Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2009
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Gnutzmann Küster Schramm(Fortsetzung umseitig) Th e m e n s c hw erpunkt: S trat e gi e n im Fre md s pra c h e nunt erric ht M ANFRED R AUPACH Zur Einführung in den Themenschwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C LAUDIA R IEMER Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile und Lernstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 G ÜNTER N OLD Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 F RANZ -J OSEPH M EI ß NER , S TEFFI M ORKÖTTER Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 B ARBARA S CHMENK Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 W OLFGANG T ÖNSHOFF Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“. Inhalte, seminarmethodische Verfahren, Erfahrungen aus der Fortbildungspraxis . . . . . 89 K AREN S CHRAMM Sprachlernstrategieplakate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 L OTHAR B REDELLA Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D IETER W OLFF Strategien im bilingualen Sachfachunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 A NDREA R ÖSSLER Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 38. Jahrgang (2009) Herausgegeben von Claus G NUTZMANN , Frank G. K ÖNIGS , Ekkehard Z ÖFGEN Koordination des Themenschwerpunktes Manfred R AUPACH Internet: www.narr.de | Z EITSCHRIFTEN | 38 (2009) B ERND R ÜSCHOFF Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen zur Förderung sprachlicher und strategischer Kompetenz im Fremdsprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Nic ht-th e m ati s c h er T e il M ICHAEL P ÄTZOLD Looking at an endangered species ? The latest family of bilingual English-German, German-English print dictionaries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Pro und Contra: Fre md s pra ch e nunterricht - vor alle m bildung s orie ntiert ? 234 Bu c hb e s pre c hun g e n R e z e n s io n s artik e l Johannes E CKERTH , Sabine S IEKMANN (eds.): Task-Based Language Learning and Teaching. [...] Frankfurt/ M.: Lang 2008 (A NDREAS M ÜLLER -H ARTMANN ) . . . . . . . . . . 236 Hélène M ARTINEZ : Lernerautonomie und Sprachenlernverständnis. Eine qualitative Untersuchung [...]. Tübingen: Narr 2008 (R ALF W ESKAMP ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Barbara S CHMENK : Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs. Tübingen: Narr 2008 (R ALF W ESKAMP ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Gabriele B LELL , Rita K UPETZ (Hrsg.): Fremdsprachenlehren und -lernen. Prozesse und Reformen. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2008 (N ADINE S ALDEN -F ÖRSTER ) . . . . . . . . . 243 Jana R OOS : Spracherwerb und Sprachproduktion. Lernziele und Lernergebnisse im Englischunterricht der Grundschule. Tübingen: Narr 2007 (K ATHRIN L IPSKI -B UCHHOLZ ) . . 246 Diana L EA [et al.] (eds.): Oxford Learner’s Thesaurus. A Dictionary of Synonyms. Oxford: OUP 2008 (S TEPHAN G RAMLEY ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Sabine H OFFMANN : Fremdsprachenlernprozesse in der Projektarbeit. Tübingen: Narr 2008 (M ICHAEL S CHART ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Helga H AUDECK : Fremdsprachliche Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers. Eine qualitative Studie [...]. Tübingen: Narr 2008 (A NTJE S TORK ) . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Michael K. L EGUTKE (Hrsg.): Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision. Tübingen: Narr 2008 (D AGMAR S ILBERSTEIN ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Brigitte H ANDWERKER , Karin M ADLENER : Chunks für DaF. [...] Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2009 (K ARIN A GUADO ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Stephan G RAMLEY , Vivian G RAMLEY (eds.): Bielefeld Introduction to Applied Linguistics. A Course Book. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2008 (C LAUS G NUTZMANN ) . . . . . 268 Eingegangene Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Information e n Vors chau 272 * Korrespondenzadresse: Prof. (i.R.) Dr. Manfred R AUPACH , Universität Kassel, Fachbereich 2: Sprach- und Literaturwissenschaften, Institut für Romanistik, Georg-Forster-Str. 3, 34127 K ASSEL . E-mail: M.Raupach@gmx.de Arbeitsbereiche: Psycholinguistik, Sprachlehrforschung. 1 Im deutschsprachigen Raum ist zu den Strategien in den letzten 10 Jahren eine Reihe von Monographien - zu einem großen Teil Dissertationen - erschienen, z.B. M I ß LER (1999), A RTELT (2000), B IMMEL / R AMPILLON (2000), S CHRAMM (2001), A GUADO (2002), C HANG (2002), M ÜLLER -L ANCÉ (2003), S TORK (2003), N EVELING (2004), S CHREBLOWSKI (2004), D ENKA (2005), F INKBEINER (2005), N EUNER -A NFINDSEN (2005), W ILDENAUER - J ÓZSA (2005), C ONRAD (2006), W ÜRFFEL (2006), E NDER (2007), H AUDECK (2008); vgl. auch die im Forschungsregister vom IFS Marburg aufgeführten Vorhaben. 38 (2009) M ANFRED R AUPACH * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Wenn im aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskurs Konsens bezüglich des Strategiebegriffs besteht, dann bestenfalls darüber, dass bislang für ihn keine allgemein akzeptierte Definition existiert. Entsprechend breitgefächert ist die Skala der auf die Untersuchung von Strategien ausgerichteten Fragestellungen und Forschungsmethoden, und entsprechend vielfältig sind die Vorschläge, die für einen Einsatz von „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ diskutiert werden. Nun sind Unklarheit und Uneinheitlichkeit in der Verwendung von Begriffen und den mit ihnen verknüpften Konzepten vor allem dann nicht ungewöhnlich, wenn unterschiedliche Disziplinen an der Bedeutungskonstruktion beteiligt sind. Der Strategiebegriff ist u.a. in den Erziehungswissenschaften, in der pädagogischen und der Sozialpsychologie, der kognitionspsychologischen Lerntheorie und der Spracherwerbstheorie heimisch und hat bei seinem Weg in die Sprachlehr-/ -lernforschung und Fremdsprachendidaktik Teilaspekte aus den verschiedenen Disziplinen übernommen. In seinem Fall wird der Mangel an Präzision und Einheitlichkeit offenbar besonders stark empfunden: nicht ohne Grund sah sich im Jahr 2004 eine Arbeitsgruppe um A.D. C OHEN zu dem bemerkenswerten Versuch genötigt, in einer ausführlichen Fragebogenaktion die Position von ca. 20 „Strategie-Experten“ (second-language learner strategy experts) bezüglich der von ihnen verwendeten Terminologien und zugrunde gelegten Konzepte von Lernstrategien in Forschung und Lehre zu erfassen (zu den Ergebnissen vgl. C OHEN 2005, ähnlich 2007). Der bestehende Klärungsbedarf hat in der Sprachlehr-/ lernforschung der Beliebtheit von Strategiethemen keinen Abbruch getan. Vielmehr zählen die Strategien seit geraumer Zeit mit zu den „Trendthemen“ in der Fremdsprachendidaktik (S CHLAK 2002), und Bemühungen der Autoren um eigene Positionsbestimmungen haben das Themenfeld ständig erweitert und zu neuen Differenzierungen und Überlegungen zur Strategievermittlung im Fremdsprachenunterricht geführt. 1 Einen vorläufigen Höhepunkt in der gegenwär- Strategien im Fremdsprachenunterricht 4 Manfred Raupach 2 Die deutschsprachigen Bezeichnungen der Einzelhandlungen sind übernommen aus W ILDENAUER -J ÓZSA (2005: 69), vgl. auch R AABE (1998: 8). - Zur Kritik an dieser Aufstellung und vor allem an der umfangreichen Auflistung von Einzelhandlungen vgl. stellvertretend E LLIS (1994: 540), D ÖRNYEI / S KEHAN (2003: 609 f); W ESTHOFF (2001), R AABE (1998: 8). - Die Klassifizierung von O’M ALLEY / CHAMOT (1990) ist zum großen Teil mit derjenigen von O XFORD kompatibel: Kognitive, metakognitive und sozial/ affektive Strategien. Offenbar wegen der ausgeprägt kognitionspsychologischen Fundierung erfahren hier allerdings die affektiven, motivationalen und sozialen Aspekte nur eine unsystematische Untergliederung (broad grouping, S. 45), vgl. auch N EUNER -A NFINDSEN (2005: 60). 38 (2009) tigen Diskussion stellt der von C OHEN und M ACARO herausgegebene Band Language Learner Strategies: 30 years of Research and Practice (2007) dar - 30 Jahre deshalb, weil die Anfänge der Strategieforschung gewöhnlich in den Arbeiten von R UBIN (1975), S TERN (1975) und N AIMAN [et al.] (1978/ 1996) zum good language learner gesehen werden. Angesichts einer solchen „Erfolgsgeschichte“ erscheint es in der Tat als wenig plausibel, auf ein „robustes“ Forschungsfeld wie das der Lernstrategien verzichten zu wollen, „simply because a central concept is not clearly defined“ (so etwa G U 2007: VII). Dementsprechend wird das dreißigjährige „Jubiläum“ in mehreren Publikationen zum Anlass für eine Bestandsaufnahme genommen, in der zum einen die bisherige Entwicklung der Strategieforschung kritisch beleuchtet wird und in der zum andern Ausblicke auf neue Forschungsfelder gegeben werden (vgl. neben Beiträgen in C OHEN / M ACARO 2007 und in G RIFFITHS 2008 z.B. C HAMOT 2004, 2005). Die genannten Pionierarbeiten signalisieren mit ihrer Entdeckung des „guten (Fremd-) Sprachenlerners“ den generellen Perspektivwechsel vom Behaviorismus zur Kognitionspsychologie (W EINSTEIN / M AYER 1986). In Übertragung auf die Erforschung des Fremdsprachenlernens wurde mit ihm die Erwartung verknüpft, dass die Beschreibung von Sprachverarbeitungsprozessen letzten Endes auch zu einer theoretisch fundierten effektiveren Gestaltung der Fremdsprachenvermittlung führen kann. Die neue Sichtweise auf den Lernenden in seiner aktiven und konstruktiven Rolle manifestiert sich zunächst in den Bestrebungen, solche Merkmale zusammenzustellen, die einen erfolgreichen Fremdsprachenlerner charakterisieren. Zu ihnen wird neben Persönlichkeitseigenschaften, Variablen des kognitiven Stils und Motivationen vor allem der Einsatz bestimmter Strategien gezählt, von denen zu vermuten ist, dass ihre Einübung im Unterricht auch die fremdsprachlichen Leistungen von weniger erfolgreichen Lernern steigern kann. Grundlagen für eine Identifizierung und Gewichtung solcher Strategien bildeten zunächst die Strategie-Inventare, die in Form von standardisierten Fragebögen Lernergruppen unterschiedlicher Provenienz zur Selbsteinschätzung ihres Strategieverhaltens vorgelegt wurden. Die weiteste Verbreitung fand - und findet heute noch - das als SILL (Strategy Inventory for Language Learning, vgl. im einzelnen O XFORD 1990) bekannt gewordene Strategie-Inventar, das sich in seiner Kategorisierung von Lernstrategien an der von O XFORD (1990: 14 ff) vorgeschlagenen und bislang, neben O’M ALLEY / C HAMOT (1990), wohl am häufigsten reproduzierten Strategieliste orientiert 2 : Direkte Lernstrategien: Gedächtnisstrategien: mentale Bezüge herstellen / Bilder und Laute verwenden / intensiv wiederholen / handeln Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 38 (2009) kognitive Strategien: üben / Sprachbotschaften senden und empfangen / analysieren und folgern / strukturieren für In- und Output Kompensationsstrategien: intelligentes Raten / fehlende Kompetenzen beim Sprechen und Schreiben überwinden Indirekte Lernstrategien: metakognitive Strategien: sich auf das eigene Lernen konzentrieren / das Lernen einrichten und planen affektive Strategien: Angst vermindern / sich ermutigen / sich des eigenen Gefühlsstatus bewusst werden soziale Strategien: Fragen stellen / mit Anderen kooperieren / sich in andere hineinversetzen Neben diesem Vorschlag existiert inzwischen eine große Bandbreite von Klassifikationsansätzen, die sich zum Teil überlappen und/ oder sich voneinander unterscheiden in Bezug auf Allgemeinheit/ Spezifität, Verarbeitungstiefe, Ausrichtung auf bestimmte Ziele, Anwendungsbereiche, theoretische Grundlagen, bevorzugte Forschungsmethoden usw. (vgl. die überblicksartigen Darstellungen etwa bei M I ß LER 1999: 122 f, W ILDENAUER -J ÓZSA 2005: 67 ff oder C ONRAD 2006: 32 ff). Angesichts der heterogenen Abgrenzungskriterien lassen sich die einzelnen Klassifikationen und die daran geknüpften Untersuchungen nur bedingt miteinander vergleichen. Sie bieten statt dessen Anlass zu kritischer Reflexion der dort z.T. widersprüchlichen Abgrenzungen zwischen kognitiven und metakognitiven Strategien, zwischen Lern- und Gebrauchsstrategien, zwischen einzelnen Hierarchieebenen usw. (vgl. z.B. die Diskussion in C OHEN 1998: 4 ff sowie neuerdings Beiträge in G RIFFITHS 2008). Wird allein schon aus diesem Grund das Nachzeichnen einer kohärenten Entwicklungsgeschichte der weiteren Strategieforschung erschwert, so kommt als zusätzlicher Hinderungsgrund die Beobachtung hinzu, dass in Westeuropa die Strategiediskussion in eine andere Tradition eingebunden gewesen ist, als dies - wie oben skizziert - in Nordamerika der Fall war. Hatten dort einschlägige Studien vorrangig das Ziel, das Strategieverhalten von guten Sprachenlernern für die weniger erfolgreichen Lerner nutzbar zu machen, so wurde in Westeuropa das Konstrukt der Lernstrategien früh in die Diskussion um lebenslanges, selbstgesteuertes Lernen integriert. Diese beiden unterschiedlichen Forschungsrichtungen, die seit den 1970er Jahren den Fremdsprachenlerner mit seinen kognitiven und sozio-affektiven Variablen als aktiv am Lernprozess beteiligtes Subjekt in den Blick nehmen, charakterisiert W ENDEN (2002) als Learner Strategies in Language Learning (LSLL) bzw. Self Directed Language Learning (LDLL) (vgl. B IMME l 2006: 362 f). Demnach steht LSLL in Nordamerika in der Tradition der Kognitionspsychologie: der bei Kindern und Erwachsenen allgemein dokumentierte Gebrauch von Lernstrategien wird auf das Lernen von Sprache übertragen und führt letztlich zur Frage nach dem Strategieverhalten vom „guten Sprachlerner“. In Europa sieht W ENDEN hingegen - mit Hinweis auf die frühen Aktivitäten des Europarats in der Erwachsenenbildung und auf Arbeiten des CRAPEL (vgl. H OLEC 1979/ 1981) - gesellschaftspolitische Begründungen, die für die Entwicklung von LDLL und die damit verknüpften Vorstellungen vom lebenslangen, autonomen Lernen verantwortlich sind. Zu den unterschiedlichen Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht, die sich aus den beiden genannten Traditionen ergeben haben, zählt W ENDEN (2002: 34 ff) in Westeuropa u.a. die Förderung des Fremdsprachenlernens außerhalb des Klassenraums etwa durch die 6 Manfred Raupach 3 Mehrere fachdidaktische Zeitschriften publizieren in den 90er Jahren entsprechende Themenhefte, z.B. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 25 (1991): Lerntechniken; Fremdsprache Deutsch 8 (1993): Lernstrategien; Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 34 (1998): Lernstrategien. 4 R AMPILLON favorisiert in ihren frühen Arbeiten den Terminus „Lerntechniken“ (vgl. dazu die Diskussion mit dem Hinweis auf „Lerntechniken als Rezepte“ bei N ODARI 1993: 199 f ). Eine ihrer letzten Definitionen für beide Begriffe zusammengenommen lautet: „Lerntechniken und Lernstrategien [...] sind Verfahren, die von Lernenden absichtlich und planvoll angewandt werden, um ihr fremdsprachliches Lernen vorzubereiten, zu steuern und zu kontrollieren“ (2003: 340). 5 Die Kommunikationsstrategien sind im Übrigen der erste Strategietyp, der in der psycholinguistischen Forschung größere Aufmerksamkeit erfahren hat und in dessen Kontext die Merkmale Problemorientiertheit und Bewusstheit von Sprachplänen bereits ausführlich diskutiert worden sind (vgl. Beiträge in F ÆERCH / K ASPER 1983). 6 W ILDENAUER -J ÓZSA (2005: 64) plädiert für die Verwendung des Terminus Lernerstrategie, „da der Lerner als Strategieanwender dadurch stärker in den Mittelpunkt rückt“. Das Nebeneinander der Begriffe Lernstrategien und Lernerstrategien erklärt die gelegentlich anzutreffende Wiedergabe als Lern(er)strategien. 38 (2009) Einrichtung von Selbstlernzentren/ Lernwerkstätten, das Lernen in Projekten und die Veränderung der Rollenverteilung zwischen Schülern und Lehrern. Die Strategiediskussion in Deutschland hat vor allem in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den fachdidaktischen Diskurs beschäftigt. 3 Dabei hat es sich als praktikabel erwiesen, Strategien als zielgerichtete, problemorientierte und potentiell bewusste (oder auch: bewusstheitsfähige) Handlungspläne zu betrachten, die optional und manipulierbar, d.h. lern- und lehrbar sind (stellvertretend R AABE 1989, 1998; T ÖNSHOFF 2003, W ILDENAUER / J ÓZSA 2005: 66). Bezüglich der in diesen Zusammenhang gehörenden Differenzierung zwischen Strategien und Techniken findet man - sofern eine Unterscheidung gemacht wird - vorzugsweise die Position, Strategien als hierarchiehöhere Prozesse zu beschreiben, als systematische Bündelung von Einzelmaßnahmen, in die Techniken als zielerreichende, oft auch sichtbare Handlungen integriert werden (vgl. bereits F RIEDRICH / M ANDL 1992: 6; etwa auch R AMPILLON 2003 4 , F INKBEINER 2005: 86 ff). Hilfreich für eine weitere Begriffsklärung ist die Differenzierung zwischen Lernstrategien (Veränderung von Wissen) und Verwendungs-/ Kommunikationsstrategien (Anwendung von Wissen) 5 , die unter dem Oberbegriff Lernerstrategien zusammengefasst werden können (R AABE 1989: 207 ff, T ÖNSHOFF 2003: 332). 6 Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird seit 2004 der Terminus language learning strategies bevorzugt (M ACARO / C OHEN 2007: 2), mit der möglichen Unterscheidung zwischen learner strategies „that students have developed on their own to solve language learning problems“ und learning strategies „that have been (or could be) taught explicitly as part of instruction in both first and second language contexts“ (C HAMOT / O’M ALLEY 1994: 371; vgl. auch die Kapitelaufteilung in G RIFFITHS 2008). Die Umsetzung in praktische Handlungsanweisungen für den Fremdsprachenunterricht geschieht im deutschsprachigen Raum unter maßgeblicher Beteiligung von R AMPILLON (vgl. etwa 1985/ 1996, 1991, 1995, 1997, B IMMEL / R AMPILLON 2000). Dabei werden bevorzugt die nach Anwendungsbereichen gegliederten Klassifikationen von O XFORD (1990) und O’M ALLEY / C HAMOT (1990) sowie Einteilungen nach den Teilkompetenzen Lese- und Hörverstehen, Schreib- und Sprechfertigkeit und den Sprachbereichen Gram- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 7 Zum Klassifikationsraster von W OLFF (1998), in dem die Strategien als Lern- und Arbeitstechniken beschrieben werden, vgl. seinen Beitrag in diesem Band. 8 KMK (2003); A RTELT (2006: 338 f); vgl. auch den Hinweis auf Lerntechniken im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, E UROPARAT (2001: 108ff s.v. Lernfähigkeit (savoir-apprendre)). 9 Procedural knowledge (knowing how) wird entweder verstanden als „prozedurale Fertigkeit“/ „prozedurales Können“ (vgl. T SCHIRNER 1997: 102 ff) oder als „Wissen über Fertigkeiten/ Handlungsabläufe“; declarative knowledge gilt als „Faktenwissen“ - beide Wissensbestände werden häufig verknüpft mit explizitem/ implizitem Wissen; vgl. N EUNER -A NFINDSEN (2005: 72 ff) sowie den Beitrag von M EI ß NER / M ORKÖTTER im vorliegenden Band. 38 (2009) matik und Wortschatz zugrunde gelegt (z.B. B IMMEL / R AMPILLON 2000; zu weiteren Einteilungen vgl. W ILDENAUER -J ÓSZA 2005: 69 ff). 7 Inzwischen hat die Vermittlung von Strategien längst Eingang in die Lehrwerke gefunden, und Lernstrategien gelten in den Bildungsstandards - etwa für die erste Fremdsprache für den mittleren Schulabschluss (Englisch/ Französisch) - neben Lernbewusstheit, Lernorganisation usw. als Bestandteil der Methodenkompetenz. 8 Einen Markstein in der Diskussion stellt die Zwischenbilanz dar, die aus psycholinguistischer und fachdidaktischer Sicht in einigen begriffskritischen Beiträgen in R AMPIL - LON / Z IMMERMANN (1997) gezogen wird. Zur dort von Z IMMERMANN thematisierten Problematik des Strategiebegriffs - Strategien als Handlungen/ Handlungssequenzen, als Bestandteile von Planungsprozessen/ Plänen oder als Wissen von Strategien ? (1997: 95ff; vgl. bereits vorher die kritischen Überlegungen von W ENDT 1993: 52ff) - besteht offensichtlich noch bis zum heutigen Tag Diskussionsbedarf. Einen weiteren wertvollen Beitrag zur Begriffsklärung liefert G ROTJAHN (1997: 38 ff) im gleichen Band hinsichtlich der Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen. Die aus der kognitiven Psychologie, hier speziell von A NDERSONS ACT-Modell (1983) übernommene Begrifflichkeit (declarative vs. procedural knowledge) hat in der Sprachlehrforschung und Fachdidaktik eine partielle Uminterpretation erfahren (G ROTJAHN 1997: 61), die für die Frage nach der Bewusstheit von Strategien, speziell hinsichtlich der metakognitiven Strategien, von Belang ist. 9 Seine Unterscheidung in drei Verwendungs- und Analyseebenen: „manifeste, d.h. beobachtbare Strategien oder Techniken“, „mentale Strategien“, „Strategiewissen“ (sowie zusätzlich „strategische Fertigkeiten“) soll u.a. verdeutlichen, dass zu unterscheiden ist zwischen dem Wissen eines Lerners über Lernstrategien und der tatsächlichen Ausführung bzw. Nutzung von Strategien (vgl. A RTELT 2006: 341). Die Skepsis, mit der die Diskussion über den Strategiebegriff und seinen Nutzen für den Fremdsprachenunterricht über die Jahrzehnte begleitet worden ist, resultiert nun keineswegs allein aus den terminologischen und definitorischen Unklarheiten. Die Empfehlungen für eine Themenerweiterung in der Strategieforschung, wie sie anlässlich der eingangs erwähnten Bestandsaufnahme und offenbar als Kompensation für den unbefriedigend geklärten Strategiebegriff vorgebracht worden sind, lassen rückblickend inhaltliche und methodologische Defizite erkennen, die Anlass zu einer Revision des Strategiebegriffs geben und damit zugleich dazu auffordern, den Umgang mit Strategien im Fremdsprachenunterricht teilweise neu zu bedenken. 8 Manfred Raupach 10 D ÖRNYEI / S KEHAN (2003: 610) und T SENG [et al.] (2006: 80) zitieren zur Illustration dieser Überfrachtung die Definition von learning strategies, die sie bei W EINSTEIN [et al.] (2000: 727) vorgefunden haben: „Learning strategies include any thoughts, behaviors, beliefs, or emotions that facilitate the acquisition, understanding, or later transfer of new knowledge and skills“. 11 T SENG [et al.] (2006: 81) eröffnen mit ihrer Begriffsfüllung von self-regulatory mechanisms ein ganzes Spektrum von Einzelhandlungen; neben den learning strategies nennen sie: „goal setting, strategic planning, action plans and action schemata, monitoring and metacognition, action control and volitional control mechanisms, strategic tacts and operations, effective time management, self-motiviational beliefs […], evaluation and self-reflection, receiving and processing feedback, experience pride and satisfaction with one’s effort, and establishing a congenial environment“. 38 (2009) Eine delikate Situation ergibt sich freilich dann, wenn der gesamte Strategiebegriff in Frage gestellt wird. Dies gilt seit längerem für Überlegungen in der pädagogisch-psychologischen Forschung, in der an seine Stelle das dynamischere und umfassendere Konzept des selbstregulativen Lernens gesetzt wird und die Lernstrategien lediglich als ein Aspekt der individuellen Lernerpersönlichkeit neben anderen betrachtet werden. Um den Strategiebegriff selbst nicht länger mit z.T. wenig kompatiblen Kategorien zu überfrachten 10 , wird er nun in einer erweiterten Perspektive in eine Reihe mit zahlreichen anderen Merkmalen gestellt, die das gesamte Lernen eines Individuums bestimmen. 11 Erst das günstige Zusammenspiel mehrerer (Mikro-)Prozesse, wie man es bei sog. pro-aktiven Lernern mit der ihnen zugeschriebenen ausgeprägten Motivation antrifft, macht den guten Lerner aus, der jetzt als self-regulating learner charakterisiert wird. Diese Umorientierung löst freilich nicht die Probleme einer inhaltlichen Begriffsbestimmung von Strategien, und sie ist in erster Linie als Forschungsprogramm zu verstehen, weniger für die pädagogische Praxis konzipiert. Ob sie dennoch ein Gewinn für die Spracherwerbs- und Sprachlehrforschung und damit für die konkrete Fremdsprachenvermittlung sein kann, bleibt abzuwarten. Das vorliegende Themenheft umfasst Beiträge, in denen „Trends in der Lernstrategieforschung“ (F RIEDRICH / M ANDL 2006: 12 ff) aufgegriffen und hinsichtlich ihrer „Praktikabilität“ diskutiert werden. Diese Trends gründen sich überwiegend auf Anregungen aus der Lernpsychologie und Spracherwerbsforschung, in denen für eine Erweiterung des Themenkatalogs und für neue Schwerpunktsetzungen plädiert wird (z.B. D ÖRNYEI / S KEHAN 2003, A NDERSON 2005, D ÖRNYEI 2005, M ACARO 2006, C OHEN / M ACARO 2007, G RENFELL / M ACARO 2008 sowie F RIEDRICH / M ANDL 2006). Kombiniert mit den bereits früher behandelten Fragestellungen ergibt sich daraus ein mitunter verwirrendes Bild vom Stand der aktuellen Strategieforschung, so dass es ratsam erscheint, die thematische Einordnung der im vorliegenden Band vereinigten Artikel mit einem kurzen Überblick über die vorgefundenen Tendenzen und Forschungsperspektiven zu erleichtern: Relativierung: Der Wunsch, den Stellenwert der Strategien als Ganzes zu relativieren, ist zum einen als Reaktion auf die Befürchtung zu verstehen, der Unterricht könne zu sehr auf die Vermittlung von Strategien „um ihrer selbst willen“, d.h. als isolierte Techniken, ohne inhaltliche Bezüge ausgerichtet werden. Zum andern kann die relativierende Einschätzung, die D E F LORIO -H ANSEN (2008: 246) bereits für das selbstbestimmte Lernen Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 38 (2009) vorgenommen hat, auch für das strategische Wissen und die strategischen Fertigkeiten reklamiert werden, dass es sich hierbei nämlich nicht um das Leitziel des Fremdsprachenunterrichts schlechthin handelt, sondern lediglich um eine wichtige Leitvorstellung neben anderen Kompetenzen. Integration: Die Rolle der Strategien relativiert sich u.a. auch durch die Forderung, sie in größere Kontexte zu integrieren und als Komponenten in einem Netzwerk mit anderen Prozessen und Variablen zu betrachten (s. auch oben zum selbstregulativen Lernen). In Ergänzung zu den bekannten Persönlichkeitsvariablen wird nun als Reflex des sociocultural turn (G AO 2007: 619) eine konsequentere Einbeziehung sozio-kultureller Faktoren angestrebt, und damit einhergehend eine engere interdisziplinäre Kooperation (O X - FORD / S CHRAMM 2007). Zusätzlich legen Trends im gesellschaftlichen Umfeld nahe (F RIEDRICH / M ANDL 2006: 11 f), Strategien in Verbindung mit Schlüsselqualifikationen wie der Methodenkompetenz, dem lebenslangen und autonomen Lernen usw. zu untersuchen, wobei deren Begriffsbestimmungen selbst wiederum nicht ganz unproblematisch sind (zur Lernerautonomie vgl. zuletzt M ARTINEZ 2008). Differenzierung/ Spezifizierung: Der Tendenz zur Relativierung und zur Integration steht die Forderung nach weiterer Differenzierung und Spezifizierung gegenüber. Unterteilungen der Lernstrategien in Abhängigkeit von Sprachfertigkeiten und Teilbereichen wie Wortschatz, Grammatik, gelegentlich auch metakognitiven Strategien, werden schon lange praktiziert, nun soll zudem den aufgaben- und situationsspezifischen Faktoren sowie der Lernumgebung einschließlich der Lernmaterialien in ihren Auswirkungen auf das Lehren und Lernen von Strategien verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Strategievermittlung/ Strategietransfer: Die Funktion von Lernstrategien im gesellschaftlichen und bildungspolitischen Kontext hat trotz der kontrovers geführten Diskussion über Formen und Effizienz von Strategievermittlung an Bedeutung gewonnen. Die Nachfrage nach Förderung von Lernstrategien ist ungebrochen (F RIEDRICH / M ANDL 2006: 16 ff), nicht nur für den schulischen Unterricht, sondern auch für das Studium, insbesondere in der Lehrerausbildung (teacher expertise, C HAMOT 2005, A RTELT 2006, S TRE - BLOW / S CHIEFELE 2006). In diesem Zusammenhang wird die Frage nach dem Transfer von Lernstrategien unmittelbar relevant. Evaluation: Selbstkritisch wird in der Strategieforschung der Mangel an Interventionsstudien im Vergleich zu den bislang vorherrschenden deskriptiven Arbeiten konstatiert. Weitgehende Übereinstimmung herrscht darüber, dass die quantitativen Auswertungen der Umfragen zur Selbsteinschätzung der Lernenden (z.B. SILL, s.o.) in ihrer Aussagekraft begrenzt sind und deshalb durch qualitativ-interpretativ angelegte Untersuchungen mit erweiterter Fragestellung zu ergänzen sind. Ziel empirischer Studien soll es zudem sein, nicht nur die Interaktion von Strategien mit anderen Variablen und Prozessen zu erforschen und zu bewerten, sondern auch Zusammenhänge zwischen Strategienutzung und Schul- oder Hochschulleistungen sichtbar zu machen und unterschiedliche Formen der Strategievermittlung zu evaluieren. Diese Tendenzen und Forschungsperspektiven haben ihren Niederschlag teilweise bereits in den o.g. Monographien gefunden (s.o. Anm. 1): die empirischen Studien haben dort ein deutliches Übergewicht gegenüber den theoretisch-beschreibenden - wobei 10 Manfred Raupach 38 (2009) allerdings weiterhin gilt, dass evaluierende Longitudinalstudien aus leicht nachvollziehbaren Gründen unterrepräsentiert sind; die Strategien werden nicht isoliert, sondern durchgängig im Zusammenspiel mit anderen Faktoren und Prozessen untersucht; natürlich werden auch weiterhin bestimmte Spezifierungen vorgenommen, wobei Lesestrategien (z.B. D ENKA , F INKBEINER , S CHRAMM , S CHREBLOWSKI ) und Wortschatz-/ Wortverarbeitungsstrategien (z.B. E NDER , H AUDECK , N EUNER -A NFINDSEN , N EVELING , S TORK ) im Mittelpunkt stehen. - Für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts sind Ergebnisse und Anregungen, die von den oben skizzierten, sich z.T. überschneidenden oder ergänzenden Forschungsansätzen zu erwarten sind, allerdings von unterschiedlicher Relevanz. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der hierfür zugrunde zu legende Strategiebegriff zumindest innerhalb bestimmter Grenzen die Lehr- und Lernbarkeit von Strategien postulieren muss. Außerdem gehört in Anbetracht der gegenwärtig dominierenden Auffassung vom Fremdsprachenlernen und -lehren auch deren „Bewusstheitsfähigkeit“ dazu - ganz so, wie es bisher in der Fremdsprachendidaktik mehrheitlich akzeptiert worden ist. Mit dieser Möglichkeit der Bewusstmachung lässt sich ein solcher Strategiebegriff unmittelbar anschließen an andere Konstrukte, die derzeit die Fachdiskussion prägen, wie z.B. Sprachenlernverständnis (language (learning) awareness), metasprachliche Kompetenz, Metakognition sowie Lernerautonomie, selbstregulatives Lernen usw. - Konstrukte, die sich teilweise auch in den fachübergreifenden Bildungszielen wiederfinden und in deren Umfeld der Stellenwert der Strategien notgedrungen variiert. Dies führt dazu, dass auch weiterhin die Definition und die Funktion von Strategien in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext und Erkenntnisinteresse neu zu bestimmen sein werden. Aus der für den Fremdsprachenunterricht bedeutsamen Vermittlungsperspektive ist aber nicht nur die Vorstellung von der (zumindest teilweisen) Lehr- und Lernbarkeit und der (zumindest teilweise) möglichen Bewusstmachung von Strategien essentiell; im Spannungsverhältnis dazu steht die Vorstellung von der Individualität der Sprachlernprozesse und von der Abhängigkeit des Strategienlernens und des Strategieeinsatzes von Persönlichkeits- und Unterrichtsvariablen sowie von Lern-/ Bildungszielen usw. Damit verliert die Suche nach den generell guten oder weniger guten Lernstrategien, wie sie anfangs in Verbindung mit dem good language learner identifiziert worden sind und gegebenenfalls den Lernenden „überzustülpen“ oder ihnen „abzugewöhnen“ wären, an Attraktivität. Hingegen gewinnen, in Ergänzung zu den praktizierten Formen von Strategievermittlung, solche Verfahren an Beachtung, die den Lernenden - soweit es die Kompetenzen der Beteiligten und die Unterrichtskontexte erlauben - Veranlassung zur Reflexion über ihren eigenen Strategieeinsatz und damit grundsätzlich über ihre Sprachlernprozesse geben. In den Beiträgen zum vorliegenden Band wird mehr oder weniger explizit der Vermittlungsaspekt thematisiert. Dies geschieht zu einem Teil in Aufsätzen mit grundsätzlichen übergreifenden Fragestellungen, in denen Strategien vor dem Hintergrund individueller oder auch kultureller Differenzierungen, in ihren Wechselwirkungen mit anderen Variablen oder in Verbindung mit unterschiedlichen Wissenskomponenten gesehen werden (vgl. die Beiträge im ersten Themenblock). In weiteren Artikeln werden Anregun- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 11 38 (2009) gen zur Verwendung bestimmter Formen des Strategietrainings präsentiert (zweiter Themenblock), und abschließend geben einige Aufsätze konkrete Beispiele für den Strategieeinsatz im Fremdsprachenunterricht (dritter Themenblock). An den Beispielen sind insgesamt die Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache auf unterschiedlichen Ebenen der Ausbildung (Schule, Hochschule, Fort- und Weiterbildung) beteiligt. Zum ersten Themenblock gehören vier Beiträge, in denen Grundsatzdiskussionen zu einigen der oben identifizierten Themenbereiche geführt werden. Sie beschreiben in ausgewählten Bereichen den Stand der Forschung und leiten Ausblicke auf mögliche Konsequenzen für die Strategievermittlung ab. C LAUDIA R IEMER (Universität Bielefeld) geht auf Entwicklungen im Forschungsbereich „Individuelle Unterschiede“ ein und diskutiert ausführlich die kognitiven Lernerfaktoren Fremdsprachenlerneignung und Lernstil in ihren möglichen Auswirkungen auf ein Lernstrategientraining. Als besondere Herausforderung erweist sich die Abstimmung zentraler Unterrichtsvariablen - insbesondere des Lehrstils und der Aufgabenanforderungen - mit dem individuellen Lerneignungsprofil und dem persönlichen Lernstil der Lernenden. Fehlende Abstimmungen führen leicht zum „style war“, dem durch entsprechendes „Lernstil-Matching“ und „Lernstil-Stretching“ begegnet werden könnte. Dies muss zusammengehen mit der grundsätzlichen Einsicht in die Individualität von Lernprozessen und mit der notwendigen Selbstbeobachtung und Herstellung von möglichst weitreichender Bewusstheit seitens der Lehrenden. Eine Förderung der selbstregulativen Fähigkeiten der Lernenden kann vermutlich zur Steigerung von Motivation als weiterem wichtigem Faktor für erfolgreiches Fremdsprachenlernen beitragen. G ÜNTER N OLD (Technische Universität Dortmund) verfolgt konsequent den Ansatz, Lernstrategien in einen größeren Zusammenhang zu stellen und sie in ein Netzwerk verschiedener Variablen zu integrieren, die Einfluss auf den Lernprozess ausüben. Seine Überlegungen basieren auf einer kritischen Sichtung exemplarischer Studien zu Lernstrategien im Fremdsprachenunterricht. Die Ergebnisse der dort getroffenen Differenzierung zwischen bereichsspezifischen und bereichsübergreifenden Lernstrategien legen nahe, das explizite Training bereichsspezifischer Lernstrategien indirekt zu unterstützen, und zwar durch die Berücksichtigung interagierender Variablen, von denen die thematische Motivation, das Lerninteresse sowie die Unterrichtsgestaltung von besonderer Bedeutung sind. F RANZ -J OSEPH M EI ß NER und S TEFFI M ORKÖTTER (Universität Gießen) führen eine Grundsatzdiskussion über den Begriff der (nicht sprachenspezifischen) Metakognition und dessen Relation zu metasprachlicher Kompetenz und zur Interkomprehension. Die Frage nach dem Grad lernerseitiger Bewusstheit ist in diesem Kontext vor allem hinsichtlich des prozeduralen Kontrollwissens von großer Bedeutung; nach Meinung der Autoren können metakognitives und metalinguales Wissen bei interkomprehensiven Sprachenbegegnungen, z.B. der Erschließung eines zielsprachlichen Textes, zwar unbewusst eingesetzt werden, sie sind aber in jedem Fall bewussheitsfähig. Dies rechtfertigt in der Mehrsprachigkeitsdidaktik in besonderem Maß den Einsatz bewusstheitsfördernder Strategien. Mit dem Hinweis auf das Konstrukt der metakognitiven Empfindungen beziehen die Autoren 12 Manfred Raupach 38 (2009) ausdrücklich auch affektive Faktoren in ihre Überlegungen ein. Eine umfangreiche Auswahl an Zitaten aus Portfolios, die von Studierenden der Romanistik anlässlich eines Seminars zur Mehrsprachigkeitsdidaktik angefertigt worden sind, lässt die Vielfalt der Aspekte erkennen, unter denen interkomprehensive Prozesse zur Selbststeuerung beitragen. Ausgangspunkt für die Argumentation von B ARBARA S CHMENK (University of Waterloo) sind die Unterschiede, die in der Strategieverwendung individueller Lernender zu beobachten sind und die nicht selten mit kulturellen und geschlechterspezifischen Einflüssen in Verbindung gebracht werden. Die bisherige Forschung in diesem Bereich gründet sich nach Meinung der Autorin jedoch allzu sehr auf pauschale Kulturvergleiche und Geschlechterstereotype, die die individuellen Unterschiede zu überdecken drohen. Statt vorschnell den Strategiegebrauch per se als Ausdruck von Kategorien wie Kultur, Geschlecht oder sozialer Gruppengehörigkeit und damit in den Auswirkungen als kaum veränderbar zu deuten, plädiert sie dafür, trotz methodologischer Schwierigkeiten das individuelle Lernerprofil, die Lernerbiographie und das soziokulturelle Umfeld im Verbund mit weiteren Einflussfaktoren zu erkunden, um daraus Maßnahmen zur Erweiterung des individuellen Strategierepertoires abzuleiten zu können. Die beiden Artikel im zweiten Themenblock sind explizit dem Strategietraining gewidmet und geben Beispiele aus der Lehrerfort- und -weiterbildung sowie dem Fremdsprachenunterricht an der Hochschule. W OLFGANG T ÖNSHOFF (Universität Konstanz) geht in seinen Überlegungen von der Erfahrung aus, dass vielen Lehrkräften zwar die Bedeutung von bewusstmachender Strategievermittlung im Fremdsprachenunterricht bekannt ist, dass es ihnen nach eigenen Aussagen aber an hinreichender Erfahrung fehlt, diese in angemessener Form in den Unterricht zu integrieren. Eine wichtige Hilfestellung müssen hier Fortbildungsseminare leisten. Der Autor beschreibt exemplarisch einen Fortbildungsverlauf zum Thema „Lernstrategien im Fremdsprachenunterricht“ und entwickelt schrittweise ein durchstrukturiertes Programm mit zahlreichen Vorschlägen für konkrete Lern- und Lehraktivitäten, in das die Teilnehmer selbst in vielfacher Weise mit gesteuerten Selbsterfahrungsübungen und mit eigenen Produktions- und Simulationsaufgaben eingebunden werden. Die Beispiele und Lehrmaterialien stammen aus dem DaF- und dem Italienischunterricht. K AREN S CHRAMM (Universität Leipzig) wählt aus den vier Schritten, die gemeinhin im Sequenzierungsmodell für selbstkontrolliertes Strategietraining vorgeschlagen werden, den Aspekt der „Erklärung und Modellierung von Sprachlernstrategien“ aus und stellt unter Heranziehung unterschiedlicher strategiebezogener Kriterien mehrere Beispiele von Sprachlernstrategieplakaten vor. Daran anschließend werden didaktisch erprobte Vorschläge für den Einsatz von Sprachlernplakaten im Fremdsprachenunterricht (DaF) an der Hochschule diskutiert, die u.a. auch die Zusammenstellung eines Kriterienrasters zur Bewertung der erstellten Sprachlernstrategieplakate beinhalten. Die im dritten Themenblock zusammengestellten vier Artikel beziehen sich auf den schulischen Fremdsprachenunterricht. In ihnen werden Beispiele für Formen der Strategievermittlung in Abhängigkeit von Inhalten und Lernzielen, vom Unterrichtskontext, von der Aufgabenstellung sowie vom Einsatz digitaler Medien vorgestellt und diskutiert. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 13 38 (2009) L OTHAR B REDELLA (Universität Gießen) bezieht in seinem Beitrag engagiert Position gegen die Abwertung bildungspolitischer Inhalte zugunsten formaler Kompetenzen, wie er sie derzeit in bildungspolitischen Veröffentlichungen vorfindet. So könnte leicht durch eine Verselbstständigung der Lernstrategien die Tendenz gefördert werden, Inhalte lediglich als Übungsmaterial zu betrachten und dabei das Potential zu vernachlässigen, das bildungsrelevante Inhalte für die Ausbildung der Urteilskraft und der individuellen Identität der Schüler besitzen. Im Anschluss an eine ausführliche Diskussion über Merkmale bildungsrelevanter Inhalte, bei der sich der Autor auf F RANKFURT , T AYLOR und D EWEY stützt, werden die gewonnenen Erkenntnisse mit Anregungen für eine Unterrichtseinheit über die Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1950er und 1960er Jahre konkretisiert. D IETER W OLFF (Universität Wuppertal) betont den integrativen Charakter des bilingualen Sachfachunterrichts, aus dem sich im Vergleich zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht neue Fragestellungen auch hinsichtlich des strategischen Verhaltens von Lehrern und Schülern ergeben. Die vom Autor getroffene Unterscheidung zwischen Lernstrategien und Diskursstrategien ermöglicht es, die Modifizierungen detailliert zu beschreiben, die die bisher aus dem Fremdsprachenunterricht bekannten Strategien angesichts der anders gearteten Lernumgebung erfahren. Im Fall der Lernstrategien wirkt sich in erster Linie die stärkere Betonung sachfachlicher Bedürfnisse aus. Der Einsatz von Diskursstrategien seitens des Lehrers wird nicht unwesentlich von dessen Ausbildung und Qualifikation geprägt sein; darüber hinaus gewinnen bestimmte Strategien grundsätzlich an Bedeutung, wie etwa Stütz-, Sprachwechsel- und Korrekturstrategien, die beiden letztgenannten im Übrigen auch für den schülerseitigen Unterrichtsdiskurs. Einige Unterrichtsbeispiele verdeutlichen die vorgezeichneten Tendenzen. Die Sprachmittlung ist für A NDREA R ÖSSLER (Freie Universität Berlin) von besonderem didaktischem Reiz, weil sie ein großes Potential für die Erprobung unterschiedlicher Strategien im Fremdsprachenunterricht bereitstellt; denn anders als in den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache und in diversen curricularen Vorgaben kategorisiert die Autorin das Sprachmitteln nicht lediglich als weitere Fertigkeit, sondern als eigene kommunikative Aktivität, in die verschiedene produktive und rezeptive Fertigkeiten integriert sind und bei der die Muttersprache explizit Gegenstand kommunikativen Handelns ist. Sprachmittlungsaufgaben erfordern neben sprachlich-kommunikativer, interkultureller und interaktionaler Kompetenz ein hohes Maß an strategischer Kompetenz. In welchen Schritten ein entsprechendes Strategietraining im Spanischunterricht erprobt werden kann, demonstriert die Autorin an einem Unterrichtsszenario mit komplexen monologischen und dialogischen Sprachmittlungssituationen. Nach Darstellung von B ERND R ÜSCHOFF (Universität Duisburg-Essen) wurden die Nutzungsmöglichkeiten des „Internet der ersten Generation“ zu Zeiten des Web 1.0 vorrangig in Formen der Einweg-Kommunikation, im Sinne eines „one-to-one“ oder „one-to-many“ Netzes gesehen; d.h. im Fremdsprachenunterricht diente das Internet, sofern es nicht in E-Mail unterstützten Kommunikationsprojekten eingesetzt wurde, vornehmlich als Informationsquelle und Rechercheinstrument. Das „Internet der neuesten Generation“, mit dem Schlagwort Web 2.0 charakterisiert, bietet dem gegenüber eine 14 Manfred Raupach 38 (2009) nutzerfreundlichere Plattform für eine „many-to-many“-Kommunikation, die viele Formen von Kooperation erlaubt und die Dynamik von Sprachproduktionsprozessen nachvollziehbar macht. Der Autor diskutiert am Beispiel von kollaborativer und prozessorientierter Schreibproduktion im Web 2.0 die Möglichkeiten, durch das Arbeiten auf Wiki-Basis die Lernbewusstheit und die strategischen Kompetenzen von Schülern zu fördern. Dieser Ansatz wird mit Beispielen aus der Literatur sowie aus selbst betreuten Projekten veranschaulicht. Literatur A GUADO , Karin (2002): Imitation als Erwerbsstrategie. Interaktive und kognitive Dimensionen des Fremdsprachenerwerbs. Universität Bielefeld, Habilitationsschrift. A NDERSON , John R. (1983): The Architecture of Cognition. Cambridge, MA: Harvard University Press. A NDERSON , Neil J. (2005): „L2 Learning Strategies“. In: H INKEL , Eli (ed.): Handbook of Research in Second Language Teaching and Learning. Mahwa, NJ: Lawrence Erlbaum, 757-771. A RTELT , Cordula (2000): Strategisches Lernen. Münster [etc.]: Waxmann. A RTELT , Cordula (2006): „Lernstrategien in der Schule“. In: M ANDL / F RIEDRICH (Hrsg.), 337-351. 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E-mail: claudia.riemer@uni-bielefeld.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lernforschung Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Forschungsmethodologie der empirischen Fremdsprachenerwerbsforschung. 38 (2009) C LAUDIA R IEMER * Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile und Lernstrategien Abstract. Research on individual differences in foreign language learning has revealed the relevance of cognitive learner’s factors, such as language aptitude and learning styles. The article offers some insights into current research on these two concepts and tries to contribute to the discussion on interdependences of abilities, learning styles, learning strategies and teaching styles, which influence foreign language learning. These developments emphasize the demand for foreign language acquisition research and foreign language teaching to focus on how to consider cognitive characteristics of the language learner in the classroom. 1. Ausgangslage: die ungebrochene Popularität von Lernstrategien Es ist heute fremdsprachendidaktische Selbstverständlichkeit, besonders im Rahmen von Maßnahmen zur Förderung der Lernerautonomie dem Lernstrategientraining große Bedeutung zuzumessen. Dies ist eine der Nachwirkungen des in den 1970er Jahren entwickelten Idealbilds des „good language learner“ (vgl. R UBIN 1975; S TERN 1975). Das bekannte „good language learner“-Projekt formulierte damals als generelles Erkenntnisinteresse: „What makes good language learners tick? What do they do that poor learners don’t do? Could we help the poor learners by teaching them some of the good learner's tricks? “ (N AIMAN [et al.] 1978: VII). 1996 - fast zwanzig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung von 1978 - erschien die Publikation in unveränderter Zweitauflage. Im Rahmen dieses Projekts wurde noch explizit die Hoffnung formuliert, durch die Ermittlung der Charakteristika und des Strategieninventars von prototypischen „guten“ Lernern Hinweise für die gezielte Förderung „schlechter“ Lerner zu gewinnen (Defizit- und Kompensationsansatz). Die umgekehrte Möglichkeit, gezielt „schlechte“ Lernende und deren Lernstrategien zu analysieren, wurde ebenfalls ausprobiert (vgl. K INAU / S TEFANOWITSCH 2000). Das „good language learner“- Projekt lieferte als eines der ersten umfassenden Forschungsprojekte empirische Befunde für eine Reihe von Lernstilfaktoren und war ein wichtiger Wegbereiter der Lernstrategienforschung, die Ende der 1980er Jahren einsetzte und zügig im Rahmen einflussreicher Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 19 38 (2009) Publikationen die Fachöffentlichkeit erreichte (W ENDEN / R UBIN 1987; O’M ALLEY / C HA - MOT 1990; O XFORD 1990a). Lernstrategien wurden recht schnell nicht nur zu einem beliebten Gegenstand der Fremdsprachenerwerbsforschung (vgl. M C D ONOUGH 1999 und die Beiträge in C OHEN / M ACARO 2007), sondern und gerade auch der lernerorientierten Fremdsprachendidaktik (s. B IMMEL / R AMPILLON 2000; R AMPILLON 2000). Exemplarisch nenne ich N ODARI (1996: 4), bei dem deutlich wird, wie gut die Konzepte um Lernstil und Lernstrategien in die dominierenden lernerorientierten Vorstellungen passten und immer noch passen: „Seit einigen Jahren sind in der didaktischen Diskussion neben die Frage der Ziele, Inhalte und Methoden auch Fragen zu den Menschen, die am schulischen (Fremdsprachen-)Unterricht teilhaben, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. In erster Linie sind es Fragen zur lernenden Person. Mit didaktischen Begriffen wie z.B. Schülerorientierung (Berücksichtigung von Schülerinteressen), Binnendifferenzierung (z.B. unterschiedliche Unterrichtsangebote für leistungsstärkere/ -schwächere Schüler), Projektorientierung (z.B. Lernen durch die gemeinsame Arbeit an Projekten) oder lernpsychologischen Begriffen wie z.B. Lernertyp, Lernstrategien, Metakognition (Reflexion von Lernprozessen und Lernstrategien) wird versucht, die Perspektive der Lernenden zu würdigen und in die didaktischen Überlegungen einzubeziehen. Die vermehrte Aufmerksamkeit auf die Lernenden hat nicht nur mit den äußerst spannenden Ergebnissen der lernpsychologischen Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten zu tun. Sie hat auch schlicht damit zu tun, dass wohl manche etwas Grundlegendes gemerkt haben: Ohne die aktive Teilhabe und Teilnahme der Lernenden kann nicht wirklich von Fortschritt im schulischen (Fremdsprachen-)Unterricht gesprochen werden“ [Hervorheb. im Original]. Auch in Folge der PISA-Studien gelangte das sogenannte „selbstregulative Lernen“ stärker in den Fokus bildungspolitischer Interessen (vgl. exemplarisch A RTELT / D EMM - RICH / B AUMERT 2002) - in der pädagogischen Psychologie und den Erziehungswissenschaften ist das Konzept „Lernstrategie“ vom Konzept „Selbstregulation“ abgelöst worden -, d.h. hier: Lernstrategienwissen und der gezielte Einsatz von Lernstrategien bei der Lösung von Aufgaben (hier: Leseverstehen in der L1 Deutsch - bzw. L2 Deutsch für Schüler/ innen mit Migrationshintergrund). Heute ist das Konzept des selbstregulativen Lernens fester Bestandteil in der Entwicklung und Diskussion von Bildungsstandards für die Schulen - auch für den Fremdsprachenunterricht. Es gibt heutzutage kaum ein neueres Lehrwerk, z.B. im Bereich Deutsch als Fremdsprache, das sich nicht auch als Medium für Lernberatung versteht und zumindest „Lerntipps“ verteilt sowie Einheiten zum expliziten oder impliziten Lernstrategientraining oder zur Reflexion des Lernertyps vorsieht. Schon 1998 bot eurolingua Deutsch als erstes DaF-Lehrwerk ein eigenes Lernerhandbuch an, u.a. mit dem Ziel, dass Lerner sich Lern- und Arbeitstechniken aneignen und „das Lernen lernen“ (R OHRMANN / S ELF 1998). Das inzwischen gut bekannte und sich langsam durchsetzende neuere Lehrwerk studio D (vgl. exemplarisch Band A1; F UNK / K UHN / D EMME 2005) erläutert systematisch im Inhaltsverzeichnis, welche lernstrategische Kompetenzen in jeder Lektion (analog zur grammatischen und Aussprachekompetenz) trainiert werden. „Intensives Strategientraining“ ist nach Auskunft des Verlags ein Grundprinzip des brandneuen Lehrwerks Aussichten A1.1 (R OS [et al.] 2009), in jeder Lektion gibt es implizites Strategientraining, oft auch „Strategie-Rezepte“ in Form von Tipps und Redemitteln. 20 Claudia Riemer 38 (2009) Mit dem Lernstrategientraining wird die Hoffnung auf insgesamt effektiveres und erfolgreicheres Fremdsprachenlernen verbunden (vgl. exemplarisch O XFORD 1989). Gleichzeitig war aber immer umstritten, inwiefern Lernstrategien wirklich trainiert werden können. Inzwischen herrscht die Meinung vor, dass dies durchaus möglich ist (insbesondere bei metakognitiven Lernstrategien), wenn auch nicht unbegrenzt (vgl. O XFORD / B URRY -S TOCK 1995; M C D ONOUGH 1999; C HAMOT 2004). Nicht unbegrenzt bedeutet: nur in dem Rahmen, der von den Motivationen, Neigungen, Dispositionen und Fähigkeiten des Lernenden bestimmt wird. Konzepte von Lernstrategien sind nichtsdestotrotz immer noch mit der Hoffnung verbunden, dass hierüber lernförderliche Interventionen, z.B. durch Lernstrategientraining im Fremdsprachenunterricht, erfolgen können. Und diese Hoffnung ist wohl auch die Ursache für die relative Robustheit des Konzepts gegenüber regelmäßigen Anwürfen, die besonders heftig in Bezug auf die forschungsmethodische Operationalisierung von Lernstrategien und in Bezug auf terminologische und theoriebezogene Unklarheiten geführt wurden (vgl. die deutliche Skepsis von D ÖRNYEI / S KEHAN 2003; D ÖRNYEI 2005 und die Antwort von M ACARO 2006). Ein exemplarisches Beispiel zur forschungsmethodologischen Problematik: W ÜRFFEL (2006: 87) hat z.B. im Rahmen einer Pilotstudie beobachtet, dass Lernende zwar bei Befragungen über ihre Lernstrategiennutzung Auskunft geben - dass diese aber nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht: Lernende glauben, dass sie z.B. Strategien beim Fremdsprachenlernen einsetzen, die sie aus der Muttersprache kennen, sie tun es aber oft gar nicht. Die vielfach in der Strategienforschung eingesetzten self-report-Instrumentarien sind folglich per se problembehaftet. Im Folgenden werde ich auf einige Entwicklungen im Forschungsbereich „Individuelle Unterschiede“ eingehen und dabei die kognitiven Lernerfaktoren Fremdsprachenlerneignung und Lernstil fokussieren, die - neben anderen Variablen - für Erfolg und Schnelligkeit beim Fremdsprachenlernen verantwortlich gemacht werden (vgl. für einen Überblick zum Forschungsbereich „Individuelle Unterschiede“ D ÖRNYEI / S KEHAN 2003; D ÖRNYEI 2005; R IEMER 2006). Zu beantworten, ob es aber tatsächlich die individuelle Ausprägung der Variablen selbst ist - also z.B. die Ausprägung von bestimmten Lernstildimensionen wie u.a. Feldunabhängigkeit oder Wahrnehmungspräferenzen (vgl. Abschnitt 3) -, die den Unterschied ausmachen, oder ob es nicht die Wechselwirkung solcher Variablen mit anderen Variablen ist (z. B. lernstrategischem Wissen und Handeln; vgl. Abschnitt 4), dies stellt nicht nur forschungsmethodisch eine beachtliche Herausforderung dar. 30 Jahre nach der Erstpublikation des „good language learner“-Projekts charakterisiert G RIFFITHS (2008: 95) die Situation wie folgt (die weiteren Ausführungen des Beitrags werden ihr recht geben): „The optimism of 30 years ago, which predicted that if we could only find out what good language learners did we could help all learners to learn successfully has given way to the realization that the task is larger and more complicated than was thought at that point in time […]“. Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 21 38 (2009) 2. Fremdsprachenlerneignung Es mag überraschen, dass im Kontext dieses Themenhefts der Faktor language aptitude (Fremdsprachenlerneignung) bemüht wird. Potentielle Wechselwirkungen mit lernstrategischem Inventar wurden zwar immer wieder am Rande von der Lernstrategienforschung mitgedacht (vgl. exemplarisch O XFORD 1990c), aber nie näher fokussiert oder als besonders bedeutsam ermittelt. Angesichts neuerer Entwicklungen in der Fremdsprachenlerneignungsforschung sollten mögliche Wechselwirkungen neues Interesse finden. Der Faktor Fremdsprachenlerneignung gilt - noch vor dem Faktor Motivation - als der wichtigste Faktor, der individuelle Unterschiede in Bezug auf Erfolg beim Fremdsprachenlernen am besten prognostizieren und erklären kann (vgl. S KEHAN 1989: 38; E LLIS 2004: 531; vgl. den Überblick von S CHLAK 2008); für die Fremdsprachenforschung relativ hohe Korrelationen (.4-.6) zwischen dem Fremdsprachenlerneignungstest und Sprachtests sind der Regelfall. Fremdsprachenlerneignung wurde traditionell als von anderen Lernervariablen unabhängiger Faktor konzeptualisiert. Allerdings teilt die Fremdsprachenlerneignung mit anderen kognitiven Lernerfaktoren das Charakteristikum, dass es sich bei ihr um einen tief in der Persönlichkeit verankerten und recht stabilen Faktor handelt, der anscheinend nicht (oder nur äußerst eingeschränkt) durch fremdsprachendidaktische Interventionen manipuliert werden kann. Im Zusammenhang mit language aptitude waren in der internationalen Fremdsprachenforschung die (nachträglichen) Definitionen und Operationalisierung von C ARROLL (vgl. seine resümierenden Beiträge 1981 und 1990) bis vor wenigen Jahren unangetastet. Das Konstrukt wurde als Summe von vier voneinander unabhängigen Fähigkeiten definiert - als da wären: phonologische Diskriminierungs- und Enkodierungsfähigkeit (Fähigkeit, Laute in Verbindung mit ihrer schriftlichen Form zu identifizieren und zu behalten); grammatisches Einfühlungsvermögen (Fähigkeit, grammatische Funktionen von Wörtern innerhalb eines Satzes zu erkennen); induktive Sprachlernfähigkeit (Fähigkeit, grammatische Muster induktiv zu erkennen); Gedächtnisleistung (insbesondere die Fähigkeit zum Auswendiglernen). Im Unterschied zu anderen Definitionsansätzen (z.B. P IMSLEUR 1966) sind nach C AR - ROLLS Auffassung Motivation und Intelligenz nicht Bestandteile der Fremdsprachenlerneignung. Die Anfänge der Fremdsprachenlerneignungsforschung sind aus heutiger Sicht einigermaßen kurios: Mit Regierungsauftrag wurden in einem mehrjährigen Forschungsprojekt über 40 Tests neu entwickelt, von denen man annahm, sie könnten im Zusammenhang mit Fremdsprachenlernerfolg stehen, und dann sehr großen Gruppen von Lernenden gemeinsam mit Sprachtests vorgelegt. Die Ergebnisse der Tests wurden dann miteinander korreliert. Die Tests mit der höchsten Prognosefähigkeit in Bezug auf die Sprachtests und den geringsten Korrelationen untereinander - und das waren fünf - wurden für den MLAT ausgewählt. Diese fünf fremdsprachenspezifischen Tests (Number Learning, Phonetic Script, Spelling Clues, Words in Sentences, Paired Associates) wurden von 22 Claudia Riemer 1 Seitdem wurde in vielen Studien der Zusammenhang von Gedächtniskomponenten und L2-Kompentenz untersucht, aber es gibt keine einheitlichen Forschungsergebnisse, in denen die Gedächtniskomponenten einhellig mit Fremdsprachenlernerfolg korrelieren; vgl. S CHLAK (2008: 14), der nach einer kritischen Betrachtung vorliegender Befunde zur eher zurückhaltenden Einschätzung kommt: „Die bisherigen Untersuchungsergebnisse deuten insgesamt betrachtet auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten Gedächtniskapazitäten und Sprachlernerfolg in bestimmten Sprachbereichen und für bestimmte Lernende hin“. 38 (2009) C ARROLL und S APON (1959) als standardisierter „Modern Language Aptitude Test“ (MLAT) veröffentlicht; erst danach wurden - mitunter etwas mühsam anmutend - die vier obengenannten Konstruktdefinitionen davon abgeleitet. Der MLAT gilt seitdem als anerkannte und robuste Operationalisierung der Fremdsprachenlerneignung, auch wenn ihm zeitweise nachgesagt wurde, dass er zu sehr dem Zeitgeist der audio-lingualen Methode verwandt sei. Nicht verschwiegen werden sollte außerdem, dass der MLAT als Prognosetest, genauer gesagt Selektions- und Einstufungstest, entwickelt wurde und sehr lange Zeit unverändert blieb und nicht als Instrumentarium eines Erkenntnisinteresses, das tiefe Einblicke in individuelle Lernprozesse ermitteln sollte, gedacht war. Prognosefähigkeit und die praktische Nützlichkeit stehen beim MLAT im Vordergrund, nicht der theoretische Erklärungsanspruch. Mit der in den 1960er und insbesondere 1970er Jahren aufkommenden L2-Motivationsforschung und der Lernstrategien- und Lernstilforschung seit den 1980er Jahren wurde zunehmend Einsicht in die mehrfaktoriellen und interdependenten Dimensionen des Fremdsprachenlernens gewonnen, die Fremdsprachenlerneignung blieb davon aber zunächst relativ unberührt. Erst seit Ende der 1980er Jahre wurden mit den Arbeiten von S KEHAN (1986, 1989, 1991, 1998) neuere Überlegungen zur Definition und Operationalisierung der Fremdsprachenlerneignung angestellt, die das Konzept näher in den Wirkungskreis anderer kognitiver Variablen stellten. Ins Zentrum rücken hierbei die vier unterschiedlichen Komponenten von Fremdsprachenlerneignung, die neu konzeptualisiert wurden. S KEHAN (1998) fasste die beiden Komponenten grammatisches Einfühlungsvermögen und induktive Sprachlernfähigkeit im Konzept „language analytic ability“ zusammen und grenzte dieses von den Gedächtnisfähigkeiten („memory ability“) deutlich ab; dritte zur Fremdsprachenlerneignung zugehörige Fähigkeit bleibt bei ihm die „phonetic coding ability“ bzw. „auditory ability“. Die Gedächtnisfähigkeit selbst wurde auf der Basis neu entwickelter Gedächtnistheorien (insbesondere der Arbeit von B ADDELEY zum Arbeitsgedächtnis, vgl. S CHMIDT 2006) neu konzipiert und alternativ operationalisiert (Ablösung des Paired-Associates-Tests durch u.a. Lesespannentests und Tests des phonologischen Kurzzeitgedächtnisses). Zentraler Gedanke dabei ist die Annahme, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses begrenzt und der Umfang dieser Kapazität individuell unterschiedlich ist. 1 Eine offene Frage prägt - auch - die Gedächtnisforschung: die nach der Trainierbarkeit, hier der Verbesserbarkeit der Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses durch Trainingsmaßnahmen (vgl. Werbemaßnahmen für „Gehirn-Jogging“, mit denen derzeit allerlei kommerzielle Interessen verbunden werden). Die hier besonders interessante Erkenntnis der neueren Fremdsprachenforschung zum Faktor language aptitude ist die Entdeckung, dass Lernende unterschiedliche Fremd- Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 23 38 (2009) sprachenlerneignungsprofile haben. S KEHAN (1998) stellte z.B. in einer Untersuchung mit britischen Arabischlernern fest, dass diese entweder über ein gutes Gedächtnis oder über gute Analysefähigkeiten verfügten, ohne dass sie sich im Hinblick auf ihren Sprachlernerfolg signifikant unterschieden hätten. Lernende unterscheiden sich also in ihren kognitiven Dispositionen, die mit den beiden zentralen Komponenten der Fremdsprachenlerneignung in Verbindung gebracht werden und dadurch zwei Lerntypen ausprägen: (a) Lernen auf der Basis analytischer Fähigkeiten; (b) Lernen auf der Basis gedächtnisorientierter Fähigkeiten. Wichtig ist die Erkenntnis, dass beide Profile gleichermaßen erfolgreiches Fremdsprachenlernen ermöglichen - und: Lernende sind gewöhnlich entweder in ihren Gedächtnisfähigkeiten oder ihren Analysefähigkeiten stärker ausgeprägt, tendieren also zum einen oder anderen Typ. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass sowohl Analysefähigkeiten als auch Gedächtnisfähigkeiten in gutem Maße vorhanden - oder leider auch: zu wenig vorhanden - sind. Und es gibt Befunde, die darauf hindeuten, dass Gedächtnisfähigkeiten bei jüngeren Lernern, Analysefähigkeiten dagegen eher bei älteren Lernern ausgeprägt sind, also der Faktor Alter hier erheblich interveniert (vgl. den Überblick in S KEHAN 1989; D ÖRNYEI 2005). Von der Entdeckung dieser Eignungsprofile zur Annahme von Wechselwirkungen mit Unterrichtsvariablen, vor allem des Lehrstils, war es dann nur noch ein kurzer Weg. Die neuere Fremdsprachenlerneignungsforschung geht davon aus, dass „der jeweilige Lernerfolg und die jeweilige Lernzufriedenheit des einzelnen Lernenden in Abhängigkeit von der methodischen Gestaltung des Unterrichts variieren. […] Dabei geht man davon aus, dass bestimmte Unterrichtsmethoden besonders erfolgreich bei Lernenden mit bestimmten Lerneignungsprofilen sind. Keine Unterrichtsmethode ist grundsätzlich zu empfehlen, sondern nur wenn sie zu den Fähigkeiten der Lernenden passt“ (S CHLAK 2008: 17). Die positiven Auswirkungen einer Passung von Fremdsprachenlerneignungsprofil und Unterrichtsstil im Hinblick auf Analysebzw. Gedächtnisorientierung auf die Zufriedenheit und Lernerfolg wiesen unterschiedliche Studien nach (vgl. W ESCHE 1981; S KEHAN 1989). Die Bedeutung der unterschiedlichen Komponenten der Fremdsprachenlerneignung konnte für unterschiedlich gestaltete Lernarrangements im Fremdsprachenunterricht nachgewiesen werden, so auch die Bedeutung der Analysefähigkeiten in kommunikativ orientierten Settings (vgl. exemplarisch S AWYER / R ANTA 2001; R ANTA 2002). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass unterrichtliche Lernbedingungen und Fremdsprachenlerneignung in differenzierter Wechselwirkung zueinander stehen. Und es gibt erste Ansätze, die darauf hinarbeiten - ähnlich wie die Lernstil-Stretching-Konzepte (s. Abschnitt 3) -, dass Lehrende die Stärken und Schwächen in den Eignungsprofilen nicht nur berücksichtigen, sondern Schwächen auch gezielt angehen sollen, z.B. durch Hilfestellungen beim Erkennen von Regularitäten bei weniger analyseorientierten Lernenden, durch Hilfestellungen bei der Entschlüsselung von Lauten bei Lernenden mit schwächeren phonologischen Fähigkeiten (vgl. R ANTA 2008). Weiteren neueren Forschungen (s. zusammenfassend R OBINSON 2001, 2002, 2005) zufolge unterscheiden sich Lernende in ihren „aptitude complexes“, die Lerneignungsprofile, weitere kognitive Dispositionen und Fähigkeiten vereinen - und es nicht mehr 24 Claudia Riemer 38 (2009) erlauben, dass von der Fremdsprachenlerneignung eines Lernenden, die mehr oder weniger vorhanden oder nicht vorhanden ist, ausgegangen werden kann. Anhand solcher und weiterer Arbeiten (u.a. S KEHAN 2002), die Bindeglieder zwischen der Kognitiven Psychologie und der Fremdsprachenlerneignungsforschung sind, wird deutlich, dass sich das aktuelle Forschungsinteresse sowohl konzeptuell als auch empirisch darauf konzentriert, die Ansätze der kognitiven Fremdsprachenerwerbsforschung (u.a. mit Arbeitsschwerpunkten auf Formen expliziten, impliziten und inzidentellen Lernens sowie Aufmerksamkeitsprozessen bei der Informationsverarbeitung) mit der Erforschung individueller Unterschiede - und hier: die Fremdsprachenlerneignungsforschung - beim Fremdsprachenlernen zusammenzubringen. So liegt mit R OBINSON (2002) auch ein Versuch vor, die Wirksamkeit von spezifischen Komponenten der Fremdsprachenlerneignung in bestimmten Phasen des Spracherwerbsprozesses anzunehmen, z.B. die Rolle von Gedächtnis- und phonologischen Enkodierungsfähigkeiten bei der Lenkung fokussierter Aufmerksamkeit („noticing“) auf spezifische Merkmale des Inputs. Hier deutet sich an, dass die Trennung zwischen einer Fremdsprachenerwerbsforschung, die sich eher mit dem Erfolg und dem Misserfolg („rate“) befasst, und einer Forschung, die sich für die Prozesse („route“) interessiert, mehr und mehr aufgegeben wird. Hinweise, dass die Wirksamkeit von spezifischen Lernaufgaben vom jeweiligen Fremdsprachenlerneignungsprofil der Lernenden abhängt, sind von hoher Relevanz für die derzeit in der Fremdsprachendidaktik dominierenden aufgabenorientierten Ansätze („task-based language learning and teaching“). Wenn diagnostiziert werden kann, dass Lerner in bestimmten kognitiven Fähigkeiten ausgeprägte Schwächen und Stärken haben, ist es besonders wichtig, die vorhandenen Stärken mit geeigneten unterrichtlichen Lernbedingungen (hier: tasks) zu unterstützen. Die neuere Fremdsprachenlerneignungsforschung konzeptualisiert also den lange Zeit als unumstritten geltenden wichtigsten Erklärungsfaktor für individuelle Unterschiede deutlich in Nähe eines Konstrukts von Lernstilen, von allgemeinen Präferenzen im Umgang mit Lernaufgaben. S CHLAK (2008: 17) hält aber ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Fremdsprachenlerneignung und Lernstil fest: „Im Unterschied zu dem Verständnis von Lernstilen als individuelle wertfreie Präferenzen bleibt das Konzept der Lerneignung fähigkeitsbasiert. Lernende werden also weiterhin als im Besitz von mehr oder weniger großen Fähigkeiten beschrieben, auch wenn Lernerfolg keineswegs große Fähigkeiten in allen Teilkompetenzen voraussetzt.“ 3. Lernstile Lernstile betreffen einen Bereich der Fremdsprachenerwerbsforschung, der großes Potential aus Sicht der Unterrichtspraxis besitzt, der gleichzeitig aber auch sehr umstritten ist. Auf die Frage, ob es tatsächlich so etwas wie Lernstile gibt, kann mit D ÖRNYEI (2005: 124) geantwortet werden: „[…] we are not absolutely sure“. Es gibt viele verschiedene Begriffe, die mit Lernstilen in Verbindung gebracht werden, viele nicht miteinander vergleichbare Forschungsergebnisse, viele unterschiedliche Ansätze und Forschungs- Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 25 38 (2009) instrumentarien. Dennoch scheint für die Unterrichtspraxis das Konzept sehr einsichtig, denn es entspricht Erfahrungen von Fremdsprachenlehrern. Lernstile sind offensichtlich ein für die Fremdsprachendidaktik attraktiveres Konstrukt als die Fremdsprachenlerneignung. S KEHAN (1998: 237) benennt hierfür die folgenden Gründe. „The study of aptitude […] is often taken to imply that there are relatively stable qualities which confer an advantage for learning: some people are the lucky winners, while others are not so fortunate. […] A contrasting perspective is to examine whether there is any evidence of variation in style of learning, the characteristic manner in which an individual chooses to approach a learning task. A style perspective contains two differences which render it more attractive. First, it implies that there may be some degree of disposition, so that the style someone adopts may partly reflect personal preference rather than innate endowment. In such a case, the ,fixedness‘ associated with aptitude would not apply. Second, there is the possibility that with style, even though there may be a continuum of some sort with more or less of an attribute being possessed, all the advantages may not accrue to only one end of the continuum“ [Hervorheb. im Original]. Nach einer bekannten Definition von K EEFE (1987: 5) sind Lernstile „characteristic cognitive, affective and physiological behaviours that serve as relatively stable indicators of how learners perceive, interact with, and respond to the learning environment (NASSP, 1979)“ [Hervorheb. von mir]. Lernstile prägen also die Art und Weise, wie Menschen an Probleme herangehen, Lernprozesse planen und Erkenntnisse gewinnen - sie stellen ein wichtiges Bindeglied zwischen Kognition und Persönlichkeit dar. K EEFE (1987: 7; ) grenzt „Stil“ von „Fähigkeiten“ folgendermaßen ab: „Abilities deal with the content of cognition; they tell what kind of information is being processed by what operation in what form. Styles, on the other hand, illustrate the process of cognition; they tell how information is being processed. Abilities measure specific innate capacities and are value directional - more of an ability is better than less. Styles are controlling mechanism concerned with the manner or preference of performance and are valued differentiated - each extreme may be learning-adaptive depending on the circumstances“ [Hervorheb. im Original]. Stellt man zunächst das im vorangegangenen Abschnitt herausgearbeitete Ergebnis zurück, dass die neuere Fremdsprachenlerneignungsforschung dieses eher starre Konzept von Fähigkeiten anzweifelt, so ist doch festzuhalten, dass spezifische Lernstile nicht per se mehr Lernerfolg implizieren. Im Unterschied zum Konstrukt der language aptitude, das genuin seit seiner „Entdeckung“ - mit Blick auf seine oben skizzierte frühe Forschungsgeschichte könnte man es auch als Artefakt der Fremdsprachenlerneignungstest-Entwicklung bezeichnen - mit Fragen des Fremdsprachenlernens verbunden ist, entstammt das Konstrukt Lernstil der allgemeinen Psychologie und seiner späteren Adaption im Rahmen der Fremdsprachenforschung: „a clear case of the importation of a concept from a neighboring discipline […]“ (D ÖRNYEI / S KEHAN 2003: 601). Ein bekannter Definitionsansatz im Rahmen der Fremdsprachenforschung ist der von K INSELLA (1995: 171): 26 Claudia Riemer 38 (2009) „Learning style refers to an individual’s natural, habitual, and preferred way(s) of absorbing, processing, and retaining new information and skills which persist, regardless of teaching methods and content areas. Everyone has a learning style, but each person is as unique as a signature. Each signature appears to be influenced by both nature and nurture; it is a biological and developmental set of characteristics“ [Hervorheb. von mir]. Es herrscht in diesem Forschungsbereich eine allgemeine Begriffsverwirrung; allein die Begriffsdefinition im Zusammenhang mit den Termini „Lernstil“, „kognitiver Stil“, „Lernertyp“ und die Abgrenzung vom Konstrukt der „Lernstrategien“ stellt eine schwierige Herausforderung dar. Die ersten zwei Begriffe wurden und werden teilweise synonym verwendet. Mal wird „Lernstil“ als Oberbegriff verwendet, mal aber auch „kognitiver Stil“ - im Rahmen dieses Beitrags wird daher nicht zwischen beiden Begriffen unterschieden. „Lernertyp“ wird manchmal auch „Lerntyp“ genannt und eher in fremdsprachendidaktischen und unterrichtspraktischen Zusammenhängen verwendet und meistens mit typischen Kombinationen von unterschiedlichen Lernstildimensionen und weiteren Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Schüchternheit) in Verbindung gebracht. Während Lernstile als relativ stabile (K INSELLA 1995 nimmt hier eine recht extreme Haltung ein, vgl. Zitat oben) und aufgabenunabhängige sowie dem Lernenden unbewusste Persönlichkeitsdispositionen gelten, sind Strategien situations- und aufgabenspezifische und bewusste oder zumindest bewusstheitsfähige mentale Handlungen beim Gebrauch und Erwerb der Fremdsprache. Aus einer Fülle von Definitionsansätzen sind die folgenden Kernmerkmale hervorzuheben (vgl. u.a. die Beiträge in D UDA / R ILEY 1990 und R EID 1995; G ROTJAHN 1998; S KEHAN 1998; G ROTJAHN 2003; D ÖRNYEI 2005). Lernstile sind danach breite Präferenzen eines Individuums bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie bei der sozialen Interaktion; Dispositionen und verfestigte Gewohnheiten, die unterschiedliche Ansätze und Wege, Aufgaben zu bearbeiten, bewirken. Diese Ansätze und Wege weisen systematische Muster auf; bipolar und auf einem Kontinuum zwischen zwei Extremen anzusiedeln; Widerspiegelungen von „Komfortzonen“ innerhalb dieser zwei Extreme; nicht per se besser oder schlechter. Man kann mit jedem Lernstil erfolgreich sein, eben auf unterschiedliche Weise; allerdings mitunter in besonderen Fällen (in spezifischen Lernstildimensionen) mit Vorteilen beim Fremdsprachenlernen verbunden; je nach Aufgabenspezifik unterschiedlich wirksam; nicht direkt beobachtbar und lediglich durch Selbsteinschätzungen oder andere Indikatoren (auch: psychologische Tests) erschließbar; den Lernenden meistens nicht bewusst; kulturell geprägt; kaum bzw. nur schwer veränderbar. Das Konzept der „comfort zones“ bringt E HRMAN (1996: 54) in die Diskussion ein. Danach ist die Mehrheit der Lernenden dadurch zu charakterisieren, dass sie sich zwar mit einer bestimmten Herangehensweise an Aufgaben am wohlsten fühlt, aber dennoch Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 27 38 (2009) andere Zugänge nicht prinzipiell ausgeschlossen seien, wenn es die Umstände erfordern. Nur eine Minderheit der Lehrenden sei nicht imstande, außerhalb gesetzter Dispositionen, die mehr als nur Präferenzen seien, zu agieren. E HRMAN (1996) geht also insgesamt von einem deutlich flexibleren Lernstilkonzept aus als K INSELLA (1995). Forschungsergebnisse liegen für unterschiedliche Einzelvariablen vor, die zum Lernstil gerechnet werden - es gibt inzwischen viele unterschiedliche Taxonomien von zu berücksichtigenden Dimensionen, die sich grob den kognitiven Dispositionen der Aufnahme und Verarbeitung von Information, den sensorischen Präferenzen und den stärker persönlichkeitsbasierten Dispositionen zuordnen lassen. Diese drei Bereiche sind aber nicht trennscharf zu unterscheiden. Einige generelle Tendenzen und Konstrukte werden exemplarisch im Folgenden sehr kurz zusammengefasst. (Es gibt noch reichlich mehr Ansätze; vgl. zusammenfassend D ÖRNYEI 2005.) Die so genannte Feldunabhängigkeit/ Feldabhängigkeit ist einer der bekanntesten Lernstilfaktoren, der dem kognitiven Lernstil zugeordnet wird. Diese durch einen spezifischen Test („Hidden Figures Test“, später „Group Embedded Figures Test“) nachweisbar individuell unterschiedliche Fähigkeit, in einem aus sich überlappenden geometrischen Formen zusammengesetzten komplexen Bild Einzelfiguren zu isolieren, konnte in vielen Untersuchungen mit fremdsprachlichen Leistungen korreliert werden, wobei anders als bei vielen anderen Lernstilfaktoren hier ein Vorteil einer spezifischen Ausprägung für das Fremdsprachenlernen festgestellt werden konnte: nämlich ein Vorteil der Feldunabhängigkeit (u.a. bei N AIMAN [et al.] 1978; H ANSEN / S TANSFIELD 1981; S TANSFIELD / H ANSEN 1983; C HAPELLE / R OBERTS 1986). Feldunabhängigkeit wird als Disposition zur analytischen Wahrnehmung von Einzelphänomenen bei der Lösung komplexer Aufgaben verstanden, während Feldabhängigkeit mit einer Disposition für eine eher holistische Wahrnehmung in Verbindung gebracht wird. Trotz der gesichert anmutenden Evidenz des Faktors ist es in den letzten Jahren recht ruhig um die Feldunabhängigkeit geworden, das Konstrukt ist nicht unumstritten - es wird selten mehr allein betrachtet, sondern im Verbund mit anderen Lernstilvariablen herangezogen (s.u.). Interessant ist der Vorschlag von C HAPELLE / G REEN (1992), die das Messinstrumentarium eher mit dem Konstrukt von Fremdsprachenlerneignung und weniger mit Lernstil in Verbindung bringen. G RIFFITHS / S HEEN (1992) bestreiten sogar jegliche Bedeutung des Konstrukts für den Fremdsprachenerwerb. Als weitere Dimensionen werden der eng mit dem Konstrukt Feldunabhängigkeit verwandte analytische/ globale Lernstil unterschieden: Lernende mit globalem Lernstil versuchen den gesamten Kontext zu erfassen, während sich analytische Lerner auf einzelne Aspekte konzentrieren, die anschließend zu einem Ganzen verknüpft werden. Auch Reflexivität/ Impulsivität werden hierzu gerechnet: Impulsiven Lernenden werden Neigungen unterstellt, bei komplexen Problemlösungen eher spontan vorzugehen, während reflexive Lernende hingegen z.B. ihre sprachlichen Äußerungen genau vorplanen und daher langsamer und bedachter handeln. Zu den sensorischen Lernstilen gehören Dispositionen, beim Lernen spezifische Wahrnehmungskanäle zu bevorzugen. Dieses Konzept hat in der Fremdsprachendidaktik Anklang gefunden, was sich z.B. daran erkennen lässt, dass viele Lehrwerke Einheiten 28 Claudia Riemer 38 (2009) zur Identifizierung entsprechender Lernertypen anbieten. Es geht um die Unterscheidung von auditiven, visuellen, kinästhetischen und taktilen Perzeptionsstilen. Visuelle Lerner - und man geht davon aus, dass die meisten Lernenden eher visuelle Lerner sind - verarbeiten Informationen am effizientesten, wenn sie ihnen visuell dargeboten werden, während auditive Lerner am besten lernen, wenn sie anderen (und sich selbst) zuhören können; kinästhetische Lerner brauchen dagegen körperliche Bewegung, um sich konzentrieren zu können und taktile Lerner bevorzugen es, etwas zu be-greifen (vgl. L EAVER / E HRMAN / S HEKHTMAN 2005: 67 ff). Es muss festgehalten werden, dass diese in der Fremdsprachendidaktik beliebte Typisierung von Lernern nach ihren bevorzugten Wahrnehmungskanälen nicht ausreichend theoretisch und empirisch untersucht wurde. Außerdem gibt es reichlich Hinweise, dass die meisten Lernenden wohl mehrere Wahrnehmungspräferenzen in sich vereinen, so dass reine Lerntypen relativ selten sind. Nicht immer werden Wahrnehmungspräferenzen und Verarbeitungspräferenzen sauber unterschieden - aber auch hier deutet sich an, dass Lernermerkmale näher mit allgemeinen kognitiven Verarbeitungsprozessen bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen in Bezug gesetzt werden können. Zu den in der Fremdsprachenforschung am bekanntesten gewordenen persönlichkeitsbasierten Lernstilen zählen Ambiguitätstoleranz/ Ambiguitätsintoleranz (vgl. C HAPELLE / R OBERTS 1986) und extraversion/ introversion. Erstere bezieht sich auf die Neigung von Lernenden, Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten wahrnehmen und ertragen zu können - ambiguitätsintolerante Lernende benötigen z.B. mehr Erklärungen. Letzteres Konstrukt drückt das Ausmaß der Kontaktfreudigkeit und sozialen Aufgeschlossenheit von Individuen aus. Die Dimensionen extraversion/ introversion, intuition/ sensing, feeling/ thinking und judging/ perceiving, die vom sogenannten Myers-Briggs-Modell erfasst werden - einer Weiterentwicklung tiefenpsychologischer Ansätze von C.G. J UNG -, sind vor allem mit den Forschungen von E HRMAN in die Fremdsprachenforschung eingebracht worden (vgl. E HRMAN 1990, 1993, 1996; E HRMAN / O XFORD 1989, 1995). In der Persönlichkeitspsychologie entwickelte Persönlichkeitsmessinstrumentarien (z.B. der Myers Briggs Type Indicator: MBTI) schlagen Typisierungen als Kombinationen der jeweils diagnostizierten Dimensionen vor, die dann hinsichtlich ihrer Implikationen für das Fremdsprachenlernen diskutiert werden. Einen sehr umfassenden Vorschlag zur Konzeptualisierung von Lernstilen in Bezug auf das Fremdsprachenlernen legen E HRMAN / L EA - VER (2003) mit folgenden Lernstildimensionen vor: (a) field independent/ field sensitive; (b) random (non-linear)/ sequential (linear); (c) global/ particular; (d) inductive/ deductive; (e) synthetic/ analytic; (f) analogue/ digital; (g) concrete/ abstract; (h) leveling/ sharpening; (i) impulsive/ reflective. Ohne hier die einzelnen Ausprägungen genauer behandeln zu können, verdeutlicht allein ihre Aufzählung die Komplexität des Unterfangens, erforschen zu wollen, was einen Lernstil ausmacht und welche Konsequenzen solche Lernstile für das Fremdsprachenlernen haben können. Allerdings veranlassen solche langen Auflistungen mitunter eher vager und wenig konkret auf das Fremdsprachenlernen bezogener und noch weniger empirisch nachgewiesener Verbindungen auch Abwehrreaktionen und führen zu sehr skeptischen Aussagen hinsichtlich der Relevanz dieser Ansätze für die Fremdsprachenforschung (vgl. insbesondere D ÖRNYEI / S KEHAN 2003; D ÖRNYEI 2005). Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 29 38 (2009) Auch wenn die Multidimensionalität der bisher angesprochenen Lernstildimensionen einfache Adaptionen für die unterrichtliche Praxis ausschließen, ist eine zentrale Erkenntnis aus der Lernstilforschung zu gewinnen: „Learning style mismatches are at the root of many learning difficulties“. Was E HRMANN (1996: 50) hier postuliert und in der Metapher vom „style war“ (O XFORD / E HRMAN / L AVINE 1991) noch drastischer zum Ausdruck kommt, ist die Beobachtung, dass die fehlende Übereinstimmung zwischen dem Lehrstil bzw. Annahmen der Lehrenden hinsichtlich der Lernstile ihrer Lernenden und der tatsächlich vorliegenden Lernstile der Lernenden negative Auswirkungen haben und dass im Umkehrschluss Lerner besonders davon profitieren, wenn der Unterrichtsstil ihrem Lernstil entspricht. E LLIS (1989: 259) fasst dies folgendermaßen zusammen: „[...] learners do benefit if the instruction suits their learning style, but, if it does not, they may be able to adopt, at some cost to their own ease of mind and the type of proficiency they develop“. Diverse empirische Untersuchungen (vgl. exemplarisch E LLIS 1989; O XFORD / E HRMAN / L AVINE 1991; O XFORD / H OLLAWAY / H ORTON -M URILLO 1992; E HRMANN 1996) kommen zu folgenden Erkenntnissen. „Style war“ bricht dann aus bzw. Lernschwierigkeiten sind dann vorprogrammiert, wenn der Lernstil von Lernenden nicht zum Unterrichtsstil des Lehrers passt; wenn er nicht zum Unterrichtsprogramm passt; wenn er nicht zu den Lernaufgaben passt; wenn er nicht mit den subjektiven Überzeugungen des Lerners übereinstimmt, wie man erfolgreich eine Fremdsprache lernt; wenn er nicht zu den angewendeten Lernstrategien passt; wenn er nicht zu seinen Fähigkeiten passt. Es ist also festzuhalten, dass für die Lernstilforschung (und auch für die Fremdsprachenlerneignungsforschung; s. Abschnitt 2) Forschungsergebnisse vorliegen, die den Anstrengungen von Lehrkräften eine sehr hohe Bedeutung zumessen, für ihre Lernenden gemäß ihren zu bestimmenden und zu berücksichtigenden Präferenzen und Fähigkeiten abgestimmte Unterrichtshandlungen zu entwickeln - dieses wird auch als „Lernstil- Matching“ bezeichnet. Matching bedeutet Einstellung auf die vorliegenden Präferenzen der Lernenden, indem z.B. Lernaufgaben angepasst werden oder alternative Aufgabenstellungen angeboten werden. Unbedingt notwendig ist hierfür, dass sich Lehrende auch über ihren eigenen Lernstil bewusst werden, den sie möglicherweise unbewusst in ihrem Lehrstil präferieren. Eine andere fremdsprachendidaktische Anwendung sieht vor, dass Lernende hinsichtlich ihres Lernstils (und ihres Lernstrategiengebrauchs) Bewusstheit erlangen sollten (z.B. im Rahmen von Unterrichtsreflexionen über Lernerfahrungen und Lernweisen, auch über Verfahren der Selbstevaluation), um auf dieser Basis eher erkennen zu können, welche Lernstrategien von ihnen bevorzugt werden und welche - vielleicht zu Unrecht - vernachlässigt werden. Lehrende sollen hier anknüpfen und Lernende dabei unterstützen, ihren Lernstil etwas flexibler zu gestalten bzw. ihre „Komfortzone“ zu dehnen, indem sie andere evtl. verkümmerte Dimensionen erkennen und nutzen: durch sogenanntes „Lernstil-Stretching“. Empfehlungen zum Matching und Stretching finden sich u.a. in O XFORD / H OLLAWAY / H ORTON -M URILLO (1992), K INSELLA (1995), E HRMAN (1996) und L EAVER / E HRMAN / S HEKHTMAN (2005). Es gibt aber auch kritische und einschränkende Bemerkungen (vgl. D ÖRNYEI 2005: 157 ff). Überlegungen, wie solche Themen im Rahmen der Fremdsprachenlehrerausbildung berücksichtigt werden können, finden sich bei C OHEN (2002) und D EMME (2004). 30 Claudia Riemer 38 (2009) 4. Lernstile und Lernstrategien Es liegen reichhaltige Ergebnisse aus der Strategienforschung vor, dass Umfang und Qualität der Verwendung von Lern- und Kommunikationsstrategien durch den Lerner im Umgang mit den situations- und aufgabenspezifischen Anforderungen beim Gebrauch und Erwerb der Fremdsprache den Sprachlernerfolg mit beeinflussen (vgl. zusammenfassend G ROTJAHN 1998; M C D ONOUGH 1999). Inwieweit diesem Strategiengebrauch Lernstildimensionen zugrunde liegen, ist vielfach angenommen, aber insgesamt bis heute noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden (vgl. C OHEN 2003). Mit den Studien von E HRMAN und O XFORD (1989, 1990) liegen z.B. Hinweise dafür vor, dass Lerner je nach ihrem Lernstil (hier nach dem Modell von Myers-Brigg) bestimmte Strategien bevorzugen. Solche Forschungsergebnisse legen eine funktionale Definition von Lernstilen als Dispositionen von Lernenden nahe, bestimmte Lernstrategien stärker und andere weniger zu präferieren. Im Rahmen der Lernstrategienforschung wurde sehr früh Einsicht gewonnen in die Wechselwirkungen von lernstrategischem Inventar und zugrundeliegenden individuellen Lernstilen sowie weiteren kognitiven Dispositionen und Fähigkeiten des Lernenden (vgl. exemplarisch O XFORD 1990b und 1990c). Zentrale Fragen nach dem Verhältnis von Lernstil und Lernstrategien(-gebrauch) sind aber bis heute nicht ausreichend geklärt, und mit einfachen Antworten aus der Forschung zu den folgenden Fragen kann nicht gerechnet werden: Ist der jeweilige Lernstrategiengebrauch eines lernenden Individuums in dessen Lernstilpräferenzen begründet? (Kann dies überhaupt nachgewiesen werden? ) Verwenden unterschiedliche Lernertypen unterschiedliche Lernstrategien? (Kann dies überhaupt nachgewiesen werden? ) Ist Lernstrategientraining erfolgreicher, wenn die Lernstilpräferenzen des Lernenden berücksichtigt werden? (Kann dies überhaupt nachgewiesen werden? ). Hierneben muss erwähnt werden, dass es zahlreiche andere Variablen gibt, die den Strategiengebrauch beeinflussen: Lernervariablen wie Motivation, Einstellungen, Alter und Geschlecht sowie weitere Persönlichkeitsmerkmale und auch Lernerfahrungen auf der einen Seite und auf der anderen Seite Unterrichtsvariablen wie Aufgabenanforderungen, Unterrichtsmethoden und die Fremdsprache selbst (vgl. zusammenfassend O XFORD 1990c). Kognitive Faktoren bilden offensichtlich neben sozialen und affektiven Faktoren individuell stark variable Lernerprofile aus (vgl. auch die „Einzelgänger-Hypothese“; R IEMER 2006). Nicht unerwähnt bleiben soll außerdem die (oben in der Auflistung der Lernstilmerkmale genannte) kulturelle Herkunft, die in vielen Studien weltweit mit dem Lernstrategiengebrauch und Lernstil von Lernenden in Verbindung gebracht wird; von besonderem Interesse sind hier auch Lernstilkonflikte, die dann entstehen, wenn Lehrende und Lernende unterschiedlicher kultureller Herkunft aufeinanderstoßen (vgl. z.B. O XFORD / H OLLA - WAY / H ORTON -M URILLO 1992; N ELSON 1995; O XFORD / A NDERSON 1995; O XFORD / B URRY -S TOCK 1995; die Beiträge in O XFORD 1996; X IAO 2006). Hier muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass in diesem Forschungsbereich meistens von stereotypisierenden Nationalkultur- (bzw. Regionalkultur-)Begriffen ausgegangen wird, wenn z.B. nach einem westlichen und einem asiatischen Lernstil gesucht wird und recht schnell Training und Stretching im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenlerneignung, Lernstile, ... 31 38 (2009) gezeigt wird, dass Inkompatibilitäten zwischen Lernstil des Lehrenden und Lernenden in unterschiedlichen kulturellen Herkünften begründet sind. Solche Einsichten sind in der Unterrichtspraxis mitunter höchst populär und entsprechende Studien haben sicherlich auch guten Informationswert - aber: Neuere kulturwissenschaftliche Ansätze in der Fremdsprachendidaktik, die diese vereinfachten Nationalkulturbegriffe aufbrechen (vgl. exemplarisch A LTMAYER 1997; H U 2007), warten dringend darauf, in die Diskussion um Lernstile und Lernstrategien eingebracht zu werden. 5. Ausblick Die fremdsprachenlerntheoretischen Grundlagen, die Lernstrategientraining und auch Lernstil-Matching und -Stretching zugrunde liegen, sind noch nicht zufriedenstellend geklärt. Im Sport gilt die Regel, dass jeder Trainingseinheit zunächst eine intensive Aufwärmphase vorausgehen sollte, sollen Verletzungen und andere unangenehme Nebenwirkungen der sportlichen Aktivität verhindert werden. In diesem Zusammenhang gibt es außerdem die sportmedizinisch nicht unumstrittene Aufforderung, die Muskulatur kräftig zu dehnen - mit dem Versprechen, dass man dadurch auch insgesamt beweglicher würde. An solches Stretching fühlt man sich erinnert, wenn man aktuelle Ansätze und Erkenntnisse der Fremdsprachenforschung zur Frage nach der Bedeutung von Fremdsprachenlerneignung, Lernstilen und Lernstrategien für das Fremdsprachenlernen rezipiert. Sportliches Training und Stretching auf der einen Seite und Lernstrategientraining und Lernstil- Stretching auf der anderen Seite sind freilich nicht dasselbe. Letztere haben mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass man den Trainingsgegenstand zuweilen nicht als Teil des allgemeinen Lerngegenstands (die Beherrschung der Zielsprache) zu erkennen glaubt - insbesondere wenn (zu) allgemeine psychologische Typisierungen ins Spiel kommen. Und: Auch bestes Trainung und Stretching führen nicht zwangsläufig zum schnelle(re)n Lauf unter Wettkampfbedingungen, d.h. in der Wirklichkeit der fremdsprachlichen Praxis. An der Wechselwirkung von kognitiven Dispositionen, Fähigkeiten und Prozessen und ihren Gegenstücken in aufgabenspezifischen Arbeitstechniken kann m.E. nicht gezweifelt werden, auch wenn die Forschung hier noch viele Fragen offenlässt. Auch ein Ansatz, der Lernstrategiennutzung und Lernstrategientraining weniger an den Personenfaktoren festmacht, sondern sie als spezifisch dem spezifischen Lerngegenstand und seinen ihn konstituierenden „kontext-, lernaufgaben- und domänenspezifische[n]“ Bedingungen zugehörig betrachtet (vgl. exemplarisch F INKBEINER 2003; F INKBEINER [et al.] 2006), muss sich damit auseinandersetzen, inwieweit der Kognitionsprozess individuell determiniert ist - s. z.B. obige Ausführungen zur neueren Fremdsprachenlerneignungsforschung (Abschnitt 2). Die Erwartung, dass aufgabenorientierter Unterricht - so die Aufgaben auch angemessen entwickelt wurden und effektiven Einsatz der „richtigen“ Strategien bewirken - ohne großen individuellen Reibungsverlust Lernen ermöglicht, könnte die Fremdsprachenlerntheorie in eine Situation zurückversetzen, die S ELINKER (1972) im Rahmen seines programmatischen Aufsatz „Interlanguage“ folgendermaßen (damals in einer Fußnote versteckt) kritisierte: 32 Claudia Riemer 38 (2009) „A theory of second-language learning that does not provide a central place for individual differences among learners cannot be considered acceptable“ (S ELINKER 1972: 213 [Hervorheb. im Original]. Es wäre schade, wenn Forschung mindestens eines halben Jahrhunderts zur Relevanz von kognitiven Lernerfaktoren sich allein widerspiegeln würde in allgemeiner Unzufriedenheit über die forschungsmethodisch und fremdsprachenmethodisch/ -didaktisch schwer in den Griff zu bekommende Multidimensionalität von Lernerfaktoren und in der Bereitschaft, Lernstrategien allein von den erwarteten Lernergebnissen her zu konzeptualisieren. Mit M ACARO (2006) liegt ein vielversprechender Ansatz vor, die Lernstrategienforschung näher mit Entwicklungslinien in der Kognitiven Psychologie zusammenzubringen, wobei im vorgeschlagenen Konzept allerdings Lernstile lediglich verstanden werden als „clusters of cognitive and metacognitive strategies that, having gone through a process of proceduralisation, have become stable and fixed, and that a learner has a predisposition to use. They do not reflect a deeper reality“ (M ACARO 2006: 331) - was mit oben besprochenen Konzeptualisierungen von Lernstilen kaum zu vereinbaren sein dürfte. Bei aller Skepsis gegenüber der (leichten) Trainierbarkeit lernstrategischer Kompetenzen, insbesondere von solchen, die nicht nur die metakognitive Planungsebene, sondern kognitive Prozesse direkt steuernde Herangehensweisen betreffen: Selbstbeobachtung, Herstellung von Bewusstheit und Matching sowie Stretching in Bezug auf Lernstildimensionen scheinen ein gangbarer Weg zu sein. Dieser kann - bei aller Skepsis - zumindest über den Umweg der Förderung der selbstregulativen Fähigkeiten des Lernenden dessen Motivation beeinflussen und damit erfolgreich(er)es Fremdsprachenlernen bewirken. Aber: Dieses Vorgehen verlangt Einsicht in die Individualität von Lernprozessen - auch bei allen nicht zu bestreitenden universellen Prozessen. Und es verlangt von einer adressatenorientierten Fremdsprachendidaktik die Diagnose und Beobachtung sowie Bewusstheit von Lehrenden hinsichtlich der Relevanz und Mehrdimensionalität von Lernermerkmalen. Nicht alles kann diagnostiziert werden, nicht alles kann vorausgesehen werden. Abschließend ist außerdem festzuhalten, dass bei aller Einsicht in Lerneignungsprofile, Lernstile und deren (potentielle) Auswirkungen auf das lernstrategische Handeln der Lernenden die Lehrenden das Matching und Stretching nicht übertreiben sollten, da es insbesondere in heterogenen Gruppen schnell an Grenzen stößt. Ein Rückfall in das „Gießkannen-Prinzip“ nach dem Motto „Viel hilft viel“ - für jeden werde schon irgendwann das richtige dabei sein - ist auszuschließen. Dabei nicht vergessen werden sollte der andere „big two“-Faktor, der gerade schon erwähnt wurde: Motivation (vgl. hierzu zusammenfassend R IEMER 2009), der möglicherweise sehr viel leichter gefördert werden kann, wenn Motive und Willensbildungsprozesse von Lernenden systematisch berücksichtigt werden. Bei aller wachsenden Einsicht in die Zusammenhänge kognitiver Lernerfaktoren und kognitiver Lernprozesse darf auch nicht aus den Augen verloren werden, dass Lernen immer innerhalb eines spezifischen soziokulturellen Milieus stattfindet, das das soziale Leben des Lernenden und damit auch sein Lernen prägt (vgl. diesbezüglich kritische Anmerkungen hinsichtlich der fehlenden Berücksichtigung dieser Dimension in der bisherigen Lernstilforschung bei N ELL (2008: 56 f.) sowie seine Voraussetzungen, Verwirklichungschancen und Handlungsmöglichkeiten mitbestimmt. 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E-mail: guenter.nold@tu-dortmund.de Arbeitsbereiche: Lehr-Lernforschung und empirische Bildungsforschung im Bereich Englisch als Fremdsprache, Leistungsmessung und Sprachtestentwicklung, Entwicklung von Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien. 1 Siehe Good Language Learner Studien von N AIMAN / F RÖHLICH / S TERN / T EDESCO (1978), R UBIN (1981), S TERN (1983). 2 Siehe exemplarisch R AMPILLON (1985); W ENDEN / R UBIN (1987); S CHMECK (1988); O´M ALLEY / C HAMOT (1990); O XFORD (1990); Z IMMERMANN (1991); N OLD (1992); T ÖNSHOFF (1992); F INKBEINER (1995); N OLD / S CHNAITMANN (1995); Z IMMERMANN (1996); R AMPILLON / Z IMMERMANN (1997); G ROTJAHN (1997); N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN (1997); V OLLMER (1997); W OLFF (1997); H AUDECK (1998); W OLFF (1998); Z IMMER - MANN / P LESSNER (1998); M I ß LER (1999); F INKBEINER (2005); R AUPACH (2006); E NDER (2007); H AUDECK (2008); S CHRADER / H ELMKE / W AGNER / N OLD / S CHRÖDER (2008). 38 (2009) G ÜNTER N OLD * Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens Abstract. Foreign language learning strategies have been the focus of important empirical studies in Germany for more than a decade. The findings of this research clearly show that different facets of the concept of learning strategy are identified, if the research design is based on either questionnaires, interviews, written and oral learning diaries or other types of observation and if either the microor the macro level of the language learning process is addressed. Furthermore, in these studies the role of learning strategies is revealed within a network of variables that impact on FL learning. It is evident that learning strategies have a considerable direct effect on the FL learning process in combination with such variables as motivation or specific prior knowledge. In addition, there are considerable indirect effects on the FL learning process via the impact of certain variables on learning strategies. These findings are relevant for decisions that have to be taken when developing FL learning strategies in the school context. 1. Lernstrategien im Rückblick Seit drei Jahrzehnten werden Lernstrategien im Rahmen von kognitiven Theorien des Zweit- und Fremdsprachenlernens in empirischen Untersuchungen erfasst, analysiert und in ihren Wirkungen beschrieben. Ihnen wird eine bedeutsame Rolle für den Sprachlernprozess zugesprochen, und zwar einerseits als wichtige Einzelvariablen und andererseits als Komponenten in einem Netzwerk von verschiedenen einflussreichen Lernvariablen. Die ersten Untersuchungen in Kanada 1 erwiesen sich als maßgebend für weitere Studien in der nordamerikanischen und schließlich auch der deutschen Lernstrategieforschung im Bereich des Zweit- und Fremdsprachenlernens. 2 38 Günter Nold 38 (2009) 2. Eine Frage der Definition Wenn allerdings gefragt wird, was eine Lernstrategie ist, treffen noch heute (vgl. F INK - BEINER 2005: 86) die Feststellungen von E LLIS (1994) sowie Zimmermann (1997) zu: „The concept of ,strategy‘ is a somewhat fuzzy one …“ (E LLIS 1994: 529). „In der Literatur zum Wortfeld ,Strategie‘ gibt es zahlreiche Beispiele für erhebliche Diskrepanzen in der Begriffsbestimmung. Den Begriffen werden unterschiedliche Merkmalskomplexe zugeordnet“ (Z IMMERMANN 1997: 95). Allerdings sind diese Feststellungen in einem inzwischen tieferen Sinne zutreffend, wie in den weiteren Ausführungen ersichtlich werden wird. Wie beispielhaft die Untersuchungen von F INKBEINER (2005) und H AUDECK (2008) belegen, haben Lernstrategien zwar noch nicht einen unmissverständlichen Platz in einer umfassenden Spracherwerbstheorie gefunden, den Z IMMERMANN (1997: 103 ff) gefordert hat. Sie lassen sich jedoch auf der Grundlage der bestehenden Forschungsergebnisse und -literatur in Hinsicht auf konkrete Untersuchungen systematisch eingrenzen und bestimmen, vergleichbar der Forschungssituation im Bereich der Sprachbewusstheit (vgl. E ICH - LER / N OLD 2007). So definiert F INKBEINER (2005: 90 ff) drei Dimensionen des Strategiebegriffs: „bewusst/ unbewusst“, „beobachtbar/ nicht beobachtbar“, explizit/ implizit“, um Strategien beim fremdsprachlichen Lesen zu untersuchen. H AUDECK (2008: 22) bestimmt den Begriff in ihrer Untersuchung zur Wortschatzarbeit in vergleichbarer Weise, indem sie zwischen beobachtbaren Lerntechniken und nicht konkret fassbaren Lernstrategien unterscheidet und betont, dass die strategische Vorgehensweise eines Lerners „aus den jeweiligen Lernhandlungen […] erschlossen werden [kann], mit denen er unter Einsatz von adäquaten Lerntechniken ein bestimmtes Lernziel erreichen möchte“. Ein Schwerpunkt ihrer qualitativen Untersuchung liegt danach auf der Frage nach der empirischen Erfassbarkeit von Lernstrategien auf unterschiedlichen perspektivischen Ebenen (Makro- und Mikroperspektive). Es wird deutlich, dass abhängig von der Allgemeinheit oder Konkretheit, mit der Lernende sich eine Lernaufgabe vergegenwärtigen (d.h. abhängig von der Makro- oder der Mikroebene), sehr unterschiedliche Lernstrategien berichtet oder angedeutet werden. Zugleich zeigt es sich, dass dabei die Zuordnung von Lerntechniken zu Lernstrategien in einer beachtlichen Anzahl von Fällen der Interpretation bedarf und gegebenenfalls auf Grund von rivalisierenden Interpretationen verschieden bestimmt werden kann. Die entsprechenden Entscheidungen lassen sich jedoch sinnvoll begründen, da in den Einzelfallanalysen durch zusätzliche Lernervariablen ein Netzwerk von Beziehungen entsteht, mit dem die Lernstrategien interagieren (vgl. H AUDECK 2008: 349 ff). E LLIS ’ Hinweis auf den „fuzzy“ Charakter von Lernstrategien wird hier sachlich fundiert und aus verständlichen Gründen einsichtig: Wenn zwei Lernende die gleichen [beobachtbaren] Lerntechniken verwenden, heißt dies nicht notwendigerweise, dass sie die gleichen [nicht beobachtbaren] Lernstrategien verwenden, da die Kontexte ihrer Verwendung und das Netzwerk von zusammen wirkenden Einflussfaktoren sich unterscheiden können. Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens 39 3 Vergleich von Physiklernen, Lernen in der Muttersprache und der Fremdsprache Englisch in Klasse 8 an Realschulen, N=318. 38 (2009) 3. Exemplarische Studien zu Lernstrategien Nach dem heutigen Kenntnisstand zur Rolle von Lernstrategien beim Lernen von Zweit- und Fremdsprachen erweisen sich empirische Studien als zukunftsweisend, in denen Lernstrategien nicht nur identifiziert und in ihren möglichen Wirkungen beschrieben oder für ein spezielles Training modelliert werden, sondern in denen sie in einem Netzwerk verschiedener Einflussvariablen auf die Lernprozesse untersucht werden. Die empirischen Untersuchungen von N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN (1997), M I ß LER (1999), F INKBEI - NER (2005), H AUDECK (2008) sowie S CHRADER / H ELMKE / W AGNER / N OLD / S CHRÖDER (2008) entsprechen in dieser Hinsicht dem Stand der Forschung. Sie werfen jedoch in sehr unterschiedlicher Weise Licht auf ein insgesamt sehr komplexes Forschungsfeld. Im Folgenden werden am Beispiel dieser Untersuchungen einige zentrale Ergebnisse zur Lernstrategieforschung hervorgehoben und kommentiert, und es wird eine Reihe von Schlussfolgerungen für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts gezogen. 3.1 Lernstrategien als Einflussfaktoren in einem Netzwerk von Beziehungen In der bereichsübergreifend angelegten Untersuchung von N OLD / H AUDECK / S CHNAIT - MANN 3 erweisen sich auf der Basis der quantitativ erhobenen Daten bereichsunabhängige und selbstständig entwickelte Lernstrategien als sehr zentrale Faktoren in einem Netzwerk von Einflussfaktoren auf den Fremdsprachenlernprozess. Es wird dabei differenziert zwischen einer kommunikativ-orientierten und einer form-orientierten Teilkompetenz in der Fremdsprache Englisch, wobei sich die Einflussfaktoren jeweils spezifisch in ihrem Maß des Einflusses unterscheiden (siehe die Lisrel-Analysen in N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN 1997: 39 ff). Bereichsspezifische Lernstrategien sind in dieser Untersuchung dagegen der Gegenstand eines Strategietrainings (ebd.: 31 f, 41 ff). Die entsprechenden fremdsprachenspezifischen Lernstrategien der Schülerinnen und Schüler wurden von H AUDECK (2005: 96-110) in einer eigenen Nachuntersuchung identifiziert. Im bereichsübergreifenden Teil der Studie erweisen sich die mit Fragebögen erhobenen metakognitiven Lernstrategien „Selbstkontrolle beim Lernen“ sowie „Organisation der Hausaufgaben“ und „strategisches Vorgehen in Prüfungssituationen“ in etwas unterschiedlicher Intensität bezogen auf die beiden sprachlichen Teilkompetenzen als die wichtigsten Einflussfaktoren, die die unterschiedlichen Kompetenzniveaus der Schüler/ innen im Kontext Schule erklären. Was die Art der Lernstrategien bei diesem Ergebnis anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass durch den Einsatz von bereichsübergreifenden Lernstrategiefragebögen in der quantitativen Untersuchung die Lernstrategien nur eingeschränkt erfasst werden. Ferner werden sie vorwiegend aus der Makroperspektive gesehen, da die Schüler/ innen bei der Datenerhebung nicht zeitnah mit Lernhandlungen befasst waren. Die genannten Lernstrategien reflektieren dementsprechend eher generalisiertes strategisches Verhalten beim Lösen von Lernproblemen als konkreten Strate- 40 Günter Nold 38 (2009) gieeinsatz im Lernprozess. Durch diese einschränkende Bewertung der Ergebnisse wird die Relevanz der Untersuchungsergebnisse nicht geschmälert, sie wird jedoch relativiert. Für die Bewertung der Ergebnisse bedeutet dies, dass in dieser Studie bereichsübergreifende Lernstrategien - wie die genannten metakognitiven Lernstrategien - in ihrer Bedeutung hervorgehoben werden, während bereichsspezifische Lernstrategien zur Lösung von konkreten Aufgaben eher ausgegrenzt bleiben. So spielen beispielsweise beim Hör- oder Leseverstehen bereichsspezifische Lernstrategien eine zentrale Rolle, über die entsprechend der Zielsetzung dieser quantitativen Studie nichts ausgesagt wird. Somit ergibt sich hier eine Lücke, die erst in weiteren Studien geschlossen werden konnte. Es ist aus heutiger Sicht trotz der genannten Einschränkungen bemerkenswert, dass in dem Modell zur kommunikativ-orientierten Teilkompetenz Englisch (auf der Basis von Tests zum Hörverstehen, Leseverstehen sowie semikreativen Schreiben) die Lernstrategien sowie die Lernmotive und mit einem gewissen Abstand das Vorwissen - definiert als eine Kombination von allgemeinen Wissenselementen und Sprachbewusstheit - die wichtigsten Einflussfaktoren in einem Modell von fünf Faktoren darstellen; das Selbstkonzept der Lerner und das Klassenklima vervollständigen das gesamte Modell. Dabei fällt auf, dass die Lernstrategien zugleich sehr hoch mit den Lernmotiven korrelieren (r=.94). Die Lernstrategien - nicht jedoch die Lernmotive - korrelieren zusätzlich relativ hoch mit dem Fähigkeitskonstrukt ,Vorwissen und Sprachbewusstheit‘ (r=.63) (N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN 1997: 40). In diesen Analysen deuten sich Zusammenhänge an, die darauf schließen lassen, dass die Lernstrategien ein Teil in einem Netzwerk von Einflussfaktoren darstellen, die ihrerseits ein mehr oder weniger enges Geflecht von Beziehungen, Einflüssen und Abhängigkeiten bilden. Diese Erkenntnis hat für die Praxis beispielsweise eines Strategietrainings unübersehbare Konsequenzen. So ist zu erwarten, dass die Entwicklung von Lernstrategien auf verschiedenen Wegen erfolgen kann, nicht nur auf dem geraden Pfad eines direkten Trainings, sondern auch auf dem Umweg über eine Verbesserung der Motivationslage oder einer Steigerung der Sprachbewusstheit. An dieser Stelle wird weitere empirische Forschung benötigt, um Licht in das Dunkel zu werfen. 3.2 Bereichsspezifische Lernstrategien in einem Netzwerk Eine weiterführende Studie, die die Komplexität des Netzwerks, in dem Lernstrategien mit anderen Variablen interagieren, in den Mittelpunkt stellt, ist die Untersuchung von M I ß LER (1999) zum Zusammenhang von Fremdsprachenlernerfahrungen und Lernstrategien bei Sprachlernenden an der Universität (N=125). Da in dieser Untersuchung unabhängig von Lernhandlungen zwei Fragebögen und Interviews zur Datenerhebung eingesetzt wurden, werden auch hier die Lernstrategien vorwiegend aus der Makroperspektive erfasst. Die Lernenden wurden dabei mit dem bereichsspezifischen Fragebogen „Strategy Inventory for Language Learning“ von O XFORD (1990) befragt. Damit wurden Lernstrategien speziell für verschiedene Aspekte des Fremdsprachenlernens erfragt, während bereichsübergreifende Lernstrategien eher ausgeblendet wurden. Das Ziel dieser Untersuchung ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass die Fremdsprachenlernerfahrungen Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens 41 38 (2009) als Kontext und Bedingung für die Wahl von Lernstrategien in den Mittelpunkt gerückt werden. Dagegen werden die Lernstrategien nicht als Faktoren zur Erklärung von sprachlichen Kompetenzen in Betracht gezogen, und somit können auch keine Aussagen zur Effektivität von Lernstrategien gemacht werden (vgl. M I ß LER 1999: 299). Die Ergebnisse auch dieser Studie sind dennoch sehr aufschlussreich für die Bewertung der Rolle von Lernstrategien beim Fremdsprachenlernen. So wird nachgewiesen, dass die Anzahl und die Art von fremdsprachenspezifischen Lernstrategien, die die Lernenden im Allgemeinen zur Lösung von Problemen beim Fremdsprachenlernen einsetzen, sehr deutlich mit Persönlichkeitsvariablen, Variablen des Vorwissens, der sprachlichen Vorerfahrungen, der Motivation und des Interesses sowie der Lernsituation korrespondieren - entsprechend den Selbstauskünften der Lernenden (auf der Basis des Lernstrategiefragebogens und eines zweiten, eigens für die Untersuchung entwickelten Fragebogens zu den genannten Variablen der Fremdsprachenlerner) (ebd.: 241 ff). Es ergibt sich ein facettenreiches Netzwerk von korrelativen Beziehungen, in das die Lernstrategien eingebettet erscheinen. Darüber hinaus ist besonders hervorzuheben, dass zusätzlich mit Hilfe von Pfadanalysen (Regressionsanalysen) der Nachweis der Abhängigkeit der Lernstrategien von den Variablen der Fremdsprachenlerner erbracht werden konnte (ebd.: 261 ff). Von den zahlreichen Details der Ergebnisse dieser Pfadanalysen können hier nur einige zentrale Punkte hervorgehoben werden. Als wichtigste Faktoren zur Vorhersage von Lernstrategien erweisen sich dementsprechend Vorkenntnisse, Konzentration auf die Zielsprache, Risikobereitschaft, Motivation, fremdsprachliche Mediennutzung und Suche nach Regeln (ebd.: 298). Es konnte ferner eine Unterscheidung zwischen Lernern mit hohen und niedrigen Strategiewerten getroffen werden. Danach unterscheiden sie sich in ihrem Wert von Vorkenntnissen, ihrer Motivation, dem Selbstkonzept sowie in ihrer Suche nach Regeln (ebd.). Wenn auf der Basis dieser Erkenntnisse Empfehlungen für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts oder für ein Strategietraining ausgesprochen werden sollen, zeichnet sich eine ähnliche Lage ab, wie sie schon für die Bewertung der Ergebnisse der Untersuchung von N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN (1997) kennzeichnend war. Offensichtlich lässt sich auch angesichts dieser Ergebnisse fragen, ob es nicht mehrere Wege zur Effektivierung von Lernstrategien gibt. Wenn die Art und der Umfang des Strategieeinsatzes durch die genannten Faktoren der Fremdsprachenlerner bestimmt werden, ist zu fragen, in welcher Weise diese Faktoren sich bei Maßnahmen zur Effektivierung des lernstrategischen Verhaltens berücksichtigen lassen. Lehrende können beispielsweise dazu beitragen, dass Vorkenntnisse aktiviert werden, die Motivation gesteigert wird und das Selbstkonzept der Lernenden sich positiv entwickelt. Welche Lernstrategien sie im Einzelnen in den Mittelpunkt rücken sollten, kann aus den Ergebnissen der Untersuchung von M I ß LER jedoch nicht direkt abgeleitet werden, da entsprechend der Zielsetzung dieser Studie der Bezug zu einer fremdsprachlichen Lernaufgabe und damit zu sprachlich-kommunikativen Kompetenzen ausgeblendet wird. Um konkrete Hinweise zum Strategieeinsatz in den jeweiligen Unterrichtssituationen auf Grund von Ergebnissen der Forschung geben zu können, bedarf es zusätzlicher Studien, bei denen bereichsspezifische Lernstrategien in der Auseinandersetzung mit konkreten Lernaufgaben untersucht werden. 42 Günter Nold 38 (2009) 3.3 Bereichsspezifische Lernstrategien und ihr Bezug zum fremdsprachlichen Lernprozess Auf eine entsprechende Studie kann in neuerer Zeit verwiesen werden, und zwar zum Lesen im Fremdsprachenunterricht. So wird in F INKBEINERS empirischer Untersuchung zu Interessen und Strategien beim fremdsprachlichen Lesen (2005) die fremdsprachliche Lernaufgabe zum Ausgangspunkt für die Erforschung der Rolle von Lernstrategien gemacht. In dieser facettenreich entwickelten Studie wurde ein quantitativer mit einem qualitativen Forschungsansatz verbunden, um einerseits möglichst repräsentative Ergebnisse zum Strategieeinsatz beim Lesen im Fremdsprachenunterricht zu erzielen und andererseits die Lernstrategien möglichst zeitnah bei der Bewältigung von Leseaufgaben erschließen zu können (F INKBEINER 2005: 202 ff). Dementsprechend kamen im ersten Teil der Hauptstudie (N=287 in 9. und 10. Klassen) Fragebögen und Leseaufgaben mit offenen Fragen zu verschiedenen Textsorten zum Einsatz, wobei die Schülerantworten zu den Leseaufgaben textanalytisch in Hinsicht auf ihre Lesestrategien ausgewertet wurden. Im zweiten Teil der Hauptstudie wurden dagegen Einzelinterviews mit Leitfaden und mit einem Bezug auf die Leseaufgaben verwendet und mit den Daten des ersten Teils der Studie verglichen (N=57, Extremgruppen der 10. Klassen, gezogen aus der Stichprobe des ersten Hauptteils). Die Datenerhebung fand insgesamt in 9. und 10. Klassen an Gymnasien und Realschulen statt (ebd.: 201, 212 ff). Drei zentrale Hypothesen wurden überprüft: Der Zusammenhang (1) zwischen Lesestrategien und Leseinteressen sowie (2) zwischen Leseinteresse, Lesestrategien und der Tiefe der Textverarbeitung und (3) die Beziehung zwischen der Qualität der Lesestrategie und der Explizitheit bzw. Implizitheit von Strategiewissen (ebd.: 199). Die Überprüfung der Hypothesen ist angesichts des komplexen Forschungsdesigns mit zwei Hauptstudien sehr differenziert. Die gewonnen Daten wurden einerseits mit Hilfe von Korrelationsanalysen hinsichtlich ihrer gegenseitigen Beziehungen sowie Beziehungsmuster untersucht und andererseits mit Hilfe von Pfadmodellen zur Vorhersage der Einflüsse und Wirkungen analysiert (ebd.: 354 ff). So konnte ein deutlicher Zusammenhang (1) zwischen Elaborationsstrategien (z.B. verschiedene Arten der Anknüpfung an eigene Erfahrungen) und Leseinteressen festgestellt werden, und zwar sowohl in den Korrelationsanalysen als auch in den Einzelfallinterviews: „Schüler, die beim Lesen stark elaborieren, haben ein hohes Interesse daran, beim Englischlernen gut zu sein [ …] Gleichzeitig haben sie ein hohes Interesse an folgenden Textsorten: Erzählungen, Kurzgeschichten, Lektüre […]“ (ebd.: 357). Ferner konnten durchaus beachtliche, wenn auch weniger konsistente Zusammenhänge (2) zwischen Leseinteresse und Lesestrategien einerseits und der Verarbeitungstiefe (Erfassen der Bedeutungsebenen und des Kerns eines Textes (ebd.: 263) andererseits festgestellt werden. Die Datenanalyse des quantitativen Teils der Untersuchung fällt hier weniger deutlich aus als die qualitativen Analysen. Dieser Unterschied dürfte durch eine stärkere Makroperspektive im quantitativen Teil der Studie im Vergleich zur Mikroperspektive im qualitativen Teil bedingt sein. Ein ähnliches Ergebnis ist auch bezüglich der dritten Hypothese festzustellen (ebd. 360 ff, 373 ff). Elaborationen konnten vielfach eher in den qualitativen Analysen als in den quantitativen ausgemacht werden. Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens 43 38 (2009) Verglichen mit den korrelativen Beziehungen ergeben sich aus den Pfadanalysen - vor allem mit Hilfe der Lisrel-Analyse - eindeutige Erkenntnisse zu der Frage, in welcher Beziehung einerseits drei Faktoren - Leseinteresse, Lesestrategien, Strategien selbstregulierten Lernens - zueinander stehen und andererseits in welcher Weise sie die Tiefe der Textverarbeitung im Fremdsprachenunterricht bestimmen (ebd.: 384 ff). Überraschend und zugleich sehr praxisrelevant ist die Erkenntnis, dass selbstreguliertes Lernen, d.h. ein lernstrategischer Faktor, einen beachtlich direkten Einfluss auf die Tiefenverarbeitung hat, während fremdsprachliches Leseinteresse nur indirekt auf die Tiefenverarbeitung einwirkt, und zwar auf dem Umweg über persönliche Elaboration. Allerdings beeinflusst der Interessensfaktor sehr deutlich und direkt den strategischen Faktor der Elaboration. Dieses Ergebnis ist im Nachhinein für ein Ergebnis in den Lisrel-Modellen der Untersuchung von N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN (1997) relevant. In dieser Untersuchung wurde nämlich das fremdsprachliche Interesse in den Lisrel-Modellen nicht berücksichtigt, da nur direkte Einflüsse in der theoretischen Konstruktion und der statistischen Analyse in Betracht gezogen wurden. Für das Interesse konnte jedoch kein direkter Einfluss auf die Englischkompetenzen festgestellt werden (N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN 1997: 43). Das Ergebnis der Lisrel-Analyse in F INKBEINERS Untersuchung (2005) ist von daher wegweisend. Die Ergebnisse von F INKBEINERS Untersuchung tragen insgesamt entscheidend zum besseren Verständnis des Netzwerks bei, in dem Lernstrategien eine zentrale Rolle beim Fremdsprachenlernen spielen. Wenn Elaborationsstrategien und Strategien selbstregulierten Lernens den fremdsprachlichen Leseprozess direkt positiv beeinflussen, liegt es nahe, entsprechende Strategien in einem Strategietraining in den Mittelpunkt zu stellen. Entsprechende Versuche sollten unternommen werden; allerdings müsste den Schülern und Schülerinnen die Freiheit zugestanden werden, dabei eigene Wege gehen zu können. Denn die Gestaltung eines effektiven Trainings ist durch die Ergebnisse von Finkbeiners Studie letztlich nicht einfacher geworden. So können persönliche Elaborationen nicht trainiert werden, wenn feststeht, dass diese Strategieart in ihrer Entwicklung sehr stark von Leseinteressen abhängt. Ebenso wenig können Strategien selbstregulierten Lernens einfach in ein Training integriert werden, wenn der Fremdsprachenunterricht die Möglichkeit zu selbstreguliertem Lernen in seiner methodischen Gestaltung außer acht lässt. Das Netzwerk, in dem Lernstrategien interagieren, verweigert sich sehr wahrscheinlich gegenüber Ansätzen eines Strategietrainings, in dem von vorwiegend direkten oder linearen Bezügen in den Lernprozessen ausgegangen wird, wie z.B.: Lehrer/ in: Heute lernen wir, wie wir Informationen mit unseren Erfahrungen verknüpfen, dann fällt es leichter, einen englischen oder französischen Text zu lesen. F INKBEINERS Ergebnissen entsprechend müsste es eher das Ziel sein, im Unterricht Voraussetzungen für verstärkt selbstreguliertes Arbeiten zu schaffen. Zugleich müsste durch entsprechende Themen und Texte das Leseinteresse angesprochen werden. Wenn dann die lernstrategisch effektiveren Schülerinnen und Schüler nach ihrem Vorgehen beim konkreten Textbearbeiten befragt ihre Erfahrungen den anderen mitteilten, könnte möglicherweise eine Steigerung des lernstrategischen Verhaltens erzielt werden. Die qualitative Teiluntersuchung von F INK - 44 Günter Nold 38 (2009) BEINER mit ihrer Fokussierung von Extremgruppen der Schülerinnen und Schüler gibt hierzu zahlreiche Anregungen. 