der Stadtstaat Singapur wird gelegentlich als Region des Ambilingualismus genannt. Die Sprachpraxis der bulgarischen Studierenden der Jacobs University als dem multikulturellen Anspruch der Jacobs University widersprechend zu beschreiben, ist jedoch insofern ,unfair' (eine der Lieblingschiffren von Studierenden der Jacobs University) als dies den Bipart-Lingualismus der deutschen Mitglieder der Universität ausblenden würde. Wie berichtet, sind etwa 80% des Lehrkörpers und der Verwaltung der Jacobs University Muttersprachler des Deutschen und sie sprechen diese Sprache durchaus auch nicht nur in Situationen, in denen ausschließlich Deutsche zugegen sind. Die normative Bewertung dieses bipart-lingualen Verhaltens ist jedoch eine gänzlich andere als die Bewertung der Nutzung des Bulgarischen im Jacobs-Alltag. Unterschwellig herrscht die Meinung, man tue den Studierenden mit der öffentlichen Nutzung des Deutschen etwas Gutes. Die an der Jacobs University Immatrikulierten würden schließlich an einer deutschen Universität studieren und gut daran tun, sich während ihres Studiums hinreichend Deutschkenntnisse anzueignen. Dabei würde man ihnen mit der Nutzung des Deutschen im nicht-akademischen Alltag helfen. Jenseits der Frage, ob sich hierin nicht die Hybris der Sprachmacht manifestiert, wäre zu fragen, ob es nicht wirklich Vorteile für viele Studierende hätte, wenn sie mehr als bisher der Pflicht zur Nutzung des Deutschen ausgesetzt wären. Die Optionen einer Antwort auf diese Frage werden in den Leitungsgremien der Universität und unter den College Mastern derzeit ausführlich diskutiert. Selbstverständlich kann man dogmatisch dem impliziten und expliziten Ethos des Gründungskonsenses folgen und weiterhin der Nutzung des Englischen als einziger Verkehrssprache das Wort reden, doch wird eine solche Position nicht den Bedürfnissen einer großen Zahl von Studierenden gerecht, die auf den deutschen Arbeitsmarkt strebt, ohne derzeit hinreichende Deutschkenntnisse zu haben. Man kann aber auch den Gründungskonsens verlassen und die Residenzpflicht der Undergraduates zumindest partiell aufheben. Die Aufhebung der Residenzpflicht hätte zur Folge, dass mehr Studierende als aktuell in das deutsche Umfeld der Jacobs University abwandern würden. Fraglich ist aber, ob die Studierenden abwandern würden, die in besonderem Maße der verbesserten DeutschlFJLl! lL 36 (2007) 182 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke kenntnisse bedürfen. Bei einer Aufhebung der Residenzpflicht stünde zu befürchten, dass vor allem deutsche Studierende ,off campus' ziehen würden. Grund für diese Annahme ist die Tatsache, dass Studierende der Universität bei entsprechender Bedürftigkeit neben einem Finanzierungsangebot für die Studiengebühren auch ein solches Angebot für Unterkunft und Verpflegung ,on campus' erhalten können. Ein gleichartiges Angebot ist jedoch aktuell aus rechtlichen Gründen für Unterkunft und Verpflegung ,off campus' nicht ohne weiteres möglich. Diese Situation hat zur Folge, dass eine einfache Aufhebung der Residenzpflicht nur Studierenden mit hinreichenden finanziellen Mitteln den Umzug in eine eigene Unterkunft in der Umgebung der Jacobs University ermöglichen würde. Studierende, denen keine eigenen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, können sich einen solchen Umzug nicht leisten. Gerade dies sind aber gleichzeitig oft die Studierenden, deren Deutschkenntnisse am geringsten sind und die in diesem Sinne am meisten von einem Leben in einem deutschen Umfeld profitieren würden. Abhilfe könnte hier nur ein radikaler Wechsel in der Residenzpolitik der Universität schaffen: Studierende müssten verpflichtet werden, eine gewisse Mindestzeit ,off campus' zu leben. Erst eine solche Regel würde dazu führen, dass sich auch die deutsch-ferneren Studierenden ein Stück ,total immersion' zumuten müssten. Möglich wäre eine solche Regel allerdings nur-will man nicht die so genannte ,Need-Blind-Admission' aufgeben (also die Zulassungspolitik, die besagt, dass jeder und jede, die/ der nach Leistungskriterien zugelassen werden kann, ein finanzielles Paketangebot bekommt, das auch die Aufnahme des Studiums an der Jacobs University ermöglicht) -, wenn die angebotenen Finanzierungsangebote auch eine Unterstützung für eine Unterbringung ,off campus' umfassen würden. Dies zu ermöglichen, bedürfte komplizierter rechtlicher Konstruktionen, da die Jacobs University nicht als Kreditgeber auftreten darf, sondern nur Studiengebühren stunden kann. Auch wenn die diesbezüglichen Hindernisse ausgeräumt werden könnten (wovon wohl auszugehen ist), bestünde allerdings noch das ökonomische Dilemma, dass die Universität zwar einerseits ein Interesse daran hat, deutsch-fernen Studierenden durch eine Pflicht zu einer temporären Residenz ,off campus' zu besseren Startchancen (auch) auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verhelfen, dass sie aber gleichzeitig aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen darauf achten muss, dass die vorgehaltenen Unterbringungsmöglichkeiten in den Colleges nicht leer stehen: Die Universitätsleitung und mit ihr die College Master sind um eine Entscheidung im Kontext der Residenzpflicht nicht zu beneiden. Sprachenpolitisch steht und fällt aber eine aktive Unterstützung der Verbesserung der deutschen Sprachkompetenz der deutsch-fernen Studierenden der Jacobs University mit einer Modifikation der geltenden Residenzbestimmungen, unterstützt vermutlich von einer Verpflichtung zu Deutschkursen für Studierende ohne hinreichende Deutschkenntnisse. 6. Fazit Aus einer sprachenpolitischen Perspektive kann man der Jacobs University seit ihrer Gründung als International University Bremen (IUB) im Jahre 1999 und der Aufnahme lFLIIL 36 (2007) Die Jacobs University Bremen als Fallbeispiel für Sprachenpolitik im tertiären Bildungssektor 183 des Lehrbetriebs im Jahre 2001 sowohl erstaunliche Erfolge als auch einige merkliche Defizite attestieren. Es ist der IUB gelungen, sozusagen aus dem Stand ein akademisches Programm vollständig in englischer Sprache an einer in Deutschland gelegenen Institution zu etablieren und damit hochqualifizierte internationale Studierende nach Deutschland zu ,locken'. Es ist ihr auch gelungen, eine Einrichtung tertiärer Bildung aufzubauen, deren Multikulturalität und sprachliche Diversität weltweit ihres Gleichen sucht. Nicht vollständig gelungen ist es der Jacobs University hingegen, neben der Multikulturalität auch eine Multi- oder Plurilingualität zu etablieren. Zugegeben war dies auch nicht Ziel der Gründer(innen), hätte es im Rückblick aber vielleicht sein sollen. Ohne dass dies hier ausführlich diskutiert werden kann, ließe sich die These vertreten, dass gelungene Multikulturalität ohne Plurilingualismus nicht wirklich möglich ist. Die Omnipräsenz des Englischen als alltäglicher Verkehrssprache auf dem Jacobs-Campus nimmt ab. Ein gewisser Bipart-Lingualismus nimmt zu; muttersprachliche Ghettos internationaler Studierender entstehen. Die Deutschkenntnisse nicht-deutscher Studierender lassen sehr zu wünschen übrig. Veränderungsoptionen wurden aufgezeigt. Sie liegen in der Verpflichtung zu Deutschkursen für Nicht-Muttersprachler des Deutschen; sie liegen wohl nicht, so jedenfalls die Position der Verfasser, in einer Aufgabe des Prinzips eines ausschließlich englischen Lehrangebots. Sie liegen hingegen in einer Veränderung der Residenzrichtlinien für Studierende: ,Pflichtwohnen' außerhalb des Campus der Jacobs University für eine Mindestzeit scheint angezeigt. Dies kann allerdings kein Allheilmittel sein, da auch außerhalb des Campus monolinguale WGs an der Tagesordnung sein dürften. Nicht angepackt wurde bisher ein heißes Eisen der Sprachenpolitik, nämlich die Frage, ob es jenseits der informellen Quote für deutsche Studierende der zweite Präsident der Universität, Joachim Treusch, spricht von einer Obergrenze von 25 % deutschen Studierenden auch Quoten für nicht-deutsche Studierende geben soll. An einer der so genannten ,Feeder Schools' der Jacobs University, also der Schulen, die regelmäßig eine größere Zahl von Studierenden an die Jacobs University ,entsenden', herrschtjedenfalls nach Wahrnehmung der Studierenden, die diese Schule(n) besucht haben eine Sprachenpolitik der Nationalitätenquote: United World Colleges (UWC), ein philanthropisch multikulturell ausgerichteter Verbund von Privatschulen in der ganzen Welt, verfolgen eine Sprachenpolitik, bei der Studierende jenseits der Nationalität des Landes, in der die Schule angesiedelt ist, jeweils nur ,solitär' zugelassen werden. Idealiter wird pro nichteinheimischer Nationalität nur ein Schüler/ eine Schülerin zugelassen, niemals jedenfalls ein Prozentsatz pro nicht-einheimischer - Nationalität, der nennenswerte Größenordnungen erreicht. Dies hat zur Folge, dass ausschließlich die Sprache des Landes, in der die Schule gelegen ist, und das Englische als Unterrichts- und Verkehrssprache an den UWCs Bedeutung erlangen und Bipart-Lingualismus in der für die Jacobs University beschriebenen Form sich gar nicht aufbauen kann. Für die Jacobs University würde eine ähnliche Sprachenpolitik bedeuten, dass man pro nicht-deutscher Nationalität z.B. nur noch 5 % Studierende zulassen würde. De facto hieße dies, einen Bulgaren- und Rumänen-Numerus-Clausus einzuführen. Andere Nationalitäten wären nicht betroffen, da unter den empirisch nächst größten NationalitälFLllllL 36 (2007) 184 Klaus Boehnke, Mandy Boehnke ten der Jacobs University keine weiteren sind, die mehr als 5 % der Studierendenschaft ausmachen und Englisch nicht als Mutter- oder dominante Verkehrssprache haben. Eine solche sprachenbzw. nationalitätenbezogene Kontingentierung von Studienplätzen ist bisher an der Jacobs University ein Tabu, das sich nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU eher noch verstärkt hat. Rational begründet wird die Ablehnung eines Nationalitäten-NCs vor allem mit der Befürchtung, dass dann eine Vielzahl hoch qualifizierter Studierender nicht zugelassen werden könnte, während will man weiterhin die gleiche Anzahl von Studienplätzen pro Jabrgang (ca. 250) füllen - Studierende aufgenommen werden müssten, deren Leistungstand niedriger ist als der von qua Nationalitäten-Ne abgelehnten bulgarischen und rumänischen Bewerberinnen. Es konkurrieren also zwei Ziele der Jacobs University miteinander, das Exzellenzpostulat und das Internationali- . täts-/ Multikulturalitätspostulat. Aus Sicht der Verfasser ist es allerdings hohe Zeit vor dem Hintergrund stetig zunehmender Bewerbungszahlen nunmehr einen wichtigen Schritt in der Sprachenpolitik zu machen und Nationalitätenobergrenzen zu fixieren. Erst hierdurch lässt sich vermutlich die Entwicklung eines plurilingualen Klimas auf dem Jacobs-Campus vorantreiben. Zwar wird die hegemoniale Bedeutung des Englischen durch einen solchen Schritt zunächst noch erhöht, aber die sprachübergreifende Kommunikation wird gestärkt und auch die Notwendigkeit Deutsch zu lernen kann besser legitimiert werden. Literatur BURCK, Charlotte (2005): Multilingual Living. Explorations of Language and Subjectivity. Hampshire: Palgrave Macmillan. HANSEN-JAAX, Dörte (1995): Transfer bei Diglossie. Hamburg: Kovac. KATZNER, Kenneth (2002): The Languages ofthe World. London: Routledge. LATORRE, Javier (2006): A Study an Speaker-adaptable Multilingual Synthesis. Tokyo: Tokyo Institute of Technology [http: / / www.furui.cs.titech.ac.jp/ publication/ 2006/ javier_doctor.pdf, zuletzt aufgerufen am 27.3.2007]. McCORMACK, Joan / SLAGHT, John (2005}: Englishfor Academic Study: Extended Writing & Research Skills. Reading: Gamet. NEUNER, Stefanie (1995): Pennsylvania German. Ein Beispiel der Sprachkontaktforschung. Berlin: Humboldt-Universität [http: / / www2.rz.hu-ber1in.de/ lingarbeit/ Soziolinguistik/ neunerStefaniel.html, zuletzt aufgerufen am 27.3.2007]. PALLANT, Anne (2004): Englishfor Academic Study: Writing. Reading: Gamet Education. TRACY, Rosemarie (2000): "Mixed utterances as a challenge for linguistics: problems of observational, descriptive, and explanatory adequacy". In: DöPKE, Susanne (Hrsg.): Cross-linguistic Structures in Simultaneous Language Acquisition. Amsterdam: J. Benjamins, l l-,36. WITTGENSTEIN, Ludwig (2003): Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt: Suhrkamp. FL111L 36 (2007) THOMAS VOGEL* Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung in die Studiengänge: Überlegungen aus der Praxis Abstract. The Bologna process was initiated to create a more uniform system of higher education in Europe. As far as Germany is concemed, the new BA programmes have introduced substantial changes, in particular a new emphasis on the training of key skills and the introduction of study courses taught through the medium ofEnglish. As a consequence, the leaming and teaching oflanguage and communication are of much greater significance and must become an integral part of university education. University language centres should seize this opportunity and meet the challenge by designing new programmes and curricula for content-oriented language leaming in co-operation with other university institutes and faculties. This article reports on the experience of integrated language leaming and teaching at the Viadrina European University in Frankfurt (Oder), an international university where language leaming is an obligatory element in study courses for law, business and economics, as well as culture. The German certification system UNicert®, designed and developed by the German Association ofUniversity Language Centres AKS e.V., has proven to be an appropriate framework for bringing content and language leaming together. In conclusion, the article calls for a close co-operation between didactic research and teaching practice in the area of foreign language education at university level. 1. Der hochschulpolitische Hintergrund Im Zusammenhang des Bolognaprozesses, d.h. der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes, befinden sich auch die deutschen Universitäten in einem durchgreifenden Veränderungsprozess. Zwei miteinander verzahnte Entwicklungen stehen dabei im Mittelpunkt: 1. die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse 2. die Internationalisierung der Hochschulen Durch die (nominelle) Übernahme der amerikanischen und britischen Studienabschlüsse Bachelor und Master als generelle europäische Hochschulabschlüsse soll die Vergleichbarkeit der Studiengänge in Europa erreicht und es den Studierenden ermöglicht werden, ihr Studium in mehreren Ländern zu absolvieren. Ob deutsche Hochschulabsolventen für den globalen Arbeitsmarkt gerüstet sind, hängt nicht zuletzt davon ab, dass sie. als Studie- Korrespondenzadresse: Dr. Thomas VOGEL, Europa-Universität Viadrina, Sprachenzentrum, Große Seharmstr. 59, 15230 fRANKFuRT (ODER). E-Mail: vogel@euv-frankfurt-o.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachenausbildung an Hochschulen, Weiterbildung von Sprachenlehrem, Management von Sprachenzentreu. JFL11L 36 (2007) 186 Thomas Vogel rende schon während ihres Studiums mit unterschiedlichen Kulturen und Kommunikationstraditionen konfrontiert werden, damit sie sich entsprechendes kulturelles Wissen aneignen, das es ihnen ermöglicht, in internationalen Teams zu arbeiten. Ein solches Wissen entsteht nicht durch rein kognitives Lernen, sondern ist immer auch mit experientiellem Lernen, d.h. mit dem Lernen durch Erfahrung verbunden. Diese Möglichkeit der Erfahrung zu fördern, ist eines der Ziele der Studiemeform. Diesem Ziel dient die Internationalisierung der europäischen und somit auch der deutschen Hochschulen. Es gilt, den Hochschulstandort Deutschland für ausländische Studierende und ausländische Wissenschaftler attraktiver zu machen. Gegenwärtig tun sich wohl alle Hochschulen relativ schwer damit, den Begriff „Internationalisierung" handhabbar zu definieren. An den meisten deutschen Hochschulen werden unter dem Begriff der Internationalisierung folgende Ziele und Maßnahmen subsumiert: 1. Die Erhöhung des Anteils ausländischer Studierender 2. Die Erhöhung des Ausländeranteils bei den Wissenschaftlern 3. Die Einbeziehung von Inhalten in Studiengänge, die sich mit kulturellen Unterschieden und mit globalen Problemen befassen 3. Eine Verstärkung des internationalen Studierenden- und Dozentenaustauschs 4. Die Eimichtung von internationalen, d.h. meist englischsprachigen, Studiengängen Die Webseite des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (www.daad.de) weist für 2007 459 sowohl Bachelorals auch Masterstudiengänge in englischer Sprache an deutschen Hochschulen auf. Die Bandbreite der Fächer reicht von „Arts and Literature" bis zu „World Heritage Studies". Das Schwergewicht liegt dabei auf den Wirtschaftswissenschaften. Man kann diese Internationalisierungsbestrebungen durchaus als eine Notmaßnahme sehen. Die Hochschulen reagieren damit auf den teilweise dramatischen Rückgang der Vermittlung der deutschen Sprache im Ausland. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass immer weniger Studierende aus dem Ausland mit den für ein Studium erforderlichen Deutschkenntnissen kommen bzw. dass aufgrund fehlender Deutschkenntnisse immer weniger ausländische Studierende sich für ein Studium in Deutschland entscheiden. Darüber hinaus möchten die Hochschulen die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler nicht davon abhängig machen müssen, dass diese über so gute Deutschkenntnisse verfügen, dass sie ihre Lehrveranstaltungen in deutscher Sprache abhalten können. Ob diese Entwicklung aus sprachbzw. kulturpolitischer Sicht sinnvoll ist, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter diskutieren. Ich möchte hingegen näher auf die Herausforderungen eingehen, die die Eimichtung von internationalen, englischsprachigen Studiengängen für die Sprachausbildung an der Hochschule insgesamt und für die Sprachenzentren im Besonderen hat. Danach möchte ich die Chancen beschreiben, die sich durch die Integration des hochschulübergreifenden Zertifizierungssystem UNicert® in internationale Studiengänge bieten. Die Einführung von Bachelor und Master und die damit verbundene Integration der Fremdsprachen als Schlüsselqualifikation und die Einführung von internationalen Studiengängen führten dazu, dass ein Stiefkind der deutschen Universitäten in das Zentrum lFL1.lllL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 187 des Interesses rückte. War bislang die Fremdsprachenausbildung, vor allen Dingen der Studierenden in nicht-philologischen Studiengängen, ein Zusatzangebot, das je nach Haushaltslage gefördert wurde, so ging und geht es an vielen Hochschulen nun darum, der Sprachausbildung in den Studiengängen ein größeres Gewicht zu verleihen. Die Sprachenzentren und andere Hochschulinstitutionen, die sich mit Sprachausbildung und interkulturellem Training beschäftigen, stehen durch diese Entwicklungen vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, auf die ich weiter unten eingehen werde. 2. Erfahrungshorizont Die folgenden Ausführungen basieren nicht auf empirischen Erhebungen, sondern auf meinen Erfahrungen und Beobachtungen als Mitgründer und Leiter des Sprachenzentrums der Europa-Universität Viadrina, die 1991 als internationale Universität mit einem für Deutschland ungewöhnlichen Anteil von 40% ausländischen Studierenden gegründet wurde. Sehr vieles, was ich später aus der Perspektive des Vorstandes des Arbeitskreises der Sprachenzentren AKS e.V. und als Gutachter im Bereich Fremdsprachenausbildung an einer ganzen Reihe von Hochschulen beobachten konnte, war durch die enge Verbindung von Fachstudium und Sprachausbildung an der Viadrina schon früh beobachtbar. Die drei Fakultäten der Viadrina, Rechtswissenschaften, Kulturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, fordern von ihren Studierenden bis zum Studienabschluss den Nachweis von Kenntnissen in bis zu drei Fremdsprachen. Diese Anforderungen blieben, wenngleich etwas differenzierter, durch die Umstellung der Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master erhalten. Das Sprachenzentrum der Viadrina, das seit seiner Gründung mit diesen Anforderungen an die Fremdsprachenausbildung der Studierenden konfrontiert ist, kann in diesem Zusammenhang durchaus als Laboratorium der Internationalisierung und damit gleichzeitig für das Zusammenwirken von Fremdsprachen und Fachstudium betrachtet werden. Sehr viele Herausforderungen, denen sich das Sprachenzentrum der Viadrina schon früh stellen musste, sind jetzt an anderen Hochschulen, bei denen die Sprachausbildung im Studium ein stärkeres Gewicht bekommen hat, zu beobachten. Dabei spielt das UNicert®-System eine zentrale Rolle. 3. Das hochschulübergreifende Zertifizierungssystem UNicert® Das hochschulübergreifende Zertifizierungssystem UNicert®wurde in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch den Arbeitskreis der Sprachenzentren AKS e.V. ins Leben gerufen. Der Gründer Bernd Voss (1998: 3) skizziert die hochschulpolitischen Hintergründe der Einführung von UNicert®: Die Welt als global village ist polyglott und multikulturell. An der Schwelle zum nächsten Jahrhundert wächst Europa immer stärker zusammen, internationalisieren sich Wissenschaft und akademische Berufsfelder. In dieser Welt müssen die heutigen Studentengenerationen bestehen können, auf sie gilt es, die Akademiker von morgen vorzubereiten. Entsprechend sind die FordelFLlllL 36 (2007) 188 Thomas Vogel rungen nach praktisch verwertbaren Fremdsprachenkenntnissen in mindestens einer, möglichst mehreren Fremdsprachen für Studierende gleich welcher Fachrichtungen zurn allgemein akzeptierten Gemeinplatz der bildungspolitischen Diskussion geworden. Akademische Institutionen kornrnen dieser Forderung in unterschiedlichem Ausmaß und in stark differenzierenden Formen nach. Dabei zeigt sich insbesondere, dass erreichte fremdsprachliche Abschlüsse und Qualifikationsprofile, sofern überhaupt formale Abschlußqualifikationen angeboten werden, institutionell, nationalsprachlich und wissenschaftsbereichstypisch so erheblich auseinanderlaufen, dass die verliehenen Papiere nur lokale, sprachenund/ oder wissenschaftsbereichsbezogene Gültigkeit haben und damit für die Studierenden von nur begrenztem Wert sind. Im Jahre 2007 sind 52 deutsche Hochschulen sowie jeweils 1 französische und österreichische Hochschule dem UNlcert®-System angeschlossen. 2003 wurde in der Slowakei UNlcert® Luce ins Leben gerufen, ein Ableger von UNicert®, 9 slowakische Hochschulen haben inzwischen das UNicert®-System eingeführt. Wenngleich der Schwerpunkt immer noch auf den Schulsprachen Französisch und Englisch liegt, so ist doch inzwischen eine große Bandbreite von 30 Sprachen, darunter auch weniger verbreitete bzw. unterrichtete Sprachen wie Irisch und Ukrainisch, im System zu finden. An den dem System angeschlossenen Hochschulen wird die UNicert®-Ausbildung in insgesamt 35 Fachrichtungen von Agrarbis Wirtschaftswissenschaften angeboten. Das mit dem Beitritt zu diesem System verbundene Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren ist inzwischen zu einem wichtigen Instrument der Qualitätssicherung der Sprachausbildung an Hochschulen in Deutschland geworden. Das System weist die folgenden Merkmale auf: 1. Das UNlcert®-System gibt in einer Rahmenordnung Bedingungen vor, die zu erfüllen sind. Diese Bedingungen können je nach Kontext, in dem die jeweilige Institution agiert, auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden. 2. Wesentliche Voraussetzung ist, dass die Institution über eine für hochschulspezifischen Fremdsprachenunterricht angemessene Sach-, Raum-, und Personalausstattung verfügt. Die Hauptverantwortung für die Ausbildung muss dabei von fest angestelltem, entsprechend qualifiziertem Personal getragen werden. Damit wird deutlich gemacht, dass eine Sprachausbildung an der Hochschule, die lediglich durch stundenweise vergütete Lehrbeauftragte getragen wird, nicht den Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen Ausbildung genügen kann. 3. Die Gruppengrößen dürfen 25 Teilnehmer nicht überschreiten. Dies ist sicher eine Auflage, die auch von Hochschulen mit ,prekärer' Finanzlage erfüllbar ist. Eine für Fremdsprachenunterricht ideale Situation stellt eine Gruppe der Maximalgröße mit Sicherheit nicht dar. 4. Die Ausbildung ist modular aufgebaut. Sie führt über vier Stufen von UNlcert® I zu UNicert®IV. Jede Stufe darf dabei einen Umfang von 8-12 Lehrveranstaltungsstunden nicht unterschreiten. 5. Auf Stufe II hat die Institution die Möglichkeit, zwischen allgemeinsprachlichen und fachbzw. wissenschaftsspezifischen Ausbildungsmodulen und Zertifikaten zu unterscheiden. 6. Die einzelnen Zertifikatsstufen lassen sich mit den Stufen des Gemeinsamen EuropäilFb1lL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 189 sehen Referenzrahmens des Europarates korrelieren (siehe http: / / rcswww.urz.tudresden.de/ ~unicert/ dokumente/ stufen-europa.pdf, letzter Zugriff am 28.8.2007): UNicert® I GER B 1: Threshold UNicert®II GER B2: Vantage UNicert®III GER Cl: Effective Operational Proficiency UNicert®N GER C2: Mastery Verantwortlich für die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des UNicert®-Systems ist die UNicert®-Arbeitsstelle und eine wissenschaftliche Kommission, die sich aus Vertretern der UNicert®-Mitgliedinstitutionen und anderen Experten für Fremdsprachenausbildung und Sprachtestverfahren zusammensetzt. Die Akkreditierung innerhalb des Systems erfolgt für drei Jahre. Die wissenschaftliche Kommission ist verantwortlich für das Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren, wobei letzteres auch eine externe Evaluation inklusive einer Begehung der Institution vorsieht. Das UNicert®-System ist im Gegensatz zu den meisten kommerziellen Zertifikatssystemen, die z.T. auch an Hochschulen in Deutschland angeboten werden (z.B. Toefl, Cambridge, IELTS, DELE usw.), kein reines Testsystem. Ausbildung und entsprechende Tests, die auf oft sehr unterschiedliche Anforderungen der Hochschulen, Fächer, aber auch auf die Wünsche der Studierenden zugeschnitten sind, bauen hier aufeinander auf und bilden somit ein in sich geschlossenes Ausbildungs- und Testsystem. UNicert® ermöglicht es den für die Fremdsprachenausbildung an der Hochschule zuständigen Institutionen, aktiv auf die Verantwortlichen der Studienfächer zuzugehen und Angebote zu machen, welche Module bzw. Zertifikate, ob allgemeinsprachlich oder wissenschaftssprachlich orientiert, in die entsprechenden Studien- und Prüfungsordnungen integriert werden sollen. Wenngleich das Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina die Akkreditierung für UNicert® erst acht Jahre nach der Gründung beantragte, so richtete sich die Sprachausbildung von Anfang an nach UNicert®-Prinzipien. 4. Die Fremdsprachenausbildung am Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina Der Gründungssenat der 1991 als internationale Universität gegründete Europa-Universität Viadrina hatte sich von Anfang zu einer integrierten Fremdsprachenausbildung bekannt: Ein Beitrag der Universität Frankfurt/ Oder als „Europa-Universität" besteht darin, durch Forschung und die Lehre die europäische Integration zu fördern und zur Verständigung in Europa beizutragen; dabei kommt der wissenschaftlichen und menschlichen Begegnung zwischen Polen und Deutschland sowie allgemein zwischen Mittel- und Osteuropa eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus kann man einen Auftrag der Universität darin sehen, daß er jungen Menschen Chancen für Ihre berufliche, persönliche und gesellschaftliche Eingliederung in das entstehende lFLIJIL 36 (2007) 190 Thomas Vogel Europa ermöglicht. Es ist evident, daß die Sprachvermittlung hierfür beizutragen in besonderer Weise berufen und geeignet ist. (GRÜNDUNGSSENAT DER EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA Frankfurt (Oder) 1992: 126) Die Umsetzung dieses Auftrages wurde zur Aufgabe der zentralen Einrichtung Sprachenzentrum. Die Fremdsprachenausbildung wurde ein obligatorisches Element der Studiengänge in Kultur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, den drei Disziplinen, die an der Viadrina vertreten sind. Das Sprachenzentrum der Viadrina bietet im Rahmen des oben beschriebenen hochschulübergreifenden Zertifizierungssystems UNicert® eine Ausbildung in acht Sprachen (Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Schwedisch, Spanisch) an. Hinzu kommt die Ausbildung in Italienisch, für die bislang noch keine UNicert®-Akkreditierung vorliegt. Die Sprachen können, mit Ausnahme von Englisch, ab initio gelernt werden. Die Ausbildung ist modular angelegt. Durch einen Einstufungstest wird entschieden, in welches Modul der Studierende einsteigt. Die Ausbildung führt zuerst über das kumulativ, d.h. über Prüfungen, die in die jeweiligen Kursstufen integriert sind, zu erwerbende Zertifikat UNicert® I, über das allgemeinsprachlich orientierte Zertifikat UNicert® II bis hin zum fachsprachlich orientierten Zertifikat UNlcert®III. In Deutsch als Fremdsprache bietet das Sprachenzentrum das Fachsprachenzertifikat UNicert® IV an, das Sprachkenntnisse auf der Ebene des akademisch gebildeten Muttersprachlers zertifiziert. Diese Differenzierung zwischen Deutsch und den anderen Fremdsprachen ist der Tatsache geschuldet, dass Studierende, die dieses Zertifikat für Deutsch als Fremdsprache studienbegleitend erwerben, über Jahre ein Fachstudium auf Deutsch absolvieren. Damit ist die sprachliche Inputmenge und die Möglichkeit, die Sprache einzusetzen und zu trainieren also in der Regel ungleich größer und somit ein höheres Niveau erreichbar als in den oben aufgeführten anderen Fremdsprachen. Das Sprachenzentrum verfügt für die Zertifizierung von Fremdsprachenkenntnissen über eine eigene Studien- und Prüfungsordnung, die vom Senat der Hochschule verabschiedet und ministeriell genehmigt wurde. Somit sind Sprachprüfungen Hochschulprüfungen. Die Studien- und Prüfungsordnungen der einzelnen Fakultäten nehmen dann Bezug auf die Ordnungen des Sprachenzentrums. Die Tatsache, dass die Prüfungen des Sprachenzentrums die gleichen Verfahren durchlaufen wie alle anderen universitären Prüfungen, ist nicht nur von der administrativen Seite zu sehen. Diese Formalitäten sichern auch den integrativen Anspruch der Sprachausbildung an der Hochschule. Anders als an einer ganzen Reihe von Hochschulen, die Fremdsprachen nun als key skills fakultativ in ihre Studien- und Prüfungsordnungen aufgenommen haben, legen die Studienordnungen der Fakultäten der Viadrina keinen Stundenanteil im Bereich Fremdsprachen fest, den die Studierenden bis zum Studienabschluss zu absolvieren haben, sondern sie beziehen sich in ihren Studien- und Prüfungsordnungen auf die UNicert®- Zertifikate und auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. Es ist Aufgabe des Sprachenzentrums entsprechende Äquivalenzen festzustellen, wenn Studierende Abschlüsse bzw. Zertifikate von Sprachen vorlegen, die an anderen Hochschulen bzw. Sprachlehr- und Lerninstitutionen erworben wurden. Es ist auch möglich, dass Studierende Fremdsprachen in ihr Studium einbringen, die nicht an der Viadrina unterrichtet IFLIIL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 191 werden. Im Sinne der Förderung der Mehrsprachigkeit der Studierenden sind hier alle Sprachen zugelassen, für die entsprechende Kenntnisse nachgewiesen werden können. Es gibt in den Studiengängen nur bei den Wirtschaftswissenschaften die Pflichtsprache Englisch neben einer zweiten, frei wählbaren Sprache. Bei den Studiengängen der Kulturwissenschaften gehen die Noten der Zertifikate in den Fremdsprachen in die Gesamtnote der Bachelorprüfung zu 20% ein. Auslandsaufenthalte können die Studierenden als Leistungen in die Fachsprachenausbildung einbringen, wenn sie nachweisen können, dass sie mindestens zwei Lehrveranstaltungen erfolgreich in der jeweiligen Landessprache absolviert haben und eine schriftliche Arbeit in dieser Sprache vorlegen können, die im Laufe des Auslandsstudiums angefertigt wurde. Es werden hierbei auch Studienleistungen aus englischsprachigen Studiengängen für die Fachsprache Englisch anerkannt, wenn Englisch nicht die Landessprache ist. Der Unterschied hierbei ist, dass bei einem Studienaufenthalt in einem englischsprachigen Land die Studierenden nur noch die Fachsprachenprüfung absolvieren müssen, während bei der Teilnahme in einem englischsprachigen Studiengang in einem nicht-englischsprachigen Land erst noch ein Fachsprachenkurs von insgesamt zwei Fachsprachenkursen im Umfang von jeweils vier Semesterwochen die Teilnahme an der UNicert® III-Prüfung ermöglicht. Die Erfahrung und vor allen Dingen der Vergleich der vorgelegten schriftlichen Arbeiten zeigt deutlich, dass in internationalen, d.h. englischsprachigen Studiengängen sprachliche Richtigkeit und Konventionen der schriftlichen Kommunikation oft eine sehr geringe Rolle spielen. Die Arbeiten der Studierenden weisen in den seltensten Fällen sprachliche oder stilistische Korrekturen durch die Dozentinnen und Dozenten der ausländischen Universitäten auf. Da es der Sprachausbildung, besonders bei den Nullsprachen, gelingen muss, die Studierenden innerhalb von drei bis vier Jahren auf ein Niveau zu bringen, das im Prinzip einer zumindest ausreichenden akademischen Kommunikationsfähigkeit entspricht, kennzeichnen die folgenden didaktischen Prinzipien die Arbeit des Sprachenzentrums der Viadrina: • steile grammatische Progression • Einsatz von hochschuladäquaten Lehrbüchern nur in den ersten drei Stufen • Einsatz von authentischen Materialien so früh wie möglich • Einsprachigkeit • Kommunikative Orientierung • Training von akademischen Fertigkeiten so früh wie möglich • Mithilfe bei der Organisation oder Vermittlung von Sprachkursen im Land der Zielsprache • die Vermittlung von Tandem-Partnern Allen Studierenden, die sich entschließen, mit einer Nullsprache zu beginnen, wird dringend empfohlen, schon frühzeitig einen Auslandaufenthalt, im Rahmen eines Sprachkurses, eines Auslandspraktikums bzw. eines Auslandsstudiums im Land der Zielsprache zu planen. In den meisten Studiengängen der Viadrina ist das Auslandsstudium, ganz im Sinne eines effektiven Sprachenlernens, ohnehin obligatorisch. Spricht man mit StudielFlLlUIL 36 (2007) 192 Thomas Vogel renden über ihre positivsten Erfahrungen im Studium, so werden an erster Stelle die Erfahrungen und Erlebnisse genannt, die während des Auslandsstudiumsbzw. Auslandspraktikums gemacht wurden. Während der Anteil an Studierenden, die einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen, nach einer Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel aus dem Jahre 2002 (JAHR [et al.] 2002) 14% betrug, so gibt es an der Viadrina kaum einen Studierenden nach dem sechsten Semester, der nicht über Auslandserfahrung verfügt. Regelmäßige studentische Evaluationen zeigen im Ergebnis, dass die Studierenden die Sprachausbildung an der Viadrina als positiv wahrnehmen. Bei einer Umfrage unter den ersten Alumni der neu gegründeten Viadrina beantwortete eine Mehrheit die Frage, ob sie diese Universität wieder wählen würden, positiv. Bei der Aufzählung der Gründe für diese Entscheidung stand die Sprachausbildung an erster Stelle. Die Universität besteht im Jahr 2007 seit 15 Jahren. Das Sprachenzentrum kann somit auf 15 Jahre Erfahrung mit der Integration einer Fremdsprachenausbildung in das Fachstudium zurückblicken. Auf die Herausforderungen, die eine solche Verzahnung für die Universität insgesamt, für Studierende, Fachvertreter und die Mitarbeiter der Sprachenzentren mit sich bringt, werde ich weiter unten eingehen. Wie wohl die Mehrzahl deutscher Hochschulen bietet auch die Viadrina sowohl fremdsprachige Studiengänge als auch fremdsprachige Veranstaltungen innerhalb von deutschsprachigen Studiengängen an. Es gibt an der Europa-Universität zwei fremdsprachige Studiengänge. Zum einen sind dies der Studiengang "International Business Administration", ein BA-Studiengang der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der englischsprachig beginnt und im Verlauf mehr und mehr deutschsprachige Elemente enthält, und der bilinguale Studiengang „German and Polish Law" der juristischen Fakultät, dessen Unterrichtssprachen, anders als dies sein englischer Name suggeriert, Polnisch und Deutsch sind. Hinzu kommt der Studiengang „Master of European Studies" der Fakultät für Kulturwissenschaften, in dem deutsche, englische, französische und polnische Lehrveranstaltungen angeboten werden und in dem Studierende ihre Abschlussarbeit in einer der vier Sprachen schreiben können. In allen Studiengängen ist die Ausbildung in mindestens zwei Fremdsprachen obligatorisch. 