3.4 Bereichsspezifische Lernstrategien in einem Netzwerk auf der Makro- und Mikroebene In der Untersuchung von F INKBEINER (2005) fällt auf, dass die in der quantitativen Teilstudie erhobenen Strategiedaten zu Elaboration nur wenig mit den entsprechenden Daten in der qualitativen Studie übereinstimmen (siehe oben). Dieser Problematik, nämlich der Erfassung von Lernstrategien auf unterschiedlichen Ebenen, geht H AUDECK (2008) in einer sehr umfassenden qualitativen Einzelfalluntersuchung am Beispiel des strategischen Vorgehens beim fremdsprachlichen Wortschatzlernen systematisch nach (12 Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 und 8 von Gymnasium und Realschule). Nach den Erfahrungen mit einem schriftlichen Lerntagebuch zur Erhebung von Strategiedaten (in der Teilstudie zum Lernstrategietraining in der Untersuchung von N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN 1997) entwickelte H AUDECK für ihre neuerliche Untersuchung ein Audiotagebuch, um spontane und zeitnahe Aussagen besser zu erfassen, und verknüpfte die Datenerhebung zusätzlich mit einem problemzentrierten Interviewverfahren in Anbindung an konkrete Vokabellernprozesse (H AUDECK 2008: 40 ff, 115 ff, 349 ff). In dieser Studie zeigt es sich, dass die Art der erkennbaren Lernstrategien sehr deutlich von der Nähe abhängt, mit der Lernstrategien von den Schülerinnen und Schülern mit dem Lernprozess assoziiert werden: „Die Operationen, die von den Schülern im Zusammenhang mit den vorausgegangenen Vokabellernaktivitäten generell [Hervorhebung des Verf.] beschrieben werden […], finden sich überwiegend bei den metakognitiven Lernstrategien sowie den oberflächennahen Memorierungs- und Wiederholungsstrategien […]“. „Wenn die Schüler ihren Lernprozess aus der Mikroperspektive [Hervorhebung des Verf.] betrachten, d.h. die Verarbeitung des Einzellexems beschreiben, nutzen sie überwiegend die als höherwertig angesehenen kognitiven Lernstrategien der Wortschatzorganisation und Elaboration auf eine offenbar sehr differenzierte Weise […]“ (ebd.: 180). Der Kontrast zwischen den identifizierten Lernstrategien lässt sich bis in einzelne Fragestellungen verfolgen, und zwar abhängig davon, ob sie eher verallgemeinerte oder einzelne aktuelle Lernhandlungen ansprechen. In den von H AUDECK (ebd.: 205-347) entwickelten Schülerportraits wird zusätzlich das jeweils individuell wirksame Netzwerk deutlich, in dem Lernstrategien eine Rolle zusammen mit anderen Variablen spielen (ebd.: 350 ff). Die Ergebnisse belegen unmissverständlich, dass „die spezifische Nutzung und Abfolge der Lerntechniken jedes Einzelnen von unterschiedlichen Parametern beeinflusst werden“ (ebd.: 350). Es wird besonders deutlich, welche Verantwortung den Lehrkräften zukommt. Aus der Makroperspektive haben sie nicht nur einen direkten Einfluss auf die Art von Lernstrategien der Schülerinnen und Schüler, beispielsweise durch Aufgabenstellungen und Lerntipps, sondern sie üben auch einen indirekten Einfluss aus, indem sie Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens 45 38 (2009) durch Leistungsanforderungen und Bewertungskriterien vorwiegend bei der Leistungskontrolle entweder eher oberflächennahe Lernstrategien (z.B. Wiederholung) oder tiefenverarbeitende Lernstrategien (z.B. Verknüpfen mit eigenem Vorwissen) herausfordern (ebd.: 350 ff). Besteht demnach ein Gegensatz zwischen den Anforderungen in den Lernprozessen im Vergleich mit den notenrelevanten Leistungskontrollen, tendieren die Schülerinnen und Schüler eher dazu, sich die für Leistungskontrollen relevanten Lernstrategien anzueignen. Auf der Mikroebene wird dagegen deutlich, wie stark „die Relevanz individueller Persönlichkeitsvariablen, z.B. das Weltwissen und sprachliche Vorwissen des Lerners sowie seine emotional-motivationale Einstellung“ (ebd.: 351), das lernstrategische Verhalten beeinflussen. Bezogen auf ein mögliches Lernstrategietraining kommt H AUDECK (ebd.) zu dem Schluss, dass altersabhängig bei den unteren Klassen eher das Modell des Cognitive Apprenticeship (Collins [et al.] 1989) eingesetzt werden sollte, bei dem die Lehrkraft unterschiedliche Lernwege vorstellt und thematisiert (vorwiegend aus der Makroperspektive), ohne jedoch die Nutzung der entsprechenden Techniken in irgendeiner Weise in die Leistungsbewertung einfließen zu lassen, um nicht die individuelle Entwicklung von Lernstrategien zu behindern. Bei älteren und erfahreneren Schülerinnen und Schülern ist der Weg über die Mikroperspektive denkbar, indem über die Problematik einer konkreten Aufgabe, beispielsweise ein schwieriges Wort, nachgedacht wird. Die Generalisierbarkeit dieser Erkenntnisse und Empfehlungen sowie der Nachweis der Effektivität der anzueignenden Lernstrategien stellt sich immer wieder erneut, wenn empirische Untersuchungen einerseits deskriptiv bis in die Einzelheiten von ablaufenden Lernprozessen hineinreichen und andererseits generalisierte Prozessabläufe ausfindig machen. Die zwei Zugänge zur Erkenntnis von Zusammenhängen beim Fremdsprachenlernen verhalten sich komplementär zueinander. Die Frage ist nur, wie die sich nicht deckenden Erkenntnisse in Einklang zu bringen sind. Angesichts dieses Dilemmas ist es hilfreich feststellen zu können, dass die sich entwickelnden Forschungsergebnisse zu Lernstrategien im Kontext von Fremdsprachenunterricht die verfügbaren Erkenntnisse sowohl bestätigen, als auch ergänzen und modifizieren. Die quantitativen Untersuchungen zur Rolle von Lernstrategien im DESI-Projekt (DESI- K ONSORTIUM 2008) können in genau diesem Sinne verstanden werden (N=ca. 11.000 Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse in allen Schultypen). Entsprechend dem Forschungsansatz von DESI ist die Untersuchung zu fremdsprachenspezifischen Lernstrategien auf der Makroebene angesiedelt und ist daher nicht so umfassend ausgerichtet wie die Forschungsansätze in F INKBEINER (2005) und H AUDECK (2008). Es ist dennoch beachtenswert, dass ein Lernstrategiefragebogen eingesetzt wurde, der eine Komponente in einem umfassenden Netzwerk von weiteren Variablen abbildet. Darüber hinaus ist die Untersuchung - wie in der Studie von N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN (1997) - auf den Bezug zwischen Lernstrategien und Leistungsdaten von sprachlichen Kompetenzen ausgerichtet (S CHRADER / H ELMKE / W AGNER / N OLD / S CHRÖDER 2008: 270 ff). Es kann dementsprechend überprüft werden, ob und gegebenenfalls in welcher Weise höhere lernstrategische Fähigkeiten tatsächlich zu einer höheren sprachlichen Leistung beitragen. In den Pfadanalysen wird die Vorstellung von Lernstrategien in einem interagierenden 46 Günter Nold 38 (2009) Netzwerk von Lernvariablen bestätigt. Ferner zeigt es sich, dass sowohl bereichsspezifische metakognitive Strategien als auch die kognitive Strategie „Umgang mit fehlender Information“ einen direkten Einfluss auf die Englischleistungen insgesamt ausüben. Zugleich ist nicht zu übersehen, dass diese Strategien ihrerseits von entweder allgemeinen kognitiven Fähigkeiten oder von motivationalen Variablen abhängen (ebd.: 275-278). Weiterhin ist festzustellen, dass die lernwirksamen Faktoren Motivation (Lerninteresse) oder kognitive Grundfähigkeit neben ihrem Einfluss auf die Lernstrategien jeweils eine bedeutende direkte Wirkung auf die Englischleistungen ausüben, und zwar in den vorliegenden Pfadanalysen in einem größeren Ausmaß als die Lernstrategien. Diese Ergebnisse bestätigen zahlreiche der bisher erzielten Erkenntnisse und modifizieren sie, indem beispielsweise eine Variable der kognitiven Grundfähigkeiten berücksichtigt wurde. Angesichts des Bezugs der Lernstrategien auf die sprachlichen Kompetenzen insgesamt überrascht es nicht, dass das Ausmaß der Wirkungen und die Vielfalt der Lernstrategien im Vergleich zu den anderen Faktoren nicht sehr hoch ausfallen. Spezifischere Analysen, z.B. die Fokussierung bestimmter rezeptiver oder produktiver Kompetenzen oder von Schülerteilpopulationen, werden hier ein differenzierteres Bild ergeben (ebd.: 280). Schon die vorliegenden Pfadanalysen liefern Argumente dafür, bei einem Lernstrategietraining das größere Netzwerk von sich gegenseitig bedingenden Einflussvariablen im Auge zu behalten, wie dies oben mehrfach unterstrichen wurde, zumal der Faktor Motivation in einem engen Netzwerk mit weiteren lernrelevanten Variablen interagiert. So ist das Lerninteresse mit dem fachbezogenen Selbstkonzept der Lerner hoch korreliert (H ELMKE / S CHRADER / W AGNER / N OLD / S CHRÖDER 2008: 255). Ein Lernstrategietraining im Sinne eines Anstoßes zum selbst Ausprobieren ohne Zwang empfiehlt sich daher gerade bei Schülerinnen und Schülern im niedrigeren Leistungsbereich, vorausgesetzt es werden motivationale Aspekte in das Training einbezogen und es werden im Unterricht motivationssteigernde Maßnahmen eingeplant. Bei einem vernetzten Vorgehen dieser Art lassen sich die verschiedenen Zugänge zur Ausprägung von Lernstrategien auf der Makro- und der Mikroebene zusammenführen, sodass sich das oben beschriebene Dilemma lösen lässt, da letztlich die Schülerinnen und Schüler als aktive Lerner angeregt werden, ihre eigenen Lernstrategien zu entwickeln. 4. Eine Zusammenschau auf dem strategischen Wege über eine Visualisierung Im Folgenden werden die Komponenten im fremdsprachlichen Lernprozess in einer Abbildung ( S. 47) hervorgehoben, über die Lehrerinnen und Lehrer Einfluss auf eine Verbesserung der lernstrategischen Kompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler nehmen können, um die Lernergebnisse positiv zu beeinflussen. Lernstrategien im Netzwerk von Einflüssen auf den Prozess des Fremdsprachenlernens 47 38 (2009) Abb.: Mögliche Beeinflussung der lernstrategischen Kompetenz In dieser Abbildung deuten die in eine Richtung zeigenden Pfeile mögliche Wirkungen an; der Pfeil in zwei Richtungen stellt eine Korrelation dar. Die gestrichelten Pfeile kennzeichnen direkte Einflüsse ohne Beteiligung von Lernstrategien. Die empirischen Untersuchungen weisen nach, dass die Lehrenden in verschiedener Weise die lernstrategischen Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler im Fremdsprachenunterricht beeinflussen können. Grundsätzlich können Lernstrategien direkt und explizit im Unterricht thematisiert werden. Die Forschungsergebnisse zeigen jedoch die Probleme auf, die bei einem direkten Lernstrategietraining zu berücksichtigen sind. In der Regel werden dabei Lernstrategien aus der Makroperspektive fokussiert, auch wenn sie im Rahmen von bereichsspezifischen Lernprozessen thematisiert werden. Die heute in Lehrwerken integrierten Lernstrategiemaßnahmen oder Lernstrategiesammlungen (vgl. C HAMOT [et al.] 1999; R AMPILLON 1985; S CHARLE / S ZABO 2000) operieren vorwiegend auf dieser allgemeinen Ebene von vielfältigen beobachtbaren Lerntechniken. Ferner ist nicht zu übersehen, dass metakognitive Lernstrategien zur Steuerung oder Kontrolle des eigenen fremdsprachlichen Lernens gerade auch jüngeren oder weniger erfahrenen Lernern eher zugänglich zu machen sind als bereichsspezifische kognitive Lernstrategien. Bei Fragebogenerhebungen sind sie entsprechend deutlicher in den Aussagen vertreten (siehe N OLD / H AUDECK / S CHNAITMANN 1997). Als besonders vielversprechend haben sich die Strategien zum selbstständigen Fremdsprachenlernen erwiesen (siehe F INKBEINER 2005). Die Aneignung von kognitiven Lernstrategien kann umso besser angeregt werden, desto stärker die Lerner sich mit konkreten Lernprozessen auseinandersetzen und dabei letztlich ihre eigenen Lernstrategien entwickeln (siehe H AUDECK 2008). Diese Ebene reicht in die unmittelbaren Unterrichtsprozesse hinein. Ein gelungenes Beispiel für ein Strategietraining zu Lesestrategien, das sich in den Fremdsprachenunterricht jüngerer Lerner einbetten lässt, ist das Programm „Text Detectives“ (G AILE / G OLD / S OUVIGNIER 2007a, b). Hier wird angeregt, Texte mit Lesestrategien zu erschließen, wobei der mögliche Nutzen der Lesestrategien bewusst angesprochen wird. Die Forschungsergebnisse geben darüber hinaus vielfältige Hinweise dazu, in welcher Bereichsspezifische Lernstrategien (Lerninteresse) Motivation Fremdsprachliche Kompetenzen (Thematisches) Interesse Unterricht im Einklang mit strategischen Anforderungen Bereichsspezifisches Vorwissen 48 Günter Nold 38 (2009) Weise die Aneignung bereichsspezifischer Lernstrategien indirekt unterstützt werden kann, sei es in Verbindung mit einem Lernstrategietraining, sei es durch Maßnahmen, die das Netzwerk von interagierenden Variablen unter lernstrategischen Gesichtspunkten im Auge haben. Vorwissen, Interesse, Motivation und eine Unterrichtsgestaltung, die den Einsatz von tiefenverarbeitenden Lernstrategien lohnend macht, sind die Hebel zur Optimierung von lernstrategischen Kompetenzen. In der Unterrichtsforschung wird hier von der Prozessqualität und dem Anspruchsniveau von Unterricht gesprochen. Beispiele für diese Prozessqualität im Fremdsprachenunterricht sind u.a. eine positive Fehlerkultur, das Unterrichtsklima, thematische Motivierung, Verständlichkeit; Beispiele für das Anspruchsniveau sind u.a. die Wichtigkeit der Kommunikation und der Korrektheit, der instrumentellen Motivation sowie der Integration der Hausaufgaben (H ELMKE / H ELMKE / S CHRADER / W AGNER / K LIEME / N OLD / S CHRÖDER 2008: 389). Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die unterschwelligen Mitteilungen des Fremdsprachenunterrichts an die Lerner zu richten. Wenn beispielsweise die Anforderungen bei der Leistungsüberprüfung andere Strategien sinnvoll erscheinen lassen als die Herausforderungen der Lernprozesse, stellen sich Lerner im Kontext Schule auf die Arten von strategischem Lernen ein, die ihnen zu einem möglichst guten Abschneiden bei der Leistungsüberprüfung verhelfen (siehe H AUDECK 2008). Eine effektive Förderung lernstrategischer Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht richtet daher die Aufmerksamkeit sowohl auf die Lernenden als auch auf die Lehrenden. Literatur C HAMOT , Anna Uhl / B ARNHARDT , Sarah / B EARD E L -D INARY , Pamela / R OBBINS , Jill (1999): The Learning Strategies Handbook. White Plains, NY: Longman. DESI-K ONSORTIUM (Hrsg.) (2008): Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie. Weinheim und Basel: Beltz. C OLLINS , Allan / B ROWN , John Seeley / N EWMAN , Susan E. (1989): „Cognitive Apprenticeship: Teaching the Crafts of Reading, Writing, and Mathematica“. In: R ESNICK , Lauren B. (Hrsg): Knowing, Learning and Instruction. Hillsdale, NJ: Erlbaum, 453-494. E ICHLER , Wolfgang / N OLD , Günter (2007): „Sprachbewusstheit“. In: B ECK , Bärbel / K LIEME , Eckhard (Hrsg.): Sprachliche Kompetenzen. Konzepte und Messung. DESI-Studie. Weinheim: Beltz, 59-78. E LLIS , Rod (1994): The Study of Second Language Acquisition. 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E-mail: steffi.morkoetter@romanistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Lerner- und Lehrerforschung, Mehrsprachigkeitsdidaktik, Qualitative Forschung. 38 (2009) F RANZ -J OSEPH M EI ß NER , S TEFFI M ORKÖTTER * Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension Abstract. In the theory of foreign language learning, intercomprehension is regarded as a powerful tool for promoting plurilingual metalinguistic and metacognitive competences. The systematic retrieval of socalled bases of transfer and the monitoring of learning behaviour in particular make the learner discover his interlanguage and learning processes. In the field of didactics, intercomprehension consistently emphasizes the organization of individually retrievable knowledge. It has considerably differentiated and extended the notion of transfer in terms of linguistic references and language learning. Building on experiences with intercomprehension, the purpose of the present article is to contribute to a clarification of the concepts of metalinguistic and metacognitive competences. It allows a better operationalization, when these terms are put into practice. Semantic implications will be illustrated on the basis of learner data. 1. Verortung des Beitrags Während das Konstrukt der metalinguistic awareness seit den siebziger Jahren konzeptualisiert ist und von jenem der Metakognition abgegrenzt wird (D ECHERT 1997: 15), fand die Relation von Metasprache und Metakognition nicht zuletzt dank O XFORDS (1990) Strategien-Taxonomie Aufmerksamkeit. Zugleich trat die Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen hervor (F ÆRCH / K ASPER 1983). Das von der Interkomprehensionsdidaktik erweiterte Transfermodell (vgl. M EI ß NER 2007: 90-94) fügt dem neue Erkenntnisse zur Weiterentwicklung von mehrsprachlicher, metasprachlicher und metakogniviter Kompetenz hinzu. Den Grund für die Verbindung beider Konzepte sehen wir in folgendem Sachverhalt: Plurilingual and pluri-directional transferring is complicated and requires continuous awareness of the processes related to mentally interacting languages as well as to mental guidance. This point explains why the intercomprehension method must be considered as a multilingual language awareness raising strategy (M EI ß NER 2009). 52 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im vorliegenden Beitrag die maskuline Form im generischen Sinne verwendet. 38 (2009) Im Folgenden wird der Begriff der Metakognition diskutiert und dessen Relation zu metasprachlicher Kompetenz skizziert. Im Kapitel zu Interkomprehension werden metasprachliche und metakognitive Kompetenz aus dem hier genannten Grund integriert betrachtet. Abschließend wird an Beispielen aus einem Korpus studentischer Portfolios gezeigt, wie konkret die sprach- und lernbezogenen Nachbarbegriffe Metakognition und metasprachliche Kompetenzen gefüllt werden. 2. Metakognition, metasprachliche Kompetenz und Interkomprehension Die Diskussion um Metakognition hat ihren Ursprung in der Entwicklungspsychologie der 70er Jahre (M ARTINEZ 2008: 49). Laut John F LAVELLS bekannter Definition ist hierunter Folgendes zu verstehen: „Metacognition refers to one’s knowledge concerning one’s own cognitive processes or anything related to them“ (zitiert aus D ECHERT 1997: 13). F LAVELL (D ECHERT ebd.) betont den Aspekt des Monitoring, der sich aus folgenden Komponenten bilde: 1. metacognitive knowledge, 2. metacognitive experiences, 3. goals (or tasks), and 4. actions (or strategies). Die Liste legt den Schluss nahe, dass für F LAVELL Monitoring sowohl deklaratives Wissen (knowledge, goals (or tasks)) als auch prozedurales Handlungswissen (experiences, actions (or strategies) umgreift. Auch die einschlägige Literatur unterscheidet zwischen einem deklarativen Wissensaspekt und einem prozeduralen Kontrollaspekt von Metakognition (M ARTINEZ 2008: 50). Das deklarative metakognitive Wissen gilt als relativ stabil und verbalisierbar, wohingegen vom prozeduralen Kontrollwissen angenommen wird, dass es relativ instabil, nur begrenzt verbalisierbar und situations- und aufgabenabhängig sei. Strittig ist daher die Frage nach der für die konkrete Handlungsplanung notwendigen Bewusstheit prozeduralen Kontrollwissens. Während manche Forscher annehmen, metakognitives Handlungswissen könne implizit, also ohne diesbezügliche Bewusstheit, eingesetzt werden, sehen andere hingegen Bewusstheit als eine notwendige Voraussetzung von Metakognition an (vgl. V EENMAN 2005: 77). Ebenso ungeklärt ist die Frage, wie die relevanten Wissensformen von Metakognition erworben werden können. So geht W ENDEN (1999: 436) davon aus, dass metakognitives Wissen einerseits unbewusst durch Beobachtung und Imitation erworben werden könne; andererseits jedoch auch bewusst, indem Lerner 1 Lehrern, Eltern oder peers zuhören, die ihnen Ratschläge über das Lernen geben. Auch könne, W ENDEN zufolge, deklaratives metakognitives Wissen aus Selbstbeobachtung und Reflexion über den eigenen Lernprozess entstehen, was allerdings eine gewisse kognitive Reife erfordere: „As they gain in cog- Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 53 38 (2009) nitive maturity, learners may reflect on their learning process and revise earlier assumptions or develop new ones“ (ebd.). In Analogie zur Diskussion, ob Bewusstheit eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung metakognitiver prozeduraler Fähigkeiten darstellt, ist auch jene nach dem Erwerb dieses prozeduralen Wissens eine offene Frage. Manche Forscher (z.B. passim: M ARTINEZ 2008) differenzieren die Frage nach der lernerseitigen Bewusstheit darüber hinaus nach unterschiedlichen metakognitiven Aktivitäten. So bedürfe es bei bestimmten Aktivitäten wie der Planung der eigenen Handlungen einer bewussten Herangehensweise, wohingegen andere kaum Bewusstheit erforderten und dem Lernenden erst dann bewusst werden, wenn beispielsweise ein unerwartetes Ereignis oder Ergebnis auftritt oder bei Schwierigkeiten (V EENMAN 2005: ebd.). Studien zu den Unterschieden von Novizen- und Expertenlernern machen zudem deutlich (R ENKL 2000), dass bei Expertenlernern die Handlungspläne automatisiert ablaufen und erfolgsrelevante Merkmale identifiziert und mobilisiert und in einer zielführenden Auswahl gebündelt werden. Es stellt sich nun die Frage nach der Relation von metasprachlichem und metakognitivem Wissen. Selbstverständlich ist metakognitives Wissen, wie schon das eingangs angeführte Zitat („knowledge concerning one’s own cognitive processes“) verdeutlicht, keineswegs sprachenspezifisch. Deshalb zeigt z. B. im Hinblick auf Problemlösekompetenz auch die Mathematikdidaktik Interesse an der Erforschung von metakognitiven Prozessen (vgl. die Beiträge in A RTELT / M OSCHNER 2005 sowie dort zitierte Literatur). Manche einschlägige Untersuchungen arbeiten fächerübergreifend und widmen sich „Lern- und Regulationsstrategien“; so die Fächer Deutsch, Mathematik, Biologie und Physik (vgl. den Interviewleitfaden in S PÖRER / B RUNSTEIN 2005: 62-63). Hilfreich bei der Frage nach metasprachlichem und metakognitivem Wissen ist die Differenzierung metakognitiven Wissens von F LAVELL / W ELLMAN (1977: 5) in das Wissen um Personenmerkmale, Aufgabenwissen und Strategienwissen. So kann neben der eingangs angesprochenen Strategieebene (O XFORD 1990, zu kognitiven versus metakognitiven Lesestrategien s. auch S CHMIDT 2007) die lernerseitige Analyse der Aufgabe - W ENDEN (1999: 437) spricht von „task analysis“ - zur Bestimmung der Relation von metasprachlichem und metakognitivem Wissen herangezogen werden. Bei der Aufgabenanalyse setzen Lerner ihrzufolge ihr metakognitives Wissen ein, um: - die Beschaffenheit des von der Aufgabe gestellten Problems zu identifizieren, - zu überlegen, ob sie einer Aufgabe, die sie bereits durchgeführt haben, ähnlich ist, und - um zu bestimmen, wie sie die Aufgabe angehen, sowie das Wissen und die Fähigkeiten, die sie hierfür benötigen. Dementsprechend wird die Relation von metasprachlichem und metakognitivem Wissen vom Lerner selbst bestimmt: „Metacognitive knowledge is the specialized portion of a learner’s acquired knowledge base (F LAVELL 1979) which consists of what learners know about learning, and to the extent a learner has made distinctions, language learning“ (W ENDEN 1999: 435 [unsere Hervorhebung]). Metakognitives Wissen erscheint als ein subjektives System von Vorstellungen: Zur Lösung von Aufgaben greift es Elemente auf, 54 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) von denen manche unhinterfragt akzeptiert und andere durch eigene Erfahrungen bestätigt wurden (ebd.: 436). Doch wie verhalten sich Metakognition und metalinguale Kompetenz zur Interkomprehension? Dass im Moment des interkomprehensiven Verstehens (Erschließens, Konstruierens) neuer sprachlicher Strukturen Lernersprache in statu nascendi begegnet (D ECHERT / R AUPACH 1989: passim), erklärt, weshalb die Interkomprehension ein wichtiges Mittel zur Identifikation von Sprachverarbeitungs- und metakognitiven Strategien darstellt. Dies erklärt ihr enormes Potential, Lernenden im Umgang mit dem ihnen ‚unbekannten‘ Sprachmaterial ihre eigenen bislang weniger bewussten Sprachhandlungsprozesse bewusst zu machen. Die methodischen Verfahren der Interkomprehensionsdidaktik, etwa die Aktivität des Didaktischen Mehrsprachenmonitors, die longitudinale Protokollierung der ziel- und mehrsprachigen Hypothesengrammatik oder der Einsatz von bewusstheitsfördernden Strategien wie etwa Laut-Denk-Protokollen nutzen die Vorteile der mehrstufigen Analyse dieses Moments. Der interkomprehensive und mehrsprachige Ansatz verlangt neben top down-Prozessen immer wieder bottom up die Kategorisierung von zielsprachlichen Phänomenen im Sinne semantischer oder sprachlich-formaler Regularitäten. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass metalinguales und metakognitives Wissen bei aktuell ablaufenden kognitiven Prozessen wie der Erschließung eines zielsprachlichen Textes zu einem Zeitpunkt X zwar unbewusst eingesetzt werden kann, es jedoch in jedem Fall bewusstheitsfähig, d. h. explizierbar ist. 3. Metakognition, Affektion und Interkomprehensionserfahrung F LAVELL / W ELLMAN (1977) differenzieren metakognitives deklaratives Wissen in metakognitive Erfahrungen, metakognitive Empfindungen und Sensibilität („sensitivity“). Dem Konzept der Sensibilität zufolge ist das Wissen über eine persönlich nützliche Strategie allein noch nicht zielführend. Ein Lerner muss auch über das ‚Gespür‘ verfügen, welche (strategischen) Handlungen zur Mobilisierung welcher Ressourcen und Mikrokompetenzen (in der Terminologie des RePA, C ANDELIER [et al.] 2009, vgl. Abschnitt 5) in einer konkreten Lernsituation gefordert sind, damit überhaupt eine Strategie selbstständig und erfolgreich eingesetzt werden kann. Metakognitive Erfahrungen können nach F LAVELL / W ELLMAN (1977) die eigene Metakognition weiterentwickeln, indem ein Lerner von der Ebene einer spezifischen Aufgabe die Aufmerksamkeit auf das Lernverhalten lenkt: Intuitive metakognitive Erfahrungen können also zu deklarativem metakognitivem Wissen werden. Hierbei spielt vor allem die Fähigkeit zur Selbstreflexion in Auseinandersetzung mit einer Aufgabe eine Rolle. Sie ist notwendig, um eingesetzte Strategien auf ihre Zielführung hin zu ‚evaluieren‘. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass intuitive metakognitive Erfahrungen und deklaratives metakognitives Wissen wiederum zum Aufbau von metakognitiver Sensibilität beitragen, wird die enorme Bedeutung lernerseitiger Bewusstmachung deutlich. Von großer Relevanz im Modell von F LAVELL / W ELLMAN (1977) ist für die vorliegende Diskussion auch das Konstrukt der „metakognitiven Empfindungen“. Hiermit sind bewusste Empfindungen gemeint, die sich meist auf Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 55 38 (2009) laufende kognitive Prozesse beziehen und sowohl kognitiver als auch affektiver Natur sind. Auf der Grundlage der Interpretation solcher metakognitiver Empfindungen wie beispielsweise Freude, Erleichterung, Unsicherheit oder Verwirrung trifft ein Lerner metakognitive Entscheidungen und aktiviert metakognitives Wissen. In der Fremdsprachenforschung spiegelt sich allerdings eher eine Trennung von Kognition und Affektion wider. So stellt F INKBEINER (2001: 73) fest: Einerseits werden affektive und kognitive Faktoren in einem gemeinsamen Konstrukt betrachtet, d. h. auch die Affektion selbst wird als Sonderform von Kognition bezeichnet. Andererseits wird definitorisch genau zwischen Kognition und Affektion differenziert; dabei ist augenfällig, dass in der Folge der Schwerpunkt der Untersuchung dann entweder bei der Kognition oder bei den affektiven beziehungsweise attitudinalen Faktoren liegt; Untersuchungen, die beide Aspekte gleichgewichtig und mit Bezug aufeinander ins Auge zu fassen versuchen, gibt es nur wenige. Welch hohe Relevanz Untersuchungen, die sich sowohl (meta)kognitiven als auch affektiven Fragestellungen widmen, für die Forschung und die Unterrichtspraxis haben, zeigt die quantitative Attitudinalstudie MES (M EI ß NER / B ECKMANN / S CHRÖDER -S URA 2008), in der Fünft- und Neuntklässler um eine Selbsteinschätzung ihrer eigenen Fortschritte in ‚ihren‘ Fremdsprachen und um Angaben zu ihrem (affektiven) Unterrichtserlebnis gebeten wurden (zu weiteren Befunden und Perspektiven vgl. M EI ß NER / S CHRÖDER -S URA (Koord.) 2009). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass, um die Einschätzung eigener Fortschritte über einen längeren Zeitraum als (ebenfalls) „metakognitiv“ bezeichnen zu können, ein weiter Begriff von Metakognition zugrunde gelegt werden muss, der über den Bezug zu aktuell ablaufenden kognitiven Prozessen (und deren Produkt) hinausgeht. Diese Auffassung entspricht der Unterscheidung F LAVELLS / W ELL - MANS (1977: 5) von metakognitivem Wissen in das Wissen um Personenmerkmale, Aufgabenwissen und Strategienwissen, wobei sich das Wissen um Personenmerkmale auf „die Kenntnis über die Fähigkeiten und die besondere Eignung der eigenen Person als Lerner sowie die Vorstellungen über die Gesetze der menschlichen Kognition“ (M ARTI - NEZ 2008: 50) bezieht. Es umfasst „intraindividuelles Wissen, interindividuelles Wissen und universelles Wissen“ (ebd.). Wie im Folgenden noch mit Ausschnitten aus Lernprotokollen belegt wird (vgl. Abschnitt 6), eignet sich Interkomprehension in besonderem Maße dazu, sowohl Metakognition im Sinne einer lernerseitigen Fähigkeit, kognitive Prozesse zu planen, ihren Ablauf zu kontrollieren und ihr Ergebnis zu evaluieren, zu befördern als auch Metakognition im Sinne einer Kenntnis der eigenen Fähigkeiten als Fremdsprachenlerner, die durchaus von konkret aktuell ablaufenden kognitiven Prozessen gelöst sein kann (vgl. das Modell des Didaktischen Mehrsprachenmonitors, der Hypothesengrammatik bei M EI ß NER 2004: 27). Interkomprehension ermöglicht Lernern in hohem Maße die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und kann deren Bild von sich selbst als Sprachenlerner enorm (positiv) beeinflussen (in Bezug auf schulische Kontexte: B ÄR 2009; für studentische Lerner: in diesem Beitrag). Auch andere Untersuchungen neueren Datums, die sich mit Selbsteinschätzung und Lernerautonomie befassen (M ARTINEZ 2008; S CHMENK 2008; T ASSINARI 2008), legen ein ganzheitliches Lernerbild zu Grunde und verbinden Affektion und 56 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) Metakognition. T ASSINARI entwickelt hierzu ein Instrument zur Selbsteinschätzung im Rahmen von Strategien und Kompetenzen um Lernerautonomie, in das sie unter anderem Deskriptoren zur eigenen Bewusstheit über motivationale Zusammenhänge und zur lernerseitigen Fähigkeit, die eigene Motivation zu kontrollieren, aufnimmt wie „Ich bin mir meiner Motivation bewusst bzw. ich kann darüber nachdenken“ (T ASSINARI 2008: 254) oder „Ich kann mich für mein Lernen motivieren (z.B., indem ich interessante Materialien aussuche, indem ich mein Lernen an für mich interessante Projekte anbinde, indem ich mit anderen arbeite, indem ich mich für meine Lernerfolge belohne)“ (ebd.). M ARTINEZ (2008) zeigt in ihrer breiten empirischen Studie zum Verständnis von Lernerautonomie, dass erfahrene Sprachenlerner Mehrsprachigkeit, interkomprehensive Verfahren und Metakognition insbesondere in ihren attitudinalen und affektiven Schattierungen zusammenbringen. B ÄR [et al.] (2005) belegen, wie Schüler der Klasse 8 ihre Einstellungen zu ihren Fremdsprachen durch das Erlebnis des Vergleichens zwischen Sprachen im positiven Sinne revidieren. 4. Metakognition im Kontext von Bildungsstandards und Kompetenzaufgaben Trotz dieser positiven Forschungsentwicklungen zeigt ein Blick in die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2003), dass affektive Aspekte von Metakognition und des Lernen Lernens stark vernachlässigt werden. So werden beispielsweise in den Hinweisen zum Beitrag des Fremdsprachenunterrichts zur Bildung ein „Zuwachs an Erfahrung“ und die „Stärkung der eigenen Identität“ auf interkulturelle Erfahrungen, nicht jedoch auf Erfahrungen mit dem Lernen bezogen (ebd.: 8). Die Frage nach der Bewusstheitsfähigkeit und Verbalisierbarkeit von metakognitivem deklarativen und prozeduralen Wissen ist insbesondere für institutionelle Kontexte von grundlegender Bedeutung. Dies spiegelt sich unter anderem in der Kompetenzorientierung des Fremdsprachenunterrichts und dem Ziel des Lernen Lernens wider: Systematisch zu entwickeln sind ebenfalls methodische Kompetenzen für das Arbeiten mit Texten und Medien, zur aufgabenbezogenen, anwendungs- und produktorientierten Gestaltung von mündlichen und schriftlichen Texten, zum selbstständigen und kooperativen Sprachenlernen als Grundlage für den Erwerb weiterer Sprachen, für das lebenslange (Sprachen-)lernen und den Ausbau der mutter- und fremdsprachlichen Kompetenzen. (KMK 2003: 6). Die Begriffsbildung methodische Kompetenzen ist u. E. nicht unproblematisch; zum einen, da sie durch die Bezugnahme auf die ‚Methodik‘ eher auf die Lehrdenn auf die Lernperspektive verweist, und zum anderen, weil sie im Gegensatz zu Lernen des Lernens zu kurz greift. Wie aus dem oben angeführten Zitat deutlich wird, tritt Metakognition hier gar nicht in Erscheinung. Es werden lerntechnische Fertigkeiten angesprochen („das Arbeiten mit Texten und Medien“, die „aufgabenbezogene, anwendungs- und produktorientierte Gestaltung von mündlichen und schriftlichen Texten“), und schließlich werden Eigentätigkeit und soziales Lernen betont. Die Frage nach einer notwendigen lernerseiti- Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 57 38 (2009) gen Bewusstheit wird jedoch nicht (explizit) thematisiert. Dabei ist gerade sie für die Qualität von Lernen zentral! Zugleich impliziert die angesprochene „Anwendungs- und Produktorientierung“ eine Zielgerichtetheit sprachlichen Handelns, die nur dann gegeben sein kann, wenn ein Lerner sich bewusst ist, was er macht, wie er es macht und warum er es (so) macht. In der Konkretisierung, was Schüler im Bereich der „methodischen Kompetenzen“ können sollen, heißt es: Lerntechniken und -strategien für den Ausbau ihrer Kenntnisse in der jeweiligen Fremdsprache sowie für den Erwerb weiterer Sprachen einsetzen, (…) durch Analyse ihres persönlichen Lernstils und die Auswahl besonders geeigneter Lernverfahren zur Selbstständigkeit im Sprachenlernen gelangen, verschiedene Verfahren zur Auswertung gesprochener und geschriebener Texte nutzen, Verfahren zum anwendungs- und produktorientierten Gestalten von mündlichen und schriftlichen Texten anwenden. (KMK 2003: 6). Hier stehen das prozedurale Kontrollwissen („Lerntechniken und -strategien … einsetzen“, „Verfahren … nutzen … anwenden“) und das deklarative sprachenlernbezogene Wissen („Analyse …“) unverbunden nebeneinander. Zwar wird durch die „Analyse ihres persönlichen Lernstils“ die Notwendigkeit von Metakognition angesprochen, sie ist jedoch in dieser vom sprachlichen Handeln losgelösten Form nicht umsetzbar. Auch ein Blick auf neuere Lehrwerke zeigt, wie wenig sprachliches Handeln von Schülern und der Aufbau metakognitiven deklarativen und prozeduralen Wissens miteinander integriert werden. „Lerntechniken und -strategien“ treten hier vielmehr als isolierte ‚Tipps‘ in Erscheinung“ (vgl. L AUX 2005, S CHARMANN 2005, M ORKÖTTER 2009). Darüber hinaus herrscht in der Fremdsprachendidaktik weitgehend Einigkeit, dass das in den Bildungsstandards im Kontext der „Lerntechniken und -strategien“ angesprochene Ziel des sprachenübergreifenden Lernens („für den Erwerb weiterer Sprachen einsetzen“, s. o.) in den dargelegten Kompetenzmodellen keine Entsprechung hat, da diese sich auf eine Sprache beziehen (vgl. verschiedene Beiträge in B AUSCH [et al.] 2008). Ähnliches gilt für den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR). Die wechselseitige Förderung sprachlicher und metakognitiver Fähigkeiten ist zweifellos keine einfache Aufgabe. Eine unlängst durchgeführte Analyse einer im Auftrag des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) entwickelten kompetenzorientierten Lernaufgabe (M ORKÖTTER / S CHRÖDER -S URA 2009) konnte unter anderem zeigen, dass diese die Möglichkeit des Lerners zur (Selbst-)Evaluation und vor allem Transparenz über die Lernziele der Aufgaben vermissen lässt. Die Ziele im Bereich des Lernen Lernens werden zwar in den an Lehrer gerichteten Übersichten über die einzelnen Module unter dem Begriff „methodische und strategische Kompetenzen“ als solche spezifiziert und beispielsweise in Form des „selektiven Lesens“ konkretisiert. Diese Konkretisierungen haben jedoch keine Entsprechung in den Arbeitsaufträgen für die Schüler, die, um beim selektiven Lesen zu bleiben, lediglich aufgefordert werden: Lisez le texte, puis répondez aux questions suivantes (ebd.: 80). Dass der bloße Arbeitsauftrag „Lest den Text und beantwortet dann folgende Fragen“ nicht zum Aufbau „methodischer“ 58 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) und erst recht nicht metakognitiver Kompetenzen beitragen kann, versteht sich von selbst, denn zielgerichtetes Handeln erfordert per definitionem eine Bewusstheit des Lerners über sein Handeln und die Möglichkeit, hierauf Kontrolle auszuüben. Nur so können Schüler „methodische Kompetenzen“ auf andere Anwendungskontexte transferieren und aufgaben- und situationsangemessen anwenden (lernen). Hier wird wiederum die Interdependenz deklarativen metakognitiven Wissens und prozeduralen Kontrollwissens deutlich. Sprachliches - auch sehr erfolgreiches Handeln von Schülern kann im oben (vgl. Abschnitt 2) definierten Sinne der Mindestanforderung von Bewusstheitsfähigkeit bei Metakognition nicht zur Förderung von metakognitiver Kompetenz beitragen, solange Lerner über die von ihnen eingesetzten „methodischen“ Kompetenzen im Dunkeln gelassen werden. Auf der anderen Seite reicht Wissen über Lernprozesse oder einsetzbare Strategien, das häufig fälschlicherweise als „prozedurales Wissen“ bezeichnet wird (G ROTJAHN 1999: 138-139), für sich genommen nicht aus, wenn eine entsprechende Handlungsfähigkeit oder -bereitschaft fehlt: This knowledge [= declarative metacognitive knowledge, F.-J. M./ S. M.] does not automatically lead to adequate learning behavior. For instance, a student may know that making a summary of a complex text is necessary and yet refrain from performing the activity for different reasons. The topic may be uninteresting or too difficult, or the student may lack the necessary knowledge and skills for making a summary (V EENMAN 2005: 77 [Hervorhebung im Original]). Die Unterscheidung von deklarativem Wissen (savoir) und prozeduralem Wissen (savoirfaire) einschließlich persönlichkeitsbezogener Kompetenzen im Verhältnis zu Sprachen (savoir-être ) und sprachenlernbezogener Kompetenzen (savoir-apprendre) wird ebenfalls im Referenzrahmen für plurale Ansätze (RePA) (C ANDELIER [et al.] 2009) berücksichtigt, der im folgenden Abschnitt vorgestellt wird. 5. Interkomprehension und der Referenzrahmen für Plurale Ansätze (RePA) Interkomprehension kann zu einem äußerst raschen Aufbau sprachlicher und metasprachlicher Kompetenz führen, wie Untersuchungen belegen (B ÖING 2004, B ÄR [et al.] 2005, B ÄR 2009). Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lernersprache und den eigenen kognitiven Prozessen (z.B. die Erstellung und Fortschreibung der Hypothesengrammatik) führen jedoch auch zu einem Auf- und Ausbau metakognitiver Kompetenz (Abschn. 3). Es ist das Verdienst des Referenzrahmens für plurale Ansätze (RePA) (C ANDELIER [et al.] 2009), die unter anderem bei Interkomprehension aktiven bzw. aktivierbaren (meta)sprachlichen und (meta)kognitiven Kompetenzen und Ressourcen in einem integrativen Konzept systematisch, d.h. unter Rückgriff auf die Differenzierung nach savoirs, savoirfaire, savoir-être und savoir-apprendre darzulegen (M ORKÖTTER 2007). Die Autoren des RePA verstehen unter „pluralen Ansätzen“ „didaktische Ansätze, welche sich auf Lehr- und Lernaktivitäten stützen, die mehrere sprachliche und kulturelle Varietäten zugleich einbeziehen“ (C ANDELIER [et al.] 2009: 25). Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 59 2 Die Deskriptoren lauten z. B. „Den Funktionstransfer durchführen können <grammatikalische Regularitäten in einer nicht vertrauten Sprache auf der Basis von funktional-semantischen Merkmalen und/ oder Korrelationen in einer vertrauten Sprache aufstellen können>“ (C ANDELIER [et al.] 2009: 80). 3 In Bezug auf plurale Ansätze wie jenem der Interkomprehension ist der wichtigen Unterscheidung von metakognitivem Wissen und learner beliefs der Bereich der teacher beliefs hinzuzufügen, die gerade im Hinblick auf metasprachliche und metakognitive Lernziele von enormer Bedeutung sind. So hat M EI ß NER (1998: 96) bereits vor über zehn Jahren auf eine „Überbetonung der Interferenzproblematik“ hingewiesen, und eine zielfremdsprachliche „Einzelsprachenorientierung als Ausdruck des ‚monolingualen Habitus‘“ (M EI ß NER 2008a: 142) ist nach wie vor feststellbar. 38 (2009) Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, anhand von Portfolios zur interkomprehensiven Begegnung mit Sprachen die Konzepte „metasprachliche“ und „metakognitive“ Kompetenz durch Interkomprehensionserfahrungen zu füllen. Wir orientieren uns hierbei an F LAVELLS / W ELLMANS (1977) Metakognitionsmodell und unterscheiden: P das Wissen um Personenmerkmale, P Aufgabenwissen und P Strategienwissen (s. Abschnitt 2) sowie P metakognitive Erfahrungen, P metakognitive Empfindungen und P Sensibilität (s. Abschnitt 3). Zuvor soll noch kurz auf eine weitere Unterscheidung eingegangen werden, jene zwischen metakognitivem Wissen und den sog. learner beliefs, für die die Literatur zwar keinen klaren Konsens liefert (W ENDEN 1998: 517), die aber im vorliegenden Kontext wichtig ist. Während metakognitives Wissen unter anderem als „factual (…) information“ und „representative of the body of knowledge that constitutes a particular discipline of study“ (ebd.) betrachtet wird, werden beliefs als „individual subjective understandings“ (ebd.) aufgefasst. Sie sind „value-related and tend to be held more tenaciously“ (W ENDEN 1999: 436). Der RePA, der sich in den Formulierungen seiner Deskriptoren an den ‚Kann- Beschreibungen‘ des GeR orientiert 2 und als Qualitätskriterien „Kohärenz, Vollständigkeit und Lesbarkeit“ (C ANDELIER [et al.] 2009: 24) anführt, ist dieser Differenzierung zufolge als metakognitives Wissen zu bezeichnen. Der vorliegende Beitrag befasst sich insofern mit metakognitivem sowie metasprachlichem Wissen und ‚learner beliefs‘ 3 , als konkrete interkomprehensive Sprachenbegegnungen dahingehend analysiert werden, welche metasprachlichen und metakognitiven Kompetenzen und Ressourcen sie aktivieren und welche Erkenntnisprozesse sie in Gang setzen. 6. Beispiele für die Entwicklung von Metakognition durch die interkomprehensive Begegnung mit Sprachen Die folgenden Zitate sind Portfolien entnommen, die Studierende der Romanistik im Rahmen eines Seminars zur Mehrsprachigkeitsdidaktik im WS 2008/ 09 erstellten. Im 60 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 4 Es handelte sich ausschließlich um Frauen. 38 (2009) Verlauf der Veranstaltung wurden die Teilnehmerinnen 4 gezielt an die Methode der Interkomprehension herangeführt. Das Seminar umfasste folgende Schwerpunkte, die auch in das studentische Selbstmonitoring eingingen und daher partiell Teil der Portfolien sind: 1. Vorstellung eines Textes zum Hörverstehen in der unbekannten Zielsprache Rumänisch (Rede des Regierungschefs Iliescu am 11. September 2001) 2. Beantwortung eines Fragekatalogs zur Lernsteuerung (nach O XFORD 1990) 3. Darstellung der Sprachenbiographie(n) der Studierenden 4. Autoestimation der Kompetenzen in den möglichen, für die Interkomprehension herangezogenen Brückensprachen 5. Externe Evaluation mit Hilfe von DIALANG in einer oder zwei starken Brückensprachen 6. Übungen zur Interkomprehension anhand von katalanischen, italienischen und portugiesischen Texten und gemeinsame Besprechung der Ergebnisse 7. Tests zur Interkomprehension in verschiedenen Brückensprachen und deren Analyse. Alle Ergebnisse der Datenerhebungen wurden mit den Teilnehmerinnen diskutiert und von diesen in ihr Portfolio genommen. 8. Jede Teilnehmerin wählte sich eine romanische Zielsprache aus, in der sie versuchte, ihre rezeptive Kompetenz voranzutreiben, und dokumentierte dies im Verlauf des Semesters. Im Unterschied zu in den Jahren zuvor erhobenen Daten, welche sich auf die Dekodation unbekannter romanischer Sprachen beschränkten, wurden die Studierenden diesmal gebeten, interkomprehensiv zu ‚schreiben‘ (M EI ß NER 2008b). Dem Wunsch lag die Hypothese zugrunde, dass der Prozess des Schreibens eine noch nachhaltigere Interaktion mit der ‚unbekannten‘ Zielsprache und dem eigenen relevanten Vorwissen bewirken würde, als dies bereits der der rezeptiven Interkomprehension der Fall ist. 9. Kommunikative Validierung: Nach der Durchsicht der Portfolios durch den Dozenten erörterte dieser mit den einzelnen Studierenden die von ihm aufgrund der Leistungen und des Portfolios erstellte Lerndiagnose. Dabei wurde auch überprüft, inwieweit der Dozent die in den Portfolios gemachten Äußerungen im Sinne der Probanden gedeutet hatte. Die Studierenden nahmen danach die schriftlich abgefasste Diagnose in ihr Portfolio. (Dieser Schritt wird in dieser Publikation nicht behandelt.) Die gewählten Zielsprachen waren Italienisch, Französisch, Portugiesisch, Rumänisch und Spanisch. Von den 25 Teilnehmerinnen haben 23 ihr Abitur in Deutschland abgelegt und zwei in Hispano-Amerika. Drei Teilnehmerinnen geben an, neben dem Deutschen eine „zweite Muttersprache“ zu haben, und zwar Türkisch (2) und Französisch (1). Die Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 61 38 (2009) belegten Studienfächer sind Französisch oder Spanisch in Kombination mit jeweils einem anderen Fach. Die Aufgabe für die Portfolio-Erstellung umfasste die Punkte 2, 3, 4, 5, 7; sodann sollten drei bis fünf Sitzungen zur Interkomprehension auf Ton- oder Bildträger aufgenommen (WAV-Dateien), transkribiert und interpretiert werden (Punkt 8). Der Interkomprehensionsmethode gemäß wurde des Weiteren die Erstellung einer Hypothesengrammatik (vgl. Abschnitt 2 und 3) verlangt. Sie zeigt nicht nur das Wachstum der zielsprachlichen Kompetenz im Bereich des deklarativen Wissens in der Zielsprache, sondern auch das Wissen um interlinguale Korrespondenzen. Ein Monitoring zur eingesetzten Lernsteuerung war ebenfalls Teil der Aufgabe. Die breite Auswertung der Daten muss an anderer Stelle erfolgen. Im vorliegenden Rahmen geht es allein darum zu belegen, wie interkomprehensive Prozesse zur Selbststeuerung beitragen. Um Übersichtlichkeit herzustellen, werden die Belege unter inhaltlichen ‚Merkmalspunkten‘ referiert, die den Erkenntnistyp und den Erkenntnisprozess andeuten. Aus Platzgründen ist es nicht möglich klarzustellen, welchen Stellenwert ein genanntes Argument in der Entwicklung von Selbststeuerungskompetenz einnimmt. Die Belege aus den Portfolios, welche entweder aus den Transkriptionen der Laut-Denk- Protokolle der interkomprehensiven Prozesse stammen oder aber aus den anschließenden Analysen dieser Protokolle durch die Probanden selbst, sind so eindeutig ausgewählt, dass sich zum vorliegenden Zweck eine erklärende Interpretation erübrigt. Die Studierenden sprechen also für sich. Wir begnügen uns damit, die Dokumente unter klärende Überschriften zu stellen, für die sich in der Interkomprehensionsforschung immer wieder Belege finden lassen. Zur Einordnung der Daten ist es wichtig, deren Typus zu kennzeichnen: Es handelt sich nicht um typische Daten, wie sie innerhalb der Subjektiven Theorie-Forschung erhoben werden - also um Äußerungen zu Meinungen und Erfahrungen -, sondern um solche, die eine besondere Enge zwischen den unmittelbar gemachten Erfahrungen mit mentaler Mehrsprachenverarbeitung und ihrer Analyse durch die Probanden selbst aufweisen. Relativierung und Distanznahme von eng gesteuerten Lernmustern (welche in der Schule in Gestalt von engen Lernaufträgen vermittelt und von den Schülern internalisiert wurden) Nicht nur Fokus auf Inhalt, sondern eben auch auf die sprachliche Oberfläche Ich habe weniger versucht Hypothesen über die Sprache zu bilden und Erkenntnisse über sie festzuhalten, vielmehr habe ich versucht, den Text zu verstehen und zu übersetzen, wie ich es sowohl in der Schule als auch in den sprachpraktischen Kursen an der Universität gelernt habe. Um (…) einen größeren Lernfortschritt zu erreichen, ist es aber wichtig, dass ich mehr und mehr das System der Sprache erkenne, auch wenn ich es gewöhnt bin, zuallererst den Text zu verstehen. Dafür müssen mehr Hypothesen gebildet werden und Ableitungen von den Brückensprachen kenntlicher gemacht werden. (WS 08 13: 23) Die Kategorien Wissen, Können, Affektionen, Volitionen beurteilen Allerdings werde ich auch immer ungeduldiger, wenn ich etwas nicht verstehe und ich mir die Vokabeln nicht erschließen kann. (WS 08 13: 23) 62 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) Meine Weiterentwicklung habe ich gerade dadurch bemerkt, dass ich immer weniger Zeit benötigte, um einen Textabschnitt zu bearbeiten. (WS 08 20: 62) Abb. 1: Ein DIALANG-Testergebnis Mein Hörverstehen ist gemäß der DIALANG-Ergebnisse auf der Stufe A2 anzusiedeln. Das hat mich sehr gewundert, denn ich hatte mir nicht mehr als die Niveaustufe A1 zugetraut, da ich nicht portugiesisches Fernsehen schaue und auch nicht mit Portugiesen kommuniziere. Das erstaunliche „gute“ Ergebnis führe ich demzufolge auf meine Brückensprache Spanisch zurück, die dem Portugiesischen ähnlich ist… (WS 08 17: 7) Lösungswege finden, um Frustrationen vorzubeugen Dadurch könnte die zum Teil entstandene Frustration durch das Nichtverstehen einiger Wörter etwas gesenkt werden und neue Erfolgerlebnisse würden hinzukommen, indem die gelernten Wörter direkt wieder erkannt werden könnten. (WS 08 13: 36) Sprach- und Lernhypothesen bilden: Sprachform und Inhalte zusammenschalten Ich bin verunsichert über den Sinn des Satzes, (…). Womöglich will der (…) Sänger Tiziano Ferro an einem Wettbewerb teilnehmen (stelle Vermutungen an). Ich mache mal weiter… A fine anno könnte ich vielleicht komplett vom Französischen ableiten …mmmmh (überlegt) … fin heißt Ende à la fin bedeutet „am Ende“ und anno könnte von année abgeleitet werden. Ich weiß jetzt aber nicht, ob a fine anno nun „am Ende des Jahres“ oder „im letzten Jahr“ bedeutet. (WS 08 16: 7) Interkomprehension lehrt, interlinguale Korrespondenzregeln zu erkennen Nova heißt auf Spanisch nueva hierbei hat sich o zu ue entwickelt. Hoje muss auf Spanisch hoy heißen. Denn bei dem Satz Nova lei completa hoje dois anos ist anzunehmen, dass die temporale Determinante enthalten ist, und hoje kommt klangbildlich und schriftbildlich hoy sehr nahe. (A nova Lei da Nacionalidade, que este domingo completa dois anos, fez com que duplicassem as atribuições de nacionalidade.) (WS 08 17: 24) Language switch zur Verständniskontrolle (Transfer) Übertrage ich ins Spanische wie folgt: Entre 2004 y 2006 los números, siempre idénticos, mhhhh... fijanse por media dos referidos valores (ver los números al lado). Und dann ... Por países de origen Cuba Verde, Brasil, Guinea y Angora... lideram... mhh anführen... kenn das Wort auf Spanisch Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 63 38 (2009) nicht… weiter... un volumen de requerimentos, siendo responsable por cerca de ‘metade’ weiß ich nicht und dann ‘perdidos’. (WS 08 17: 17) Konkrete Lernpläne und Lernsequenzen erkennen Wenn ich die italienischen Zeiten könnte, wäre es ganz leicht herauszufinden. Okay, ich mache erst einmal weiter. (WS 08 19: 7) Bei einer weiteren Verfolgung dieses Sprachenlernprozesses müssten also in einem nächsten Schritt (…) systematisch Vokabeln des Grundwortschatzes gelernt werden. Auch hier könnte man sich eine Liste mit den Vokabeln machen, die häufig im Text auftauchen, und diese stetig erweitern. (WS 08 13: 36) Interlinguales Arbeiten heißt fehlerprophylaktisches Arbeiten Darüber hinaus tauchte bei dem Lesen des Textes mehr und mehr die Frage nach der Aussprache auf. Auch das wäre in den nächsten Lernschritten wichtig mit einzubeziehen und einige grundsätzliche Ausspracheregeln zu klären. Hier wäre es besonders wichtig, die Unterschiede zum Französischen deutlich zu machen, um zudem eine falsche Angewöhnung der Aussprache zu vermeiden. (WS 08 10: 36) Interlinguales Arbeiten lehrt, notwendige soziale oder mediale Unterstützung für das Lernen einzufordern, zu identifizieren, wozu konkret man eine Disambiguierung braucht In solch einem Schritt wäre erneut eine Lehrperson von Vorteil, die speziell die individuellen Schwierigkeiten in der Aussprache erkennen kann, da dies für den Lerner selbst schwieriger zu identifizieren ist. (WS 08 10: 36) Interlinguales Arbeiten führt langfristig zur expliziten Verortung des eigenen Lernstandes und zur weiteren Lernorientierung Damit bin ich in meinem Lernprozess meiner Meinung nach an einem Punkt angekommen, an dem der erste Wissensstand getestet wurde und ich einige Erkenntnisse über das Italienische gewonnen habe. Dieser Prozess müsste nun allerdings durch Übungen zu einzelnen konkreten sprachlichen Mustern oder zu Vokabeln fortgeführt werden und die bisher aufgestellten Hypothesen korrekt überprüft werden, damit sie nicht zu längerfristigen falschen Annahmen führen. (WS 08 10: 36) Interlinguales Arbeiten führt zur Auswahl von Strategien und Ressourcen Daran anschließend könnte auf dieser Basis weiter verfahren werden und der Prozess des diagnostischen Schreibens immer mehr mit einbezogen werden. (WS 08 13: 38) Interkomprehension führt zu einer nachhaltigen Beschäftigung mit Sprache und dem eigenen Lernverhalten Mir wird manchmal erst später bewusst, warum ich welche Wörter wie erschließe. Manche automatischen Gedankengänge entlarvt man gewissermaßen erst nach genauerem Hinsehen. Doch meist lohnt es sich, Dingen, die sich einem nicht sofort erschließen, später nochmal vermehrte Aufmerksamkeit entgegenzubringen. (WS 08 20: 47) Offenbar steht das Possesivpronomen im Italienischen nicht allein, und es kommt noch ein bestimmter Artikel davor. Wäre zu beobachten. (WS 08 2: 9) Le coppie, das hatten wir schon mal, was hieß das (schaut im Text nach) da oben, da una coppia di lingue, da wusste ich das auch schon nicht, ich schau jetzt mal nach. (schaut im Wörterbuch nach). Gut, das heißt Paar, paarweise. Die Paarsprachen, also Plural ist das, das heißt e hinten ist Plural, sowie i hinten, bei testi hatten wir das. (WS 08 02: 10) 64 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) Langfristige Bewertung des spracherwerbsorientierten Verhaltens und Revision bisheriger Lernmuster Die Betrachtung des eigenen erwerbsorientierten Verhaltens führt mich zu verschiedenen Ergebnissen. Zum einen habe ich mir im Laufe dieser Arbeit meine Lernorganisation, Strategien und Motivationen bewusst gemacht. Erst durch das Bewusstsein über das eigene Lernverhalten können bestimmte Prozesse verändert werden und das Lernen mittels Interkomprehension ermöglicht werden. Diese eigene Reflexion ist schon Teil der Interkomprehensionsstrategien, da sie die Organisation des eigenen Lernprozesses erst ermöglicht. Es ist also wichtig, bevor man sich mit der eigentlichen Zielsprache befasst, sich zuerst mit Lernstrategien zu beschäftigen, mit dem eigenen Lernverhalten und mit Interkomprehension. So beginnt man sich selbst beim Lernen zu beobachten und kann den eigenen Lernprozess in großen Teilen selbst steuern. (WS 08 13: 39) Durch die Erstellung der Hypothesengrammatik und die immer wiederkehrende Überprüfung dieser Hypothesen wurde ich dazu gezwungen, meine bestehenden Konstrukte zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren. Diese Art von Verbesserung der Sprachlernkompetenz ist für mich sehr wichtig und hat bislang in meinem Sprachenlernprozess eine zu geringe Rolle gespielt. (WS 08 13: 39) Interkomprehension stärkt Kenntnisse in der Brückensprache (retroaktiver Transfer), indem sie ein mehrfaches Umwälzen der Sprachen verlangt [liest die italienische Textvorlage und denkt laut in Französisch und Deutsch] Ähm, en outre il est possible de traduire, all´interno, hm, à l´intérieur de nombreux programmes d´autres produits. Une autre caractéristique, öh, hm, die Klammer lass ich erst mal weg, ist ja ziemlich lang, est la possibilité de faire lire le test, …sia…, son original, die Funktion von che kenn ich noch nicht. Quello könnte so was sein wie lequel, welches übersetzt wurde, …ist diese Form vielleicht Vergangenheit, „welches vom Computer übersetzt wurde“? Es ist wirklich nicht leicht. Und in der Klammer fängt es schon wieder mit che an. Ich gehe jetzt in der Klammer vom Satzbau her einfach mal davon aus, dass das che eine relativische Funktion hat. Also die Charakteristik, die ist gewesen, die gewesen ist, also wahrscheinlich Perfekt, diese Form, …bei vielen apprenzzata, von apprendre, gelernt, ach nein! Apprezzata, apprezz, apprecier vielleicht! Und, nicht die von vielen, sondern, die viel, nein, die sehr geschätzt wurde bei der la version précédente de toute couleur, nein, von allen, coloro lass ich weg, die voulaient apprendre une langue parlante, die gesprochene Sprache, also eher la langue parlée. Weiter, en particulier modo weiß ich nicht, dann: die Studenten. Also besonders die Studenten. Auch hier ist gli also Pluralartikel. Nochmals, die ganze Klammer: Diese Charakteristik wurde bei der letzten Version sehr geschätzt von allen, die die gesprochene Sprache lernen wollten, besonders den Studenten. Naja, vom Sinn her. (WS 08 2: 7) Das Vergleichen zwischen Sprachen fordert die Kontrolle der Hypothesen Web-Translator peut être impiegato erinnert mich an nichts. Ähm, mal weiter, pour la construction du page Web. Wahrscheinlich: Web-Translator kann anche, klingt bisschen wie auch, würde auch Sinn machen, kann auch als hm hm hm für …die Konstruktion von Internetseiten ...eingesetzt, gebracht, verwendet werden. Da schau ich jetzt mal nach, ob meine Hypothese stimmt. (schaut im Wörterbuch nach). Passt! (WS 08 2: 7) Es wäre zu kontrollieren, ob der Plural beim Weiblichen immer e ist. (WS 08 02/ 8) Ich schlage besser le im Wörterbuch nach. Laut Wörterbuch ist le der weibliche Pluralartikel. Damit ist meine Vermutung, canzoni sei ein Plural, bestätigt. (WS 08 20: 10) Transferprozesse zwischen Sprache A und B verändern auch Einsichten zu den Sprachen B und C (und weiteren) Meine Weiterentwicklung habe ich gerade dadurch bemerkt, dass ich immer weniger Zeit benötigte, um einen Textabschnitt zu bearbeiten. Dies lag wahrscheinlich einerseits daran, dass ich immer mehr Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 65 38 (2009) italienische Wörter kannte und andererseits sind mir mit der Zeit immer mehr Wörter aus meinen Brückensprachen eingefallen, die das Pendant zu den italienischen bildeten. Teilweise waren dies Wörter, die ich schon lange nicht mehr aktiv benutzt habe, welche mir dann aber wieder einfielen. Folglich finde ich, dass diese interkomprehensive Arbeit mir nicht nur einen Einblick in die italienische Sprache gab, sondern auch die Anwendung meiner Brückensprachen geschult hat. Genauer gesagt, sehe ich jetzt wesentlich mehr Bezüge und Ähnlichkeiten zwischen Französisch und Spanisch. (WS 08 20: 62) Bewertung der Interkomprehensionsmethode Die Verknüpfung der neu gewonnenen Kenntnisse mit dem schon vorhandenen Wissen trägt außerdem zu einer tieferen Verarbeitung und einem schnelleren Behalten und Speichern bei. Während ich sonst oft Probleme habe, mir Vokabeln zu merken, ist durch die Anknüpfung an schon Vorhandenes ein viel schnellerer Lernprozess möglich. Darüber hinaus motiviert das interkomprehensive Lernen den Lerner, da er vieles wiedererkennt und bemerkt, dass er, obwohl er die Sprache noch nie gelernt hat, schon vieles verstehen kann und nicht ganz am Anfang beginnen muss. (WS 08 13: 40) 7. Derrière une langue se cache une autre: den interlingualen ‚Durchblick‘ erlernen Interkomprehension lehrt das ‚Zwischen-Sprachen-Lernen‘. Da Interkomprehension in ihrer psycholinguistischen Dimension andernorts beschrieben wurde (M EI ß NER 1997; M EI ß NER / B URK 2001), genügt hier der Hinweis darauf, dass Novizen stark dazu neigen, ihre Interkomprehension rein lexematisch-additiv anzulegen. Das zeigten auch die Studierenden zu Beginn des Semesters: Wie die Ergebnisse eines ersten Interkomprehensionstests ergaben, blieben 13 von 33 Teilnehmerinnen bei Wort zu Wort-Zuordnungen, aus denen heraus sie den Text zu entschlüsseln versuchten. Obwohl sie ausdrücklich dazu aufgefordert worden waren, auch die ‚Grammatik‘ zu berücksichtigen, schenkten sie dieser eher nur geringe Aufmerksamkeit. (vgl. Tab. 1 auf der folgenden Seite) Dies änderte sich in dem Maße, wie sich die Studierenden auf eine Zielsprache konzentrieren konnten und im Prozess der Interkomprehension eines romanischen Sprachsystems fortschritten. Nach einer längeren Phase des Umgangs mit Interkomprehension skimmen die Studierenden zumeist die zu erschließenden Texte oder Textausschnitte, erst dann kommen sie zu detaillierteren Verfahren des Lesens. Interkomprehensives Lesen verbindet sich, dies zeigt sich deutlich, mit einem mikroskopischen Scanning, in dessen Verlauf Konstruktionsprozesse in mehreren Sprachen initiiert werden. Wie auch der quantitative Vergleich belegt, führen (bewusste) Erfahrungen mit Interkomprehension zu einer Intensivierung des Rückgriffs auf Lernstrategien. Dies belegt die zweite Beantwortung eines nach O XFORD (1990) aufgebauten Fragebogens nach einer Phase interkomprehensiven Arbeitens von mehreren Monaten. 