5. Herausforderungen der integrierten Sprachausbildung und der Sprachvermittlung in internationalen Studiengängen Fremdsprachen als obligatorisches Element in Studiengänge zu integrieren bedeutet, dass Studierende nicht nur zu Beginn des Studiums Fremdsprachenkenntnisse, z.B. Deutschkenntnisse bei Ausländern durch die DSH oder Goethe-Diplome oder Englischkenntnisse durch TOEFL oder IELTS, nachweisen müssen, sondern dass Fremdsprachenkenntnisse auch zur Zulassung zur Bachelor- oder Masterprüfung gefordert werden. Dies setzt voraus, dass Studierende gute Vorkenntnisse in Schulsprachen, positive Sprachlernerfahrungen und vor allen Dingen eine entsprechend hohe Motivation zum Lernen weiterer Fremdsprachen mitbringen. Darüber hinaus müssen auch die Lehrenden in den StulFL111llL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 193 diengängen von der Mehrsprachigkeit als entscheidendem Element des Absolventenprofils überzeugt sein, damit für die Studierenden das Lernen von Fremdsprachen nicht, ähnlich wie in der Schule, eine völlig separate Veranstaltung bleibt, die mit dem eigentlichen Fachstudium in keiner Weise verbunden ist. Hierbei bewährt sich oft die Kooperation zwischen Dozenten aus dem Fach und aus dem Sprachenzentrum bei der Konzipierung und Durchführung gemeinsamer Lehrveranstaltungen in der Fremdsprache. Dadurch wird das oft von Studierenden kritisierte „Trockenschwimmen" in Sprachkursen, d.h. die Kommunikation um des Sprachenlernens und nicht um des Austauschs von authentischer Information willen, vermieden. Darüber hinaus müssen die Lehrenden im Fachstudium stärker als bisher für die Erfordernisse des Spracherwerbs und des Trainings akademischer, kommunikativer Fertigkeiten sensibilisiert werden. Sonst geschieht es, dass in einer „Parallelwelt" am Sprachenzentrum akademische kommunikative Fertigkeiten wie z.B. Argumentieren, Präsentieren, Paraphrasieren, Zusammenfassen eingeübt und verfeinert werden, dass Studierenden im Fachstudium dann aber nicht unbedingt „examples of good practice" vorgeführt und dass sie weder korrigiert noch kritisiert werden, wenn ihre sprachlichen, kommunikativen Leistungen nicht den Normen akademischer Kommunikation entsprechen. Die verschiedenen Akteure an der Hochschule sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie auch für die Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten der Studierenden verantwortlich sind, ungeachtet des Faches, das sie unterrichten. Im Idealfall ist diese Verpflichtung in einer ausformulierten universitären Sprachenpolitik festgehalten. Geradezu prototypisch könnte man die Formulierung der universitären Sprachenpolitik an der finnischen Universität Jyväskylä (siehe http: / / www.jyu.fi/ hallinto/ strategia/ politiikat/ JY_ languagepolicy.pdf, letzter Zugriff am 27.8.2007) nennen. Hier wird zum einen sehr explizit auf die Pflege der Muttersprache Finnisch eingegangen, dann aber auch sehr dezidiert auf die Verantwortung aller Hochschulangehörigen für Kommunikation und Sprache insgesamt hingewiesen: Language competence is eine of the basic competences of academically trained persons. In addition to language and communication skills, language education at the University also aims at illuminating language's importance as an integral element of students' future activities in their field. Increased language awareness is therefore an important constituent in all degree programmes. Since knowledge is constructed and processed through language, all university teachers are also language teachers. When engaged in teaching, assessment, and tutoring, every teacher who feels responsible for his or her own field pays attention to the interrelationship between subject matter and linguistic expression. (JYVÄSKYLÄ LANGUAGE POLICY: 1) Dies bedeutet, dass auch die Lehrenden über die Art und Weise reflektieren, wie sie kommunizieren und wie sie den Studierenden helfen können, ihre kommunikativen Fähigkeiten sowohl in der Mutterals auch in der Fremdsprache weiterzuentwickeln. Dies gilt natürlich im besonderen Maße für Lehrende in internationalen Studiengängen, die Studierende unterrichten, bei denen die Unterrichtssprache nicht die Muttersprache ist. Fakultäten und Sprachenzentren sollten hier in Kooperation Weiterbildungsprogramme für Lehrende entwickeln und anbieten und sich dabei auch über das Tabu hinwegsetzen, das oft die Diskussion um die Fremdsprachenkenntnisse der Hochschullehrer erschwert. lFlLIIL 36 (2007) 194 Thomas Vogel Die Integration der Fremdsprachenausbildung in Studiengänge bedeutet auch eine höhere Anforderung an Studierende, denen oft nur schwer zu vermitteln ist, dass sie in Betriebswirtschaftslehre nicht nur an Mathematik oder Statistik, sondern auch an ihren mangelhaften Ergebnissen in Fremdsprachen im Studium scheitern können. Dies führt sehr oft zu einem hohen Druck von Seiten der Studierenden, aber auch der Lehrenden in den Studiengängen, denen die Einsicht in diese Konsequenz der Integration von Fremdsprachen fehlt. Hier ist zwingend erforderlich, dass die Studierenden zu Studienbeginn intensiv beraten werden. Dabei sollten gerade die Fremdsprachenlehrer an der Hochschule zusammen mit Studierenden über die Unterschiede zwischen dem Lernen von Fachinhalten und dem Lernen von Fremdsprachen reflektieren, damit ein Bewusstsein für den Prozess des Fremdsprachenerwerbs bei den Lernern entsteht. Fremdsprachenlernen lässt sich sehr selten beschleunigen bzw. fehlende Kenntnisse lassen sich nicht quasi über Nacht aneignen. Bei der Kommunikation zwischen „Fach" und „Sprache" werden oft die unterschiedlichen Vorstellungen von der Rolle, den Zielen, aber auch den Methoden der Sprachvermittlung deutlich. Sprachvermittlung in Sprachenzentren an der Hochschule wird oft als „zweite Wahl des Sprachenlernens" verstanden. Als „erste Wahl" hingegen werden Auslandsstudium, Auslandspraktika und eben Lehrveranstaltungen in einer Fremdsprache verstanden. Im besten Falle erwarten Lehrende im Fachstudium vom Sprachenzentrum studienbegleitende Tutorien zu fremdsprachigen Texten, die sie in ihren Lehrveranstaltungen verwenden. Das ganze Spektrum akademischer kommunikativer Fertigkeiten und auch interkultureller Fähigkeiten ist dabei oft nicht im Blick. Im Übrigen sehen auch Studierende fremdsprachige Lehrveranstaltungen sehr oft als „Immersionsunterricht", d.h. sie wählen eine fremdsprachige Lehrveranstaltung nicht wegen des thematischen Schwerpunktes, sondern weil sie dort z.B. ihre Englischkenntnisse erweitern möchten. Das Sprachenzentrum wird dann durch die Studierenden gebeten, diese Lehrveranstaltungen im Rahmen der Fremdsprachenausbildung als Leistung anzuerkennen. Dies wird von den Fächern unterstützt, weil man entweder ohnehin keine hohe Meinung von der Sprachausbildung im Sprachenzentrum hat oder weil man die Studierenden bei der Reduzierung der Stundenbelastung unterstützen möchte. Vor allen Dingen ausländischen Lehrenden, native speakers, ist diese Funktion ihrer Lehrveranstaltung entweder nicht bewusst oder sie fühlen sich in ihrer fachlichen Kompetenz nicht ernst genommen. Sprachunterricht und Fachunterricht unterscheiden sich nicht nur in Thematik und Funktion, sondern vor allen Dingen in den Formen der kommunikativen Interaktion. Der Lehrende im Sprachunterricht versucht, durch die Schaffung von möglichst authentischen Kommunikationsanlässen, alle Lernenden dazu zu bringen, sich entweder mündlich oder schriftlich zu äußern. Lehrende in der Vermittlung des Faches hingegen, legen oft wenig Wert auf kommunikative Interaktion und sind in den Sozialformen relativ lehrerzentiert. Hier hat das Sprachenzentrum der Viadrina sehr gute Erfahrungen in der Kooperation mit diesen Lehrenden gemacht, entweder durch intensiven Gedankenaustausch oder durch gemeinsame Lehrveranstaltungen. Beide Gruppen, die Fachaber auch die Sprachlehrenden, können durch diesen Austausch voneinander lernen. Die „Verdichtung des Studiums" in den Bachelor-Studiengängen führt dazu, dass lFLlllL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 195 Sprache, Sprachvermittlung und kommunikative Fähigkeiten eher wieder in den Hintergrund treten. Sowohl die Auffrischung und Erweiterung bereits vorhandener Fremdsprachenkenntnisse als flUCh der Erwerb neuer Fremdsprachen setzt Zeit voraus, Zeit, die die Studierenden aufgrund voller Stundenpläne und zusätzlicher Praktika immer weniger haben. Und so spiegelt die Äußerung eines Studierenden in einem Interview der Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel die Situation vieler Studierender an deutschen Hochschulen wieder: Schließlich werden die Bachelor-Absolventen erleben, dass nach Leuten gesucht wird, die schnell studiert haben, Berufserfahrung haben, zwei Fremdsprachen können und obendrein für das Fachgebiet spezialisiert sind. Und das alles soll man innerhalb von wenigen Jahren schaffen. Das ist unmöglich. Diese Wünsche kann niemand befriedigen ... Die Leute, die wirklich aus solchen Schnellabschlüssen herauskommen, können diese Qualifikationen per se nicht aufweisen. (ALESI [et al.] 2005: 88) Dies bedeutet für die Curriculumsentwicklung und für die Praxis der Sprachausbildung, dass die Vermittlung der Fremdsprache sich möglichst eng mit dem Fachstudium verzahnen muss. Dies erfordert ein Umdenken bei den Studierenden. Aufgrund schulischer Erfahrungen tun sie sich häufig schwer mit der Integration des Fremdsprachenlernens in ihr Studium und auch in den studentischen Alltag. Ihnen fehlen oft autonome Strategien zur Erweiterung ihrer Fremdsprachenkenntnisse. Die schulische Wissens- und Fertigkeitsvermittlung ist noch zu sehr parzelliert, zu wenig vernetzt und sie vermittelt sehr selten die Strategien, die zum lebenslangen Lernen ohne Lehrer und Klassenzimmer befähigen. Dadurch fallen innovative Ansätze, wie der Projektansatz der Fremdsprachenvermittlung, die die Arbeit an fachspezifischen Projekten mit einer Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse verbinden, nicht immer auf den fruchtbaren Boden, den der Fremdsprachenlehrer sich wünscht. Die Gründe dafür beschreiben LIT1LE/ USHIODA (2000: 49): [...] project work obliges students to play a central role in organising and managing their own learning. Inevitably, students do not always find it easy to take charge of their learning in this way, and many find it difficult to free themselves from their traditional dependency on the teacher. Hier haben Sprachenzentren eine pädagogische Aufgabe, die meines Erachtens weit über den Bereich der Sprachvermittlung und des Fremdsprachenlernens hinaus reicht. Das Prinzip des „Lebenslangen Lernens" macht die Entwicklung von Strategien erforderlich, die das Lernen auch ohne Lehrende ermöglicht. Für viele Studierende bietet hier die Hochschule und dort vor allen Dingen das Sprachenzentrum die letzte Möglichkeit, über den eigenen Lernstil zu reflektieren. Dazu ist es jedoch notwendig, das Lernen explizit zu thematisieren. Das Lernerportfolio im Fremdsprachenunterricht liefert dazu das geeignete Instrument. Durch den Gebrauch des Portfolios trainieren die Lerner vor allen Dingen die Selbsteinschätzung der eigenen Kenntnisse, sie setzen sich selbst erreichbare Ziele und sie dokumentieren das Erreichte auch für mögliche Dritte, z.B. spätere Arbeitgeber. Meines Erachtens sollten gerade die Hochschulsprachenzentren die Möglichkeiten nutzen, die in diesem Zusammenhang das eigens für Hochschulen entwickelte Portfolio des Europäischen Dachverbandes der Hochschulsprachenzentren CercleS (siehe LITTLE 2005) bietet. Die internationalen Studiengänge haben vor allen Dingen im Bereich Deutsch als JFLIIL 36 (2007) 196 Thomas Vogel Fremdsprache an den Sprachenzentren große Veränderungen bewirkt (vgl. MOTZ 2005). Bestand die Hauptaufgabe dieses Bereichs bislang vornehmlich in der Vorbereitung und Durchführung der Deutschen Sprachprüfung zum Hochschulzugang (DSH) und vereinzelten studienbegleitenden, fakultativen Kursen, so ist er nun mit Studierenden aus internationalen Studiengängen konfrontiert, die ohne oder nur mit geringen Deutschkenntnissen an deutsche Hochschulen kommen. Da viele internationale Studiengänge davon ausgehen, dass im Laufe des Studiums entweder Deutschkenntnisse bis mindestens Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erworben werden sollen, gleichzeitig die Ansprüche des Faches nicht zu kurz kommen dürfen, ist gerade im Bereich Deutsch als Fremdsprache die enge Verzahnung von Sprachunterricht und Fachstudium erforderlich. Dies bedeutet auch, Modelle zu entwickeln, die es ermöglichen, fachsprachliche Elemente schon vor dem Erreichen der Niveaustufe B2 in die Fremdsprachenvermittlung zu integrieren. Meine Erfahrung an der Viadrina zeigt, dass gerade die ausländischen Studierenden der internationalen Studiengänge an der Zertifizierung . ihrer Deutschkenntnisse interessiert sind. Sie möchten damit zukünftigen Arbeitgebern zeigen, dass sie in Deutschland neben Fachauch Sprach- und Kulturkenntnisse erworben haben. 6. Die Chancen von UNicert® in internationalen Studiengängen Meines Erachtens bietet das UNicert®-System einen geeigneten Rahmen, um die oben beschriebenen Herausforderungen der Fremdsprachenvermittlung unter den Bedingungen der Internationalisierung der Studiengänge gezielt annehmen zu können. Vor allen Dingen kann es eine Grundlage für die Kommunikation zwischen „Sprache" und „Fach" bilden, die sehr oft durch Stereotypen und falsche Erwartungen auf beiden Seiten geprägt ist. Die folgenden Faktoren sprechen in diesem Zusammenhang für die Integration von UNicert® in internationale Studiengänge: 1. Für den Bereich der Masterstudiengänge sind UNicert®-Zertifikate geeignete Nachweise für hochschuladäquate Fremdsprachenkenntnisse. 2. Dadurch, dass die Niveaustufen klar definiert und zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen in Beziehung gesetzt sind, wird eine genaue Bestimmung der Ziele der Sprachausbildung ermöglicht und gleichzeitig durch die in der Rahmenordnung von UNicert® festgelegten Semesterwochenstunden Hinweise auf den Zeitraum gegeben, in dem diese Ziele erreichbar sind. 3. Wenngleich der Rahmen vorgegeben ist, in dem sich eine akkreditierte Sprachausbildung bewegen muss, so gibt es genügend Spielraum zur inhaltlichen Ausfüllung und fachlichen Orientierung der einzelnen Niveaustufen, die den Bedürfnissen der Institution angepasst werden können und vor Ort zwischen „Sprache" und "Fach" ausgehandelt werden muss. Im Idealfall kann dies dazu führen, dass die Trennung zwischen Sprach- und Fachunterricht aufgehoben werden kann und die Studierenden ihre Leistungen sowohl für die Sprachals auch für die Fachausbildung angerechnet bekommen. lFILl! lL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 197 4. Durch das Akkreditierungsverfahren wird die überinstitutionelle Qualität der Sprachausbildung gesichert. Akkreditierungsverfahren für Studiengänge sind relativ neu. Es gibt jedoch an allen Hochschulen ein großes Verständnis für den Sinn von Akkreditierungsverfahren zur Qualitätssicherung. Dies führt dann oft zu einer deutlichen Erhöhung des Status der Sprachausbildung. 5. Für den Bereich Deutsch als Fremdsprache bietet sich die Möglichkeit, ausländischen Studierenden studienbegleitende Leistungen zu zertifizieren und damit einen Mehrwert der Sprachausbildung zu erreichen. Auch hier hat das in seiner Niveaustufenbeschreibung hochschulübergreifende, in seiner inhaltlichen Ausfüllung jedoch institutionenspezifische UNlcert®-Zertifikat einen großen Vorteil gegenüber anderen Zertifikaten und Diplomen, die an Rahmen gebunden sind, die nicht im Zusammenhang mit dem Fachstudium an einer bestimmten Universität in Deutschland stehen. 6. Durch die Zertifizierung aufNiveaustufe UNicert®I wird den Studierenden ein realistisches, erreichbares Ziel der Sprachausbildµng vorgegeben. Dadurch werden das Erlernen von auch weniger unterrichteten und gelernten Sprachen und insgesamt die Mehrsprachigkeit der Studierenden gefördert. 7. Perspektiven: Zur Verzahnung von Praxis und Forschung Ich habe oben und an anderer Stelle (VOGEL 2005a) darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Hochschulreform ein günstiges Umfeld für die Sprachenzentren bietet. Nicht zuletzt hat der Bolognaprozess auch zur Gründung von neuen Hochschulsprachenzentren in Deutschland beigetragen. Nun gilt es, auf dieses neue Umfeld zu reagieren und neue Konzepte zu entwickeln. Sprachenzentren haben, oft anders als die durch ministerielle Vorgaben gebundenen Schulen, die Möglichkeit als didaktisches Laboratorium zu wirken, in dem neue Modelle des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen entwickelt, erprobt und implementiert werden können. Dies setzt jedoch eine ständige, auch wissenschaftliche Evaluation der Vermittlungspraxis voraus. Konkret bedeutet dies, dass anwendungsbezogene Forschung ein wesentliches Element der Arbeit von Fremdsprachenzentren sein muss. Ob diese immer vom Sprachenzentrum allein geleistet werden kann, hängt von den entsprechenden Bedingungen vor Ort ab. In jedem Fall sollte sich die fachdidaktische Forschung aufgerufen fühlen, sich stärker als bisher mit den Entwicklungen der Sprachausbildung an der Hochschule zu befassen. Die Kommunikation zwischen den Praktikern an den Sprachenzentren und der fachdidaktischen Forschung lässt bislang allerdings zu wünschen übrig (vgl. VOGEL 2005b). Hier sind immer noch sehr voneinander getrennte Parallelwelten zu beobachten, in der die einen zu wenig Praxisbezug der Forschung beklagen und die anderen sich darüber grämen, dass sie von der Praxis nicht zur Kenntnis genommen werden. Auf Statusfragen, die dabei eine wesentliche Rolle spielen, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Die folgenden Fragestellungen scheinen mir für eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Vermittlungspraxis an der Hochschule geeignet zu sein: IFLIIL 36 (2007) 198 Thomas Vogel 1. Wie funktioniert Kommunikation in den englischsprachigen Studiengängen? Welchen Beitrag zum Spracherwerb der Studierenden leisten diese Studiengänge und welche Rolle können die Sprachlehrer dabei spielen? 2. Welche didaktische Weiterbildung benötigen Dozentinnen und Dozenten in englischsprachigen Studiengängen, damit nicht nur Fachinhalte, sondern auch kommunikative Fertigkeiten vermittelt werden können? Wie könnten Curricula für eine solche Weiterbildung aussehen? 3. Wie könnte Team-teaching von Fachwissenschaftlern und Sprachlehrern gestaltet werden? 4. Wie können die Vorstellungen über Kommunikation und Sprache von Studierenden, Fachwissenschaftlern, der Wirtschaft und Sprachlehrern in Übereinstimmung gebracht werden? 5. Welche Voraussetzungen muss ein Auslandsstudium erfüllen, damit es auch dem Spracherwerb dient? 6. Wie kann durch neue Unterrichtsverfahren die knappe Zeit, die den Studierenden in den neuen Studiengängen zum Spracherwerb zur Verfügung steht, besser genutzt werden? Welche Modelle des autonomen Lernens sind in diesem Zusammenhang besonders viel versprechend? 7. Welche Testverfahren können sowohl Sprache als auch Inhalt valide bewerten? Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie umreißt nur die Fragestellungen, die gegenwärtig im Netzwerk der in der Sprachvermittlung an Hochschulen Tätigen vorrangig diskutiert werden. Die Antworten sollten in gemeinsamen Kooperationsprojekten zwischen anwendungsbezogener Forschung und Sprachvermittlung gefunden werden. Es geht letztendlich um ein gemeinsames, anspruchsvolles Ziel: die Vorbereitung der Studierenden auf den globalen Arbeitsmarkt. Literatur ALESI, Bettina/ BÜRGER, Sandra / KEHM, Barbara M. / TEICHLER, Ulrich (2005): Bachelor- und Master Studiengänge in ausgewählten Ländern Europas im Vergleich zu Deutschland. Fortschritte im Bolognaprozess. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. (http: / / www.uni-kassel.de/ incher/ pdf/ bachelor_master__gesamt.pdf, letzter Zugriff am 27.8.2007). 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Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 199 LITTLE, David (2005): "Learner autonomy and language learning at university: A role for the European Language Portfolio in research and development". In: 6 DUILL / ZAHN / HöPPNER (Hrsg.), 305-319. MOTZ, Markus (2005): "Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in internationalen Studiengängen". In: GEBERT, Doris (Hrsg.) (2005): Innovation aus Tradition. Dokumentation der 23. Arbeitstagung 2004. Bochum: AKS, 235-248. 6 DUILL, Micheal. / ZAHN, Rosemary / HÖPPNER, Kristina D.C. (Hrsg.) (2005): Zusammenarbeiten. Eine Festschrift für Bernd Voss. Bochum: AKS. VOGEL, Thomas (2005a): "Zentrum oder Peripherie: Die Sprachenzentren an Hochschulen in Deutschland in einer sich verändernden Landschaft". In: 6 DUILL / ZAHN/ HöPPNER (Hrsg.), 437-456. VOGEL, Thomas (2005b): "Grau teuerer Freund ... ' - Der Beitrag der Wissenschaften zur Kunst des Fremdsprachenlehrens". In: PÜRSCHEL, Reiner/ TINNEFELD, Thomas (Hrsg.) 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However, many researchers have reported difficulties in the establishment of closer collaboration, difficulties which seem to go beyond practical issues such as workload, timetabling and resources to the underlying epistemological differences between language and 'content' teachers. However, few researchers have attempted to explore these differences, and even fewer have linked such differences to the broader institutional polices and practices. This paper draws on questionnaire, interview and observational data collected as part of a larger ethnographic study of Chinese-background freshmen in an English medium of instruction (EMI) university in Asia. Adopting LAYDER's (1993; 2006) theory of social domain analysis the paper begins with an examination of some of the underlying assumptions in current conceptualizations of learning in and through English among students and staff in English for Academic Purposes (EAP) and Economics and Finance at the tertiary level, then explores the epistemological differences revealed by such perceptions and practices. Tue implications of this research for evaluating approaches to collaboration and for setting realistic goals for staff development and institutional change will also be explored. 1. Introduction Increasingly, many societies in which English has traditionally been regarded as a foreign language are adopting the language as a medium for post-secondary education (GNUTZ- MANNIINTEMANN 2005). In Europe both COLEMAN (2006) and PHILLIPSON (2006) refer to the Englishisation of higher education to describe the rapid advance of English as the medium of instruction. Within Asia there also appears to be a strong shift towards the use of English as the medium of instruction for tertiary education. In Japan rising numbers of universities are adopting English as a medium of instruction to establish a competitive edge in a declining market (TOLLEFSON 2006). In China, the Ministry of Education demands that 5-10% of courses at each higher education institution should be taught in a foreign language, with some suggestions that 30% of each university' s academic curricu- Korrespondenzadressen: Chris DAVISON, Faculty ofEducation, The University ofHong Kong, Pokfulam Rd, Pokfulam, HONGKONG, SAR, CHINA. E-Mail: cdavison@hkucc.hku.hk Arbeitsbereiche: English language development, curriculum and assessment, language policy. John TRENT, Faculty ofEducation, The University ofHong Kong, Pokfulam Rd, Pokfulam, HONGKONG, SAR, CHINA. E-Mail: jtrent@hkucc.hku.hk Arbeitsbereiche: Spoken discourse, sociocultural theory. lF'lLUIL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 201 lum could be provided in English (LAM 2005: 193). This Englishisation has been one of the factors underlying growing concern about the role and development of English as a medium of instruction amongst many post-colonial institutions in which English has lang been established as the language of instruction. The University of Hong Kong, an English medium of instruction (EMI) institution in the Special Administrative Region of the People' s Republic of China, has ~mbarked upon an ambitious program designed to strengthen the university's international profile. In support of this aim, a recent review of language education at the university recommended that measures be adopted to encourage much greater use of English in all courses as well as in professional and social Settings (UNIVERSITY OF HONGKONG 2004). Such recommendations are in line with moves internationally to encourage closer alignment of English for Academic Purposes (EAP) and Faculty discipline-based programs in Englishmedium universities. However, many researchers have reported difficulties in the establishment of closer collaboration, difficulties which seem to go beyond practical issues such as workload, timetabling and resources to the underlying epistemological differences between the language and 'content' areas, although few researchers have attempted to explore these differences, and even less have linked such differences to the broader institutional and societal polices and practices. Drawing on questionnaire, interview and observational data collected as part of a ! arger ethnographic study of Chinese-background freshmen in an English-medium (EMI) university in Asia, this paper provides a multi-level analysis of some of the underlying assumptions in the views about learning in and through English as a second language which underlie the perceptions and practices of English for Academic Purposes (EAP) and disciplinary/ content-area teachers at the university, specifically in the department of Economics and Finance, then discusses how such assumptions can create barriers to the provision of a systematic and coherent program of language support for all students. The implications of this research for evaluating approaches for collaboration and for setting realistic goals for staff development and institutional change will also be explored. 2. The Hong Kong context Hang Kong has an official policy of trilingualism (Putonghua, Cantonese and English) and biliteracy (Chinese and English). While English and Cantonese 1 have always been the two main languages of instruction in Hang Kong schools, Cantonese is the mother tongue of the majority of the ethnic Chinese who comprise more than 95% of the population. Only 13.9% of the Hang Kong population report knowing English either 'well' or 'very well' (BRUCE/ DAVISON/ POON 2006). Therefore, for the majority of the population English represents an auxiliary language, used only for specific purposes such as higher education or business (KEMBER 2000; LIILEUNG/ KEMBER 2001). This status of English has been When Hong Koog became a British colony in 1842, English was adopted as the official language but Cantonese remained the primary spoken language. lFLlllL 36 (2007) 202 Chris Davison, John Trent reinforced since the handover by the introduction of a mandatory policy of mother tongue education as the medium of instruction for 75% of government secondary schools at the junior secondary level, with the remaining 25% permitted to use English as the medium of instruction (TSUI 2007). In those schools using Chinese as the medium of instruction, this policy has raised community concerns over how English language learning can be accomplished to ensure English language standards in Hong Kong are not undermined (Tsm 2007: 137). At the same time those schools still using English as the medium of instruction need to ensure that subject content is made accessible to learners from Cantonese speaking backgrounds, so that student can enter the English-medium tertiary sector with strong English language skills and a solid foundation in their specialization. However, ongoing uncertainty and debate over the relationship between identity, language learning and educational achievement in Hong Kong continues to undermine the acceptance of the current language policy in the wider community (DA VISONILAI 2007). Within Hong Kong, difficulties in the relationship between language and content learning also exist at the tertiary level. LI/ LEUNG/ KEMBER (2001), for example, point to a series of mismatches between espoused language policy and policy in use. Amongst the gaps identified by the authors, a schism is believed to exist between the formal policy of most universities which endorses English as the official language of instruction and the relatively limited amount of instruction carried out in English within the classroom. LI [et al.] go on to argue that few of Hong Kong' s higher educational institutions admit to this mismatch and that "little has been done to remove the discrepancy" (2001: 306). lt is not surprising that doubts have been raised about whether some students entering the Englishmedium tertiary institutions possess the necessary language skills required for undergraduate study, and whether universities can maintain the requisite English language standards considered necessary for effective study in and through English. This is true even in long established EMI institutions such as the University of Hong Kong. Tue importance the University of Hong Kong attaches to the role of the language in education is reflected in the decision, taken in September 2003, to initiate areview of language education at the university. In its June 2004 report, the university's Review Panel on Centres and Units Offering Language Enhancement and Language Proficiency Courses affirmed the status of the university as "an international university with a multicultural and multilingual community" (UNIVERSITY OF HONG KONG 2004: 8), which emphasizes problem-based and student-centered learning where "everyday problems or situations are used as a way of stimulating students to discover and explore the key concepts and skills of the discipline in class" (UNIVERSITY OF HONGKONG 2005: 14). To help enhance these aims, greater emphasis has been placed on language enhancement and proficiency. The Review Panel argued that achieving language proficiency is closely tied to language use: High levels of language can only be attained by means of a firm commitment on the part of all stakeholders to the substantive use of the language in all university courses as well as in all professional and social contexts, formal and informal (UNIVERSITY OF HONGKONG 2004: 8). lFLllllL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 203 At an EMI tertiary institution such as the University of Hong Kong, attention to "the substantive use of the language" implies attention to the use of English, "the lingua franca for all formal and informal communication throughout the university" (UNNERSITY OF HONG KONG 2004: 9). The Review Panel emphasized the need to "integrate English enhancement mote extensively in the curriculum" (ibid: 30) and to "help students with weaker language abilities to reach the threshold level for using English as the medium for leaming" (ibid: 28). This reflects a broader commitment on the part of the university to achieving "excellence in the use of English as an objective of the entire curriculum" (ibid: iv). This is also reflected in the views of the student body, with regular surveys finding that most students think English is very important. The Review Panel recommended.that greater "measures should be taken to encourage students to use English as a medium of spoken and written communication on campus" (ibid: 31) and to promote students' use of spoken English in all university courses (ibid: 8). However, the Panel recognized that designing and implementing measures to encourage the use of spoken English by students is challenging, especially when "the amount of time students spent on communicating in English in dass is T... ] very limited" (ibid: 10). A number of researchers have raised concerns about the participation of second and foreign language learners in oral interaction in both language and content dassrooms (HORWITz/ HORWITz/ COPE 1986; HORWITzNOUNG 1991; JACKSON 2002; 2005), especially leamers from Asian educational backgrounds (CORTAZZIIJIN 1996; FLOWERDEW/ MILLER 1995; KENNEDY 2002; LEE 1999; KIM 2006; MORITA 2000; 2004; TSU1 1996). JACKSON dedares that "the non-participation of students in English medium university dasses is a common source of frustration and bewilderment for lecturers in Hong Kong and other parts of Asia" (2002: 65-66). According to KIM, East Asian students are "typically known to be silent or reticent in dass" (2006: 480). A variety of factors have been identified to explain this supposed reticence, induding attitudinal, cultural, language, pedagogic and societal factors (KENNEDY 2002). Some researchers argue that students' English language proficiency is not sufficiently developed to deal with the increased language demands of constructivist pedagogy (e.g. JACKSON 2002; LIU/ LITTLE- WOOD 1997). Others suggest that it is the teachers who need more pedagogic flexibility and skill, to enable them to provide more opportunities for students to speak English, create a richer leaming environment and see the increasing diversity of language and cultural groups in the dassroom as a resource, rather than a problem, for leaming both language and content. If efforts by the university to promote students' use of spoken English in all university courses are tobe successful, it is imperative that such pedagogic challenges are acknowledged and explored. The investigation of language use by leamers in second and foreign language academic environments has traditionally been part of the agenda of English for Academic Purposes (EAP). EAP has been defined as "the teaching of English with the specific aim of helping leamers to study, conduct research or teach in that language" (FLOWERDEWIPEACOCK 2001a: 8). Yet EAP has devoted relatively little attention to the study of dassroom discourse; "the oral interaction that occurs between teachers and students and among students" (HALLNERPLAETSE 2000: 9). FLOWERDEW/ PEACOCK report that "there is a lFlLd 36 (2007) 204 Chris Davison, John Trent general consensus amongst ESL educators that oral language is very important, yet speaking in EAP remains a relatively neglected skill" (2001b: 188). To further complicate matters, it is widely argued that EAP has traditionally functionedfor, as opposed to with, subject specialists (HYLAND/ HAMP-LYONS 2002: 3), hence trying to encourage university, or even faculty-wide, collaboration between disciplinary areas and EAP is difficult, as will be elaborated in the next section. 