66 Franz-Joseph Meißner, Steffi Morkötter 38 (2009) Tab. 1: Erstellung der Hypothesengrammatik zu Beginn des Seminars 8. Statt einer Schlussfolgerung Es liegt nicht in der Absicht dieser Publikation, die Interkomprehensionsmethode in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Die Grenzen der Interkomprehension für das Lernen fremder romanischer Sprachen durch romanophone Lerner wurden mehrfach dargelegt (C ALVI 2001a/ b). Die Vorteile entsprechender Verfahren für die Entwicklung von Lernkompetenz werden jedoch gerade erst entdeckt und konkret beschrieben. Vieles spricht dafür, dass die relativ einseitige Fokussierung der internationalen Forschung auf Englisch „as a second language“ bzw. auf das Muster ‚Muttersprache plus Zielsprache‘ und die weitgehende Ausblendung der affektiven und volitionalen Seite der Selbsterfahrung mit Mehrsprachenlernen geradezu dazu geführt haben, dass die Vorteile der individuellen Mehrsprachigkeit für das Sprachenlernen so lange unerforscht blieben. Förderung von metasprachlicher und metakognitiver Kompetenz durch Interkomprehension 67 38 (2009) Literatur A RTELT , Cordula / M OSCHNER , Barbara (Hrsg.) (2005): Lernstrategien und Metakognition. Implikationen für Forschung und Praxis. Münster: Waxmann. 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E-mail: bschmenk@uwaterloo.ca Arbeitsbereiche: Applied Linguistics, Deutsch als Fremdsprache. ** Ich danke Mareike Müller für die Durchsicht und Korrekturen dieses Beitrags. 38 (2009) B ARBARA S CHMENK * Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch ** Abstract. This article focuses on two issues related to the study and teaching of language learning strategies: How do individuals differ in their language learning strategy use; and what implications do individual differences have for the study and teaching of language learning strategies? The article starts off with an overview of research into individual differences in strategy use. Some issues and problems arising from this research are subsequently discussed in more detail, with a particular focus on studies of the influence of culture and gender on individual learners’ strategy use. Implications of this research and its inherent difficulties and problems are then discussed with a dual focus. First, the article draws some tentative conclusions for research into individual differences in language learning strategy use. Second, it discusses implications for strategy training in language teaching and learning environments. 1. Einleitung Die Forschungslage im Bereich Lernstrategien ist auch über 10 Jahre nach Erscheinen des im deutschen Sprachraum breit rezipierten Bandes von R AMPILLON / Z IMMERMANN (1997) weiterhin von Offenheit und vielen ungeklärten Fragen gekennzeichnet. Vieles, was man damals kritisch anmerkte und zu bedenken gab, ist bis heute ungeklärt. Das gilt insbesondere für die konzeptuelle Unschärfe des Strategiebegriffs selbst sowie für die entsprechenden Unklarheiten zur Erhebung bzw. Messung des Konstrukts (G ROTJAHN 1997 und Z IMMERMANN 1997, in jüngerer Zeit nicht minder kritisch D ÖRNYEI 2005 oder T SENG [et al.] 2006). Das Diktum von Zimmermann gilt insofern weiterhin: „Was wir in der Fremdsprachenforschung brauchen, um einen tragfähigen Diskurs in der scientific community zu gewährleisten, sind theoretisch begründete Rahmenkonzeptionen, aus denen sich die einzelnen Begriffe des Wortfeldes ‚Strategie‘ ableiten lassen“ (Z IMMER - MANN 1997: 108). Trotz bzw. auch wegen der konzeptuellen Unklarheiten ist es wichtig, sich den bislang erreichten Forschungsstand vor Augen zu führen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Denn es lässt sich eindeutig resümieren, dass bei aller Unklarheit der zentralen Konstrukte „Lernstrategie“ und „Strategiegeleitetes Fremdsprachenlernen“ doch ein ungeheurer Erfolg des Strategiebegriffs in der Fremdsprachendidaktik zu verzeichnen ist. Kein Lehrwerk etwa kommt heute noch ohne Lerntipps oder Reflexionen über Lerntechniken Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 71 1 Selbst die Pionierin der Strategieforschung im deutschsprachigen Raum, Ute Rampillon, akzeptierte nach anfänglichem Zögern, dass sich der Strategiebegriff im Alltagsgebrauch und in der Didaktik durchgesetzt und den Begriff der Lerntechniken abgelöst bzw. sich einverleibt hat (vgl. R AMPILLON 1985, 1997, 2000; B IMMEL / R AMPILLON 2000: 54). 38 (2009) bzw. Lernstrategien aus 1 , und das Stichwort Lernstrategie gehört mittlerweile in jede fachdidaktische Überblicksveranstaltung und -publikation. Das wiederum zeigt deutlich, dass mit dem Strategiebegriff eine bestimmte ‚Marktlücke‘ gefüllt werden konnte, die andere Konstrukte in der Fremdsprachendidaktik nicht zu bedienen vermochten. Rückblickend kann man an dieser Stelle festhalten, dass es zwei unterschiedliche Marktlücken bzw. Bedarfslagen sind, die die Strategieforschung zu füllen verspricht. Die erste Marktlücke wurde in Nordamerika im Zuge des Good Language Learner und vergleichbarer Projekte sichtbar (N AIMAN [et al.] 1978). Hier ging es darum, individuelle Unterschiede zwischen Lernenden zu erfassen, die als ursächlich für den Lernerfolg anzusehen seien. Das spezifische Strategieverwendungsprofil von Lernenden geriet in diesem Zusammenhang ins Visier der Forschung, da es eine wichtige Rolle für den Erfolg bzw. Misserfolg im Sprachenlernen zu spielen schien (vgl. z. B. R UBIN 1975, O’M ALLEY / C HAMOT 1990, W ENDEN / R UBIN 1987). Die zweite Marktlücke, die der Strategiebegriff zu füllen verspricht, entstand aufgrund eines spezifisch didaktisch-erzieherischen Bedarfs, nämlich der Suche nach Möglichkeiten zur Realisierung von Lernerorientierung im Fremdsprachenunterricht. Die Hinwendung zum individuellen Lernenden, zu individuellen Formen und Profilen des Lernens selbst sowie der individuellen Lernprozesse erforderte die Berücksichtigung von individuell unterschiedlichen Lernformen und Persönlichkeiten von Lernenden. Mit dem Konstrukt der Lernstrategien ist ein großes Potenzial und die Hoffnung verbunden, gerade diese individuellen Lernenden und ihre jeweiligen Lernprofile besser verstehen und fördern zu können. Rasch entwickelte sich hier eine didaktisch-pädagogische Argumentation, die Lernstrategieverwendung als wichtigen Bestandteil des Lernen Lernens und der Lernerautonomie konzipierte (vgl. dazu O XFORD 1990, R AMPILLON 1997, 2000, S CHMENK 2004b, 2008). Dieses Anliegen, die Erforschung individueller Verwendung von Lernstrategien, soll im Folgenden genauer unter die Lupe genommen werden. Denn dahinter verbergen sich zwei unterschiedlich ausgerichtete Ziele und Interessen der Strategieforschung, die ihrerseits Implikationen für unser Verständnis von Lernstrategien haben, und zwar insbesondere dann, wenn wir uns Fragen nach der Relevanz von sozialen und kulturellen Aspekten des individuellen Strategiegebrauchs zuwenden. 2. Individuelle Lernstrategieverwendung erforschen: Wie und warum? In einem neueren Überblick zum Stand der Erforschung von Lernstrategien heißt es: „Learning strategies are important in second language learning and teaching for two major reasons. First, by examining the strategies used by second language learners during the language learning process, we gain insights into the metacognitive, cognitive, social, and 72 Barbara Schmenk 38 (2009) affective processes involved in language learning. The second reason supporting research into language learning strategies is that less successful language learners can be taught new strategies, thus helping them become better language learners“ (C HAMOT 2005: 112). Beide hier angegebenen Gründe zur Beschäftigung mit Lernstrategien entsprechen in Grundzügen den bereits oben angedeuteten zwei unterschiedlichen Bedarfslagen und Richtungen, die man in der Lernstrategieforschung heute ausmachen kann. So ist es erstens das Anliegen vieler Studien, das Lernstrategieverwendungsprofil von Lernenden zu erheben. Zu diesem Zweck werden bis heute weltweit mehrheitlich Forschungsdesigns verwendet, die sich am Strategy Inventory for Language Learning (= SILL; O XFORD 1990) orientieren (vgl. die Überblicksdarstellungen bei C HAMOT 2004, 2005, C OHEN 2007, D ÖRNYEI 2005, M ACARO 2006, W HITE [et al.] 2007). Daneben existieren inzwischen auch Studien, die eher qualitativ-interpretativer Art sind und die sich nicht nur auf Daten stützen, die mit Hilfe von Selbsteinschätzungsskalen erhoben wurden (wie das beim SILL und seinen Varianten der Fall ist), sondern die auf andere Erhebungsmethoden zurückgreifen, wie etwa Interviews oder Laut-Denk-Protokolle (vgl. C HAMOT 2005 und W HITE [et al.] 2007; vgl. auch die umfangreich dokumentierten qualitativ-explorativen Studien von G RIFFITHS 2003, L IN 2008, S TORK 2003 oder W ÜRF - FEL 2006). Zweitens dient die Erforschung individueller Unterschiede in der Verwendung von Lernstrategien auch pädagogischen und didaktischen Zwecken. Man geht davon aus, dass Fremdsprachenlernen durch gezielten und reflektierten Einsatz von Lernstrategien erfolgreicher und effektiver verlaufen kann. Gelingt es, die Strategieverwendungsprofile erfolgreicher Lerner zu bestimmen, so hofft man, dann sollte es auch möglich sein, gezielte Strategietrainings zu entwickeln. Dadurch sollen möglichst alle Lernenden in die Lage versetzt werden, Lernstrategien effektiver und sinnvoller einzusetzen, um ihre Leistungen zu verbessern (vgl. C HAMOT / O’M ALLEY 1994, C HAMOT 2004, 2005, C OHEN 1998, H SIAO / O XFORD 2002, M ACARO 2006, O XFORD 1990, 2003, R UBIN [et al.] 2007). Diese zweite Zielsetzung wird immer wieder genannt; sie ist bislang allerdings noch kaum systematisch erforscht worden. Das dürfte hauptsächlich an der Komplexität liegen, die mit entsprechenden Unterrichtsforschungsdesigns verbunden ist. Wohl deshalb müssen sich viele Publikationen in diesem Punkt mit Behauptungen statt empirischen Nachweisen zufrieden geben: Es ist intuitiv nachvollziehbar, dass Strategieverwendung im Unterricht erprobt, geübt, trainiert und i. w. S. thematisiert werden sollte. Wie das allerdings genau aussehen kann oder gar auszusehen hat und welchen Effekt oder Nutzen welche Formen des Strategie-Übens wiederum in welchen unterrichtlichen Zusammenhängen und im Rahmen welcher konkreten fremdsprachlichen Lernaufgaben bei individuellen Lernenden haben, ist nach wie vor noch weitgehend ungeklärt. Hier haben wir also ein hochkomplexes und spannendes Feld vor uns, dem sich zukünftig weitere Arbeiten widmen können und das sicherlich von immenser Bedeutung für das Lehren und Lernen von Sprachen ist. Abgesehen von den Forschungsdesiderata, die sich hier abzeichnen, kann man zwei Punkte zum Stand der Strategieforschung, ihren Zielen und Formen aus den oben aufgeführten beiden unterschiedlichen Zielsetzungen ableiten. So gilt es erstens als anerkannte und in vielen empirischen Studien nachgewiesene Tatsache, dass die Verwendung von Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 73 38 (2009) Lernstrategien beim Lernen von Sprachen individuell unterschiedlich erfolgt. Das Lernstrategienutzungsprofil einzelner Lernender ist somit zu einem wichtigen Bezugspunkt bzw. Kriterium geworden, den bzw. das man im Rahmen der Untersuchung und Anerkennung individueller Lerner-Faktoren beim Fremdsprachenlernen selbstverständlich berücksichtigt. Zweitens werden der Wert und die pädagogisch-didaktische Relevanz von Lernstrategietraining und der Förderung von sinnvollem, d.h. individuell variiertem und angemessenem, aufgabenadäquatem und reflektiertem Strategiegebrauch beim Lernen von Sprachen heute kaum mehr in Zweifel gezogen (wenn auch detaillierte und konkrete empirische Nachweise und Vergleichsstudien noch ausstehen und die entsprechende Forschung in den Kinderschuhen steckt). Beide Beobachtungen lassen sich an dieser Stelle resümieren: 1. Lernende unterscheiden sich hinsichtlich der von ihnen verwendeten Lernstrategien, und zwar sowohl hinsichtlich der Art der Strategien als auch hinsichtlich ihrer Kombination und Verwendungsfrequenz. 2. Durch gezielte Hilfestellung (Training) bzw. pädagogische und/ oder didaktische Maßnahmen (Üben, Anwenden, Ausprobieren, Demonstrieren, Reflektieren etc.) lassen sich individuelle Lernstrategieverwendungsmuster ändern, so dass Lernende bei der Bewältigung von Sprachlernaufgaben über ein breiteres Strategierepertoire verfügen können. Punkt 1 betrifft die deskriptiv-analytische, empirisch orientierte Dimension der Strategieforschung, Punkt 2 die pädagogisch-didaktische Dimension, die mit der Erforschung von Lernstrategien verbunden ist. Beide Punkte - so einsichtig sie auf den ersten Blick scheinen mögen - stehen allerdings in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Das wird besonders dann deutlich, wenn man den Blick auf diejenigen Forschungsergebnisse und -studien richtet, die sich mit sozialen und kulturellen Aspekten von Lernstrategieverwendung befasst haben. 3. Individuelle Unterschiede und Lernstrategieverwendung: Kultur, Geschlecht, soziale Aspekte Es klingt zunächst fast banal: Individuelle Unterschiede bei der Verwendung von Lernstrategien spiegeln individuelle Unterschiede wider, die Lernende auch im Leben außerhalb des Fremdsprachenlernens aufweisen. Die beiden Unterscheidungskriterien, auf die die meisten Studien in diesem Zusammenhang zurückgreifen, sind Kultur und Geschlecht. Schon seit Beginn der (nordamerikanischen) Lernstrategieforschung gab es Versuche, Strategieverwendung und Kultur bzw. Geschlecht zu korrelieren. Kulturelle Unterschiede (verstanden als unterschiedliche Herkunft der Lernenden, oft gleichgesetzt mit Nationalität oder Ethnizität, s. u.), so die Vermutung, manifestieren sich in vielen beobachtbaren Verhaltensweisen, Einstellungen oder „Mentalitäten“, und das spiegelt sich auch im Rahmen von Fremdsprachenlernen und insbesondere Strategieverwendung wider. Dasselbe Prinzip gilt für Vermutungen zur Rolle des Lernergeschlechts: Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Lernenden ließen sich demnach auch in 74 Barbara Schmenk 38 (2009) ihrem jeweiligen Strategieverwendungsprofil ausmachen. Es gibt eine Reihe von Studien, die den Einfluss dieser Faktoren untersucht haben. 3.1 Kultur und Lernstrategien Zweifellos hat der kulturelle Hintergrund von Lernenden einen Einfluss auf ihre jeweilige Art der Strategieverwendung. Wir sind alle durch das spezifische Bildungssystem, in dem wir Sprachen gelernt haben, in unserem Lernverhalten in gewisser Weise geprägt bzw. sozialisiert worden. Unsere Erfahrungen in schulischen und außerschulischen Lernkontexten, mit bestimmten Lern- und Arbeitsmaterialien, mit bestimmten curricular übergreifend festgelegten thematischen Schwerpunkten und unterrichtsmethodischen Vorgaben etc. spielen sicher eine Rolle, wenn wir erklären wollen, warum wir so und auf diese spezifische Weise Sprachlernaufgaben angehen, wie wir uns das Sprachenlernen und Üben vorstellen, wie wir mit fremdsprachlichen Texten umgehen etc. Wer etwa einen sehr form-fokussierten schulischen Fremdsprachenunterricht erlebt hat, in dem bestimmte Übungstypen dominierten, der wird bestimmte Strategien, die in diesem Unterricht implizit oder explizit gefördert bzw. verlangt wurden, erworben haben (wahrscheinlich eher solche Strategien wie diejenigen, die Rebecca Oxford als „kognitive“ bezeichnet). Wer im Fremdsprachenunterricht viel Gruppen- und Projektarbeit hat durchführen müssen, wird ebenfalls bestimmte Strategien erworben haben (wahrscheinlich so genannte „soziale“ oder vielleicht auch kompensatorische Strategien). Es ist anzunehmen, dass solche Zusammenhänge bzw. Einflüsse von Lernerfahrungen auf individuelle Strategieverwendung existieren. So einleuchtend solche Vermutungen erscheinen mögen, so schwer erweist sich allerdings ihre empirische Erforschung. Zudem betritt man bei dem Versuch, kulturelle Einflüsse auf die Lernstrategieverwendung zu bestimmen, ein politisches und ethisches Minenfeld. Das folgende Beispiel aus einem der ersten breit rezipierten Forschungsüberblicke in diesem Bereich lässt das bereits erahnen: O XFORD / C ROOKALL (1989: 410) berichten unter Rückgriff auf die Arbeiten von M C G ROARTY (1987, 1988), dass „national [sic! ] origin (Hispanic versus Asian) had a strong influence on strategy choice“. Zudem nennen sie einige Studien, die Geschlechterunterschiede bei der Strategieverwendung gezeigt haben (siehe dazu unten mehr). Sie schließen ihre Fragen zu diesen Befunden an: „Are the observed ethnic and sex LLS differences consistent over many studies? What are the reasons for ethnic and sex differences - sociocultural expectations, genetic inheritance, or some combination? “ (O XFORD / C ROOKALL 1989: 414). In diesen Worten zeichnet sich ab, dass die Suche nach Unterschieden zwischen sozialen Gruppen sehr problematisch sein kann. Man muss deshalb warnend vorwegnehmen: Solche Einflüsse pauschal als „kulturell“ oder „kulturbedingt“ zu bezeichnen, basiert auf einem vereinfachten und essentialistischen Konzept von „Kultur“ (d.h., Kultur wird als so etwas wie eine Essenz von Personen verstanden, die einer kulturellen Gruppe angehören). Diese Argumentationsstruktur droht uns in eine Sackgasse zu führen. In dieser Sackgasse befindet man sich derzeit mehrheitlich in der internationalen Strategieforschung; denn hier dominiert das Forschungs- Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 75 2 Es geht in diesen Forschungen darum zu messen, wie oft Lernende bestimmte Strategien verwenden (bzw. welche Angaben sie zur Verwendungsfrequenz machen), d. h. um eine rein quantitative Größe. 38 (2009) paradigma Kulturvergleich von Strategieverwendung (genauer: von Selbsteinschätzungen zur Strategieverwendung). Das Kulturvergleichsparadigma basiert auf einer Generalisierung von Gruppenzugehörigkeit, die als ausschlaggebender Faktor für die Strategieverwendung angesehen wird. Damit einher geht ein bestimmtes Forschungsdesign: Lernende werden aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit (i. d. R. Nationalität) als Strategieverwender beforscht. Gemäß dem momentan am häufigsten praktizierten Forschungsdesign geschieht das mit Hilfe des SILL: Die Probanden geben entsprechend Auskunft über ihre geschätzte Strategieverwendungsfrequenz (der SILL arbeitet ja mit einer Likert- Skala zur Einschätzung von Strategiegebrauchsfrequenz). 2 Daraus wird ein gruppenübergreifender Mittelwert für Einzelstrategien wie auch für Strategiegruppen errechnet (z. B. Sätze nach dem Muster: Mitglieder von Kulturgruppe x weisen einen hohen oder moderaten Gebrauch von metakognitiven Strategien auf). Im Ergebnis formuliert man also generalisierende Aussagen über die Strategieverwendungspräferenzen von kulturellen oder nationalen Gruppierungen, wie das folgende Beispiel zeigt: „Cultural background affects strategy choice. Because of Hispanics’ global and field dependent style preference [...], many Hispanic ESL/ EFL students choose particular learning strategies, such as predicting, inferring (guessing from context), avoiding details, working with others rather than alone, and basing judgements on personal relationships rather than logic“ (O XFORD 1996: xi). Neben der Gleichsetzung von Nationalität, Ethnizität und Kultur zeigen solche Argumentationsstrukturen stark verallgemeinerte Aussagen über Lernende aus verschiedenen Regionen der Welt, die miteinander verglichen werden: „In contrast, many Japanese ESL/ EFL students reflectively use analytic strategies aimed at precision and accuracy, search for small details, work alone, and base judgments more on logic than on personal interactions“ (ebd.). Fast zwangsläufig werden dergleichen Generalisierungen dann mit Hilfe pauschaler Verweise auf „Kultur“ zu erklären versucht: „Cultures that encourage concrete-sequential learning styles (such as those of Korea or some Arabic-speaking countries) often produce widespread use of rote memorization strategies, while more flexible strategies (though not always higher order thinking strategies) and a more facilitative view of teachers are often found among North Americans“ (ebd.). Hier ist unschwer zu erkennen, dass solche Pauschalaussagen nicht selten auch mit stereotypen Vorstellungen über „Kulturen“ oder „Mentalitäten“ assoziiert werden: „Extroverted learning styles, such as those of many Hispanics and Arabic speakers, are related to the use of social strategies for learning“ (ebd.). Bei dergleichen Ausführungen handelt es sich primär um stereotypisierende Pauschalaussagen. Ähnliche Argumentationsmuster finden sich auch in anderen Publikationen, die sich der Kategorie Kultur widmen und deren Einfluss auf das Lernstrategieverwendungsprofil zu bestimmen suchen (z. B. B EDELL / O XFORD 1996, G REEN / O XFORD 1995, O XFORD / B URRY -S TOCK 1995, S HMAIS 2003. Vgl. auch die Überblicksdarstellung von C HAMOT 2004, M ACARO 2006, T AKEUCHI [et al.] 2007). 76 Barbara Schmenk 3 Erwähnt seien hier auch neuere Versuche, Strategieverwendungsprofile und die Religionszugehörigkeit von Lernenden zu korrelieren. Auch dabei geht es um einen kontrastiven Zugriff; verglichen werden allerdings Lernergruppen, die je nach Religionszugehörigkeit unterschieden werden. Motivation solcher Arbeiten ist, auch die Religion, die in unserer Zeit speziell im Konflikt zwischen so genannten „westlichen“ Ländern und Regionen und „nicht-westlichen“ Teilen der Welt zunehmend an Relevanz gewinnt, als potenziellen Einflussfaktor auch für das Sprachenlernen in die wissenschaftliche Diskussion einzuführen. Arbeiten wie die von L IYANAGE [et al.] (2004) mit Lernenden in Sri Lanka machen deutlich, dass Studien zum Strategieverwendungsprofil von Sprachenlernenden anhand ihrer Gruppenzugehörigkeit nicht nur pauschal durch Nationalität, sondern auch ebenso pauschal durch Religionszugehörigkeit gemessen werden können. Hier sind wohl auch zukünftig weitere Arbeiten zu erwarten, die nach demselben Muster verfahren: Gesellschaftlich relevante Gruppen bzw. Gruppenzugehörigkeiten werden als potenzielle Faktoren interpretiert, denen man einen Einfluss auf das Sprachlernverhalten zuschreibt. Durch Vergleiche von SILL-Ergebnissen oder anderer Testergebnisse der Mitglieder dieser Gruppen wird auf diese Weise versucht, die Unterschiedlichkeit der Gruppen bzw. ihrer Mitglieder auch im Bereich des Sprachenlernens nachzuweisen. Dabei ist auch hier anzumerken, dass man ohne Kenntnisse der Lerngewohnheiten einzelner Religionszugehöriger (wie auch „Kulturzugehöriger“) keinesfalls Rückschlüsse darauf ziehen kann, warum und wie die Konfession (oder eine Kultur) das Sprachlernstrategieprofil Einzelner beeinflussen könnte. Pauschale Kategorisierungen nach Nationalität oder Religion ersetzen schließlich keine Erforschung individueller Lerngewohnheiten und Strategieverwendungsweisen. 38 (2009) Das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, ist Folge eines Kurzschlusses, der dem Kulturvergleichsparadigma zugrunde liegt. Denn hier wird (meist implizit) die Gruppenzugehörigkeit (bzw. Nationalität) einzelner Lernender als ausschlaggebend für ihre individuellen Lernvorlieben und -strategieverwendungsweisen konzipiert. Nicht die individuellen Erfahrungen werden beleuchtet, sondern diese werden schon von vornherein qua Forschungsdesign als homogen und gruppenspezifisch inferiert: Schließlich vergleicht man ja die Testergebnisse von verschiedenen Gruppen bzw. deren Durchschnittswerte, nicht die Ergebnisse einzelner Lernender. Pauschal unterstellt ein solches Forschungsdesign somit auch zwangsläufig (und ebenfalls fast immer implizit) die Gleichförmigkeit und grundsätzliche Vergleichbarkeit der Lernerfahrungen von denjenigen, die in derselben „Kultur“ bzw. im selben Land aufwachsen. Ein solches kulturkontrastives Forschungsdesign basiert somit auf der meist unreflektiert bleibenden Vorannahme, dass die Gruppenmitglieder wie auch ihre Erfahrungen im Wesentlichen homogen seien, wobei zugleich der Fokus auf den Unterschied zwischen verschiedenen Gruppen gerichtet wird, was wiederum eine Verstärkung und Maximierung des Kulturkontrasts bewirkt. Intragruppenunterschiede werden eliminiert bzw. übergangen zugunsten der gesuchten Intergruppendifferenz. 3 Wie und warum Lernende bestimmte Strategien verwenden und wie sich dies auf ihren Sprachlernerfolg auswirkt, kann eine auf quantitativen Selbsteinschätzungsangaben beruhende und auf Kulturvergleich ausgerichtete Forschung nicht erfassen. Angemessener wäre es deshalb, wenn sie sich individuellen Unterschieden zuwenden würde, die sich auch zwischen den Mitgliedern derselben „Kultur- und Sozialisationsgemeinschaft“ auftun. Dadurch würde zudem der pauschale Kulturvergleich differenziert, denn man könnte dann zugestehen, dass manche besser, manche schlechter beim Sprachenlernen abschneiden, wobei jeweils am Einzelfall zu prüfen wäre, ob dies möglicherweise trotz, wegen oder auch gar nicht in unmittelbarer Abhängigkeit von ihrer kulturell geprägten Strategiesozialisation geschieht. Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 77 38 (2009) Die simple Auffassung von Kultur als einer Gruppenprägungsinstanz bedarf also der Korrektur, wenn man die Strategieforschung in diesem Bereich voranbringen möchte. Hier ist mit Georg A UERNHEIMER in Erinnerung zu rufen, dass Kultur beileibe kein einseitiger Prägemechanismus ist, sondern dass wir unsere kulturelle Identität immer auch mitgestalten, indem wir uns zu unseren Erfahrungen und der uns umgebenden Welt verhalten, d. h. uns potenziell auch von ihr distanziert betrachten und uns als ein kulturelles Selbst entwickeln können. Das gilt auch für das Lernen von Fremdsprachen und die Verwendung von Lernstrategien: Wir sind keineswegs „kulturelle Herdentiere“, zwangsläufig einer „kulturellen Prägung“ ausgeliefert: „Sehr wichtig ist, dass ‚kulturelle Identität‘ nicht mit kultureller Prägung verwechselt werden darf, wie es alltagssprachlich üblich ist. Sie ist zu unterscheiden von dem, was der Soziologe Bourdieu ‚Habitus‘ nennt, also die im Enkulturationsprozess verinnerlichten Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsschemata [...]. Ich kann kulturelle Eigenheiten zum Beispiel kaschieren, verleugnen oder stilisieren. Dabei sind in der Regel soziale Zuschreibungen hintergründig relevant. Meine soziale Selbstverortung ist daher die zweite Dimension von kultureller Identität, die auch problematische Formen, etwa die ‚Selbstethnisierung‘, annehmen kann. Ein drittes ist der jeweilige Umgang mit den verfügbaren kulturellen Symbolbeständen, also Religion, Sprache(n), (sub)kulturellen ästhetischen Praxen etc. Der Einzelne kann sie umdeuten, neu auslegen, selektiv verwenden, verwerfen. Schließlich ist für die ‚Selbstnarration‘ das subjektive Verhältnis zur Geschichte der eigenen Gruppe, der man sich zurechnet, bedeutsam“ (A UERNHEIMER 2007: 69 f.). Mit anderen Worten: Wir sind niemals einfach nur Reproduzenten derjenigen (Lern-)Kulturen, in denen wir sozialisiert werden, sondern wir setzen uns mit diesen auch auseinander und entwickeln uns und unsere Lernstrategieverwendung im dialektischen Verhältnis zu unserem sozialen und kulturellen Umfeld. In diesem Sinne bedarf es eines sozialkonstruktivistischen Verständnisses von Kultur, mit dessen Hilfe es möglich ist, die Essentialisierungen von Kultur und Identität zu differenzieren (D ANNENBERG 2002) und Lernende nicht nur als kulturell Geprägte, sondern zugleich als kulturelle Akteure, und mit Blick auf das Lernen von Sprachen auch als Lerngestalter zu erfassen. Notwendig ist deshalb eine deutliche Korrektur sowohl der Forschungsrichtung als auch der Erkenntnisinteressen von empirischer Forschung der individuellen Strategieverwendung, wenn man sich den Abgründen des mit dem Kulturvergleichsparadigma nahezu zwangsläufig verbundenen Pauschal(ver)urteilens fernhalten bzw. entwinden möchte. Um Einflüsse bestimmter kultureller und/ oder sozialer Faktoren zu erkunden, muss sich die Forschung den individuellen Lernenden zuwenden und versuchen zu verstehen, was sie jeweils wie tun, wenn sie lernen. Für unseren Zusammenhang bedeutet das zunächst, dass kulturelle oder religiöse (wie auch sonstige soziale) Einflüsse und Bedingungen zwar zweifellos auch beim Verwenden von Lernstrategien eine Rolle spielen können. Wie diese Einflüsse aber konkret aussehen und welche Formen sie im Einzelfall annehmen, kann nicht durch eine pauschalisierende Zuweisungsspekulation geklärt werden. Vielmehr verhindert das bislang gemäß dem Kulturvergleichsparadigma gesammelte Wissen zum kulturbedingten Strategieverhalten einen klareren Blick darauf, wie komplex bisweilen das Lernverhalten Einzelner im 78 Barbara Schmenk 38 (2009) Kontext ihrer schulischen und außerschulischen (Lern-)Erfahrungen, Leistungen und Biographien verwoben ist. Statt Einzelne pauschal zu „Kulturgeprägten“ oder zu durch andere Gruppenzugehörigkeiten „Geprägte“ zu erklären, dürfte es in jedem Fall erhellender sein, sie und ihre Erfahrungen erst einmal genauer in den Blick zu nehmen, um zu klären, inwiefern man überhaupt von „Einfluss“ sprechen kann und auf welche Weise sich welche Einflüsse wie im Strategieverwendungsprofil niederschlagen. Um das am oben genannten Beispiel zu illustrieren: Wer einen stark form-fokussierten schulischen Fremdsprachenunterricht erlebt hat, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bestimmte Lernstrategien, die im Unterricht explizit oder implizit gefördert wurden, erworben. Das heißt jedoch nicht, dass man hier einfach einen Automatismus bzw. Prägemechanismus unterstellen kann. Es ist denkbar, dass diejenigen, die entsprechende Erfahrungen gemacht haben, genau dieselben Techniken verwenden, die sie seinerzeit als Schüler mit Erfolg angewendet haben. Es kann aber auch sein, dass sie sich von diesen Techniken distanzieren, dass sie bewusst andere Strategien einsetzen, oder dass sie Strategien verwenden, die sie in anderen Zusammenhängen erworben haben und nun auf das Fremdsprachenlernen übertragen. In jedem Fall kann man davon ausgehen, dass der Zusammenhang von Kultur, Lernerfahrungen und Strategieverwendung jeweils individuell unterschiedlich ausgerichtet ist; einen direkten und verallgemeinerbaren Einfluss auf die Strategieverwendung bzw. eine bestimmte kulturelle Prägung strategiegeleiteten Lernens kann man nicht einfach annehmen. Beispiele für einen umsichtigeren Umgang mit Kultur im Rahmen der Strategieforschung sind die Studien von L EVINE [et al.] (1996) und G AO (2006). Erstere versuchen unter Rückgriff auf Interviews und Informationen über unterschiedliche Bildungssysteme und Testformen zu begründen, dass Strategieverwendungsvorlieben bei russischen Emigranten in Israel auf ihre spezifischen Erfahrungen in russischen Bildungsinstitutionen zurückzuführen sind. Zwar ist dies immer noch eine recht verallgemeinernde Betrachtung, jedoch wird im Rahmen solcher Argumentationsansätze schon deutlich, dass es nur über individuelle Befragung und Berücksichtigung von konkreten Lernerfahrungen von Einzelnen möglich ist, Rückschlüsse auf eventuelle Einflüsse im Rahmen bestimmter „Lernsozialisationskontexte“ zu ziehen. Dies berücksichtigt G AO (2006) in seiner Studie noch stärker: Er zeigt, dass der jeweilige Lernkontext einen großen Einfluss auf die Strategieverwendung bei Sprachenlernenden hat. Seine Untersuchung mit chinesischen Englischlernern hat deutlich gezeigt, dass diese ihr Strategieprofil ändern, sobald sie sich in anderen Lernkontexten befinden; im konkreten Fall, sobald sie ihre chinesischen Klassenräume verlassen und sich in Großbritannien als Austauschstudierende aufhalten. Das wiederum lässt darauf schließen, dass die Verwendung von Lernstrategien eben nicht festgelegt ist durch kulturelle Prägung, sondern dass Lernende in der Lage sind, ihr gewohntes bzw. eingespieltes Strategieverwendungsmuster blitzschnell zu ändern oder zu ergänzen, wenn sie neuen Anforderungen in einer neuen Umgebung gegenüber stehen. An den Schnittstellen zwischen individuellem Lernprofil, Lernerbiographie und soziokulturellem Umfeld, wie G AOS (2006) Studie andeutet, könnten Forschungsprojekte ansetzen, die es erlauben, mehr über die Dynamik zu verstehen, die mit Kultur und Strategieverwendung verbunden ist. Hier könnten am Einzelfall Fragen geklärt werden Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 79 38 (2009) wie: Wie verhalten sich Enkulturation bzw. Sozialisation in bestimmten Bildungs- und Lerntraditionen und -kontexten zu jeweils individuellem Strategieverhalten beim Sprachenlernen? Wie und unter welchen Voraussetzungen werden gewohnte Strategierepertoires überdacht, modifiziert, verfeinert, etc.? Inwiefern können diese zu verbesserten Lernergebnissen in bestimmten Bereichen beitragen? Das sind im übrigen Fragen, die auch von besonderem Interesse für didaktische und pädagogische Handlungs- und Reflexionspotenziale sind. Denn nicht zuletzt steht hier ja implizit die zentrale Frage von und für Lehrende/ n im Mittelpunkt, inwiefern Strategieverwendung im Einzelnen als festgelegt, quasi-konditioniert anzusehen ist, und inwiefern man Lernenden auch andere, neue Strategien beibringen kann. Ich werde auf diese trait-versus-state-Frage der Strategieforschung noch zurückkommen (vgl. auch G AO 2007). 3.2 Geschlecht und Lernstrategien Das Prinzip der Erforschung der Kategorie Geschlecht entspricht dem der Erforschung von Kultur: In Studien zur Rolle des Geschlechts wird in der Regel verglichen, ob sich die Strategierepertoires (bzw. normalerweise die Selbsteinschätzung des eigenen Strategierepertoires) von weiblichen und männlichen Lernenden unterscheiden. Auch hier also geht es primär darum, Lernende zu Gruppen zusammenzufassen und das gruppenspezifische Merkmal (jetzt: die Geschlechtszugehörigkeit) als ausschlaggebenden Einflussfaktor zu erkunden. Im Falle von männlichen und weiblichen Lernenden heißt das, man führt Messungen mit dem Ziel durch zu ermitteln, welches Geschlecht welche Strategien und wie häufig benutzt. Auch diese Studien sind fast ausnahmslos mit Hilfe des SILL durchgeführt worden; und O XFORD selbst hat in den 90er Jahren zahlreiche Arbeiten publiziert, in denen sie über geschlechtstypische Lernstrategieverwendungspotenziale und deren Hintergründe spekulierte (vgl. für einen Überblick vgl. G REEN / O XFORD 1995, O XFORD 1993, 1995, O XFORD / E HRMAN 1995, T AKEUCHI [et al.] 2007, Y OUNG / O XFORD 1997). Mittlerweile haben auch andere Forschende diese Impulse aufgegriffen und versucht, Geschlechtsspezifika beim Strategiegebrauch zu ermitteln und Vermutungen zur Existenz und Begründung einer Geschlechtstypik in der Lernstrategieverwendung anzustellen (z. B. C HAVEZ 2000, P HAKITI 2003, S HEOREY 1999). Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, näher zu bestimmen, ob bzw. inwiefern sich die Geschlechter in ihrem Lernstrategiegebrauch tatsächlich unterscheiden. So existieren Studien, die ergeben haben, dass weibliche Lernende generell mehr Strategien häufiger benutzen als männliche, andere hingegen haben gezeigt, dass männliche Lernende mehr Strategien häufiger benutzen als weibliche (vgl. ausführlich dazu S CHMENK 2002a, 2002b). Auch die Art der Strategien - in der Regel klassifiziert nach Vorgaben des Sechs-Kategorien-Modells von O XFORD (1990), an dem sich auch der SILL orientiert - variierte bei männlichen und weiblichen Lernenden in keinen systematisch unterscheidbaren Mustern oder in der jeweiligen Benutzungsfrequenz einzelner Strategien oder Strategiegruppen. Doch trotz der uneinheitlichen Forschungslage wird auf der Basis solcher pauschalen Geschlechtervergleichsstudien versucht, kategoriale Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Lernen- 80 Barbara Schmenk 38 (2009) den zu begründen. Aussagen wie „females are usually more reflective than males and males are more impulsive“ (O XFORD 1995: 38), stehen neben Aussagen wie „females are often more accurate in spelling and grammar than males“ (ebd.), unmittelbar gefolgt von der Aussage, dass „research might suggest that males and females, in general, employ different routes in language learning. More males than females might take the thinking approach, thus focusing on rules, facts, and logic avoiding the more personal interactions. More females than males might like the feeling approach, in which there is a great deal of social interaction, a high degree of empathy, and cooperative learning“ (ebd.: 39). Das Argumentationsmuster, das solchen Aussagen zugrunde liegt, basiert auf der Verallgemeinerung von Geschlechterdichotomien, die mit Vorstellungen zum Sprachenlernen und Strategieverwendungsvorlieben assoziiert werden. Das mag manchen intuitiv einleuchtend erscheinen; bei genauerer Betrachtung jedoch kann man nicht umhin zu erkennen, dass es sich hier lediglich um Spekulationen handelt, nicht um Ergebnisse empirischer Forschung. Unser Verständnis von individuellen Unterschieden in der Strategieverwendung wird dadurch nicht verbessert oder vertieft. Auch die Tatsache, dass die bislang ermittelten Ergebnisse zur geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Strategieverwendung widersprüchlich sind, liegt vermutlich darin begründet, dass das dominierende Forschungsparadigma, der pauschale Vergleich von männlichen und weiblichen Lernenden, in ähnliche Sackgassen führt wie der zuvor beschriebene Versuch, kulturspezifische Lernstrategieprofile zu bestimmen - schließlich geht es auch hier darum, männlichen bzw. weiblichen Lernenden eine spezifisch männliche bzw. weibliche Lernform nachzuweisen, was oft unmittelbar in eine Sammlung stereotypisierender Formeln abgleitet, die eher spekulativen Charakter haben (vgl. E HR - LICH 1997, 2001, S CHMENK 2002a, 2002b, 2004a). Dasselbe gilt ebenfalls für Versuche, Geschlechts- und Kulturzugehörigkeit zu korrelieren: Auch hier gerät man in Spekulationen, wenn man pauschal davon ausgeht, dass etwa weibliche Lernende einer bestimmten Nationalität merklich andere Lernstrategien beim Sprachenlernen verwenden als männliche Lernende derselben Nationalität, oder als weibliche Lernende einer anderen Nationalität. Es wundert deshalb nicht, dass die Forschungsergebnisse auch in dieser Frage uneinheitlich sind (z. B. O XFORD 1993, 1995, 1996, 2003, P HAKITI 2003, T AKEUCHI [et al.] 2007, Y OUNG / O XFORD 1997). Nennenswerte Ergebnisse für die Forschung können dergleichen Forschungsansätze also nicht hervorbringen; allerdings sind mit stereotypengesättigten Spekulationen handfeste Probleme und Schwierigkeiten verbunden, wenn man sie auf mögliche Implikationen für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts hinterfragt oder gar direkt auf die Praxis zu übertragen versucht. Da drohen nämlich Geschlechterstereotype oder pauschale Kulturvergleiche - aus dem Alltag durchaus bekannt - zu wissenschaftlich belegten Tatsachen erklärt bzw. verklärt zu werden, und auf deren Basis beginnt man womöglich sogar, so etwas wie ein „geschlechtergerechtes“ oder „kulturgerechtes Strategietraining“ zu entwerfen. Im Sinne der Lernerorientierung und des Interesses an der Förderung individueller Lernender muss hier deutlich gewarnt werden: Spekulative Annahmen zur kultur- oder geschlechtsspezifischen Verwendung von Strategien stehen einem am einzelnen Lerner und dessen individueller Förderung orientierten strategiegeleiteten Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 81 38 (2009) Fremdsprachenlernen eher im Wege. Wenn man Lernende aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit zu bestimmten Strategieverwendungstypen erklärt, hat man die Chance vertan, sie und ihren jeweiligen Strategiegebrauch beim Sprachenlernen als individuelle Lernende mit je eigener Lernerbiographie, eigenen Vorlieben und Erfahrungen sowie eigenen Gedanken und Absichten zu sehen bzw. ernst zu nehmen. Wie schon bei „Kultur“ gesehen, ist auch die Kategorie Geschlecht nicht einfach als eine Lernervariable konzipierbar. Das wird auch in neueren kritischen Arbeiten der Fremdsprachenforschung angemahnt: „Rather than seeing gender as an individual variable, we see it as a complex system of social relations and discursive practices, differentially constructed in local contexts“ (N ORTON / P AVLENKO 2004: 504). Das Geschlecht ist also eher zu verstehen im Sinne einer kulturell konstruierten (und beständig neu- und umkonstruierten) bedeutsamen Kategorie. Als bedeutungskonstituierende kulturelle Kategorie hat das Geschlecht in erster Linie Zuschreibungscharakter: Wir assoziieren bestimmte Vorstellungen mit Männlichkeit und Weiblichkeit und schreiben diese dann sowohl Lernenden als auch bestimmten Sprachlernweisen wie z. B. Strategieverwendungsmustern, zu (vgl. zu diesem Attributionsmechanismus des Gendering auch C AME - RON 2005, 2007, S CHMENK 2007). Diese Vorstellungen wiederum können unsere Selbstwie auch Fremdwahrnehmung maßgeblich beeinflussen. Doch wie solche Einflüsse konkret aussehen und wie sie sich im Einzelfall vielleicht auch beim Sprachenlernen und bei der Strategieverwendung niederschlagen, kann nur mit Hilfe sehr differenzierter empirischer Forschungsdesigns erkundet werden. Die pauschale Annahme, männliche und weibliche Lernende entsprächen in ihren Verhaltens- und Lernweisen bestimmten verbreiteten (kulturellen und sozialen) Stereotypen der Geschlechter, ist in jedem Fall zurückzuweisen als wenig hilfreich und bisweilen kontraproduktiv, wenn wir individuelle Unterschiede zwischen Lernenden und ihren Lernstrategieverwendungsmustern verstehen möchten. Ähnlich wie im Fall der Kultur kann man deshalb sagen, dass es zum Verständnis kultureller und sozialer Aspekte des Lernstrategiegebrauchs notwendig ist, keine essentialisierenden Vorstellungen von Geschlecht oder von Kultur zugrunde zu legen, sondern dass es nur mit sozialkonstruktivistischen Auffassungen von Kultur und Geschlecht möglich ist, Lernende als aktive Beteiligte und Schaffende (nicht nur Geprägte) sowohl am eigenen Lernen als auch am außerschulischen Leben zu sehen, ernst zu nehmen und zu verstehen. Das wiederum heißt: Kategorien wie Geschlecht, Kultur oder sonstige soziale Gruppenzugehörigkeiten wie Religionsgemeinschaften etc. sind nicht einfach als gegebene Größen zu akzeptieren und lassen sich nicht per se als „Einflussfaktoren“ konzipieren. Wenn man ihre Relevanz und ihre Bedeutung für individuell unterschiedliche Lerner und deren Lernstrategieverwendung erkunden möchte, muss man zunächst auf den bzw. die individuelle/ n Lerner/ in schauen. Erst dann kann man etwas erfahren über mögliche Einflüsse von Gruppenzugehörigkeiten und wie Einzelne jeweils damit umgehen, ob sie relevant sind und ggf., welche Rolle sie konkret in ihrem Strategieverwendungsprofil spielen. Abschließend sollen hier deshalb Fragen zur Erforschbarkeit bzw. Möglichkeiten und Alternativen der Erforschung von individuellen Unterschieden bei der Lernstrategieverwendung erörtert werden. 82 Barbara Schmenk 38 (2009) 4. Zur Erforschung und Erforschbarkeit individueller Unterschiede in der Verwendung von Lernstrategien Das Forschungsfeld „individuelle Unterschiede beim Lernstrategiegebrauch“ ist, so haben die Ausführungen in diesem Beitrag gezeigt, nach wie vor theoretisch und empirisch weitgehend unerschlossen. Zu diesem Schluss kommen auch jüngst T AKEUCHI [et al.] (2007), die einen Überblick über die internationale Forschung in diesem Bereich geben. Sie resümieren, dass „the individual and situational context in which a learner operates is complex. Learners bring to the learning situation their own individual set of characteristics which influence the outcomes. The aim of strategic classrooms is to foster the development of strategies which will help learners to manage the contextual complexities and achieve a successful outcome given their personal language learning goals. Research to determine how these successful outcomes might best be managed in the context of a wide range of individual and situational variables remains an ongoing challenge for the future“ (T AKEUCHI [et al.] 2007: 92). Für den Bereich der Erforschung von individuellen Unterschieden bei der Verwendung von Lernstrategien gilt somit nach wie vor das, was R IEMER (1997) schon vor über 10 Jahren generell für die Erforschung von individuellen Unterschieden beim Fremdsprachenlernen formuliert hat: Es verläuft individuell und nicht-linear, und es lässt sich nicht anhand von Gruppenmerkmalen vorhersagen oder kategorisieren. Die von ihr formulierte „Einzelgänger-Hypothese“ gilt auch für den Bereich der Erforschung von Lernstrategien: „[D]eutlich [wurde], daß in jedem Einzelfall ein singulärer Faktorenkomplex zu beobachten und zu beschreiben ist. Strukturiert wird der jeweilige Komplex durch individuelle subjektive Theorien der Lerner hinsichtlich der Effektivität spezifischer Variablen bzw. Verhaltensweisen. Diese Theorien fokussieren unterschiedliche Lernhaltungen [...] und reflektieren unterschiedliche fremdsprachenspezifische Erfahrungen, Ziele und Selbstevaluationen sowie affektive und soziale Voraussetzungen. Sie sind außerdem handlungsanleitend, indem sie unterschiedlich ausgeprägte aktive Lernhaltungen auslösen“ (R IEMER 1997: 228f [Hervorh. i. Orig.]). R IEMERS Mahnung, dass man in der Erforschung von individuellen Unterschieden nur dann weiterkommt, wenn man auch den Bereich der subjektiven Theorien mitberücksichtigt, dürfte ebenso für den Bereich der Lernstrategien gelten. Hier sind mittlerweile einige Studien durchgeführt worden, die zeigen, dass individuelle Sprachlernwege (und somit auch die Verwendung von Lernstrategien) immer auf subjektiven Deutungen, Wissen, Haltungen, Einstellungen und Erfahrungen basieren (z. B. B ARCELOS 2006, B ENSON / N UNAN 2005, G ROTJAHN 1998, 2005, K ALAJA 2006, K ALAJA / B ARCELOS 2006, K ALLENBACH 1996). Kategorien wie Kultur und Geschlecht spielen hier sicherlich eine Rolle (wenn man sie nicht per se und unbefragt als feste Größen konzipiert, deren Einfluss zu messen sein könnte). Wichtiger und den individuellen Lernenden angemessener scheint es allerdings, Kultur als eine Dimension zu sehen, die für Individuen und ihr Sprachenlernen in vieler Hinsicht relevant sein kann - sei es durch bestimmte dominierende Erziehungsmuster und Unterrichtsprinzipien oder besonders stark propagierte und geförderte Werte und Einstellungen bestimmter kultureller Gruppen. Welche Rolle Kultur Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 83 38 (2009) für individuelle Lernende und ihre Strategieverwendung jeweils spielt, wie sich Einzelne gegenüber ihrem kulturellen, biographischen, situativen Kontexten jeweils verhalten etc., kann jedoch nur im Einzelfall erkundet werden. Ähnliches gilt auch für die Kategorie Geschlecht, der man ebenso wenig einen unmittelbaren Einfluss auf die Strategieverwendungen unterstellen kann. Kulturelle Konstruktionen von Geschlecht, Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit spielen auch im (häufig feminisierten) Bereich des Lernens von Fremdsprachen eine Rolle (vgl. S CHMENK 2002a, 2007). Man kann jedoch nicht einfach pauschal davon ausgehen, dass diese Relevanz sich darin erschöpft, dass männliche Lerner anders lernen als weibliche. Das Verhältnis von individueller Selbstkonstruktion beim Lernen von Sprachen in unterrichtlichen Kontexten und außerhalb seitens Lernender dürfte in jedem einzelnen Fall sehr viel komplexer (und vielleicht auch grundlegend anders) sein als es pauschale Vorverallgemeinerungen erahnen lassen. Somit zeichnet sich an dieser Stelle eine Alternative zu den bislang dominierenden Forschungsparadigmen des Kulturvergleichs bzw. des Geschlechtervergleichs ab. Neuere Forschungsansätze, die sich konkreten Einzelfällen widmen und die große individuelle Unterschiede bei der Verwendung von Strategien aufzeigen (z. B. L IN 2008, S TORK 2003, W ÜRFFEL 2006), bestätigen die Annahme, dass die jeweils individuelle Wahl von Lernstrategien dann besser verstanden und auch hinsichtlich ihrer konkreten Relevanz und ihres Einflusses auf spezifische Lernerfolge bzw. -misserfolge begriffen werden kann, wenn man sich dem weiten Feld zuwendet, das durch Learner Beliefs, Learner Stories, Learner Cognition aufgespannt wird (vgl. etwa die Studien von G RIFFITHS 2003, L IN 2008, S TORK 2003, T AKA 2008, W ÜRFFEL 2006). Allerdings wurden dort bislang noch nicht die Rolle und die Bedeutungen von Kultur und Geschlecht bei der Strategieverwendung untersucht. Das wäre aber durchaus möglich, wenn man diese Dimensionen nicht pauschal als „Faktoren“ konzipiert, sondern wenn man die kulturelle und soziale Einbindung und Eingebundenheit von einzelnen Lernenden jeweils mitberücksichtigt und ihr eine potentielle Relevanz auch für die Verwendung von Lernstrategien zugesteht. So könnte man am Einzelfall erkunden, wie Strategieverwendungsmuster entstehen, wie und warum sie sich ändern können und in welchem Verhältnis sie zu den jeweiligen Erfahrungen von Lernenden innerhalb und außerhalb des Unterrichts stehen. Anders gesagt: Statt die Strategieverwendung als Ausdruck eines festen Persönlichkeitsmerkmals oder einer Gruppenzugehörigkeit zu deuten (im Sinne eines trait), scheint es angeraten, zunächst zu erkunden, welche Entscheidungsprozesse der Verwendung von Lernstrategien jeweils zugrunde liegen, inwiefern diese beeinflussbar und veränderbar sind, welchen Einfluss Unterrichtsmethoden, Lehrer-Lerner-Interaktionen, spezifische Aufgaben und Übungsformen auf die Herausbildung von Lernstrategiepräferenzen bei Einzelnen haben, etc. Solche (Fall-) Studien sind sehr aufwändig und erfordern eine systematische Langzeitforschung (vgl. auch C OHEN / M ACARO 2007, M ACARO 2006). Sie sind aber unverzichtbar, wenn man mehr verstehen möchte über individuelle Unterschiede und die Rolle von Kultur und/ oder Geschlecht beim Fremdsprachenlernen und bei der Strategieverwendung. Nicht zuletzt stellen sie wichtige Voraussetzungen dafür dar, dass man Strategien im Fremdsprachenunterricht gezielter fördern kann. Einzelfallstudien dieser Art sind zudem wichtige Voraussetzungen dafür, auch all- 84 Barbara Schmenk 38 (2009) gemeinere Aussagen über mögliche Zusammenhänge von individueller Lernstrategieverwendung, Kultur, auch Bildungskultur und Lerntraditionen etc. formulieren zu können. Dabei sollte es nicht mehr darum gehen, simplistische Annahmen über den Einfluss von (National-)Kultur auf die Verwendung von Lernstrategien zu verifizieren oder zu falsifizieren. Viel eher zeigt die Komplexität der Lernstrategieverwendung in jedem Einzelfall, dass man hier weit vorsichtiger fragen muss, wenn man vom Einzelfall abstrahieren und mögliche Verallgemeinerungen auch empirisch validieren möchte. Das heißt aber nicht, dass es nicht grundsätzlich möglich wäre, generalisierbare Aussagen zu machen. Forschungsvorhaben nach dem Muster „Das Lernstrategieprofil chinesischer Lerner...“ erheben uneinlösbare Ansprüche und führen nicht zu validen Ergebnissen (auch wenn sie den Anschein wecken, sie seien generalisiert). Aber Forschungsprojekte mit bescheidenerem (weil: realistischerem) Anspruch wären durchaus denkbar: Untersuchungen etwa bestimmter Klassenräume und dortiger Lernkulturen, betrachtet auch im Hinblick auf die Geschichte(n) der Mitglieder sowie die institutionellen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen, können durchaus Einblicke in Zusammenhänge von Kultur und Strategieverwendung erlauben, die möglicherweise wiederum auch für andere Lern- und Erfahrungsräume gelten. Doch Generalisierungen dieser Art sind zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativer Natur; ihre empirische Erkundung steht noch aus. 5. Ausblick: Individuelle Lernstrategieverwendung erkennen, Lernstrategieverwendung individuell fördern Die eingangs formulierte These, dass die beiden Aussagen (1. Lernende unterscheiden sich in ihrem jeweiligen Strategieverwendungsprofil und 2. Strategien lassen sich im Unterricht gezielt fördern) in einem latenten Widerspruch zueinander stehen, kann nun abschließend erläutert werden. Denn die deskriptive Aussage 1 wird dann schwer vereinbar mit 2, wenn man individuelle Unterschiede als Ausdruck einer bestimmten Kulturzugehörigkeit oder Geschlechterzugehörigkeit deutet. Gemäß solchen Überlegungen wäre Unterricht eine gegen die jeweilige Kultur oder das Geschlecht gerichtete Einwirkung; man würde Lernenden dieser Sicht nach schließlich Strategien vermitteln, die sie „kulturgemäß“ oder „geschlechtergemäß“ nicht oder nicht oft verwenden (können). Wer hingegen Interesse daran hat, Lernenden möglichst viele Lerntipps zu geben und ihr jeweiliges Strategienrepertoire zu erweitern; wer ihnen helfen möchte, über das eigene Sprachenlernen und die eigene Strategieverwendung nachzudenken (um zukünftig gezielter zu reflektierten, welche Strategien bei der Bearbeitung einer Aufgabe sinnvoll sein könnten), erhält wenig Hilfe von und durch Forschung, die nur den Ist-Zustand von Strategieverwendung erhebt und sich auf Pauschalaussagen beschränkt. Gefragt ist für unterrichtliche Zusammenhänge vielmehr eine Forschung, die zeigt, inwiefern man die individuelle Strategieverwendung von Lernenden beeinflussen kann. Das setzt voraus, dass man Strategien eben nicht als traits konzipiert, sondern sie als der Reflexion zugängliche, veränderbare und lernbare Techniken auffasst, die durch gezielten Einsatz mit bestimmten Zielvorstellungen verwendet werden können und so für den Einzelnen zu Kulturelle und soziale Aspekte von Lernstrategien und individuellem Strategiegebrauch 85 38 (2009) Lernstrategien werden. Für didaktisch und pädagogisch ausgerichtete Fragestellungen ist deshalb ebenfalls eine Forschung in der oben ausgewiesenen Richtung wichtig, weil sie sich solchen Veränderungen und den jeweiligen individuellen Hintergründen und Motiven von Lernenden widmet. Nur auf dieser Basis wird man auch individuelle, lernerorientierte unterrichtspraktische Hilfestellungen und Tipps formulieren können. 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All the more important, however, seems to be the availability of further training which gives teaching staff the opportunity to develop scenarios and materials for strategy instruction in their own teaching situation and then to try them out in practice. This article describes the development, the contents and the methodological procedure used in seminars of further training on this theme, which were carried out in various European countries together with teachers of German and Italian as foreign languages. Selected materials and outcomes are presented for illustration purposes. 1. Einleitung In den letzten dreißig Jahren hat sich die modellbildende und anwendungsbezogene Fremdsprachenforschung intensiv mit den Strategien befasst, die Fremdsprachenlerner einsetzen, um ihr Lernen zu planen, zu steuern und zu evaluieren bzw. um trotz begrenzter sprachlicher Ressourcen erfolgreich kommunikativ zu handeln (vgl. u.a. den aktuellen Sammelband von C OHEN / M ACARO 2007). Praktische Bedeutung hat diese Forschung vor allem durch ihre Einbettung in die Diskussion um die konkrete Ausgestaltung eines ‚autonomiefördernden‘ Fremdsprachenunterrichts erlangt. Eine bewusstmachende Strategievermittlung ist dabei als Kernkomponente eines solchen Unterrichts zu verstehen: Lerner werden dadurch selbständiger, d.h. autonomer, dass sie ihre Fähigkeit (weiter)entwickeln, die eigenen Lernwege zu erkennen, zu bewerten und effektiver zu gestalten. Mit Bemühungen, den Ansatz des task-based language-learning in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren (vgl. E LLIS 2003; B AUSCH / B URWITZ -M ELZER / K ÖNIGS / K RUMM 2006), gewinnt die Strategievermittlung noch zusätzlich an Relevanz; denn gerade komplexe und lebensnahe Lernaufgaben bieten vielfältige Gelegenheiten zur Verwendung verschiedener Strategien und zur anschließenden Reflexion über ihren Einsatz. 90 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) Zu der Frage, ob und wie die strategische Kompetenz von Lernen gefördert werden kann, liegen inzwischen auch zahlreiche empirische Studien aus dem Kontext ‚Fremdsprachenlernen‘ vor (vgl. die Überblicke von C HAMOT 2005 und von H ASSAN / M ACARO / M ASON / N YE / S MITH / V ANDERPLANK 2005). Den Studien liegen experimentelle oder nichtexperimentelle Datenerhebungsdesigns zugrunde; die Trainingseffekte wurden z.T. durch statistische Analysen, z.T. interpretativ evaluiert. Bei aller Vorläufigkeit der Ergebnisse scheint eine Strategievermittlung demnach unter folgenden Bedingungen am wirkungsvollsten zu sein: Strategien werden nicht in getrennten Programmen, sondern integriert in den Unterricht vermittelt und geübt. Erschließungsstrategien z.B. werden also dann gezielt trainiert, wenn geeignete Lese- oder Hörtexte ohnehin im Mittelpunkt des Fremdsprachenunterrichts stehen. Die Lerner werden umfassend über die Strategien informiert sowie über das Warum, Wann und Wie ihres Einsatzes (hoher Stellenwert bewusstmachender Verfahren). Die Lerner erhalten anhand geeigneter Aufgabenstellungen ausgiebig Gelegenheit, die verschiedenen Strategiealternativen praktisch anzuwenden und über dabei auftretende Probleme zu reflektieren. Es werden gezielt auch metakognitive Strategien einbezogen, damit die Lerner ihren Lernprozess (und auch die Erprobung neuer Strategien) besser steuern und evaluieren können. Darüber hinaus wird der Erfolg der Strategievermittlung von diversen Lernervariablen beeinflusst, wie z.B. von der Motivation der Lerner, ihrem soziokulturellen Hintergrund sowie ihren fremdsprachenspezifischen und allgemeinen Lernerfahrungen. In zahlreichen Forschungsarbeiten werden nicht zuletzt die Konsequenzen für die Lehrerrolle in einem lernerorientierten, autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht hervorgehoben (Stichwort: Lernhelfer statt reiner Wissensvermittler). Die Akzentuierung des ‚Lernens des Lernens‘ muss daher zum einen in Überlegungen für eine zeitgemäße Ausbildung von Fremdsprachenlehrern einfließen (zu Funktion und Formen einer solchen Integration vgl. u.a. K LEPPIN / T ÖNSHOFF 2000). Zum anderen müssen den bereits im Beruf stehenden Lehrkräften in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung verstärkt entsprechende Fortbildungsangebote gemacht werden. Diese Notwendigkeit resultiert nicht nur aus der Betonung des ‚Lernens des Lernens‘ in modernen Kompetenzbeschreibungen und (Kern)Curricula, sondern auch daraus, dass Fremdsprachenlehrer in einer wachsenden Zahl von Lehrwerken und Lernmaterialien auf Texte und Aufgaben zum bewussten Umgang mit Strategien stoßen. Nach meinen Erfahrungen ist das ‚Lernen des Lernens‘ für viele Lehrkräfte zwar kein völlig unbekanntes Konzept mehr und es lassen sich bei einer zunehmenden Zahl von Fortbildungsteilnehmern auch punktuelle Vorerfahrungen mit der Strategievermittlung feststellen. Allerdings wird immer wieder das dringende Bedürfnis artikuliert, über die vielfach sehr knapp gehaltenen Bemerkungen in Curriculumstexten und Lehrerhandbüchern hinaus Hinweise zu erhalten und Erfahrungen zu sammeln, wie eine bewusstmachende Strategievermittlung methodisch im Einzelnen durchgeführt und in den Unterricht integriert werden kann. Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 91 38 (2009) 2. Subjektive Theorien und Fortbildungsverfahren Die Bedeutung der subjektiven Theorien von Lehrern für deren Handeln im Unterricht wird in den letzten Jahren zunehmend betont (vgl. z.B. S CHEELE / G ROEBEN 1998; G ROT - JAHN 1998). Subjektive Unterrichtstheorien, die sich im Laufe der Ausbildung und der Berufspraxis verfestigen, gelten als hochgradig individuell, relativ stabil und dauerhaft. Sie beziehen sich u.a. auf den Lernprozess der Schüler, auf bestimmte Unterrichtssituationen und Lehrverfahren, und sie umfassen auch das Selbstbild des Lehrers, sein Rollenverständnis sowie Annahmen über das eigene Verhalten und seine Wirksamkeit. Da derartiges Überzeugungswissen das Lehrverhalten stark mitbestimmt, haben Innovationen im Fremdsprachenunterricht, z.B. die Konsequenzen, die sich aus dem Konzept der Lernerautonomie ergeben, letztlich nur dann eine Realisierungschance, wenn es gelingt, die subjektiven Unterrichtstheorien von Lehrern ein Stück weit aufzubrechen. Dementsprechend müssen Fortbildungsmaßnahmen Gelegenheit dazu geben, eigene Überzeugungen und Haltungen zu hinterfragen und das eigene Lehrverhalten kritisch zu reflektieren. Damit dies gelingen kann und um den Transfer des ‚Neuen‘ in die Unterrichtspraxis der Teilnehmer/ innen (im Folgenden „TN“) zu fördern, sind auf seminarmethodischer Ebene die Prinzipien des ‚reflektierten Erfahrungslernens‘ und der ‚Handlungsorientierung‘ von zentraler Bedeutung: Im Wechsel von Selbsterfahrung, theoriegestützter Reflexion, Planungsaktivitäten und eigenem Probehandeln erarbeiten sich die TN die relevanten Fortbildungsinhalte. Damit erhalten sie bereits während der Fortbildungsveranstaltungen die Möglichkeit, neues bzw. verändertes Lehrverhalten zu erproben und zu evaluieren. Im Folgenden möchte ich einen Fortbildungsverlauf zum Thema ‚Lernstrategien im Fremdsprachenunterricht‘ exemplarisch darstellen und mit Praxiserfahrungen sowie mit ausgewählten Materialien und Arbeitsergebnissen illustrieren. Dies geschieht auf der Basis einer großen Zahl eigener Fortbildungsseminare und Workshops zum Thema mit Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrkräften aus Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung in zahlreichen europäischen Ländern sowie mit (primär schulischen) Italienisch-Lehrkräften aus Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. 