3. Relationships between language and content teaching Tue development of greater alignment and collaboration between the teaching of English as a second/ additional language (ESL/ EAL) and the content-areas/ disciplines such as Econornics has been advocated by the English language teaching profession for many years (CREESE 2002; DA VISON 2006; GIBBONS 2002), and a framework for describing different models of alignment has been developed (DAVISONIWILLIAMS 2001). Perhaps most well known of these models in the tertiary sector is BRINTON/ SNOW/ WESCHE's (1989) adjunct model which pairs an ESL course with a university content course. More recently, BRINTON/ JENSEN (2002) have promoted a simulated adjunct model, in which authentic content from an existing university course is embedded in the ESL curriculum. Yet, despite "a global interest in integrating content and language teaching" (STOLLER 2004: 263), difficulties and challenges persist (ARKOUDIS 2007; CRANDALLIKAUFMAN 2002; DAVISON/ WILLIAMS 2001). These include not only the identification and selection of an appropriate EAP curriculum and methodology, but the provision of appropriate staff development and effective structures to support collaboration. More fundamental still is the change of attitudes needed to make collaboration between English language instructors and their colleagues in the disciplines a normalized part of everyday teaching, rather than EAP seen as a remedial or support function (JACKSON 2005). lt has long been recognized that merely placing students in English-medium contexts "cannot be assumed to provide optimal language learning opportunities as a matter of course" (MOHAN 2001: 108), and there is a "critical need for collaboration across disciplines (especially by language and content specialists)" (CRANDALLIKAUFMAN 2002: 1). However, surprisingly perhaps, most institutional efforts, andin fact most research at the tertiary level, have tended to focus on the analysis of the linguistic demands of the content areas (BRINTON/ MASTER 1997; BRINTON/ SNOW/ WESCHE 1989; CRANDALL 1987; CRAN- DALL [et al.] 1987; MOHAN 1986; MOHAN/ LOWE 1995) rather than the process of collaboration itself. Experience at the secondary school level suggests that for collaboration tobe most effective, planning, teaching and evaluating needs to focus on curriculum, not just methodology or materials (see DAVISON 2006; DAVISONIWILLIAMS 2001; HURST/ DAVI- SON 2005). An ideal collaboration between EAP and disciplinary teachers requires the planned systematic integration of content-based EAP and language-conscious content teaching (CRANDALL 1987; DAVISON/ WILLIAMS 2001; SNOWIMET/ GENESEE 1989). However, research shows that incorporating language objectives into the disciplines is difficult (ARKOUDIS 2003; SHORT/ ECHEV ARRIA 1999), because content specialists immersed in the lFLIIL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 205 discourse of their discipline do not find it easy to identify the language demands of curriculum, let alone the language learning needs and opportunities, whilst adjunct English language teachers can struggle to "cover the content" and easily lose direction and control. In fact, DAVISON (2006) has argued, describing the different roles and responsibilities of the content and English language specialists does not seem to resolve the tensions and misunderstandings that can occur in collaborative work. Different teaching philosophies and the priority of subject content over language needs also create difficulties within collaborative work that can at times be difficult to resolve. As ARKOUDIS (2007) notes, disciplinary specialists identify with their subject discipline and seem to form distinct discourse communities within their subject areas. Her research into collaboration between English language and content teachers in secondary schools, building on earlier work by Siskin (SISKIN 1994; SrsKIN/ LITTLE 1995) and Hargreaves (HARGREAVES 1994; HAR- GREAVESIMACMILLAN 1994), highlights the deep-seated links between teachers that belong to the same department or discipline, with sub-communities forming within each subject disciplines, and playing a critical role in shaping and supporting teachers' identities. ARKOUDIS argues that each community has distinct views about the canons of knowledge within the subject discipline, a sense of the importance of their discipline within the institution, and shared assumptions of what needs to be taught and when. This explains one of the main barriers to integrating language development into disciplinary areas at the tertiary level, that is, subject knowledge is viewed as belonging to the teachers in that discipline, thus most content specialists see teaching skills such as speaking as the work of EAP teachers, not their responsibility. ARKOUDIS (2007) also argues that the entrenched nature of epistemological assumptions within subject disciplines is often underestimated or not taken into account in proposals for greater alignment between EAP and the disciplines. She draws on the work of ROBERTS (1996) to argue that teachers' epistemological assumptions and pedagogic practices are structured by their beliefs about their students' learning, a critical issue which needs further elaboration. Until very recently, the dominant view of pedagogy in tertiary institutions in most western industrial societies was the so-called 'banking model' (FREIRE 1970), in which teachers are expected to deposit information and skills in students' memory banks. This traditional model of pedagogy can be contrasted with social constructivist models, which were first popularized in the progressive pedagogy of John DEWEY (1963), with its emphasis on the primacy of student experience and the need to encourage active student involvement in learning rather than the passive absorption of information. Dewey' s work has been extended further in the tertiary level by advocates of problem-based learning and dialogic inquiry (e.g. FOSNOT 2005; WELLS 1999), whose pedagogical focus has been strongly influenced by the rediscovered works of VYGOTSKY (1986), in particular bis notions of the zone of proximal development and mediated activity. Bach orientation transmission and constructivist incorporates a set of instructional assumptions about language, knowledge, and learning that underlie various forms of teaching. Transmission-oriented approaches to pedagogy tend to create a dichotomy between language (defined primarily in terms of forms and structures) and content (delFLIIL 36 (2007) 206 Chris Davison, John Trent fined as sets of information and skills). Such approaches result in English language programs which are heavily reliant of the structure and sequence of the textbook or predetermined lesson plans, with little emphasis on intemalization of meaning or active communicative use of the language. Tue format may be made more appealing to students by means of exercise and activities, but the basic aim is to ensure the acquisition of information and skills. In the disciplines other than English, content is taught as a fixed and relatively static body of knowledge, a code or set of rules. Language is assumed tobe neutral and foundational, a mere conduit or vehicle for leaming. Such metaphors are in turn institutionalized in curriculum and policy documents (see Table 1 for a summary of these points). Metaphor Disciplinary practices Language teachiug Rules, techniques Code of disciplinary/ Objective set of grammar rules, professional/ research practices generic conventions, vocabulary Foundation building, Cumulative and stratified know- Language a pre-requisite for pyrarnid ledge, assimilation before creation, advanced thinking, inadequate transmission before research foundation requires remediation Conduit, medium, vehicle Teacher transmitting knowledge Teacher transmitting knowledge about disciplinary subjects (lower about language; practical, low level than research); transparently level, teacher = technician encoded into language and communicated Representation Observation, naming and labeling Knowledge telling: what is this? Table 1: Different metaphors for teaching language and knowledge-based subjects in a transmissiön-oriented pedagogy (adapted from BRUCEIDAVISON/ POON 2006) In contrast, in social constructivist approaches, students are encouraged to become actively engaged in challenging projects and activities across the disciplines. Students' prior knowledge is systematically activated and they are encouraged to bring their existing experience and cognitive (and linguistic) schemata to ask questions and solve problems, to talk their way to understanding. A constructivist pedagogy promotes active, hands-on, eo-operative activities, which are seen to be particularly suitable for students who are learning through a second language, enabling them to leam both content and second language structures and functions concurrentlY: Although these different orientations are expressed as distinct categories, in practice it is more appropriate to see them as points on a continuum that merge into one another, or even altemating, depending on the teachers' own experiences and the commonsense beliefs about good teaching in their subject discipline. This raises the issue of what beliefs about language and leaming underpin teacher (and student) attitudes, interactions and institutional orientations in an EMI university in which English is not just the medium, but the means of leaming (SCHNEIDER 2006). lFLILIL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 207 4. The research study This paper reports on a study of the potential for greater alignment and collaboration between EAP and the disciplines in an English-medium university in Hong Kong. As part of a much ! arger doctoral study (TRENT 2007), the experiences of a group of eight Cantonese-speaking Economics and Finance students and their Economics and English language teachers in their disciplinary and English Academic Purposes (EAP) classrooms over one semester were observed, recorded and evaluated, and all participants interviewed, some a number of times. Once the data was collected, it was analyzed in a number of stages. In keeping with the ethnographic orientation of the study, this process was ongoing, recursive and iterative (SELIGERISHOHAMY 1989). As a first step in the process, the data was copied, organized and grouped into a preliminary categorization suggested by the themes arising during the course of data collection, as well by our own "tacit knowledge" and empiricised propositions (STAKE 1978: 6) about collaboration and its development, then a process of "systematic inquiry into the data" (MILES/ HUBERMAN 1984) was undertaken. These themes were initially represented using "indigenous concepts" (PATTON 2002: 454) or terminology used by the participants themselves. Gradually, as clearer pattems emerged as to what participants seemed to be saying and doing and why, we sought a more systematic analytical framework to describe their discourse. This meant we moved back and forth between the data and the related research literature, experimenting with and discarding different models of analysis and trialing different coding systems. In this sense, the analytical framework was not pre-determined nor imposed, it was grounded in the data (GLASER/ STRASS 1967). This iterative work led to the adoption ofLAYDER's (1993; 2006) theory of social domain analysis which identifies four overlapping social domains or layers: self, situated activity, setting and context. LAYDER' s framework helped provide a more systematic and comprehensive examination of the underlying assumptions in the conceptualizations of leaming in and through English among students and staff in English for Academic Purposes (EAP) and Economics and Finance at the tertiary level, illuminating the individual, the interactional, and the institutional discourses and perspectives. 5. Findings As can be seen in Table 2 below (see next page), Layder's multidimensional framework allowed us to identify the often conflicting and complex pattems in the participants' attitudes and interactions, and to explore the forces that seemed to constrain and inhibit greater collaboration between English language and content teachers in the research setting. lFLl.llL 36 (2007) 208 Chris Davison, John Trent Levels of social Economics EAP process Self: Teachers • Language is seen as a barrier to • Language not a barrier to participastudents' learning of content tion, Ss are encouraged to make "as . Emphasis on accuracy of language many (linguistic) errors as they production want" . Strong focus on the need to trans- • Emphasis on fluency and content mit content knowledge due to limoverform ited time within the course • Emphasis on interplay of language . Tutors: feel need to give "miniand content; teacher stresses translecture" in each tutorial ferability of sk: ills back to Economics classes Self: Students (Ss) . Ss view purpose of Economics • Ss view oral participation as an tutorials as partly opportunity to important part of EAP discuss issues • Ss welcome the opportunities to . However, limited opportunity for use spoken English in the class this in 1 st year classes • Some Ss see a need for closer link between what they are doing in Economics class and EAP Situated Activity . Limited opportunity for interaction • Extensive opportunities for interin Economics class action in EAP with many student- . Student participation in classroom initiated questions and long turns discourse often limited to short • Students introduced Economics question and answer on content and Finance topics for discussion/ related matters presentation . Topics followed content of lec- • This content focus was not orchestures; teacher-initiated and contrated by the teachers (they were trolled not Economics trained), but teachers facilitated this interplay by allowing learners the freedom to control and shape to some extent the processes and products of classroom interaction Institutional Setting . Curriculum documents emphasize • EAP course emphasizes participa- (course level) content: e.g. set tutorial questions tion in spoken interaction each week designed to test content • 40% of assessment is based on oral understanding; assessment based participation/ presentations on content knowledge Institutional Context . Language policy documents emphasize English enhancement throughout (university level) the curriculum, collaborative efforts between language and content teachers, and the use of the English language in all university courses . Differing success in terms of implementation of some of these measures in the language and content (e.g. Economics) classrooms Table 2: Views of language and learning: EAP and Economics lFLllL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 209 At each level shown in Table 2, tension exists over the nature and extent of learners' participation in oral activities within content and language classrooms. Individual Economics teachers, for example, argued that they were able to provide very limited scope for learners to participate in oral interaction within the classroom. One instructor, Debbie, reported that "most of our tutorials are rather one-way, I wouldjust teach this, and then the students just sit there and absorb the thing, and that's all" (interview, 29/ 9/ 05). Some instructors explained this in terms of cultural-based reasons; Hong Kong students were reported to be shy (Kathy, interview, 29/ 9/ 05), embarrassed (Kenneth, interview, 12/ 9/ 05), afraid, and lacking in confidence (Debbie, interview, 29/ 9/ 05) when it came to speaking in class. Linguistic-based explanations were also offered by Economics instructors. Stephen characterized the oral English proficiency of his undergraduate students as bad (Stephen, interview, 26/ 9/ 05). Other instructors, such as Kenneth and Kathy, also indicated that their learners' oral English was not very good (Kenneth, interview, 12/ 9/ 05; Kathy, interview, 29/ 9/ 05). Debbie added that, in her tutorials, students frequently ': iust sit there and stare atme" (Debbie, interview, 29/ 9/ 05). However, rather than a lack of English language skills, she attributed this to her learners' limited ideas and knowledge. about the content of the tutorial: "They (students) don't even know the topic at all" (Debbie, interview, 29/ 9/ 05). In contrast, EAP teachers believed that spoken English should occupy centre stage in their classroom. As one EAP teacher explained: I would like them (students) to participate in dass; I would like them to raise questions. I think participating in dass is very important, and we are giving 20 per cent of their total marks to this. I would like them to share opinions and encourage other people. I would like them to feel they have contributions to make in dass. (Karen, interview, 8/ 9/ 05) In contrast to the view of Economics teachers, language specialists did not accept either cognitive or linguistic factors as constraints to achieving oral English based classroom goals. For instance, Karen announced to her students, that "you won't be saying anything smy here, there are no wrong answers, you're allowed to make mistakes" (Karen, classroom observation, 28/ 9/ 05). Another language teacher, Anne, discussed her navigation of potential linguistic constraints to learners' oral participation: I've never seen the fact that their (students) language use is not good as a bad thing. I say 'wow', the fact that they're out there saying it is a good thing. (Anne, interview, 27/ 9/ 05). The students who participated in this study appeared to both accept and welcome the importance attached to oral English in EAP. EAP was seen by some learners as primarily an oral class that offered opportunities to practice their spoken language skills, a competency that these learners believed would be vital to their future career success in Hong Kong's business community. This contrasts with some learners' disappointment as they recalled the lack of similar opportunities within their Economics classroom: Usually we have tutorial questions, the tutor just goes through all the answers and questions. The tutor just writes the answer on the blackboard and we write down the answers. Sometimes they will throw questions to you but I guess not that frequently. It's supposed to be more discussion in tutorials, but unfortunately there' s not. (Victor, interview, 21/ 10/ 05) lFLlllL 36 (2007) 210 Chris Davison, John Trent At the interactional level, the apparently limited scope for students' to develop and to deploy their spoken English language skills in the Economics classroom contrasts with the importance content material played in enabling learners to meet the oral demands ofEAP. For example, in the following small group discussion within the EAP classroom, Patrick outlines the reasons for his choice of 'investment' as the topic for an assessed individual oral presentation each student was required to make to the dass: Patrick: My topic is about value investment Student 1: Value investment. Patrick: Yeh. Student 2: So professional. LL: Laughter. Patrick: You know who is Warren Buffett? Student 2: The second riebest man in the world. Patrick: Yeh, yeh. Student 3: Oh really. Patrick: So what he is using is value investment. Student 2: What is value investment? Patrick: Value investment is that he chooses some share that the company is potential to grow in the future that means the company is really good but the value of the share price is understated. Student 2: Doesn't reflect their value? Student 4: Underestimated price? Patrick: Y eh. Student 3: Oh. Student 1: Do you have some shares that you describe? LL: Laughter. Patrick: Y eh Petro China. Student 1: Do you want to buy now? LL: Laughter. Patrick: Yeh. Student 2: How much have you invested? LL: Laughter. Patrick: A few thousand. Student 1: IPO or secondary market? Patrick: Yeh, secondary market. Student 1: What is the price that you paid lower than Warren Buffett? Patrick: Warren Buffett bought at two dollars per share I was three point something. Student 2: What's the price now? Patrick: Six point something. LL: Wah. Student 3: I see. Student 1: lt is a great profit. Student 4: 100 per cent. Student 2: What's his expectation on the price? Student 1: Unfortunately Petro China stock price falls to five point zero five point nine zero today. IFJLwL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... Student 2: Now? Student 1: Yes, because Hang Seng Index has fallen 200 points. Student 4: Yes, below 15,000. Student 3: Really? Patrick: Why I choose this topic is because my dream is to become [] Warren Buffett. LL: Oh. Student 3: Chinese Warren Buffett. LL: laughter. (19/ 10/ 05) 211 The way in which Patrick links his participation in EAP classroom discourse to the use of discipline specific language and knowledge provides his oral contribution with a degree of credibility; as one student noted, his topic appeared tobe "so professional". In addition, all members of the group were able to share in this credibility as each introduced and displayed knowledge in the use of specialized terminology. This included references to shares, the Hang Seng Index, underestimated price, buying and selling prices, IPO, and the secondary market. Furthermore, Patrick was able to establish his professional credibility with the group by reporting what was described as a "great profit" from his investment activities. By drawing upon their disciplinary expertise, learners, both as individuals and as a group, were able to create opportunities to shape the products and processes of classroom discourse in ways that did not appear to be available to them in the Economics classroom. At the same time language and content learning seemed to emerge "hand-inhand" (GIBBONS 2002) as a result of student topic choice and the freedom they were afforded to make such choices. At the institutional level, there seemed tobe differences in the take-up of the university' s aim to enhance English language learning opportunities across the curriculum. This aim did seem to shape the approach EAP teachers took to teaching and learning practices within their own classrooms: The aim of (EAP) is to get them (students) involved in academic studies [...] oral English is very important here because they need to make presentations in their Economics classes, give papers and defend their position (Karen, interview, 8/ 9/ 05). However, paradoxically perhaps, in the Economics curriculum documents English language development and use were not highlighted, nor was there much awareness among teachers about the need to promote the substantive use of the spoken language within these classrooms, not just as a way of enhancing English language outcomes for individual students but to move towards more constructive and student-centered learning environment. Such a focus at the institutional level is important to ensure that the disciplines fulfill the language policy aims of the university. In this regard, the EAP classroom might provide a successful case study of how this could be brought about, an issue discussed in greater detail below. FILuL 36 (2007) 212 Chris Davison, John Trent 6. Discussion The tensions identified at different levels above suggest that thinking about why and how collaboration between ESL and content teachers in higher education should occur needs to change if such a goal is to be successfully implemented. Collaboration can not be adequately conceptualized by focusing on a single domain. For example, viewing collaboration solely as an issue of material design and methods of teaching/ leaming, or in terms of linguistic and content demands, limits understanding and analysis to what happens in the situated activity of the classroom. In terms of LAYDER's model, this overlooks the importance of the individual, and of individual agency, in shaping how collaboration between language and content teacher is achieved. Similarly, looking only at the level of policy design omits concerns for the influence of actors at levels other than the institutional. In sum, addressing the tensions at any one level shown in the table is a necessary but in itself not sufficient condition for successful implementation of the university's language policy aims. As a result, the actual practices adopted in any collaborative/ partnership model (e.g. identifying content and materials, the type of professional development available to teachers) will also need to reflect the influence of different actors, both individual and institutional. Successful examples from the EAP classroom suggest that a form of bounded leamer control over the processes and products of oral classroom investment may be one of the best ways of attaining the university' s aims for oral language proficiency and enhancement amongst its undergraduate population. This could be accomplished by opening scope for student input into the choice of topics and materials covered within Economics and Finance tutorials. Students and instructors could, for instance, negotiate some of the topics and materials covered in each class. Economics students might then adopt specific oral roles in their content tutorials. Leamers would be producers of classroom discourse as well as directors, shaping the particular topics, materials and outcomes achieved. This is in line with GRAHAM, who argues that providing students with greater control over lessons "may foster feelings of ownership and agency, which may lead to greater participation" (2006: 27). The role of the teacher could be tailored to complement this student-centered oral production and direction. Instructors, for instance, might assist students in establishing connections between their unique and varied oral participation and established frameworks of economic theory and policy. This would ensure that students gain an adequate grounding in economic theory and practice and that the suggestions for teaching and leaming made here do not result in content being compromised or diluted (TEEMANT/ BERNHARDTIRODRIGUEZ-MUNOZ 1997). To achieve this, Economics instructors have available a long established body of research linking economic theory and policy to broader social issues such as 'immigration', 'school', 'families', 'sport', 'discrimination', and 'crime' (COYLE 2002). Working within such traditions, teachers would function as a bridge, both cognitively and linguistically, to assist leamers as they journey between the knowledge, skills, and experiences they bring with them to the classroom and the specialized techniques and language of economics. lFJL1.llL 36 (2007) Contradictory Discourses: Learning and Teaching In and Through English ... 213 7. Conclusions The results of this study reinforce the need to address the essential elements for effective collaboration between language and content area teachers that have been discussed elsewhere, including the need to establish a clear conceptualization of the task, the incorporation of explicit goals for language development into the disciplinary areas and assessment planning processes, the negotiation of a shared understanding oflanguage and discipline teachers' roles/ responsibilities, the development of articulated and flexible pathways for English language learning support, and the establishment of systematic mechanisms for monitoring, evaluation and feedback. There are also implications for staff development and institutional support. The suggestions offered here involve a significant change not only in the role and practices adopted by students but also by teachers. However, content faculty, and even EAP teachers, may themselves be unaccustomed to these different pattems of classroom responsibilities and interaction. Therefore, it is necessary to provide staff with resources and training, in the form of workshops and sennnars, to assist them in preparing for their role within the very different classroom environment advocated in this study. Establishing these links between language and content staff may also go a long way towards addressing the need for EAP teachers to work with, rather than for subject specialists. However, the greatest challenge in English-medium universities such as Hong Kong is to ensure that EAP has appropriate status within the disciplinary hierarchy. So long as the institutional practices of universities, themselves a product of societal attitudes and govemment policies, position EAP as a support or remedial subject and fail to give EAP staff the same opportunities as their colleagues in the disciplines to undertake research and obtain promotion, collaboration across the curriculum will be extremely difficult. References ARK0UDIS, Sophie (2003): "Teaching English as a second Language in Science classes: Incomrnensurate epistemologies". In: Language and Education 17 (3), 161-173. ARK0UDIS, Sophie (2007): "Collaborative teaching". In: CUMMINS, Jim/ DAVIS0N, Chris (eds.): International Handbook of English Language Teaching. Norwell, MA: Springer, 365-378. BRINT0N, Donna / JENSEN, Linda (2002): "Appropriating the adjunct model: English for academic purposes at the university level". In: KAUFMAN, Dorit (ed.): Content-Based Instruction in Higher Education Settings, Alexandria, VA: TESOL, 125-138. BRINT0N, Donna/ MASTER, Peter (eds.) 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In this article some valuable suggestions found in the relevant literature will be discussed and facts will be separated from rnisconceptions and dubious tenets. In particular, some terrninological problems will be tackled and the four most contentious issues will be dealt with: the seemingly ambivalent role of English as a lingua franca, some competing models of multilingual didactics, a few consequences for curriculum design and the main implications both for multilingually-based modules ofuniversity courses and for teacher training schemes. 1. Preliminary remarks Arguably, foreign language didactics features most prominently in the 'league table' of academic disciplines with respect to the number of buzzwords produced in recent years. Mehrsprachigkeitl'multilingualism' is one of the latest to have gained enormous currency among L2 researchers, general educationalists and (foreign) language teachers alike. This term has, however, given rise to misconceptions, false assumptions, contradictory inter 0 pretations or sheer myths. This state of affairs comes as no surprise since the concept of multilingualism by its very nature is bound to touch upon areas of study other than foreign language teaching such as general pedagogy, sociolinguistics and psycholinguistics. The situation is compounded further by politicians, bureaucrats and (other) self-styled 'experts' who have laid their hands on this topic, thus blurring the very issues which are badly in need of clarification. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eberhard KLEIN, Universität Erfurt, Philosophische Fakultät, Fachgebiet Anglistik/ Amerikanistik, Lehrstuhl für Anglistische Fachdidaktik und Sprachlehrforschung, Nordhäuser Str. 63, 99089 ERFURT. E-mail: eberhard.klein@uni-erfurt.de Arbeitsbereiche: Plurilinguale Didaktik, kontrastive Lexikologie. 1 Until the terminological issue is addressed, I will use the term in a somewhat loose sense, as a cover term for the entire phenomenon, as it were. JFL11L 36 (2007) 218 Eberhard Klein In the following article, the notion of multilingualism will be dealt with from a purely didactic perspective from which digression will only be made when it serves the purpose of the argument. The following issues are open to dispute and thus lend themselves to discussion: 1. The terminological diversity concerning multilingualism 2. The role of English as a lingua franca and a global language in the context of multilingual teaching 3. Different models of multilingual teaching 4. Some requirements of multilingually-based curricula 5. Some implications of multilingual didactics for teacher training 2. Clarification of some terminological problems lt is hardly surprising that the great complexity of the issue should be mirrored by a wide array of terms some of which can simply be taken as synonyms, others as reflecting different facets of the phenomenon of 'multilingualism' and yet others marking out a particular brand of 'multilingualism' as being essentially different from other brands. In order to cope with the diversity of terms inherent in the topic of 'multilingualism' 2 one could first of all differentiate between multilingualism and plurilinguism as is common practice amongst authors working in this field. Tue former would be adopted to describe a situation in which multilingualism exists either in a wider social context (e.g. in multilingual countries such as Belgium, Canada etc.) or in the form of a variety of languages on offer in educational institutions, whereas the latter would refer to the stock of languages acquired/ learnt/ mastered by an individual. Thus, we are dealing here with sociolinguistic and psycholinguistic/ didactic manifestations of the phenomenon respectively. lt is in this latter sense that individuals are expected to attain a mastery of several languages according to the Common European Framework of Reference for Languages, with plurilingualism understood as the result of the acquisition of a non-language-specific, but general and holistic communicative competence (GNUTZMANN 2005: 15). However, plurilingualism seen in this way unduly narrows down the range of its interpretations because it is doubtful whether some vague, language-independent communicative competence can be seen as the best basis for fostering genuine competence in several foreign languages. The issue is blurred further if one looks at the corresponding terrninology in German. Thus, NEUNER (2004: 173) quite rightly argues that Mehrsprachigkeit, if used in a 'context-free' manner, is inherently fuzzy and therefore needs specifying along the lines described above, i.e. distinguishing between Multilingualität and Plurilingualität. 2 Interestingly enough, the term polyglot hardly ever occurs in the literature. lt is a moot point whether this is simply so because there is no corresponding noun describing the state of knowing many languages. lFL11llL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions 219 Apart from the fact that these two terms are used rather inconsistently, there are some subcategories of these terms which are anything but conducive to defining unambiguously what it is that makes a plurilingual speaker. For example, the distinction between innere Mehrsprachigkeit, which refers to individuals who oscillate within their LI between dialect, standard language, colloquial language and special registers in the sense of W ANDRUSZKA (1979) and äußere Mehrsprachigkeit, which implies the possession of languages in addition to LI (cf. NEUNER 2004: 174), rests on a rather unorthodox concept of 'language'. lt should be all too obvious that any discussion guided by didactic principles has to centre on languages clearly distinct from an individual' s native language, i.e. second and/ or foreign languages, no matter whether they are acquired or learnt. 3 Based on the argumentation so far, the following questions still need tobe answered: 1. Can different degrees of plurilingualism be identified on the basis of variance in the mastery of more than one foreign language? 2. Can differentforms ofplurilingualism be established by functional criteria? To answer these questions, I will draw on some valuable information provided by BAUSCH (2003). Concerning the first question, it seems reasonable to posit a plurilingual continuum, on which different degrees of 'plurilingual competence' can be located. Bausch distinguishes between the following: a) minimal forms of bi-/ plurilingualism (referring to learners with only a rudimentary knowledge of foreign languages), b) maximal forms of bi-/ plurilingualism (for individuals with a 'native-like' knowledge of foreign languages), c) balanced/ symmetrical forms of bi-/ plurilingualism (persons who have acquired an equally high level of competence in several languages which they can exploit in different communicative contexts), d) dominant/ asymmetrical forms ofbi-/ plurilingualism (this holds for individuals who master several languages, each ofwhich only being applicable to certain contexts of communication) and, finally, e) forms of semilingualism (i.e. persons who, compared with monolingual speakers, have deficits in all their languages over long periods oftime, which subsequently tend to gradually fossilise). A model of this type has the advantage of allowing us to regard plurilingualism as a process rather than as a terminal state of the learning process (see KÖNIGS 2004: 96). As regards the second question, BAUSCH (2003: 441 f) distinguishes three essentially different forms of plurilingualism: a) functional forms of bi-/ plurilingualism (productive vs receptive language use, skill-drivenlanguage use, i.e. depending on which of the four skills is/ are given priority), b) different forms of the mental representation (compound vs coordinate) of the languages concemed in the brain of the plurilingual individual (in the former case different linguistic encoding systems are stored 'as a whole', whereas in the latter case the languages involved are stored separately as 'coordinate systems'). lt is said that a true bilingual or, by implication, a true plurilingual individual falls under the The acquisition/ learning dichotomy may be of interest from a theoretical point of view (see KÖNIGS 2003). Plurilingual development is often the result of the interaction of the two processes (cf. also BAUSCH 2003). lFLl.lL 36 (2007) 220 Eberhard Klein coordinate category4, c) forms ofbi-/ plurilingualism contingent on the factor age (ranging from early childhood bilingualism to the classroom-based successive learning of foreign languages). To recap, the following conclusions can be drawn from the foregoing discussion: Firstly, plurilingualism is the appropriate term to describe an individual's mastery of several foreign languages; secondly, regardless of the fact that bilinguals and plurilinguals are subject to similar mental processing, a plurilingual person by definition must have communicative competence in at least two foreign languages; thirdly, plurilingualism is subject to gradation with the learner' s aim being to approximate to a level of competence as high as possible; fourthly, plurilingual competence does not necessarily manifest itself as a homogeneous concept, but may diversify into partial competences determined by communicative-contextual and functional criteria. 3. Shedding light on the role of English in plurilingual teaching Making sensible decisions about the choice of languages and their relative grading by importance within the plurilingual spectrum has led to bitter controversies and, not surprisingly, the status of English has tumed out to be a highly contentious issue. In essence, the following problems need tobe tackled: firstly, the apparent ambivalence of English as a linguafranca, on the one band, and its function as a basis for the acquisition of further foreign languages, on the other band; secondly, the fuzziness of its function as a global language, wavering between a lingua franca (ELF) and a foreign language (EFL); thirdly, the double-barrelled nature of English as a lingua franca, understood either as culture-bound or culture-free; fourthly, the ranking ofEnglish in relation to other foreign languages. There seems to be a general consensus that English has to be granted special status in that it ought to be learnt obligatorily as the first foreign language. Prioritising English in this way is the tenor of most official declarations issued by the Council of Europe, German educational authorities and foreign language teachers' associations, among others. 5 Any arguments in favour of an "English only" policy can be dismissed out of band because it would be tantamount to relinquishing the very idea of a linguistically and culturally diversified Europe. Notwithstanding the acceptance of the dominant role of English one has to reject the claim that knowledge of English alone would be sufficient in a multilingual context. An "English only" policy, therefore, is not at issue (cf. SCHOCKER- 4 These concepts were first introduced into the discussion about bilingualism by WEINREICH (1953) and have been elaborated until more recently by HARMERSIBLANC (1993) among others. 5 For example, in the „Koblenzer Erklärung" of the FMF (1989), a resolution was passed by the standing committee of German ministers of education and the arts (1994) entitled „Überlegungen zu einem Grundkonzept für den Fremdsprachenunterricht", in which plurilingualism is postu! ated as the "leaming objective of the future" (quoted from 1. CHRIST 1997: 147), and the motto was adopted by the FMF board for the 1992 federal congress: "Fremdsprachen lehren und lernen: Perspektiven für ein Europa nach 1992" (quoted from SEISER 1990: 143). lFLlliL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Leaming: Facts and Fictions 221 VON DITFURTH 2004: 216). However, in CHRIST's pessimistic view (1997: 67), we are faced with the stark choice between a multilingual Europe and one where we may have no option but to resign ourselves to being left with English as the only possible lingua franca, given the currently prevailing educational policies: Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob wir ein vielsprachiges Europa etablieren wollen oder ob wir bei Beibehaltung des schulischen Status quo auf ein Europa mit der wohl einzig möglichen Verkehrsprache Englisch zusteuern (CHRIST 1997: 67). What role should then be assigned to English within multilingual and plurilingual contexts? Widely differing views on this issue can be found in the literature, the main bone of contention being the concept of "English as a Lingua Franca" (ELF). The most extreme stance on this issue, according to which English as a lingua franca should be seen as a "viable variety" (SEIDLHOFER 2001: 144) or even as a "variety in its own right" (MEIER- KORD/ KNAPP 2002: 17) has to be rejected for reasons convincingly argued in GNUTZ- MANN (2005: 16). To qualify for an autonomous variety of English, a lingua franca would have to reveal all the features of a distinct linguistic sub-system on all linguistic levels. This is clearly not the case, as the multitude of factors bearing on the entire make-up of a lingua franca, such as the complexity of Ll influence and the influence of the different cultural backgrounds, results in extreme heterogeneity (ibid: 16). This holds true for linguafranca use both in a global and a European context. Incidentally, some authors have come up with weird and 'wonderful' terms such as "Euro-English" or "Mid-Atlantic English" offering the fatuous argument that in this way "the impact of Anglo-American cultural, linguistic and ontological imperialism [could be counteracted]" (MODIANO 2000: 34; in: GNUTZMANN 2005: 23)6, or ridiculous blends like "glocal" 7 English (PAKIR 2003: 75 quoted from AHRENS 2004: 11). From the present discussion the question necessarily arises as to whether ELF, from a didactic perspective, should be taken as a 'neutral' lingua franca stripped of its cultural components or whether it can only fulfil its function in close connection with the respective target culture(s). Here we are faced with yet another problem: if we merely use English as a language detached from its cultural background(s) we forego the opportunity of transmitting cultural information as an indispensable ingredient of foreign language instruction. I agree with VOLLMER (2001: 97) that it is vital for learners of English to seek contact with native speakers of English 8 • However, pretending ELF could be used efficiently for teaching non-anglophone cultures would mean overestimating its potential. 6 There are other forms of Anglo-American 'imperialism', first and foremost the unfettered spread of anglicisms in many (European) languages, particularly in German, to which far greater attention should be given. 7 If "glocal" is meant to denote a language that can be used both globally and locally, as this blend suggests, it is void of any meaning, if not a contradiction in terms, and, at any rate, ludicrous, unless, of course, the author is deliberately trying to be facetious. 8 Some authors, e.g. VOLLMER (2001: 92), see a dilemma over whether English is indispensable for international communication or whether it is a threat to plurilingualism. JFLl! L 36 (2007) 222 Eberhard Klein AHRENS' (1992: 20) claim that English is able [... ] to further cultural understanding in the anthropological sense is also open to challenge. And yet, advocating the need for a plurilingual approach to foreign language teaching and, at the same time, arguing the case for ELF is by no means contradictory. 9 Firstly, since English is invariably the first foreign language in our school curricula, it can serve as a 'stopgap', i.e. bridging the gap between the stage at which a learner has no knowledge of L3, L4 etc. and the stage at which he/ she has acquired incipient knowledge of these languages. Secondly, English may function as a 'springboard' (language) for the acquisition of further foreign languages. To take an obvious example: where English is taught as L2, learners can draw inferences with respect to their Romance target languages from its large stock of French vocabulary. However, not only does English offer „interlinguale Transferbasen" (MEißNER 1998: 46) on the lexical level but interlingual transfer is also possible in phonetics, as has been shown in KLEIN (2002) and syntax, illustrated in LEITZKE-UNGERER (2005). As regards the sequence in which foreign languages are taught, most European countries favour the "English first" policy, with other languages being taught subsequently to varying levels. This situation is reflected in the formula Ll German + English + L2, L3 ... Ln. But there are other sequences imaginable: as part of their „Tertiärsprachenprojekt" applied to Eastem European contexts, HUFEISEN and NEUNER adopt the "German after English" approach (NEUNER 2004: 175), which means the reversal of what used to be common practice in Eastem Europe, where German usually was the first foreign language. Suggestions have been made that French should precede English as L2 (WILTS 2002), which seems umealistic, considering the overwhelming demand for English, which, however, given a transfer-oriented approach to language learning, would be perfectly feasible. After all, interlingual inferencing works in both directions. Let us summarise the main insights into the role of English in the context of plurilingualism. While acknowledging the dominant status of English, which has developed into a global language with all the implications for foreign language teaching (cf. GNUTZ- MANN 1999), an "English only" policy should not be on the agenda as this would run counter to the very idea of a truly-understood plurilingual approach to foreign language teaching. English as a lingua franca can only serve its purpose as long as it is bound to some anglophone culture. Any kind of culture-neutral linguafranca English must be seen as detrimental to promoting cross-cultural understanding. The "English first" approach and the concept of plurilingualism do not exclude each other, but rather they complement each other because English, by offering bases for interlingual inferencing, can take on the role ofbridging the gap between English (already learnt) and further languages (yet tobe learnt). 9 See also EDMONDSON (2004: 41) who argues that English as a lingua franca, instead ofbeing an alternative to the plurilinguhl approach to language teaching, should be seen as its integral part. lFL1.IIL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions 223 4. Assessing the appropriateness of selected didactic approaches to plurilingualism The discussion about the didactic and methodological implications of a plurilingual approach to foreign language teaching has revolved around the following issues: the competing concepts of plurilingual teaching and their consequences for classroom practice, the 'single language' vs the 'multiple language' -based formats of a plurilingual concept of didactics, the different ways of defining and establishing levels of foreign language mastery as realistic targets and suggestions about different manifestations of plurilingual competence such as the balance between productive and receptive language sk: ills. Studying the relevant literature on our topic, the reader finds himself faced with a bewildering conglomeration of ideas and suggestions ranging from those which are reasonable and realistic to those which are questionable or even downright absurd. One key issue concems the didactic orientation of a genuinely plurilingual approach to foreign language teaching. Most authors argue the case for an essentially novel type of didactics, which focuses on the interrelationship of languages instead of treating them in isolation. This approach is said also to encourage leamers to develop an awareness of the usefulness of strategies using interlingual inferencing and of leaming "across languages" (CHRIST 2004: 34). This is a plausible claim in view ofthe fact that the mental processes involved in a plurilingual context are distinct from those typical of a merely bilingual situation, which require different classroom methods as a corollary. However, mak: ing a plea for an entirely new concept of language teaching in which there would be no room for any kind oflanguage-specific concept, where instead leamers would be subjected to some 'unified' language classes and where they no longer have a choice of languages are at best unrealistic and at worst simply vacuous (MUNDSCHAU 1995). Suggestions of this kind have to be dismissed as doing a disservice to the cause of plurilingual teaching 10 (see also GNUTZ- MANN 2004: 51). The argument that 'sensitizing' leamers to the nature of language in general, to interlingual phenomena, to language leaming strategies etc., is perfectly convincing, providing that the processes involved in 'sensitizing' leamers are made explicit. What is needed is a balanced approach which takes account of the above-mentioned requirements but, which, at the same time, leaves the autonomy of the individual languages intact. A whole panoply of didactic concepts of plurilingual teaching has been suggested (for abrief overview, see HUFEISEN 2005: 10), two of which are worth being looked at more closely because of their intrinsic didactic value.11 MEißNER's didactic model of plurilingualism (MEißNER 1995, 2003, 2004; MEißNERIREINFRIED 1998) is based on the 10 Similar suggestions are made by EDMONDSON (2004: 42), who also sees the need for a new school subject which would cover items such as procedural knowledge, comparisons of languages, language learning strategies, language awareness and so forth. 11 The remaining ones have a sociolinguistic, a psycho! inguistic, and a second language acquisition s! ant respectively. lFlLllllL 36 (2007) 224 Eberhard Klein following principles: the exploitation of the notion of transfer (with its positive connotations, as opposed to the negative connotations associated with the behaviourist concept), the utilization ofbases for interlingual transfer (Transferbasen), i.e. 'building blocks' that the different languages share, the development of a transient, unstable grammar (Spontangrammatik) by the learner, which is eventually verified/ falsified through the processing of further data: Die Elemente der interlingualen Spontangrammatik bestehen aus Regularitäten, welche aus den aktiven Transferbasen der jeweils disponiblen Sprachen hergeleitet werden. Das, was hier als Spontangrammatik bezeichnet wird, ist aus der Lehrwerks- und Methodengeschichte des Fremdsprachenunterrichts unter dem Stichwort Linearübersetzung bekannt. Es handelt sich um eine an die Strukturen und an die Oberflächenmerkmale der Zielsprache angepasste Version einer Ausgangssprache (MEißNER 1998: 47 f.). Meißner' s model should be seen as an important contribution to the teaching of foreign languages in the plurilingual paradigm all the more so because it holds considerable potential for vocabulary learning and the plurilingual mental lexicon (e.g. MEißNER 1998: 50 ff). Furthermore, it has given rise to research programmes aimed at developing "intercomprehension" within the different European language farnilies. 12 Although there is nothing that should prevent this model from incorporating other languages, first and foremost English, work directed at this aim is as yet at an incipient stage (cf. LEITZKE- UNGERER 2005). Another shortcoming which should not be underestimated is the neglect of the productive domain of language teaching. Thus, a reorientation is badly needed to make this model applicable to classroom teaching. A second, equally promising, approach to plurilingual teaching, is Hufeisen's L3didactics (Tertiärsprachendidaktik), which, as the term implies, deals with any language(s) acquired/ learnt after L2. Her model is based on the premise that L3 learning is not merely a variant of L2 learning but that it is guided by essentially different, L3specific, processes, the reason being that the factors bearing on the learning process are of a more complex nature. They include the Ll, the L2, language universals, the learning environment, generallearning strategies as well as language learning strategies as a result ofprevious language learning experience (HUFEISEN 1998: 170ff). Obviously, in such a situation it is harder to pinpoint the main factors which determine an L3 learner's interlanguage together with the concomitant errors. Error analysis, brought into disrepute following the heyday of contrastive analysis, is undergoing a revival in Hufeisen' s theory. Here, it is used as the basis for a factorial analysis, which makes it possible to determine both the type and grade of norm violations on the different levels of language and to define in a systematic manner different patterns of L2-L3 interaction (in the case described here: L2= English, L3= German). The project on "tertiary" languages conducted in the University of Bochum (described in BAHR [et al.] 1996), which was aimed at investigating the mental processes characteristic of L3 (ltalian, Spanish) learners with knowledge of English as L2, can be seen as a forerunner of the L3 research proposed by 12 For detailed information, the reader is referred to chapters 3, 4 and 5 in KrscHEL (2002). lFLllllL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions 225 HUFEISEN (1998). Both models allow us to gain insights into the various ways in which learners tap into their knowledge resulting from previously-learnt languages. These languages are regarded as 'auxiliary' languages and can also be used as meta-languages within the L3 paradigm because, due to the fact that learners are constantly encouraged to make comparisons between languages, they help develop "meta-linguistic awareness" (THOMAS 1988: 239; in: HUFEISEN 1998: 173) to an extent that would hardly be attainable for 'normal' L2 learners. At any rate, along with Meißner' s model of plurilingual didactics, the L3 concept systematically exploits L3 learners' superior disposition towards foreign language learning. The results produced by empirical studies provided evidence that bilinguals had learnt their L3 more quickly and more effectively than monolinguals had learnt the same L3 as their L2, thanks to their greater "metalinguistic awareness". Both theories outlined above have far-reaching irnplications for foreign language curriculum design, which will be discussed in the next section. 5. Taking on the curricular challenge of plurilingual didactics For obvious reasons all the different aspects of such a complex field as plurilingualism are interrelated and in their entirety are thus directly linked to the curricular 13 issue. The proponents of the most radical changes in curriculum design argue that the very concept of plurilingualism, if taken to its logical conclusion, requires a curricular tumabout: Parallel zur Entwicklung von Modellen zur Mehrsprachigkeit und zu multiplem Sprachenlernen [...] zeichnet sich eine curriculare Trendwende ab, die wir mit Begriffen wie Gesamtsprachencurriculum oder integrierter Sprachdidaktik beschreiben können. Damit ist gemeint, dass wir die verschiedenen Sprachen in einem Lernumfeld, in Individuen, in Curricula nicht mehr getrennt betrachten, sondern den Forschungsergebnissen der Spracherwerbsforschung folgend sie als Teile eines Ganzen, einer Einheit wahrnehmen (HUFEISEN 2005: 9). Granted that any foreign language curriculum committed to plurilingual education should make the necessary provisions, one should not lose sight of the fact that such a 'new' curriculum still has to cater for individual languages for the simple reason that the path to 'holistic' plurilingual competence is only via the mastery of individual languages. Tue idea that some fuzzy 'overall awareness' of language would lead to the competence of particular languages in a kind of 'deus ex machina' process does not square with the reality of foreign language learning. Dichotomies such as the additive concept vs the curricular concept of plurilingualism (KRUMM 2004), or the additive vs the integrative concept of plurilingualism (HU 2004: 70) are misleading. Rather than expressing contrasts they complement each other, and this is a process which should be reflected in foreign language curricula. 13 In the following, the term "curriculum" in the sense of EDM0NDSON/ HOUSE's (2006: 292 ff) "internes" Curriculum will be used as it is more extensive in coverage than "syllabus" and therefore better suited for the purpose of the present paper. lFlLlJIL 36 (2007) 226 Eberhard Klein A foreign language curriculum has to specify the levels of competence which learners are expected to acquire. There seems to be a general consensus that in a plurilingual context they have to be defined relative to a number of different factors, for example the length of the period over which a learner is exposed to a particular language, the skills most relevant to the learner (e.g. productive vs receptive) and the different functional domains in which the target languages are used. In other words: equal levels of competence in the different target languages are unrealistic 14, not to mention a native-like or at least a near-native command of the target language, which, as some authors are keen to point out, are said to be no longer the aim in foreign language teaching (GNUTZMANN/ BEINHOFF 2005: 104; KRUMM 2004: 109) (as if near-nativeness had ever been stipulated as a realistic objective in foreign language teaching! ). Yet, one should not underestimate the risks involved by taking the downgrading of target levels of competence too far. In the literature indisputable evidence can be found to show that there is a danger of 'watering down' the attainment levels that ought to be taken as realistic standards of competence. Some colleagues still seem tobe obsessed with the so-called Begegnungskonzept, which is seen as a counterbalance to the supposedly monolingual orientation of present-day foreign language teaching (FLT) practice (NIEWELER 2001: 213). However, this concept, at one time fiercely propagated as one way of solving the problems besetting primary school foreign language teaching, has come under severe criticism and in the meantime has been replaced by other more systematic and target-oriented approaches. Such a fuzzy and noncommittal concept boils down to merely offering pupils a 'taste' of languages, which is glaringly counterproductive to promoting genuine linguistic/ communicative competence (cf. FELLBAUER 1994, SCHMOLL 1995 in: SAUER 2000: 4 t). One would do learners a great disservice if one were to lower the demands on language learners who are undergoing plurilingual training. What is needed instead are precise definitions of the grades of the mastery of the different languages which learners are to acquire within a plurilingual framework in terms of the Common European Framework of Reference (CEFR) together with the European Language Portfolio (ELP). How this can be put into practice has been shown convincingly by SIMPSON (2003), who defines three versions of the ELP for different categories of learners. These versions are then matched with the different parameters of the CEFR, thus rendering the process for self-assessment transparent and individualising the learning process: Using the 'can do' statements, each learner can monitor and record his/ her progress through the different thematic areas, and that progress can be recorded at three progressive stages [ ... ]. This approach allows for the smallest steps in progress tobe noted and reflected upon (SIMPSON 2003: 142). Although Simpson' s model is set in the Irish context of teaching English to immigrants, it could easily be adapted to a plurilingual set-up because it focuses on important general 14 lt should be mentioned at this point that even learners with only one foreign language hardly ever reach equal levels of competence in all the different domains. lFJLlllL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions 227 concepts in foreign language teaching, such as (self-) assessment, awareness and reflection, goal-setting, socially-constructed learning etc. (SIMPSON 2003: 143 ff). Another excellent study of the relevance of the CEFR for plurilingual teaching including intercultural issues is the one by LITTLE (2003), who, quite rightly, concedes that so far there is "no consensus among experts in intercultural communication as to whether intercultural competence is scalable in the same way as communicative competence" (LITTLE 2003: 135 f). But he stipulates quite reasonably that the expected grades of competence with respect to the five domains of the CEFR (listening, reading, spoken interaction, spoken production, writing) should be codified in foreign language curricula providing for plurilingual learning. Now consideration will be given to the question as to which conditions may turn out as the most favourable as regards plurilingual teaching. These conditions are subject to the prevailing educational system in our country and include the succession of languages laid down in school curricula, the length of language courses, the roles and status of the various languages in the different types of school and so forth. A first step forward in promoting plurilingual awareness would be some basic training in 'intercomprehension', if only to give pupils the 'feel' that even at an initial stage of their foreign language learning 'career' they already 'know' something about a second/ third foreign language. Such a basic 'awareness programme' is already feasible with primary school children, as MARSCHOLLEK (2002: 239-248) has convincingly shown by confronting children with language data that are apt to encourage them to draw comparisons both between their Ll and L2 and between L2, L3 etc .. One has to ensure, however, that the transition to the productive stage should not be delayed for too long, because otherwise learners might feel frustrated at being hindered in their efforts to express themselves in the foreign language. Far from belittling the merits of those who advocate the need for "intercomprehension" in plurilingual teaching and learning (DOYE 2004, 2005; MEißNER 2005), one has to emphasise that competence in comprehension alone can never be an end in itselfbut sooner or later has tobe complemented by productive skills. A number of proposals have been put forward to accomplish this task. First of all, Content and Language Integrated Learning (CLIL) 15 and immersion programmes have yielded extremely positive results, and, according to MÜLLER-HARTMANN (2004: 165), could be offered as fully-fledged courses of study as well as in the form of individual modules. While many studies of bilingual (CLIL) concepts and immersion programmes are conducted in multilingual (social) contexts (e.g. SIEBERT-ÜTT 2001 ), promising attempts have been made to implement bilingual concepts in institutional contexts: one example is the state-run Europaschule (Berlin), where the concept of bilingual teaching in the form of different combinations of languages has successfully been put into practice (cf. ZYDATiß 15 Or, sometimes referred to as "bilingual teachlng"lbilingualer Sachfachunterricht, whlch are rnisnomers because of the wrang implication that particular subjects are taught through two languages, while it is true that thls takes place only in the foreign language. Hence, Content and Language Integrated Learning (CLIL) seems the more appropriate terrn. lFLwL 36 (2007) 228 Eberhard Klein 2000). Of course, concepts like these are not plurilingual in the strict sense as defined earlier (see above [p. 223 ff]). However, they can be modified so as to meet the requirements of a plurilingual approach to foreign language teaching. One possibility of widening the scope of the bilingual concept could be to have Ll/ L2 modules altemating with L2/ L3 modules as integral components of a CLIL course. Another option would be to make the use of the classroom language contingent on the subject taught during a particularperiod oftime. CHRIST (2004: 34) favours the simultaneous [my emphasis, E.K.] use of different ,Arbeitssprachen' in plurilingual modules. For example, current English politics can best be taught in English, French history in French etc.. For obvious reasons, such a scenario cannot be introduced 'out of the blue' but requires thorough preparation: introducing vocabulary for special purposes, classroom phraseology, techniques for specialist texts and so forth. These suggestions inevitably beg the question of how to incorporate additional languages into school curricula tightly packed as they already are. In one way or another economising is the order of the day in that the starting-point of foreign languages should be brought forward, that foreign language curricula should stipulate in precise terms which skills are to be mastered at which level of competence (the CEFR being a possible yardstick) at what stage, that intensive courses dealing with say, English and Spanish, could altemate with other courses of, say, French and ltalian. 16 All these courses ought to contain units with the focus on the reflection on language, language (leaming) awareness, leaming strategies and such like as obligatory components. Needless to say, restructuring foreign language curricula along these lines calls for a redefinition of educational levels with respect to foreign language policy in general. 6. Outlining the implications of the plurilingual approach for teacher training In the following, abrief outline will be given of the implications of the concept of plurilingual teaching for teacher training with respect to both general education and to inservice further education. We are basically concemed with the following four areas: the content and orientation of courses in foreign language teaching, the implementation of remedial courses and practical language courses in the modular BA/ MA system, all aimed at qualifying (future) teachers for the 'plurilingual enterprise'. New concepts in foreign language leaming and teaching by definition require various readjustments, which are, first and foremost, to be implemented in the orientation of seminars and lectures in linguistics and (foreign) language pedagogy. A shift from 'traditional' single language leaming to plurilingual learning necessitates a reform of the relevant foreign language syllabuses, ranging from a greater number of languages to be 16 Any decisions conceming these issues directly bear on the question ofhow many languages, at which levels of competence and for which communicative purposes a person has to master in order to qualify as plurilingually competent (cf. GNUTZMANN 2004: 46). lFlLIIL 36 (2007) Struggling to Come to Grips with Multiple Language Learning: Facts and Fictions 229 covered to more complex models of language learning and a more diversified inventory of teaching methods. In a plurilingual context, knowledge of psycholinguistic models which try to explain the processes for both the acquisition and storage of several languages, of the structure of the plurilingual mental lexicon and of the techniques for making multiple contrastive analyses and for determining the nature of the interlanguage of plurilingual speakers/ learners are of utmost importance. They should therefore feature prominently in modules of applied linguistics and research on language teaching and learning. These modules would have to complement rather than replace existing modules because foreign language training schemes still have to cater for 'simple' L2 learners (see [p. 225] my argument about Hufeisens „Gesamtsprachencurriculum"). Königs also subscribes to this view: Bereits in der Ausbildung sollte dabei angehenden Frepidsprachenlehrern deutlich vor Augen geführt werden, dass das Lernziel ,Aufbau von Mehrsprachigkeit' nicht dazu führen sollte, dass ohne weiteres Abstriche am Lernziel ,Kompetenz in der Sprache x' gemacht werden könnten. Es wird auf die gesunde Balance ankommen: Den Aufbau der spezifischen Kompetenz gezielt weiterverfolgen, ohne die Erziehung zur Mehrsprachigkeit aus dem Auge zu verlieren (KÖNIGS 2004: 100). Furthermore, he offers three suggestions for prospective foreign language teachers: they should obligatorily learn an additional foreign language in the course of their studies, they should be given professional guidance in all matters conceming language learning and they ought to apply their newly-acquired knowledge in the classroom during their practical training at school (KÖNIGS 2004: 100). In principle, the above-mentioned requirements also apply to teachers undergoing inservice training although the implementation of the necessary measures is complicated by the fact that practising teachers, due to their past training and/ or their long professional career, may often be stuck in a 'pedagogic groove' and be caught in a "monolingual frame of mind" (GOGOLIN 1994). Yet, despite the lamentable financial situation in which universities, schools and institutions of further education find themselves these days, there are promising initiatives to develop teacher training schemes which contain modules tailor-made for plurilingual education. Thus, MÜLLER-HARTMANN (2004: 167 ff) quotes examples of such plurilingually-orientated syllabuses for both the primary and secondary school which have already been implemented in Baden-Württemberg. The corresponding modules are based on the broad distinction between topics and competences. Whereas theories of language learning, general, language-independent literature and media and cultural studies in a European context figure under the former heading, students are expected to be able to describe similarities and differences between languages, to assess learner performance, to analyse translations of children' s literature and to initiate intercultural leaming processes under the latter heading (MÜLLER-HARTMANN 2004: 169). Unfortunately to finish this section on a more sombre note one has to acknowledge that the 'plurilingual enterprise' is still severely hampered by the shortage of plurilingual teachers capable of teaching more than two languages. One is tempted to add that a good many of our university colleagues, particularly Anglicists, may suffer from a similar lFL1llL 36 (2007) 230 Eberhard Klein handicap as for them actual communicative competence in languages other than English has never been a tradition for them. 7. Conclusion lt was argued that the inherently fuzzy concept of Mehrsprachigkeit can be disambiguated if a distinction is made between the (sociolinguistic) concept of multilingualism and the (psycholinguistic and pedagogic) concept of plurilingualism. lt was then shown that, for didactic purposes, it is advisable to posit that plurilingualism manifests itself both in different degrees and in different forms. Tue role of English, which is seen as highly ambivalent in a multilingual and plurilingual context by many authors, is of crucial importance. Despite its dominance in its function as a global language and as the mostwidely taught L2, English as a (culture-bound! ) lingua franca, instead of being an obstacle to plurilingual teaching, should rather be exploited as a 'springboard' for the acquisition of L3, L4 etc.. With respect to the different didactic approaches to plurilingual teaching, Meißner' s model, which is based on "intercomprehension" and interlingual inferencing, and Hufeisen' s L3 didactics (corroborated by findings from empirical studies, e.g. conducted within the Bochum research on "tertiary" languages), were found tobe most conducive to effective plurilingual teaching. However, the two models can be challenged because oftheir slant towards the receptive aspects oflanguage, while giving short shrift to productive language use. As regards the curricular implementation of plurilingual teaching and learning, a totally new plurilingually-oriented curriculum (the so-called „Gesamtsprachencurriculum") that blurs the boundaries between individual languages should be rejected because it can hardly take account of the learner' s needs with respect to learning a particular language. The so-called „Begegnungskonzept" was found to be inadequate because of its vagueness and its failure to enable learners to acquire some clearly definable levels of competence in the target language(s). The Common European Frame of Reference and the Portfolio can be regarded as useful tools both for determining and assessing language competence. Finally, in the field of (further) teacher training, there is still plenty of work to be done, which, first and foremost, involves reforming syllabuses by adding modules specifically designed to meet the requirements of the plurilingual approach to foreign language teaching. And last, but by no means least, great efforts are needed on the part of teacher trainers, university lecturers and school teachers alike to acquire competence for themselves in several languages so as to lead by example. 