3. Komponenten des Veranstaltungskonzepts Das Veranstaltungskonzept umfasst 3 Hauptblöcke: 1. Erarbeitung begrifflicher und unterrichtsmethodischer Grundlagen 2. Analyseaufgaben für die TN 3. Produktions- und Simulationsaufgaben für die TN In Abhängigkeit von den konkreten Bedingungen (Adressaten, institutionelle Voraussetzungen, Dauer der Veranstaltung/ Veranstaltungsreihe etc.) waren die einzelnen Komponenten dabei jeweils unterschiedlich gewichtet. Es wurde jedoch immer darauf geachtet, 92 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) dass neben Information, Bewusstseinsbildung und Erfahrungsaustausch auch Raum für erfahrungs- und handlungsorientierte Verfahren blieb. 3.1 Erarbeitung begrifflicher und unterrichtsmethodischer Grundlagen 3.1.1 Sensibilisierung durch Selbsterfahrung Als Seminareinstieg eignen sich durch Vorgaben gesteuerte Selbsterfahrungsübungen zu Lernstrategien, wie man sie heute vereinzelt auch bereits in Lehrwerken findet, in besonderer Weise. Hier ein Beispiel aus dem Italienisch-Lehrwerk „Azzurro“ (F RATTER / T RONCARELLI 2007: 59): Als weiterer Anstoß für eine erste Reflexion über individuelle Lerngewohnheiten (und ihre Prägung auch durch Lehr- und Lerntraditionen) hat sich folgende ‚Gebrauchsanwei- Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 93 38 (2009) sung‘ zum strategischen Herangehen an fremdsprachliche Lesetexte bewährt, die auf eine Idee von Gerard W ESTHOFF zurückgeht: Lesen Sie den fremdsprachlichen Text Wort für Wort! Vermeiden Sie Raten! Lesen Sie sehr sorgfältig! Vermeiden Sie Fehler um jeden Preis! Wenn ein unbekanntes Wort auftaucht, greifen Sie sofort zum Wörterbuch! Nehmen Sie sich Zeit, die richtige Übersetzung zu finden! Sind Sie noch unsicher, nehmen Sie ein größeres Wörterbuch zur Hand! Haben Sie das Problem gelöst, lesen Sie weiter bis zum nächsten unbekannten Wort! Anknüpfend an das ‚Schmunzeln‘ vieler TN über entsprechende Präferenzen ihrer Lerner (aber auch über eigenes Lernverhalten in Vergangenheit und Gegenwart) lässt sich der Grundgedanke einer autonomiefördernden Strategievermittlung als ein wesentliches Lernziel dieser Veranstaltungsphase sichern: Jeder Lerner verfügt über ein Repertoire an Strategien, das er bei der Auseinandersetzung mit fremdsprachlichen Lern- und Kommunikationsaufgaben mehr oder weniger gewohnheitsmäßig einsetzt, das jedoch - in Bezug auf die jeweilige Lernerpersönlichkeit - in vielen Fällen nicht optimal ist. 3.1.2 Festlegung einer Arbeitsdefinition Ausgehend von Definitionsversuchen der TN zum allgemeinen Strategiebegriff, ggf. auch von Wörterbuch- oder Lexikoneinträgen, wird als Verständigungsgrundlage für den weiteren Veranstaltungsverlauf eine Arbeitsdefinition festgelegt. Als besonders nachvollziehbar für die TN haben sich praxisbezogene definitorische Zugriffe wie der von R AM - PILLON (2003: 340) erwiesen. Danach sind Strategien „Verfahren, die von den Lernenden absichtlich und planvoll angewandt werden, um fremdsprachliches Lernen vorzubereiten, zu steuern und zu kontrollieren“. Darüber hinaus bieten umfangreichere Merkmalsauflistungen wie z.B. diejenige von O XFORD (1990: 8 f) bereits Anknüpfungspunkte dafür, mit den TN über die unterrichtsmethodische Gestaltung der Strategievermittlung zu reflektieren, da sie als definitorische Elemente auf die Bewusstheit (zumindest Bewusstseinsfähigkeit) und auf die grundsätzliche Lern- und Lehrbarkeit von Strategien abheben. 3.1.3 Sammlung von Begründungszusammenhängen In Partner- oder Gruppenarbeit sammeln die TN Gründe, warum das Lernen des Lernens in ihrem Land/ ihrer Region auch für den Fremdsprachenunterricht immer wichtiger wird. Erfahrungsgemäß tauchen beim anschließenden Zusammentragen der Ergebnisse vor allem folgende Begründungszusammenhänge auf: Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft an die Lernkompetenz im Allgemeinen (in Ausbildung und Beruf) Weiter zunehmende Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen angesichts weltweiter Vernetzung 94 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) Notwendigkeit, auch Fremdsprachen selbständig zu lernen bzw. weiter- oder wiederzulernen (‚lebenslanges Lernen‘) Förderung von Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit (beim schulischen Lernen auch über Fächergrenzen hinweg) Lernerleichterung; Erhöhung der Lerneffektivität und -motivation Notwendigkeit, in gegebenen (z.B. beruflichen) Kommunikationssituationen trotz begrenzter Fremdsprachenkenntnisse erfolgreich sprachlich zu handeln Bessere Nutzung von Kontakten zu Sprechern der Zielsprache (u.a. im Rahmen von Auslandsaufenthalten) für den eigenen Lernprozess. Gerade in den letzten Jahren sehen viele Lehrkräfte die Beschäftigung mit Lerngewohnheiten und Strategien darüber hinaus auch als Teil eines intelligenteren und professionelleren Umgangs mit der Heterogenität ihrer Klassen. Offene binnendifferenzierende Lernarrangements schaffen einen Rahmen, in dem sich strategiegeleitetes Lernen im Unterricht auf verschiedenen Lernpfaden entfalten kann (vgl. T ÖNSHOFF 2004; 2005). Große Bedeutung schreiben die TN schließlich dem reflektierten Einsatz von Strategien beim unterrichtsbegleitenden Selbstlernen zu, ausgehend von ihrer Alltagserfahrung, dass schon immer ein guter Teil der ‚Lernarbeit‘ der Schüler außerhalb des Unterrichts stattgefunden hat, sei es in eher traditionellen Formen der häuslichen Eigenarbeit (z.B. mit Hilfe von Arbeitsbüchern als Lehrwerkkomponenten oder im Rahmen von Unterrichtsprojekten), sei es beim Lernen in multimedialen Lernumgebungen. Dabei wird der zentrale Stellenwert eines Repertoires an individuell effektiven Strategien dafür betont, das Potenzial optimal nutzen zu können, das die Verzahnung von Selbstlernen und Präsenzunterricht in sich birgt. 3.1.4 Vergleich von Strategieklassifikationen Als Phaseneinstieg werden von den TN bereits bekannte Strategien auf Pincards gesammelt (Einzelarbeit) und an einer Stellwand gemeinsam grob geordnet aufgehängt. Dabei stehen nach meinen Erfahrungen bei den meisten TN einzelne Strategien des fremdsprachlichen Lesens/ Hörens, des Vokabellernens sowie bestimmte Behaltensstrategien (Mnemotechniken) im Vordergrund. In (arbeitsgleicher) Gruppenarbeit werden anschließend ausgewählte Strategieklassifikationen verglichen. Bewährt hat sich hier die Beschränkung auf wenige, aber umfangreiche Einteilungen, wie z.B. die von E LLIS / S INCLAIR (1989b), von O XFORD (1990), von R AMPILLON (1995) oder von B IMMEL / R AMPILLON (2000). Bei der Diskussion in den Gruppen arbeiten die TN die Parallelen und die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassifikationen heraus, u.a. in Bezug auf folgende Kriterien: inwieweit die Klassifikationen Lernund/ oder Sprachverwendungsstrategien erfassen welche Gruppen von Strategien sie unterscheiden und welche Hierarchiebeziehungen bestehen Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 95 1 Die weitgehenden Parallelen zu dem methodischen Grundmuster, das - vor allem im nordamerikanischen 38 (2009) in welchem Umfang sie sich auf unterrichtliches oder außerunterrichtliches Lernerverhalten beziehen inwieweit sie Strategien lerninhaltsabhängig oder -unabhängig beschreiben, d.h. ob sie allgemeine Lernstrategien angeben oder ob sie spezifische fremdsprachenlernbezogene Strategien auflisten wie ausführlich die einzelnen Strategien charakterisiert und gegen andere abgegrenzt werden ob bzw. wie explizit sie einzelne Strategien den verschiedenen Fertigkeitsbereichen zuordnen. Die TN favorisieren nach meinen Erfahrungen eindeutig inhaltsabhängige Klassifikationen mit spezifisch auf das Fremdsprachenlernen zugeschnittenen Strategiebezeichnungen und Beschreibungen. Demgegenüber sehen sie lerninhaltsunabhängig formulierte Strategielisten wegen ihrer relativen Abstraktheit bzw. Allgemeinheit als weniger hilfreich an, auch wenn die fächerübergreifende Dimension der Förderung von Lernkompetenz durchaus gesehen wird. Angesichts der großen Zahl von Einzelstrategien in den Klassifikationen erhalten die TN in Kleingruppen abschließend die Aufgabe, vor dem Hintergrund ihrer Unterrichtserfahrungen Strategiebeispiele zu benennen, die Ihnen für ihre jeweiligen Lerner besonders wichtig erscheinen, und ihre Entscheidungen zu begründen. 3.1.5 Erarbeitung unterrichtsmethodischer Verfahren Erwartungsgemäß ist die unterrichtspraktische Umsetzung der Strategievermittlung für die TN von besonders großem Interesse, sowohl was ihre Phasengliederung und die Einbindung in die sonstigen Unterrichtsaktivitäten angeht, als auch in Bezug auf die methodischen Einzelverfahren. Auch wenn ein vom normalen Unterrichtskontext separierter Strategientrainingskurs prinzipiell denkbar ist und in bestimmten Fällen - zumindest unterrichtsorganisatorisch - als leichter umsetzbar erscheint, halten die weitaus meisten TN eine Integration für sinnvoller: Die Strategievermittlung findet dann statt, wenn es sich von den übrigen Lerninhalten her anbietet, sie lässt sich eng mit den jeweiligen Lern- und Arbeitsformen im Unterricht verzahnen (vor allem bei der Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten, aber auch bei der Wortschatz- und Grammatikarbeit). Die praktische Anwendbarkeit der Strategien kann so von den Lernern unmittelbar erfahren werden. Ausgehend von einem Austausch von - in der Regel zumindest bei einzelnen TN vorhandenen - Vorerfahrungen mit der Thematisierung des ,Lernens des Lernens‘ im Unterricht werden in Gruppenarbeit zunächst Vorschläge für eine Phasenstruktur der Strategievermittlung gesammelt. Bei der Ergebnisauswertung zeigt sich, dass die TN als in der Berufspraxis stehende Lehrkräfte häufig ihr Handlungswissen über Lehr- und Lernphasen erfolgreich auf den Strategievermittlungskontext transferieren und ohne weit reichende lenkende Hinweise eigenständig zu folgender Phaseneinteilung gelangen 1 : 96 Wolfgang Tönshoff Kontext beschriebenen - Strategietrainingsmodellen (vgl. u.a. H OSENFELD [et al.] 1981, O’M ALLEY / C HAMOT 1990, O XFORD 1990, C HAMOT / O’M ALLEY 1995, T ÖNSHOFF 1997, C OHEN 1998) zugrunde liegt, werden von den TN bei einem späteren Vergleich sehr positiv als Bestätigung ihrer vermittlungsmethodischen Kompetenz empfunden. 38 (2009) 1. Bewusstmachung vorhandener individueller Lerngewohnheiten und Strategien 2. Präsentation (alternativer) lernstrategischer Verhaltensweisen 3. Erprobung der thematisierten Strategien anhand von Übungsaufgaben im Unterricht und bei der häuslichen Eigenarbeit 4. Evaluation der Erprobungserfahrungen Anschließend werden - wiederum in Gruppenarbeit - Vorschläge für konkrete Lern- und Lehraktivitäten zusammengestellt, die in diesen Phasen jeweils zum Einsatz kommen können. Die wichtigsten der bei den Fortbildungsveranstaltungen wiederholt auftauchenden Nennungen der TN beziehen sich auf folgende methodische Einzelverfahren: Bewusstmachung vorhandener individueller Lerngewohnheiten und Strategien: Erfahrungsaustausch (in Gruppenarbeit und Plenum) Aufgabenbearbeitung mit anschließender Diskussion in Gruppen über die individuell eingesetzten Strategien von der Lehrkraft eingegebene oder mit den Lernern erarbeitete Fragebögen Partnerinterviews Präsentation (alternativer) lernstrategischer Verhaltensweisen: Erklärungen der Lehrkraft zu einzelnen Strategien und dazu, warum, wann und wie sie eingesetzt werden können (inklusive unterstützender Visualisierungen) Strategiedemonstration (Vormachen, Modellieren), soweit es sich um Strategien handelt, deren Einsatz von außen beobachtbar ist ‚Lautes Denken‘, also das Verbalisieren einzelner Planungs-, Durchführungs- und Kontrollschritte Reflexion über Strategien beim Gebrauch der Muttersprache (und beim Lernen und Gebrauch anderer Fremdsprachen) und über Übertragungsmöglichkeiten auf die aktuelle Fremdsprache Beschreibung, Erläuterung, Visualisierung und/ oder Demonstration von Strategien durch Mitlerner Erprobung der thematisierten Strategien anhand von Übungsaufgaben im Unterricht und bei der häuslichen Eigenarbeit: gezielte, d.h. den Einsatz ganz bestimmter Strategien erfordernde Übungsaktivitäten (auch binnendifferenzierend, z.B. im Rahmen von Lernarrangements wie dem Stationenlernen) wiederholtes (zyklisches) Üben einzelner Strategien bzw. Strategiengruppen (ggf. mit abnehmender Übungsintensität) ‚Auslösen‘ des Einsatzes bestimmter Strategien durch bewusstmachende Kurzhinweise Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 97 38 (2009) Evaluation der Erprobungserfahrungen: Selbstbeobachtung der Lerner und Erfahrungsaustausch unmittelbar nach Aufgabenbearbeitung im Unterricht regelmäßiger Erfahrungsaustausch über Ergebnisse der Selbstbeobachtung auch bei der individuellen Lernarbeit zu Hause ‚Protokollbögen‘ (z.B. in tabellarischer Form), in denen die Lerner ihre persönlichen Erprobungserfahrungen über einen längeren Zeitraum stichwortartig festhalten können Lerntagebücher Nach meinen Erfahrungen hat es sich als wichtig herausgestellt, die Lehrkräfte dafür zu sensibilisieren, dass die Auswahl der einzelnen methodischen Verfahren und die verwendete Terminologie für den Metalerndiskurs den jeweiligen Lernern (Alter, Bildungsgrad, (Fremdsprachen-)Lernerfahrungen etc.) angepasst werden sollten. Als altersgemäßes Positivbeispiel können etwa die Terminologie und die Strategiebeschreibungen im Lehrwerk „Sowieso“ (F UNK [et al.] 1994: 82) gelten, das sich an Jugendliche ab ca. 12 Jahren richtet: In Fortbildungsveranstaltungen wird außerdem immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Strategievermittlung in der Mutter- oder in der Fremdsprache stattfinden soll. Zu 98 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) Recht wird dabei von Teilnehmerseite angemerkt, dass eine Festlegung auf die Fremdsprache eine weit reichende Vorentscheidung impliziert. Denn erst Lerner auf einem vergleichsweise fortgeschrittenen Lernniveau dürften in der Lage sein, die relevante Metasprache zu verstehen und ihrerseits am Unterrichtsgespräch teilzunehmen. Andererseits halten viele TN eine Reflexion über das Lernen des Lernens jedoch auf der Grundstufe für besonders nützlich, was den Rückgriff auf die Muttersprache notwendig macht. Darüber hinaus werden für die Strategievermittlung in der Muttersprache die gleichen Argumente angeführt, die auch für andere unterrichtliche Kognitivierungshandlungen (z.B. im Kontext ‚Grammatikarbeit‘) gelten: größere Verständlichkeit, stärkere Beteiligung der Lerner, keine zusätzliche Benachteiligung schwächerer Lerner etc. Im Zusammenhang mit dem ‚Wie‘ der Strategievermittlung geht es in Fortbildungsveranstaltungen schließlich darum, vorschnelle Schlussfolgerungen in Richtung auf ein präskriptiv orientiertes Strategievermittlungskonzept zu vermeiden. Angesichts der von zahlreichen Persönlichkeitsvariablen beeinflussten Individualität von Fremdsprachenlernprozessen sowie deutlicher Hinweise auf den Einfluss von Lernervariablen auch auf die Wirksamkeit von Strategievermittlungsbemühungen ist die universelle Gültigkeit ‚guter‘ Strategien begründet in Frage zu stellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine bestimmte Strategie für verschiedene Lerner unterschiedlich geeignet bzw. effektiv ist. Deshalb sollte die Strategievermittlung den Charakter eines ‚Auswahlangebots‘ an die Lerner tragen. Ziel ist es, jedem Lerner zu helfen, aus dem präsentierten Spektrum an verschiedenartigen Strategien bzw. alternativen Strategievarianten die zum individuellen Lerntyp und zur jeweiligen Aufgabe passenden Strategien bewusst auszuwählen, praktisch zu erproben und selbst zu evaluieren, um so schrittweise sein Strategienrepertoire erweitern und modifizieren zu können. 3.2 Analyseaufgaben für die Teilnehmer 3.2.1 Vergleich fremdsprachlicher Curricula und Kompetenzbeschreibungen Die TN beschäftigen sich in Gruppenarbeit mit einschlägigen Auszügen aus neueren Kompetenzbeschreibungen und Curriculumstexten (Bildungsstandards, Bildungspläne, Lehrpläne und ggf. zugehörige methodische Handreichungen), die für ihre jeweiligen Unterrichtskontexte Gültigkeit besitzen, sowie mit ausgewählten curricularen Neuentwicklungen aus anderen Ländern und/ oder Bildungsinstitutionen. Bei der vergleichenden Analyse stehen als Fragen im Vordergrund, welchen Stellenwert diese Texte den Strategien für das unterrichtliche und außerunterrichtliche Fremdsprachenlernen zuschreiben inwieweit auch die fächerübergreifende Bedeutung der Beschäftigung mit Strategien und die Förderung der Selbständigkeit als generelles Bildungsziel thematisiert werden ob auch auf die sich wandelnden Lerner- und Lehrerrollen in einem lernerorientierten und autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht eingegangen wird welche Strategien(bereiche) benannt und wie ausführlich sie erläutert werden Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 99 38 (2009) inwieweit darüber hinaus Hinweise gegeben werden, wie die Lehrkräfte das Lernen des Lernens in den Unterricht integrieren können, d.h. mit welchen methodischen Verfahren und in welchen Schritten sie vorgehen können. Insbesondere der letzte Punkt wird von den TN immer wieder als entscheidendes Qualitätsmerkmal eines Curriculumstextes herausgearbeitet. Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit verwiesen, traditionelle Lernziele im Fremdsprachenunterricht neu zu gewichten und damit Raum zu schaffen für eine autonomiefördernde Strategievermittlung. Denn wenn Curricula es bei Auflistungen von Strategien und allgemeinen Vermittlungsaufforderungen belassen und ansonsten unveränderte Lernzielkataloge rein additiv erweitern, dann besteht die Gefahr, dass bei konstanter Unterrichtszeit und unter dem vielfach beklagten Stoffdruck vergleichsweise neue und eben nicht durch vermittlungsmethodische Hilfestellungen ‚handhabbar‘ gemachte Lernziele vernachlässigt werden. So klagen z.B. derzeit Italienisch-Lehrkräfte vielfach darüber, dass dem Thema ‚Methodenerwerb‘ in neueren Bildungsplänen und Kerncurricula zwar eine hoher Stellenwert zukommt, dass in diesen z.T. sehr reduzierten Texten jedoch kaum Hinweise zur methodischen Umsetzung gegeben werden. Von Seiten der TN wird außerdem regelmäßig betont, wie sinnvoll und notwendig eine fächerübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit bei der Unterrichtsplanung und -durchführung ist, weil es eine Vielzahl von Strategien gibt, die auch für andere Fächer relevant sind (nicht zuletzt für den Muttersprachenunterricht). 3.2.2 Analyse von Lehrmaterialien und Lehrwerken Zunächst befassen sich die TN in arbeitsteiliger Gruppen- oder Partnerarbeit mit den in großer Zahl erschienenen ‚Ratgebern‘ zum Fremdsprachenlernen und mit Übungsbüchern, die für das individuelle Selbstlernen oder auch für den unterrichtlichen Einsatz gedacht sind (vgl. u.a. K NAPP 1988; E LLIS / S INCLAIR 1989 a/ b, R UG / N EUMANN / T OMASZEWSKI 1992, H ÄUBLEIN [et al.] 1996, R AMPILLON 1995, 2000a/ b; K LEINSCHROTH 2005, K RAIS 2008). Die Aufgabe besteht darin, den jeweiligen Titel den anderen TN kurz vorzustellen (Adressaten, Aufbau/ Konzeption, inhaltliche Schwerpunkte etc.) sowie ein für die eigene Lernergruppe besonders geeignet erscheinendes Textbzw. Übungsbeispiel auszuwählen, zu präsentieren und ggf. Modifikations- oder Erweiterungsvorschläge für den Einsatz im Unterricht zu machen. Dabei zeigt sich immer wieder, wie kreativ viele TN Materialien, die für andere Fremdsprachen und/ oder Adressatengruppen gedacht sind, an ihre eigenen Bedingungen anpassen können. Im Weiteren werden - wiederum arbeitsteilig in Gruppen - neuere und neueste kurstragende Lehrwerke unter gemeinsam mit den TN gesammelten Leitfragen analysiert, so u.a.: Inwieweit ist die Auseinandersetzung mit Strategien in die Konzeption des Lehrwerks integriert oder erkennbar ‚aufgesetzt‘, z.B. in Form einzelner unsystematisch eingestreuter Lerntipps? Welche Lehrwerkkomponenten sind involviert? Ist z.B. eine ‚Aufgabenteilung‘ zwischen Kursbuch und Arbeitsbuch erkennbar? 100 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) Welche (Gruppen von) Strategien werden im Lehrwerk überhaupt thematisiert? Gibt das Inhaltsverzeichnis einen orientierenden Überblick über Lernziele beim ‚Lernen des Lernens‘? Ist ein zyklisches Vorgehen erkennbar? Werden bestimmte Strategien zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen und vertieft behandelt? Wie werden einzelne Strategien benannt und beschrieben? Inwieweit werden dabei die Voraussetzungen der Lerner (z.B. ihr Alter) berücksichtigt? Werden - u.a. im Rahmen fertigkeitsbezogener Übungen - hinreichend Anlässe zur Strategieerprobung geboten? Gibt es auch bei Lerntipps Anschlussaufgaben zur Erprobung? Gibt es Übungen/ Texte zur Bewusstmachung von Vorkenntnissen und eigenen Lernzielen? Gibt es Aufgaben zur Selbstevaluation? Gibt es im Lehrerhandbuch hinreichend ausführliche vermittlungsmethodische Hinweise und Hilfestellungen? Auch bei der Untersuchung von Lehrwerken wird es von Seiten der TN sehr begrüßt, wenn bei der Ergebnisauswertung von den einzelnen Gruppen zusätzlich ausgewählte Materialbeispiele präsentiert werden (auf OHP-Folie kopiert oder von Hand visualisiert), die sich für den spezifischen Unterrichtskontext eignen oder besonders adaptionsfähig sind. Hier eine von Italienisch-Lehrkräften häufig präsentierte Aufgabe zur Strategieerprobung aus dem Lehrwerk „In piazza“ für die gymnasiale Oberstufe (S CHMIEL / S TÖCKLE 2003: 138), bei der es um die Paraphrase als produktive Kommunikationsstrategie zur Kompensation von Wortschatzlücken geht: Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 101 38 (2009) Workshop: Gruppenarbeit (4-5 TN) Bitte entwerfen Sie gemeinsam Arbeitsblätter zu Lernstrategien, die Ihnen für Ihre Schülergruppen besonders wichtig erscheinen. Ein solches Arbeitsblatt kann z.B. Aufgaben enthalten bei denen die Schüler sich ihrer bisher eingesetzten Strategien bewusst werden, sie sammeln und vergleichen; bei denen die Schüler (neue) Strategien kennen lernen; bei denen die Schüler diese Strategien erproben und üben. Für Ihre Arbeitsblätter können Sie sich gern Anregungen in den ausliegenden Lehrwerken, ‚Ratgebern‘ und Übungsbüchern holen. Bitte halten Sie Ihre Entwürfe jeweils auf einer OHP-Folie oder auf einem Plakat fest. 3.3 Produktions- und Simulationsaufgaben für die Teilnehmer 3.3.1 Erstellung von Aufgaben und weiteren Unterrichtsmaterialien Nach der Lehrmaterialanalyse und -evaluation erstellen die TN entsprechend individueller Interessenschwerpunkte nun selbst Materialien für die Strategievermittlung im Unterricht. Hierzu der folgende - bewusst offen formulierte - Arbeitsauftrag: Nach meinen Erfahrungen sind dabei für viele TN nicht zuletzt solche Aufgaben von Bedeutung, die zum Transfer von Strategien aus vorangehenden oder parallel gelernten anderen Fremdsprachen ermutigen. Dies gilt sowohl für den fremdsprachlichen Deutschunterricht (Deutsch in der Regel als 2. Fremdsprache) als auch für den Italienischunterricht in Deutschland (Italienisch meist als 3. Fremdsprache). Besonders lohnend und hilfreich für die eigene Unterrichtspraxis erscheint es außerdem vielen Lehrkräften, wenn sie lehrwerkbezogene Arbeitsblätter entwickeln, also z.B. in Lehrwerklektionen isoliert eingestreute Lerntipps methodisch einbetten, indem sie passende Anschlussaufgaben zur Strategieerprobung konzipieren. Als weitere Arbeitsaufträge zur Materialentwicklung haben sich in Fortbildungsseminaren u.a. bewährt: Entwurf eines Lernerfragebogens oder eines Interviewleitfadens zur gegenseitigen Erkundung der Lerngewohnheiten Adaption von Aufgaben aus Lernmaterialien oder Lehrwerken im Hinblick auf die spezifischen Bedürfnisse und Möglichkeiten der eigenen Lernergruppe Erstellen von Hinweisen zu einzelnen Strategien/ Strategiegruppen (z.B. Informationstexte, Strategiebeschreibungen) oder von ‚Merkblättern‘ zum selbständigen Lernen Visualisierung ausgewählter Lerntipps Entwicklung von Selbstevaluationsaufgaben Als Beispiel für ein Arbeitsergebnis sei hier ein Lernerfragebogen dokumentiert, der aus einer Fortbildung mit polnischen Deutschlehrkräften in der Erwachsenenbildung stammt: 102 Wolfgang Tönshoff 38 (2009) Meine persönlichen Sprachlernerfahrungen Name: ............................................................................ Welche Fremdsprachen habe ich bisher gelernt? Wie eng bin ich mit den Sprachen in Berührung gekommen? Warum habe ich Deutsch gelernt? Wo habe ich Deutsch gelernt? Welche Gelegenheiten zum Lernen konnte ich nutzen? Wie viel Zeit hatte ich zum Lernen? Wer hat mir beim Lernen geholfen? Wie habe ich Deutsch gelernt? Welche Lernverfahren/ Strategien habe ich eingesetzt (z.B. beim Lesen/ Hören deutscher Texte, beim Grammatik- und Wortschatzlernen)? Auf welche Hilfsmittel konnte ich zurückgreifen? Was ist mir beim Deutschlernen leicht gefallen, was schwer? Was hat mir beim Lernen Spaß gemacht, was nicht? Wie gut sind heute meine Deutschkenntnissen (mündlich, schriftlich)? Wofür genau verwende ich mein Deutsch im beruflichen und persönlichen Umfeld? Selbständig Grammatik lernen und üben Legen Sie sich eigene Lernkarten an. Bringen Sie ausgewählte Grammatikphänomene in Ihrer ganz eigenen Darstellungsweise auf Karten und ‚organisieren‘ Sie sie dabei neu. Arbeiten Sie ausgiebig mit optischen Elementen (Unterstreichungen, Farben, Kästchen, Punkte, Umrahmungen etc.). Arbeiten Sie mit prägnanten Mustern: Erfinden Sie zu grammatischen Phänomenen einprägsame Beispielsätze und lernen Sie diese auswendig. Die prägnanten Muster sollten Sie regelmäßig mündlich wiederholen, bis sie ‚Ohrwürmer‘ werden. Beispiele, die Sie selbst erfunden haben und die intelligent, lustig oder komisch formuliert sind, eignen sich besonders gut. Sie können auch Phrasen oder Strukturen aus authentischem Material auswählen (z.B. durch Mitnotieren etwa beim Lesen). Praktizieren Sie das ‚Lernen im Vorübergehen‘: Bringen Sie Schaubilder, Tabellen, Mustersätze, Merksätze, Eselsbrücken, Fehlerkorrekturen etc. dort in Ihrer Wohnung an, wo Sie sich regelmäßig aufhalten oder vorbeikommen: über dem Schreibtisch, um den Spiegel herum, an der Innenwand von Schranktüren, auf dem WC, an der Pinnwand, in Sichtweite des Frühstückstischs, entlang Trampelpfaden in der Wohnung etc. Verwenden Sie für die Darstellung großformatige Buchstaben oder Schrift (so ist das Lesen auf Distanz möglich). Schauen Sie Ihr ‚Material‘ täglich ein- oder zweimal an. Verändern Sie täglich etwas, indem Sie etwas austauschen oder anders anordnen! Wenn Sie mit grammatischen Übungsbüchern arbeiten: Schreiben Sie die Lösungen nicht in die Übungen selbst (etwa in vorhandene Lücken); dann können Sie nur einmal mit dem Material arbeiten. Schreiben Sie Ihre Lösungen vielmehr auf den Seitenrand, den Sie dann bei einem erneuten Durchgang abdecken können. Bilden Sie mit anderen Lernern zusammen einen ‚Grammatik-Club‘, in dem Sie (nicht nur) grammatische Probleme gemeinsam besprechen können. Auch für den Grammatikerwerb ist wichtig: So viel wie möglich in der Fremdsprache lesen und hören. Nutzen Sie die verfügbaren Medien! Als weiteres Beispiel ein ‚Merkblatt‘ zum selbständigen Grammatiklernen aus einem Workshop mit hessischen Italienisch-Lehrkräften, bei dem die TN Ratgeberliteratur zum ‚Lernen des Lernens‘ gesichtet und für die eigenen Lerngruppen Geeignetes adaptiert haben: Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 103 38 (2009) Bitte planen Sie in Kleingruppen eine Unterrichtseinheit (ca. 2 x 45 Minuten), bei der Sie das ‚Lernen des Lernens‘ in Ihren Unterricht integrieren. Erstellen Sie hierzu bitte eine tabellarische Planung der einzelnen Unterrichtsphasen, z.B. mit folgenden Spalten: 1. (Ungefähre) Dauer der Phase 2. (Haupt)Lernziele der Phase 3. Lehreraktivitäten 4. Lerneraktivitäten 5. Materialien/ Medien 6. Sozialform 7. Bemerkungen Die Workshops zur Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien zum ‚Lernen des Lernens‘ liefern Produkte, die nach Ende der Fortbildungsveranstaltung noch weiter bearbeitet und in vorhandene Fortbildungsnetzwerke ‚eingespeist‘ werden können (z.B. über die Homepages von Fremdsprachenlehrerverbänden oder über Rundmails); denn sie sind auch für andere Lehrkräfte in hohem Maße potenziell praxisrelevant. In Einzelfällen (z.B. mit Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache in Makedonien) ist es zudem gelungen, durch entsprechende Veranstaltungen die Bildung von Fortbildungsnetzwerken zu initiieren. 3.3.2 Erarbeitung von Unterrichtsplanungen In einem weiteren Anwendungsschritt erarbeiten die TN Strukturplanungen für Unterrichtseinheiten, in denen - im Sinne eines integrierten Strategientrainings - bei der Arbeit im konkreten Lernbereich (z.B. Fertigkeitsschulung, Grammatik- oder Wortschatzarbeit) auch Strategien bewusstmachend behandelt und angewendet werden. Als Bezugs- und Orientierungspunkt dient dabei die zuvor erarbeitete Phaseneinteilung von Strategievermittlungssequenzen mit den jeweiligen methodischen Einzelverfahren (vgl. 3.1.5). In einem phasenbezogenen Raster werden die Planungen anschließend stichwortartig festgehalten. Hierbei können zuvor selbst erarbeitete oder aus Lehrmaterialien adaptierte Strategiebeschreibungen und Aufgabenbeispiele unmittelbar eingebunden werden. Die einzelnen Gruppen präsentieren ihre Ergebnisse und thematisieren konkrete Planungsprobleme. 3.3.3 Unterrichtssimulation (micro-teaching) Nach dem Prinzip des thematisch und/ oder methodisch fokussierten micro-teachings erhalten die TN Gelegenheit zum beruflichen Probehandeln in (komplexitätsreduzierten) Unterrichtsituationen mit anschließender Reflexion. Die TN-Gruppen wählen aus ihrer Strukturplanung jeweils eine oder mehrere Phasen der Strategievermittlung aus (insgesamt ca. 10-15 Minuten), die sie simulieren wollen. Die Rollen (Lehrer, Lerner) werden verteilt und die benötigten Materialien zusammengestellt. 104 Wolfgang Tönshoff 2 In einigen Fortbildungsveranstaltungen haben die TN - nach anfänglicher Scheu - auch sehr positive Erfahrungen mit dem Einsatz von Videoaufnahmen als Feedback-Instrument sammeln können. 38 (2009) Jede Gruppe macht noch einmal Angaben zur Einbindung der zu spielenden Phase(n) im von ihr geplanten Gesamtablauf der Unterrichtseinheit und führt die Simulation durch. Dabei ist darauf zu achten, dass die Simulationsteilnehmer während der Simulation in jedem Fall in ihrer Rolle bleiben und die übrigen TN sich als Beobachter nach Möglichkeit jedweden (auch nonverbalen) Kommentars enthalten. Bei der Evaluation der einzelnen Simulationen tauschen sich zunächst nur die Simulationsteilnehmer selbst über ihre Präsentation aus (Übereinstimmung mit der Planung, Gründe für Abweichungen, Anforderungen an das Rollenverhalten, Empfindungen während der Simulation etc.) 2 . Anschließend wird die Evaluation für die übrigen TN freigegeben und das simulierte Unterrichtsgeschehen unter Beachtung folgender Regeln für die Reihenfolge verschiedener Arten von feedback ausgewertet: 1. Beschreibung des beobachteten Geschehens (ohne positive oder negative Wertung) 2. Interpretation (z.B. mögliche Gründe für das beobachtete Verhalten, zugrundeliegende unterrichtsmethodische Überlegungen) 3. Bewertung des Beobachteten (zuerst positive, dann negative Punkte). Die Erarbeitung von Materialien und Unterrichtsplanungen sowie vor allem die Simulation im Rollenspiel werden - als in hohem Maße handlungsorientierte Fortbildungsverfahren - von den TN naturgemäß als sehr herausfordernd und persönlich anspruchsvoll erlebt. Veranstaltungsauswertungen zeigen jedoch immer wieder, dass diesem learning by doing - eine kollegiale Seminaratmosphäre vorausgesetzt - von den TN eine nachhaltige Wirkung zugeschrieben wird und dass die Transfermöglichkeiten auf den eigenen Unterricht als besonders hoch eingeschätzt werden. Literatur B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B IMMEL , Peter / R AMPILLON , Ute (2000): Lernerautonomie und Lernstrategien. Berlin / München: Langenscheidt. C HAMOT , Anna Uhl (2005): „Language Learning Strategy Instruction: Current Issues and Research“. In: Annual Review of Applied Linguistics 25, 112-130. C HAMOT , Anna Uhl / O’M ALLEY , J. Michael (1995): The CALLA Handbook. Implementing the Cognitive Academic Language Learning Approach. Reading Mass.: Addison-Wesley. C OHEN , Andrew D. (1998): Strategies in Learning and Using a Second Language. London: Longman. C OHEN , Andrew D. / M ACARO , Ernesto (Hrsg.) (2007): Language Learning Strategies: Thirty Years of Research and Practice. Oxford: Oxford University Press. E LLIS , Rod (2003): Task-Based Language Learning and Teaching. Oxford: Oxford University Press. Fortbildungsgegenstand „Strategien im Fremdsprachenunterricht“ ... 105 38 (2009) E LLIS , Gail / S INCLAIR , Barbara (1989a): Learning to Learn English. A Course in Learner Training. Learner’s Book. Cambridge: Cambridge University Press. E LLIS , Gail / S INCLAIR , Barbara (1989b): Learning to Learn English. A Course in Learner Training. Teacher’s Book. Cambridge: Cambridge University Press. F RATTER , Ivana / T RONCARELLI , Claudia (2007): Azzurro. Italienisch Intensivkurs mit Audio-CD. Stuttgart: Klett. F UNK , Hermann [et al.] (1994): Sowieso. Deutsch als Fremdsprache für Jugendliche. Arbeitsbuch 1. Berlin / München: Langenscheidt. G ROTJAHN , Rüdiger (1998): „Subjektive Theorien in der Fremdsprachenforschung: Methodologische Grundlagen und Perspektiven“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 27, 33-59. H ÄUBLEIN , Gernot [et al.] (1996): MEMO. Wortschatz- und Fertigkeitstraining zum Zertifikat Deutsch als Fremdsprache. Lehr- und Übungsbuch. Berlin/ München: Langenscheidt. H ASSAN , Xavière / M ACARO , Ernesto / M ASON , Deborah / N YE , Gail / S MITH , Pete / V ANDERPLANK , Robert (2005): „Strategy Training in Language Learning - A Systematic Review of Available Research“. In: Research Evidence in Education Library. London: EPPI-Centre, Social Science Research Unit, Institute of Education, University of London. http: / / eppi.ioe.ac.uk/ cms/ LinkClick.aspx? fileticket=F%2fOwckdUekA%3d&tabid=296&mid=1147 &language=en-US H OSENFELD , Carol [et al.] (1981): „Second Language Reading: A Curricular Sequence for Teaching Reading Strategies“. In: Foreign Language Annals 14, 415-422. K LEINSCHROTH , Robert (2005): Sprachen lernen. Der Schlüssel zur richtigen Technik. Reinbek: Rowohlt. K LEPPIN , Karin / T ÖNSHOFF , Wolfgang (2000): „Autonomiefördernde Strategievermittlung als Gegenstand und Verfahren in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern“. In: H ELBIG , Beate / K LEPPIN , Karin / K ÖNIGS , Frank G. (Hrsg.): Sprachlehrforschung im Wandel. Beiträge zur Erforschung des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen. Festschrift für Karl-Richard Bausch zum 60. Geburtstag. Tübingen: Stauffenburg, 113-127. K NAPP , Alfred (1988): Fremdsprachenwachstum. Fremdsprachen-Selbstlerntechniken. Wien: Verband Wiener Volksbildung. K RAIS , Arnulf (2008): Fremdsprachentraining. Wege zum Erfolg. Renningen: Expert. O’M ALLEY , J. Michael / C HAMOT , Anna Uhl (1990): Learning Strategies in Second Language Acquisition. Cambridge: Cambridge University Press. O XFORD , Rebecca L. (1990): Language Learning Strategies. What Every Teacher Should Know. Boston: Heinle. R AMPILLON , Ute (1995): Lernen leichter machen. Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. R AMPILLON , Ute (2000a).: Aufgabentypologie zum autonomen Lernen. Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. R AMPILLON , Ute (2000b): Englisch lernen - aber clever! Lerntechniken zum selbständigen Lernen. Stuttgart: Manz. R AMPILLON , Ute (2003): „Lerntechniken“. In: B AUSCH , K.-Richard / C HRIST , Herbert / K RUMM , Hans- Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke, 340-344. R UG , Wolfgang / N EUMANN , Thomas, T OMASZEWSKI , Andreas (1992): 50 praktische Tips zum Deutschlernen. Stuttgart: Klett. 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T ÖNSHOFF , Wolfgang (2005): „Binnendifferenzierung im lernerorientierten Fremdsprachenunterricht (II)“. In: Deutsch als Fremdsprache 42, 13-17. * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Karen S CHRAMM , Universität Leipzig, Herder-Institut, Deutsch als Fremdsprache mit Schwerpunkt Didaktik/ Methodik, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-mail: karen.schramm@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Sprachlernstrategien, zweitsprachliches Lesen, Unterrichtsdiskursanalyse. 38 (2009) K AREN S CHRAMM * S pr a c hle rn s tr a t e gie pla k a t e Abstract. This paper explores the recommendation to use strategy posters for presenting new language learning strategies within a sequence of self-controlled strategy instruction. On the basis of six examples, it discusses criteria for strategy posters that allow to enhance the often incomplete oral explanations and modellings of language learning strategies provided by either learners or teachers. It also outlines recommendations on how to use strategy posters at the university level in language and teacher education. 1. Einleitung Aufgrund der inzwischen über dreißigjährigen Tradition der Sprachlernstrategieforschung (vgl. C OHEN / M ACARO 2007), die ihre Ausgangspunkte bei S ELINKER s Interlanguage- Hypothese (1972), R UBIN s (1975) Konzept „guter“ Sprachlernender und W ONG -F ILL - MORE s (1976) Dissertation zu sozialen und kognitiven Strategien beim kindlichen Zweitspracherwerb nahm, sind Sprachlernstrategien heute in den meisten fremdsprachlichen Curricula und Lehrbüchern sowie auch in den verschiedenen Versionen des Europäischen Sprachenportfolios fest verankert. Dennoch habe ich in der Lehrerbildung den Eindruck gewonnen, dass bei Fremdsprachenlehrenden Unsicherheiten bezüglich der konkreten Umsetzung entsprechender didaktischer Konzepte bestehen (vgl. auch T ÖNSHOFF in diesem Band). Aus diesem Grunde möchte ich im Folgenden in einem praxisorientierten Beitrag das Erklären und Modellieren von Sprachlernstrategien thematisieren und an verschiedenen Beispielen illustrieren. Wie in Abschnitt 2 ausgeführt wird, handelt es sich beim Erklären und Modellieren um einen Schritt aus einer umfassenden didaktischen Sequenz zum selbstkontrollierten Strategietraining. In Abschnitt 3 erläutere ich an Beispielen von Strategieplakaten, die von angehenden Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrenden erstellt wurden, Kriterien für gelungene Strategiepräsentationen. In Abschnitt 4 gehe ich anschließend der Frage nach, wie solche Strategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule und in der Lehrerbildung eingesetzt werden können. 2. Didaktische Sequenzen zur Strategievermittlung In der Fachdiskussion hat sich bereits seit vielen Jahren ein weitestgehender Konsens bezüglich der Vermittlung von Sprachlernstrategien dahingehend herausgebildet, dass das 108 Karen Schramm 1 CALLA = Cognitive Academic Language Learning Approach. 38 (2009) in den regulären Sprachunterricht integrierte Strategietraining einer isolierten Vermittlung vorzuziehen und dass eine selbstkontrollierte Strategieinstruktion im Vergleich zu einem blinden oder informierten Strategietraining effektiver ist (vgl. C HAMOT 2008; T ÖNSHOFF 1997; S CHRAMM 2008). So stehen auch seit über zehn Jahren entsprechende didaktische Sequenzierungsmodelle für selbstkontrolliertes Strategietraining zur Verfügung, die in der Regel mindestens die folgenden vier Schritte vorsehen: (1) Erhöhung der Bewusstheit bezüglich der bereits eingesetzten Strategien, (2) Erklärung und Modellierung von Sprachlernstrategien, (3) Übung und (4) Evaluation (vgl. R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A N - DERSON 2007: 142). Als ein Beispiel unter vielen sei das schon als klassisch zu bezeichnende fünfschrittige CALLA-Modell 1 (Abb. 1, vgl. auch C HAMOT 2005) angeführt, auf dem zahlreiche weitere Sequenzmodelle zur Strategieinstruktion beruhen (vgl. beispielsweise auch C OHEN 1998; G RENFELL / H ARRIS 1999; M ACARO 2001). Abb. 1: Das fünfschrittige CALLA-Modell zur Strategievermittlung von C HAMOT / O'M ALLEY (1994: 66) Im CALLA-Modell wurde die Darstellung in zwei Dreiecken gewählt, um zu verdeutlichen, dass sich die Verantwortung für den Lernprozess im Laufe der Strategieinstruktion von der Seite der Lehrperson immer stärker auf die Seite der Lernenden verschiebt. In der Phase der Vorbereitung obliegt es der Lehrperson, zu einem passenden Zeitpunkt ein im Kurs tatsächlich bestehendes Lernproblem aufzugreifen und den Austausch über Strategien zum Umgang mit diesem Problem anzuleiten. Für diese Phase der Strategieinstruktion eignen sich Fragebögen, Lerntagebücher und Gespräche; sie zielt insbesondere darauf ab, das strategische Vorwissen der Lernenden zu aktivieren. In der Präsentationsphase Sprachlernstrategieplakate 109 38 (2009) erfolgen anschließend die Erklärung und die Modellierung einer bis dahin noch unbekannten Lernstrategie; der Einsatz von Lernstrategieplakaten in dieser Phase soll im weiteren Beitrag genauer beleuchtet werden. Die dritte Phase ist der angeleiteten Übung gewidmet, wobei die Lerngerüste allmählich zu entfernen sind, bis die Lernenden die Strategie schließlich in automatisierter Form beherrschen. Erst zu diesem Zeitpunkt soll die Evaluation erfolgen, in der die Lernenden jeweils bewerten, als wie hilfreich sie die Strategie bei ihren Lernbemühungen erfahren haben und ob bzw. in welcher möglicherweise veränderten Form sie sie in ihr individuelles Strategierepertoire aufnehmen wollen. Den Abschluss der Übungssequenz bildet die fünfte Phase der Expansion, in der es darum geht, die Lernenden zum Transfer der Strategie in neue Handlungsfelder zu ermutigen. Wenn im Folgenden aus diesem Modell zur Strategieinstruktion nur der Einzelschritt der Erklärung und Modellierung zur weiteren Betrachtung herausgegriffen wird, so soll damit keinesfalls impliziert werden, dass diesem Schritt eine höhere Bedeutung im Vermittlungsprozess zukäme als der Vorbereitung, der Übung oder der Evaluation. Ganz im Gegenteil kann die Bedeutung dieser Phasen nicht genug betont werden, da sich Strategievermittlung in der Praxis noch allzu oft auf das informierte Training, also die bloße Erklärung von Strategien, beschränkt. Nichtsdestoweniger ist aber auch die gelungene Erklärung und Modellierung von Strategien essentieller Bestandteil einer erfolgreichen Strategievermittlung und soll deshalb Gegenstand der weiteren Betrachtungen sein. 3. Erklärungen von Sprachlernstrategien 3.1 Vom Lehrbuch-Strategiehinweis zum Sprachlernstrategieplakat Neuere Lehrwerke bieten hilfreiche Hinweise zu Strategien, die den Austausch über das Lernen anregen, unterstützen oder ergänzen können (s. auch Beispiele von T ÖNSHOFF in diesem Band). Eine umfassende Erklärung der Funktionsweise einer Sprachlernstrategie erfolgt bei solchen Lehrbuchhinweisen in der Regel jedoch nicht, sondern bleibt dem Austausch im Klassenzimmer vorbehalten, was aus didaktischer Perspektive im Hinblick auf die Ko-Konstruktion strategischen Wissens auch durchaus zu begrüßen ist. Wichtig erscheint, dass solche Lehrbuchhinweise von der Lehrperson nicht als hinreichende Erklärung missdeutet, sondern als Ausgangspunkt für eine gemeinsame Reflexion des Lernens genutzt werden. Umfassendere Strategieerklärungen sind, wie auch andere gelungene Erklärungen, ad hoc keinesfalls einfach zu formulieren. Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei, dass das Strategiewissen zunächst meist nur in prozeduraler Form vorliegt und erst nach einer entsprechenden Bewusstmachung in deklarativer Form (mehr oder weniger vollständig und zutreffend) verbalisiert werden kann. Es bedarf deshalb in der Regel einer genauen Vorbereitung einer Lernstrategieerklärung, sei es von seiten der Lehrperson oder von seiten der Lernenden; dazu möchte ich den Vorschlag, Sprachlernstrategieplakate einzusetzen, aufgreifen und vertiefen (vgl. O XFORD / S CHRAMM 2007: 51; R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A NDERSON 2007: 145). Sie bieten gegenüber der Flüchtigkeit von mündlichen Erklärungsversuchen den Vorteil der Dauerhaftigkeit, der sowohl für die durchdachte 110 Karen Schramm 38 (2009) Vorbereitung (und möglicherweise kontinuierliche Verbesserung) der expertenseitigen Erklärung als auch für die novizenseitige Benutzung des Plakats als Lerngerüst im Kursraum relevant ist. Im Folgenden möchte ich an konkreten Beispielen sechs strategiebezogene Kriterien für Lernstrategieplakate illustrieren, die in der Forschungsliteratur üblicherweise als wichtige Aspekte von Strategieerklärungen erachtet werden (vgl. bspw. B IMMEL 2006: 367; O XFORD / S CHRAMM 2007: 51; R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A NDERSON 2007: 145): (a) Benennung des Ausgangsproblems, (b) Zielbestimmung, (c) Strategiename, (d) Zerlegung der Strategie in Handlungsschritte, (e) Illustration durch ein Beispiel und (f) Auffächerung in Anfänger- und Profivariante. Darüber hinaus sollen vier weitere allgemeine Kriterien zur Gestaltung von Plakaten kurze Berücksichtigung finden: (g) sprachliche Einfachheit, (h) metaphorische Visualisierung, (i) ästhetische Gestaltung/ Klarheit und (k) humorvolle Elemente. Es handelt sich hierbei um eine offene Kriterienliste, die zunächst nur einen aus theoretischen Beiträgen und praktischen Erprobungen entwickelten Vorschlag darstellt und die in der Folge empirisch zu überprüfen sein wird. 3.2 Kriterien für Sprachlernstrategieplakate Die Benennung des Ausgangsproblems und die Zielbestimmung erscheinen deshalb wichtig, weil eine Strategie laut B IMMEL (2006: 363) in Anlehnung an W ESTHOFF (1991: 44) „ein Plan mentalen Handelns ist, um ein Ziel zu erreichen“. In der Tradition des Informationsverarbeitungsparadigmas werden Strategien deshalb typischerweise als „Wenn X das Ziel, dann Y ausführen“-Regeln modelliert (vgl. G ROTJAHN 1997; B IMMEL 2006: 363). Die Tatsache, dass man in der fremdsprachendidaktischen Diskussion in zahlreichen Strategielisten so genannter guter oder weniger erfolgreicher Lernender allzu häufig lediglich den Ausführungsaspekt Y aufgelistet und die Bedingung X dabei vernachlässigt hat (s. bspw. den Überblick über Lesestrategien in S CHRAMM 2001: 152-157), erscheint mir in theoretischer wie auch in praktischer Hinsicht gleichermaßen problematisch. In theoretischer Hinsicht ist anzumerken, dass die Problemanalyse und die Zielorientierung zum prototypischen Kern einer Strategie zu rechnen sind (G U 2005: 6); in praktischer Hinsicht erscheint vor allem relevant, dass der Erfolg der Ausführung eines mentalen Handlungsplans insbesondere von dessen bedingungsadäquatem Einsatz abhängt. Deshalb sind bei der didaktischen Erklärung von Sprachlernstrategien sowohl der metakognitive Ausgangspunkt (d.h. die problembehaftete Handlungskonstellation, vgl. R EHBEIN 1977) für die Ausführung einer bestimmten Handlung als auch das (Problemlösungs-) Ziel dieser Handlung anzugeben. Die in den Abbildungen 2-7 angeführten und im Folgenden genauer diskutierten Beispiele für Sprachlernplakate wählen dazu sprachliche Realisierungen mittels Fragen (wie beispielsweise „Möchtest Du Deine Aussprache verbessern? “ [Abb. 2] oder „Es fällt euch schwer, euch ein (zusammengesetztes) Wort einzuprägen? “, [Abb. 7]), mittels „um zu-Konstruktionen“ (wie beispielsweise „Um Zusammenhänge im Text zu finden und die wichtigsten Aussagen zu erkennen, ohne sich auf Details zu konzentrieren“ [Abb. 3]; „Gezielt Informationen zu bestimmten Fragen sammeln, um diese zusammenhängend zu verstehen und weiterverwenden zu können“ Sprachlernstrategieplakate 111 38 (2009) [Abb. 5]), mittels Kann-Beschreibungen (wie bspw. „Mit dieser Strategie kannst Du die Zusammenhänge im Text auf einem (sic! ) Blick erkennen und verstehen“ [Abb. 4]). Dabei wurde nur selten das Ausgangsproblem, öfter das Ziel der Strategie fokussiert. Da spezifische Ausgangsprobleme jedoch der Anlass für die Auswahl einer Strategie sind, wäre es wünschenswert, sie ebenfalls klar zu benennen. Auch graphisch lassen sie sich in einigen Fällen effektiv darstellen, wenn bspw. eine von Stress geplagte Person an einem überladenen Schreibtisch abgebildet wird, um eine metakognitive Strategie zum Zeitmanagement einzuführen (G LADYCHEVA / L UCHNIKOVA / S OROUR 2009 [keine Abbildung]). Der Strategiename wird häufig als wichtiges Element strategiebasierter Instruktion angeführt, weil man davon ausgeht, dass er die Kommunikation über den Strategieeinsatz, möglicherweise auch den Zugriff auf das abgespeicherte (zunächst nur deklarative) Strategiewissen erleichtert. Die Studierenden haben in ihren hier abgedruckten Plakatbeispielen für die Benennung der empfohlenen Strategie vorrangig Imperative (wie „Hör Dir zu! “) und Komposita (wie „W-Farben-Strategie“, „Ampelstrategie“, „KonBild-Strategie“ oder „Super! ! ! Strukturen“) gewählt. Bei dem in Abbildung 3 gezeigten Beispiel wurde beispielsweise auf der Grundlage der Lektüre von J IANG / G RABE (2007) der Fachterminus der Superstruktur für den strategischen Einsatz von so genannten graphic organizers übernommen und - mit Anklang an Werbestrategien - um die drei Anführungszeichen erweitert und so in einen Strategienamen verwandelt. Im Hinblick auf die Einprägsamkeit werden häufig auch metaphorische Namen wie „Ampelstrategie“ gewählt (vgl. Abb. 6). Abb. 2: Plakatbeispiel 1 (F ERREIRA / F LATH / R ODRÍGUEZ 2008) 112 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 3: Plakatbeispiel 2 (G UNDERTAILO / P ANO / Z ABEL 2008) Abb. 4: Plakatbeispiel 3a (P EREZ A GUIRRE / S CHNITZLEIN 2009) Sprachlernstrategieplakate 113 38 (2009) Die Zerlegung in Handlungsschritte ist zentral für eine gelungene Erklärung der Strategie, wenn sie dem Novizen oder der Novizin ein Lerngerüst (scaffold) bieten soll; sie stellt aber für Lernende wie auch Lehrende häufig eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, das prozedurale Wissen des Sprachlernexperten in deklaratives Wissen zu überführen und die Gesamthandlung in einzelne Operationen oder hierarchisch untergeordnete Teilhandlungen zu zergliedern, damit der Novize diese Schritte - zunächst durch die deklarative Erklärung gestützt - üben und in einer späteren Phase in prozeduralisierter Wissensform automatisch ausführen kann. Charakteristisch ist, dass auch die mentalen Handlungsschritte beschrieben werden. So sind in Plakatbeispiel 1 (Abb. 2) beispielsweise äußerlich beobachtbare Handlungsschritte wie das Anhören oder Erstellen einer Tonaufnahme und mentale Handlungsschritte wie das Vergleichen der beiden Tonaufnahmen erfasst worden; Plakatbeispiel 2 listet ebenfalls mentale Handlungsschritte wie das Erkennen einer Superstruktur auf, die äußerlich nicht unmittelbar beobachtbar sind. Weiterhin erscheint die Illustration durch ein Beispiel wichtig, damit Novizen und Novizinnen sich unter den abstrahierten Handlungsschritten Konkretes vorstellen können. Das Plakatbeispiel 2 illustriert die Superstruktur ‚Problem-Lösung‘ an einem kurzen Beispiel aus einem Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrwerk für Anfänger; in diesem Beispiel wurden bestimmte Passagen mit Textmarker hervorgehoben, mit den Begriffen ‚Problem‘ und ‚Lösung‘ beschriftet und mit vier Pfeilen vom ‚Problem‘ in Richtung ‚Lösungen‘ markiert (vgl. Abb. 3). Weitere Beispiele sind in den (im Original) farbigen Markierungen bestimmter Informationen im Plakatbeispiel 3a und 3b (vgl. Abb. 4 und 5) sowie in den Wortkärtchen in Abbildung 6 zu erkennen. Während solche Beispiele der Anschaulichkeit bei der ersten Annäherung an die Strategie dienen und für die Modellierung der Strategie von Bedeutung sind, erscheint die abstrakte Erfassung der Handlungsschritte vor allem im Hinblick auf die Scaffolding-Funktion bei der späteren erprobenden Anwendung der Strategie wichtig. Eine Auffächerung der Strategie in eine Anfänger- und Profivariante bietet einen guten Ansatzpunkt zur Vermittlung des dynamischen Charakters von Sprachlernstrategien, deren besonderes Potential darin liegt, dass sie vom Benutzer den individuellen Lernstilpräferenzen angepasst, bei komplexeren Lernanforderungen weiterentwickelt und auf neue Lerngegenstände transferiert werden können. Die Plakatbeispiele 3a und 3b zu einer Sprachgebrauchsstrategie im Bereich der schriftlichen Rezeption deuten an, dass eine Strategie für unterschiedlich anspruchsvolle Lernaufgaben eingesetzt werden kann (vgl. Abb. 4 und 5). In einem ersten Schritt kann die „W-Farben-Strategie“ zur Markierung bestimmter Textinformationen (Wer? Was? Wie? Wann? Wie? Warum? ) genutzt werden; in späteren Lernstadien lässt sich das Prinzip der farbigen Markierung auch auf andere, stärker akademisch ausgerichtete Leseziele erweitern. Bei Plakatbeispiel 4 wird als Profivariante einerseits die Ausdifferenzierung der Wortkärtchen, andererseits ein dreistufiges Kontrollsystem vorgeschlagen (Abb. 6). Die Unterrichtsarbeit mit Anfänger- und Profivarianten von Strategien zielt auf Vermittlung der Einsicht, dass von anderen Personen übernommene Lernstrategien im Laufe der Einsatzerfahrung zu individuell präferierten, deutlich komplexeren Handlungsfolgen ausgestaltet werden können. 114 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 5: Plakatbeispiel 3b (P EREZ A GUIRRE / S CHNITZLEIN 2009) Die sprachliche Einfachheit eines Sprachlernstrategieplakats ist besonders für die Arbeit in sprachheterogenen Anfängergruppen von Bedeutung, wenn für den Austausch über Strategien in solchen Gruppen nicht auf die Erstsprache oder eine lingua franca zurückgegriffen werden kann (oder dies aus didaktischen Gründen im Hinblick auf die Einsprachigkeit nicht gewünscht wird). In dieser Hinsicht erscheint das in Abbildung 2 wiedergegebene Plakatbeispiel 1 besonders gelungen, das die fünf Handlungsschritte der Strategie in sprachlich einfacher Form anführt und darüber hinaus auch mit den fünf Smileys effektive Semantisierungshilfen bereitstellt. Sprachlernstrategieplakate 115 38 (2009) Abb. 6: Plakatbeispiel 4 (D AWIDOWICZ / M EISE / W OLTER 2009) Die Visualisierung kann jedoch über Semantisierungshilfen hinaus auch konzeptuelle bzw. mnemotechnische Unterstützung anbieten, wenn metaphorische Elemente eingesetzt werden. Beispielweise kann eine Waage die mentale Balance als Ziel der metakognitiven Strategie des Zeitmanagements (G LADYCHEVA / L UCHNIKOVA / S OROUR 2009 [keine Abb.]) oder eine Ampel die metakognitive Strategie der gezielten Inputsteuerung beim Vokabellernen andeuten. So wurden beim Plakatbeispiel 4 zur „Ampelstrategie“ die Farben grün, gelb und rot zur Gestaltung des Plakats genutzt, als Signalfarbe auf den Reitern der Vokabelkartei vorgeschlagen, und es wurden Abbildungen von Ampeln metaphorisch für bestimmte Kontrollprozesse eingesetzt (vgl. Abb. 6). In dem Plakat zu den „Super! ! ! - Strukturen“ ist im oberen linken Bereich ebenfalls eine solche Umsetzung in eine Graphik erfolgt; hier wurde als Metapher für den mentalen Überblick über den Text bzw. für eine entsprechende reduktiv-organisierende Verarbeitung beim Lesen die Metapher des Fernsehturms gewählt, von dem aus sich - mit entsprechender Distanz - Zusammenhänge wie ‚Problem/ Problemlösung/ Begriff für neues Konzept‘ oder ‚Problem/ Folge‘ erkennen lassen (vgl. Abb. 3). 116 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 7: Plakatbeispiel 5 (M ILIC / R OGAHN / V EZJAK 2009) Nicht zuletzt sind auch die ästhetische Gestaltung und humorvolle Elemente wichtige Kriterien für jegliches Lernmaterial. Bei den Evaluationen der hier vorgestellten Plakate sind insbesondere die Plakate zur „Hör Dir zu“-Strategie (Abb. 2) und zur „KonBild“- Strategie (Abb. 7) vielfach positiv für die ästhetisch ansprechende und humorvolle Gestaltung bewertet worden. Das Plakatbeispiel 5 nutzt beispielsweise eine klare Dreiteilung in der Horizontalen, um das jeweils zu lernende Wort („Himbeere“, „Brombeere“, „Spagat“) in einem mentalen Kontext (linke Seite) und in einer entsprechenden graphischen Illustration (rechte Seite) darzustellen (vgl. Abb. 7). Dabei werden die graphischen Symbole der Sprechblase und der Papierrolle eingesetzt, um die beiden entscheidenden Handlungsschritte an verschiedenen Beispielen zu illustrieren. An den erläuterten Beispielen von Sprachlernstrategieplakaten wurde illustriert, wie umfassendere Erklärungen von Strategien, als sie im Lehrbuch in der Regel auffindbar - und didaktisch sinnvoll - sind, für die Präsentationsphase innerhalb eines selbstkontrollierten Strategietrainings gestaltet und welche Kriterien dabei beachtet werden können. Sprachlernstrategieplakate 117 2 Dies trifft für die in Abschnitt 3 erörterten Plakate, die im Hinblick auf Schülergruppen entwickelt wurden, nur bedingt zu. 38 (2009) Der besondere Vorteil der schriftlichen Fassung einer Strategieerklärung in Form eines Plakats liegt dabei gegenüber mündlichen Erklärungen darin, dass die Plakate vorbereitet, im Laufe der Unterrichtsarbeit kontinuierlich verbessert und im Klassenzimmer als Lerngerüst eingesetzt werden können. 4. Sprachlernstrategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule Der Einsatz solcher Sprachlernstrategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule ist zum einen im Hinblick auf die Förderung der Lernerautonomie und zur Steigerung der Effektivität von Fremdsprachenlernanstrengungen relevant; zum anderen bietet sich bei der Ausbildung von zukünftigen Sprachlehrenden auf einer Metaebene auch die didaktische Reflexion der Strategieplakate an. Beide Aspekte sollen im Folgenden kurz angesprochen werden. Auch Studierende profitieren beim Erwerb von Fremdsprachen davon, neue Sprachlernstrategien kennen zu lernen und ggf. in ihr Strategierepertoire zu integrieren. Wichtig erscheint dabei, dass der Strategieaustausch dem Niveau ihrer in der Regel bereits hohen Sprachlernexpertise angemessen ist und die vorgestellten Strategien nicht schon bekannt sind. 2 Aufgrund der extensiven Fremdsprachenlernerfahrung dieser Zielgruppe kann die Strategieerklärung beim Fremdsprachenunterricht an der Hochschule weitestgehend den Lernenden übertragen werden, die sich gegenseitig eine Vielzahl inspirierender Sprachlernstrategien vorstellen. Plakate wie die oben angeführten Beispiele stellen dabei wichtige Impulse bzw. Anregungen dar, ohne dass die Mühen einer graphischen Aufbereitung im Sprachkurs angemessen wären. Solche in Partnerarbeit handschriftlich erstellten Strategieplakate können beispielsweise im Rahmen einer Strategiemesse an den Wänden des Kursraumes aufgehängt und von einem der beiden jeweiligen Produzentinnen oder Produzenten auf Nachfrage genauer erläutert werden, während der andere Partner bzw. die Partnerin die verschiedenen Messestände besucht und sich über die Strategieangebote anderer Kursteilnehmender informiert. Anreize zur Rückmeldung können dabei durch den Einsatz von Gästebüchern an den Messeständen, in denen Kommentare zur Würdigung notiert werden, oder durch Klebepunkte erfolgen, von denen den Besucherinnen und Besuchern jeweils nur eine begrenzte Anzahl zur Verfügung gestellt wird und mit denen sie besonders gelungene Strategieangebote auszeichnen. Haben Studierende an einem Messestand Strategieempfehlungen kennen gelernt, die sie erproben möchten, wird in einer zweiten Arbeitsphase die vertiefende Modellierung durch den entsprechenden Strategieexperten notwendig. Vor dem Hintergrund, dass in der Fachdiskussion das integrierte Strategietraining favorisiert wird, bietet es sich an, bei der regulären Kursarbeit zu passenden Momenten die Arbeit an Stationen zu nutzen, an denen 118 Karen Schramm 38 (2009) die jeweiligen Studierenden in der Expertenrolle funktional relevante Strategieangebote machen. Zur Textbearbeitung können beispielsweise verschiedene Lesestrategie-Stationen eingerichtet werden, an denen diejenigen, die auf der Messe Lesestrategie-Plakate ausgestellt haben, die Benutzung dieser spezifischen Strategien an den kursrelevanten Arbeitsaufträgen demonstrieren und die interessierten Stationsbesucher bei der Einübung dieser Strategie unterstützen. Ebenso können an anderen Kurstagen - ebenfalls funktional eingebettet - andere Studierende in der Expertenrolle zum Einsatz kommen. Bei einer solchen expertenseitigen Modellierung von Sprachlernstrategien sind äußerlich beobachtbare Handlungsschritte (z.B. Unterstreichen, Einkreisen, Benutzen von Hilfsmitteln, Sortieren etc.) vom Novizen bei der Zusammenarbeit mit dem Strategieexperten unmittelbar zu verfolgen. Schwieriger stellt sich der Zugang zu den involvierten mentalen Prozessen dar, die sich dem Außenstehenden nur aufgrund metakognitiver Beschreibungen oder durch lautes Denken des Strategieexperten erschließen. Deshalb ist es wichtig, dass die Strategieexperten an ihren jeweiligen Stationen die Entscheidungsprozesse, die sie durchlaufen, und die mentalen Handlungsschritte, die sie unternehmen, so umfassend wie möglich offen legen. Dabei kann das an der Station ausgehängte Strategieplakat den Novizinnen und Novizen ein Orientierungsschema bieten, um die expertenseitigen Handlungsschritte wiederzuerkennen und um ggf. auf der Grundlage der konkreten Beobachtungen das abstrakte Schemas weitergehend zu differenzieren. Auch in der sich anschließenden Phase der Erprobung und Einübung der Strategie kann das Plakat weiterhin als Lerngerüst dienen, wenn der Stationsbesucher nun seinerseits beim Arbeitsprozess mentale Entscheidungen und Handlungsschritte verbalisiert und auf diese Weise dem Experten gezielte Rückmeldungen zum Strategieeinsatz ermöglicht. Auch Formen des so genannten reciprocal teaching (vgl. R OSENSHINE / M EISTER 1994), bei denen eine Novizin die andere durch die verschiedenen Handlungsschritte führt, erscheinen auf der Grundlage eines Strategieplakats leichter durchführbar als ohne Lerngerüst. Über diesen allgemeinen Einsatz zu Sprachlernzwecken hinaus ist die Erstellung von Sprachlernstrategieplakaten im Fremdsprachenunterricht spezifisch für angehende Fremdsprachenlehrkräfte aber auch deshalb von besonderem Interesse, weil sich die Studierenden zunächst einmal möglicher Sprachlernstrategien bewusst werden müssen, um sie zukünftigen Lernenden erklären, sie mit ihnen üben und individuell evaluieren zu können. Für diese Zielgruppe ist nicht nur der Austausch von Lernstrategien zur Optimierung der eigenen Sprachlernbemühungen, sondern auch die Kompetenz von beruflichem Interesse, eine professionelle Erklärung (als lehrerseitigen Schritt innerhalb einer didaktischen Sequenz zur Vermittlung von Sprachlernstrategien) liefern zu können. Deshalb bietet es sich in der Lehrerbildung an, die Sprachlernstrategieplakate auch unter didaktischer Perspektive kritisch zu reflektieren. In einem ersten Schritt sind dazu die entsprechenden Sprachlernplakate in Partner- oder Gruppenarbeit zu entwerfen. Dabei erfahren die Betroffenen in der Regel, dass einerseits individuell jeweils immense Strategiewissensschätze vorhanden sind, dass andererseits aber die Verbalisierung solchen automatisierten prozeduralen Wissens keineswegs trivial ist. In einem zweiten Schritt wird die didaktische Aufbereitung in Form eines mehr oder Sprachlernstrategieplakate 119 3 Null Punkte bedeutet ,unwichtig‘, ein Punkt bedeutet ,wichtig‘, zwei Punkte bedeuten ,sehr wichtig‘ (vgl. F UNK 2004: 44). 4 Null Punkte bedeutet ,nicht vorhanden/ schlecht‘, ein Punkt bedeutet ,vorhanden/ gut‘, zwei Punkte bedeuten ,vorhanden/ sehr gut‘ (vgl. F UNK 2004: 44). 38 (2009) minder professionellen Plakats im Hinblick auf die Erklär- und Medienkompetenzen von Fremdsprachenlehrpersonen relevant, die sich beim Austausch in der Partner- oder Gruppenarbeit diesbezüglich gegenseitig wesentlich bereichern können. Drittens erscheint für die Lehrerbildung schließlich die kritische Diskussion der Sprachlernstrategieplakate essentiell, für die als mögliche Arbeitsgrundlage in Tab. 1 ein Überblick über die offene, zu ergänzende Liste der in Abschnitt 3 diskutierten Kriterien zusammengestellt wurde. Diese Kriterien sind in der ersten Spalte verzeichnet; ihre Relevanz ist bei einer Materialbewertung im Hinblick auf den Einsatz eines Plakats in einer bestimmten Lernergruppe jeweils erneut zu bestimmen. In Anlehnung an F UNK (2004: 44) ist dazu eine dreistufige Skala mit den Punktwerten 0-2 angeführt worden. Um zu einer Gesamtbewertung zu gelangen, ist der entsprechende Wert mit der Punktzahl zur Bewertung der Qualität zu multiplizieren und anschließend die Summe der Einzelbewertungen zu bilden. Kriterium Gewichtung der Relevanz 3 Bewertung der Qualität 4 Produkt 01. Benennung des Ausgangsproblems 0 1 2 0 1 2 02. Zielbestimmung 0 1 2 0 1 2 03. Strategiename 0 1 2 0 1 2 04. Zerlegung in Handlungsschritte 0 1 2 0 1 2 05. Illustration durch ein Beispiel 0 1 2 0 1 2 06. Anfänger- und Profivariante 0 1 2 0 1 2 07. sprachliche Einfachheit 0 1 2 0 1 2 08. metaphorische Visualisierung 0 1 2 0 1 2 09. ästhetische Gestaltung/ Klarheit 0 1 2 0 1 2 10. humorvolle Elemente 0 1 2 0 1 2 11. ... 0 1 2 0 1 2 12. ... 0 1 2 0 1 2 Summe der Einzelbewertungen Tab. 1: Kriterienraster zur Bewertung von Sprachlernstrategieplakaten 3 4 120 Karen Schramm 38 (2009) Mithilfe eines solchen Kriterienrasters kann eine detaillierte Diskussion über Qualitätsmerkmale von Sprachlernstrategieplakaten und deren Indikatoren initiiert werden. Es wird empirisch zu überprüfen sein, ob die eigenständige Erstellung von Lernstrategieplakaten und der Einsatz eines solchen Kriterienrasters zu Zwecken der kritischen Selbst- und Fremdevaluation die Kompetenzen von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen zur Vermittlung von Sprachlernstrategien nachweisbar steigern kann. 5. Fazit und Ausblick In diesem stark praxisorientierten Beitrag wurde das Konzept der Lernstrategieplakate vorgestellt, das zwar in zahlreichen Arbeiten der Strategieforschung erwähnt, aber selten an konkreten Beispielen illustriert wird. Dabei stand die Diskussion der folgenden Kriterien im Vordergrund: Benennung des Ausgangsproblems, Zielbestimmung, Strategiename, Zerlegung der Strategie in Handlungsschritte, Illustration durch ein Beispiel, Auffächerung in Anfänger- und Profivariante, sprachliche Einfachheit, metaphorische Visualisierung, ästhetische Gestaltung/ Klarheit und humorvolle Elemente. Anschließend wurde skizziert, wie Sprachlernplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule bei der vertiefenden Modellierung von Sprachlernstrategien im Rahmen eines selbstkontrollierten Strategietrainings und/ oder der Lehrerbildung eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um didaktisch erprobte Vorschläge, die in der Folge empirisch zu erforschen sind. Ein lohnenswertes Untersuchungsziel wäre es meines Erachtens, der Frage nachzugehen, ob die differenzierte Erklärung, wie sie hier an zahlreichen Beispielen illustriert wurde, tatsächlich - wie vielfach postuliert - langfristig einen höheren Grad an Strategiewissen, Strategieeinsatz und in der Folge auch Spracherwerbserfolg bei Studierenden zeitigt als verkürzte Instruktionsverfahren wie sie häufig in kurzen mündlichen Hinweisen erfolgen. Darüber hinaus wäre im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung angehender Fremdsprachlehrender eine empirische Erforschung der Frage von Interesse, ob der hier vorgestellte Ansatz zur Arbeit mit Sprachlernstrategieplakaten die Kompetenzen der zukünftigen Lehrpersonen, Unterrichtsbeispiele von Strategieinstruktion zu beschreiben, zu erklären und zu bewerten, nachweisbar steigert; zu diesem Zweck wären insbesondere Interventionsstudien von Interesse, die videobasierte Prä- und Posttests bezüglich dieser Lehrerkompetenzen einsetzen (vgl. S CHRAMM / A GUADO 2009, S EIDEL / P RENZEL 2007). Literatur B IMMEL , Peter (2006): „Lernstrategien: Pläne (mentalen) Handelns“. In: J UNG , Udo O. H. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer . 4. vollständig neu bearbeitete Auflage. Frankfurt a.M. [etc.]: Lang, 362-369. C HAMOT , Anna U. (2005). „The Cognitive Academic Language Learning Approach (CALLA): An Update“. In: R ICHARD -A MATO , Patricia A. / S NOW , Marguerite A. (Hrsg.): Academic Success for English Language Learners. White Plains, New York: Longman, 87-101. Sprachlernstrategieplakate 121 38 (2009) C HAMOT , Anna U. (2008): „Strategy instruction and good language learners“. In: G RIFFITHS , Carol (Hrsg.): Lessons from Good Language Learners. Cambridge: Cambridge University Press, 267-281. C HAMOT , Anna U. / O’M ALLEY , Michael, J. (1994): „The CALLA Handbook. Implementing the Cognitive Academic Language Learning Approach“. White Plains, New York: Longman. C OHEN , Andrew D. 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W ONG -F ILLMORE , Lily (1976): The Second Time Around: Cognitive and Social Strategies in Second Language Acquisition. Ann Arbor, MI: Xerox University Microfilms, (Ph.D. Thesis, Stanford University). * Korrespondenzadresse: Prof. (em.) Dr. Lothar B REDELLA , Justus-Liebig-Universität Gießen, Anglistik, Teaching English as a Foreign Language, Otto-Behaghel-Str. 10B, 35394 G IE ß EN . E-mail: Lothar.Bredella@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Literaturtheorie, Literaturdidaktik, Interkulturelles Verstehen. 38 (2009) L OTHAR B REDELLA * Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen Abstract. In the last decades foreign language learning has neglected content for various reasons. One of them is the concentration on learning strategies. Yet successful foreign language learning and intercultural understanding need content that is more than mere material for language acquisition. What kind of content, though, is needed to make it educationally significant? In the first part of my paper I argue in favour of content a) that enables students to make an experience that changes their world views, b) that encourages them to act creatively, and c) that addresses their values and motivates them to reflect on them. In the second and third part of my paper I shall refer to a teaching unit on the Civil Rights Movement in the United States that provides such a content. 0. Vorbemerkungen Wiederholt wird auf die Geringschätzung der Inhalte im Fremdsprachenunterricht hingewiesen. In der ersten Leitfrage zur 29. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (2009) ist die Rede von der „inhaltsleeren Sackgasse“ des Fremdsprachenunterrichts. Gegen diesen Vorwurf kann man einwenden, dass beim Fremdsprachenlernen zwangsläufig Inhalte ins Spiel kommen, so dass ein Fremdsprachenunterricht ohne Inhalt gar nicht möglich ist. Auch wenn diese Entgegnung richtig ist, bleibt die Frage offen, welche Bedeutung den Inhalten zukommt. Werden sie nur zur Erläuterung herangezogen oder geht von ihnen eine herausfordernde Wirkung aus, die zum Gebrauch der Fremdsprache motiviert und bildungsrelevante Erfahrungen ermöglicht? Wenn man sich unter dieser Fragestellung dem Fremdsprachenunterricht nähert, erscheint die Ausrichtung an Lernstrategien die Tendenz zu fördern, Inhalte nur als Übungsmaterial zu betrachten. Im Mittelpunkt stehen Lernstrategien, die man mit beliebigen Inhalten üben und erwerben kann, wobei sich die Frage, ob sie dem jeweiligen Gegenstand angemessen sind oder ihn verfehlen, nicht stellt. Ich will diese Auffassung von Lernstrategien an einem Beispiel aus dem einflussreichen Buch von Rebecca L. O XFORD Language Learning Strategies verdeutlichen. Die Lernstrategie „directed attention“ und „selective attention“ kann mit folgenden Inhalten erworben werden: In reading, Emily decides to pay close attention to the way characters in her German short story bring conversations to a close and how they use polite phrases. In reading a Tolstoy novel in 124 Lothar Bredella 38 (2009) Russian, Cloë focuses on the names and tries to remember who’s who - sometimes a tall order! Bertolt decides to focus on the way in which the French past tense forms are used in front-page articles in Le Monde (O XFORD 1990: 154). Sicherlich kann man eine deutsche Kurzgeschichte daraufhin lesen, wie die Charaktere eine Unterhaltung beenden, und bei einem Roman von Tolstoi auf die Namen achten, um sie sich einzuprägen, aber für den Literaturdidaktiker reicht eine solche Begründung nicht aus. Hier stellt sich die Frage, wozu wir literarische Texte lesen und worin ihr ästhetisches und existenzielles Potenzial liegt. Es geht um ihren Inhalt bzw. Gehalt. Erst wenn man diese Fragen beantwortet, lässt sich auch die Frage stellen, welche Methoden und Strategien für die Lektüre und Interpretation literarischer Texte angemessen sind. Bei O XFORD stellt sich diese Frage nicht, weil Inhalte immer nur als Übungsmaterial in Erscheinung treten und von ihnen keine Herausforderungen ausgehen, die zu einer Reflexion über die eingesetzten Strategien führen könnten. Diese Kritik richtet sich natürlich nicht gegen Lernstrategien generell, sondern nur gegen ihre Verselbstständigung gegenüber den Inhalten. Bei O XFORD entsteht der Eindruck, dass Lernende selbstbestimmt handeln, wenn sie über möglichst viele Lernstrategien verfügen und somit ihren Gegenstand beherrschen. Eine solche Auffassung von Selbstbestimmung ist jedoch, wie wir sehen werden, unzulänglich. Zur Selbstbestimmung kommt es nur, wenn wir uns von Inhalten irritieren und herausfordern lassen. Die Geringschätzung von Inhalten, dem sog. Input, wird bei den von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Bildungsstandards besonders deutlich. Der Fremdsprachenunterricht soll effektiver werden, indem die Aufmerksamkeit vom Input auf den Output gelenkt wird: In der Expertise zu den Bildungsstandards heißt es: Sie [die Bildungsstandards] legen fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe mindestens erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden können (BMBF 2003: 9). Es ist sicherlich erstrebenswert, die erwarteten Kompetenzen möglichst präzise zu beschreiben und zu überprüfen. Aber lässt sich Bildung überhaupt mit den Begriffen In- und Output erfassen, und kann man sie so standardisieren, dass sie outputorientiert in Tests überprüft werden kann? In der Expertise wird zwar gesagt, dass Kompetenzen weiterhin auf Bildungsziele bezogen sein sollen, aber es wird sogleich hinzugefügt, dass Bildungsziele oft utopisch und unrealisierbar seien, so dass bei ihnen „ein schreiendes Missverhältnis“ (ibid.: 62) zwischen Anspruch und Realität besteht. Das führt zu einem ungelösten Widerspruch innerhalb der Bildungsstandards. Einerseits soll nicht auf Bildungsziele verzichtet werden, und andererseits soll nur zugelassen werden, was mit Hilfe von Leistungserhebungen und Testverfahren überprüft werden kann. L ADENTHIN / R EKUS weisen in der Einleitung zu dem von ihnen herausgegebenen Band Werterziehung als Qualitätsdimension von Schule und Unterricht darauf hin, dass Bildungsstandards dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit Werten und Wertentscheidungen ausgeklammert wird, weil sie nicht outputorientiert erfasst werden kann: Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 125 1 Dass die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an der kommunikativen Kompetenz auch zu anderen Zielsetzungen führen kann, zeigen die Beiträge in dem von Michael L EGUTKE (2008) herausgegebenen Band Kommunikative Kompetenz als fremdsprachliche Vision. 38 (2009) Gerade die neue Konzentration der Schulen auf formale Kompetenzen, auf Bildungsstandards, ausgelöst durch Lernstandserhebungen und zentrale Prüfungen, führen dazu, dass die Erziehungsaufgabe vernachlässigt wird. Kann man den Erfolg von Erziehung am Output messen? (L ADEN - THIN / R EKUS 2008: 2) Problematisch ist an den Bildungsstandards nicht, dass Leistungen überprüft werden, sondern ihre Konzeption von Bildung, die Leistungen von Inhalten trennt und sie standardisiert und damit die Auseinandersetzung mit ihnen ausblendet. Die Bildungsstandards im Fremdsprachenunterricht beziehen sich auf den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, der ebenfalls die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf formale Kompetenzen lenkt. Wie Manfred R AUPACH ausführt, verweist er zwar auf weitgefasste Erziehungsbzw. Bildungsziele, aber es kommen „fast ausschließlich linguistisch definierte Kategorien zum Tragen“, so dass „ganze Bereiche, die für das schulische Fremdsprachenlernen relevant sind, wie etwa die Literatur oder die Landeskunde, nur in Form allgemeiner Kompetenzbeschreibungen vorkommen“ (R AU - PACH 2003: 160). Michael B YRAM und Veronica E SARTE -S ARRIES (1991) zeigen auf, dass eine Trivialisierung der Inhalte des Fremdsprachenunterrichts mit der Begründung des „Fremdsprachenunterrichts für alle“ nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt. Wie sollte man diesen Unterricht begründen? Die alte Begründung, dass Fremdsprachenlernen dazu befähigen soll, die großen Texte der fremden Kultur zu lesen und an Diskursen über sie teilzunehmen, schien nicht mehr möglich. Da bot sich unter den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg (zum ersten Mal in der Geschichte konnten breite Schichten ins Ausland reisen) als neue Begründung an, Schüler darauf vorzubereiten, dass sie die zukünftigen Situationen als Touristen sprachlich bewältigen können. Das hatte zur Folge, dass stark ritualisierte Sprechakte wie nach dem Weg fragen, eine Fahrkarte kaufen, ein Zimmer reservieren in den Mittelpunkt gerückt wurden. In diesem Konzept der kommunikativen Kompetenz als oberstem Lernziel des Fremdsprachenunterrichts liegt nach B YRAM und S ARTE -S ARRIES eine Auffassung von Sprache als „language for survival“ zugrunde. 1 Die neue Begründung des Fremdsprachenunterrichts hatte auch Auswirkungen auf die Landeskunde. Die Aufmerksamkeit wurde nicht länger auf bedeutende historische Ereignisse, sondern auf Sehenswürdigkeiten für Touristen gelenkt. Literarische Texte sind im Rahmen dieser Begründung irrelevant, weil Touristen selten in die Situation kommen werden, über literarische Texte in der Fremdsprache zu reden. Für B YRAM und E SARTE -S ARRIES ist es von entscheidender Bedeutung, an welchem Bild des Lerners sich der Fremdsprachenunterricht orientiert. Deshalb ändern sich Ziele und Inhalte des Fremdsprachenunterrichts, wenn er sich nicht länger am Touristen, sondern am Migranten ausrichtet. Mit dieser Veränderung hängt auch zusammen, dass die kommunikative durch die interkulturelle Kompetenz als oberstem Lernziel ersetzt wurde, 126 Lothar Bredella 2 Vgl. zur Diskursfähigkeit H ALLET (2007, 2008) und die Diskussion um Inhalte im Fremdsprachenunterricht in dem von B REDELLA / H ALLET (2007) herausgegebenen Band Literaturunterricht, Kompetenzen und Bildung. 3 Ähnlich wie bei F RANKFURT gehen nach D EWEY Werte aus der kritischen Reflexion unserer Wünsche hervor. Er unterscheidet zwischen dem, was faktisch „desired“ wird und dem, was der Handelnde nach einer kritischen Reflexion als wünschenswert („desirable“) betrachtet (s. J OAS 1999: 169). 38 (2009) weil Migranten in einer ganz anderen Weise als Touristen an der fremden Kultur interessiert sind. Sie wollen an den Diskursen in der fremden Kultur teilnehmen. Was für Migranten gilt, kann aber generell als Ziel für den interkulturell ausgerichteten Fremdsprachenunterricht gelten. Bildung besteht in der Kompetenz, an wichtigen Diskursen in der fremden und eigenen Kultur teilnehmen zu können. Auf die Bedeutung der Diskursfähigkeit als einem wesentlichen Lern- und Erziehungsziel im Fremdsprachenunterricht hat Wolfgang H ALLET nachdrücklich hingewiesen und damit auch die Diskussion um Inhalte im Fremdsprachenunterricht neu belebt. 2 In Teil 2 und 3 werde ich die Aufmerksamkeit auf Diskurse innerhalb der Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1950er und 1960er Jahren lenken. Diese Diskurse sind sowohl für das Verständnis der USA als auch für das Amerikabild der Deutschen von entscheidender Bedeutung und regen zu einer Reflexion über das eigene Selbst- und Weltverständnis an. Bevor ich mich der Unterrichtseinheit zuwende, werde ich in Teil 1 aufzeigen, was bildungsrelevante Inhalte kennzeichnet. 1. Merkmale bildungsrelevanter Inhalte In einem viel beachteten Essay „Freedom of the will and the concept of the person“ stellt sich Harry G. F RANKFURT die Frage, was wir unter einer Person verstehen. Nach seiner Sicht unterscheiden sich Menschen von Tieren dadurch, dass sie nicht nur Wünsche haben, sondern bestimmte Wünsche haben wollen bzw. nicht haben wollen. Sie nehmen zu Wünschen Stellung und bewerten sie. Daher haben sie nicht nur „first-order“, sondern auch „second-order desires“: Besides wanting and choosing and being moved to do this or that, men may also want to have (or not to have) certain desires and motives. They are capable of wanting to be different, in their preferences and purposes, from what they are. Many animals appear to have the capacity for what I shall call ‚first-order desires‘ or ‚desires of the first order‘, which are simply desires to do or not to do one thing or another. No animal other than man, however, appears to have the capacity for reflective self-evaluation that is manifest in the formation of second-order desires (F RANKFURT 2007: 12). 3 Die hier von F RANKFURT skizzierte Situation scheint mir entscheidend für eine angemessene Auffassung von Bildung. Der Mensch ist nicht nur ein Bündel von Kompetenzen, sondern entwickelt eine Identität, indem er sich zu ihnen in Beziehung setzt und sie bewertet. Er besitzt „the capacity for reflective self-evaluation“, die es in Bildungsprozessen zu stärken gilt und die nicht outputorientiert getestet werden kann. Insofern ignorieren die Bildungsstandards, was wesentlich für Bildung ist. In Taking Ourselves Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 127 38 (2009) Seriously. Getting It Right führt F RANKFURT aus, wie bedeutsam die Bewertungen unserer Gefühle und Einstellungen für unsere Identität und unser Selbst- und Weltverständnis sind: Taking ourselves seriously means that we are not prepared to accept ourselves just as we come. We want our thoughts, our feelings, our choices, and our behavior to make sense. We are not satisfied to think that our ideas are formed haphazardly, or that our actions are driven by transient and opaque impulses or by mindless decisions. We need to direct ourselves - or at any rate to believe that we are directing ourselves - in thoughtful conformity to stable and appropriate norms. We want to get things right (F RANKFURT 2006: 2). Zum menschlichen Selbstverständnis gehört die Einstellung, dass man die Dinge richtig machen will. Daraus ergibt sich auch der Streit darüber, was richtig ist. Mit dieser Einstellung hängt aufs engste zusammen, dass wir unsere Situationen, in denen wir stehen, und die damit zusammenhängenden Gedanken, Wünsche und Emotionen interpretieren. Der Mensch ist in den Worten von Charles T AYLOR „a self-interpreting animal“ (T AYLOR 1999: 45). Diese Fähigkeit zur Interpretation, um den Sinn von Situationen zu verstehen, muss Bildung in den Mittelpunkt rücken. Hier liegt auch der Unterschied zwischen Natur- und Kulturwissenschaften. Naturwissenschaftler können ihre Gegenstände von außen beschreiben und gesetzmäßige Zusammenhänge über sie aufstellen. Sie müssen nicht darauf achten, wie diese Gegenstände sich selbst verstehen. Der Stein, der fliegt, stellt keine Theorie über sein Fliegen auf. Kulturwissenschaftler müssen jedoch beachten, wie Menschen sich selbst verstehen und wie sie ihre Handlungen interpretieren. Menschen werden nicht nur von Wünschen erster Ordnung beherrscht, sondern entwickeln Wünsche zweiter Ordnung. Das ist die Voraussetzung für Freiheit und Selbstbestimmung. Um über Wünsche und Gefühle erster Ordnung reflektieren zu können, muss man sie artikulieren können. Deshalb ist diese Kompetenz ein wesentliches Moment von Bildung. Damit tritt die expressive Sprachfunktion in den Vordergrund, die besondere Anforderungen stellt. Wünsche und Gefühle liegen in unserem Inneren nicht einfach vor, so dass wir sie nur in Worte fassen müssen. Sie sind oft diffus und entziehen sich einer eindeutigen Festlegung. Insofern ist der Versuch, sie in Worte zu fassen, ein kreativer Akt, bei dem sich Spielräume für Interpretationen, wie T AYLOR ausführt, eröffnen: „Much of our motivation - our desires, aspirations, evaluations - is not simply given. We give it a formulation in words or images. Indeed, by the fact that we are linguistic animals, our desires and aspirations cannot but be articulated in one way or another“ (ibid.: 36). Das bedeutet jedoch nicht, wie einige postmoderne Denker behaupten, dass Gefühle erst entstehen, wenn wir sie artikulieren, so dass wir selbst darüber entscheiden können, was wir fühlen wollen. Eine solche Auffassung verfehlt, dass sich Gefühle wie auch Emotionen aus der Interaktion mit der Welt ergeben, die wir nicht unter Kontrolle haben. Deshalb können Interpretationen unserer Gefühle und Emotionen mehr oder weniger erhellend sein: „There are more or less adequate, more or less truthful, more self-clairvoyant or self-deluding interpretations“ (ibid.: 38). An diesen Überlegungen wird deutlich, wie wichtig die expressive Sprachfunktion ist. In Herders Sprachauffassung steht sie im Mittelpunkt. Sie bringt etwas zur Darstellung, was erst voll erkennbar wird, indem es 128 Lothar Bredella 38 (2009) artikuliert und vergegenwärtigt wird. Deshalb kann J OAS über die Sprachauffassung Herders sagen: „Der sich ausdrückende Mensch wird selbst vielmehr von seinem Ausdruck immer wieder überrascht und findet den Zugang zu seinem ‚Innenleben‘ erst durch eine Reflexion auf das eigene Ausdrucksgeschehen“ (J OAS 1996: 119). Der sich ausdrückende Mensch steht jedoch nicht nur für sich selbst, sondern wendet sich auch an andere, so dass die expressive Sprachfunktion auf die appellative bezogen ist. Wir wollen andere von unseren Interpretationen überzeugen. T AYLOR greift die Unterscheidung zwischen „first-order“ und „second-order desires“ auf, um eine weitere einzuführen, nämlich die zwischen schwachen Wertungen („weak evaluations“) und starken Wertungen („strong evaluations“). Von schwachen Wertungen spricht er, wenn wir herausfinden wollen, wie wir unterschiedliche Wünsche miteinander vereinbaren können. So können wir beschließen, erst zum Schwimmen und später zum Essen zu gehen, um uns beide Wünsche zu erfüllen (s. T AYLOR 1999: 16). Bei starken Wertungen geht es jedoch nicht darum, wie unterschiedliche Wünsche miteinander in Einklang gebracht werden können, sondern vielmehr um die Entscheidung darüber, welche wir billigen oder missbilligen. Hier brauchen wir ein ganz anderes Vokabular. T AYLOR zählt einige der Begriffe auf, die hier eine Rolle spielen: „higher and lower, virtuous and vicious, more or less fulfilling, more or less refined, profound and superficial, noble and base“ (ibid.). Um starke Wertungen zu verstehen, können wir unsere Aufmerksamkeit nicht nur auf den einen Wert, sondern müssen sie auch auf die Werte, die mit ihm verbunden sind, lenken. Um zu verstehen, was eine mutige Handlung ist, müssen wir nicht nur wissen, was Mut ist, sondern auch, was Feigheit ist und welche Rolle Mut und Feigheit in dem jeweiligen Weltbild spielen (s. ibid.: 19). Das ist bereits eine wirksame Strategie für interkulturelles Verstehen: Wir müssen einen bestimmten Sinnhorizont rekonstruieren. Die Überlegungen zu den Spannungen zwischen „first-order“ und „second-order desires“, zum Menschen als „self-interpreting animal“ und zu starken Wertungen sind erste Hinweise zur Bestimmung bildungsrelevanter Inhalte. In Experience and Education (1938/ 2002) setzt sich D EWEY mit der Frage auseinander, die uns hier beschäftigt. Die fortschrittliche Erziehung seiner Zeit fordert, dass Inhalte in den Hintergrund treten, weil sie Heranwachsende in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigen und sie auf vorgegebene Wertvorstellungen verpflichten. Inhalte, so lautet der Vorwurf, haben die Funktion, die Heranwachsenden in die bestehende Gesellschaftsordnung zu integrieren und Selbstbestimmung zu verhindern. D EWEY tritt entschieden für Selbstbestimmung ein, bezweifelt jedoch, dass sie erreicht wird, indem auf relevante Inhalte verzichtet wird. Das Einüben von formalen Kompetenzen kann genauso „ein starres Verhaltensschema“ (D EWEY 2002: 235) bewirken wie das Aneignen vorgegebener Inhalte. Um die unfruchtbare Diskussion zwischen Inhalten und formalen Kompetenzen zu überwinden, führt D EWEY den Begriff der Erfahrung ein. Dieser Begriff ist für sein Denken von zentraler Bedeutung. Das wird schon an dem Titel Experience and Education deutlich, und experience steht auch im Titel seiner großen Werke Experience and Nature und Art as Experience. Im letzteren erläutert er, was es bedeutet, eine Erfahrung zu machen. Wer eine Erfahrung macht, tritt aus dem Fluss der Erfahrungen heraus und sieht die Welt anders. Diese Erfahrung prägt Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 129 4 Vgl. die Kritik von Arno C OMBE an Entwicklungsaufgaben in der Bildungsgangdidaktik, die nicht berücksichtigen, was den Lernenden widerfährt und damit Erfahrungskrisen, Störerfahrung, Grenzen der eigenen Kompetenzen und Bruchlinien der Erfahrung ausblenden (in B REDELLA 2007b). 38 (2009) sich in sein Gedächtnis ein, weil sie ihm die Welt in einem neuen Licht erscheinen lässt. Modell für das Verstehen einer Erfahrung ist für D EWEY die ästhetische Erfahrung, weil in ihr zur Entfaltung kommt, was in der täglichen Lebenswelt oft abgebrochen wird und sich nicht voll entfalten kann (vgl. D EWEY 1958: 56). Die ästhetische Erfahrung spricht den ganzen Menschen an. Sie ist holistisch: „It is not possible to divide in a vital experience the practical, emotional, and intellectual from one another and to set the properties of one over the characteristics of the others“ (ibid.: 55). In der ästhetischen Erfahrung kommt es zu einer intensiven Interaktion zwischen Objekt und Subjekt. In ihr wirkt das Objekt auf das Subjekt ein, aber nicht im Sinne einer mechanischen Wirkung, sondern in dem Sinne, dass es angesprochen wird und darauf antwortet. In der täglichen Erfahrung wird diese Dynamik oft unterbrochen, während sie sich in der ästhetischen Erfahrung voll entfalten kann. Das wird auch deshalb möglich, weil sich das Subjekt in der ästhetischen Erfahrung dem Gegenüber voll aussetzen kann. Derjenige, für den ein Schauspiel aufgeführt wird, ist Zuschauer und muss bzw. darf nicht handelnd in das Geschehen eingreifen. Diese Zuschauerhaltung erlaubt jedoch nicht nur emotional engagiertes Mitgehen, sondern auch Distanz und Reflexion. Wir sind in das Geschehen involviert und können es überschauen und erkennen. Diesen zweiten Aspekt betont D EWEY ausdrücklich: „An object is peculiarly and dominantly esthetic, yielding the enjoyment characteristic of esthetic perception, when the factors that determine anything which can be called an experience are lifted high above the threshold of perception and are made manifest for their own sake“ (ibid.: 57). Die ästhetische Erfahrung involviert den Rezipienten und ermöglicht Distanz und Reflexion, so dass man beobachten kann, wie man etwas erfährt und was diese Erfahrung konstituiert. Es sei hier nur erwähnt, dass wir als Lehrende auf dieses Potenzial der ästhetischen Erfahrung bei der Rezeption literarischer Texte achten müssen. Das kann natürlich nur geschehen, wenn wir literarische Kompetenz nicht auf das Identifizieren von Stil- und Strukturmerkmalen reduzieren. D EWEY spricht dann von „academic criticism“, der die Lebens- und Bildungsrelevanz literarischer Texte gar nicht in den Blick bekommt. Eine Erfahrung machen bedeutet für D EWEY , wie wir gesehen haben, dass sie unsere Weltsicht verändert. Darin ist eine Einsicht enthalten, die es D EWEY ermöglicht, unser „In-der-Welt-sein“ (D EWEY 2002: 247) neu zu konzipieren. Wer eine Erfahrung macht, dem widerfährt etwas, und das impliziert, dass er die Welt, in der er lebt, nicht völlig unter Kontrolle hat. Wir sind nicht in der Welt, wie die Farbe in der Dose, sondern wir interagieren mit ihr. Wir erleben sie als freundlich oder feindlich. Diese Einsicht lässt die Auffassung von Selbstbestimmung fragwürdig werden, die diese Interaktion nicht beachtet und davon ausgeht, dass Selbstbestimmung bedeutet, dass sich der Mensch allein aus sich selbst bestimmt. 4 Als eine weitere Konsequenz aus der Einsicht in die Struktur der Erfahrung ergibt sich für D EWEY eine Kritik am rationalen Handlungsmodell, nach dem wir zunächst außerhalb der Handlungssituation unsere Ziele und Strategien bestimmen, 130 Lothar Bredella 5 Vgl. zum Verhältnis von Selbst- und Fremdbestimmung B REDELLA (2009). 38 (2009) um sie dann in ihr zu testen. Übrigens liegt das rationale Handlungsmodell auch der Anwendung von Lernstrategien bei O XFORD zugrunde. Für D EWEY erfasst es jedoch nicht, wie wir von der jeweiligen Situation, in der wir handeln, bestimmt werden. Daher stellt er dem rationalen das kreative Handlungsmodell gegenüber, das besagt, dass wir auf das, was uns widerfährt, kreativ antworten müssen. J OAS beschreibt das kreative Handeln bei D EWEY in folgenden Worten: Umgangssprachlich sagen wir, man ‚gerate‘ in eine Situation, sie ‚widerfahre‘ uns, sie stoße uns zu und wir sähen uns ‚vor sie gestellt‘. Damit drücken wir aus, daß die Situation etwas ist, das unserem Handeln (oder Lassen) vorausgeht, dieses aber auch herausfordert, weil sie uns ,angeht‘, uns interessiert oder ,betrifft‘ (J OAS 1996: 235 f). In dem kreativen Handlungsmodell müssen wir Ziele und Strategien ständig neu aufeinander beziehen. Wie schon angedeutet, verändert die Einsicht in die Struktur der Erfahrung, dass wir Selbstbestimmung dialektisch bestimmen müssen und nicht vergessen dürfen, dass wir in eine Welt hineingeboren werden, die vor uns da war und die uns bestimmt. In Sich bestimmen lassen: Ein revidierter Begriff von Selbstbestimmung betont Martin S EEL , dass wir nur sinnvoll von Selbstbestimmung reden können, wenn wir uns bestimmen lassen. Er nähert sich dem revidierten Begriff von Selbstbestimmung, indem er sich mit den Auffassungen von Selbstbestimmung bei Hume, Kant, Hegel, Heidegger und Nietzsche auseinander setzt und betont, dass Selbstbestimmung „auf einer sondierenden Unterscheidung von Möglichkeiten“ (S EEL 2002: 287) beruht. Und diese Möglichkeiten eröffnen sich nur demjenigen, der sich von den Situationen, in denen er steht, ansprechen und herausfordern lässt: Wer überhaupt etwas bestimmen will, sei es in theoretischer und praktischer Absicht, muss sich in mehrfacher Hinsicht bestimmen lassen durch die Materie, durch das Medium und durch das Motiv seiner Bestimmung. Jede erkennende Festlegung muss auf das eingehen, was jeweils Gegenstand ihrer Erkundung ist. (ibid.) Selbstbestimmung setzt voraus, dass man „ansprechbar und damit: irritierbar - durch die Welt, die anderen und sich selbst“ bleibt (ibid.: 295). Deshalb brauchen wir bildungsrelevante Gegenstände. Unter einer anderen Perspektive kann man sich der Selbstbestimmung dadurch nähern, dass man lernt, nach den Wünschen zu handeln, die man billigt und die somit mit dem eigenen Selbst- und Weltverständnis vereinbar sind. 5 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Inhalte bildungsrelevant sind, a) wenn sie uns anregen, Wünsche, Bedürfnisse und Emotionen zu artikulieren und den Spannungen zwischen Wünschen erster und zweiter Ordnung nachzugehen, und b) wenn sie uns etwas Neues erfahren lassen, das unsere Sichtweisen irritiert und uns die Welt unter einer anderen Perspektive sehen lässt. Diese Überlegungen zu bildungsrelevanten Inhalten will ich mit einigen Hinweisen zu einer Unterrichtseinheit über die Bürgerrechtsbewegung in den USA der 1950er und 1960er Jahre konkretisieren. Im Mittelpunkt der Unterrichts- Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 131 38 (2009) einheit steht die Autobiografie von Melba P ATTILLO B EALS Warriors Don’t Cry. Melba ist eine der neun schwarzen Schülerinnen, die in dem Schuljahr 1957/ 1958 die Central High School in Little Rock, Arkansas, unter dem Schutz von Soldaten besuchte. Präsident Dwight D. Eisenhower hatte 1000 Soldaten der 101st Airborne Devision nach Little Rock gesandt, nachdem sich der Gouverneur von Arkansas, Orval Faubus, geweigert hatte, die Schüler zu beschützen. Doch zuvor will ich in Teil 2 auf den historischen Kontext hinweisen. Für das interkulturelle Verstehen ist konstitutiv, dass wir den fremden Kontext rekonstruieren (vgl. B REDELLA [et al.] 2000 und B REDELLA 2007a). 2. Rekonstruktion der historischen Situation 1896 hatte der Supreme Court im Fall Plessy vs. Fergusson die Rassentrennung in den Südstaaten nach dem Grundsatz separate but equal als verfassungskonform anerkannt. Zu dieser Formulierung kommt es, weil das 13. Amendment der amerikanischen Verfassung von 1865 die Sklaverei verbietet und das 14. Amendement von 1868 festlegt, dass alle Bürger der USA gleiche Rechte besitzen. Separate but equal soll daher zum Ausdruck bringen, dass die Rassentrennung das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz nicht verletze. Immer wieder haben Organisationen der Schwarzen gegen diese Entscheidung protestiert. 1954 hebt der Supreme Court im Fall Brown vs. Board of Education of Topeca das Urteil von 1896 als verfassungswidrig auf. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Bürgerrechtsbewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Rassentrennung und die damit verbundene Diskriminierung von Schwarzen zu überwinden. Wichtig für die Schüler ist aber nicht nur, dass sie die historische Situation rekonstruieren, sondern auch, dass sie erfassen, wie die Betroffenen als „self-interpreting animals“ sie einschätzen. Daher finden sich in den Zusatzmaterialien auch Äußerungen von Betroffenen. Eine von ihnen lautet: My inner emotions must have been approximate to the Negro slaves, when they first heard about the Emancipation Proclamation. Elation took hold of me so strongly that I found it very difficult to refrain from yielding to an urge of jubilation. […]. On this momentous night of May 17, 1954, I felt that at last the government was willing to assert itself on behalf of first-class citizenship, even for Negroes. I experienced a sense of loyalty that I never felt before (in M ARTIN 1998: 36). Es gibt aber auch Äußerungen von Schwarzen, die das Urteil des Supreme Court nicht begrüßen, weil die Integration den Weißen aufgezwungen werden muss und weil man sich damit denen aufdrängt, die einen nicht wollen. Die Anthropologin und Schriftstellerin Zora Neal H URSTON schreibt: „How much satisfaction can I get from a court order for somebody to associate with me who does not wish me near them? “ (H URSTON in M ARTIN 1998: 33). Äußerungen dieser Art sind wichtig, weil sie verhindern, was beim interkulturellen Verstehen leicht geschieht, dass Menschen auf ihre kulturelle oder ethnische Identität reduziert werden und ihre persönliche Identität aus dem Blick gerät. Vielleicht wird man gegen die vorliegende Unterrichtseinheit über die Bürgerrechtsbewegung einwenden, dass sie zu einem negativen Amerikabild beitrage und damit 132 Lothar Bredella 38 (2009) gerade interkulturelles Verstehen behindere. Das scheint mir jedoch nicht der Fall zu sein. Sie zeigt vielmehr ein ambivalentes Amerikabild, wie es in den Worten von Melba zum Ausdruck kommt, die über die Ereignisse in Little Rock sagt: „I felt proud and sad at the time. Proud that I lived in a country that would go this far to bring justice to a Little Rock girl like me, but sad that they had to go to such great lengths“ (P ATTILLO B EALS 1995: 95). Die Schwarzen erfahren bei ihrem Prostest gegen die Rassentrennung nicht nur den hasserfüllten Widerstand der Weißen, sondern erfahren auch, dass sie von Weißen unterstützt werden. Weiße Richter entscheiden gegen den Gouverneur von Arkansas. Ein weißer Schüler rettet Melba das Leben, als er ihr den Schlüssel seines Autos zuwirft, in dem sie fliehen kann. Der für Melbas Sicherheit verantwortliche Soldat Danny, der sie mehrmals durch sein entschlossenes Eingreifen rettet, ist ein Weißer und wird von Weißen beschimpft, weil er sie beschützt. Auch zeigt die Bürgerrechtsbewegung, dass das Bewusstsein von Menschen verändert werden kann. 1957 verwehrt Gouverneur Faubus den schwarzen Schülern den Zugang zur Central High School; 1987 werden sie von Gouverneur Bill Clinton in dieser Schule willkommen geheißen. 1997 erfolgt die Einladung in die Schule durch Bill Clinton als Präsidenten der Vereinigten Staaten. Insofern gehört zum interkulturellen Verstehen auch die Einsicht in die Veränderbarkeit von Kulturen. Zu den Zusatzmaterialien für die Rekonstruktion der historischen Situation gehören Reden von Martin Luther King und Malcolm X. King hielt die ausgewählte Rede 1955 am Beginn des Busboykotts in Montgomery, Alabama. In ihr sucht er diejenigen, die sich dem Boykott anschließen, auf den Wert der „non-violence“ zu verpflichten. Malcolm X dagegen lehnt in den beiden ausgewählten Auszügen die Aufforderung zur „non-violence“ als kriminell ab und fordert zur „self-defense“ auf. Bevor ich mich dem Konflikt zwischen „non-violence“ und „self-defense“ zuwende, will ich aufzeigen, wie King diejenigen, die an dem Busboykott teilnehmen, von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu überzeugen sucht. Wer an ihm teilnimmt, handelt in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Supreme Court von 1954, in Übereinstimmung mit der amerikanischen Verfassung und der christlichen Religion: „And we are not wrong, we are not wrong in what we are doing. If we are wrong, then the Supreme Court of this Nation is wrong. If we are wrong, the Constitution of the United States is wrong. If we are wrong, God Almighty is wrong“ (King zitiert in C ARSON [et al.] 1991: 50). Diese Worte zeigen, wie wichtig das Selbstverständnis der Handelnden ist und dass King es versteht, die expressive und appellative Sprachfunktion erfolgreich einzusetzen. Wie kann es jedoch innerhalb der Bürgerrechtsbewegung dazu kommen, dass der Begriff der „non-violence“ so unterschiedlich interpretiert werden kann? Aus der Sicht von King verspricht diese Strategie Erfolg, weil die weiße Mehrheit es nicht hinnehmen wird, wenn sie in den Medien sehen, wie gewaltfrei protestierende Schwarze zusammengeschlagen werden. Sie werden daher die Gesetze, die ihrem eigenen Selbstverständnis widersprechen, verändern. Malcolm X betrachtet jedoch „non-violence“ als kriminell, weil sie Weißen die Botschaft vermittelt, dass Schwarze sich nicht wehren, wenn sie zusammengeschlagen und getötet werden: „If that’s how ‚Christianity‘ is interpreted, if that’s what Gandhian philosophy teaches, well, then I will call them criminal philoso- Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 133 38 (2009) phers“ (Malcolm X 1965: 484). Malcolm X plädiert daher für „self-defense“ und macht sich über das Ziel der Bürgerrechtsbewegung, die Rassentrennung zu überwinden, lustig: „It’s the only revolution in which the goal is a desegregated public toilet; you can sit down next to white folks - on the toilet. That’s no revolution“ (Malcolm X in B REITMAN 1990: 9). „Non-violence“ und „self-defense“ sind aber nicht nur Strategien, mit denen King und Malcolm X die Abschaffung von Diskriminierung erreichen wollen, sondern auch Werte, die auf ein unterschiedliches Selbst- und Weltverständnis hinweisen. Für King bringt es zum Ausdruck, dass die Vertreter der Bürgerrechtsbewegung ihren Gegnern moralisch überlegen sind: My friends, don’t let anybody make us feel that we ought to be compared in our actions with the Ku Klux Klan, or with the White Citizen’s Councils. There will be no crosses burned at any bus stop in Montgomery. There will be no white persons pulled out of their homes and taken out to some distant road and murdered (King in C ARSON [et al.] 1991: 49). „Non-violence“ ist aber nur ein Wert, wenn er Weiße zu beeindrucken vermag und sie sich mit den Schwarzen solidarisieren. Wenn diese Reaktion ausbleibt, erscheint „nonviolence“ in der Tat kriminell. Aber auch die Aufforderung zur „self-defense“ ist kriminell, wenn Schwarze nicht die Mittel besitzen, um sich wirkungsvoll verteidigen zu können (s. B REDELLA 2002a: 119-122). Es liegt hier im Sinne von D EWEY eine kreative Handlungssituation vor: King und Malcolm X stehen in Situationen, die sie nicht unter Kontrolle haben und in denen sie auf die jeweiligen Herausforderungen kreativ antworten müssen. 3. Die Autobiografie Warriors Don’t Cry Melba Beals ist eine der neun Schülerinnen, die ausgewählt wurden, um die Central High School in Little Rock, Arkansas, zu besuchen und damit die Integration von schwarzen Schülern in weißen Schulen einzuleiten. Was sich dabei abspielte, hat nationale und internationale Aufmerksamkeit gewonnen. Am 2. September 1957, an dem die neun Schüler aufgenommen werden sollten, hatten sich Integrationsgegner versammelt, um die schwarzen Schüler am Betreten der Schule zu hindern. Zudem setzte Gouverneur Faubus 250 Soldaten der Nationalgarde ein, um den schwarzen Schülern den Zugang zur Schule zu verweigern. Eine der Schülerinnen, die nicht davon unterrichtet wurde, dass man unter den gefährlichen Bedingungen nur gemeinsam unter dem Schutz von Vertretern der Schwarzen zur Schule gehen sollte, näherte sich allein der Schule und geriet in den weißen Mob. Die Soldaten vor der Schule helfen ihr nicht, als der Mob sie angreift. Da die Auseinandersetzung um die Integration viele Journalisten angezogen hatte, gingen die Bilder von dem Angriff des Mobs auf die Schülerin um die Welt und zeigten ein rassistisches Amerika, das im Kalten Krieg den Anspruch erhob, sich für die Freiheit einzusetzen. In den nächsten Tagen erreichten die Vertreter der Schwarzen vor Gericht, dass Gouverneur Faubus den neun Schülern den Zugang zur Central High School am 23. 134 Lothar Bredella 38 (2009) September gewähren müsse. An diesem Tag zog er jedoch die Soldaten der Nationalgarde ab und überließ dem weißen Mob das Feld. Mit diesem Schachzug wollte er beweisen, dass die Integration nicht gegen den Willen der Mehrheit der weißen Bevölkerung durchzusetzen sei. Doch gefährdete er damit das Leben der neun Schüler und ihrer Begleiter. Als Präsident Eisenhower realisiert, dass Gouverneur Faubus nicht bereit ist, den Gerichtsbeschluss auszuführen, sendet er 1000 Soldaten der 101st Airborne Devision nach Little Rock, die am 24. September dafür sorgen, dass die neun Schüler die Schule betreten können. Gouverneur Faubus kommentierte die Anwesenheit der Soldaten in Little Rock in einer Radioansprache mit folgenden Worten: „We are now an occupied territory. In the name of God, whom we all revere, in the name of liberty we hold so dear, in the name of democracy which we all cherish, what’s happening in America“ (P ATTILLO B EALS 1995: 91). Die Ereignisse in Little Rock beschwören eine Verfassungskrise zwischen dem Gouverneur und dem Präsidenten herauf. In der Autobiografie Warriors Dont’ Cry wird von den historischen Ereignissen berichtet (es finden sich in ihr auch Ausschnitte aus Zeitungen und Radiosendungen). Entscheidend ist jedoch, dass die Autorin darstellt, wie sie die Ereignisse erlebt und dabei ihre Gefühle, Gedanken und Handlungsmotive artikuliert, und zwar mit einer Differenziertheit und Komplexität, wie dies in interpersonalen Begegnungen und Interviews nicht möglich ist. Für Autobiografien und literarische Texte ist somit der Bezug auf die erlebende Person konstitutiv. Sie stellen in konkreten Handlungsvollzügen dar, was Menschen widerfährt und wie sie darauf antworten. Damit werden die Leser angeregt, das Dargestellte auf ihre konkreten Lebensbezüge und ihre Kultur zu beziehen. Daher könnte eine Form von Aufgaben darin bestehen, dass die Schüler die Frage beantworten: Was hätte ich in bestimmten Situationen an Melbas Stelle gedacht und gefühlt? Wie hätte ich an ihrer Stelle gehandelt? Auf diese Weise können die Schüler etwas über sich selbst entdecken und sich fragen, welches Licht die in der Autobiografie dargestellte Welt auf ihre Welt wirft? Eine andere Form von Aufgaben, die die Schüler besonders in den Interaktionsprozess involvieren können, kann darin bestehen, dass sie bestimmte Leerstellen füllen. Melba schreibt in ihrem Tagebuch: „If only he [Gouvernor Faubus] will listen to me one minute, I can make him understand there is nothing so bad about me that he shouldn’t allow white children to go to school with me“ (ibid.: 61). Das, was Melba ihm sagen will, wird in dem Text nicht ausgeführt. Daher die Aufgabe an die Schüler: Was könnte sie ihm sagen, und wie würde er wohl darauf reagieren? Was zeigen die von den Schülern geschriebenen Texte: Wie wird Melba beschrieben? Kann sie sich gegen den Gouverneur behaupten? Wie verhält sich der Gouverneur? Arrogant oder verständnisvoll? Welche Argumente bringt Melba für die Aufhebung der Rassentrennung vor? Spricht sie von ihren persönlichen Hoffnungen, die sie mit der Aufhebung der Rassentrennung verbindet und von denen sich die Weißen nicht zu fürchten brauchen? Wie würde wohl der Gouverneur reagieren, wenn Melba ihn mit den folgenden Worten aus der „Declaration of Independence“ konfrontierte: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness“. Es sind diese Werte, die zum amerikanischen Selbstverständnis gehören, auf die sich die Bürgerrechts- Bildungsrelevante Inhalte beim fremdsprachlichen Lernen und interkulturellen Verstehen 135 6 Weitere Aufgaben in B REDELLA (2002b, 34-36). 38 (2009) bewegung beruft und die auch Melbas Denken und Handeln ganz entscheidend bestimmen. Ich habe hier einige Aufgaben erwähnt 6 , die helfen können, das Potenzial der Autobiografie zu entfalten. Aber man darf sie auch nicht überschätzen, sondern sollte darauf vertrauen, dass Schriftsteller geschickt darin sind, ihre Rezipienten in das Geschehen zu involvieren. Es wäre fatal, wenn Schüler den Eindruck gewönnen, dass ihnen erst Aufgaben gestellt werden müssen, bevor sie Autobiografien und literarischen Texte verstehen können. In der Einleitung habe ich aufgezeigt, dass in bildungspolitischen Veröffentlichungen der Gegenwart bildungsrelevante Inhalt keine Rolle spielen und zugunsten formaler Kompetenzen, die outputorientiert in Tests überprüft werden, abgewertet werden. In Teil 1 habe ich Merkmale bildungsrelevanter Inhalte hervorgehoben. Inhalte sind bildungsrelevant, wenn sie Schüler anregen, ihre Wünsche und Emotionen und die Spannungen zwischen Wünschen erster und zweiter Ordnung zu artikulieren. Auf diese Weise können sie ihre Urteilskraft schärfen und ihre individuelle Identität ausbilden. Damit treten die expressive und appellative Sprachfunktion in den Mittelpunkt, die in den outputorientierten Bildungsstandards kaum beachtet werden. Inhalte sind ferner bildungsrelevant, wenn durch sie die Schüler herausgefordert und irritiert und damit zum kreativen Handeln motiviert werden. In Teil 2 und 3 zeige ich bei den Hinweisen zur Unterrichtseinheit über die Bürgerrechtsbewegung auf, wie die ausgewählten Texte bildungsrelevant werden können, indem die Schüler den historischen Kontext rekonstruieren, unterschiedliche Sichtweisen erschließen und zu ihnen Stellung nehmen, wobei sie Bezüge zum eigenen Selbstverständnis und zur eigenen Kultur herstellen. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Didaktik des fremdsprachlichen Lernens und des interkulturellen Verstehens, die Bildungsrelevanz ihrer Gegenstände zu erhellen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, Methoden und Aufgaben zu entwickeln, die es möglichen, deren Potenzial zur Entfaltung zu bringen. Literatur BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Bonn. B REDELLA , Lothar (2002a): Literarisches und interkulturelles Verstehen. Tübingen: Narr. B REDELLA , Lothar (2002b): „Die Autobiografie Warriors Don’t Cry“. 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S EEL , Martin (2002): „Sich bestimmen lassen. Ein revidierter Begriff von Selbstbestimmung“. In: Ders.: Sich bestimmen lassen. Studien zur theoretischen und praktischen Philosophie. Frankfurt/ M.: Suhrkamp. T AYLOR , Charles (1999): Human Agency and Language. Philosophical Papers 1. Cambridge: Cambridge UP. * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. em. Dieter W OLFF , Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich A, Gaußstr. 20, 42097 W UPPERTAL . E-mail: wolff.dieter@t-online.de Arbeitsbereiche: Lernerautonomie, Neue Technologien und Fremdsprachenunterricht, Zweitsprachliches Verstehen, Bilingualer Sachfachunterricht. 38 (2009) D IETER W OLFF * Strategien im bilingualen Sachfachunterricht Abstract. In my contribution I will first discuss the concept of content and language integrated learning (CLIL). I will show that it is a methodological approach which is characterised in particular by the integration of two subjects, a language and a content subject. My focus is on the concept of integration which has not been investigated very thoroughly yet. In the second part I will start out with a short survey of the present discussion on strategies and then argue that both classroom discourse processes and learning processes are controlled by strategies. The last part of my paper deals with strategies in content and language integrated learning: learning strategies with the help of which the learner controls the learning of the foreign language and the content subject, and discourse strategies used both by teachers and learners to control the process of negotiating meaning. 1. Einleitung Der bilinguale Sachfachunterricht beginnt sich in fast allen Ländern Europas als ein neues didaktisches Konzept zu etablieren (vgl. W OLFF 2007). Content and Language Integrated Learning (CLIL), wie der Ansatz im Englischen genannt wird, basiert auf dem Prinzip, in institutionalisierten Lernkontexten Sachfächer in einer anderen als der ersten Sprache der Lernenden zu unterrichten. Dieses Prinzip führt in den europäischen Erziehungssystemen zu unterschiedlichen Varianten, die abhängig sind von Parametern wie der sprachlichen Situation in dem jeweiligen Land (d.h. ob dort nur eine oder mehrere Sprachen gesprochen werden), der Integration des Konzeptes in das Erziehungssystem, der Länge des Unterrichts oder auch der Altersstufe, in der der Unterricht angeboten wird (vgl. hierzu W OLFF 2009). Seit der bilinguale Sachfachunterricht seinen Charakter als Nischenkonzept bzw. fringe methodology verloren hat, ist das Interesse an erwerbspsychologischen und didaktischmethodischen Fragestellungen gewachsen, die sich aus seinem integrativen Charakter ergeben. Denn es geht, wie später noch ausführlicher darzustellen sein wird, im bilingualen Sachfachunterricht nicht um Fremdsprachen- oder Sachfachunterricht, sondern um die Integration eines Sachfachs und einer Sprache. Neben den „alten“ Fragestellungen, die aus der Fremdsprachendidaktik und der Sachfachdidaktik bekannt sind und die zweifellos auch für den bilingualen Unterricht gestellt werden müssen, entstehen durch seinen 138 Dieter Wolff 1 Zu Ergebnissen vgl. die von B ACH , B REIDBACH und W OLFF herausgegebene Reihe „Mehrsprachigkeit in Schule und Unterricht“, in der inzwischen acht Bände vorliegen. 38 (2009) integrativen Charakter auch neue, deren Beantwortung noch aussteht bzw. die erst seit wenigen Jahren bearbeitet werden 1 . Das in der Fremdsprachendidaktik intensiv diskutierte Konzept der Strategie, das im Mittelpunkt des vorliegenden Themenheftes steht, wird, wie ausführlicher darzulegen ist, auch im bilingualen Sachfachunterricht thematisiert. Wie dort unterscheidet man auch im bilingualen Unterricht zwischen Lernstrategien sowie Diskurs- oder Kommunikationsstrategien. Erstere steuern die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler, letztere den Unterrichtsdiskurs und werden sowohl von den Lehrenden wie den Lernenden eingesetzt. Wie D ALTON -P UFFER (2007) zu Recht darlegt, gilt diese Unterscheidung für jede Form von Unterricht, bezieht sich also nicht ausschließlich auf Fremdsprachenunterricht oder einen in der Fremdsprache geführten Sachfachunterricht. In meinem Beitrag möchte ich zunächst einige Anmerkungen zum bilingualen Sachfachunterricht machen, ihn als eine Lernumgebung vorstellen, innerhalb derer man traditionell aber auch sehr modern unterrichten kann. In meinen Überlegungen soll dabei insbesondere das Konzept der Integration in den Vordergrund gerückt werden, das in seiner Tragweite für den bilingualen Unterricht bisher nur wenig beachtet wurde. Im dritten Abschnitt geht es mir dann um das für meinen Beitrag zentrale Konzept, die Strategie. Nach einem kurzen Überblick über die gegenwärtige Diskussion zum Strategiebegriff soll gezeigt werden, dass sowohl Diskurse wie auch Lernprozesse immer strategienbestimmt sind, ob sie nun im Klassenzimmer stattfinden oder nicht. Im vierten Abschnitt geht es mir dann um Strategien im bilingualen Unterricht, um Lernstrategien, die für das Lernen von Sprache und Sachfachinhalten verantwortlich sind, und um Diskursstrategien, die das Unterrichtsgespräch steuern. 2. Zum didaktischen Konzept des bilingualen Sachfachunterrichts Die dem Eurydice-Bericht der Europäischen Union zum bilingualen Unterricht zugrunde gelegte Definition des Konzeptes soll auch hier als Einstieg in die Diskussion dienen. Sie lautet: The acronym CLIL is used as a generic term to describe all types of provision in which a second language (a foreign, regional or minority language and/ or another official state language) is used to teach certain subjects in the curriculum other than language lessons themselves. (E URYDICE 2006: 8) Diese Definition deckt, wie andernorts ausführlicher dargelegt wurde (W OLFF 2009), das breitest mögliche Spektrum an Formen von Sachfachunterricht in einer anderen Sprache als der Muttersprache der Lernenden ab. Sie trifft keine Festlegung im Hinblick auf die Unterrichtssprachen und auch nicht auf die Unterrichtsfächer. Sie macht auch keine methodisch-didaktischen Vorgaben; d.h. sie präzisiert nicht, nach welchen Verfahren Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 139 2 Vgl. insbesondere das sechste Kapitel dieser lesenswerten Studie, deren Ausgangspunkt eine Analyse des sprachlichen Lernens ist, die dann in eine Bewertung des sachfachlichen Lernens einmündet. 38 (2009) bilingualer Unterricht gestaltet werden soll. Die Vorteile dieser Definition liegen auf der Hand: ihre Breite ermöglicht es, doch recht unterschiedliche Formen bilingualen Unterrichtens miteinander zu verbinden. Die Nachteile der Definition sind ebenso offenkundig; haben sie doch dazu geführt, dass der bilinguale Sachfachunterricht heute selbst von Fachleuten unterschiedlich interpretiert wird. Besonders häufig ist die Vorstellung verbreitet, der bilinguale Sachfachunterricht sei verstärkter Fremdsprachenunterricht und führe deshalb zu überdurchschnittlichen fremdsprachlichen Kompetenzen. Weniger verbreitet ist die Annahme, der bilinguale Sachfachunterricht sei ein reiner Sachfachunterricht, in welchem statt der Muttereben die fremde Sprache als Arbeitssprache verwendet werde. Die erste Annahme findet sich eher im schulischen Primar- und Sekundarbereich, letztere ist eher im Tertiärbereich (Berufsbildung und Hochschulwesen) vertreten. Man kann solchen Vorstellungen anhängen und Unterrichtsansätze entwickeln, die ihnen genügen; man verkennt aber damit das wahre Potenzial des bilingualen Unterrichts, das in der Integration von Sprache und Sachfachinhalten liegt. Der bilinguale Sachfachunterricht im eigentlichen Sinne tritt mit der Zielsetzung an, sowohl die Entwicklung von fremdsprachlichen als auch von sachfachlichen Kompetenzen zu fördern; d.h. seine Vertreter sind der Meinung, dass sowohl für die Entwicklung sprachlicher wie auch sachfachlicher Kompetenzen ein Mehrwert zu erwarten ist. Wie wenig der integrative Charakter des bilingualen Sachfachunterrichts bisher wirklich in das Bewusstsein der Fachwelt getreten ist, zeigt allein schon der Blick auf die Vielzahl der abgeschlossenen und laufenden Forschungsprojekte, die sich zum größten Teil mit dem Mehrwert dieses Konzeptes für das sprachliche Lernen beschäftigen (vgl. zum Beispiel die Beiträge im Sammelband von M ARSH / W OLFF (2007)). Nur gering ist die Zahl der Projekte, die den Mehrwert für das sachfachliche Lernen erforschen, hier ist z.B. L AMSFU ß-S CHENK (2008) zu nennen. Die Arbeit von Z YDATI ß (2007) zeigt überzeugend, dass der sprachliche Mehrwert des bilingualen Unterrichts immer auch ein sachfachlicher Mehrwert ist 2 und dass man bilingualen Unterricht nur integriert untersuchen und bewerten sollte. Es stellt sich an dieser Stelle natürlich die Frage, was Integration von Sprache und Inhalt im bilingualen Sachfachunterricht eigentlich bedeutet und ob bzw. gegebenenfalls wie sich das Konzept der Integration im Unterrichtsgeschehen zeigt. Denn nur, wenn man diese Frage beantwortet, kann man das strategische Verhalten von Lehrern und Schülern im bilingualen Klassenzimmer identifizieren und entsprechend würdigen. Bei der Beantwortung dieser Frage muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass bilingualer Unterricht nicht grundsätzlich auf eine bestimmte methodische Vorgehensweise festgelegt ist. Wenn man sich in der Praxis umschaut, findet man die unterschiedlichsten Formen: transaktionale Formen, d.h. die Lehrperson stellt den Unterrichtsinhalt in Vortragsform dar, die Lernenden bleiben weitgehend rezeptiv; interaktionale Formen, d.h. die Lehrperson und die Lernenden erarbeiten im Unterrichtsgespräch gemeinsam den 140 Dieter Wolff 3 Dies ist die am häufigsten auftretende Form, die in der englischen Fachdidaktik weniger positiv auch als teacher-controlled interaction bezeichnet wird. 38 (2009) Unterrichtsinhalt 3 ; und schließlich stärker autonom ausgerichtete Formen, d. h. die Lernenden erarbeiten die Unterrichtsinhalte in Kleingruppen und stellen ihre Ergebnisse anschließend der Klassengemeinschaft vor. Diese verschiedenen Unterrichtsformen sind aus institutionalisierten Lernkontexten wohl bekannt und finden sich sowohl im Fremdsprachenunterricht wie auch im Sachfachunterricht. Wenn man Integration von Sprache und Inhalt, die z.B. von G AJO (2007: 564) „as a complex interactional and discursive process relevant to both the language(s) and the subject“ definiert wird, im bilingualen Klassenzimmer verwirklichen will, kann man allerdings nur auf die letzten beiden Unterrichtsformen zurückgreifen. Entscheidend für das Verständnis des integrativen Ansatzes ist zunächst einmal, dass sein Ausgangspunkt das Sachfach ist. Seine Inhalte bestimmen nicht nur die Vermittlung der sachfachlichen, sondern auch der sprachlichen Kompetenzen. In einer gerade erschienenen Didaktik des bilingualen Unterrichts wird dies so formuliert: „Language outcomes are driven by content“ (M EHISTO / M ARSH / F RIGOLS 2008: 103); und in einem anderen Handbuch heißt es: „Für die zweisprachig unterrichteten Fächer werden nicht zwei Arten von Lernzielen definiert. Die sprachliche Wertschöpfung wird mehrheitlich als Nebenwirkung des bilingualen Unterrichts angesehen“ (J ANSEN O’D WYER 2007: 31). Trotzdem aber betonen beide Didaktiken, dass Sprachlehr- und Lernprozesse im konkreten Unterrichtsgeschehen eine zentrale Rolle einnehmen müssten. Im Gegensatz zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht, der auch in seiner kommunikativen Variante sprachbezogen vorgeht und Sprache auf der Grundlage einer formalen (grammatischen) oder pragmatischen (sprechaktorientierten) Progression systematisch vermittelt und den zu transportierenden Inhalten eine eher sekundäre Rolle zuteilt, stellt der bilinguale Sachfachunterricht die Inhalte in den Vordergrund und teilt der Sprache die dienende Funktion zu, die ihr auch in natürlichen Gebrauchskontexten zukommt. Konkret bedeutet dies, dass auf Sprache im Unterricht dann explizit eingegangen wird, wenn es zum Verständnis der Inhalte erforderlich ist. Es bedeutet auch, dass im bilingualen Sachfachunterricht keine sprachliche Progression vermittelt wird bzw. vermittelt werden kann. Die fremde Sprache wird in den Sachfachunterricht dann integriert, wenn mit Unterrichtsmaterialien gearbeitet wird, für welche die Schüler eine sprachliche Hilfestellung benötigen, wobei diese Hilfestellung punktuell (z.B. Erklären eines Fachbegriffs) oder übergreifend (z.B. Hilfen zur Beschreibung einer Tabelle, eines Graphen) angelegt sein kann. Es versteht sich fast von selbst, dass schülerorientiert ausgerichtete Unterrichtsansätze diese Form von Integration eher leisten können (vgl. hierzu W OLFF 2003). Die von C LOUD / G ENESEE / H AMAYAN (2000) getroffene Unterscheidung zwischen content-obligatory und content-compatible language competence zeigt allerdings ein Dilemma dieser methodischen Vorgehensweise. Content-obligatory language competence ist die Sprachkompetenz, die der Lernende unbedingt haben muss, um die Sachfachinhalte, die im Unterricht angesprochen werden, in der fremden Sprache verarbeiten zu können. Content-compatible language competence zeigt sich, wenn die Lernenden ihre Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 141 4 Vgl. hierzu auch die Empfehlungen von Zydatiß in Z YDATI ß (2007: 384 ff). 38 (2009) eigenen Gedanken in der fremden Sprache auszudrücken versuchen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob es möglich ist, diese beiden Kompetenzen im bilingualen Unterricht allein auf der Basis des eben skizzierten methodischen Ansatzes zu vermitteln, wie dies nicht selten bei der Implementierung bilingualer Zweige angedacht wird. Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet. So gibt es durchaus Versuche, den Erwerb der Sprache und den Erwerb der Inhalte gleichzeitig zu ermöglichen, also mit dem Sachfach auf einem fremdsprachlichen Nullniveau zu beginnen. In anderen Ansätzen werden Vorkenntnisse in der fremden Sprache in so genannten Vorkursen (verstärkter Unterricht in der Fremdsprache, bevor der eigentliche bilinguale Unterricht beginnt) vermittelt. Dies erscheint als der richtige Weg, der allerdings nicht überall begehbar ist. So erfolgt der Unterricht in Ländern wie Südafrika oder auch Indien schon in der Grundschule in einer den Lernenden zunächst fremden Sprache (dem Englischen), weil diese meist keine gemeinsame Sprache haben und deshalb die Schulsprache parallel zum Erwerb der Sachfachinhalte lernen. Für den europäischen Kontext, in dem Vorkenntnisse in der Zielsprache meist vorliegen, wenn mit dem Sachfachunterricht begonnen wird, darf nicht vergessen werden, dass neben dem bilingualen Unterricht der Unterricht in der Fremdsprache weitergeführt wird bzw. weitergeführt werden sollte. 4 Auf die Besonderheiten des bilingualen Sachfachunterrichts in der Grundschule in Europa möchte ich hier nicht eingehen. 3. Einige Anmerkungen zum Strategiebegriff Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit dem Konzept der Strategie. Ich unterteile ihn in Anmerkungen zu den Lernstrategien und Anmerkungen zu den Diskursstrategien, wobei diese Trennung vor allem der besseren Übersichtlichkeit dient. Denn nicht nur T ÖNSHOFF (2003) hat deutlich gemacht, dass Diskursstrategien durchaus auch lernstrategischen und Lernstrategien durchaus auch diskursstrukturierenden Charakter haben. Die auch gängige Bezeichnung Lernerstrategien beschränkt die Diskussion auf das schulische Klassenzimmer und klammert das natürliche Diskursverhalten (wie auch das „natürliche“ Lernverhalten) aus. Meine Überlegungen zu den Lernstrategien gehen von natürlichen Lernprozessen aus und leiten dann zum schulischen Lernen über. Ebenso gehe ich bei den Diskursstrategien vom natürlichen Diskurs aus. Die von E LLIS (1994: 295) vorgeschlagene allgemeine Definition des Begriffs Strategie rechtfertigt diese Unterteilung und die Vorgehensweise: In general, the term is used to refer to some form of activity, mental or behavioural, that may occur at a specific stage in the overall process of learning and communicating. In meinen eigenen Überlegungen (vgl. z.B. W OLFF 2002: 61) gehe ich von der Verwendung der Begriffe Strategie und Prozess aus und verstehe unter Prozessen die impliziten 142 Dieter Wolff 38 (2009) mentalen Operationen, die bei jeder Art von Informationsverarbeitung eingesetzt werden. Die Strategien sind die Instanzen, die diese Operationen steuern; sie sind auf einer höheren Ebene der Bewusstheit angesiedelt. 3.1 Lernstrategien Bettina Mißler macht in ihrer Arbeit (M I ß LER 1999: 126) deutlich, dass Lernstrategien zunächst einmal als Strategien verstanden werden müssen, die der Informationsverarbeiter in natürlichen Kontexten verwendet, um Informationen zu enkodieren, die sprachlich oder vor allem auch nichtsprachlich kodiert sind. Er verarbeitet diese Informationen mit Hilfe seiner Lernstrategien und entscheidet, ob und in welcher Form er sie in seinem Gedächtnis speichern möchte. Die Wissenspsychologie hat sich mit dem Wissenserwerb schon seit den achtziger Jahre intensiv beschäftigt: der Verarbeitungs- oder Enkodierungsprozess wird als aus vier Komponenten bestehend verstanden: Auswahl (Aufmerksamkeitslenkung, Aufnahme und Transfer der Informationen ins Arbeitsgedächtnis), Aneignung (Überführung der Information vom Kurzzeitins Langzeitgedächtnis), Konstruktion (Herstellen von Verbindungen zwischen den aufgenommenen Ideen) und Integration (Suche nach vorhandenem Wissen im Langzeitgedächtnis, um Verknüpfungen zwischen diesem und dem neuen Wissen zu etablieren) (W EINSTEIN / M AYER 1986). Ähnlich haben N ORMAN / R UMELHART (1975) den Enkodierungsprozess als eine Abfolge in drei Stufen verstanden, der Stufe des Zuwachses (accretion), der Stufe des Strukturierens (structuring) und der Stufe des Anpassens (tuning) (vgl. hierzu auch W OLFF 2002: 67 ff). Die Überführung der Informationen von jeder Stufe zur nächsten wird durch Strategien bewirkt. Unter den verschiedenen Definitionsversuchen im Hinblick auf den Begriff Lernstrategie greife ich den von M I ß LER (1999: 122) heraus. Sie entwickelt die folgende Definition: Lernstrategien werden als multidimensionales Konstrukt verstanden, d.h. es sind u.a. kognitive, metakognitive, affektive und soziale Aspekte beteiligt. [...] Der Lerner sucht aus seinem Repertoire an Lernstrategien diejenigen aus, die er für das Erreichen eines bestimmten Ziels, d.h. für das Lösen einer zu bewältigenden Aufgabe, für angemessen hält. Mißler richtet ihre Definition insbesondere an den Überlegungen von O’M ALLEY / C HA - MOT (1990) und O XFORD (1990) aus, die Strategienrepertoires von Zweitsprachenlernern beschreiben. Oxfords Klassifizierung ist besonders ausgefeilt; sie unterscheidet Gedächtnisstrategien, kognitive Strategien, Kompensationsstrategien, metakognitive, affektive und soziale Strategien, die alle dem Lernen dienen. Die in der amerikanischen L2-Forschung entwickelten Strategienraster beruhen weitgehend auf empirischen Untersuchungen. Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 143 38 (2009) 3.2 Diskurs-/ Kommunikationsstrategien Wie die Lernstrategien so sollen auch die Diskurs-/ Kommunikationsstrategien zunächst aus der Sicht des natürlichen Diskurses betrachtet werden, bevor dann im nächsten Abschnitt der Blick auf den Unterrichtsdiskurs gelenkt wird. Unter den vielen Überlegungen, die es zum natürlichen Diskurs gibt, (z.B. H ALLIDAY / H ASAN 1976, S TUBBS 1983), erscheinen mir die von H.H. C LARK (1996) besonders einleuchtend zu sein. Er bezeichnet den Diskurs als den Typ gemeinsamer Handlungen von Menschen (joint activities), in welchem Sprache die zentrale Rolle spielt. Entscheidend ist für ihn, dass Diskurs immer handlungsorientiert ist, dass die Beteiligten an einem Diskurs - Sprecher und Zuhörer, aber auch Schreiber und Leser - gemeinsam an seinem Gelingen arbeiten. Wenn etwas gemeinsam (jointly) stattfindet, dann kann das nur geschehen, wenn die Beteiligten strategisch vorgehen, d.h. Strategien einsetzen, um den gemeinsamen Prozess des Entstehens von Bedeutung aus ihrer Sicht zu steuern. Im Verlauf seines Buches zeigt Clark, dass die face-to-face conversation als Grundform jeden natürlichen Diskurses durch eine Vielzahl von Strategien gesteuert wird, u.a. Strategien, welche die gemeinsame Konstruktion von Bedeutung leisten, indem sie diesen Prozess koordinieren, Strategien, mit welchen die Teilnehmer den common ground, also den gemeinsamen Wissenshintergrund ihrer Interaktionen ausloten, Strategien, welche die verschiedenen Ebenen der Interaktion steuern, also Sprache, Gestik, Mimik, Körperbewegung, und Strategien, welche die soziale Ebene konstruieren, auf der die Interaktion stattfindet. Dabei macht Clark die wichtige Feststellung, dass der Gebrauch dieser Strategien durch den Verlauf der Interaktion gesteuert wird, d.h. nur selten können sich die Interaktanden schon zu Beginn eines Gesprächs auf ein bestimmtes strategisches Vorgehen festlegen; die Wahl der Strategien wird durch den Verlauf des Gesprächs bestimmt und muss immer wieder neu stattfinden. Dies macht eine face-to-face conversation nicht nur zu einem Prozess der Bedeutungskonstruktion, sondern darüber hinaus zu einer gemeinsamen Handlung. Wichtig erscheint auch, dass Clark wiederholt darauf hinweist, dass viele natürliche Diskurse sich durch zwei Ebenen charakterisieren lassen; auf der einen geht es um den Austausch von Informationen und Befindlichkeiten, auf der anderen hingegen um eine Analyse des gerade stattfindenden Diskurses. Diesen Gedanken hat Clark auch in vielen anderen Veröffentlichungen vertreten: miteinander kommunizieren bedeutet immer auch, den gemeinsamen Diskurs in der (sprachlichen und parasprachlichen) Interaktion zu analysieren, um ihn erfolgreich zu machen. 3.3 Unterrichtsdiskurs und Diskurs-/ Lernstrategien In der Diskursforschung wird dem Unterrichtsdiskurs eine besondere Stellung zugesprochen. C LARK (1996: 8) ordnet ihn den non-personal settings zu (professor A lectures to students in class B), bezeichnet ihn aber in Anlehnung an Fillmore nur als eine Abweichung der face-to-face conversation. Rod E LLIS weist in seinen Arbeiten zum Zweitsprachenerwerb (vgl. z.B. 1994) darauf hin, dass es gewichtige Unterschiede zwischen dem natürlichen Diskurs und dem Unterrichtsdiskurs gibt: „The discourse that results 144 Dieter Wolff 38 (2009) from trying to learn a language is different from that which results from trying to communicate“ (E LLIS 1994: 580). Obwohl sich diese Aussage auf das Sprachenlernen bezieht, hat sie Gültigkeit auch für andere Unterrichtsdiskurse. Auch der Unterrichtsdiskurs folgt bestimmten Diskursregeln und wird von Strategien bestimmt, die von den Teilnehmern am Diskurs eingesetzt werden. Sowohl Diskurswie auch Lernstrategien treten in allen Unterrichtskontexten und allen Unterrichtsfächern auf. Während an der Konstruktion des Unterrichtsdiskurses Lernende und Lehrende beteiligt sind, sind Lernprozesse allein auf die Lernenden und ihre strategischen Verhaltensweisen bei der Verarbeitung von Wissen und der Entwicklung von Können bezogen. Es darf allerdings dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass Diskursstrategien, insbesondere wenn sie von der Lehrperson eingesetzt werden, Lernstrategien und dann auch Lernprozesse auslösen. Unterrichtsdiskurse und Lernprozesse sind strategienbestimmt. Deshalb muss die Beschäftigung mit Strategien immer Diskursstrategien und Lernstrategien einbeziehen. In der Zweitsprachenerwerbsforschung ist die Unterscheidung in die beiden Typen von Unterrichtsstrategien relativ früh vorgenommen worden. Die Kommunikationsstrategien, die z.B. T ARONE (1977) für das Verhalten von Zweitsprachenlernern in der mündlichen Interaktion zusammenstellte (z.B. Vermeidungsstrategien, Paraphrasierungsstrategien, Transferstrategien etc.) lassen sich eindeutig dem Diskurs zuordnen. Auch das, was z.B. bei E LLIS (1994) unter classroom discourse diskutiert wird, ist schon von der Begrifflichkeit her diskursbestimmt, allerdings weitgehend lehrerorientiert, d.h. auf den Lehreranteil am Diskurs bezogen (z.B. teacher talk, error correction, turn-taking, genuine questions, display questions). Die Überlegungen von VAN L IER (1995), der das Konzept der Strategie als ein psychologisches Konzept versteht, beleuchten die Diskussion aus einer anderen Perspektive. Im Zusammenhang mit der Erläuterung von Sprachbewusstheit unterscheidet er zwischen peripherer und fokaler Bewusstheit und siedelt sowohl die Diskurswie auch die Lernstrategien in der peripheren Bewusstheit des Lernenden an. Die Lehrperson, aber auch der Lernende kann sie, wenn vorhanden, in die fokale Bewusstheit heben, um ihren bewussten Gebrauch zu ermöglichen. Wenn sie nicht vorhanden sind, müssen sie erst in die fokale Bewusstheit gehoben werden, um dann später in die periphere Bewusstheit überführt werden zu können. In die Fremdsprachendidaktik sind diese Überlegungen zunächst nur zum Teil eingegangen. Insbesondere die Erkenntnisse zum Unterrichtsdiskurs haben sich zunächst auf ein doch recht enges Verständnis von classroom discourse reduziert, das durch die Kommentierung und Regelung von Problemen bestimmt wird, die sich aus der Klassenzimmersituation ergeben (open your books, show me your homework etc.). Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Daten, mit welchen in der L2-Forschung zunächst gearbeitet wurde, aus Interaktionen zwischen Muttersprachlern und Lernern stammten, die zudem nicht aus Unterrichtskontexten, sondern natürlichen Kontexten kamen. Erst in den letzten Jahren wurde der Diskursbegriff erweitert und auf andere Aspekte der unterrichtlichen Kommunikation und des Lernprozesses bezogen (einen guten Überblick gibt T ÖNSHOFF 2003). Die von VAN L IER eingebrachte Trennung zwi- Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 145 38 (2009) schen peripherer und fokaler Bewusstheit hat in der Fremdsprachendidaktik darüber hinaus dazu geführt, mit den Lernbzw. Arbeitstechniken ein Konzept einzubringen, das der Strategie entspricht, aber eine didaktische, d.h. im Unterricht umsetzbare Qualität hat, d.h. fokal bewusst gemacht werden kann. Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang auch, dass der Unterrichtsdiskurs im Fremdsprachenunterricht dahin tendiert, sich dem natürlichen Diskurs anzunähern. Beobachtbar ist das insbesondere im kommunikativen Unterricht. Es wird erwartet, dass die Lernenden die fremde Sprache besser lernen, wenn sie sie in Kommunikationssituationen gebrauchen, die typisch für natürliche Situationen sind. Aus der Sicht des Fremdsprachenunterrichts sollte sich dann eigentlich die Frage stellen, ob das dann erwartbare Fehlen der für den Unterrichtsdiskurs typischen Strategien insbesondere des Lehrers das Lernen von Sprache letztendlich nicht schwieriger macht. Die von E LLIS (1994: 577) gestellte Frage „which interactional features are important for language acquisition? “ gewinnt hier neue Aktualität. Und aus der Sicht der Unterrichtsdiskursforschung leitet sich daraus die Frage ab, ob damit nicht ein Grundprinzip von modernem Unterricht in Frage gestellt wird, das so genannte scaffolding, also das die Lernprozesse unterstützende Handeln der Lehrperson. Ich möchte die wenigen allgemeinen Bemerkungen, die ich hier zu Diskurs- und Lernstrategien gemacht habe, so zusammenfassen: - Der Unterrichtsdiskurs ist eine spezifische Diskursform, die eine Vielzahl von Merkmalen aufweist, die zum Teil auch in anderen Diskursen auftreten und sich, wie diese auch, aus der Urform des Diskurses, der face-to-face communication ableiten lassen. - Wie die anderen Diskursformen auch wird er durch Diskursstrategien gesteuert, die sich in Strategien des Lehrers und Strategien des Lerners aufteilen lassen und die hier als Strategien zur Gestaltung des Unterrichtsdiskurses verstanden werden. - Neben den Diskursstrategien wird Unterricht auch durch Lernstrategien beeinflusst, die der Lernende einsetzt, um das im Unterrichtsdiskurs Erarbeitete festzuhalten und zur Wiederverwendung bereit zu stellen. - Diskursstrategien, insbesondere solche, die die Lehrperson einsetzt, können dazu führen, dass Lernstrategien ausgelöst werden, um den Lernprozess zu befördern. Ich bin in diesem Abschnitt ganz bewusst nicht auf spezifische Lern- und Diskursstrategien eingegangen, weil ich annehme, dass sie in anderen Beiträgen dieses Themenheftes angesprochen werden. Detaillierter werden jetzt die Strategien des bilingualen Sachfachunterrichts diskutiert. 4. Strategien im bilingualen Unterricht Bei der Reflexion über Strategien im Unterricht kann man auf zwei Quellen zurückgreifen: zum einen auf die empirischen Daten, die in natürlichen Kontexten und unterschiedlichen Unterrichtskontexten erhoben und analysiert wurden, und zum anderen auf die didaktisch-methodischen Überlegungen der jeweiligen Fachdidaktik zum Erwerb, 146 Dieter Wolff 38 (2009) Gebrauch und Nutzen solcher Strategien. Die fachdidaktischen Überlegungen stützen sich - zum Teil intuitiv - auf die Erkenntnisse der Wissenspsychologie (was das sachfachliche Lernen anbetrifft) und der Spracherwerbsforschung (was das sprachliche Lernen anbetrifft). Für den bilingualen Unterricht ist die Zahl der empirischen Untersuchungen noch gering; insbesondere zum Einsatz von Strategien des Lerners und Lehrers im bilingualen Unterrichtsdiskurs gibt es nur wenige Untersuchungen. Zu den wichtigsten gehören die Arbeiten von S CHLEMMINGER (2004), D ALTON -P UFFER (2007) und Z YDATI ß (2007), die das strategische Verhalten der Lernenden und Lehrenden in der Interaktion, d.h. bei der Gestaltung des Unterrichtsdiskurses, auf das ich im letzten Abschnitt eingegangen bin, auf unterschiedliche Weise in den Mittelpunkt rücken. Was die Lernstrategien anbetrifft, so wurden auch für den bilingualen Sachfachunterricht Inventare solcher Strategien entwickelt, welchen die Strategieninventare der Fremdsprachen- und der Sachfachdidaktik zugrunde liegen (vgl. hierzu z.B. K RECHEL 1999, auf den ich mich auch bei der folgenden Beschreibung der Lernstrategien beziehe). Auch für die Behandlung von Strategien im bilingualen Unterricht empfiehlt es sich, das Augenmerk auf drei Arten von Strategien zu richten: die Lernstrategien, die der Lernende einsetzt, um das im Unterricht Behandelte zu verarbeiten, zu behalten und zur Wiederverwendung bereit zu stellen (vgl. W EINSTEIN / M AYER 1986, N ORMAN / R UMEL - HART 1975), die Diskursstrategien des Lehrers und schließlich die Strategien des Lerners im Unterrichtsdiskurs. Letztere habe ich unter dem Begriff Diskursstrategien zusammengefasst. Dabei ist die Qualität der von mir im Folgenden behandelten Strategien eine unterschiedliche: die Lernstrategien entstammen der didaktischen Reflexion des natürlichen Lernverhaltens der Lernenden und der daraus ableitbaren und vermittelbaren Lern- und Arbeitstechniken, während die Diskursstrategien des Lehrers wie des Lerners aus empirischen Untersuchungen zum Diskursverhalten kommen, die keine didaktische Reflexion durchlaufen haben. 4.1 Lernstrategien im bilingualen Sachfachunterricht Der bilinguale Sachfachunterricht erfordert seitens der Schüler ein Repertoire an Lernstrategien, das den besonderen Anforderungen des integrierten Lehrens und Lernens in dieser Unterrichtsform gerecht wird. Diese Strategien sind zum Teil Strategien des Fremdsprachenunterrichts, zum Teil aber auch Strategien des Sachfachunterrichts. Aber sie erfordern für den bilingualen Sachfachunterricht Modifikationen. Das von mir bereits 1998 für den Fremdsprachenunterricht entwickelte Klassifikationsraster für Lernstrategien (W OLFF 1998) eignet sich auch als Raster für den bilingualen Unterricht. Die Darstellung erfolgt aus einer didaktischen Perspektive, d.h. die Strategien werden als Lern- und Arbeitstechniken beschrieben. (1) Auf den Erwerb sprachlicher Mittel bezogene Strategien Die unter dieser Strategiengruppe zu subsumierenden Strategien, deren Ziel es ist, das Repertoire an sprachlichen Mitteln in der Zielsprache aufzubauen und zu erweitern, spielt Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 147 38 (2009) im bilingualen Unterricht natürlich auch eine wichtige Rolle. Ich will einige dieser Strategien, die aus dem Fremdsprachenunterricht weitgehend bekannt sind, nennen: - Die Bedeutung von Wörtern aus anderen fremdsprachlichen oder muttersprachlichen Wörtern oder aus dem Kontext ableiten können. Insbesondere im bilingualen Geschichts-, Geographie- und Sozialkundeunterricht tragen Wörter aus den romanischen Sprachen, Latinismen und Internationalismen dazu bei, die Bedeutung eines Wortes zu erschließen. - Themenorientiert arbeiten, d.h. Fachwortschatz in semantischen Feldern zusammenschließen und mit ähnlichen semantischen Feldern vernetzen. - Selbstständig mit allgemeinen und vor allem mit fachspezifischen Wörterbüchern arbeiten lernen. - Definitionen von Schlüsselwörtern aus Fachtexten ableiten und Bedeutungselemente identifizieren und festhalten. - Typische fachtextspezifische Strukturen (z.B. sprachliche Kohärenzmittel) zusammenstellen und im Gedächtnis speichern. Die Zahl dieser Strategien ist größer; sie entsprechen den aus dem Fremdsprachenunterricht bekannten Strategien, haben aber im Hinblick auf den Sachfachunterricht Modifikationen, die insbesondere die Zielorientierung betreffen, erfahren. Ich habe versucht, diese bei der Beschreibung der jeweiligen Struktur deutlich werden zu lassen. In der Klassifikation von O XFORD (1990) gehören sie zu den kognitiven Strategien. Es handelt sich um Strategien, die von der Fachdidaktik als Lern- und Arbeitstechniken formuliert wurden. (2) Fertigkeitsbezogene Strategien Hierunter fallen besonders Strategien, die bei der Rezeption und Produktion von Sprache eingesetzt werden. Das Strategienrepertoire ist größer als im Fremdsprachenunterricht, da zur Rezeption und Produktion fachsprachlicher Texte weitergehende Strategien verwendet werden. Außerdem gehören hierzu für den bilingualen Unterricht Strategien, die bei der Verarbeitung von nichtsprachlichen Quellen eingebracht werden. Hier ist eine Sammlung von Beispielen. Lesestrategien: - Strategien des selektiven und detaillierten Lesens, z.B. die Entnahme von Schlüsselwörtern aus einem Text oder das Herausarbeiten bestimmter Detailinformationen. Dies ist besonders wichtig bei der Arbeit mit Sachfachtexten. - Strategien des vorbereitenden Lesens, z.B. das Brainstorming zu einem Thema, das zentral für einen zu lesenden Text ist, oder die Vorbereitung von Informationen, die für die Lektüre eines Textes von Bedeutung sind. - Strategien des flüssigen Enkodierens von Texten (Schnelllesetechniken). - Strategien des Festhaltens von Informationen aus einem Text durch Zeichnungen, Schemata und Organigramme, um auf diese Weise die Struktur eines komplexen Fachtextes aufzubereiten und den Inhalt im Gedächtnis festhalten zu können. - Strategien des Lesens von authentischen Quellen, z.B. im fremdsprachlichen Geschichtsunterricht. Lesestrategien sind für den bilingualen Unterricht noch wichtiger als für den Fremd- 148 Dieter Wolff 38 (2009) sprachenunterricht, da ein beträchtlicher Teil der Unterrichtsmaterialien aus schriftlichen Texten besteht, die gezielt gelesen werden müssen. Schreibstrategien: Schreibstrategien sind im bilingualen Unterricht von größerer Bedeutung als im Fremdsprachenunterricht, da die Lernenden von Anfang an selbst fachlich orientierte Texte verschriften müssen, insbesondere wenn der Unterricht Projektarbeit und selbstständiges Lernen einbezieht. Neben den eigentlichen Schreibstrategien, die aus dem muttersprachlichen und dem fremdsprachlichen Schreibunterricht bekannt sind, gehören für den bilingualen Unterricht hierzu fachtextorientierte Strategien wie die folgenden: - Strategien, die der Einführung des Themas eines Fachtextes dienen. - Strategien, die das Thema in die bisher bekannten Informationen einbetten. - Strategien, die die Teilinformationen des Textes logisch strukturieren, um den Leser zu überzeugen. - Strategien, die die Informationen des Textes zusammenfassen. - Strategien der Kommentierung der Informationen. Zu den fertigkeitsbezogenen Strategien gehört auch eine Gruppe von Strategien, die im Fremdsprachenunterricht keine oder nur eine ganz geringe Rolle spielen, aber für den bilingualen Unterricht von zentraler Bedeutung sind; ich bezeichne sie als Strategien zur Verarbeitung nichtsprachlich kodierter Informationen. Die folgenden sind als besonders wichtig zu nennen: - Strategien zur Versprachlichung visueller Informationen, die sich auf einem Bild oder einem Foto finden. Solche Strategien gehen vom Verständnis der ganzheitlichen bildlichen Struktur einer visuell kodierten Information aus und ermöglichen eine sprachliche Strukturierung (z.B.: „in der Mitte des Bildes findet man“, „im Hintergrund kann man erkennen“ etc.). - Strategien zur Vorbereitung der Analyse visueller Materialien (Bilder, Videos, etc.). - Strategien des Festhaltens von Informationen auf einem Bild, einer Abbildung, einem Diagramm: Identifizieren der Information, Linearisieren der Information, Beschreiben der Information. - Strategien des Lesens von Karten auf der Grundlage der vorliegenden Legende. - Strategien der Interpretation von Informationen in Graphiken oder Diagrammen. Die hier aufgeführten Strategien sind dem Lernenden weitgehend unbekannt, bevor er beginnt, Sachfächer zu lernen. Auch im muttersprachlichen Sachfachunterricht muss er in diese Strategien eingeführt werden; im fremdsprachlichen Sachfachunterricht ist es darüber hinaus erforderlich, die sprachlichen Mittel, die in der Fremdsprache im Kontext dieser Aktivitäten gebraucht werden, zu erwerben. (3) Auf Sprachreflexion bezogene Strategien Diese Strategiengruppe zielt auf die bewusste Reflexion über Sprachstrukturen und Sprachfunktionen ab. Ausgangspunkt ist die im Sachfachunterricht verwendete Fremdsprache, Ziel des Einsatzes dieser Strategien ist das Schaffen von Transparenz für die Fachsprache des Sachfaches. Zu diesen Strategien gehören: Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 149 38 (2009) - Strategien des Klassifizierens von fachsprachlichem Wortschatz und Erstellen von fachsprachlich motivierten semantischen Feldern. - Strategien des Generalisierens von terminologischen Begrifflichkeiten und des Erstellens von Terminologiefeldern. - Strategien des Erkennens von sachfachlichen Sprachfunktionen und des Zuordnens von Wörtern und Phrasen zu diesen Funktionen. (4) Auf das Lernen bezogene Strategien Ich habe im Folgenden eine Reihe von Strategien zusammengestellt, die für jede Art des schulischen Lernens von zentraler Bedeutung sind und in der fremdsprachendidaktischen Literatur zu den Strategien immer wieder hervorgehoben werden. Obwohl diese Strategien nicht neu sind, soll ihre Auflistung deutlich machen, dass sie im bilingualen Sachfachunterricht, insbesondere wenn dieser nach modernen Unterrichtsprinzipien durchgeführt wird, von großer Bedeutung sind. Und dass der bilinguale Unterricht für den Einsatz solcher Prinzipien besonders geeignet ist, ist nicht nur von mir (W OLFF 2003), sondern auch von anderen Fachdidaktikern betont worden (vgl. z.B. demnächst W ANNA - GAT 2009): - Strategien der Selbstregulation. Mit Hilfe dieser Strategien soll der Lerner in die Lage versetzt werden, sein eigenes Lernen zu steuern. Hierzu gehört das bewusste Planen des Lernprozesses, das Festlegen des Lernortes, der Lernzeit und des Lernziels. - Strategien der Selbstüberwachung. Überprüfung der eigenen Lernprozesse, während sie durchgeführt werden, erste Bewertung des Lernergebnisses. - Strategien der selbstständigen Auseinandersetzung mit Lernalternativen. Überprüfung verschiedener Lernwege und ihrer Geeignetheit für das eigene Lernen. - Strategien zur Beurteilung von Lernaufgaben im Hinblick auf eine Verbesserung des eigenen Lernens. - Strategien zum Entdecken des bevorzugten Lernstils. - Strategien der Selbstevaluation. Mit Hilfe dieser Strategien soll der Lerner in die Lage versetzt werden, sein eigenes Lernen zu beurteilen und sich im Hinblick auf seine Mitschüler einschätzen zu lernen. In der Klassifikation von O XFORD (1990) finden diese Strategien unter der gleichen Bezeichnung ihre Entsprechungen. (5) Auf soziale Kooperation bezogene Strategien Auch diese Strategien, die zum nächsten Abschnitt überleiten, sind aus dem Fremdsprachenunterricht bekannt. Sie sind darauf ausgerichtet, Möglichkeiten zur Sprachverwendung und zur Übung und Überprüfung des Gelernten zu schaffen. Beispiele: - Strategien zum gemeinsamen Lernen mit anderen Schülern. - Strategien zum Üben des Gelernten mit anderen. - Strategien des Hypothesentestens im Hinblick auf sprachliche und sachfachliche Phänomene. 150 Dieter Wolff 38 (2009) Ich will am Ende dieses Abschnitts noch einmal betonen, dass es sich bei den hier vorgestellten um Strategien handelt, die aus fachdidaktischen Überlegungen stammen, deren Existenz aber durch wissens- und spracherwerbspsychologische Erkenntnisse bestätigt werden und die zudem noch ihre Bestätigung in Befragungen von Lernern gefunden haben. Empirisch ist der Einsatz solcher Strategien schwer zu belegen; einzig prozessorientierte Forschungsansätze (lautes Denken) lassen ihr Vorhandensein erkennen. 4.2 Diskursstrategien des Lehrers und des Lerners im bilingualen Unterricht Wie in allen anderen Fächern auch wird der Unterrichtsdiskurs im bilingualen Sachfachunterricht durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, deren wichtigster die Lernumgebung bzw. der vom Lehrer gewählte methodische Zugang ist. Ich hatte am Anfang dieses Beitrags darauf hingewiesen, dass Unterricht methodisch durch drei mögliche Zugänge bestimmt wird, einen transaktionalen Zugang, in welchem der Lehrer den gesamten Unterricht und damit auch den Unterrichtsdiskurs für sich vereinnahmt, das vom Lehrer weitgehend kontrollierte Unterrichtsgespräch, in welchem der Diskurs aber auch von den Schülern mitbestimmt wird, und schließlich autonome Formen, in welchen unterschiedliche Diskurse ablaufen, neben Lehrer-Schüler Interaktionen auch Schüler-Schüler Diskurse, neben Lehrervorträgen auch Schülervorträge. Analysen der Diskursstrategien, die Schüler und Lehrer in solchen Lernumgebungen einsetzen, müssen zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen; allein schon von der Frequenz sind in einem lehrerkontrollierten Unterrichtsgespräch die Diskursstrategien des Lehrers in der Überzahl, während in einer eher autonomen Lernumgebung auch die Schülerstrategien in den Vordergrund treten. Die wenigen Untersuchungen zum Diskurs im bilingualen Klassenzimmer (z.B. W ANNAGAT 2007 und 2009) haben sich vor allem mit dem Diskurs in den beiden zuerst genannten Lernumgebungen beschäftigt. Ein zweiter Faktor, der bei der Analyse des Diskurses im bilingualen Unterricht nicht vernachlässigt werden sollte, bezieht sich auf die Ausbildung und Qualifikation des Lehrers, der den Unterricht durchführt. In Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern hat der in bilingualen Klassen unterrichtende Lehrer eine doppelte Qualifikation, eine für das Sachfach und eine für die Zielsprache. In den meisten anderen europäischen Kontexten verfügt der Lehrer entweder über eine Sachfach- oder eine Fremdsprachenqualifikation. Dies hat Auswirkungen auf das Diskursgeschehen im Unterricht. Ein stärker sachfachorientierter Lehrer wird auch in der Fremdsprache die Diskursstrategien wählen, die ihm aus dem muttersprachlichen Sachfachunterricht geläufig sind, ein Fremdsprachenlehrer wird hingegen sein Diskursverhalten stärker aus der Sicht einer Förderung des fremdsprachlichen Lernens gestalten und andere Diskursstrategien auswählen. Ein Lehrer, der in beiden Fächern zu Hause ist, wird den strategischen Anforderungen eines integrierten Sachfach- und Sprachunterrichts am ehesten gerecht. Noch nicht abschließend ausgewertete Daten aus verschiedenen europäischen Ländern und aus dem deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) an den deutschen Auslandsschulen bestätigen diese Annahme, die allerdings nicht empirisch abgesichert worden ist. Ich möchte meine Überlegungen mit einem Beispiel beginnen: Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 151 38 (2009) Beispiel 1 (L AMSFU ß-S CHENK 2008: 142) L : Quelle est la réaction des Indien en ce moment. S17, tu veux dire quelque chose ? S17 : Mm, peut-être ils, mm, vont attaquer les Français... S1 : Les was ? S17 ...pour, mm, um die zu befreien, ihre Kollegen S3: leurs collègues S17: leurs collègues, genau, merci L : oui, libérer, D’autres idées, d’autres idées. Est-ce que tout le monde est d’accord avec l’idée de S17 S10 : Non. Moi, j’ai une autre idée. Alors, il est probablement possible que les Français naviguent, mm, que les Français retournent en Europe, avec le chef des Indiens, des indigènes, pour montrer aux autres. L : Chut, elle a raison. S11 : Il est possible que les Français retournent en Europe avec le chef des indigènes, des indigènes, pour montrer aux autres qu’ils ont *conqueri la terre S7 : Conquis L : Oui, qu’ils ont conquis la terre. Oui, d’autres idées? S1: Mm, ils vont… ils vont parler avec le chef qu’ils ont em ils vont parler avec le chef, qu’ils ont plus de force qu’eux. S2 : Die Indianer sind viel zu tapfer, um sich zu unterwerfen. Das Beispiel stammt aus einer Geschichtsstunde in Deutschland, die in französischer Sprache abläuft. Die Schülerinnen und Schüler sind in der neunten Klasse, werden also im dritten Jahr bilingual unterrichtet. Schon bei der ersten Lektüre fallen zwei Merkmale auf, die dem Fremdsprachen- und dem bilingualen Sachfachlehrer nicht unvertraut sind: der Sprachwechsel (code-switching) in die L1 und die Korrektur abweichender Formen. Beide lassen sich als Diskursstrategien, die der Gestaltung bzw. dem Gelingen des Unterrichtsdiskurses dienen, interpretieren. Der Sprachwechsel wird in diesem Beispiel von Schülern initiiert, das ist auch im Fremdsprachenunterricht durchaus üblich und führt gemeinhin entweder zu einer Sanktion durch den Lehrer oder zumindest zu einer Übertragung der muttersprachlichen Äußerung in die Fremdsprache durch ihn. In diesem Beispiel werden aber Sprachwechsel nicht nur durch den Lehrer sondern durch andere Schüler rückgängig gemacht. Dies ist zweifellos ein überraschendes strategisches Verhalten, das, weil es mehrfach auftritt, vielleicht für den bilingualen Unterricht typisch ist. Die Beteiligten am Unterrichtsdiskurs versuchen gemeinsam, ihn nur in einer Sprache stattfinden zu lassen. Der Sprachwechsel ins Deutsche am Ende des Ausschnitts fasst das Ergebnis des Diskursabschnitts zusammen und ist ebenfalls strategisch zu werten: der Schüler möchte sicher sein, dass er dieses Ergebnis richtig verstanden hat. Man könnte dies vielleicht als eine Ergebnissicherungsstrategie interpretieren. Es mag etwas überraschend sein, dass hier das Korrekturverhalten als Strategie bezeichnet wird. Üblicherweise wird es der methodischen Vorgehensweise des Lehrers zugeordnet, obwohl es schon Ellis dem classroom discourse zuordnet, es aber weitgehend auf den Lehrer bezieht. Im obigen Beispiel aber erweist sich das Korrekturverhalten als eine Angelegenheit von Schülern und Lehrer. Die Lehrerin hilft einmal mit dem richtigen Wort aus und macht damit einen Sprachwechsel rückgängig (libérer); das andere Beispiel 152 Dieter Wolff 38 (2009) muss hingegen als eine reine Schülerkorrektur interpretiert werden (conquis). Anders als im Fremdsprachenunterricht, wo so genannte peer corrections durchaus auftreten und auf verschiedene Motive zurückgeführt werden, ist das Motiv hier eindeutig. Wie der Sprecher so will auch der Korrektor an dieser Stelle zum Gelingen des fremdsprachlichen Diskurses beitragen. Auffällig ist auch, dass die Lehrerin nur viermal in den Unterrichtsdiskurs eingreift, zweimal um bei den Schülern neue Ideen abzurufen, einmal, um eine inhaltliche Aussage lobend zu bestätigen, und einmal, um eine Schülerkorrektur zu bestätigen. Die Schüler gestalten den Unterrichtsdiskurs weitgehend gemeinsam, die Lehrerin nimmt sich zurück und verhält sich diskursstrategisch als ein Mitglied der Lerngruppe. Dieser Eindruck bestätigt sich auch dadurch, dass die Lehrerin nicht als Wissensvermittlerin auftritt, wenn man von der Verbesserung des sprachlichen Ausdrucks (libérer) absieht. Die Schüler beziehen sich in der Lerngruppe aufeinander und nicht primär auf den Lehrer. Dieses Diskursverhalten nimmt dem Unterricht viel von der Steuerung, die man oft im schulischen Unterricht vorfindet. Noch ein letzter Aspekt aus dem Beispiel soll hier angesprochen werden. Die Lehrerin äußert sich lobend zur Aussage einer Schülerin (Chut, elle a raison). Diese Bewertung, die mit einem Appell zur Ruhe verbunden ist, hebt die Aussage der Schülerin aus den anderen Aussagen heraus, sie gibt ihr besonderes Gewicht. Sie soll bewirken, dass die anderen Schüler diese Aussage bemerken und verarbeiten. In der L2-Forschung ist das so genannte noticing als eine Lehrerstrategie bekannt, um auf bestimmte sprachliche Phänomene aufmerksam zu machen (S CHMIDT 1990), im bilingualen Sachfachunterricht kann man es als eine strategische Verhaltensweise des Lehrers werten, die sowohl im Hinblick auf Sprache wie auf Inhalt eingesetzt wird. Leider gibt es für Diskursstrategien im bilingualen Sachfachunterricht bisher kein ausgearbeitetes Klassifikationsraster, so dass ich mich mit einer einfachen Einteilung in Lehrer- und Schülerstrategien behelfe. Die Daten, vor deren Hintergrund ich meine Überlegungen entwickle, stammen überwiegend aus dem lehrerkontrollierten Unterrichtsdiskurs. (1) Diskursstrategien des Lehrers Der Lehrer im bilingualen Unterricht muss seine fremdsprachlichen Aussagen so gestalten, dass die Inhalte des Sachfaches von den Schülern verstanden, verarbeitet und behalten werden können. Das bedeutet, dass er im Unterrichtsdiskurs den Schülern Hilfestellung geben muss, damit sie diese Inhalte verstehen. Seine Diskursstrategien sollten in erster Linie dazu beitragen, die Bedeutungskonstruktion der Schüler zu erleichtern. Die im Fremdsprachenunterricht häufig im Vordergrund stehenden Strategien der Spracharbeit und sprachlichen Verbesserung treten in den Hintergrund. Welche Strategien benutzt der Lehrer nun, um den Schülern beim Aufbau der Sachfachkonzepte zu helfen? Ein weiteres Beispiel kann dazu beitragen, sein strategisches Verhalten zu erkennen. Das Beispiel stammt aus dem deutschsprachigen Mathematikunterricht in der Grundschule in Frankreich: Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 153 38 (2009) Beispiel 2: (Grundschule Frankreich: Mathematik in deutscher Sprache) L : Ergebnis größer als zehn, wie nennt man das? Den Zehnerübergang! L : Fünf plus sechs ist kleiner als zehn? S1 : ja kleiner S2 : größer L : Zeig mal Deine Finger S1 : zeigt Finger L : Fünf plus sechs gleich? S1 : Elf L : schreibt Rechenaufgabe an die Tafel: 45+36 L : Was merke ich mir, wo schreibe ich den Zehner hin? S3 : Il faut le mettre dessus Lehrer und Schüler beschäftigen sich hier zweifellos mit einer schwierigen Materie: mit dem Konzept des Zehnerübergangs beim Addieren von zwei Zahlen. Die wichtigste Strategie des Lehrers ist eine Sachfachstrategie; er stellt Fragen, die die Schüler beantworten sollen. Manchmal hat man zwar den Eindruck, dass es rhetorische Fragen sind und er eigentlich keine Antwort erwartet, aber er gliedert den Stoff durch seine Fragen, die er - und das ist ein weiteres strategisches Moment - mit konkreter Anschauung verbindet. Im Mathematikanfangsunterricht eignen sich die Hände der Schüler natürlich besonders gut. Der code-switch am Ende der Sequenz ist vergleichbar mit dem im ersten Beispiel. Bilingualer Sachfachunterricht der untersuchten Art ist also wie jeder Sachfachunterricht ein Unterricht, bei dem Fragestrategien im Vordergrund stehen. Dies gilt auch für den Fremdsprachenunterricht, allerdings wird im bilingualen Unterricht nach Gegenständen und Prozessen der realen Welt gefragt, was für den Fremdsprachenunterricht nicht immer zutrifft. Neben der häufig eingesetzten Fragestrategie finden sich eine Reihe von weiteren Strategien, die dem Lernenden als Stützgerüst (scaffold) beim Erwerb der Sachfachinhalte dienen sollen, z.B. Zusammenfassungen an bestimmten Stellen der Unterrichtsstunde, Darstellung eines komplexen Sachverhaltes an der Tafel oder mit Hilfe eines anderen Hilfsmittels, Bereitstellen von Materialien, die der Lehrer vorher entwickelt hat oder die aus anderen Quellen kommen (Lehrwerk, Internet etc.). Ich bezeichne diese Strategien als Stützstrategien und bin mir bewusst, dass sie die Grenzen des Diskurses im engeren Sinne überschreiten. Die noticing-Strategie trägt ebenso dazu bei, inhaltliche Hilfestellung zu gewähren. Wichtig ist festzuhalten, dass Fragestrategien, Stützstrategien, noticing-Strategien und eine Reihe anderer inhaltsorientierter Strategien, auf die ich hier nicht eingehen kann, typisch für den Unterrichtsdiskurs sind. Nun geschieht es aber vergleichsweise häufig, dass Schüler ein Sachfachkonzept nicht verstehen und deshalb vom Lehrer weitergehende Hilfestellung erwarten. Häufig ist ein Begriff nicht klar oder völlig unbekannt. Der Schüler versucht den Begriff zu erfragen (Beispiel 1 les was? ). Der Lehrer verwendet unterschiedliche Strategien, um das Problem zu lösen. Vergleichsweise prominent ist die Sprachwechselstrategie (code-switch), der Lehrer gibt die muttersprachliche Bedeutung für den erfragten Begriff. Es gibt darüber hinaus viele Beispiele, in welchen der Lehrer nicht nur den Begriff in die Muttersprache überträgt sondern den gesamten Kontext, d.h. das Wort in seinen muttersprachlichen 154 Dieter Wolff 38 (2009) Kontext einbettet, also ganze Passagen der Aussage, die er vorher in der Fremdsprache gemacht hat, übersetzt. Man nennt diese Strategie, die häufig beim transaktionalen Zugang auftritt, die Parallelstrategie. Meist benutzen Sachfachlehrer, die nicht gleichzeitig Fremdsprachenlehrer sind, diese Strategie. Lehrer, die Fremdsprachenlehrer sind, vermeiden an diesen Stellen den code-switch, sie benutzen eher Paraphrasierungsstrategien, wie sie aus der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit bekannt sind. Vom Lehrer ausgehende Sprachwechsel finden sich auch im bilingualen Sachfachunterricht, wenn andere Aspekte als die Inhalte des Sachfachs behandelt werden, also z.B. Interaktionen, die sich auf das here and now beziehen. Aber generell tendieren Lehrer dazu, den codeswitch in die erste Sprache der Schüler sobald wie möglich rückgängig zu machen, benutzen also eine Sprachwechselstrategie hin zur Unterrichtssprache. Bleibt die große Gruppe der Korrekturstrategien, die allerdings den Korrekturstrategien im Fremdsprachenunterricht sehr ähnlich sind. Repair work, explicit correction, recasts finden sich in allen Daten, die mir zur Verfügung stehen. Anders als im Fremdsprachenunterricht scheinen sie aber explizit darauf ausgerichtet zu sein, das Aushandeln von Bedeutung zu unterstützen, und nicht, wie im Fremdsprachenunterricht, das Lernen von Sprache. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass der bilinguale Unterricht von vielen Lehrern als Sachfachunterricht verstanden wird, bei dem die sprachliche Korrektheit vor allem dann bedeutsam wird, wenn sie dem Verständnis der Sachfachinhalte dient. Die noticing-Strategie wird im bilingualen Sachfachunterricht auch sprachbezogen eingesetzt. Meist geschieht dies durch Wiederholungen bestimmter Begriffe und Strukturen, durch Verweise auf Parallelstrukturen in der Muttersprache, durch besonders prominente Betonungsmuster etc. Damit sollen die Schüler motiviert werden, sich mit einem bestimmten sprachlichen Phänomen intensiver zu beschäftigen und es in ihr Sprachwissen aufzunehmen. Ähnlich wie der Fremdsprachenunterricht erweist sich der bilinguale Sachfachunterricht also als eine Fundgrube für strategische Verhaltensweisen des Lehrers im Unterrichtsdiskurs. Es sollte aber deutlich geworden sein, dass viele der angesprochenen Diskursstrategien funktional anders zu interpretieren sind als im Fremdsprachenunterricht. Insbesondere die Sprachwechselstrategien, aber auch die Korrekturstrategien zeigen, dass es das wichtigste Anliegen des Lehrers ist, Sachfachinhalte zu vermitteln, und dass der sprachliche Vermittlungsprozess eher im Hintergrund bleibt, es sei denn, das Verständnis der Sachfachinhalte wird durch sprachliche Probleme behindert. (2) Diskursstrategien der Schüler Das zum Einstieg in diesen Abschnitt gewählte Beispiel hat bereits erkennen lassen, dass der Unterrichtsdiskurs im bilingualen Unterricht auch durch Diskursstrategien der Schüler mit bestimmt wird. In den Daten, die mir zur Verfügung stehen, ist die Zahl der Schülerstrategien vergleichsweise gering. Das hängt mit dem methodischen Zugang zusammen, der für den Unterricht typisch war. Im Mittelpunkt der Schülerstrategien stehen die Sprachwechselstrategien. In den meisten Fällen beziehen sich diese auf das Erfragen von unbekannten Begriffen in der Fremdsprache, z.B. (L AMSFU ß-S CHENK 2007: 108): Strategien im bilingualen Sachfachunterricht 155 38 (2009) Beispiel 3: S6: Il fait pour décider des choses qui - was heißt em sich beziehen? L : Qui se réfèrent S6 : qui se réfèrent de la France ou pour gagner des nouveaux impôts ou l’argent Es ist interessant, dass der Sprachwechsel nicht nur für den fehlenden Begriff vorgenommen wird, sondern die eigentliche Frage mit einbezieht. Dies tritt allerdings auch im Fremdsprachenunterricht auf. Wichtiger erscheint, wie schon angedeutet, dass nicht nur der Lehrer sondern auch die Mitschüler versuchen, den Sprachwechsel rückgängig zu machen, d.h. die Rückkehr in die Unterrichtssprache zu ermöglichen. Obwohl sich solche Beispiele sicherlich auch im Fremdsprachenunterricht finden lassen, erscheinen sie häufiger im bilingualen Unterricht. Das code-switching muss also als eine typische Diskursstrategie des bilingualen Unterrichts angesehen werden, die vom Lehrer, vom Schüler und von beiden gemeinsam eingesetzt wird, um den Prozess der Konstruktion von Bedeutung zu erleichtern. Ebenfalls im ersten Beispiel zeigte sich, dass auch Schüler Korrekturstrategien verwenden, um den Unterrichtsdiskurs zu optimieren. Wie der Lehrer verbessern sie Ausdrücke ihrer Mitschüler (conquis) oder übersetzen muttersprachliche Begriffe in die Fremdsprache (Beispiel: ihre Kollegen - leurs collègues); in anderen Kontexten paraphrasieren sie von ihnen selbst verwendete Begriffe in der Fremdsprache, um sie verständlicher zu machen. Gerade dieses Verhalten verdeutlicht, dass im bilingualen Sachfachunterricht die Fremdsprache nicht in der Probesituation des Fremdsprachenunterrichts gebraucht wird, sondern in einer Realsituation, die ein Maximum an Präzision erforderlich macht, um ein wirkliches Konstruieren von Bedeutung zu ermöglichen. In ihrer Untersuchung hat L AMSFU ß-S CHENK (2007: 249) nachweisen können, dass die Schüler das Sachfach in der Fremdsprache tiefer verarbeiten als in der Muttersprache: Die Erarbeitungsprozesse in der bilingualen Klasse waren in besonderem Maße (…) von der detaillierteren Textlektüre sowie von der Verwendung historisch genauerer Begriffe bei der Erarbeitung geschichtlicher Gegenstände geprägt. Oberflächliches Lesen und die Verwendung ungenauer Begriffe traten fast ausschließlich in der Vergleichsklasse auf. Das Verharren an konkreten Details der Unterrichtsinteraktion insgesamt zeigt sich besonders plastisch an der verdeutlichenden Umschreibung einzelner fachlicher Begriffe (Paraphrasieren), einer Erscheinung, die charakteristisch für den bilingualen Geschichtsunterricht ist, der hier untersucht wurde. Obwohl sie diesen Befund nicht durch bestimmte strategische Verhaltensweisen der Schüler erklärt, lassen sich solche durchaus erschließen. Die Schüler verwenden Verarbeitungsstrategien, die ihnen eine größere Verarbeitungstiefe ermöglichen, z.B. Lesestrategien, in welchen das detaillierte Lesen im Mittelpunkt steht, Strategien des Definierens von Begrifflichkeiten, die ihnen das Verständnis komplexer Sachverhalte ermöglicht, aber eben auch Diskursstrategien, die dazu beitragen, dass gemeinsam mit dem Lehrer komplexe Bedeutungen konstruiert werden. 156 Dieter Wolff 38 (2009) 5. Abschließende Bemerkungen In diesem Beitrag wurde auf die Strategien abgehoben, die das Lerner- und Lehrerverhalten im bilingualen Sachfachunterricht bestimmen. Ausgehend von einer Definition von CLIL, die den integrativen Charakter dieses Ansatzes herausstreicht, konnte gezeigt werden, dass das bilinguale Lernen durch Strategien bestimmt wird, die auch aus dem Fremdsprachenunterricht bekannt sind, aber durch die anders geartete Lernumgebung modifiziert werden. Während die eigentlichen Lernstrategien durch eine stärkere Betonung sachfachlicher Bedürfnisse modifiziert werden, entwickelt der Klassenzimmerdiskurs, der durch die Diskursstrategien von Lehrern und Schülern gestaltet wird, eine andere Qualität, die im Sinne von G AJO (2007) als komplexer bezeichnet werden muss, als man sie im Fremdsprachenunterricht oder muttersprachlichen Sachfachunterricht vorfindet. Literatur C LARK , Herbert H. (1996): Using Language. Cambridge: Cambridge University Press. C LOUD , Nancy / G ENESEE , Fred / H AMAYAN , Else (2000): Dual language instruction: A handbook for enriched education. Boston, MA: Heinle & Heinle Publishers. D ALTON -P UFFER , Christiane (2007): Discourse in Content and Language Integrated Learning (CLIL) Classrooms. Amsterdam: Benjamins. E LLIS , Rod (1994): The Study of Second Language Acquisition. Oxford: Oxford University Press. EURYDICE (Hrsg.) (2006): Content and Language Integrated Learning (CLIL) at School in Europe. 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Frankfurt/ M.: Lang. * Korrespondenzadresse: Dr. Andrea R ÖSSLER , Freie Universität Berlin, Institut für Romanische Philologie, Didaktik der romanischen Sprachen, Habelschwerdter Allee 45, 14195 B ERLIN . E-Mail: aroessle@zedat.fu-berlin.de Arbeitsbereiche: Bildungsstandards und Kompetenzorientierung, Bilingualer Unterricht, Literatur und Film im Fremdsprachenunterricht, Interkulturelles Lernen. 38 (2009) A NDREA R ÖSSLER * Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht Abstract. The activity ‘mediation’ is currently gaining ground in foreign language classes. This is due to the fact that it is part of the Common European Framework of Reference for Languages and that it has been integrated in National Educational Standards (Bildungsstandards). Furthermore, it has been incorporated in curricula for foreign language learning. In this paper, I focus on potential specifics of strategy instruction and application that lies in mediation tasks. For this reason, the article presents the different strategies that can be taught by applying mediation tasks, including an example for ELE (Español como Lengua Extranjera). Finally, I argue that there is an urgent need for more empirical research committed to the potential and impact of tasks such as mediation, which, among other things, explicitly includes the mother tongue in the foreign language classroom. 1. Einleitung Die Aktivität der Sprachmittlung hat in den letzten fünf Jahren eine erhebliche Aufwertung erfahren. Das liegt vor allem daran, dass sie im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR), den Einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur für die modernen Fremdsprachen (EPA) und infolgedessen mittlerweile auch in den aktuellen curricularen Vorgaben für den modernen Fremdsprachenunterricht aller Bundesländer einen festen Platz einnimmt. Auch in der fremdsprachendidaktischen Diskussion, in der sie lange wenig beachtet wurde, wird sie deshalb neuerdings zunehmend berücksichtigt (vgl. D E F LORIO -H ANSEN 2008a, H ALLET 2008, K ÖNIGS 2008 und R ÖSSLER 2008). Die fachdidaktische Auseinandersetzung mit dem Aufgabenformat der Sprachmittlung hat die Diskussion um die Rolle der Muttersprache beim Fremdsprachenlernen (vgl. z. B. B UTZKAMM 2006) noch einmal intensiviert. Über Jahrzehnte war es möglichst zu vermeiden, im Fremdsprachenunterricht die Muttersprache(n) außerhalb von Vokabelerklärungen, Grammatik- und Aufgabenerläuterungen zu verwenden. Die sogenannte „aufgeklärte Einsprachigkeit“ galt als Richtschnur für Fremdsprachenlehrer und -lerner gleichermaßen: so wenig Muttersprache wie möglich, so viel Muttersprache wie (unbedingt) nötig. Der Einsatz der Muttersprache wurde mithin eher als Notlösung bzw. als notwendiges Übel denn als Chance und Gelegenheit für nachhaltiges kontrastives Lernen angesehen. Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 159 38 (2009) Mit der Aktivität Sprachmittlung dagegen kehrt die Muttersprache nicht nur in (vermeintlichen) Notsituationen in den Fremdsprachenunterricht zurück, sondern wird explizit zu dessen Gegenstand bzw. zum Ausgangs- oder Zielpunkt kommunikativen Handelns. Sprachmittlung ist dabei nicht gleichzusetzen mit Hin- oder Her-Übersetzen; sie schließt das (schriftliche oder mündliche) Übersetzen zwar nicht aus, stellt diese Form der Überführung eines Textes oder einer Äußerung in eine andere Sprache, die die Kriterien der semantischen, pragmatischen und textuellen Äquivalenz erfüllen muss (vgl. H OUSE 2003), aber nicht in den Mittelpunkt. An die Stelle der translatorischen Adäquatheit tritt jetzt vielmehr die kommunikative Adäquatheit. Sprachmittlungsaufgaben verlangen in der Regel, dass Inhalte in einer der jeweiligen Kommunikationssituation entsprechenden Weise paraphrasierend und adressatengerecht von einer Sprache in die andere transferiert werden, nicht aber, dass sie nahezu wortwörtlich und textäquivalent in Umfang, Stil und Inhalt reproduziert werden. Zu Recht unterscheidet H ALLET (2008: 5) deshalb zwischen Übersetzungs- und Dolmetschkompetenz einerseits und Sprachmittlungskompetenz andererseits. Was aber genau meint der Begriff der Sprachmittlungskompetenz? Welche Komponenten zeichnen die Aktivität der Sprachmittlung aus? Und worin liegt das besondere didaktische Potenzial von Sprachmittlungsaufgaben? Um diese Fragen wird es im folgenden Abschnitt gehen. 2. Die Aktivität Sprachmittlung im Kontext eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts An anderer Stelle habe ich bereits darauf hingewiesen, dass sich Sprachmittlung nicht - wie es beispielsweise die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache und curriculare Vorgaben verschiedener Bundesländer tun - als Fertigkeit kategorisieren lässt (vgl. R ÖSSLER 2008: 59-61). Vielmehr empfiehlt es sich, der Kategorisierung des GeR zu folgen, der die Sprachmittlung als eigenständige kommunikative Aktivität einordnet und sie damit ausdrücklich von dem nur rezeptiven Sprachgebrauch einerseits und dem nur produktiven Sprachgebrauch andererseits abgrenzt. Auch H ALLET (2008: 3) kommt zu diesem Ergebnis: „Sprachsystematisch und didaktisch ist es wenig befriedigend, die Sprachmittlung als ‚Fertigkeit‘ einzustufen, wie es die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache tun. Denn die four skills sind selbst integraler Bestandteil der Sprachmittlung [...].