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Die Frage, ob man pro oder contra Mehrsprachigkeitsdidaktik sein kann, hängt davon ab, wie man diese definiert. Was ist also Mehrsprachigkeitsdidaktik oder, europäisch, didactics of plurilingualism, didactique du plurilinguisme ... ? - Für die EU verbindet sich plurilingualism mit der Vorstellung der Steuerbarkeit von Lernprozessen. Während multilingualism eine Vielzahl von Sprachen fasst, die zumeist einem geographischen Gesichtspunkt "die Vielsprachigkeit in deutschen Schulklassen") zugeordnet werden, heißt plurilingualism Planbarkeit, Übersichtlichkeit, Steuerbarkeit der individuellen Mehrsprachigkeit dank eines Sprachcurriculums. Dies ist das Konstrukt, das eine Sprache erst ! ehrbar macht, indem es das ,Wichtige' der sprachlichen Architektur vom weniger Wichtigen trennt und das Wichtige in eine ! ehrbare Abfolge bringt. Linguistisch korreliert dies mit der Systematizität von Sprache, mit Frequenzen und der Zentralität/ Exzentralität sprachlicher Phänomene. Da Kulturen ein Repertoire von Themen darstellen und Sprachen Kulturen abbilden, diese sich aber voneinander eben in ihren Themen unterscheiden, ist auch der Status der Elemente der Sprachen verschieden. Es wäre reizvoll, diese Frage zu den nativen und heterokulturellen Sprachnutzern hin zu verlängern und zu fragen: Können Deutsche eigentlich das Gleiche fragen wie Finnen? Vor derlei Hintergrund steht Harald WEINRICHs Frage (1986): "Lügt man im Deutschen, wenn man höflich ist? " Sprachen sind nicht inhaltlich und strukturell äquivalent. Die Wirksamkeit von Sprachunterricht hat ihre Grenzen. Bei der Konstruktion von Sprachcurricula stand zunächst die Zielsprache im Fokus. Schon früh erkannte man, dass die Ausgangssprache beim Fremdsprachenerwerb und bei der Fremdsprachenbenutzung kein stummer Mitspieler ist. In der Hochzeit der dogmatischen Einsprachigkeit lautete ein bezeichnender Titel ,Une poire aha, eine Birne' (RATIUNDE 1971). - Lange Zeit glaubte man, dass sich durch die mentale Trennung von Sprachen formale Fehlerfreiheit erreichen ließe: Die ,andere' Fremdsprache wurde zum Fehlerrisiko, formale Ähnlichkeiten zum falschen Freund. Man supponierte stillschweigend die Erreichbarkeit formaler und pragmatischer Korrektheit, orientierte sich an nativen Sprachweisen und Normen, ignorierte die lange Erfahrung mit Mehrsprachigkeit und von Mehrsprachigen. Kurz: Alles falsch! In der und für die Wirklichkeit der Interaktion in interkulturellen Sprechsituationen sind ganz andere Faktoren relevant. Und muttersprachennahe Perfektion wird erst nach langer Zeit und mit Hilfe nativer Sprachpartner erreicht. Das Üben kann allerdings eine Hilfe sein. Auch beim Tandemlernen. Richtig ist: Sprachen und Sprachenerwerb zusammendenken, zwischensprachliche Analogien wo immer möglich nutzen, dadurch den Spracherwerb beschleunigen und den verstehbaren Input vergrößern, Einsicht nehmen in die eigenen Spracherwerbsprozesse, sich als Sprecher und Erwerber der Sprachen Abis Y beobachten und korrigieren, Sprachpartnerschaften suchen... deklaratives und prozedurales Sprachenwissen vernetzen, um Strukturen, interlinguale Korrespondenzen- und Korrespondenzbrüche registrieren. Ein solcher Ansatz findet sehr starke Stützen in den Wissenschaften vom Lernen. Die einzelzielsprachlichen Didaktiken können dies nicht, solange sie die vorhandene oder intendierte Mehrsprachigkeit der Lerner ausblenden. - Und die Sprachrichtigkeit? Bleibt sie auf der Strecke? Nein, wenn man der Empfehlung folgt: Zwei Sprachen neben der Muttersprache mit produktivem Ziel und hohem, aber realistischem Anspruch lernen/ lehren ... und weitere. Genau das will die EU. Mehrsprachigkeitsdidaktik ist eine Transversaldidaktik, welche die einzelsprachlichen Didaktiken ergänzt, sie aber weder ersetzen kann noch will. FRANZ-JOSEPH MEljJNER lFLuL 26 (2007) Pro und Contra 235 Eine der zentralen Aufgaben der öffentlichen Schulen besteht darin, junge Menschen zu befähigen, auf hohem Niveau und kompetent mit Anforderungen sprachlicher und kultureller Vielfalt umzugehen, was Fähigkeiten in mehreren Sprachen einschließt. Die Schule muss deshalb vielfältige Lerngelegenheiten bereitstellen (Unterrichtsangebote, Lerninhalte, Sprachlernberatung, Begegnungsmöglichkeiten), damit die Lernenden auf dem Weg zur Mehrsprachigkeit optimal gefördert werden. Dabei hilft allerdings keine allgemeine Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die Entwicklung von Mehrsprachigkeit geht zwar alle Fremdsprachendidaktiken an, sie muss jedoch im schulischen Kontext immer im Zusammenhang eines spezifischen Fachs erfolgen. Auf der Basis einer Sprache, in der die Lernenden kompetent werden, erfolgt die Öffnung zu und die Verknüpfung mit anderen Sprachen, werden Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit entwickelt. Deshalb sind auch die einzelnen Sprachdidaktiken gefordert, ihre didaktischen und methodischen Konzepte zu überdenken und zu verändern. Die Fragestellungen und konkreten Antworten im Sinne der Förderung von Mehrsprachigkeit werden je nach Sprache und Position der Sprache in der Sprachenfolge anders ausfallen. So stellt sich der Englischdidaktik nicht nur die Frage, wie die mitgebrachte Mehrsprachigkeit vieler Kinder im Englischunterricht der Grundschule gewürdigt und vorhandene Sprachlernkompetenzen genutzt und ausgebaut werden können, sondern vor allem auch, wie die erste Fremdsprache ein Tor zu weiteren Sprachen wird. Damit dies gelingt, kommt es u. a. darauf an, dass den Kindern beim Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen die Freude am Sprachenlernen und ihr Leistungswille erhalten bleiben. Beide sind unverzichtbare Voraussetzungen für den Einstieg in die zweite und in weitere Fremdsprachen. Die Französischdidaktik, meist mit der zweiten Fremdsprache befasst, muss Antworten auf die Frage liefern, mit welchen Inhalten und Methoden die Lernerfahrungen mit der ersten Fremdsprache im Unterricht der zweiten Fremdsprache sinnvoll aufgegriffen und sprachspezifisch ausgebaut werden müssen und wie bereits vorhandene Sprachlernkompetenzen dabei produktiv zu nutzen sind. Ihre Aufgabe ist außerdem dazu beizutragen, dass die Freude am Gebrauch der Sprache und die Lernbereitschaft aufrecht erhalten werden, denn ohne diese wird sich kaum Kompetenz entwickeln. Sind Inhalte und Methoden der zweiten Sprachen wirklich geeignet, einen erweiterten und anderen Zugang zur Welt zu eröffnen und damit ein neues Sprachlernabenteuer zu ermöglichen? Antworten muss das Fach geben. Allerdings können sich die Sprachdidaktiken nicht selbst genügen. Vielmehr sind sie aufgerufen, sich zu vernetzen und gemeinsam Wege vorzuschlagen, wie eine solche Vernetzung in der schulischen Praxis einer Entwicklung von Mehrsprachigkeit (mehrsprachigen Lehre) dienen kann. Allgemeine Bekenntnisse zu einer Didaktik der Mehrsprachigkeit bergen die Gefahr, dass die konkreten Aufgaben, die sofort, und zwar von den einzelnen Fremdsprachendidaktiken, angegangen werden sollten, hinter sprachübergreifenden Forderungen aus dem Blickfeld geraten. Die Fremdsprachendidaktiken dürfen deshalb auch nicht unter eine Mehrsprachigkeitsdidaktik subsumiert werden. MICHAEL LEGUTKE FJLUJJL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Andreas NIEWELER (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch. Tradition I Innovation I Praxis. Von Andreas Grunewald, Jürgen Mertens, Andreas Nieweler, Marcus Reinfried, unter Mitarbeit von Ricarda Luser. Stuttgart: Klett 2006, 351 Seiten+ CD-ROM [24,80 €] In allen Wissensdisziplinen ist es üblich, von Zeit zu Zeit Zwischenbilanz zu ziehen und den aktuellen Forschungsstand zu dokumentieren. Dies gilt gleichermaßen für die Fremdsprachendidaktik, wo allein im deutschen Sprachraum in den letzten zehn Jahren nahezu ein Dutzend Überblicksdarstellungen erschienen sind. Von diesem Trend profitierten auch die Fachdidaktiken, allen voran die Fächer Englisch und Deutsch als Fremdsprache. Nachholbedarf bestand dagegen für die Französischdidaktik, wo es mehr als drei Jahrzehnte dauerte, bis das seit langem hoffnungslos veraltete Werk von Werner ARNOLD 1 bei seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1973 „ein großer Wurf' 2 in der von Andreas NIEWELER herausgegeben Fachdidaktik Französisch einen direkten 3 und um es vorwegzunehmen -würdigen Nachfolger gefunden hat. Dass für das Fach Französisch eine von Grund auf neu konzipierte Einführung seit langem ein dringendes Desiderat darstellt, hat nicht nur etwas mit spürbaren Veränderungen der Institution Schule und einer stark gewandelten Lebenswelt der Schüler zu tun, sondern auch und vor allem mit der viel beschworenen „Krise" des Französischunterrichts, die sich nicht zuletzt in z.T. stark gesunkenen Lernerquoten widerspiegelt. Davon, aber auch von den Beziehungen des Faches zu anderen Disziplinen sowie von aktuellen Tendenzen in der Fremdsprachendidaktik ist im einleitenden Kapitel 1 [9-34] die Rede. Schlaglichtartig beleuchtet werden dabei die didaktischen Implikationen von Begriffen wie Handlungsorientierung, Lernerautonomie, kognitive Wende, Konstruktivismus und Mehrsprachigkeit, die allesamt auf einen unterrichtsmethodischen Paradigmenwechsel hindeuten. Einen Überblick über methodische Prinzipien gibt das 2., mit „Leitlinien und Prinzipien des Französischunterrichts" überschriebene Kapitel [35-84] angefangen von den klassischen (geschlossenen) Methodenkonzepten (Grammatik-Übersetzungs-Methode, direkte Methode) über audiolinguale und audiovisuelle Verfahren sowie pragmadidaktische Ansätze bis hin zu Leitlinien und allgemeindidaktischen Grundsätzen eines „neokommunikativen" Französischunterrichts, wie er u.a. in Begriffen wie Lerner- und Prozessorientierung, Ganzheitlichkeit oder offene Unterrichtsformen (Projektunterricht, Freiarbeit, Simulation, Stationenlernen, etc) seinen sichtbaren Ausdruck Die zweite unveränderte Auflage erschien 1977. Eine wenig überzeugende Neubearbeitung stammt aus dem Jahre 1989. Um so unverständlicher ist die Veröffentlichung der 4. Auflage im Jahre 1997. 2 Franz-Joseph MEißNER: "Zur Ausbildung von Französischlehrerinnen und -lehrem in der Ersten Phase. Zwischen Überkommenem und Notwendigem". In: jranzösisch heute 28.3 (1997), 196-205 (hier: 201). 3 Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle die im Jahre 2002 erschienene Monographie von Eynar LEUPOLD: Französisch unterrichten. Grundlagen • Methoden • Anregungen. Seelze-Velber: Kallmeyer, die den veränderten Bedingungen der Institution Schule sowie den aktuellen Entwicklungen in der Fachdidaktik Rechnung trägt. Dies gilt auch für die von Hans-Ludwig KRECHEL herausgegebene Französisch-Methodik. Handbuch für die Sekundarstude l und II (Berlin: Comelsen Scriptor 2007), die sich ebenfalls als Reaktion „auf die Herausforderungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens, der Bildungsstandards und der Kernlehrpläne" (Klappentext) versteht. Der Vollständigkeit halber sei noch auf das Werk von Rüdiger PFROMM (Einführung in die Sprachlehr- und -lemforschung. Französisch an Gesamtschulen und Gymnasien mit Ausblick duf Europa. Rheinbach-Merzbach: CMZ-Verlag 1993) hingewiesen, dem ein nur bescheidener Erfolg beschieden war und das von praktizierenden Französischlehrem kaum zur Kenntnis genommen worden ist. lFLl.lllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 237 findet. Keine Erwähnung findet ein wichtiges, in den meisten historischen Betrachtungen der Fremdsprachenlehrmethoden ausgeblendetes Lehrkonzept, nämlich jene kognitiven Ansätze der 1970er Jahre, die sich als Reaktion auf einige Merkmale der audiolingualen bzw. audiovisuellen Methode entwickelten und mit denen zahlreiche (gescheiterte) Versuche einer ,Linguistisierung' des Fremdsprachenunterrichts einhergingen.' Auch wenn der "cognitive code" 4 ohne größere Rückwirkung auf die Unterrichtspraxis blieb und schon bald von pragmalinguistischen Ansätzen und der daraus ,abgeleiteten' kommunikativen Fremdsprachendidaktik der 1980er Jahre überlagert wurde, so blieb er dennoch nicht ganz ohne Folgen für das praktische Tun des Fremdsprachenlehrers. Zu denken ist insbesondere an die Neubewertung der Rolle der Muttersprache beim Fremdsprachenerwerb und an den Stellenwert des grammatischen Wissens, das durch die Betonung des Lernens über Bewusstseinsprozesse erneut verstärkte Beachtung fand. Weitere Unterkapitel beschäftigen sich mit alternativen Lehr- und Lernverfahren, mit curricularen Vorgaben, Bildungsstandards und dem Erwerb von Schlüsselqualifikationen nach den Vorgaben des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Im Zentrum der Betrachtungen des 3. Kapitels [85-255] stehen Überlegungen und Vorschläge zur effektiven Gestaltung des Französischunterrichts innerhalb unterschiedlicher Handlungsfelder. Zu den in insgesamt zwölf Unterkapiteln abgehandelten Themen zählen: (1) der Altersfaktor bzw. die unter der so genannten optimum-age-Hypothese intensiv geführte Diskussion darüber, ob jüngere Lerner die erfolgreicheren sind, (2) die Sprachenreihenfolge, Schulstufen und Schulformen (womit u.a. auch der bilinguale Sachfachunterricht sowie Französisch in der Erwachsenenbildung und im außerschulischen Kontext gemeint sind), (3) die Schulung der (produktiven und rezeptiven) Grundfertigkeiten einschließlich „Sprachmittlung", (4) das „Lernen lernen", i. e. die Vermittlung von Lernstrategien, (5) das Arbeiten mit traditionellen Medien wie etwa Lehrwerk, Tafel, Bilder und Tonträger, (6) der Umgang mit den Neuen Medien, (7) der Erwerb kommunikativer Sprachkompetenzen, (8, 9) Wortschatz- und Grammatikarbeit, (10) die Behandlung von literarischen Texten, Sachtexten, Chansons und Bandes dessinees mit und ohne mediale Unterstützung, (11) Landeskunde und interkulturelles Lernen sowie schließlich (12) Tipps und Ratschläge zur Planung und Organisation von Unterricht. Besondere Aufmerksamkeit verdient das hochaktuelle und äußerst informative Unterkapitel 6. Mit wertvollen Hinweisen zu multimedialen Lernsoftwarepaketen5, zur Durchführung von E-Mail-Projekten und WebQuests im Französischunterricht, zu Foren von Jugendzeitschriften oder zum E-Leaming liefert es dem Lehrenden bei aller durchaus berechtigten Skepsis gegenüber den Möglichkeiten einer Integration von Computer und Internet in den Fremdsprachenunterricht zahlreiche Anregungen, um seine mediendidaktische Kompetenz zu stärken. Nachdem internationale und nationale Studien wie TIMSS, PISA oder DESI gezeigt haben, dass Staaten, in denen Leistungserwartungen verbindlich festgelegt und Schülerleistungen systematisch überprüft werden, schulische Standards besser erreichen, als es in anderen Ländern bisher der Fall war, ist auch in Deutschland der Ruf nach schulischer Qualitätssicherung laut geworden. Durch die länderübergreifende Vereinbarung von Bildungsstandards und durch klare Vorgaben für entsprechende Kompetenzbeschreibungen „soll eine unterrichtsunabhängige Berechenbarkeit gewährleistet sein" (S. 258) und damit die Voraussetzungen für die Etablierung einer Evaluationskultur geschaffen werden. Folgerichtig ist das 4. Kapitel [257-305] der Ermittlung und Beurteilung von 4 Willis EDMONSON / Juliane HOUSE: Einführung in die Sprachlehrforschung. 3. überarb. Auflage. Tübingen. Basel: Francke 2006, 119. 5 Entsprechende Demo-Versionen zur Entwicklung interaktiver Übungen mit Hilfe der weit verbreiteten Autorensoftware Hot Potatoes, zur Schülersoftware Sprachtrainer Französisch oder zur Lehrersoftware ProfiPROF finden sich auf der beiliegenden CD-ROM. JFJLwL 36 (2007) 238 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Schülerleistungen gewidmet. Erfreulicherweise beschränken sich die Autoren dabei nicht auf die eher traditionellen Themenbereiche wie Funktionen der Leistungsbeurteilung, mündliche Leistungen, Erstellen und Bewerten von Klassenarbeiten und Klausuren sowie Fehlerursachen, Fehlertypen, Fehlergewichtung, Fehlervermeidung, sondern greifen sowohl Fragestellungen auf, die im Umfeld der internationalen Sprachenzertifikate der Alliance frani; aise (DELF und DALF) angesiedelt sind, als auch solche, die das Europäische Sprachenportfolio als Instrument der Leistungsbewertung betreffen. Ein knapp fünfzigseitiger Anhang mit Antworten auf zwölf der am häufigsten von Referendaren und Berufsanfängern gestellten Fragen, mit nützlichen Tipps zur Vermeidung von „Pleiten, Pech und Pannen" im Französischunterricht, einem Glossar (in dem wichtige Fachbegriffe erläutert sind) sowie einem mehr als 500 Titel umfassenden Literaturverzeichnis beschließen diesen hervorragenden Überblick über den aktuellen Stand der fachdidaktischen Forschung (zum Französischen); eine alles in allem solide und kompetent geschriebene Neufassung der für viele Generationen von (Jung)Lehrern richtungsweisenden Fachdidaktik Französisch von Werner Arnold, die demzufolge auch nur selten Anlass zur Kritik gibt. Einige wenige Anmerkungen seien dennoch erlaubt 6: (1) Das Buch stellt eine beeindruckende Fülle von Informationen zu nahezu allen relevanten Feldern des Faches bereit. Fast ist man geneigt zu sagen, dass hier in Bezug auf die Differenziertheit der Darstellung manchmal des Guten zu viel getan wurde. In der daraus resultierenden gedrängten Form ist das eine oder andere Kapitel damit zum orientierenden Einstieg in eine unbekannte Thematik nur mit Einschränkungen geeignet. Nur sehr bedingt vermag daran die im Prinzip begrüßenswerte Idee etwas zu ändern, dem Leser in der Randspalte mit Stichwörtern einen Weg durch das komplexe Geflecht von Einzelheiten zu bahnen, ihm Querverbindungen zu anderen Kapiteln aufzuzeigen und ihn gezielt auf Möglichkeiten der unterrichtlichen Realisierung, auf Arbeitsblätter sowie Zusatzmaterialien hinzuweisen, auf die mit der beiliegenden CD-ROM zugegriffen werden kann. (2) Auch das prinzipiell lobenswerte Bemühen der Autoren um Aktualität hat durchaus eine Schattenseite. Dies gilt in besonderem Maße für die Ausführungen zum Einsatz der Neuen Technologien. So ließ sich zu einigen der angegebenen Websites keine Verbindung mehr herstellen, weil sie inzwischen abgeschaltet waren. Davon betroffen ist z.B. der Link zum Projekt „Digitale Oberstufe" (Randspalte, S. 166)7. (3) Individualisierung, Lernerorientierung, Lernstrategien oder autonomes Lernen sind nur einige der sprachdidaktischen Basiskonzepte, denen auch in dieser Einführung zu Recht große Bedeutung beigemessen wird. Um so mehr überrascht, dass auf ein Kapitel zum Einsatz und zur Benutzung von Hilfsmitteln und Nachschlagewerken verzichtet wurde. Die sporadischen Hinweise auf die Notwendigkeit der Einführung in den systematischen Umgang mit Wörterbüchern (S. 189) oder die versteckte Werbung für das elektronische Wörterbuch Pans Lexiface Französisch 8 (S. 164) reichen bei weitem nicht aus, um dieses Manko wettzumachen. 6 Nur wenige Druckfehler sind uns aufgefallen.: Warga 2004b ➔ lies: 2004 (S. 28); Worterschlie-ßungstechniken (S. 130); Kritierien ➔ lies: Kriterien (S. 209); auf S. 268 fehlen die ausnahmslos als D dargestellten phonetischen Zeichen für offene Vokale [E, ...] und Nasale; Initiatives ➔ lies: Initiative (S. 315); Sprachlernleistrungen ➔ lies: Sprachlernleistungen (S. 315); der Titel des von Franz-Joseph Meißner [et al.] herausgegebenen Buches ist nicht Les sept amis, sondern Les sept tamis (S. 334). Sorgfältig redigiert sind auch die Unterrichtsvorschläge auf der CD-ROM. Wir haben lediglich fünf Druckfehler bzw. kleinere Versehen gezählt. 7 Um Informationen zu diesem Projekt abzurufen, ist jetzt folgender Link zu benutzen: http: / / klett-franzoesisch.de/ aktue11es/ digi0-franzoesisch.pdf 8 Zum Pons Lexiface Französisch vgl. auch den Kommentar in meiner Besprechung von Marion NETZLAFF: La collocation adjectif-adverbe et son traitement lexicographique (in diesem Band S. 242). lFlLl.lllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 239 (4) Als irritierend wird der kundige Leser sicher auch die gelegentlich recht eigenwillige, in der einschlägigen Forschungsliteratur unübliche und deshalb erklärungsbedürftige Terminologie empfinden. Zu nennen wären hier Begriffe wie Valenz, Kollokation und Idiomatismus (S. 176). Bei präpositionalen Fügungen des Typs etre fache contre qn oder s'interesser a qc haben wir es selbstverständlich nicht mit Kollokationen, sondern mit Angaben zur Valenz eines Adjektivs bzw. eines Verbs zu tun; ein geradezu klassisches Beispiel für eine Verb-Nomen-Kollokation ist hingegen die lexikalische Verbindung planter un clou, die fälschlicherweise als Idiomatismus bezeichnet wird. Von solchen Einwänden bleibt unser positives Gesamturteil allerdings unberührt. Denn ganz ohne Zweifel leistet die ,neue' Fachdidaktik Französisch einen wichtigen Beitrag zu dringend erforderlichen Innovationen im Französischunterricht. Nicht zuletzt deshalb sei sie neben Eynar Leupolds beachtenswertem Versuch, das unterrichtliche Handeln konsequent an den didaktischen Grundsätzen der Lernerorientierung, der Handlungsorientierung und der Prozesseorientierung auszurichten und in konkrete Vorschläge umzusetzen (vgl. oben Anm. 3) angehenden und praktizierenden Französischlehrem zur Lektüre wärmstens empfohlen. Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Marion NETZLAFF: La collocation adjectif-adverbe et son traitement lexicographique. Fran9ais allemand espagnol. Norderstedt: Books on Demand GmbH 2005, 280 Seiten. [19,90 €] Franz Josef HAUSMANN kommt das Verdienst zu, die Bedeutung der Kollokationen für das Wortschatzlernen nicht nur erkannt, sondern in zahlreichen Publikationen auch den Weg für eine auf die Erstellung von ,produktiven' Kollokationswörterbüchern ausgerichtete Kollokationsforschung geebnet zu haben. Im Gegensatz zu syntaktisch relevanten syntagmatischen Verbindungen zeichnen sich Kollokationen nicht nur durch ein hohes Maß an Üblichkeit aus, mit der die Einzelwörter in dieser Konstellation auftreten, sondern auch durch die aufgrund komplizierter semantischer Regeln sich gegenseitig begrenzende Kombinierbarkeit. Man ist fast geneigt, von einem gegenseitigen Sich- Hervorrufen zu sprechen, wie es auch das Verhältnis von signifi,ant zu signifi,e kennzeichnet. Solchermaßen ,definierte' Kombinationen sind Versatzstücke, "Halbfertigprodukte des Formulierens"1. Beim Sprechen und Schreiben unterliegen sie einem gewissen Automatismus, bei der Sprachrezeption (Hören und Lesen) werden sie als vertraut und bekannt empfunden.2 Für einen kontinuierlichen Aufbau der lexikalischen Kompetenz ist es mithin unerlässlich, beim Lerner ein Bewusstsein oder zumindest eine Sensibilität für das Kollokationsphänomen zu wecken und zudem im Blick auf die systematische Wortschatzarbeitinsbesondere im außerunterrichtlichen Bereich gewisse Prioritäten zu setzen, und zwar selbst auf die Gefahr hin, dass dies zu Lasten von anderen, nicht minder bedeutsamen Elementen des Wortschatzes geht. Eine solche Position macht sich die inzwischen längst zu einem Gemeinplatz gewordene Einsicht zu eigen, dass es sich bei Kollokationen um "important leaming units" 3 handelt, die der fremdsprachige Lerner u.a. deshalb Franz Josef HAUSMANN: "Was ist und was soll ein Kollokationswörterbuch? " In: Langenscheidts Kontextwörterbuch Französisch-Deutsch. Ein neues Wörterbuch zum Schreiben, Lernen, Formulieren[ ... ]. Berlin [usw.]: Langenscheidt 1989, 5-9 (hier: 8). 2 Vgl. Franz Josef HAUSMANN: "Wortschatzlernen ist Kollokationslernen. Zum Lehren und Lernen französischer Wortverbindungen". In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 31 (1984), 395-406 (hier: 398 t'). 3 Margaret COP: "Tue Function of Collocations in Dictionaries". In: MAGAY, T[amas] / ZIGANY, J[udit] JFLlllL 36 (2007) 240 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel aktiv beherrschen sollte, weil er gezwungen ist, sie beim Sprechen und Schreiben ständig zu verwenden. Entsprechend häufig werden fortgeschrittene Lerner Kollokationen im Wörterbuch abfragen und entsprechend groß sollte beim Benutzer das Interesse an ausreichender Hilfestellung in einem bekanntermaßen fehlerträchtigen Bereich sein. Dem damit zweifellos vorhandenen Bedürfnis nach umfassender syntagmatisch-lexikalischer Information hat die englische bedingt auch die französische - Lernerlexikographie mit der Erarbeitung spezieller Kollokationswörterbücher inzwischen entsprochen. Im Vordergrund des Interesses standen dabei Verb-Nomen bzw. Nomen-Verb-Kombinationen (retirer de l 'argent, une epidemie sevit) und Nomen-Adjektiv-Verbindungen (un adversaire achame, une defaite cuisante); eine nur untergeordnete Rolle spielten die Kollokationstypen Nomen + Nomen (un essaim d 'abeilles) sowie Verb+ Adverb (neiger dru), während Zweierverbindungen des Typs vivement debattu so gut wie keinerlei Beachtung fanden. Nicht nur in der Forschung ist die Bedeutung solcher Adjektiv-Adverb-Kollokationen bisher ganz offensichtlich verkannt worden. Beim Sprachvergleich wird nämlich deutlich, dass das Deutsche und das Französische die Intensivierung eines Adjektivs sehr unterschiedlich ausdrücken (vgl. etwa dt. überglücklich vs. frz. paifaitement heureux) und dass hieraus für den Fremdsprachenlerner entsprechende Schwierigkeiten bei der Sprachproduktion entstehen. Die Analyse verschiedener Wörterbuchtypen einschließlich elektronischer Wörterbücher des Französischen zeigt darüber hinaus, dass dieser Kollokationstyp auch in der Lexikographie sträflich vernachlässigt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist es das erklärte Ziel der hier zu besprechenden, von einer Schülerin von Hausmann verfassten Arbeit4, die oben beschriebene sowohl in der Lexikographie als auch in der Kollokationsforschung bestehende - Lücke zu füllen „et de contribuer ainsi a rattraper le retard qu'a pris la recherche collocationnelle fran~aise par rapport a celle de l'anglais" (9). Wie nach dem Gesagten nicht anders zu erwarten, orientiert sich die Verf. bei der Abgrenzung der Kollokationen zu freien Kombinationen und festgefügten Ausdrücken (Phraseologismen) an der von HAUSMANN in die Literatur eingeführten lexikographisch-didaktisch ,motivierten' Definition. Danach sind Kollokationen usuelle Wortverbindungen, die aus einem autonom definierbaren Element, der semiotaktisch unabhängigen Basis, und einem nur mit Hilfe des Kontextpartners definierbaren Element, dem semiotaktisch abhängigen Kollokator bestehen. 5 Abgerundet wird diese definitorische Klärung durch ein « Histoire du terme de collocation » überschriebenes Kapitel, in dem allerdings nicht wie vom Titel her suggeriert die Geschichte des Terminus, sondern vielmehr die des Kollokationsbegriffes in groben Zügen nachgezeichnet wird. Semantische, syntaktische, kontrastive und didaktische Gesichtspunkte stehen im Zentrum der im 2. Kapitel vorgenommenen linguistischen Analyse der für das Französische weitgehend un- (eds.): BudaLEX '88 Proceedings. Papers from the 3"' International EURALEX Congress, Budapest, 4--9 September 1988. Budapest 1990, 35-46 (hier: 36). 4 Die Arbeit wurde im Wintersemester 2004/ 05 von der Philosophischen Fakultät II der Universität Erlangen- Nürnberg als Inaugural-Dissertation angenommenen. Der komplette Text ist im Internet frei zugänglich unter: http: / / www.opus.uni-erlangen.de/ opus/ volltexte/ 2005/ 232/ pdf. - Eine stärker didaktisch argumentierende Kurzfassung ist im Jahrgang 35 (2006), S. 220-233, dieser Zeitschrift unter dem Titel"« Eperdument amoureux, profondement des; u, hautement qualifie, superieurement intelligent». De la difficulte de trouver l'adverbe approprie ll un adjectif' erschienen. 5 Vgl. dazu Franz Josef HAUSMANN: "Semiotaxis und Wörterbuch". In: KONERDING, Klaus-Peter/ LEHR, Andrea (Hrsg.): Linguistische Theorie und lexikographische Praxis. Symposiumsvorträge, Heidelberg 1996. Tübingen: Niemeyer 1997 (Lexicographica. Series maior; 82), 171-179. DERS.: "Le dictionnaire de collocations - Criteres de son organisation". In: GREINER, Norbert/ KORNELIUS, Joachim/ ROVERE, Giovanni (Hrsg.): Texte und Kontexte in Sprachen und Kulturen. Festschrift für Jörn Albrecht. Trier: WVT 1999, 121-139. IFJL1.IIL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 241 erforschten usuellen Kombination zwischen Adjektiv und Adverb (fortan: AAK). Als Kollokationspartner von Adjektiven fungieren die folgenden Kategorien von Adverbien auf -ment: Adverbien der Art und Weise (injustement accuse), Adverbien des Bereiches (genetiquement modifie'J, bestimmte Adverbien der Zeit (frafchement elu) sowie die Intensitätsadverbien (sensiblement tauche'), wobei letztere in journalistischen Korpora besonders reich vertreten und damit ersichtlich "produktiv für die Bildung dieses Kollokationstyps sind" (217). Sieht man einmal von entsprechenden Präferenzen in der Verwendung einer AAK ab, so kann dieser Kollokationstyp grundsätzlich sowohl in attributiver als auch in prädikativer Position auftreten. Einschränkungen gibt es hingegen bei der Stellung innerhalb des Syntagmas, da adverbes d'intensite und adverbes de maniere im Gegensatz zu adverbes de domaine und adverbes de reference temporelle in der Regel nicht nachgestellt werden können. Wie groß die Divergenzen zwischen dem Deutschen und Französischen tatsächlich sind, führt uns die Gegenüberstellung deutscher AAK (u.a. mit stark, schwer, hoch) und ihrer französischen Entsprechungen vor Augen. Nur selten ist das Resultat einer wörtlichen Übersetzung normgerecht: lourdement handicape, hautement qualifie; aber: serieusement atteint (schwer getroffen), superieurement intelligent (hochintelligent). Aus der nicht nur in diesem Vergleich sich manifestierenden Idiosynkrasie von Kollokationen des Typs Adjektiv-Adverb leitet sich die bereits im einleitenden Kapitel erhobene Forderung ab, im Fremdsprachenunterricht den AAK und den Kollokationen im allgemeinen endlich die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Um konstruktive Wörterbuchkritik geht es in den beiden folgenden Kapiteln. Kap. 3 beschäftigt sich mit drei repräsentativen einsprachigen Wörterbüchern, nämlich: Dictionnaire du franc; ais (Robert-Cl€), Petit Robert (PR) und Tresor de la langue franc; aise (TLF) sowie mit den jeweiligen elektronischen Versionen (PRi 6 und TLFi7). Stichprobenhaft überprüft wird deren Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Behandlung der AAK anhand einer 100 items umfassenden Liste. Die Auswahl der Basen (Adjektive) orientiert sich am Eintragsvokabular des Dictionnaire dufran<; ais langue etrangere (Niveau I); für die zu testenden Kollokatoren wurden die beiden elektronischen Zeitungskorpora Le Monde sur CD ROM und Europresse ausgewertet. Rein zahlenmäßig kann keines dieser Wörterbücher überzeugen. Selbst im TLF (TLFi), dem zur Zeit größten französischen Wörterbuch, sucht man zahlreiche der in den Medien stark verbreiteten AAK vergeblich (im PR sind es 43%, im TLF immerhin noch 38%, die fehlen). Kritikwürdig ist auch der Ort, an dem Kollokationen in der Regel verzeichnet sind ein in der metalexikographischen Literatur häufig anzutreffender Vorwurf an die Adresse der papiernen Lexikographie. In der Tat sind Informationen unter dem Kollokator für den fremdsprachigen Benutzer bei, der Sprachproduktion insofern ,totes Kapital', als die Kollokation eigentlich schon bekannt sein muss, will man sie dort aufspüren. Dieses Manko fällt in den computerisierten Fassungen des PR und des TLF natürlich nicht ins Gewicht. Gleichwohl werden die vielfältigen Möglichkeiten, die das elektronische Medium gegenüber der Papierversion (nicht nur) bei der Suche nach Kollokationen bietet, bei weitem nicht ausgeschöpft. Nach so viel Kritik darf ein Aspekt nicht unerwähnt bleiben, den der TLFi gegenüber dem PRi als Positivum für sich verbuchen kann 8, ist er doch gegenwärtig das einzige einsprachige Wörterbuch des Französischen, mit dem sich Kollokatoren von der Basis aus auffinden lassen. 9 6 Seit August 2006 in der neuen Version 3.0 verfügbar, die den kompletten Text des Petit Robert 2007 enthält und über eine neue Oberfläche sowie eine weiter verbesserte Funktionalität verfügt (vgl. aber Anm. 8). 7 Frei zugänglich unter http: / / atilf.atilf.fr/ tlf.htm. Eine CD-ROM Version für Windows und MAC zum Preis von 49 € bzw. 79 € wird seit Ende 2004 angeboten. 8 Leider wurde es auch in der aktuellen Version 3 des PRi (2006) versäumt, die usuellen Wortverbindungen zu ,taggen' und eine spezifische Suchoption ,Collocations' einzuführen. 9 Mit der Registerkarte ,Recherche assistee' und der Option ,Syntagme' unter 5a) ,Type de l' objet recherche' ]F]Lw., 36 (2007) 242 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Noch negativer fällt die Bilanz für die AAK bei den zweisprachigen Wörterbüchern (frz.-dt. / dt.-frz.) aus dem Hause Klett (P0NS Großwörterbuch 1996, 2004) und Langenscheidt (Power Wörterbuch 2003, Handwörterbuch 2000) aus, denen das 4. Kapitel gewidmet ist. Unübersehbare Schwächen weist auch der elektronische Bruder von PONS, das LexifacePro Französisch, auf. Verantwortlich dafür ist die so genannte i-Finger Nachschlage-Software, mit der auf den Datenbestand in nur eingeschränktem Maße zugegriffen werden kann und die LexifacePro gegenüber der Benutzung der Papierversion lediglich einen Geschwindigkeitsvorteil verschafft. 10 Der leistungsstarken Software des e-Handwörterbuchs von Langenscheidt, die blitzschnelles Nachschlagen (auch von Wortverbindungen) mit einer beeindruckenden Fülle von Suchfunktionen, individuellen Einstellungsmöglichkeiten sowie einer kaum Wünsche offen lassenden Funktionsvielfalt verbindet, hat sie nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.11 Diese Einschätzung ist allerdings insoweit zu relativieren, als die in die neue Version (2005) implementierte, grundlegend überarbeitete Software von LexifacePro dem Benutzer nunmehr mächtige Werkzeuge zur Verfügung stellt, die es u.a. erlauben, gezielt nach Kollokationen zu suchen. 12 Dass die lexikographische Ausgestaltung der für den Aufbau der Wortschatzkompetenz so wichtigen Angabenklasse ,Kollokationen' in einem in gedruckter Form vorliegenden ein- oder zweisprachigen Wörterbuch quantitativen Beschränkungen unterliegt, versteht sich von selbst. Die Erarbeitung eines speziellen Kollokationswörterbuches, in dem dann auch die AAK Berücksichtigung finden, ist also durchaus sinnvoll. Kap. 5 unterbreitet und begründet einen solchen Vorschlag, wobei zur Illustration der konkreten Mikrostrukturen Modellartikel für die adjektivischen Basen malade und blesse vorgestellt werden. Ein Ausblick auf die spanische Kollokationsforschung und die Behandlung der AAK in der spanischen Lexikographie in Kap. 6 gibt Anlass zu der Vermutung, dass die Vernachlässigung der AAK sowie die unsystematische Erfassung der Kollokationen insgesamt ein gesamtromanisches Phänomen zu sein scheint. Im Vergleich zum Englischen, wo die Forschungsergebnisse der pedagogical lexicography vor allem hinsichtlich dieser Angabenklasse Eingang in die Konzeption der neuen Generation von learner's dictionaries gefunden haben und wo uns exzellente Kollokationswörterbücher zu den meisten Basen die gesuchten Kollokatoren liefern (vgl. etwa Oxford Collocations Dictionary for Students of English, 2002), besteht sowohl für das Französische als auch für das Spanische erheblicher Nachholbedarf. Zusammenfassungen der wichtigsten Ergebnisse in französischer, deutscher und englischer Sprache sowie drei sehr nützliche und informative Anhänge, die u.a. eine Liste aller im Rahmen der Untersuchung ermittelten AAK enthalten darunter auch das 100 item umfassende Testcorpus -, beschließen den Band. lassen sich durch Eingabe des ,code grammatical' unter 2) für beliebige Basen die Verb-, Adjektiv-, Substantiv- und Adverbkollokatoren ermitteln. 10 Vgl. dazu meine Rezension des LexifacePro Französisch (2001) in Fremdsprachen Lehren und Lernen 31 (2002), 250-253. 11 Vgl. dazu meine Rezension des e-Handwörterbuch Französisch (2003) in Fremdsprachen Lehren und Lernen 33 (2004), 268-272. 12 Leider gibt es bei der Suche nach Kollokationen mehr als nur einen Wermutstropfen, da dieser Option ein wahrlich erklärungsbedürftiger Kollokationsbegriff zugrunde liegt. Treffer bei usuellen Verbindungen des Typs essuyer une defaite, critiquer amerement, hautement qualifie, etc. lassen sich nämlich nur dann erzielen, wenn als Suchoption nicht ,Kollokationen', sondern ,Beispiele' bzw. ,Volltext' angeklickt wird. Im Übrigen ist auch in dieser neuen Version eine systematische Suche nach Kollokatoren-wie wir sie vom TLFi kennen (vgl. oben Anm. 9) ebensowenig möglich wie im e-Handwörterbuch. lFLillllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 243 Wie die Verf. selbst freimütig einräumt, gibt es gute Gründe nämlich „la frequence et le degre de cohesion" (83) dafür, dass die Nomen-Verb-, die Nomen-Adjektiv- und die Verb-Adverb- Kollokationen im Vordergrund des Forschungsinteresses stehen. Auch aus didaktischer Sicht muss die Bedeutung der AAK insofern relativiert werden, als im Französischen die mit Adverbkollokatoren des Typs mortellement (ennuyeux) oder moralement (irreprochable) versprachlichten Konzepte mit anderen Mitteln realisiert werden können: ennuyeux a mourir (oder ennuyeux comme la pluie ), irreprochable sur plan moral, usw. Kaum Schwierigkeiten dürften daneben die adverbes de domaine machen, die sieht man einmal vom Syntagma geistig behindert -+ *physiquement handicape ab in aller Regel wörtlich ins Französische übersetzt werden dürfen. Unbeantwortet bleibt damit die Frage, welche AAK für den germanophonen Fremdsprachenlerner tatsächlich fehleranfällig sind. Eine äußerst puristische, im Widerspruch zum aktuellen Sprachgebrauch stehende Haltung offenbart schließlich das eine oder andere normative Urteil über die angebliche Inakzeptabilität von Wortverbindungen wie gravement blesse (anstelle von grievement blesse, s. 57). Konzeptuell orientiert sich die Autorin an dem, was sich in anderen metalexikographischen Studien durchaus bewährt hat, wobei an der Zuverlässigkeit der Resultate insgesamt dank einer grundsoliden, sorgfältig recherchierten empirischen Basis keine Zweifel bestehen. Mit Genugtuung stellt der Rezensent außerdem fest, dass die Arbeit weitere überzeugende Argumente dafür liefert, dass der systematischen Kollokationsarbeit im Fremdsprachenunterricht mehr Beachtung geschenkt werden muss und dass die Erarbeitung eines französischen (und spanischen) Kollokationswörterbuches unter Einschluss der AAK auch aus fremdsprachendidaktischer Sicht ein dringendes Desiderat bleibt. Um so mehr wird man es bedauern, dass in den aktuellen lexikographischen Projekten 13 - und dies gilt auch für das nicht erwähnte, online-verfügbare Dictionnaire des collocations von Toni Gonzalez Rodriguez 14 die AAK ausgespart bleiben. 15 Bielefeld EKKEHARD ZÖFGEN Astrid ERTELT-VIETH: Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr 2005 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 391 Seiten. [39,- €] Astrid ERTELT-VIETHs Publikation Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel (gleichzeitig ihre Habilitationsschrift) ist eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraus- 13 An vorderster Stelle zu nennen wären hier: (1) das in Kooperation zwischen dem ATILF (Nancy) und dem Romanischen Seminar der Universität Köln im Entstehen begriffene Dictionnaire des collocations für ca. 5 000 substantivische Basiswörter, die aus den Frequenzlisten zumLe Monde Corpus 1999/ 2000 (ca. 52 Mill. Wörter) und der Datenbasis des ATILF (ca. 16 Mill. Wörter) gewonnen werden, (2) das in einer Testversion online verfügbare Dictionnaire d'apprentissage dufran,; ; ais langue etrangere ou seconde sowie (3) das kurz vor der Fertigstellung stehende Lexique actif du fran,; ; ais. 14 Kostenloser Zugriff auf dieses Wörterbuch unter: http: / / www.tonitraduction.net. 15 Das Buch ist alles in allem sorgfältig redigiert. An Druckfehlern sind uns aufgefallen: [...] jolie fille. »141 -> jolie fille. » 141 (S. 45); CAA et CSA-> CAA et CNA (S. 57 et passim); Möhlen 1985-> Möhle 1985 (S. 69, Anm. 202); sur la bases-> sur Ja base (S. 91); S. 135: die eingerahmten Erläuterungen verweisen nicht auf die richtige Stelle im Screenshot vom Petit Robert electronique; eile ne etait-> eile n'etait (S. 166); Zöfgen 2002 -> Zöfgen 2002b (S. 175); dificfcilmente-> diffcilmente (S. 247); S. 275: Schümann, Jasmin-Yvonne (2002)-> die Diss. von Jasmin-Yvonne SCHÜMANN ist nicht wie angegeben beim Niemeyer-Verlag in Tübingen erschienen, sondern nur online verfügbar unter: http: / / e-diss.uni-kiel.de/ diss_418 (und nicht diss-418). IFLuL 36 (2007) 244 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel tausch. Zunächst ordnet sie ihre Arbeit in den wissenschaftlichen Diskurs zur interkulturellen Kommunikation ein, erläutert dann ihr methodisches Vorgehen bei der Erhebung, berichtet aus ihren früheren Studien, bevor sie untersucht, welche Bilder die russischen Austauschschüler entwerfen. Diese Bilder von Deutschland und den Deutschen entstanden zu Beginn der 90er Jahre auf der Grundlage der damaligen Vorstellungen und Erfahrungen der Schüler im russischen Alltag, der noch stark von der sowjetischen Zeit geprägt war. Bei der Lektüre der Arbeit ist zu berücksichtigen, dass die sowjetische Zeit doch länger als 15 Jahre zurückliegt. Lakunen und Symbole: Die konstruierten Bilder der Austauschschüler sollen in der Studie einzeln und zugleich innerhalb der Austauschgruppe untersucht werden. Weiterhin sagt ERTELT- VIETH, dass man den Begriff „Bild" mit dem Begriff des „Stereotyps" vergleichen kann. Wo die Autorin Unterschiede sieht und wo sie liegen, wird allerdings nicht erläutert. Als theoretischen und begrifflichen Rahmen für die Darstellung ihrer Untersuchungen wählt ERTELT-VIETH das Lakunen-Modell von SüROKIN und den Symbol-Begriff von GEERTZ (1995). 1 Die Lakunen-Theorie war von ERTELT-VIETH bereits in ihrer Dissertation (1990) dargestellt und verarbeitet worden. „Lakunen sind Elemente (Realia, Prozesse, Zustände) eines Textes (in weitestem Sinne), die den Erfahrungen der Träger einer anderen Kultur nicht entsprechen. [...] Lakunen sind per definitionem interkulturell."(S. 74) 2 Lakunen sind also Verstehenslücken, die in der Kommunikation bei einem Zusammentreffen zweier Vertreter unterschiedlicher Kulturen entstehen können. Gleichzeitig verwendet die Autorin den Begriff des Symbols im Sinne von GEERTZ: „Symbole sind ,fassbare Formen von Vorstellungen [...] aus der Erfahrung abgeleitete, in wahrnehmbare Formen geronnene Abstraktionen, konkrete Verkörperungen von Ideen, Verhaltensweisen, Meinungen, Sehnsüchten und Glaubensanschauungen'" (S. 82). Lakunen und Symbole ergänzen sich für ERTELT-VIETH. Lakunen beziehen sich auf Differenzen, die sich aus der Außenperspektive ergeben. Sie sind ,Lücken', die sich „zwischen [...] zwei Kulturen oder Kulturebenen" ergeben, indem einer der Kommunikationsteilnehmer den vorliegenden „Text" nicht (korrekt) deuten kann. Symbole hingegen sind an eine Innenperspektive gebunden, ergänzen somit den Begriff der Lakune, da die durch eine Person eingebrachten Vorstellungen durch sie erfasst werden können. Das "Aufdecken von Lakunen" ist für ERTELT-VIETH ein „analytisches Vorgehen", für das Deuten von Symbolen postuliert die Autorin eine Synthese aus der Innenperspektive heraus ( S. 84). Das Aufdecken einer Lakune erfolgt demnach von außen durch ERTELT-VIETH. Sie beschreibt aus ihrer Perspektive das Verhalten, das in einer der in Kontakt tretenden Kulturen in einer bestimmten Kommunikationssituation ,auffällig' bzw. so nicht üblich ist und dadurch zu Missverständnissen führt. Die Bedeutung des Verhaltens ist dabei eine Deutung, welche die an der Kommunikation beteiligten Subjekte vornehmen. Durch die analytischen Gespräche der Autorin wird diese Bedeutungsebene als Innenperspektive der Kommunikationsteilnehmer in die Analyse einbezogen. Dabei stellt sich methodologisch gesehen die Frage, ob Symbol-Analyse (Innenperspektive) und Lakunen-Analyse (Außenperspektive) wirklich immer so deutlich voneinander getrennt werden können, daja die Autorin selbst immer auch an der Beschreibung und Interpretation aller Prozesse beteiligt ist. 2 In der Arbeit von ERTELT-VIETH verwendete Literatur wird hier bibliografisch nicht nachgewiesen. Die Angaben von Seitenzahlen beziehen sich ausschließlich auf die besprochene Arbeit. lFJLlJ! ]L 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 245 Nur an einer Stelle nimmt ERTELT-VIETH eine ausführlichere Lakunen-Analyse vor. Dabei handelt es sich darum, dass die russische Gastschülerin Natascha sich von der deutschen Gastfamilie und der Partnerschülerin Christine nicht angemessen an- und aufgenommen fühlt (S. 213). An dieser Stelle beschreibt die Autorin noch einmal ihr methodisches Vorgehen folgendermaßen: „Das Aufdecken von Kommunikationsproblemen und anderen Konflikten in der Entwicklung der Austauschbeziehung zwischen Natascha und Christine kann mit dem Lakunen-Modell erfolgen. Es handelt sich dann um eine Suche nach den individuellen und kulturspezifischen Ursachen. Die personenbezogene Analyse wird nicht als Gegensatz, sondern als Spezifizierung der kulturbezogenen Analyse durchgeführt (was die ausdrückliche Hereinnahme nichtkulturspezifischer psychologischer Aspekte, z. B. der Pubertät und Adoleszenz in unserem europäischen Kulturkreis, nicht in Frage stellt). Diese Analysen stützen sich einerseits auf das Material zum Einzelfall. zugleich aber das Gesamtkorpus und auf das Wissen der Untersuchungsleiterin von beiden Sprachen und Kulturen, denn sonst wäre das Hypostasieren von Kulturspezifika gar nicht möglich. In anderen Worten: Die Behauptung, verschiedene Konflikte zwischen den beiden Mädchen gingen auf kulturelle Spezifika zurück, stützt sich auf mein dieser Untersuchung vorausgehendes, in der Untersuchung u. a. durch Metakommunikation mit russischen Experten gestütztes und erweitertes Kulturwissen[ ... ] und auf die (angestrebte) Plausibilität des gesamten Deutungszusammenhanges, der mit dieser Studie hergestellt wird" (S. 213). Diese Vorgehensweise, durch die kulturspezifische Besonderheiten in Kommunikationsprozessen erkannt und für andere Personen offengelegt werden sollen, erscheint plausibel. Es bedarf in der Tat ethnomethodologischer, kulturspezifischer und gesprächsanalytischer Kenntnisse durch den Analysierenden, um kommunikative Missverständnisse aufzudecken und zu deuten. ERTELT-VIETH kann aber in ihrer Darlegung nicht davon überzeugen, dass diese Deutungen und Interpretationen wirklich nur durch eine Anwendung der Lakunentheorie von Sorokin in Verbindung mit der Symboltheorie von Geertz zutage gefördert werden können, oder ob nicht auch ethnomethodologische und konversationsanalytische Verfahren zu denselben Ergebnissen führen könnten. Bevor ERTELT-VIETH ihre Untersuchungsmethode auf der Basis von Lakunen- und Symboltheorie erläutert (Kap. 3), versucht sie das Phänomen der interkulturellen Kommunikation mit verschiedenen Theorien und Modellen der Semiotik, der Ethnomethodologie, der russisch-sowjetischen Tätigkeitstheorie u.a.m. zu verbinden (Kap. 2). Die inhaltliche Verbindung dieser theorieorientierten Teile zu der dann folgenden empirischen Untersuchung ist nicht immer deutlich. Es ist zu vermuten, dass manche dieser ausufernden Bezüge, die hergestellt werden, der Textsorte "Habilitationsschrift" geschuldet sind. Voruntersuchungen und Kontext der Studie: Die Kapitel 4 und 5 liefern Informationen aus der beruflichen Tätigkeit der Untersuchungsleiterin und zwar zum deutsch-russischen Kontext und zum russisch-deutschen Schüleraustausch. ERTELT-VIETH erklärt hier u. a., dass ein Schüleraustausch nicht zu den dienstlichen Pflichten eines Lehrers gehört, dass viel Verantwortung auf den Lehrern bei einem solchen Austausch lastet, welche Fragen vor einem Austausch zu klären sind usw. Hier erfährt man auch, dass sich im Haushalt der Autorin stets „Russisches" befindet, wie z.B. „Matrjoschkas" und russische Pralinen (Kap. 4). Auch hierin zeigt sich einmal mehr, dass es der Autorin schwer fällt, zwischen (für diese Arbeit) wichtigen und unwichtigen Details zu unterscheiden und sich auf das Wesentliche zu beschränken. Im Sinne des o. a. Zitates möchte ERTELT- VIETH hier wohl ihre Autorität als Expertin unterstreichen, aber die dargebotenen Details wirken dysfunktional. Auch der Exkurs zum Fremdsprachenunterricht in der UdSSR, Kontakte zu Ausländern in der UdSSR usw. alles Erfahrungen von ERTELT-VIETH aus ihrer sowjetischen Zeittragen hier nichts Wesentliches für die eigentliche Studie bei. Die Autorin hätte sich auf wichtige zusammenfassende Bemerkungen beschränken sollen (S. 124 ff). In Kapitel 5 beschreibt ERTELT-VIETH sehr ausführlich, wie die gesamte erste Russlandreise von statten ging und welche Vorbereitungen getroffen werden mussten. In diesem Zusammenhang ]FlLw., 36 (2007) 246 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel berichtet ERTELT-VIETH dann über die beiden an dem Schüleraustausch beteiligten Städte und Schulen, die sie als Städte und Schulen A und Stadt B anonymisiert. Die russischen Schüler stammen von zwei Schulen, die mit dem Etikett „tiefste Provinz und pulsierende Millionenstadt" (S. 134) beschrieben werden. Die Stadt Aist mit 350.000 Einwohnern im Vergleich zur Millionenstadt B (wahrscheinlich St. Petersburg) für russische Verhältnisse klein und Schülerbeschreibungen zufolge „langweilig, weit ab vom Zentrum, zumal weit ab vom Ausland", man kann dort „Interessantes weder erleben, erfahren noch kaufen[...]." Die multikulturelle Stadt B hingegen ist eine durch Handel und Industrie ans Ausland angebundene Metropole, die bereits zu sowjetischer Zeit über einen „privilegierten Zugang zu Informationen und Waren" verfügte. Die deutschen Partnerstädte sind Kleinstädte mit 30.000 und 85.000 Einwohnern. Insgesamt hat ERTELT-VIETH mehr Ergebnisse aus der Gruppe der Schüler aus der Stadt A aufgenommen. Dabei werden die Herkunft und die damit verbundene provinzielle Prägung der Schüler zwar angeführt, inhaltlich aber nicht im Sinne einer intrakulturellen Differenzierung der Gruppen herausgearbeitet, die interkulturell Bedeutung gewinnen könnte. Es stellt sich die Frage, warum diese Unterscheidung in der Analyse nicht berücksichtigt wird. Des Weiteren fällt auf, dass die Autorin mehr Schülerinterviews aus der Gruppe A verarbeitet hat. Liegt der Grund vielleicht darin, dass die Unterschiede zwischen der Stadt A und der deutschen Partnerstadt (russische Provinzstadt vs. deutsche Kleinstadt) größer waren und sich somit ein intensiverer Kontrast abzeichnete, als zwischen der russischen Großstadt und ihrer deutschen Partnerstadt? Letztlich kamen einmal russische Schüler aus der Provinz und ein anderes Mal aus einer russischen Großstadt in eine deutsche Kleinstadt. Sollte das etwa keine Auswirkung auf das Vorhandensein, die Verarbeitung und Veränderung der „Bilder" haben? Welche Bilder entwerfen die russischen Austauschschülerinnen und -schüler? Kernstück der Arbeit ist das Kap. 6, in dem Beispiele dafür gegeben werden, welche Vorstellungen russische Schüler/ -innen von Deutschland und Deutschen haben und wie sich diese Bilder im Verlauf des Deutschlandsaufenthaltes ändern. Besonders auffällig ist die Tatsache, dass viele der befragten Schüler zum Zeitpunkt der Befragung vor der Reise im Vergleich zu den Deutschen über ein ausgesprochen negatives Selbstbild verfügen. Der von der Autorin Sascha genannte Schüler beispielsweise äußert sich vor der Reise gleich in mehrfacher Hinsicht eher abwertend über seine russischen Landsleute, wohingegen er den Deutschen viele positive Eigenschaften wie Sauberkeit, Kultiviertheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und die Fähigkeit zu logischem Denken zuschreibt. Russen hingegen seien „nicht sehr kultiviert", sie dächten bisweilen nicht einmal darüber nach, pünktlich zu sein, sie überlegten zu wenig, bevor sie handelten und seien deshalb in großen „ideellen" wie materiellen Schwierigkeiten (S. 144). Sascha korrigiert sich nach dem Austausch dahingehend, dass er seine starke Polarisierung aufhebt: Es gebe doch „keinen [so] großen Unterschied" zwischen Russen und Deutschen, diese Vcirstellung sei wohl geleitet gewesen von der Vorstellung, "Menschen im Kapitalismus seien ganz andere Menschen" (S. 145). Hier zeigt sich noch die eingangs erwähnte Nähe der Untersuchung zur sowjetischem Zeit. Kein russischer Schüler würde heute von „Menschen im Kapitalismus" sprechen und aus dieser Perpektive Unterschiede zwischen Russland und Deutschland sehen. Auch der Schüler Dima hat vor seiner Reise den Eindruck, in Deutschland seien die Menschen glücklicher und dies sei bereits an ihrem Gesichtsausdruck(! ) zu erkennen. Die Deutschen versuchten sehr viel mehr, einander zu helfen und dieser Wunsch spiegele sich in ihrem Miteinander wider. Dieses ihm durch Austauschschüler aus dem Vorjahr überlieferte Bild behält Dima auch nach seiner Reise bei, relativiert aber seine extreme Sichtweise auf positive deutsche Eigenschaften, indem er beispielsweise auf den geregelten Tagesablauf der Deutschen verweist, den er als für die Russen „merkwürdig" und „stressig" (S. 181) beschreibt. lFLulL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 247 Einzig die Austauschschülerin Sveta reflektiert dieses negative Selbstbild bereits vor ihrer Reise. Die Russen hätten Minderwertigkeitskomplexe, die aber nicht immer angebracht seien. Man bräuchte sich als Russe oder Russin den deutschen Austauschschülern gegenüber nicht minderwertig zu fühlen. Obwohl die negative Selbsteinschätzung meist eine Abschwächung erfährt, überrascht sie doch. Die Autostereotype der Völker sind in der Regel nicht negativ. Da die Untersuchungen von ERTELT-VIETH, wie schon erwähnt wurde, zu Beginn der 90er Jahre stattfanden, also nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als Russland doch noch stark von der sozialistischen Periode geprägt war, das Alte keinen Wert mehr hatte, aber es noch keine neuen Werte gab, wäre es interessant durch wiederholende Untersuchungen zu erkunden, wie sich das Selbstbild der Russen in den letzten 15 Jahren entwickelt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das negative Selbstbild Ausdruck einer vorübergehenden Verunsicherung als Folge der Umbruchsituation ist. Auffallend und teilweise erstaunlich sind auch Reflexionen der russischen Schüler, die Autostereotype und vermutete Heterostereotype der Deutschen über die Russen wiedergeben. Sascha urteilt nicht nur selbst negativ über seine Landsleute, sondern antizipiert auch das Bild, das Deutsche in seinen Augen von Russen haben könnten: "Deutsche denken[...] nur Schlechtes über uns, nämlich dass der Russe ein Bär ist[ ...], der im Wald wohnt" (S.145). Auch andere Schüler verbinden das Bild des „russischen Bären" mit einem angenommenen negativen Heterostereotyp der Deutschen über die Russen." (S. 228) Interessant könnte es deshalb sein herauszufinden, wie sich angenommene und existierende Heterostereotype zueinander verhalten. Welche Assoziationen verbinden Deutsche mit dem „russischen Bären"? In einer deutschen Wodka-Werbung im Fernsehen bedient man sich des Bildes eines sich aufbäumenden und brüllenden Bären, gefolgt vom dem Spruch: "Des Wodkas reine Seele". Kraft, Wildheit, Natürlichkeit und Natur könnten hier die Assoziationen sein, die evoziert werden sollen. Dazu wird auf subtile Weise die „Reinheit" des Getränks" mit dem Stereotyp der „russischen Seele" verbunden. In jedem Fall kann keine negative Konnotation damit verbunden sein, sonst wäre es ja nicht tauglich für die Werbung. Wahrscheinlich wäre es bei deutsch-russischen Treffen von Schülern oder auch Studenten ertragreich, solche vielschichtigen Werbungen gemeinsam zu analysieren. Hierbei können die komplexen Beziehungen von Auto- und Heterostereotypen konkret aufgebrochen und besprochen werden. Diesen Teil der Analysen von ER TEL Tc VIETH liest man mit Interesse und er regt dazu an, ihn für interkulturelle Kommunikationsprozesse zur Sensibilisierung von Studierenden auszunutzen, indem ähnliche eigene Fragen zu Stereotypen untersucht werden oder indem die Ergebnisse der Analysen der Autorin überprüft werden. , Wie oben bereits gesagt, ordnet ERTELT-VIETH alle ihre Beobachtungen in die Lakunentheorie ein und ordnet jede Erscheinung einer gewissen Klasse von Lakunen zu. Als Beispiel für eine "kulturemotive Lakune" führt die Autorin das Verhältnis von russischem Schüler und deutschen Gasteltern an. Die Abwesenheit von zu Hause gilt für die russische Mentalität als sehr schwierig bzw. fast als „tragisch" (S. 214). Das bedeutet wiederum, dass die Gastgeber aus russischer Sicht dieses Heimweh durch besonders fürsorgliches Verhalten ausmerzen müssen. Da die deutschen Gasteltern das nicht wissen, kommt es zu einem Verhalten, das den Erwartungen der russischen Gäste nicht entspricht und das als zu distanziert, zu wenig persönlich und zu wenig herzlich empfunden wird. ERTELT-VIETH beschreibt viele solcher Arten von Lakunen. Allerdings wiederholt sie an mehreren Stellen ein und dasselbe Beispiel. So wird auf Seite 214 das Beispiel der „Abwesenheit von zu Hause" erwähnt und auf Seite 254 wird noch einmal genau das gleiche Beispiel angeführt. Solche Doppelungen sind unnötig. Selbst die Überschriften der einzelnen Unterkapitel sind gleich. Beide heißen „Lakunen-Analyse". lFL11liL 36 (2007) 248 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Zusätzlich zur Lakunen-Analyse widmet sich ERTELT-VIETH einer ausführliche Symbolanalyse. Hier werden z.B. russische Wörter wie obscitel, nyj "geprächsbereit") und dobryj "gut") erklärt. Lexikalische Lakunen obscitel'nyj und dobryj. Eigenschaften, die für Russen in der Kommunikation eine besondere Bedeutung haben, werden durch die Wörter obscitel 'nyj und dobryj repräsentiert. Russen erwarten von einem echten Gesprächspartner, dass er sich öffnet, dass man eine Vertrauensbeziehung herstellt, dass man eine „gemeinsame Sprache" findet (S. 237). "Vor diesem Hintergrund ist fremd derjenige, mit dem man sich nicht unterhalten kann und umgekehrt: Jemand ist nicht mehr fremd, wenn man ihm alles sagen kann" (a.a.O.). Diese Eigenschaft scheint für einige Schüler wesentlich zu sein. Sie erwarten, dass ihre Beziehung zu ihren Austauschpartnern diesen Vorstellungen entspricht. Die Schülerin Natascha, deren Austauschbeziehung zu ihrer Partnerin Christine sich problematisch entwickelte, bemerkte in Deutschland enttäuscht, dass Christine in ihren Augen nicht geeignet war für solche „Gespräche" (obscenie). Die beiden verstanden sich nicht gut, was auch auf ihre völlig unterschiedlichen Temperamente zurückzuführen ist. Es stellt sich die Frage, ob solche Unstimmigkeiten sich nicht auch bei einem Schüleraustausch innerhalb deutscher Schüler oder z.B. zwischen Deutschen und Franzosen hätten ergeben können. Liegt es nicht an der Verschiedenheit der Menschen, die sich eben manchmal „verstehen" und manchmal nicht? Latent spielen hier die kulturspezifisch unterschiedlichen Vorstellungen von „Gast" und „Gastfreundschaft" eine Rolle, die sich mit den Symbolen obscitel 'nyj und dobryj verbinden: Gast und Gastgeber sollen aus russischer Sicht ein vertrauensvolles, freundschaftliches Verhältnis haben, der Gastgeber ist bereit, alles zu tun, damit der Gast sich wohlfühlt. Wer so handelt, ist obscitel 'nyj und dobryj. Wenn der russische Gast Abweichungen von diesen eigenen Erwartungen feststellt oder spürt, fühlt er sich unwohl und schlecht behandelt. Der russische Begriff dobryj ist damit sehr weit und kann mit dem Äqivalent „gut" nur unzureichend wiedergegeben werden. Dobryj bedeutet nicht „gut" zu sein durch moralisches Handeln im Sinne philosophischer oder religiöser Normen, sondern meint je nach Situation eine menschliche Fähigkeit, anderen Menschen Interesse entgegen zu bringen, sich ihnen im Gespräch öffnen zu können und (in einem für deutsche Vorstellungen übertriebenen Maße) gastfreundlich zu sein. Man versteht, dass das durch diese beiden Begriffe bezeichnete Verhalten, das in einem Schüleraustausch für die russische Seite im Sinne ihrer Kultur jeweils zentrale Eigenschaften markiert, den Erwartungen entsprechend nicht eingelöst wird und zu Enttäuschungen führt. Insofern ist ERTELT- VIETH Recht zu geben, dass Nataschas Enttäuschung über Christines Verhalten nicht nur eine persönliche, sondern eine kulturspezifische Dimension hat. Indikatoren für dieses der Gastfreundschaft widersprechende Verhalten waren aus Sicht der russischen Schülerin z. B., dass Christine ihren Tagesablauf für Natascha nicht geändert hatte, damit sie sich öfter sehen können, dass die Gastmutter sie am Abend nicht zu einem Cafe gefahren hatte, damit sie dort einmal ihre russischen Freundinnen treffen konnte, dass die Mittagessenszeit in der Familie nicht so gelegt wurde, dass man mit Natascha, auch wenn sie später kam, immer gemeinsam essen konnte usw. Ein solches Verhalten widerspricht extrem den Regeln der russischen Gastfreundschaft, und Menschen, die sich so verhalten, kann die Eigenschaft dobryj nicht zugesprochen werden. Auch wenn das exemplarisch erwähnte Verhalten auch aus deutscher Sicht kritisiert werden könnte, gibt es im deutschen Kontext Rationalisierungen und Erklärungsmöglichkeiten, durch die das Gefühl einer Verletzung des Gaststatus und einer persönlichen Beleidigung zurückgedrängt und relativiert werden könnten. Hier spielt die interkulturelle Dimension und die Verbindung mit den Bedeutungen von obscitel 'nyj und dobryj eine Rolle. Zur Relevanz der Studie von ERTELT-VIETH für die interkulturelle Kommunikation. Es ist ein Verdienst von ERTELT-VIETH, interkulturelle Entwicklungen genau zu beschreiben und zu analysieren. Wie bereits gesagt wurde, ergeben sich dadurch vielfältige Anregungen zum NachlFIL1UilL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 249 fragen und Weiterarbeiten. Ob das Lakunenmodell mit seiner vielfachen Ausdifferenzierung (mentale Lakunen, Tätigkeitslakunen, Gegenstandslakunen und weitere Unterkategorien) für solche Analysen wirklich eine bessere Basis darstellt als ethnomethodologische Zugänge, erscheint mir fraglich. Es wird eine Vielzahl von Beispielen angeführt, die das Lakunenmodell verdeutlichen sollen. Im Sinne der kontrastiven Linguistik, dass es absolute Äquivalenzen in verschiedenen Kulturen zumindest im konnotativen und assoziativen Bereich nicht gibt, könnten wohl potenziell alle Teilbereiche der interkulturellen Kommunikation als Lakunen identifiziert werden. Das wäre sicherlich nicht im Sinne von ERTELT-VIETH. Sie zeigt aber nicht die Grenze auf, von der ab es keinen Sinn mehr machen würde, zwischensprachliche Phänomene als Lakunen zu identifizieren. Positiv zu beurteilen ist, dass diese Studie die interkulturellen Wahrnehmungsprozesse sehr konkret und ausführlich darstellt. Es wird deutlich, welche Bilder die russischen Schüler vom Gegenüber und auch von sich Selbst haben. ERTELT-VIETH kann zeigen, wie die Erfahrungen während des Austausches die Bilder und damit die interkulturelle Kommunikation verändern. Leider ist das Buch einerseits durch eine Überfrachtung mit theoretischen Ausführungen, andererseits durch eine teilweise breite Darstellung von Nebensächlichkeiten nicht einfach zu lesen, so dass es wahrscheinlich nur wenige interessierte Experten auf dem Gebiet der Russistik und der interkulturellen Kommunikation erreichen wird. Das ist bedauerlich, denn die von ERTELT-VIETH zusammengetragenen Erkenntnisse für den deutsch-russischen Sprach- und Kulturkontakt decken Besonderheiten nicht nur der russischen, sondern auch der deutschen Kultur auf, und man würde sich wünschen, dass diese Erkenntnisse auch von einem breiteren Publikum rezipiert würden. Essen RUPPRECHT S. BAUR Frauke INTEMANN, Frank G. KÖNIGS (Hrsg.): Ach/ texte - Didak-Tick der modernen, unmodernen und außerirdischen Sprachen. Eine etwas andere Festschrift für Claus Gnutzmann zum 60. Geburtstag (und zu allen weiteren). Bochum: AKS-Verlag 2006 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; 41), XX+ 229 Seiten [25,- €] Die Institution Festschrift ist bekanntlich eine deutsche akademische Erfindung und als solche eine überaus ernsthafte Angelegenheit. Von gewissem Unterhaltungswert mögen vielleicht manche selbstdarstellungskünstlerischen Abbilder der Gelehrten sein, die den Bänden vorangestellt werden, aber sonst gibt es bei der Lektüre von Festschriften wenig zu lachen. In die daraus resultierende Publikationslücke stößt nun beherzt der hier zu besprechende Band. Die Herausgeber wünschten sich bei seiner Planung von den Beiträgern Satiren auf den Wissenschaftsbetrieb und die in ihm Tätigen. Dass mit dieser Idee gerade Claus GNUTZMANN geehrt werden sollte, ist sicherlich kein Zufallabgesehen von seiner nachgewiesenen individuellen Humorkompetenz ist er fachlich einer Sprache und Kultur verpflichtet, für die Selbstironie ein hohes Gut ist. Den Rezensenten freut's, hat er doch ein ganz anderes als sonst geartetes Vergnügen bei der Lektüre dieser Festschrift. Dieses Vergnügen ist allerdings notwendigerweise selektiv. Festschriftbeiträge werden angefordert, nicht aber aus eigenem Antrieb geschrieben, sie erfüllen einen sozialen Zweck und dürfen, wenn ein ordentlicher Band zustande kommen soll, nicht zu kurz sein. Das damit auch bei seriösen Festschriften drohende Qualitäts- und Homogenitätsproblem verschärft sich, wenn Satire gewünscht wirdnicht jeder ist ein Tucholsky und auch dieser war umso besser, je kürzer er schreiben durfte. So haben sich denn einige Beiträger aus sicherlich achtbaren Gründen dem Wunsch nach Ironie versagt und eher vergangene Gemeinsamkeiten mit dem Jubilar thematisiert. Andere entwickelten durchaus vergnügliche Ideen (Fremdsprachenunterricht im Star-Trek-Weltraum, von lFILlllL 36 (2007) 250 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Tieren für Menschen oder unter Wasser durchgeführt), die aber an Schwung verlieren, wenn sie nach allen Regeln der fachlichen Logik auf 8, 10 oder gar 27 Seiten durchkonjugiert werden. Bei allem Respekt vor dem dahinter stehenden Scharfsinn, dem Engagement und der Sympathie für den Jubilar wird sich der Rezensent in seiner folgenden Aufzählung daher auf die Beiträge beschränken, die er vollkommen subjektiv besonders amüsant findet, weil sie nicht nur eine zündende Ausgangsidee haben, sondern diese auch in vielerlei inhaltlich oder sprachlich ausgefeilten überraschenden Variationen umsetzen. Was gibt es da im Einzelnen? Eva BURWITZ-MELZER und Jürgen QUETZ parodieren den Ablauf der Rauischholzhausener Frühjahrkonferenz so punktgenau, dass hinter den fiktiven Redebeiträgen bekannte Stimmen und Gesichter von Kolleg(inn)en aufscheinen; sie selber liefern die materielle Grundlage dafür mit einem authentischen und genauso komischen Unterrichtstranskript. Friederike KLIPPEL fordert in reinster Projektantrags-Prosa eine neue präkommunikative Fremdsprachendidaktik angesichts der Tatsache, dass die Kommunikationskanäle der Schüler, verstopft durch MP3-Player, Handy-Display und Kaugummi, erst einmal in interdisziplinärer Arbeit frei geräumt werden müssen, bevor der eigentliche Fremdsprachenunterricht wirksam werden kann. Angelika KUBANEK betätigt sich als sensible Archäologin des Braunschweiger Universitätsalltags und spürt, mit der Kamera bewaffnet, allerlei lieux de memoire nach, an denen man - und wohl auch der Jubilar meist achtlos vorbeigeht: Uhren, die verschiedene Zeiten anzeigen, Schienen ins Nirgendwo und Institute, die als Bedürfnisanstalten firmieren. Der sympathische Kollege mit dem ebenso furchteinflößenden wie durchsichtigen Pseudonym „Theodericus Lupus" belegt in 38 Kurzkapiteln, von eigener Erfahrung anf allen Entscheidungsebenen der Universität gestützt, die These, dass der Universitätsroman keine fiktionale Gattung sei, sondern bestenfalls ein Sachtext, weil die Wirklichkeit, die er abbilde, viel absurder sei als dies in einem Roman jemals geschildert werden könne. Der Rezensent, der den von Lupus mehrfach zitierten Campus-Roman von Dietrich Schwanitz ebenso gut kennt wie die darin beschriebene Universität, stimmt zu. Der Romanist Manfred RAUPACH outet sich überraschend als Nordlicht und propagiert das ostfriesische Platt als optimale lingua franca für die Entwicklung von Sprachbewusstheit, Meersprachigkeit und Teesorten-Gebrauch; der Autor, der bekanntlich auch im echten Leben keinem Scherz aus dem Wege geht, reichert seine These durch eine Vielzahl von motivierenden, meist leichtverständlichen Kurztexten an. Barbara SEIDLHOFER und Henry WIDDOWSON weisen in einem elegant geschriebenen literarhistorischen Beitrag nach, dass Percy Shelley einen ägyptischen Dichter des 19. Jahrhunderts plagiiert hat, der fehlerhaftes, aber poetisches Englisch schrieb, was einerseits allerlei Reflexionen über frühe Belege von Englisch als lingua franca erlaubt, andererseits Henry Widdowson wieder einmal die Gelegenheit gibt, ein Gedicht zu verfassen. Die Darstellung ist so überzeugend, dass eigentlich nur selbst gelegte diskrete Spuren (z.B. eine italienische Autorität namens Umberto Nomerosa) den Verdacht auf eine Mystifikation im Stile von Antonia Byatts Possessed erhärten. Rüdiger ZIMMERMANN begrüßt auf Englisch einen Gastvortragenden namens Claus Gnutzmann und lässt dabei einen wahren Regen von Kalauern, Namensverdrehungen und schiefen Metaphern sowohl auf den Geehrten wie pele-mele auf die allgemeine, kognitive und angewandte Linguistik, die Psycholinguistik und die Fremdsprachendidaktik niederprasseln. Wolfgang ZYDA Tiß schließlich hat nicht weniger als ein fünfaktiges Thesen- Dramolett geschrieben, in dem ein Fremdsprachendidaktiker und eine Vertreterin der KMK über die neuen Bildungsstandards streiten. Dem Helden (offenbar Zydatiß selber) kommt zwar nach einem fulminanten ersten Akt der Humor gänzlich abhanden, dafür endet das Drama aber mit der (leider nur geträumten) Bekehrung der Funktionärin. Satire ist die Waffe des pfiffigen Schwachen gegen den tumben Starken. Wer findet sich nach Ausweis der Festschrift-Beiträge in der Rolle des Letzteren? Natürlich zunächst die üblichen Verdächtigen: die Universitäts-Verwaltung und die Ministerien für Wissenschaft und Kultus. Parodiert werden deren Emanationen in den eigenen Verwaltungsalltag: Kommissionsarbeit, JFLlllllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 251 Studiengang-Entwicklung, Projekt-Anträge und Gutachten. Zweimal wird aber auch eine Einrichtung parodiert, die die Fremdsprachenforscher selber erfunden haben, nämlich die Frühjahrskonferenz in Rauischholzhausen mit ihren teilweise bizarren Kommunikationsritualen, die breiten Raum für Ego und Grundsätzliches bieten. Verspottet werden dort wie auch in manchen anderen Beiträgen die Wissenschaftskommunikation mit ihrem der Realsatire ohnehin oft nahen Fachjargon sowie die Wissenschaftler selber. Kaum in den kritischen Blick geraten die akademische Lehre sowie die Studierenden, nur Lupus erwähnt sie kurz. Gänzlich ausgespart werden wirklich strittige oder ideologiehaltige Fachinhalte. Schade, Themen wie Frühbeginn, Interkulturalität oder die derzeit anschwellende task-mania hätten sicher Stoff für Ironie geboten. Insgesamt jedoch bietet der Band einen amüsanten Rundgang durch die Beschwernisse und Widersprüche unserer Disziplinen. Ein Schlusswort zum Jubilar selber. Er erscheint implizit oder explizit als Adressat der Beiträge, die seine Vita oder seine Forschungsgegenstände aufgreifen. Zuweilen wird er auch mit neuen Namen belegt, unter denen insbesondere der assoziationsreiche Clause Nutsman hervorsticht. Ferner findet sich, wie es der Brauch will, eine umfassende Bibliographie seiner Publikationen. Und schließlich, d.h. einleitend, gibt es sein Bild, nein, gleich zwei Bildnisse unseres Jubilars: als langhaarigen jungen Mann offensichtlich aus den 80-er Jahren, und als einen reiferen Wissenschaftler der Gegenwart. Dieses zweite Foto gehört mit zum Schönsten des ganzen Bandes: wir sehen auf ihm einen Claus Gnutzmann in sträflingshaft gestreifter Kleidung, mit Kassenbrille, misstrauischem Blick und schiefem Lächeln. Wer es schafft, sich so feiern zu lassen, hat zusammen mit seinen Herausgebern einen Sonderpreis verdient: Der Claus Gnutzmann gewidmete Band ist trotz starker Konkurrenz die fremdsprachendidaktische Festschrift mit dem schönsten Wissenschaftler-Konterfei der letzten Dekade. Applaus! Hamburg WOLFGANG BöRNER Petra PLlEGER: Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. Konzepte für die mediengestützte Wortschatzarbeit. Berlin: LIT 2006 (Kommunikation und Kulturen. Cultures and Communication, Band 3), 286 Seiten. [24,90 €] Forschungen zum bilingualen mentalen Lexikon sind nicht nur besonders komplex, sondern für Sprachlehrforscher/ -innen und Fremdsprachendidaktiker/ -innen auch besonders spannend. Nicht zuletzt, weil man sich erhofft, aus den Ergebnissen zur Organisation und Funktionsweise des mentalen Lexikons begründete Empfehlungen für die Aneignung von Wortschatz ableiten zu können. Die Verfasserin will mit ihrer Dissertation einen Beitrag zum mediengestützten Wortschatzerwerb im Fremdsprachenunterricht leisten. Ziel ist es, "in der medialen Modellierung bilingualer semantischer Netze den Aufbau des mentalen Lexikons so zu simulieren, dass der Wortschatzerwerb dadurch effizient gefördert werden kann" (S. 1). Dabei orientiert sie sich am „Plädoyer für ein theoriebasiertes Verfahren von Software-Design und Software-Evaluation" von ROCHE (2003)1. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil, der die Kapitel 1 bis 6 umfasst, geht es um das mentale Lexikon in der Sprachverarbeitung und -aneignung. PLIEGER setzt sich in Kapitel 1 zunächst mit dem mentalen Lexikon im LI-Gebrauch auseinander. Als Ausgangspunkt dient ihr das psycholinguistische Sprachverarbeitungsmodell von LEVELT, in dem der Zugang zum mentalen Jörg RoCHE: "Plädoyer für ein theoriebasiertes Verfahren von Software-Design und Software-Evaluation". In: Deutsch als Fremdsprache 40.2 (2003), 94-103. lFLuL 36 (2007) 252 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Lexikon eine entscheidende Rolle spielt. Nach einer Erläuterung der Sprachproduktions- und Sprachverstehensprozesse zeigt sie Schwachpunkte des Modells aus der L2-Perspektive auf. So schließt das Modell von LEVELT den Bereich des sog. potentiellen Wortschatzes aus, da das mentale Lexikon bei ihm kein prozedurales Wissen (z.B. zu Wortbildungsregeln) umfasst. Außerdem sind lexikalisches Wissen sowie Weltwissen (einschließlich Situations- und Diskurswissen) als getrennte Speicher deklarativen Wissens abgebildet. PLIEGER plädiert daher wie andere Autoren dafür, die strikte Modularität zugunsten möglicher Interaktion zwischen Konzeptualisator und Formulator im Zugang zum mentalen Lexikon aufzugeben. SL0BINS Konzept des Thinking for Speaking sowie LEVELTS eigene Weiterentwicklung des Modells aufgreifend schlägt PLIEGER in Kapitel 2 ein Modell des mentalen Lexikons vor, das die Schnittstellenfunktion des mentalen Lexikons zwischen Konzeptualisierung und Formulierung explizit berücksichtigt. Ziel ist es, auf diese Weise bereits im Ll -Modell kulturspezifische und sprachspezifische Anforderungen angemessen zu berücksichtigen und somit die zentrale Rolle des mentalen Lexikons in der Sprachverarbeitung und im Spracherwerb deutlich hervorzuheben. Kapitel 3 geht auf verschiedene Ansätze zu lexikalischen Konzepten im mentalen Lexikon ein. Thematisiert werden dabei sowohl die Art der mentalen Repräsentation von Bedeutung in lexikalischen Konzepten als auch die Organisationsform der lexikalischen Konzepte untereinander. PLIEGER kommt zu dem Schluss, dass das mentale Lexikon als instabile Größe zu sehen ist, das in einem weiteren Sinn des Wortsinns auch die lexikalischen Konzepte als Teilmenge des allgemeinen Konzeptwissens umfasst. In Bezug auf die Organisationsform sind die lexikalischen Konzepte nicht als isolierte Einzeleinträge repräsentiert, sondern in semantisch-konzeptuellen Netzwerken, was zur Folge hat, dass es bei einer Aktivierung stets zum Wettstreit aktivierter und mitaktivierter Knoten kommt (sog. lexikalische Wettstreit-Hypothese). Bedeutung wird relational bestimmt, also über die Verbindungen zu anderen Konzeptknoten. In den Kapiteln 4 und 5 wendet sich die Verfasserin den besonderen Bedingungen bilingualer Sprachverarbeitung zu. Kapitel 4 beschäftigt sich mit der zentralen Frage des Zugangs zum bilingualen Lexikon. PLIEGER zeigt überzeugend, dass sich die Diskussion über die Ein-Speicher- oder Zwei-Speicher-Repräsentation erübrigt und dass man von einem mehrschichtigen Netzwerk- Modell ausgehen sollte. Sie führt auch Belege für die sog. Subset-Hypothese an, die das bilinguale mentale Lexikon als ein Netzwerk mit verschiedenen Teilnetzen und Unternetzen darstellt, die auch über Sprachgrenzen hinweg gleichzeitig aktiviert werden können. Auf die Etablierung der Teilnetze haben demnach unter anderem die unterschiedlichen Bedingungen des Spracherwerbs und der Grad der Sprachbeherrschung Einfluss. Wie der Erwerb des bilingualen Lexikons abläuft, ist Thema von Kapitel 5. Im Anschluss an WEINREICHs klassische Unterscheidung zwischen koordinierter, unterordnender und zusammengesetzter Organisationsform des bilingualen Lexikons erläutert PLIEGER die Entwicklungshypothese. Diese besagt, dass sich die Organisationsformen des bilingualen mentalen Lexikons mit dem Grad der Sprachbeherrschung im Erwerbsprozess verändern, und zwar von der Wortassoziation (also unterordnender Organisation) hin zur Konzeptvermittlung (als zusammengesetzter Organisation). Unter Einbezug des Distributionsmodells und der Variable-Interconnection-Hypothese stellt die Verfasserin die wesentlichen Aspekte beim Aufbau der semantisch-konzeptuellen Repräsentationen im bilingualen Lexikon dar und benennt abschließend als Desiderat, die Entwicklungshypothese in Bezug auf die semantisch-konzeptuellen Repräsentationen im Aufbau semantischer Netze empirisch zu überprüfen. In Kapitel 6 dokumentiert die Verfasserin eine Studie, die sie durchgeführt hat, um die von ihr reformulierten Grundannahmen der Entwicklungshypothese im Licht der Wettstreithypothese zu überprüfen. Diese lautet: Der Aufbau semantischer Netze im bilingualen Lexikon ist abhängig vom Grad der Sprachbeherrschung, vom Grad der Bedeutungsdifferenz zwischen den Wörtern in L 1 und lFLwL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 253 L2 und von derArt des L2-Erwerbs. An der Untersuchung nahmen jeweils eine Gruppe deutscher und italienischer Schüler der Abiturstufe in Südtirol teil sowie als bilinguale Vergleichsgruppe eine Gruppe von Sprechern, die im Italienischen und Deutschen gleichermaßen sprachkompetent sind. Aufgrund der geringen Probandenzahl wurde die Studie als Fallstudie ausgewertet. Zur Überprüfung der Art des Aufbaus der semantischen Netze wurden vor allem freie oder gelenkte Assoziationsaufgaben gestellt, wobei hervorgehoben wird, dass diese im Gegensatz zu klassischen Wortassoziationstests auf den Aufbau semantischer Netze mit mehreren Responsewörtern zielen. PLIEGER zieht aus den Ergebnissen den Schluss, dass sie insgesamt die Entwicklungshypothese für den Aufbau semantischer Netze bestätigen. Zugleich macht sie deutlich, dass es unbedingt notwendig ist, die Entwicklungsphasen differenziert im Hinblick auf Teilbereiche des Wortschatzes zu sehen, da von einer linear fortschreitenden Entwicklung im Aufbau des bilingualen Lexikons in allen Teilbereichen nicht ausgegangen werden kann. Schade ist, dass bei der Datenerhebung die Schülergruppen stets mit den LI-Aufgaben begonnen haben und die Zeitspanne zwischen den sich teilweise überschneidenden Ll- und L2-Aufgaben sehr kurz war (etwa 10-15 Minuten). Ein induzierter Übersetzungseffekt zwischen LI- und L2-Antworten ist daher entgegen der Behauptung der Autorin auf Seite 96 nicht auszuschließen. Eine Alternative wäre gewesen, alle Gruppen zu teilen und die eine Hälfte mit Deutsch anfangen zu lassen und die andere Hälfte mit Italienisch. In Bezug auf die Zeit hätte man zwischen den Aufgabenteilen eine Bearbeitung völlig anderer Aufgaben (z.B. Rechenaufgaben) einschieben können, um eine Deaktivierung der Wortschatznetze sicherzustellen. 2 Der zweite Teil des Buches (Kapitel 7 bis 9) beschäftigt sich aufbauend auf den Ergebnissen des ersten Teils mit den didaktischen Konsequenzen für die Wortschatzarbeit. In Kapitel 7 werden Möglichkeiten erörtert, wie im schulischen Fremdsprachenunterricht Hilfestellung bei der Integration neuer Elemente in die bereits ausgeprägten Netzstrukturen geleistet werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei der lernfördernde Einsatz von ein- und mehrsprachigen Wörternetzen als Lernstrategien, verbunden mit einem reflektierten und differenzierten Rückgriff auf Vorwissen (und damit auch auf die Muttersprache der Lerner). Im Gegensatz zu NEVELING (2004) 3 richtet PLIEGER ihren Blick auf den Einsatz von Wörternetzen durch Lerner auch in der Phase der Bedeutungserschließung. In Kapitel 8 geht es um die elektronische Modellierung bilingualer semantisch-lexikalischer Wörternetze. Bereits vorhandene Konzepte und Realisierungen für semantische Datenbanken (u.a. WordNet4, EuroWordNet) entwickelt die Verfasserin im Hinblick auf die Einsetzbarkeit im Fremdsprachenunterricht schlüssig weiter. Ziel ist eine Wortschatzressource, die als Werkzeug für vielfältige didaktische Aufgabenstellungen genutzt werden kann. Besonders hervorgehoben wird, dass durch den Einsatz dieser elektronischen Ressource ein „effektiver Lernmehrwert" (S. 7, 160, 198) angestrebt wird. Im abschließenden Kapitel 9 werden Unterrichtsversuche dargestellt, in denen die von der Verfasserin entwickelten bilingualen Modell-Netze im Fremdsprachenunterricht getestet wurden. Die Unterrichtsversuche sollen durch eine Veränderungsmessung (Eingangstest, Ausgangstest und Nachtest) den Nachweis erbringen, dass mit ihnen (den elektronisch modellierten bilingualen 2 Weitere kleinere Kritikpunkte zur methodischen Vorgehensweise sind: Die Übungsarten entsprechen in der L2 nicht immer den Übungsarten in der LI, so dass sie nicht gänzlich miteinander vergleichbar sind. Des Weiteren werden Interferenzen dadurch begünstigt, dass nach mehreren Aufgaben zu Wörtern in der L2 plötzlich ein Wort in der LI angeboten wird, das einen sog. "falschen Freund" darstellt (kaltcaldo). 3 Christiane NEVELING: Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsveifahren. Tübingen: Narr 2004. 4 Frei zugänglich unter: http: / / wordnet.princeton.edu/ w3wn.html lFLlLlllL 36 (2007) 254 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel semantischen Netzen) der Wortschatzerwerb gefördert werden kann. Als Probandengruppen dienten in zwei Unterrichtsversuchen zwei Klassen einer Mittelschule bzw. eines Gymnasiums mit Deutsch (Ll) und Italienisch (L2) als Unterrichtsfach bzw. mit Italienisch (Ll) und Deutsch (L2) als Unterrichtsfach. In ihrer Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt PLIEGER, dass ein konstant ansteigender Zuwachs in der Anzahl der bekannten Bewegungsverben (vom Eingangstest bis zum Nachtest) stattgefunden hat, der statistisch hoch signifikant ist. Zu beachten ist allerdings, dass in die Untersuchung keine Kontrollgruppen einbezogen wurden. Somit bleibt fraglich, ob die elektronisch modellierten bilingualen semantischen Netze anderen Verfahren der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht überlegen sind. 5 "Zusammenfassung und Ausblick" 6 nennt die Verfasserin den letzten Teil ihrer Arbeit, in der sie auf etwa sieben Seiten die wichtigsten Inhalte nochmals darstellt und die Impulse anspricht, die davon ausgehen können. Insgesamt besticht das Buch durch eine gründliche Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen zum (bilingualen) Lexikon und eine leserfreundliche Darstellung, was bei einer so komplizierten Materie nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Den roten Faden ihrer Arbeit macht PLIEGER immer wieder deutlich durch Offenlegung der Zielsetzung am Anfang und eine zusammenfassende Darstellung am Ende jedes Kapitels. Der auf die Praxis der mediengestützten Wortschatzarbeit bezogene Teil bietet nicht nur die Entwicklung einer elektronischen Modellierung semantischlexikalischer Wortnetze, sondern auch eine empirische Überprüfung ihrer Effizienz. Auch wenn man dabei methodologische Mängel anführen kann, schmälert dies doch nicht den großen Ertrag PLIEGERs Arbeit. Wir (Fremdsprachenlehrende und -lernende) verfügen nun über eine weitere erfolgsversprechende (mediengestützte) Möglichkeit der Wortschatzarbeit. Marburg ANTJE STORK und LISANNE KLEIN GUNNEWIEK Jörg-Ulrich KEßLER: Englischerwerb im Anfangsunterricht diagnostizieren: Linguistische Profilanalysen am Übergang von der Primarstufe in die Sekundarstufe I. Tübingen: Narr 2006 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik) 315 Seiten [39,- €]. Wie weit können sich Kinder in der Fremdsprache Englisch im Anfangsunterricht der Primarstufe tatsächlich entwickeln? Angesichts der Erwartungen, die mit diesem Unterricht verbunden werden, und der Herausforderungen, mit denen sich Lernende und Lehrende in Deutschland durch den Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe konfrontiert sehen, sind fundierte Einblicke in den Prozess des Fremdsprachenlernens und in den fremdsprachlichen Entwicklungsstand gerade an dieser Schnittstelle relevant und interessant. Mit seiner Monographie möchte KEßLER einen theoretisch und empirisch fundierten Beitrag zur Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage leisten, indem er aktuelle Forschungsergebnisse der Spracherwerbsforschung reflektiert und anwendet. Dazu nimmt er in einem ersten Schritt zunächst eine systematische Zusammenstellung der Ergebnisse der fachdidaktischen Diskussion vor: Auf ein breit angelegtes und informatives Überblickskapitel, welches die Situation des Anfangsunterrichts Englisch in der Primarstufe unter dem Aspekt der sprachlichen Entwicklung analysiert, folgt die exemplarische Problemarisierung der veränderten Rahmenbedingungen für den Englischunterricht in Klasse 5. Der Autor beobachtet bei den beteiligten Lehrkräften Unsicherheiten und Vorurteile 5 Ferner gibt es auch kleine Abweichungen zwischen den Untersuchungsdesigns in den beiden Unterrichtsversuchen, so dass diese nicht ganz vergleichbar sind. 6 Im Inhaltsverzeichnis wurde dieser Teil leider vergessen. FLUJL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 255 „hinsichtlich der Einschätzung, was der Englischunterricht in welcher Schulform realistischerweise leisten kann und leisten soll" (S. 57). Die Fachdidaktik sieht er daher in der dringenden Pflicht, sich der Übergangsproblematik gerade mit Blick auf die Leistungsmessung zu widmen. Besondere Bedeutung misst er in diesem Zusammenhang der Definition eines theoretisch und empirisch fundierten ,Übergangsprofils' zu, welches den für Kinder in der Primarstufe erreichbaren Sprachentwicklungsstand Kinder verlässlich festlegt. Dieser Aufgabe widmet sich der Autor in einem zweiten Schritt, in dem er seine Arbeit theoretisch in den Rahmen der Zweitsprachenerwerbsforschung einordnet und dabei zugleich die Notwendigkeit und das Potential einer engeren Verzahnung von Fachdidaktik und Spracherwerbsforschung eindringlich verdeutlicht. Dem Leser eröffnet sich dabei ein differenzierter Einblick in die Entwicklung dieser teils kooperierenden, teils konkurrierenden Forschungsbereiche mit ihren spezifischen Zielsetzungen. Der Verfasser selbst geht für seine weiteren Untersuchungen von der Prämisse aus, "dass (zumindest für Englisch als L2) präzise formulierte und theoretisch abgesicherte Entwicklungssequenzen für den schulischen Erwerb ausgewiesen sind" (S. 174) und dass mit der von PIBNE- MANN formulierten Processability Theory ein Forschungsrahmen vorliegt, "der es ermöglicht, die aktuelle Kompetenz von Fremdsprachenlernern unabhängig von deren individueller Erwerbssituation zu erklären" (S. 169). So setzt der Autor insbesondere sechs empirisch identifizierbare Entwicklungsstufen für Englisch als L2 voraus, die auch durch Unterricht in ihrer Abfolge nicht verändert werden können. Für jede dieser Stufen werden dabei konkrete Strukturen beschrieben, die ein Lerner kreativ und nicht nur formelhaft produzieren kann. Vor diesem Hintergrund untersucht der Autor nun empirische Sprachdaten von Grundschulkindern, die ca. 145 Stunden Englisch-Anfangsunterricht erhalten haben. In seiner Analyse kommt er zu dem Schluss, dass die Kinder die theoretisch vorhergesagte Erwerbssequenz tatsächlich durchlaufen und dabei die Stufen 2 bzw. 3 erreichen: Syntaktisch können die Lernenden auf Stufe 1 beispielsweise Ein-Wort Sätze und auswendig gelernte Formeln verwenden, auf Stufe 2 erste Sätze nach dem SVO-Muster bilden und auf Stufe 3 dem SVO-Muster andere Wörter voranstellen. Damit ist so KEßLER - "ein empirisch fundiertes Übergangsprofil" für den Übergang zwischen Primar- und Sekundarstufe I definiert (S. 101). Nach Einschätzung des Autors wäre es zudem möglich mit vertretbarem Zeitaufwand festzustellen, inwieweit einzelne Kinder diesem Übergangsprofil auch tatsächlich entsprechen. Diese Aufgabe könne hinreichend zuverlässig von Testleitern übernommen werden, die ihrerseits nur eine relativ kurze Einweisung in ein entsprechendes computergestütztes Schnellverfahren benötigten. Zum Nachweis führt der Autor die Ergebnisse einer entsprechenden Studie an. Der Verfasser kommt so zu konkreten Vorschlägen, wie die Bedingungen für das Englischlernen im Anfangsunterricht vor dem Hintergrund der von ihm dargestellten Forschungsergebnisse noch verbessert werden könnten. Voraussetzung dafür sei zunächst, dass Lehrkräfte um die Qualität des Spracherwerbsprozesses wissen, die Anstrengungen ihrer Schülerinnen und Schüler bei der aktiven Entwicklung ihrer Lernersprache würdigen und die Analyse letzterer zur individuellen Förderung nutzen. Um die Lernenden dabei in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Regelmäßigkeiten in der Fremdsprache zu erkennen, müsse ihnen die Lehrkraft stets eine zielsprachenorientierte, nicht simplifizierte Variation dieser Sprache anbieten. Die Schülerinnen und Schüler bei ihrem individuellen Entwicklungsstand abzuholen, bedeutet für KEßLER konkret, sie in kommunikative Aufgaben einzubinden und ihnen so zu ermöglichen, die damit verbundenen Herausforderungen mit den ihnen entsprechend ihres Entwicklungsfortschritts zur Verfügung stehenden Mitteln zu bewältigen. Mit seinem Buch eröffnet KEßLER insgesamt einen breiten und informativen Einblick in den Prozess des Fremdsprachenlernens im Anfangsunterricht aus der Perspektive der SpracherwerbsforlFLllL 36 (2007) 256 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel schung. Er erweitert damit die theoretische und empirische Grundlage, auf der sich der Leser mit gutem Gewissen der Aussage des Autors anschließen kann: "Guter Fremdsprachenunterricht in diesem Sinne lässt dem Lerner möglichst viel Raum, mit der Sprache kreativ umzugehen und neue Strukturen auszuprobieren" (S. 280-281). · Dresden ANDREAS MARSCHOLLEK Stefan ETTINGER, Manuela NUNES: Portugiesische Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch filr Fortgeschrittene. Hamburg: Buske 2006, 152 Seiten. [12,80 €] Dieses für fortgeschrittene Studierende des Portugiesischen konzipierte Wörter- und Übungsbuch' "vale a pena" (ist lohnenswert, die Mühe wert) und lehrt uns, wie man beim Lernen von Redewendungen „arrega~a as mangas" (die Ärmel hochkrempelt) kann. ETTINGER und NUNES präsentieren 250 Redewendungen, die im heutigen Portugiesisch - und zwar sowohl in Portugal als auch in Brasilien gut bekannt seien, keine ausgeprägten regionalen Besonderheiten aufwiesen und der mittleren Stilebene entnommen seien. Wir wollen den Autoren auf keinen Fall „pisar no pe" (auf den Fuß treten), aber „ficamos com a pulga na orelha" (wir bezweifeln) ihre Aussage (S. 7 und 8), dass in der Sammlung der Redewendungen das Portugiesische Portugals mit dem Portugiesischen Brasiliens „fica em pe de igualdade" (auf gleichem Fuß steht). Wenn man die Redewendungen näher analysiert, stellt man nämlich fest, dass etwa zehn Prozent der Redewendungen ausschließlich für das Portugiesische Portugals gilt, wie z.B. Nr. 22 „ser uma barra (em qualquer coisa)", Nr. 11 „ir aos arames", Nr. 27 „fazer bicha", Nr. 42 „ser resves Campo de Ourique" und Nr. 94 "estar com/ ter um grao/ um graozinho na asa". Folgende Kriterien für die Auswahl der Redewendungen werden von den Autoren genannt (vgl. S. 8): Die Redewendungen beziehen sich auf allgemeine menschliche Verhaltensweisen oder spiegeln in allen europäischen Sprachen bekanntes jüdisch-christliches Gedankengut wider. Sie geben einen kleinen Einblick in die portugiesische Lebensweise und illustrieren typische landeskundliche Ereignisse und Tatsachen; des Weiteren findet auch der feine portugiesische Humor in den ausgesuchten Redewendungen seinen Niederschlag. Mit den Termini im Bereich der Phraseologie gehen ETTINGER und NUNES pragmatisch um und verwenden die Bezeichnungen „Redensarten", "Redewendungen", "Phraseologismen" sowie "phraseologische Einheiten" ohne terminologische Unterscheidung: "Bei der zurzeit noch herrschenden geradezu ,chaotischen terminologischen Vielfalt' dürfte terminologische Toleranz angesagt sein" (S. 18). Das Buch gliedert sich in vier Teile: 1. Hinweise für die Benutzung, II. Wörterbuchteil, III. Quiz- und Übungsteil und IV. Schlüssel. Die Hinweise für die Benutzung nehmen mit 55 Seiten einen breiten Raum ein. Die Verfasser beschreiben hier zunächst Zielgruppe und Lernziele. Nach ETTINGER und NUNES stellen Redewendungen beim Erwerb einer Fremdsprache „gleichsam ,das Tüpfelchen auf dem i '" (S. 8) dar. Lerner sollten ihr Augenmerk aus pragmatischen Gründen zunächst auf den Erwerb rezeptiver Kenntnisse richten und erst später eine produktive Beherrschung anstreben. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, dass „Redewendungen der Sprache ,Würze' verleihen" und „dass man ein guter Koch sein muss, d.h. eine Sprache gut sprechen muss, wenn man richtig würzen will, d.h. Redewendungen richtig im Kontext verwenden will" (S. 9). Unter dem Titel "Portugiesische Redensarten" wurde das Buch bereits in reduzierter Form im Jahr 1992 veröffentlicht. lFlLlllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 257 Anschließend gehen die Autoren darauf ein, wie man die Redensarten mit dem Lehrbuch lernen soll. Folgende Vorgehensweise wird empfohlen: 1. Schrittweise (jeweils ca. 7 bis 8 Redewendungen einer Buchseite) und sorgfältige Aneignung der 250 Redewendungen. Dabei sollten alle unbekannten Wörter sowie die Erläuterungen zu den Redewendungen gründlich erschlossen werden, um die jeweilige bildliche Dimension der Redewendung zu verstehen; 2. Testen des Erlernten mit entsprechenden Quizübungen (Multiple-Choice-Aufgabep). Bei einer Wiederholung der Übungen wird empfohlen, die Aufgabenstellungen der Übungen zu lesen, die Lösungsvorschläge zu verdecken und zu versuchen, allein aus dem Kontext heraus die passende Redensart zu finden (produktive Anwendung). Ein weiteres Unterkapitel widmet sich Wissenswertem zur Phraseologie. Redewendungen werden von Sprichwörtern abgegrenzt, da bei diesen das Verb nicht in verschiedenen Personen und Zeiten konjugiert werden kann. Nach einigen Anmerkungen zur Terminologie und Etymologie wird die Anordnung der Redensarten thematisiert. ETTINGER und NUNES weisen darauf hin, dass sich für didaktische Zwecke eine systematische Anordnung der Redewendungen nach Schlüssel-, Leit- oder Oberbegriffen (sog. ideographische Gliederung) durchzusetzen scheint, dass sich allerdings für ihre lexikographische Umsetzung zahlreiche Probleme ergeben, die bislang kaum zufriedenstellend gelöst werden konnten (S. 21). Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass die Verfasser für die Gliederung ihres Bandes auf das alphabetische Prinzip zurückgreifen. Ein knapper Forschungsüberblick(auf acht Seiten) ermöglicht dem Leser einen schnellen Überblick über ein- und zweisprachige phraseologische Wörterbücher des Portugiesischen sowie über wichtige, aktuelle wissenschaftliche Publikationen der vergangenen 30 Jahre zur Phraseologie des Portugiesischen, wobei besonders die Arbeiten von SCHEMANN, von HUNDT und von NUNES hervorgehoben werden 2 • Im Abschnitt „Wie lernt und verwendet man fremdsprachige Redewendungen? " weisen die Autoren ausdrücklich daraufhin, dass ein selbstständiges Weiterlernen über die im Buchangebotenen 250 Redewendungen hinaus unbedingt erforderlich ist, um phraseologieintensive Texte.sowie Alltagsgespräche rezeptiv und produktiv zu bewältigen. Sie fordern daher, dass sich der Lernende selbst zum „Amateurlexikographen" ausbildet (S. 29). Dabei nehmen sie eine Unterscheidung zwischen rezeptiven und produktiven Kenntnissen vor. Während eine hohe und umfassende rezeptive Kompetenz erforderlich sei, sollten die produktiv zu verwendenden Phraseologien im Hinblick auf die individuellen Sprechabsichten und Sprachkenntnisse des Lerners ausgewählt werden. Nützlich für den weiteren Aufbau der phraseologischen Kompetenz im Portugiesischen sei der Einsatz von Suchmaschinen im Internet (z.B. www.google.pt bzw. www.google.com.br oder www.sapo.pt). Vorgestellt wird des Weiteren-in Anlehnung an andere von den Autoren verfasste Lehrbücher für das Deutsche und das Französische ein phraseologisches Arbeitsblatt, das in stark formalisierter Form dem Nichtmuttersprachler Erschließungsmöglichkeiten beim Erarbeiten portugiesischer Redewendungen bietet. Folgende Eintragungen sind vom Lernenden vorzunehmen: 1. Zuordnung eines Schlüsselbegriffs, 2. Zitat der ausgewählten Redewendung im Kontext, 3. Umschreibung auf Portugiesisch und/ oder Deutsch, eventuell deutsche phraseologische Entsprechung, 4. grammatische Restriktionen, 5. klassematische Restriktionen bzw. Verwendungsweisen, 6. Angaben zur Stilebene bzw. Registermarkierung, 7. Angaben zur Frequenz, 8. Gebrauchsbedingungen (Wer? , zu wem? , Wann? , Wo? , mit welcher Absicht? ), 9. Gesten und Mimik, 10. Etymologie bzw. sonstige Bemerkungen. Empfohlen wird, das Arbeitsblatt bei den ersten 30 bis 50 Beispielen sehr sorgfältig auszufüllen; später genüge es, nur das Wesentliche hervorzuheben. Das 2 Für eine aktuelle Ergänzung vgl. Heft 27.2 (2006) der Zeitschrift „Linguistik online" zum Thema „Neue theoretische und methodische Ansätze in der Phraseologieforschung", herausgegeben von Erla HALLENSTEINS- DÖTTIR und Ken FAR . JFL111l, 36 (2007) 258 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel dreiseitige Arbeitsblatt kann auch als PDF-Datei im DIN A4-Format kostenlos von der Homepage des Buske Verlages heruntergeladen werden unter der folgenden Internetadresse: http: / / www. buske.de/ download/ Ettinger_Nunes/ Arbeitsblatt_Port-RW.pdf. Der erste Teil mit Hinweisen für die Benutzung wird abgeschlossen durch eine elf Seiten umfassende Auswahlbibliographie, die in vier Teile gegliedert ist: A. Wörterbücher, B. Lernsammlungen, C. Phraseodidaktische Arbeiten, D. Arbeiten zur Lexikographie und Phraseologie. Abgerundet wird sie durch den Hinweis auf die beiden umfangreichen Bibliographien der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und von Euralex, die im Internet abrufbar sind unter http: / / kollokationen.bbaw.de sowie unter http: / / www.euralex.org. Der Wörterbuchteil bietet 250 Redewendungen mit folgenden Angaben: Nummerierung, Nennung der portugiesischen Redewendung (dabei wird gegebenenfalls auf synonyme Redewendungen sowie vereinzeltauf Gesten hingewiesen, die üblicherweise in Verbindung mit dieser Redewendung verwendet werden), Umschreibung auf Portugiesisch, Umschreibung auf Deutsch, eventuell äquivalente Redewendung auf Deutsch, Angabe der entsprechenden Frage im Quizteil. Die Ordnung erfolgt alphabetisch nach dem ersten Substantiv; ein (typischer) Kontext, in dem die Redewendung vorkommt bzw. vorkommen kann, wird nicht gegeben (was allerdings im Quiz- und Übungsteil nachgeliefert wird). Der Quiz- und Übungsteil enthält zu jeder Redensart (allerdings sinnvollerweise nicht nach dem Alphabet geordnet) eine Multiple-Choice-Übung, in der in einen vorgegebenen Kontext die jeweils passende Redewendung eingesetzt werden soll. Die Übungen zielen somit eher auf eine rezeptive Beherrschung der Redewendungen ab. Folgt man den didaktischen Empfehlungen von ETTINGER und NUNES, so werden nach dem Einprägen von jeweils sieben bis acht Redewendungen die entsprechenden Übungen durchgeführt. Der Lerner soll sich im Wörterbuchteil die entsprechenden Nummern der Quizfragen notieren und dann (möglichst in einer anderen Reihenfolge) beantworten. Allerdings ist hierbei die Gefahr groß, dass der Lerner die richtige Antwort allein dadurch errät, dass ihm die betreffende Redewendung bekannt vorkommt, da er ja weiß, welche sieben bis acht Redewendungen überhaupt nur nachgefragt werden können. Deshalb wäre es u. E. ratsam, in weiteren Lerndurchgängen Wiederholungen aller bisher gelernter Redewendungen einzubeziehen. Der Lösungsteil bietet in einer Übersicht Hinweise auf die Antworten zu den Quizfragen sowie Verweise aufjene Texte, in denen die anderen zur Auswahl stehenden Redensarten zu finden sind. Zudem wird die Register-Nummer der richtigen Redensart im Wörterbuchteil angegeben, so dass der Lerner die Bedeutung der Redensart noch einmal nachschlagen kann. Das Wörter- und Übungsbuch zu portugiesischen Redewendungen präsentiert insgesamt eine Fülle an Informationen in leicht verständlicher und leserfreundlicher Form. Besonders hervorzuheben ist die sehr gute didaktische Anleitung sowohl zum Umgang mit dem Buch als auch insbesondere zum Weiterlernen im Bereich der Phraseologie. Der Portugiesischlerner wird damit nicht allein gelassen, sondern erhält mit dem didaktischen Arbeitsblatt ein sinnvolles Werkzeug an die Hand. Allerdings sollte gekennzeichnet sein, welche Redewendungen ausschließlich in Portugal oder ausschließlich in Brasilien gebraucht werden. Des Weiteren wären graphische Illustrationen, die die metaphorische Bedeutung einzelner Redewendungen aufgreifen auch vom lernpsychologischen Standpunkt aus gesehen wünschenswert. Sie könnten den Vorgang des Verstehens und des Einprägens erleichtern und den starren Aufbau des Wörterbuch- und Quizteils auflockern. Wir hoffen, dass das Ziel der Autoren, nämlich Appetit zu machen auf eine weitere Beschäftigung mit portugiesischen Redewendungen, erreicht wird und dass der Leser dabei „nao entregue os pontos" (nicht aufgibt, ihm die Luft nicht ausgeht). Marburg LJSANNE KLEIN GUNNEWIEK und ANTJE STORK lFlLlllllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 259 Jose Maria DOMINGUEZ, Miguel V ALLE: Spanische Üburtgsgrammatik far Fortgeschrittene mit Lösungsschlüssel. 3., überarb. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2006, 201 Seiten [17,80 €] Die dritte überarbeitete Auflage der 1994 erstmals publizierten Übungsgrammatik bietet vor allem eine Sammlung klar strukturierter, aber nicht kontextuell eingebundener Grammatikübungen, deren Lösungen im Anhang des Buches zu finden sind. Die 28 Kapitel sind nach grammatischen Phänomenen unterteilt und werden von ausgesprochen knappen aber treffsicheren Grammatikerläuterungen eingeleitet. Die Autoren erklären den Minimalismus der größtenteils auf Spanisch verfassten Grammatikerklärungen mit einem Verweis auf die beiden, im gleichen Verlag erschienenen Basiswerke Spanische Übungsgrammatik für Anfänger I und II, deren Ausführungen zur Grammatik sie als weitgehend bekannt voraus setzen. Verwunderlich erscheint in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich im Kapitel zu den Vergangenheitszeiten kein Hinweis auf die höchst unterschiedliche Frequenz des preterito perfecto in Spanien und Lateinamerika findet. Sehr kompakt, aber in diesem Fall vollkommen ausreichend sind die Ausführungen zum Gebrauch des preterito imperfecto (einleuchtend die Erklärung des imperfecto als "Ambientador de una acci6n terminada") gehalten. Insgesamt beweisen die Autoren ein profundes Wissen um alle Fallstricke, die das Spanische für den deutschen Sprachlerner bereithält. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Integration von Kapiteln, die in anderen Grammatiklehrwerken oftmals nur kursorisch behandelt werden, wie feste Redewendungen, Konjunktionen und Wortbildungsmuster. Interessant erscheint auch die ausführliche Aufstellung der Verben, die im Spanischen einen anderen grammatischen Fall bzw. eine andere Präposition als im Deutschen erfordern. Der Übungsteil zu den einzelnen grammatischen Phänomenen enthält bis zu 14 ein- und zweisprachige Übungsformen, unter denen sich auch in fast allen Kapiteln eine Übersetzungsaufgabe befindet. Sehr übersichtlich aufgebaut ist das Kapitel zu Prosodie und Rechtschreibung, in dem auch ein Abschnitt den Streitfällen im Bereich der Zusammen- und Getrenntschreibung gewidmet ist. Zusätzliches Übungsmaterial u.a. zum oftmals vernachlässigten Kapitel der Interpunktion bietet das Kapitel Ejercicios suplementarios, dessen Aufbau allerdings keiner inneren Logik zu folgen scheint. Bedauerlich ist, dass diese übungsgrammatikfar Fortgeschrittene auf Grund des fehlenden Index als Nachschlagewerk für Zweifelsfälle nur bedingt zu gebrauchen ist. Geeignet erscheint sie vor allem für weit fortgeschrittene Lerner zum selbstständigen Vertiefen einzelner Grammatikaspekte und als Zusatzmaterial in Kursen an Dolmetscherinstituten und in sprachpraktischen Übungen an Universitäten. Für den Einsatz an allgemein bildenden Schulen und Volkshochschulen bietet sich das Buch wegen der fehlenden kontextuellen Einbettung der Übungen und der sprachlich anspruchsvollen spanischen Grammatikerklärungen weniger an. Kassel SABINE WOLF-ZAPPEK Eva NEULAND (Hrsg.): Variationen im heutigen Deutsch: Perspektivenfar den Sprachunterricht. Frankfurt/ M.: Peter Lang 2006 (Sprache - Kommunikation - Kultur, Soziolinguistische Beiträge; Band 4), 565 Seiten [78,- €] Der Titel des vorliegenden Sammelbandes ruft gemischte Gefühle hervor. Einerseits fragt man sich, ob es über einen so allseitig erforschten Bereich wie ,Variationen im heutigen Deutsch' noch etwas Neues zu sagen ist, andererseits macht die Ankündigung ,Perspektiven für den Sprachunterricht' gespannt auf das umfangreiche Buch. Das Erscheinen eines solchen Bandes lag schon seit langem in der Luft: auf zahlreichen Konferenzen, die den Problemen der Germanistik im In- und Ausland gewidmet waren, wurden die Fragen der Variationen und ihrer Relevanz für den Deutschunterricht aufgeworfen. Und man soll der Herausgeberin, die in ihrer Person beide Forschungsrichtungen lFLlllL 36 (2007) 260 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel vertritt, besonders aus der Sicht der Auslandsgermanistik danken, dass sie sich dieser/ Aufgabe angenommen hat, und zugleich auch gratulieren, dass es ihr gelungen ist, eine derart brette Palette von Aspekten dieser Thematik in einem Buch zu vereinen. Ein Sammelband von diesem Umfang ist in einer Rezension von wenigen Seiten nicht/ im Detail zu besprechen, so dass es bei einer kurzen Vorstellung der Beiträge bleiben muss. Das Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil "Sprachenvielfalt und Mehrspraehigkeit") werden allgemeine Probleme der Sprachpolitik in Europa und des Sprachunterrichts für den mehrsprachigen Lerner behandelt. Diesen Teil eröffnet der Artikel von G. Lüm über die Sprachenvielfalt-und Mehrsprachigkeit in Europa und deren Konsequenzen für Sprachpolitik und Sprachunterricht. Der Autor vertritt die Meinung, dass die von Medien und zahlreichen Meinungsträgern und sogar Sprachwissenschaftlern propagierte Konzentration aller Kräfte auf den Erwerb einer lingua franca - und zwar des Englischen "Euro-English") die Sprachenvielfalt hochgradig gefährdet. Einer solchen negativen Entwicklung in der Sprachenpolitik kann nur durch eine europaweite Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit begegnet werden. Kommunikationskompetenz in drei Sprachen sollte für alle Schulabgänger die Zielsetzung sein. D. WOLFF geht in seinem Beitrag „Mehrsprachigkeit, Spracherwerb und Sprachbewusstheit" auf die allgemeinen Probleme des Spracherwerbs einer zweiten oder weiteren Sprache ein, behandelt die durch Migration entstandene Mehrsprachigkeit, andere Formen der individuellen Mehrsprachigkeit und ihren Stellenwert in der Fremdsprachendidaktik. Der Autor bestätigt noch einmal die allgemein bekannte Erkenntnis, dass Mehrsprachige bessefeSprachlerner sind als monolinguale Sprecher; man sollte dieses Potenzial stärker im Fremdsprachenunterricht nutzen. G. LIST behandelt auf dem Hintergrund der psychologischen Forschung über den Primärspracherwerb die spezifische Lernbereitschaft der Kinder aus zugewanderten Familien und die Notwendigkeit, sie in vorschulischen Bildungseinrichtungen für Schulunterricht in der deutschen Sprache vorzubereiten. Die Aufgabe der bildungspolitischen Institutionen in Deutschland ist es, dafür zu sorgen, dass bereits in vorschulischen Einrichtungen gezielt Bildungsarbeit bei der Förderung mündlicher Literalität geleistet wird. Nur so kann das Ziel erreicht werden, die Kinder aus zugewanderten Familien auf „gute Deutschkenntnisse" zu verpflichten, ihnen gute Ausbildung zu vermitteln. Im letzten Artikel dieses Teils liefert J. ROCHE Überlegungen zur natürlichen Mehrsprachigkeit als Mittel der Integration. Der Beitrag stellt dar, worin die natürliche (muttersprachliche) Mehrsprachigkeit der Kinder besteht, wie sie gefördert werden und wie sie sich zu einer (fremdsprachigen) Mehrsprachigkeit weiter entwickeln kann. Der Autor zeigt das Potenzial der natürlichen Mehrsprachigkeit, das im wesentlichen ungenutzt beim Fremdsprachenerwerb bleibt, behandelt die Sprachvariation als Ausdruck innerer Mehrsprachigkeit und ihre Rolle bei Spracherwerb und Sprachvermittlung. Der zweite Teil "Norm, Variation und Wandel im heutigen Deutsch: Ausgewählte Gegenstände") ist in acht Unterteile gegliedert, die außer den traditionellen Themen der sprachlichen Varietäten auch einige neue Themenbereiche behandeln, wie z.B. Sprache in der Literatur - Literatursprachen, Variation und Wandel in gesprochener und geschriebener Sprache, Norm und Variation in der Grammatik. Im ersten Unterteil behandeln vier Autoren die allgemeinen Probleme der nationalen Varietäten. U. AMoN führt in die Thematik ein, gibt einen fundierten Überblick über die allgemeinen Fragen der nationalen Standardvarietäten in deutschsprachigen Ländern, erläutert die grundlegenden Termini „sprachliche Varietäten", Varianten, Variablen, onomasiologische-semasiologische Variation, bespricht ausführlicher die Funktionen und die Rolle der nationalen und regionalen Variation des Standarddeutschen, führt Beispiele an und stellt das Variantenwörterbuch (WWB) des Deutschen vor. Der Artikel eignet sich besonders gut auch für Laien als Einstieg in das Thema. Für DaFler aktuell ist der darauf folgende Artikel „Deutsche Standardsprache und Registervielfalt im DaF-Unterricht", in dem M. DURELL seine auf zahlreichen Symposien zum Ausdruck gebrachte lFlL1.IIL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 261 Überzeugung bekräftigt, dass die Standardsprache nicht die Grundlage des DaF-Unterrichts bilden sollte. Da „die Gebrauchsnormen der alltäglichen Sprechsprache auch gebildeter Muttersprachler markant von den kodifizierten Normen der Hochsprache abweichen" (S. 112), plädiert der Autor dafür, im DaF-Unterricht das gesprochene Deutsch als sprachliches Register zu vermitteln. Die Diskussion über die Einstellung zur sprachlichen Variation im Deutschen und zur sprachlichen Erscheinungsform, die dem Deutschunterricht für Ausländer zu Grunde gelegt werden soll, ist nicht neu. Jeder erfahrene Deutschlehrende weiß und vermittelt seinen Schülern, dass man nicht so „spricht wie man schreibt". Die Beispiele zur Varietät des gesprochenen Deutsch, die der Autor zur Verdeutlichung seiner Ausführungen anführt, sind bekannt und werden im DaF seit der kommunikativen Wende teilweise auch in den Lehrwerken berücksichtigt. Die Diskussion war besonders aktuell in Ost- und Mitteleuropa in der Zeit der geschlossenen Grenzen, als Deutschlernende und Deutschlehrende nicht oder nur selten in die deutschsprachigen Länder reisen durften, kein deutsches Fernsehen sehen konnten, usw. Mittlerweile wird man bei der Deutschlehrerausbildung allerdings damit konfrontiert, dass die Studienbewerber infolge ihrer Aufenthalte in deutschsprachigen Ländern nur dieses sprechsprachliche Register beherrschen und dass ihnen nunmehr die Standardsprache beigebracht werden muss. Immerhin liefert der Artikel aufschlussreiche und für den DaF-Unterricht wichtige Erkenntnisse. L. H0FER berichtet über den Erwerb der Standardsprache in der Schweiz. Dabei geht er ein auf die Fragen der Kodifizierung des Deutschen in der Schweiz, die Tradition der Erstellung von Lehrmitteln für den Deutschunterricht. Berührt werden auch Aspekte des Erwerbs und des Gebrauchs der Standardsprache in der deutschen Schweiz sowie des DaF-Unterrichts für Migrant(inn)en und Schüler(innen) in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Der letzte Artikel dieses Unterteils stammt von Ingrid KüHN und berichtet über die Varietäten Westdeutsch-Ostdeutsch. Die Autorin stellt kurz die Forschungsliteratur zu der Frage vor, gibt Beispiele von Texten, die von unterschiedlichen Kommunikationskulturen in Ost und West zeugen, und behandelt dann den Sprachgebrauchswandel in den neuen Bundesländern. Der Artikel stellt einen konzentrierten und informativen Überblick über die Problematik dar. Der zweite Unterteil ist dialektalen Varietäten und regionalen Umgangssprachen gewidmet. J. MAcHA setzt sich in seinem Artikel das Ziel, Auskunft zu Polymorphie und Dynamik des Sprachgebrauchs in Deutschland zu geben. Dargestellt werden aktuelle Veränderungstendenzen in den verschiedenen Spielarten regional geprägter Sprache sowie dj.e heutige Akzeptanz traditioneller Mundart in der Gesellschaft. N. BEREND und E. KNIFF-KüMLÖSI beleuchten die sprachliche Variation des Deutschen aus der Perspektive des Deutschunterrichts in Osteuropa. Sie gehen auf einige Aspekte des Umgangs mit Variationen ein und zeigen, welche Relevanz sie im heutigen Deutschunterricht haben bzw. haben sollten. Die Autorinnen besprechen die Situation der Variationen im Deutschunterricht in Osteuropa vor und nach der Wende, stellen die Resultate der Umfrage unter Deutschlehrer(inne)n zur sprachlichen Variation vor und versuchen anhand der Beispiele zu zeigen, welche Varianten im DaF-Unterricht in Frage kommen. Obwohl hier nur die Situation in Ungarn beleuchtet wird, lassen sich die Aussagen zweifellos für ganz Osteuropa verallgemeinern. Mit einigen Behauptungen kann man jedoch nicht ganz übereinstimmen, so etwa mit „Das Konzept der sprachlichen Variation des Deutschen war [...] in den mitteleuropäischen Ländern vor der Wende völlig unbekannt, denn weder in der Schule noch in der universitären Ausbildung wurde dem Thema der Variation, geschweige der Distinktion zwischen geschriebener und gesprochener Sprache, Beachtung geschenkt" (S. 162). Wenigstens bei uns in Litauen hat man seit Mitte der 80er Jahre versucht, dem Problem gerecht zu werden und die Variationen geschriebenes-gesprochenes Deutsch bei der Lehrerausbildung zu beachten und zu vermitteln. Der durchaus interessante und lesenswerte Artikel liefert zum Schluss auch ein kleines Programm, wie man angesichts der unbefriedigenden Lage der Behandlung von sprachlichen Variationen im DaF-Unterricht vorgehen sollte. Dem Thema der regionalen Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht ist der lFLuL 36 (2007) 262 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Artikel von E. NEULAND und R. HOCHHOLZER gewidmet. Beleuchtet wird die jüngere Geschichte des Verhältnisses der Standardsprache und Dialekte im Deutschunterricht. Es werden auch einige unterrichtliche Möglichkeiten der Einbeziehung der Dialekte in den Deutschunterricht aufgezeigt. Im dritten Unterteil "Soziolektale Varietäten, soziale Stile") werden zwei Varietäten, und zwar Frauensprache und Jugendsprache, näher vorgestellt. Eröffnet wird dieser Teil mit dem einführenden Artikel von B. HENN-MEMMESHEIMER und M. HOFER über Varietätenwahl und Lernmotivation. Betrachtet werden Beziehungen zwischen Standard und Nonstandard, Semantik von Sprechweisen und ihre Dimensionen, Unterrichtsgespräche und die Chatkommunikation in Deutschland und die darin enthaltenen Abweichungen vom Standard, sowie zwischen Werten und Lernmotivation. Als eine wichtige Konsequenz für den Unterricht schlussfolgern die Autoren, dass der Unterricht an die Lebenswelt der Schüler anknüpfen soll, auch indem Lehrer sprachliche Variationen gezielt einsetzen. Der Artikel von M. LUTJEHARMS und C. SCHMIDT behandelt das Thema Sprache und Geschlecht sowie die Relevanz der linguistischen Gender-Forschung für Deutsch als Fremdsprache. Die Autorinnen geben einen Überblick über Themenbereiche der Gender-Forschung und gehen ausführlicher auf Grammatik, Kommunikationsstile und Repräsentation der Geschlechter in DaF-Lehrwerken ein. Diese drei Bereiche scheinen den Autorinnen für die Vermittlung der Variationen des Deutschen besonders wichtig. Um Jugendsprache geht es im Beitrag von E. NEULAND. Nach einer knappen aber informativen Skizze zum Entwicklungsstand der linguistischen Jugendsprachforschung werden fachdidaktische Unterrichtsvorschläge für muttersprachlichen Deutschunterricht und für DaF-Unterricht unterbreitet und Anregungen für einen eigenständigen Unterricht gegeben. Ein in jeder Hinsicht empfehlenswerter Artikel der Spezialistin, die auf diesem Gebiet besonders ausgewiesen ist. Der vierte Unterteil behandelt situative Varietäten und funktionale Stile. Im einleitenden Beitrag erläutert U. Fix, was unter Stil zu verstehen ist, und betrachtet das Phänomen Stil unter funktionalem und pragmatischem Aspekt. Sie legt den Schwerpunkt auf die Tatsache, das Stil immer zusätzlich zum Mitgeteilten eine sekundäre, soziale Information vermittelt, was am Beispiel der Textanalysen verdeutlicht wird. Der Artikel bildet eine gute Grundlage für die weiteren zwei Beiträge des vierten Unterteils. Ausgehend von der These, dass Normen oder Sprachgebrauchsgewohnheiten sich nur auf der Textebene verdeutlichen und vermitteln lassen, widmen sich K. ADAMZIK und E. NEULAND der Linguistik und Didaktik von Textsorten und richten dabei ihre Aufmerksamkeit auf Unterrichtstexte. Sie beleuchten die Impulse der Textlinguistik für den Deutschunterricht und betrachten eingehend die neuere intensive Entwicklung der Textlinguistik, namentlich ihre Verbindung mit den variationslinguistischen Fragestellungen und Veränderungen des Textbegriffs- und Textverständnisses infolge der „digitalen Revolution". Untersucht werden darüber hinaus Unterrichtstexte (mit Beispielen aus dem Sach- und Deutschunterricht) in neueren Schulbüchern, die als Textkonglomerate bezeichnet werden. Unterrichtstexte dieser Art stellen hohe Ansprüche an die linguistische und didaktische Textkompetenz praktizierender und vor allem angehender Lehrkräfte, was nicht ohne Folgen für die Lehrerausbildung bleiben kann. Der letzte Beitrag "Stil als Ware - Variation in der Werbung") stammt aus der Feder von N. JANICH. Sie analysiert ausführlich den Stil von zwei Werbetexten mit einem Ausblick auf den Unterricht in Deutsch als Mutter- und als Fremdsprache. Thema des fünften Unterteils sind die Fachsprachen. H. R. FLUCK informiert über Fachsprachen und ihre gesellschaftliche Bedeutung, über den Fachsprachenbegriff und über Fachspracheneigenschaften. Der Autor betont die zunehmende nationale und internationale gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Fachsprachen und ihre Rolle im Sprachunterricht. Ausführlich werden die Aspekte der Beschäftigung mit Fachsprachen im Sachunterricht, im Deutschunterricht und im DaZ-/ DaF-Unterricht behandelt. D. HELLER wendet sich der Wissenschaftskommunikation zu. Der Beitrag vermittelt aus der Sicht der Auslandsgermanistik gezielte Einblicke in dieses lFL1111L 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 263 Varietätenspektrum und geht dabei insbesondere auf Konventionen des wissenschaftlichen Schreibens ein. Die Verfasserin stellt die wichtigsten wissenschaftlichen Textsorten vor und behandelt exemplarisch textsortenübergreifende sprachliche Mittel, die in wissenschaftlichen Texten verwendet werden. Dabei stützt sie sich auf praktische Erfahrungen mit italienischen Erasmusstudent(inn)en. Als Konsequenz für die universitäre Sprachdidaktik ergibt sich die Aufgabe, Konzepte zu entwickeln, die den Studierenden den Einstieg in den Universitätsbetrieb im Ausland erleichtern und die ihnen die Möglichkeit geben, an der dort praktizierten Wissenschaftskommunikation aktiv und erfolgreich zu partizipieren. J. V0LMERT befasst sich mit dem politischen Sprachgebrauch als einem aktuellen Thema für den Sprachunterricht. Der Leser bekommt einen guten Überblick über Definitionsprobleme des Phänomens ,politische Sprache', über Besonderheiten des politischen Wortschatzes, das Verhältnis zwischen der Rhetorik und der Politiksprache, der Situativität und Inszeniertheit politischen Sprachgebrauchs sowie über die Entwicklung des Umgangs mit politischem Sprachgebrauch im Deutschunterricht. Von besonderem Interesse sind die Überlegungen und Vorschläge zu Unterrichtseinheiten und Projekten in diesem Lernbereich. Der sechste Unterteil ist den Literatursprachen gewidmet. A. BETTEN behandelt Sprachstile literarischer Texte, wobei sie einen hervorragenden literaturgeschichtlichen Überblick über verschiedene Konzepte von Literatursprache bietet und dabei zeigt, wie verschiedene Sprachvarietäten an der Sprache des literarischen Textes beteiligt werden können. Für DaFler sind die Ausführungen insoweit interessant, als in diesem Bereich weiterhin häufig mit literarischen Texten gearbeitet wird. N. R. WOLF legt in seinem „Sprache als Kunst und Kunst als Spiel" überschriebenen Artikel eine faszinierende linguo-stilistische Analyse des Gedichts von C.F. Meyer „Der römische Brunnen" vor. Gezeigt wird, wie der Dichter die vielfältigen sprachlichen Möglichkeiten nutzt, um ein bestimmtes Bild zu schaffen, das eine allgemeine Bedeutung, einen symbolischen Sinn übernimmt. Unterschiede zwischen einem literarischen Text und einem Werbetext werden aufgedeckt, Spiel mit sprachlichen Mitteln am Beispiel eines Textes der experimentellen Lyrik demonstriert. Die Problematik des literarischen Übersetzens und der Sprachvariation im Deutschen bildet den Gegenstand des Beitrags von M. SIGUAN. Die Verfasserin plädiert für literarische Übersetzungsübungen oder -analysen im philologischen Fremdsprachenstudium auf der Fortgeschrittenenstufe. Sie beschreibt einige Problemkreise, die man beim Übersetzen berücksichtigen muss, und zeigt an Beispielen, dass das literarische Übersetzen eine gründliche Analyse des Textes und ein Verständnis von der sprachlichen Varianz in all ihren Dimensionen erfordert. Im siebten Unterkapitel geht es um Variation und Wandel in gesprochener und geschriebener Sprache. Ch. DÜRSCHEID grenzt die Begriffspaare gesprochene Sprache und geschriebene Sprache, Mündlichkeit und Schriftlichkeit ab und zeigt, wie sich Äußerungsformen im Kontinuum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit einordnen lassen. Auch die sprachdidaktischen Aspekte des Themas kommen nicht zu kurz. Die Autorin unterstreicht, dass es in einer Zeit des zunehmenden Wandels von Sprachgebrauch wichtig ist, das Sprach(variations)bewusstsein der Schüler zu fördern und auf die Veränderungen der sprachlichen Normen im Sprachunterricht Bezug zu nehmen. J. SCHWITALLA und R. BETZ befassen sich in ihrem Artikel mit den Ausgleichsprozessen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in öffentlichen Texten. Neben Ursachen für den verstärkten Trend von Textsorten der Öffentlichkeit zur Informalität und Mündlichkeit, werden Oberflächenunterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache beschrieben. An zahlreichen Beispielen aus Kommunikationsbereichen wie Zeitungstexte, Dialoge in Werbeanzeigen, Sprechen mit dem Anrufbeantworter, Dialoge in Fernsehserien, Kabarettrnonolog und Internet-Chats führen die Autoren die Wechselbeziehungen zwischen den Formen der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit vor. Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der SMS-Kommunikation aus der kontrastiven deutschjapanischen Sicht untersuchen P. SCHL0BINSKI und M. WATANABE. Beispiele aus beiden verglichenen Sprachen zeigen die konzeptionelle Mündlichkeit der medial schriftlichen SMS-Texte. lFLIIL 36 (2007) 264 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel "Norm und Variation in Grammatik" stehen im Zentrum des achten Unterkapitels. C. DI MEOLA setzt sich zum Ziel, am Beispiel der schwankenden präpositionalen Rektion im Deutschen die normativen Vorgaben dem realen Sprachgebrauch gegenüberzustellen. Der Artikel beeindruckt durch eine detaillierte Analyse einer breiten Materialbasis. Einige didaktische Vorschläge zum DaF-Unterricht werden ausgearbeitet. P. C0LLIANDER thematisiert Lernerprobleme bei grammatischer Variation im Deutschen aus dänischer Sicht. Zuerst stellt er die Frage, ob Sprachvariation auch im DaF-Unterricht im nichtdeutschsprachigen Raum von Interesse ist, dann definiert er das, was er unter „grammatischer Sprachvariation" versteht und bespricht im Anschluss drei Beispiele grammatischer Variation, die den dänischen Deutschstudenten Schwierigkeiten bereiten. A. GREULE behandelt das Phänomen der Parenthese als Objekt der Beschreibung von Norm und Variation im Grenzbereich von Syntax und Textgrammatik. Der dritte Teil "Norm, Variation und Wandel im Deutschen: unterrichtsbezogene Anwendungsfelder") besteht aus zwei Unterteilen. Im ersten geht es um Sprachunterricht und Sprachvermittlung. H.-J. KRUMM stellt im Titel seines Artikels die Frage, welches Deutsch der DaF-Unterricht lehren soll. Der Fremdsprachenunterricht ist auf präskriptive Normierung angewiesen, aber damit werden zwei für das Fremdsprachenlernen zentrale Aspekte außer Acht gelassen: sprachliche Kreativität und plurizentrische Orientierung. Der Autor plädiert für die Einbeziehung der nationalen und regionalen Varietäten des Deutschen in die Didaktik des DaF-Unterrichts und in die Lehrerausbildung sowie für einen Perspektivenwechsel in der Vermittlung der Fremdsprache Deutsch: eine häufig immer noch monolinguale und monokulturelle Germanistik muss sich zu einer Wissenschaft entwickeln, deren Gegenstand die deutsche Sprache in einer vielsprachigen Welt ist, deren Individuen multilinguale und multikulturelle Identitäten entwickeln. E. WERLEN behandelt die curricularen Aspekte der Mehrsprachigkeit und Sprachendidaktik. Im Einzelnen sind dies: der Paradigmenwechsel der sprachlichkommunikativen Bildung, die europäische Dimension im Bildungswesen, die fachdidaktische Position, die Konzeption von Synergien zwischen den Sprachfächern, die Konzeption von Deutsch als Leitfach und das didaktische „Instrument" eines regionalen Sprachenportfolios. W. DA VIES unternimmt den Versuch, die Rolle von Deutschlehrkräften (in Deutschland) als. Normvermittler zu beleuchten. Die Ausführungen über Normbewusstsein, Normkenntnis und Normtoleranz von Deutschlehrkräften basieren auf den Ergebnissen der vom Autor durchgeführten Umfragen. Größere Normtoleranz sollte mit einem Unterricht einhergehen, der die soziale und geschichtliche Einbettung von Einstellungen gegenüber Sprachvarianten thematisiert und reflektiert und der einen kritischen Umgang mit Normen fördert. Der Autor vertritt die Meinung, dass diese Themen auch für den DaF-Unterricht im Ausland relevant sind, weil sich der Erwerb einer Fremdsprache nicht auf den Erwerb linguistischer Kompetenz in einer Standardvarietät beschränken sollte. An diese Thematik knüpft unmittelbar der Beitrag von L KöSTER über Sprachvariation als Gegenstand der (außer-universitären) Sprachvermittlung im Ausland an. In ihrem für DaFler im Ausland lesenswerten Artikel führt die Autorin Beispiele für die Beschäftigung mit Varietäten aus der Lehrerfortbildungspraxis an und reflektiert die Berücksichtigung nationaler Varietäten in den Prüfungen des Goethe-Instituts, besonders im Zertifikat Deutsch. In den Schlussfolgerungen zeigt die Autorin eine realistische Perspektive für die Beschäftigung mit Varietäten im DaF auf, der die Rezensentin dank ihrer langjährigen Erfahrung beipflichtet: "Insgesamt wird sich in der Spracharbeit im Ausland die Beschäftigung mit Varietäten auf Information und Sensibilisierung konzentrieren" (S. 503). Das zweite Unterkapitel vereint drei Beiträge zum allgemeinen Thema Curriculum-und Lehrwerkkonstruktion. P. BEKES und E. NEULAND behandeln die Problematik Norm und Variation in Lehrwerken und im muttersprachlichen Unterricht. Überblicksartig dargestellt werden die fachdidaktischen Entwicklungen im Deutschunterricht, die heutigen curricularen Rahmenvorgaben sowie die Unterrichtseinheiten in aktuellen Lehrwerken für Mittelstufe und Oberstufe von Gymna- FLuL 36 (2007) Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher 265 sien und Gesamtschulen. F. G. KÖNIGS befasst sich mit Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit als Problem und Chance der Lehrwerkkonstruktion. Nach einer Reihe begrifflicher Klärungen werden ausgewählte, zurzeit in der Fachliteratur diskutierte lerntheoretische Strömungen vorgestellt. Im Folgenden betrachtet der Autor fremdsprachliche Lehrwerke unter dem Gesichtspunkt der Mehrsprachigkeitsdidaktik und stellt fest, dass der Befund eher unbefriedigend ist. Auf diesem Hintergrund werden konkrete Vorschläge für die Gestaltung von Lehrwerksübungen gemacht. Der Beitrag ist ein leidenschaftliches Plädoyer für das Prinzip des Einbezugs anderer vorhandener Sprachen und Sprachkenntnisse beim Weiterlernen von Fremdsprachen und liefert Ideen und Anregungen für das Gestalten des eigenen Unterrichts. Im Beitrag von T. STUDER und E. WIEDEN- KELLER geht es um das bisher kaum in der Fachliteratur diskutierte Thema „Sprachvariation und standardisierte Prüfungen". Am Beispiel des Zertifikats Deutsch (ZN) und des Zertifikats Deutsch für Jugendliche (ZN j) wird der Umgang mit den nationalen Standardvarietäten und der Jugendsprache in Prüfungstexten analysiert. Resümierend lässt sich sagen: der Band hat Handbuchcharakter und liefert eine systematische sowie umfassende Behandlung der Thematik; er bietet dem Leser die Möglichkeit, sich mit grundlegenden Erkenntnissen und aktuellen Fragestellungen im Bereich der Variationen im heutigen Deutsch und ihren Perspektiven für den Sprachunterricht vertraut zu machen. Die Autoren sind ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet. Besonders zu empfehlen ist das Buch für Auslandsgermanisten und DaF-Lehrkräfte, weil es teilweise Antworten auf viele uns bewegende Fragen gibt und uns zur aktiven Auseinandersetzung mit den besprochenen Problemen anregt. Vilnius ERNESTA RACIENE Eingegangene Bücher * ETIINGER, Stefan / NUNES, Manuela: Portugiesische Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene. Hamburg: Buske 2006, 152 Seiten.(*) HAUSMANN, Franz Josef: Collocations, phraseologie, lexicographie. Etudes 1977-2007 et Bibliographie, editees par Elke Haag. Aachen: Shaker 2007 (Wortschatz Lernen Französisch, Band 4, 198 Seiten.(**) INTEMANN, Frauke / KÖNIGS, Frank G. (Hrsg.): Ach/ texte - Didak-Tick der modernen, unmodernen und außerirdischen Sprachen. Eine etwas andere Festschrift für Claus Gnutzmann zum 60. Geburtstag (und zu allen weiteren). Bochum: AKS-Verlag 2006 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; 41), XX+ 229 Seiten.(*) KEßLER, Jörg-Ulrich: Englischerwerb im Anfangsunterricht diagnostizieren. Linguistische Profilanalysen am Übergang von der Primarstufe in die Sekundarstufe I. Tübingen: Narr 2006 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 320 Seiten. (*) LANGENSCHEIDTS e-Wörterbuch Italienisch. Italienisch-Deutsch, Deutsch-Italienisch. Völlige Neuentwicklung. Berlin 6 München: Langenscheidt 2003. NEULAND, Eva (Hrsg.) : Variationen im heutigen Deutsch: Perspektiven für den Sprachunterricht. Frankfurt/ M.: Peter Lang 2006 (Sprache - Kommunikation - Kultur, Soziolinguistische Beiträge; Band 4), 565 Seiten. (*) Das Sternchen(*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen(**) deutet an, dass eine Besprechung für den Jahrgang 37 (2008) vorgesehen ist. lFLlllL 36 (2007) 266 Neuerscheinungen • Eingegangene Bücher PLIEGER, Petra: Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. Konzepte für die mediengestützte Wortschatzarbeit. Münster [etc.]: LIT 2006 (Kommunikation und Kulturen/ Cultures and Communication; Band 3), 296 Seiten. (*) Harenberg Tageskalender. Quiz für Kids 2007. Mannheim: Harenberg Kalender- und Jahrbuchverlag 2006, 320 Blatt (640 Seiten). WILKINSON, Robert / ZEGERS, Vera / V AN LEEUWEN, Charles (eds.): Bridging the Assessment Gap in English-Medium Higher Education. Bochum: AKS-Verlag (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; Band 40), 298 Seiten. lFLlllL 36 (2007) ......._ _______ I_n_f_o_r_m_a_t_i_o_n_e_n_•_V_o_r_s_c_h_a_u _______ ___.l Der von Eva BURWITZ-MELZER (Universität Gießen) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 37 (2008) trägt den Titel „Lehren und Lernen mit literarischen Texten". Seit den Neunziger Jahren war in den Fachdidaktiken der Fremdsprachen eine zunehmende Wichtigkeit literarischer Texte zu verzeichnen, die sich zum einen niederschlug in ihrer zentralen Rolle beim Interkulturellen Lernen, zum anderen in einer verstärkten empirischen Forschungstätigkeit über fremdsprachliche Lernprozesse, die mit Hilfe literarischer Texte angeleitet werden. Die Bildungspolitik der letzten Jahre, die unter dem Einfluss des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens steht, hat diese Bedeutung in den Hintergrund treten lassen, um Standards und pragmatischere Lernziele zu propagieren. Vorgestellt werden deshalb Aufsätze, die sich mit der zentralen Rolle der Literatur im Fremdsprachenunterricht auseinander setzen, indem sie ihren Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Entfaltung der Kreativität und zur Förderung des Interkulturellen Lernens beschreiben. Mit der breiten Palette von Aspekten, die dabei in den Blick geraten, soll zugleich eine Bestandsaufnahme der Bedeutung literarischer Texte für den Fremdsprachenunterricht heute erstellt werden, wobei auf einen weiten Textbegriff zurückgegriffen wird, der auch Bilderbücher, Spielfilme, Hörspiele etc. einschließt. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Gabriele BLEU, Christiane LÜTGE (Universität Hannover): Filmbildung im Fremdsprachenunterricht: Interkulturelle Hör-Seh-Begegnungen. Lothar BREDELIA (Universität Gießen, emer.): What makes reading literary texts pleasurable and educationally significant? Eva BURWI1Z-MELZER (Universität Gießen): Literaturdidaktik heute: Eine kurze Bestandsaufnahme. Daniela CASPARI (Freie Universität Berlin): Literatur im Französischunterricht: Rückblick und Ausblick. Herbert CHRIST (Universität Gießen, emer.): Literarische Texte im Französischunterricht der Grundschule. Helene DECKE-CORNILL (Universität Hamburg): Gender studies und Literaturdidaktik. Werner DELANOY (Universität Klagenfurt): Transculturality and the Teaching of Literature. Wolfgang HAUET (Universität Gießen): Visual Culture und Literatur: Intermediale Literaturdidaktik und transmediales Verstehen. Liesel HERMES (Pädagogische Hochschule Karlsruhe): Original und Bearbeitung: Literarische Texte in der Fremdsprachenlehrerausbildung. Ann KIMES (Universität Gießen): Literatur im Englischunterricht der Oberstufe: Gesprächsanalyse einer Unterrichtseinheit zu MacBeth. Claire KRAMSCH, Michael HUFFMASTER (University ofBerkeley, California): Literature and Culture revisited. Gillian LAZAR (Middlesex University Business School, London): The teaching of literature and the internet. Eva LEITZKE-UNGERER (Universität Halle): Hörspielarbeit kreativ: Literarische Texte und Zeitungsmeldungen als Basis für Hörspielproduktionen im Fremdsprachenunterricht. John McRAE (University ofNottingham): Reading the World: Representational materials and lifelong learning. lFlLulL 36 (2007) 268 Informationen • Vorschau Emer O'SULLIVAN (Universität Lüneburg): Englischsprachige Kinder und Jugendliteratur in der Lehrerausbildung. Birgit SCHÄDLICH (Universite Paris): Reliteralisierung des schulischen Fremdsprachenunterrichts was kann die Lehrerbildung dazu beitragen? Adelheid SCHUMANN (Universität Siegen): Transkulturelle Literaturdidaktik in der Romanistik: Die Entdeckung der frankophonen Literaturen für den Französischunterricht. Kees VAN EUNEN (Goethe-Institut Amsterdam): Lesen ohne Grenzen: Das Interreg-Projekt für Deutsch als Fremdsprache. Laurenz V0LKMANN (Universität Jena): Drama und Kultur im Englischunterricht. Strategien beim Fremdsprachenlernen (koordiniert von Manfred Raupach) lFLu! lL 36 (2007) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1987-2009)* Jg. 16 (1987): Wortschatz und Wortschatzlernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 17 (1988): Übersetzung und Übersetzen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 18 (1989): Historische Sprachstufen (hrsg. von Kurt Otto Seidel) Jg. 19 (1990): Fachsprachen und ihre Vermittlung (hrsg. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 20 (1991): Grammatik und Grammatiklernen (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 21 (1992): Idiomatik und Phraseologie (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 22 (1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koord. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) Jg. 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) Jg. 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) Jg. 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) Jg. 26 (1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) Jg. 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) Jg. 28 ( 1999): Neue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) Jg. 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) Jg. 30 (2001): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) Jg. 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) Jg. 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) Jg. 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) Jg. 34 (2005): "Neokommunikativer" Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) Jg. 35 (2006): Sprachdidaktikinterkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) Jg. 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord . von Claus Gnutzmann) Jg. 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) [in Vorb.] Jg. 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (geplant, koord. von Manfred Raupach) * Bis Jahrgang 15 (1986) einschließlich erschien die Zeitschrift unter dem Titel Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fu ndierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Beiträge, die den sc hulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen 'style sheet' zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. Rosemarie Tracy Wie Kinder Sprachen lernen Und wie wir sie dabei unterstützen können 2007, X, 229 Seiten , € 19,90 ISBN 978 -3-7720-8224-5 Offensichtlich ist Spracherwerb ein Kinderspiel! In einem Alter, in dem wir Kinder nicht unbeaufsichtigt eine Straße überqueren lassen würden, erschließen sie sich zielstrebig die Strukturen ihrer Erstsprachen. Wie wir mittlerweile wissen, gilt dies nicht nur für den Erwerb einer Sprache, denn Kinder können von Anfang an mit mehr als einer Sprache aufwachsen. Auch der frühe Erwerb einer zeitversetzt hinzutretenden Zweitsprache ist ohne Risiko für die Entwicklung des Kindes möglich. Diese Kompetenzen gilt es zu nutzen, vor allem auch für die frühe Zweitsprachförderung von Kindern aus Einwandererfamilien, denen ohne ausreichende Sprachkenntnisse Bildungs- und Berufschancen verwehrt bleiben. Dieses Buch bietet anhand vieler Beispiele einen allgemeinverständlichen Überblick über den Spracherwerb im Allgemeinen und schildert die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Unterstützung frühkindlicher Mehrsprachigkeit. Verdeutlicht wird auch, welche sprachlichen Bereiche für Zweitsprachlerner problematisch bleiben, wenn angemessene Unterstützung fehlt. Das Buch liefert eine Anleitung für die gezielte Beobachtung von Kindern und eine Fülle von Anregungen für die Förderung. ISBN 9 78·3· 8 233-5957- 9 1111111 9 7 8 3 8 23 3595 7 9 NarrfranckeAttemptoVerlagGmbH +Co.KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (o 7071) 97 97-11 Internet: www.francke.de • E-Mail: info@francke.de