“ Sprachmittlungsaufgaben bedürfen in der Tat zu ihrer Lösung eines kombinierten bzw. integrierten Einsatzes verschiedener produktiver und rezeptiver Fertigkeiten und lassen sich nicht durch den Gebrauch einer einzigen Fertigkeit angemessen bearbeiten. Nicht zuletzt darin liegt im Übrigen ihr besonderer didaktischer Reiz. Die Fähigkeit, diese Aktivität im Sinne der jeweils gestellten Aufgabe rezeptiv und produktiv erfolgreich auszuführen, kann somit als Sprachmittlungskompetenz bezeichnet werden. Im Unterschied zum GeR allerdings ordne ich die Sprachmittlung zumindest potenziell dem interaktiven Sprachgebrauch zu (vgl. R ÖSSLER 2008: 61) und definiere diese Aktivität dementsprechend folgendermaßen: 160 Andrea Rössler 38 (2009) Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprechhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen. Die dafür nötige Kompetenz beinhaltet die adressaten-, sinn- und situationsgerechte Übermittlung von Inhalten geschriebener und gesprochener Texte von einer Sprache in die andere, nicht aber eine textadäquate Übersetzung bzw. ein ebensolches Dolmetschen. Das besondere didaktische Potenzial dieses Aufgabentyps für den Fremdsprachenunterricht ergibt sich aus den Komponenten, die die Sprachmittlungskompetenz konstituieren. Mit H ALLET (2008) unterscheide ich hier zwischen den Komponenten sprachlich-kommunikative Kompetenz, interkulturelle Kompetenz, interaktionale Kompetenz und strategisch-methodische Kompetenz. Zur sprachlich-kommunikativen Kompetenz gehören die dem Sprachniveau der Aufgabe jeweils korrespondierenden rezeptiven und produktiven Fertigkeiten in beiden Sprachen, aber auch die „Fähigkeit, den Kommunikationszweck zu erkennen [...], auf dieser Grundlage rasch und spontan eine angemessene zielsprachliche Textsorte sowie den Grad der Reduktion, ggf. auch der Expansion festzulegen und zu nutzen“ (H ALLET 2008: 4). Hier wäre insbesondere die Fähigkeit zu ergänzen, die kommunikativen Fertigkeiten nicht nur isoliert, sondern auch integriert bzw. kombiniert in komplexen (vor allem) mündlichen Kommunikationssituationen anzuwenden (vgl. R ÖSSLER 2008: 64-66). Die interkulturelle Kompetenz beinhaltet unter anderen die Sensibilität für kulturspezifische Konventionen des Kommunizierens einerseits und kulturell aufgeladene Wortbedeutungen andererseits. Als Mittler zwischen zwei Sprachen und zwei Kulturen kann nur erfolgreich agieren, wer um kulturbedingte Konventionen des Gesprächsverlaufs (wie zum Beispiel Begrüßungsformeln, Gesprächsbeendigungsformen, Länge von Redepausen und Arten des Sprecherwechsels), Tabuzonen, Grade der Direktheit/ Indirektheit und paraverbale und non-verbale Faktoren sowie um die kulturspezifische Prägung sowohl konnotativer als auch denotativer Wortbedeutungen weiß (vgl. L ÜSEBRINK 2005: 49ff). Unter interaktionaler Kompetenz versteht H ALLET (2008: 5) die Fähigkeit des Sprachmittlers, „nicht nur die Anforderungen und Besonderheiten einer sozialen Situation erfassen [zu] können, sondern auch das Verhältnis der beteiligten Personen zueinander, deren Handlungs- oder Kommunikationsziele, deren Interessen oder deren Vorwissen“. Die interaktionale Kompetenz ist also im Kern eine soziale Kompetenz; sie verlangt vor allem Sensibilität für die Art der Kommunikationssituation (z. B. symmetrisch oder asymmetrisch, formell oder informell) und die jeweils verfolgte Kommunikationsabsicht. Dazu bedarf es eines beträchtlichen Einfühlungsvermögens in fremde Positionen und der Fähigkeit, diese sachlich richtig und unter Berücksichtigung kulturspezifischer Einstellungen und Haltungen sowohl des Empfängers als auch des Adressaten zu vermitteln. Interaktionale und interkulturelle Kompetenz greifen also ineinander. Nicht zuletzt bedürfen Sprachmittlungsaufgaben aufgrund ihres Komplexitätsgrades zu ihrer erfolgreichen Lösung eines besonders hohen Maßes an strategischer Kompetenz (vgl. H ALLET 2008, K IEWEG 2008 und R ÖSSLER 2008). Das gilt insbesondere für mündliche Sprachmittlungsaufgaben, in denen der Mediator zwischen zwei Sprachen und mindestens zwei Individuen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten direkt, also von Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 161 1 Ich verzichte im Zusammenhang dieses Beitrags auf die Unterscheidung zwischen Strategien und Techniken. Zwar gibt es gute Gründe - wie etwa F INKBEINER (2003) und R AMPILLON (2003a) dargelegt haben -, Strategien und Techniken voneinander abzugrenzen, indem man unter Techniken Einzelmaßnahmen versteht, die gebündelt und in einer variablen Reihenfolge eingesetzt erst eine Strategie, also einen übergeordneten, sequenzierbaren Handlungsplan ergeben. Ich greife hier jedoch auf den weiten Strategiebegriff zurück, um die in der Fachliteratur gängige Rede von kognitiven und metakognitiven Strategien, direkten und indirekten Strategien und Sprachverarbeitungs- und Kommunikationsstrategien beibehalten zu können. 38 (2009) Angesicht zu Angesicht, und mit so geringer zeitlicher Verzögerung wie möglich vermitteln muss. Der Mediator muss in solchen Fällen die jeweils eingehenden Informationen sprachlich und inhaltlich sehr rasch verarbeiten, adressatengerecht auswählen, reduzieren und sach- und situationsgerecht in der jeweils anderen Sprache reproduzieren. Sowohl rezeptive und produktive fertigkeitsbezogene Strategien als auch Kommunikationsstrategien müssen hier gekonnt und zügig - wenn nicht automatisch bzw. habitualisiert - angewandt werden. Die direkte mündliche Sprachmittlungssituation bietet indes für den Mediator den Vorteil, bei den Interlokutoren nachfragen, um Wiederholung oder Klärung bitten oder Gefühlsäußerungen, Betonung, Gestik und Mimik als Ausdrucks- und Verständnishilfen nutzen bzw. gezielt zur Verständnissicherung oder im Falle von (potenziellen) Missverständnissen zur Deeskalation einsetzen zu können. Aber auch solche sozialen Strategien müssen bewusst gemacht und eingeübt werden. 3. Sprachmittlungsaufgaben als kommunikative Aktivität zur Erprobung von Strategien Sprachmittlungsaufgaben weisen also ein besonderes Potenzial für die Vermittlung und Erprobung unterschiedlicher für den Sprachlernprozess bedeutsamer Strategien auf. Mündliche Sprachmittlungsaufgaben, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren werde, bieten sich dabei insbesondere zur Anwendung von Kommunikationsstrategien und von sozialen Strategien an. Fertigkeitsbezogene Strategien, unter denen ich mit W OLFF (1998) vor allem rezeptive und produktive Sprachverarbeitungsstrategien verstehe, bilden - wie in einsprachigen Kommunikationssituationen auch - die unabdingbare Grundlage, damit die Sprachmittlungsaktivität überhaupt in Gang gesetzt und Kommunikationsstrategien und affektiv-soziale Strategien zur Kompensation von Defiziten und zur Vermeidung oder Ausräumung von Missverständnissen zum Einsatz kommen können. 1 Im Folgenden lege ich zunächst dar, welche Substrategien der oben genannten drei Strategiebereiche bei der erfolgreichen Bewältigung mündlicher Sprachmittlungsaufgaben eine besonders hohe Relevanz haben (3.1 bis 3.3), um dann die Frage zu diskutieren, wie diese Strategien am effektivsten zu vermitteln sind (4.). Schließlich skizziere ich (5.) ein Unterrichtsszenario für den fortgeschrittenen Spanischunterricht zu Beginn der Sekundarstufe II, das zeigt, wie ein anwendungsorientiertes Strategientraining mit dem Ziel der Bewältigung einer mündlichen Sprachmittlungsaufgabe aussehen könnte. Im abschließenden Fazit und Ausblick (6.) stelle ich noch einmal dar, welche Vorteile der explizite Einbezug der Muttersprache in den Fremdsprachenunterricht gerade im Hinblick auf den 162 Andrea Rössler 38 (2009) Erwerb von Strategien bietet; zudem zeige ich auf, welche Forschungsfragen sich aus diesen theoretischen Darlegungen ergeben und welches Forschungsdesign zu deren Beantwortung entwickelt werden müsste. 3.1 Fertigkeitsbezogene Strategien Zu den fertigkeitsbezogenen Strategien zähle ich im Wesentlichen Sprachverarbeitungsstrategien, die sowohl die rezeptive als auch die produktive Sprachverarbeitung einschließen. Zur erfolgreichen Lösung mündlicher Sprachmittlungsaufgaben muss man im rezeptiven Bereich vor allem Hör-, aber auch ausgewählte Sehstrategien und im produktiven Bereich Sprechstrategien einsetzen. Auf Lese- und Schreibstrategien gehe ich deshalb hier nicht ein. Hörstrategien, die für die Lösung mündlicher Sprachmittlungsaufgaben besonders relevant sind, sind z. B. die folgenden: Predicting: Sprachmittler stellen sich vorausschauend auf das Thema eines Redebeitrags ein, zum Beispiel durch das Aktivieren von Assoziationsfeldern im Gedächtnis (vgl. R AMPILLON 2003b: 47). In dialogischen Kommunikationssituationen mit schnellen Themenwechseln wird das nicht immer möglich sein, wohl aber bei der Wiedergabe eines längeren monologischen Redebeitrags, auf dessen Thema und Tenor man sich vorab kurz einstellen kann. The given-new-strategy: Sprachmittler hören auf verbale und non-verbale Signale, um die Bezugswörter zu erkennen, die die Beziehung zwischen Satzaussagen herstellen, das sind zum Beispiel Konnektoren, deren Bedeutung durch Gestik/ Mimik oder Betonung unterstrichen werden kann (vgl. R AMPILLON 2003b: 48). Sequentielles Kombinieren: Hier kann zum Beispiel das Wissen um gängige Kollokationen in der Zielsprache hilfreich sein (wenn auch gelegentlich in die Irre führen), wenn es darum geht, die nicht verstandenen Teile eines Syntagmas oder eines Satzes zu rekonstruieren und dadurch auf die Gesamtbedeutung zu schließen. Paraverbale und non-verbale Elemente berücksichtigen: Beim Erfassen des Sinns eines Redebeitrags und der Intention achtet der Sprachmittler auf besondere Betonungen und die Satzmelodie und bezieht Gestik und Mimik des Sprechers in die Deutung von dessen Äußerung mit ein. Note-taking: Bei längeren (meist monologischen) Redebeiträgen, die nicht oder nicht mehrfach unterbrochen werden können, kann das Notieren von Schlüsselwörtern in Kombination mit Zeichen, die für Konnektoren stehen und damit Satzzusammenhänge und Argumentationsstrukturen markieren, sinnvoll sein. Nach dem Hören muss der Sprachmittler relativ schnell selbst produzieren, d. h. die aufgenommenen Aussagen und wahrgenommenen Sprecherintentionen sach-, adressaten- und situationsgerecht in die jeweilige Zielsprache mitteln. Das ist vor allem bei der Mittlung von der Mutterin die Fremdsprache eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, zumal in mündlichen Sprachmittlungskontexten, wo wenig Zeit für die Planung der Sprachproduktion bleibt. Hier können deshalb unter anderen die folgenden Strategien zum Einsatz kommen: Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 163 2 Eine mögliche Ausnahme stellt die Wiedergabe fremdsprachiger Redebeiträge (z. B. Kurzvorträge oder Begrüßungsworte) in der Sprache der Zuhörer dar, die dem Sprachmittler vorab in schriftlicher Form zur Kenntnisnahme und Vorbereitung vorliegen. 3 Die von K LEPPIN / T ÖNSHOFF (1998: 55) für einsprachige Kommunikationen in der Zielsprache, in denen der Lerner für sich selbst spricht, vorgeschlagenen Reduktionsstrategien greifen in Sprachmittlungssituationen also nur bedingt: z. B. sich auf das beschränken, was man sagen kann, oder zu einem anderen Thema überleiten, in dem man sprachlich ‚überleben‘ kann. 38 (2009) Der Sprachmittler kann auf sogenanntes „Inselwissen“ zurückgreifen, um Zeit zu gewinnen, d. h. auf automatisierte Strukturen und vorgefertigte sprachliche Routinen, die auf die wesentliche Satzaussage vorbereiten (z. B. si no me equivoco lo que quiere decir es ..., no sé exactamente adonde va pero tengo la impresión que ..., hablando en líneas generales se puede resumir...). Er kann formale Reduktionsstrategien anwenden, also gehörte Redebeiträge sprachlich vereinfachen, freilich ohne die wesentlichen Aussagen und Intentionen zu verfälschen oder auszusparen. Er kann zudem inhaltliche Reduktionsstrategien anwenden, also gehörte Redebeiträge inhaltlich so vereinfachen, dass ihre Kernaussagen und die wesentliche Sprecherintention erhalten bleiben, was meistens mit formalen Reduktionen einhergeht. Er kann auf achievement-Strategien zurückgreifen, die sich unterscheiden lassen in Kompensations- und retrieval-Strategien. Erstere kompensieren Mängel im sprachlichen Ausdrucksvermögen durch Paraphrasieren, Definieren und Umschreiben, letztere meinen Formen des Nachfragens beim Gesprächspartner, mit denen um Klärung oder andere Formulierung gebeten wird. Achievement-Strategien sind auch den Kommunikationsstrategien und retrieval-Strategien den sozialen Strategien zuordenbar (s. u.). 3.2 Kommunikationsstrategien Kommunikationsstrategien spielen in mündlichen Sprachmittlungssituationen eine besonders große Rolle, denn mündliche Sprachmittlungsaktivitäten sind in der Regel nicht planbar. 2 Der Mediator muss übermitteln, was er selbst nicht sagen will und/ oder so nicht sagen würde. Das verlangt ein hohes Maß an spontansprachlichen Fertigkeiten und an Flexibilität. Da er weder den Inhalt bzw. die Kommunikationsabsicht noch die Lexik und Syntax der zu mittelnden Aussage selbst bestimmen kann, wird er sich zudem je nach Sprachkompetenz zumindest gelegentlich auch vor das Problem gestellt sehen, zunächst nur teilweise zu verstehen und gegebenenfalls nachfragen bzw. um Klärung oder eine andere Art der Formulierung bitten zu müssen. Und selbst wenn er das Wesentliche verstanden hat, wird er, zumal bei der Wiedergabe einer Aussage in der Fremdsprache, zum Teil nicht unerhebliche Produktionsprobleme haben. Auf Reduktionsstrategien wie Umgehen oder Weglassen bestimmter Themen oder Inhalte kann der Sprachmittler dann allerdings nur insoweit zurückgreifen, als dadurch wesentliche Aussagen und Kommunikationsabsichten weder verfälscht werden noch ganz unter den Tisch fallen, denn andernfalls würde der Gesprächsverlauf grundlegend gestört oder verliefe in wesentlichen Punkten nicht mehr im Sinne der Interlokutoren. 3 Der Sprachmittler, der nicht einfach 164 Andrea Rössler 38 (2009) sagen kann, was er will oder im ersten Anlauf auszudrücken vermag, muss also insbesondere solche Kommunikationsstrategien beherrschen, deren Einsatz es ihm erlaubt, so nah wie kommunikativ nötig an dem Inhalt und der Intention der jeweils zu mittelnden Aussage zu bleiben. Grundlegend ist die Kenntnis von Umschreibungsstrategien, die bei fehlender fremdsprachiger Lexik (Mittlung von der Muttersprache in die Fremdsprache) zum Einsatz kommen können: z. B. Definitionen und Paraphrasen oder die Negierung des Gegenteils. Solche Umschreibungsstrategien sind nicht nur auf lexikalischer Ebene relevant, sondern greifen auch bei zielsprachigen syntaktischen Defiziten (z. B. wenn bestimmte Modi oder komplexe Nebensatzkonstruktionen umgangen werden sollen). Ersetzungsstrategien können insbesondere bei lexikalischen Defiziten helfen. Zu ihnen gehören z. B. kreative Wortneuschöpfungen (unter Rückgriff auf Wortbildungskenntnisse) oder das Ersetzen eines nicht bekannten Wortes in der Zielsprache Spanisch etwa durch ein englischsprachiges oder französischsprachiges Äquivalent oder der Rückgriff auf Internationalismen. Der Einsatz non-verbaler Strategien sollte zwar nicht die Regel sein, Gestik und Mimik oder auch Geräuschimitationen (vgl. K LEPPIN / T ÖNSHOFF 1998: 55) können aber gelegentlich dazu genutzt werden, sprachliche Ausdrucksdefizite - auch hier wohl vor allem im lexikalischen Bereich - zu kompensieren. 3.3 Soziale Strategien Die mündliche Sprachmittlungssituation erfordert das direkte Vermitteln zwischen Fremdem und Eigenem, zwischen fremder und eigener Sprache und Kultur und nicht zuletzt zwischen zwei Personen mit sowohl kulturspezifischen als auch individuellen Kommunikationsstilen, Einstellungen und Haltungen, die sich mit Hilfe eines Dritten, auf den sie angewiesen sind, zu verständigen suchen. Damit diese schwierige Aufgabe erfolgreich gelöst werden kann, bedarf es auch und gerade sozialer Strategien. Unter sozialen Strategien verstehe ich in diesem Zusammenhang mit B IMMEL / R AMPILLON (2000: 74) Strategien des Nachfragens und des Bittens um Erklärung und Strategien des Sich-Hinein-Versetzens in die Situation der Gesprächsteilnehmer. Daraus ergeben sich für die erfolgreiche Bewältigung einer mündlichen Sprachmittlungssituation die folgenden Strategien: Der Sprachmittler muss sich auf die Kommunikationssituation und das sprachliche Niveau der Interaktanten einstellen. Er muss sensibel sein für interkulturell differente Konzepte des Kommunizierens und des verbalen und non-verbalen Ausdrucks. Beispielsweise muss er kulturspezifische Wortbedeutungen erklären oder Verhaltensweisen und Erwartungshaltungen explizit erläutern und kommentieren und somit aktiv zur Vermeidung kulturbedingter Missverständnisse beitragen. Daraus folgt, dass er gelegentlich nicht ‚nur‘ Informationen ungefiltert weitergeben, sondern auch interpretieren und kommentieren, also gegebenenfalls etwas hinzufügen muss. Er muss um Wiederholung und Klärung bitten können, zum Beispiel durch Nachfragen Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 165 4 Die Frage ist formuliert in Anlehnung an einen Aufsatz von R AABE (2005): „Wieviel Grammatik braucht der Mensch? “ 5 Diese und ähnlich grundlegende Fragen wirft R AABE (1998) auf. 6 Diese Vorgehensweise entspricht den Phasen des Strategientrainings, die K LEPPIN / T ÖNSHOFF (1998) vorschlagen; vgl. auch den Beitrag von T ÖNSHOFF in diesem Band (S. 89-106). 38 (2009) bei idiomatischen Wendungen, deren Bedeutung nicht richtig verstanden worden ist, oder darum bitten, Aussagen sicherheitshalber noch einmal anders zu formulieren, sodass Sprecherintentionen für ihn deutlicher hervortreten. 4. Explizites Strategientraining oder selbst bestimmte Strategieerprobung? Die fremdsprachenlernorientierte Strategienforschung kategorisiert nicht nur unterschiedliche übergeordnete Strategiebereiche und Einzelstrategien, sondern beschäftigt sich auch mit der Frage, wie Strategien am nachhaltigsten zu vermitteln sind. Oberstes Ziel ist dabei, Lernstrategien so zu vermitteln, „dass der Lernende sie selbständig in neuen Aufgaben verwenden kann (Transfer)“ (B IMMEL / R AMPILLON 2000: 92). Die Gretchenfrage lautet hier wie in anderen Bereichen des Fremdsprachenlernens auch: Wieviel explizites Strategientraining braucht der Fremdsprachenlerner? 4 Ist es sinnvoll, Strategien zunächst lehrerzentriert zu präsentieren und dann isoliert einzuüben, bevor die Lerner sie in komplexen Sprechhandlungssituationen integriert anwenden und übertragen müssen? Oder ist es effektiver, die Lerner autonom Strategien entwickeln und erproben zu lassen, ohne bestimmte Maßnahmen und Lösungswege vorzugeben? 5 Wie so häufig beim Fremdsprachenlernen scheint es auch hier keinen Königsweg zu geben. Die Beantwortung der Frage dürfte unter anderen von Lernervariablen wie Alter, Lernertyp, methodisches Vorwissen, Niveau der fremd- und muttersprachlichen Sprachkompetenz, individuelle Sprachlernbiographie und Interesse und Motivation abhängen (vgl. z. B. G ROTJAHN 1998 und F INKBEINER 2003). Empirische Studien aus den letzten anderthalb Jahrzehnten zu ausgewählten Lernstrategiebereichen geben allerdings begründeten Anlass zu der Annahme, dass ein bewusster Strategieeinsatz bei allen Fremdsprachenlernern effektives Sprachenlernen fördert, dass aber insbesondere schwache und unerfahrene Fremdsprachenlerner von einem expliziten Strategientraining profitieren (vgl. u. a. S TORK 2003, N EVELING 2004 und E NDER 2007). Strategische Kompetenz muss demzufolge bewusst und sukzessive aufgebaut werden. Dazu gehört je nach Lerneralter und sprachlichem Niveau eine Reflexion über bereits bekannte, auch weitgehend unbewusst eingesetzte Strategien, die vom Lehrer vorstrukturierte Präsentation unbekannter Strategien, deren gesteuerte Einübung und Anwendung in isolierten bzw. wenig komplexen Sprachhandlungskontexten und deren retrospektive Evaluation (individuell und in der Lerngruppe). Erst im Anschluss daran erfolgt der Transfer des Gelernten in einer komplexeren Anwendungssituation. 6 Eine solche Phasierung kann aber auch modifiziert werden, zum Beispiel bei erfahrenen Fremdsprachenlernern, die eine relativ hohe Sprachkompetenz in der Zielsprache 166 Andrea Rössler 38 (2009) erreicht haben und über ein breites Methodenwissen und dementsprechend bereits über ein hohes Maß an Lernerautonomie verfügen. Bei solchen Lerngruppen kann es eine sinnvolle Alternative darstellen, mit einer Anwendungsphase zu beginnen, also zum Beispiel eine konkrete Sprachmittlungsaufgabe zu stellen und kooperativ in Kleingruppen lösen zu lassen. Die Lerner erhalten dann zusätzlich den Auftrag, den Prozess der Aufgabenlösung im Hinblick auf eingesetzte Strategien zu beobachten und ihn im Anschluss zu protokollieren und zu reflektieren. Je nach strategischem Vorwissen kann in der Kleingruppe auch bereits über alternative oder zusätzliche Strategien nachgedacht werden. Die angewendeten Strategien werden dann im Plenum vorgestellt und diskutiert. Mit einer weiteren (ggf. auch von den Lernern selbst gestellten) Sprachmittlungsaufgabe kann das neue bzw. reflektierte Strategiewissen dann abermals oder erstmalig erprobt werden. Unabhängig von dem Weg, den man als Lehrer einschlägt, und dem Grad der Selbststeuerung, den man den Lernern zugesteht, ist zu beachten, dass Strategien nicht nur präsentiert und eingeübt werden müssen, sondern vor allem, dass für die Lerner von Anfang an transparent sein muss, welchen Nutzen und zugleich welchen Sprachlerneffekt diese Strategien haben, wenn sie situationsädaquat eingesetzt werden. So kann isoliertes Strategientraining zwecks Habitualisierung bestimmter Prozesse zwar phasenweise sinnvoll sein. Es darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Vielmehr muss es für die Lerner nachvollziehbar eingebunden sein in einen größeren situativen Kontext, aus dem erhellt, welche Funktion diese Strategie in einer konkreten Kommunikationssituation erfüllen kann. Das fördert nicht zuletzt die auch für den Erfolg des Strategientrainings so wichtige Motivation der Lerner. Komplexe Sprachmittlungsaufgaben bieten dafür einen idealen kommunikativen und zudem realitätsnahen Rahmen. 5. Ein Beispiel für die Praxis des Spanischunterrichts: Der sukzessive Aufbau von strategischer Sprachmittlungskompetenz Je nach Lerneralter, Vorwissen und bereits erreichter Sprachkompetenz in der Zielsprache ist ein explizites, zunächst isoliertes Strategientraining, das auf einen situationsädaquaten Strategieeinsatz in komplexen Sprechsituationen vorbereitet und diesen dann auch einübt, sinnvoll. Ein diesem Phasenmodell entsprechendes Beispiel für den fortgeschrittenen Spanischunterricht zu Beginn der Sekundarstufe II und des 5. oder 6. Lernjahres (also in der 11. Klasse mit Spanisch als 2. Fremdsprache ab der 6. oder 7. Klasse) wird im Folgenden skizziert. Dieses Unterrichtsszenario ist so strukturiert, dass Strategiekompetenz zur Bewältigung komplexer Sprachmittlungsaufgaben sukzessive aufgebaut wird. Dabei erweitern die Lerner - wie sich zeigen wird - zugleich ihr Sprachwissen und ihre Sprechkompetenz und werden sensibilisiert für Probleme interkultureller Kommunikation, die auch in einsprachigen kommunikativen Kontexten in der Zielsprache von Belang sind. Ein explizites und zunächst isoliertes Strategientraining scheint hier nicht nur wegen des Alters und der wahrscheinlichen Sprechkompetenz der Lerner sinnvoll - die auf dem Niveau B1 bzw. B2 des GeR anzusiedeln sein dürfte -, sondern auch, weil mündliche Sprachmittlungsaufgaben ein besonders hohes Maß an Flexibilität und Spontaneität Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 167 7 Ein vergleichbares isoliertes Training von (zum Teil anderen) Kompensationsstrategien für den Englischunterricht schlägt K OLB (2008) vor. 38 (2009) erfordern. Eine Habitualisierung bzw. Automatisierung bestimmter Strategien und damit auch deren isolierte Einübung ist hier deshalb besonders gerechtfertigt und kann gegebenenfalls Frustrationen bzw. dem Abbruch von Sprachmittlungsaktivitäten vorbeugen. 5.1 Erster Schritt: Isoliertes Strategientraining zur Vorbereitung einer mündlichen Sprachmittlungsaktivität Für das isolierte Strategientraining als Vorbereitung auf eine mündliche Sprachmittlungsaktivität habe ich zwei Strategien ausgewählt: aus den Kommunikationsstrategien Beispiele für Kompensationsstrategien und aus den sozialen Strategien mit dem Einüben von Erklärungen kulturspezifischer Lexik ein Beispiel für Strategiewissen zur Förderung interkultureller Kompetenz. Die Kenntnis dieser Strategien und ihr situationsadäquater Einsatz sind fundamental für die erfolgreiche Bewältigung einer mündlichen Sprachmittlungsaufgabe, bei der aus der Muttersprache in die Zielsprache gemittelt werden muss. Sie werden deshalb vorab explizit und isoliert eingeübt. 7 Einübung von Kompensationsstrategien bei Defiziten in der Beherrschung fremdsprachiger Lexik 1. Si no conoces el equivalente español de una palabra clave o una expresión importante puedes a) negar el contrario (si no conoces el equivalente de „bei einem Examen durchfallen“ puedes decir „no aprobar un examen“) [Utiliza el contrario para explicar „kurzweilig“, „unwissend“, „etwas bezweifeln“ und „etwas geheimhalten“.] b) dar una definición (en vez de „azafata“ se puede decir „una persona que sirve la comida en los aviones“) [Explica en español el significado de: „abwechslungsreiches Kulturprogramm“, „schulübergreifende Projekte“, „Gastgeber“.] c) simplificar la expresión (en vez de traducir al pie de la letra „es erfüllt uns mit großer Freude“ puedes decir „nos alegramos de que“) [Simplifica primero y traduce después: „etwas hat sich als nicht durchführbar erwiesen“, „eine Entwicklung mit großer Sorge verfolgen“ und „etwas übersteigt die eigene Vorstellungskraft“]. 2. A veces los interlocutores usan locuciones verbales que no sabes traducir. En muchos casos se trata de expresiones fijas que funcionan a base de imágenes verbales como, por ejemplo, en alemán „ein Auge auf jemanden werfen“ cuyo equivalente en español es „echar el ojo a alguien“. Desgraciadamente, en muchos casos las traducciones literales no funcionan o bien porque la imagen que se usa en la lengua materna es otra en la lengua meta, o bien porque el concepto correspondiente no se expresa en español por una locución verbal. Entonces, se tiene que parafrasear el concepto en la lengua meta. a) Parafrasea el concepto de las siguientes locuciones verbales alemanas en español: „etwas gehört zum guten Ton“, „mit allen Wassern gewaschen sein“ und „aus dem letzten Loch pfeifen“. 168 Andrea Rössler 38 (2009) Kulturspezifische bzw. kulturell besonders aufgeladene Lexik erläutern Je nachdem, wer der Adressat einer zu mittelnden Äußerung ist, kann es notwendig sein, einzelne kulturspezifische Begriffe explizit zu erklären bzw. die Bedeutung, die diese in einem bestimmten kulturellen Kontext haben, zu kommentieren. Hier handelt es sich also nicht um eine Reduktionsstrategie, sondern um eine Expansionsstrategie. Der Sprachmittler fügt der ursprünglichen Äußerung etwas hinzu, um zum Beispiel auf kulturspezifische Konnotationen aufmerksam zu machen oder um Begriffe, die nicht übersetzbar sind, weil entsprechende Phänomene oder Konzepte in der jeweils anderen Kultur so nicht vorkommen, zu erläutern und ihren Stellenwert und semantischen Gehalt in ihrem kulturellen Ursprungskontext zu verdeutlichen. Für solche Begriffe müssen Lerner sensibilisiert werden, und die Art des Umgangs mit ihnen im Prozess der Sprachmittlung muss eingeübt werden. Dieses Ziel wird mit den folgenden Aufgabenstellungen angestrebt: Explica las siguientes palabras/ expresiones a un hispanohablante de la Península Ibérica que tiene más o menos tu edad (entre 16 y 18 años). 1. Gymnasium und Gesamtschule, 2. Grund- und Leistungskurs, 3. Bildungsdebatte 3. PISA-Schock. Explica las siguientes palabras/ expresiones a un alemán de tu edad que no sabe español. 1. la ESO, 2. un colegio religioso concertado, 3. la enseñanza infantil/ preescolar, 4. la recuperación de suspensos. 5.2 Zweiter Schritt: Situationsgebundenes Anwenden von Strategien in einer monologischen Sprachmittlungssituation Nach der Bewusstmachung bzw. Vermittlung und isolierten Einübung ausgewählter, für mündliche Sprachmittlungssituationen relevanter Strategien sollen die Lerner diese in einem begrenzten kommunikativen Kontext anwenden und damit festigen. Hierzu wird folgendes Szenario vorgegeben: An einer deutschen Gesamtschule ist im Rahmen eines Comenius-Programms eine Schüler- und Lehrergruppe einer Partnerschule aus Sevilla zu Gast. Die Schüler sind im Alter von 12 bis 17 Jahren. Der Rektor der deutschen Schule spricht kein Spanisch, die Gäste aus Sevilla sprechen kein Deutsch und nur zum Teil und auf recht unterschiedlichem Niveau Englisch. Der Rektor entschließt sich deshalb, die spanischen Gäste im Rahmen einer offiziellen Begrüßungszeremonie auf Deutsch zu empfangen und einen deutschen Schüler seiner Schule zu bitten, seine Begrüßungsrede in die Muttersprache der Gäste zu mitteln. Dem Schüler liegt die Begrüßungsrede nicht in schriftlicher Form vor, denn dem Rektor gelingt es erst in letzter Minute, ein paar Stichwörter für seine Ansprache und Willkommensworte zu notieren, die er dann ad hoc ausformulieren will. Er vereinbart aber mit dem Sprachmittler ein Zeichen, mit dem dieser Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 169 38 (2009) ihn um eine Pause für die Sprachmittlung eines Redeabschnittes ins Spanische bitten kann. Bei dieser Aufgabe sehen sich die Schüler also mit einem monologischen Sprachmittlungskontext konfrontiert, bei dem von der Mutterin die Fremdsprache, aber nicht umgekehrt zu mitteln ist. Der zu mittelnde Redebeitrag wird auf der Basis von Stichpunkten weitgehend frei formuliert. Aufgrund des klar umrissenen kommunikativen Kontextes kann der Schüler sich im Sinne des predicting auf wahrscheinliche Inhalte, den Tenor und gängige, textsortenspezifische sprachliche Routinen und Formeln zumindest ansatzweise einstellen und vorbereiten. Trotzdem kann er die Sprachmittlung nicht im Detail vorplanen und muss u. a. spontan entscheiden, wann er den Schulleiter um eine Pause bittet. Die Begrüßungsrede, die der Schulleiter dann letztlich frei formuliert, könnte folgendermaßen lauten: Liebe Gäste aus Sevilla, liebe Schüler und Kollegen der Anne-Frank-Gesamtschule, es erfüllt uns mit großer Freude, heute wieder einmal Schüler und Lehrer unserer Partnerschule aus Sevilla hier in XX begrüßen zu können. Unsere Schulen stehen seit nunmehr drei Jahren in engem Kontakt miteinander und pflegen ein freundschaftliches Verhältnis auf Schüler- und auf Lehrerebene. E-Mail-Projekte, Schüleraustauschprogramme und schulübergreifende Lektüreprojekte gehören schon fast zum guten Ton. Doch diesmal haben wir uns etwas ganz Besonderes vorgenommen. In Kooperation mit einer weiteren Schule in Italien wollen wir im kommenden Jahr eine dreisprachige Ausstellung auf die Beine stellen, in der künstlerische Objekte aus allen drei Schulen zum Thema „Wasser“ gezeigt werden sollen. Das ist eine große Herausforderung für uns alle und wir hoffen, dass wir diese Aufgabe gemeinsam bewältigen und viele neue Erfahrungen sammeln werden. Mal sehen, ob ihr mit allen Wassern gewaschen seid. Aber natürlich wollen wir auch gemeinsam Spaß haben. Deshalb haben unsere Schüler und Lehrer ein abwechslungsreiches Kulturprogramm und Zeit für gemeinsame Ausflüge und Feste eingeplant. Es geht ans Meer und ins Theater, zum Fußball- oder Volleyballspielen, in die Disco oder ins Kino. Spiel und Spaß werden also neben der Kunst auch nicht zu kurz kommen. Aber zunächst heißt euch jetzt unser Schulorchester mit Pauken und Trompeten willkommen! Eine gute Zeit uns allen und viel Erfolg bei der Durchführung dieses Riesenprojekts! Diese Rede kann vom Lehrer oder, falls die Schüler in Gruppen arbeiten, von einem Mitschüler vorgetragen werden. Der Sprachmittler bestimmt selbst durch ein Zeichen, wann der ‚Schulleiter‘ eine Pause für ihn macht. Es wird vorab zudem noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht wortwörtlich zu übersetzen ist, sondern inhaltliche und sprachliche Reduktionen, die den Gesamtsinn nicht verfälschen bzw. nichts Wesentliches aussparen, eingesetzt werden sollen. Die vorher eingeübten Kompensationsstrategien können auf diese Weise zum Teil am selben Wortmaterial noch einmal wiederholt, zum Teil auf neue Lexik übertragen angewendet werden. Je nach gewählter Sozialform kann die Lösung der Aufgabe in der Kleingruppe oder im Plenum evaluiert werden. Es findet also ein anwendungsorientiertes Strategientraining in einem als authentisch akzeptierbaren kommunikativen Kontext statt, das abschließend metakognitiv reflektiert und ausgewertet wird. 170 Andrea Rössler 38 (2009) 5.3 Dritter Schritt: Situationsgebundenes Anwenden von Strategien in einer dialogischen Sprachmittlungssituation Als Sprachmittler in einer dialogischen Sprechsituation zu agieren ist zweifellos eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Es gilt hier aus der Muttersprache in die Zielsprache und umgekehrt zu mitteln, wiederum unter hohem zeitlichem Druck, aber immerhin mit der Möglichkeit, direkt nachzufragen oder um eine andere Formulierung oder nähere Erläuterung zu bitten. In einer dialogischen Sprachmittlungssituation sind zudem soziale und interaktionale Kompetenzen in besonderer Weise gefragt. Trabajad en grupos de 4 o 5. a) La situación es la siguiente. Durante la visita del grupo sevillano en el instituto alemán (v. a.) un profesor del grupo se deja entrevistar para el periódico escolar. El redactor (un alumno alemán de 17 años) no habla español y el profesor sevillano no habla alemán, por eso un alumno alemán que domina bastante bien el español se ofrece como mediador. b) Repartid los roles en cuestión: un/ a profesor/ a español/ a, un/ a alumno/ a alemán/ a, un/ a mediador/ a y uno/ a o dos observadores que controlan el proceso de mediación y dan un feedback al mediador después de la entrevista. Redactor/ a Vielen Dank, dass Sie bereit sind, sich für ein Interview für unsere Schülerzeitung zur Verfügung zu stellen. Mediador/ a ................................... Profesor/ a No hay de qué, yo encantado/ a. Trátame de tú, por favor. Mediador/ a ........................................ Redactor/ a Aha, ok, ehm... Welche Fächer unterrichtest du an deiner Schule in Sevilla? Mediador/ a ........................................... Profesor/ a Pues, imparto clases de historia en la ESO y en los dos cursos del bachillerato. Además a veces doy clases particulares a alumnos de un colegio religioso concertado que no está muy lejos del nuestro. Mediador/ a ........................................ Redactor/ a Was überzeugt dich am spanischen Schulsystem? Und wo siehst du dessen größte Probleme? Mediador/ a .......................................... Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 171 38 (2009) Profesor/ a Uff, no sé qué decirte, es dificilísimo valorar un sistema en el que estás metido todos los días y que es el único que conoces de cerca. Pues, lo que sí me convence es la educación infantil. Me parece bien que los niños ya puedan entrar con 3 años de edad en el sistema escolar, además es gratuito, pero no obligatorio. Pero el problema está en que en algunas Autonomías, como por ejemplo en Madrid, no hay suficientes plazas. También la estructura de la ESO me convence, hay asignaturas obligatorias y otras facultativas, pero la idea es que todos están juntos hasta el final del bachillerato. Luego, lo de los suspensos en la ESO me parece un lío, sobre todo el hecho de que los alumnos tengan que recuperar las asignaturas en septiembre. Primero nos torean a nosotros y luego a sus padres. Mediador/ a ................................ Redactor/ a Wie hat Spanien auf den PISA-Schock reagiert? Mediador/ a ................................ Profesor/ a Choque de Pisa, vaya, vaya, qué gracioso. Pues, choque choque no creo que hubiera. Será porque nunca hemos estado tan orgullosos de nuestro sistema educativo como los alemanes, si no me equivoco. Pero con Zapatero y su gobierno llegaron muchas reformas, p. ej. lo de la educación preescolar gratuita. Mediador/ a ................................... Redactor/ a Vielen Dank für das Interview und eine gute Zeit für dich und deine Schüler in Deutschland. Mediador/ a ...................................... Der Sprachmittler ist in diesem Interview sprachlich und inhaltlich vielfältig gefordert. Je nach Sprachkompetenz und soziokulturellem Wissen über das spanische Schulsystem wird er nachfragen müssen, um dem deutschen Schülerzeitungsredakteur die Positionen des spanischen Lehrers angemessen erläutern zu können (wie zum Beispiel „la ESO, el bachillerato, los suspensos“ etc). Unter anderen darauf werden die Schüler in dem vorangestellten Strategientraining vorbereitet. In sprachlicher Hinsicht muss der Mediator eine Reihe von umgangssprachlichen Ausdrücken und Redewendungen bewältigen (zum Beispiel „me parece un lío“ oder „torear“) und Kenntnisse haben über Besonderheiten der spanischen Syntax und deren Bedeutung (in diesem Fall etwa über die Voranstellung und Verdoppelung des Objektes in „choque choque no creo que hubiera“). Auch Kenntnisse über Konventionen des Kommunizierens - wie die Tatsache, dass sich Schüler und Lehrer in Spanien duzen - sind hier gefragt. Umgekehrt muss der Sprachmittler dem spanischen Lehrer gegebenenfalls erläutern, was mit „PISA-Schock“ gemeint ist und welche Bedeutung dieser für die deutsche Bildungsdebatte hatte. Damit der Sprachmittler erfolgreich bei dem Schüler, der die Rolle des spanischen Lehrers übernimmt, nachfragen kann, muss dieser gegebenenfalls durch sprachliche und inhaltliche Zusatzinformationen auf seine Rolle vorbereitet werden, die auch den beiden Beobachtern zur Verfügung gestellt werden 172 Andrea Rössler 38 (2009) müssen. Wie bei der vorherigen monologischen Sprachmittlungsaufgabe arbeiten die Schüler auch hier am besten in Kleingruppen (siehe die Aufgabenstellung), in denen auch das Feedback erfolgt. Der Lehrer kann als Berater hinzugezogen werden, wenn die Schüler den Eindruck haben, einzelne Sprachmittlungsbeiträge nicht angemessen bewerten zu können. 6. Fazit und Ausblick Mündliche Sprachmittlungsaufgaben - seien sie nun monologisch oder dialogisch - erfordern die Realisierung äußerst komplexer mentaler und sprachlicher Aktivitäten in denkbar knapper Zeit. Aus psycholinguistischer Perspektive ist das Sprechen die schwierigste Kompetenz, zumal das Sprechen in einer Fremdsprache. Zudem haben psycholinguistische Forschungen gezeigt, dass „Zweitsprachensprecher in hohem Maße dazu tendieren, die Muttersprache zum Ausgangspunkt der Formulierungen in der L2 zu machen“ (W OLFF 2000: 15). Das gilt vor allem für die ersten Fremdsprachenlernjahre; von einer kompletten Ausblendung der Muttersprache bei der Planung fremdsprachlicher Äußerungen kann aber selbst bei fortgeschrittenen Lernern mit near-native-Kompetenz in der L2 nicht ausgegangen werden. Psycholinguistische Studien haben überdies ergeben, dass L2-Lerner bei der Transformation einer muttersprachlich geplanten Äußerung in die Zielsprache mehr oder minder unbewusst verschiedene Reduktions- und Kompensationsstrategien einsetzen, um die in der L1 vorgeplante mündliche Äußerung in die L2 transferieren zu können (vgl. W OLFF 2000). Die Muttersprache ist also auch dann (und vielleicht gerade dann) in den Köpfen der Schüler und bei der Planung von mündlichen Redebeiträgen in der L2 präsent, wenn sie aus dem vermeintlich einsprachigen Unterricht in den meisten Phasen explizit ausgeschlossen wird. Es scheint somit sinnvoll, den ohnehin stattfindenden Prozess des Transfers von der Mutterin die Fremdsprache zum expliziten Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts zu machen. Gerade für (zumeist auch strategisch) schwache Fremdsprachenlerner dürfte es hilfreich sein, die Strategien, die bei mündlichen Produktionen in der L2 weitgehend unbewusst und in unterschiedlicher Qualität und Intensität zum Einsatz kommen, ins Bewusstsein zu heben, ihre Anwendung zu reflektieren und zu verbessern und das Strategienrepertoire zu verfeinern und zu erweitern. Damit erweitern gerade auch schwächere Fremdsprachenlerner sowohl ihre Fremdsprachenlernkompetenz als auch ihre kommunikative Kompetenz in der Fremdsprache. Sprachmittlungsaufgaben bieten dafür einen realitätsnahen kommunikativen Rahmen. Um sie herum lassen sich - wie gezeigt - unterrichtliche Szenarien entwickeln, die von den Schülern im Sinne eines „willing dispense of disbelief“ als quasi-authentisch akzeptiert werden können. In einem solchen klar umrissenen situativen Kontext, der die Muttersprache ausdrücklich mit einschließt, kann Strategiewissen - so meine These - besonders effektiv vermittelt und strategisches Können handelnd erprobt und damit gefestigt und erweitert werden. Diese These bedarf allerdings noch der empirischen Überprüfung. Hier ist ein Forschungsdesign denkbar, in dessen Zentrum Sprachmittlungsaufgaben im Sinne von Strategisch sprachmitteln im Spanischunterricht 173 38 (2009) Lernaufgaben stehen, deren spezifisches Potenzial im Hinblick auf den nachhaltigen Erwerb von Strategienkompetenz zu erforschen wäre. Ein solches Forschungskonzept wäre im Kontext der Lernaufgabenforschung einerseits und der Erforschung der Effektivität von Strategientraining andererseits anzusiedeln. Eine entsprechende Studie müsste so zum einen zu ermitteln versuchen, welche Löse- und Lernprozesse bei Lernern mit bestimmten Eigenschaften/ Einstellungen (Lernertyp, Motivation), Erfahrungen (Lerneralter) und bestimmtem Methodenwissen durch spezifische Sprachmittlungsaufgaben initiiert werden. Zum anderen müsste sie die Effektivität eines expliziten Lernstrategientrainings erforschen, das auf die erfolgreiche Lösung solcher Sprachmittlungsaufgaben abzielt. Angesichts der Komplexität dieses Forschungsgegenstandes und der Schwierigkeit, die mentalen Prozesse, um deren Initiierung und Realisierung es hier geht, zu fassen und zu dokumentieren, wäre im Hinblick auf das Forschungsdesign an ein Triangulieren verschiedener Datensätze zu denken (z. B. an eine Kombination aus theoriegeleiteten Interviews, Lernertagebüchern und audiovisuellen Mitschnitten von mündlichen Aufgabenlösungen). Sowohl für unterschiedliche Arten von Lernaufgaben (vgl. z. B. B ÖRNER 2002 und E CKERTH 2003) als auch für explizites Lernstrategientraining liegen empirische Studien eines ähnlichen Zuschnittes bereits vor, nicht aber für Sprachmittlungsaufgaben und damit für Lehr- und Lernkontexte, in denen die Muttersprache explizit zum Gegenstand und Ausgangspunkt des Fremdsprachenunterrichts gemacht wird. „Ausgearbeitete zweisprachige Lehrtechniken wurden und werden von der mainstream-Didaktik nicht gefördert und gepflegt“, bilanzierte B UTZKAMM (2006) unlängst. Das gilt auch für die empirische fremdsprachendidaktische Forschung. Literatur B IMMEL , Peter / R AMPILLON , Ute (2000): Lernerautonomie und Lernstrategien. Fernstudieneinheit 23. Berlin u.a.: Langenscheidt. B ÖRNER , Wolfgang (2002): „Lernprozesse in grammatischen Lernaufgaben“. In: B ÖRNER , Wolfgang / V OGEL , Klaus (Hrsg.): Grammatik und Fremdsprachenerwerb. Kognitive, psycholinguistische und erwerbstheoretische Perspektiven. Tübingen: Narr, 231-259. 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In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 47, 11-16. * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bernd R ÜSCHOFF , Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften, Institut für Anglophone Studien, Universitätsstraße 12, 45117 E SSEN . E-mail: bernd.rueschoff@uni-duisburg-essen.de Arbeitsbereiche: Spracherwerbsforschung, Digitale Medien im Fremdsprachenlernen, Korpuslinguistik. 38 (2009) B ERND R ÜSCHOFF * Digit ale Me die n und pro z e s s orie ntie rt e s L e rn e n zur Förderung sprachlicher und strategischer Kompetenz im Fremdsprachenlernen Abstract. Current thinking in SLA methodology favours knowledge construction rather than simple instructivist learning as an appropriate paradigm for language learning. Within this context, project-based and task-oriented scenarios have often been regarded as the real forte of digital media and technologyenhanced tools. Such approaches to learning are also rooted in the output hypothesis, which argues that learners should actively engage themselves in the negotiation and creation of ‘comprehensible output’ in order to develop linguistically and cognitively. Following the apparent upgrade of the Internet to Web 2.0, expectations are running high as to the innovative potential of this (supposedly) new platform for Technology Enhanced Language Learning. This paper will discuss the principles of output orientation in language learning with particular focus on writing activities. It will also consider the new level of dynamics afforded by some of the tools available in the “new” Internet as well as how these can be used to support the learners’ active engagement in productive and reflective processes when creating textbased output in language learning. 1. Vorbemerkung Wissenskonstruktion als lerntheoretisches Paradigma für eigenverantwortete und selbstgesteuerte Sprachlernprozesse wird vielfach als Alternative zu instruktionsbasierten Lernangeboten gesehen. Zudem wird der von Merrill S WAIN propagierten „Output Hypothese“ immer mehr Beachtung geschenkt, die das Erarbeiten von zielsprachlichem Output und die damit verbundenen Prozesse der Sprachproduktion als wichtigen Beitrag zum Sprachenlernen, aber auch zur Förderung des metakognitiven Wissens und entsprechender Strategien betont. Hier bieten digitale Medien seit jeher besondere Potentiale für den Sprachunterricht, und von Anfang an wurde deshalb die besondere Bereicherung des Fremdsprachenlernens durch Computer und Internet in der Funktion dynamischer, kognitiver Werkzeuge betont. Mit dem Schlagwort Web 2.0 und den damit bezeichneten Weiterentwicklungen im Internet verbinden deshalb viele hohe Erwartungen, auch was die Nutzungspotentiale dieses „Mitmach-Webs“ im Sprachenlernen betrifft. Diese Erwartungen basieren aus meiner Sicht zum einen auf einer neuen Qualität der Dynamik in der Nutzung digitaler Medien und der damit verbundenen erweiterten Impulse zur kognitiven Reflexion sowie gesteigerten Anreizen zur Kommunikation und Kooperation, die „so- 176 Bernd Rüschoff 38 (2009) ziale“ Software und entsprechende Plattformen im heutigen Internet zu bieten haben. Zum anderen aber gründen diese Erwartungen auch auf der Tatsache, dass Werkzeuge des Web 2.0 sich durch eine deutlich einfachere Nutzung auszeichnen als manche Internet-Tools der ersten Generation. Gerade das letztere führt dazu, dass Wikis, Blogs, soziale Netze usw., um nur einige Angebote des Web 2.0 zu nennen, schon jetzt als „transparente Technologien“ (W HEELER [et al.] 2005) bezeichnet werden, die den Lernenden das Fokussieren auf die Lösung einer Lernaufgabe ohne technische Barrieren erleichtern. So stellen P ARKER / C HAO (2007: 57) fest: „[…] these tools afford the added advantage of reducing the technical skill required to use their features, allowing users to focus on the information exchange and collaborative tasks themselves without the distraction of a difficult technical environment“. Was den vorliegenden Beitrag betrifft, so soll es hier um folgende Aspekte gehen: Zunächst wird, ohne dabei auf die kontroversen Diskussionen zum Begriff Web 2.0 eingehen zu können, doch kurz das besondere Charakteristikum des „Neuen“ Internet skizziert. Da das Prinzip der kooperativen Autorenschaft und des globalen Networking mittels der nunmehr im Internet verfügbaren so genannten Social Software und einer Vielzahl weiterer nutzerfreundlichen (Autoren)Tools ein besonderer Schwerpunkt der Nutzung des „Neuen Webs“ ist, soll die Bedeutung kollaborativer, sozial kontextualisierter Formen des Lernens diskutiert werden. Bei solchen Lernkontexten spielen neben der reinen Sprachproduktion vor allem auch die Lernprozesse und deren Reflexion eine wichtige Rolle, wodurch Lernende Strategien der Sprachverarbeitung und Sprachproduktion in deren Wirksamkeit und Wirkung erfahren können; deshalb sollen entsprechende Ansätze in aller gebotenen Kürze lerntheoretisch verankert werden. Dabei geht es u.a. auch um eine Ausdifferenzierung der Lernziele fremdsprachlichen Lernens bis hin zur Förderung von Lerntechniken und Lernstrategien. Hier wird dann auch kurz auf erste Forschungsergebnisse - vor allem zum Schreiben in digital unterstützten Lernräumen - verwiesen, die zeigen, dass kooperatives Schreiben mit digitalen Tools tatsächlich die erwarteten quantitativen und qualitativen Effekte auf Schreibprozesse und Produkte (vgl. P ENNINGTON 1999: 1) bewirken kann, sich solche Lernangebote also potentiell positiv auf das metakognitive Wissen und die schreibstrategische Kompetenz der Lernenden auswirken können. Schließlich werden dann einige kollaborative Schreibaufgaben in Wikis skizziert; dabei geht es sowohl um Beispiele aus der Literatur als auch Lernangebote, mit denen wir in der Anglistik an der Universität Duisburg-Essen im Kontext unserer schulpraktischen Studien gute Erfahrungen gemacht haben. 2. Technische Annäherung: Digitale Medien im Zeitalter des Web 2.0 Was ist das Web 2.0? Um diese Frage im Stil des guten alten Lehrers Bömmel aus der Feuerzangenbowle anzugehen: Zunächst einmal ist das Internet bekanntermaßen ein großes digitales Netz, in das auf der einen Seiten Informationen und Daten eingespeist werden, auf die dann auf der anderen Seite weltweit zugegriffen werden kann. Außerdem dient das Netz der Kommunikation auf elektronischem Wege. In Zeiten des Web 1.0 Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 177 38 (2009) wurden die Informationen allerdings von einer - relativ gesehen - überschaubaren Zahl an Quellen bzw. Anbietern ins Netz gestellt und auch die Kommunikationswege (E-Mail etc.) waren zunächst eher auf direkte und gezielte Kontakte fokussiert. Aus diesem Grunde wird das Internet der ersten Generation oft auch gerne im Sinn eines „one-to-one“ oder „one-to-many“-Netzes charakterisiert. Im Internet in seiner ersten Ausprägung, obwohl von Anfang an als Mittel der Vernetzung und des Austausches von Informationen intendiert, fand also eher eine Einweg-Kommunikation statt, und in Sprachlernkontexten lag ein Fokus auf Unterricht und Unterrichtsvorbereitung neben zunächst vornehmlich E-Mail unterstützten Kommunikationsprojekten vor allem in der Nutzung als Informationsquelle, Fundus authentischer Materialien und Rechercheinstrument. Natürlich wurden schon relativ früh auch bereits eine Vielzahl an Internetprojekten durchgeführt, bei denen Lerngruppen Webseiten erstellt und im Internet publiziert haben; allerdings blieben diese eher eine Ausnahme und Lerngruppen und Lehrenden mit wenig Scheu gegenüber den damit oft verbundenen technischen Hürden vorbehalten. Im Gegensatz dazu präsentiert sich das Internet der neuesten Generation als wirkliche Plattform für eine „many-to-many“-Kommunikation, bei der technische Aspekte der Nutzung bzw. Nutzerfreundlichkeit deutlich weniger im Vordergrund der Anwendung stehen. Als Web-2.0-Anwendungen versteht man somit jene im Netz für jeden Nutzer verfügbaren Software-Anwendungen und soziale Plattformen, über die man auf Informationen nicht nur zugreifen, sondern komplikationslos auch eigene Inhalte im Internet publizieren oder austauschen kann, ohne dafür eigene Webseiten programmieren zu müssen. Gleichzeitig bieten Plattformen, wie z.B. Facebook oder StudiVZ, Möglichkeiten für bisher so nicht gegebene Formen der sozialen Vernetzung und Kommunikation. Öffentliches Schreiben ist über Blogs und ähnliche Tools kinderleicht geworden, und mittels Wikis, die sich nach dem Modell der Wikipedia-Enzyklopädie mit entsprechenden Tools im Internet einrichten lassen, können viele Nutzer gemeinsam und telekooperativ Texte und ähnliche - auch multimedial aufbereitete und hypertextuell verknüpfte - Dokumente bearbeiten und ausgestalten. Laut eben dieser Wikipedia-Enzyklopädie ist Web 2.0 deshalb eher „ein Schlagwort [...] für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets“ und weniger eine konkrete Produktbeschreibung. Neben Wikis sind wohl digitale Tagebücher, also blogs, das bekannteste Beispiel für individuell gestaltbares Publizieren und Kooperieren im Web 2.0. Dazu gehören aber auch Plattformen wie YouTube oder Flickr, mittels derer eigenproduzierte Videos und Fotos in das WWW „gestellt“ werden können, sowie Plattformen für das PodCasting zur Verbreitung eigenproduzierter Radiospots. Podcasts und Videocasts sind zudem mittlerweile unverzichtbare Quellen für authentische (historisch wie tagesaktuell relevante) Materialien für das Sprachenlernen geworden. Allerdings ist die bereits erwähnte Wikipedia, als von der Web-Community weltweit und in vielen Sprachen gemeinsam gepflegte Online-Enzyklopädie, wohl noch immer das prägnanteste Signal für den Paradigmenwechsel in der Nutzung des Internet. Hier liegt ein besonderes Potential für die Flexibilisierung von Unterricht, denn mittels entsprechender Tools können Lernende zur eigenverantworteten und kollaborativen Aufbereitung von Informationen angeregt werden. Für Lehrpersonen ist das Angenehme an Web-2.0-Applikationen, 178 Bernd Rüschoff 38 (2009) dass diese im Prinzip ohne aufwendige Installationen auf dem Server der eigenen Bildungseinrichtung über global im Netz verfügbare Plattformen in den Unterricht einbezogen werden können. Auf eine detaillierte Beschreibung aller Tools des „Neuen Web“ soll aber hier verzichtet werden, da dazu - auch bezogen auf das Sprachenlernen - bereits einige Publikationen vorliegen. Hier sei z.B. verwiesen auf das Heft 152 der Zeitschrift Log In aus dem Jahr 2008 oder entsprechende Einträge im Wiki der ZUM e.V. - Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet. Das Web 2.0 ist also zunächst nichts anderes als ein Ensemble global nutzbarer Autorenwerkzeuge und Kommunikationstools. Eine detaillierte Einschätzung der Potentiale dieses sogenannten „Mit-Mach Web“ für das Sprachenlernen aus Sicht des Verfassers dieses Beitrags wurde Anfang 2009 im Handbook of Research on Web 2.0 and Second Language Learning vorgelegt (vgl. Rüschoff: 2009). 3. Didaktische Annäherung: Digitale Medien als dynamische Werkzeuge für das Sprachenlernen Was die Kommunikation und die Kollaboration im Sprachenlernen mittels Web-Tools betrifft, so greifen hier aus meiner Sicht besondere Formen der Kooperation, die mehr als bisher im Sinne einer prozessorientierten Didaktik zur Förderung von strategischer Kompetenz und Lernbewusstheit beitragen können. Deshalb soll mit Bezug auf das Web 2.0 der Begriff „Dynamik“ diskutiert werden, der schon für die Nutzung technologiegestützter Werkzeuge älterer Ausprägung im Sprachunterricht thematisiert wurde. Schon früh wurden Computer und Internet als dynamische, kognitive Werkzeuge ausdefiniert (siehe dazu R ÜSCHOFF / W OLFF 1999: 119 ff). Zwar konnte man sowohl im Internet in dessen ursprünglicher Ausprägung als auch offline am PC sogenannte Templates im Sinne von Werkzeugen zur Erleichterung einer sinnvollen Sammlung, Organisation und Aufbereitung von Wissen im Sprachunterricht einsetzen (vgl. R ÜSCHOFF / W OLFF 2002); was das Web 2.0 und die dort nutzbaren Tools betrifft, sehe ich aber die Notwendigkeit für deren Würdigung im Sinne einer deutlich vielschichtigeren Form von Dynamik in Bezug auf Sprachproduktionsprozesse und Kommunikationskontexte. Natürlich bieten auch neue Tools eine Dynamik im Sinne einer ständigen Veränderbarkeit der Inhalte oder eines Textes. Dass diese Dynamik auch bei herkömmlichen Textverarbeitungsanwendungen positiv auf die Sprachproduktion wirken kann, haben u.a L EGENHAUSEN / W OLFF (1991) ja schon in einer frühen Phase der PC-Nutzung deutlich gemacht. Für die elektronische und telekollaborative Kommunikation im früheren Internet hat auch D ONATH (z.B. 1995) immer wieder gezeigt, wie dynamisch und lernfördernd das gemeinsame und „digitale“ Schreiben sein kann. In einem Beitrag zu diesem Thema fasst A BDULLAH (2003) die bisherigen Erfahrungen wie folgt zusammen: „Word processing and e-publishing have brought about interesting developments in the way writers write. In general, the malleable nature of electronic text has made the physical process of composing more ,elastic‘ in that writers are quicker to commit thought to writing and to reorganize content because it is simple to make changes on the electronic screen“. Dynamik im Sinne der „Formbarkeit“ und „Elastizität“ von Text ist natürlich auch weiterhin ein wichtiger Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 179 38 (2009) Aspekt digitalen Schreibens. Zudem ist im Web 2.0 ebenfalls die Dynamik, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und Zugriffen auf Inhalte ergeben kann, gegeben. Im Wiktionary (http: / / de.wiktionary.org) wird dynamisch mit „voll innerer Bewegung“ umschrieben, und oft werden auch Begriffe wie „lebendig“ oder „wirksam“ im Zusammenhang mit dynamisch genannt. Aus meiner Sicht verändert sich bei der kollaborativen Sprachproduktion im Web 2.0, gerade beim Arbeiten mit einem Wiki, die Dynamik in Richtung deutlich veränderter Produktionsprozesse und Produktionskontexte. Beim Schreiben im Wiki treten „sowohl Diskursals auch Textaktionen“ (P LATTEN 2008: 9) auf. Die Phasen des Erstellens eines Textes, die „innere Bewegung“ wie auch die „Lebendigkeit“ und „Wirksamkeit“ des Kreationsprozesses werden hier im Sinne eines oft zitierten „collective authoring“ durch kooperative Teams (P ARKER / C HAO 2007) wesentlich direkter und unmittelbarer erfahren als bei Nutzung traditioneller Textverarbeitungsprogramme. Oft wird ja gerade für das Schreiben im Sprachunterricht beklagt, dass „Schülerinnen und Schülern […] die Prozesshaftigkeit der Vertextung und ihre Zerlegbarkeit in Teilprozesse verborgen [bleibt]“ (S IEPMANN 2003: 25). Hier wirken „Schreib- und Publikationswerkzeuge“ im heutigen Internet deutlich dynamischer. Über Formen des öffentlichen Schreibens und der darauf basierenden Kommunikation mit anderen im Internet erfahren Lernende auf sehr dynamische Art und Weise etwas über die Wirkung von eigenverfassten Texten. K ESSLER (2009: 80) beschreibt diese Dynamik wie folgt: „[…] a wiki-based text is in a constant state of potential collaborative change.“ Unterstützt wird das Erfahren der Prozesshaftigkeit, das Erleben der potentiellen kollaborativen Veränderung und Veränderbarkeit von Text wie auch das Nachvollziehen der Teilprozesse der Textproduktion über die „History“-Funktion in Wikis, mittels derer alle vorherigen Versionen eines Textes eingesehen und ggf. sogar wieder gespeichert werden können, um so den ursprünglichen Inhalt wiederherzustellen. Da diese Funktion im Prinzip alle vorausgegangenen Versionen bzw. Veränderungen eines Wiki-Textes speichert, können Lernende die Genese eines Textes sowie die entsprechenden Phasen und Prozesse der Textproduktion entsprechend nachvollziehen, reflektieren und somit in die weitere Produktion einbeziehen. Diese Funktion, wie auch die übrigen technisch bedingten Grundprinzipien des Wiki- Schreibens, führen nach Expertenmeinung zu deutlich veränderten Schreibprozessen und größerer Dynamik. So stellen C UMMINGS / B ARTON (2008: viii) vor dem Hintergrund ihrer Beobachtungen fest, dass sich veränderte Ausprägungen der Dynamik beim Schreiben in Wikis zwangsläufig ergeben: „[T]hey structurally invite collaboration and yet tolerate dissension. Wikis are not blogs or Web spaces where one user writes and all others read. […] these spaces create communities of inquiry around topics, they facilitate gradual move toward a more singular comprehension […]“. Somit werden beim Schreiben im Wiki Lerngruppen im Sinne der oft diskutierten „community of inquiry“ zu einer wirklichen „Dialoggemeinschaft“ und „Forschergemeinschaft“, was eine besondere Dynamik mit sich bringt. Zudem wird auch hier vor dem Hintergrund eines quasi öffentlichen Produzierens innerhalb einer Gruppe die Dynamik der Wirkung eines Textes nachvollziehbar und kann in die Reflexion des Produktionsprozesses wie auch des Produkts einbezogen werden. Mit der „History“-Funktion oder vergleichbaren Funktionen (z.B. 180 Bernd Rüschoff 38 (2009) Versionsabgleich) erhält im Übrigen die Sprachlehr- und -lernforschung ein mächtiges Werkzeug, um Prozesse der Sprachproduktion nachhaltig zu untersuchen. So stellt P LATTEN (2008: 9) fest: „Die bislang nicht-beobachtbaren und kaum nachvollziehbaren Textproduktionsprozesse können durch die abgespeicherten Versionen im Wiki und durch die Funktion des Versionenabgleichs zumindest teilweise nachvollzogen werden. Von den einzelnen Phasen der Textproduktion (Planungsphase, Formulierungsphase, Inskriptionsphase und Revisionsphase) können dabei mit Hilfe von Analyseinstrumenten [...] Aussagen zur Inskriptions- und zur Revisionsphase gemacht werden. Bezieht man schriftliche Aushandlungsprozesse im Wiki mit ein, so können theoretisch außerdem Aussagen zur Planungsphase gemacht werden“. In Wikis werden zudem alle Phasen des Schreibprozesses, von der Aufgabenstellung und Planung über die Stoffsammlung, der ersten Gliederung und Aufbereitung von Inhalten in Form des Erstentwurfs eines Textes und dessen vielfacher Überarbeitung bis hin zum Endprodukt und dessen endgültiger „Veröffentlichung“ nicht nur im Sinne der, für das erfolgreiche Schreiben notwendigen „prozeduralen Erleichterung“ (vgl. W OLFF 1991: 37), dynamisch unterstützt. Diese Form des gemeinsamen Arbeitens fördert nach Aussage einer Reihe von mittlerweile vorliegenden Fallstudien nicht nur die Qualität der Schreibprodukte (vgl. z.B. F ORTE / B RUCKMAN 2006), sondern in besonderem Maße auch die Schreibkompetenz und die damit verbundenen strategischen Fertigkeiten und entsprechendes metakognitives Wissen. C AETON (2008: 132) umschreibt Wikis als sogenannte „negotiating mechanisms“, die das Verständnis von und die Bewusstheit für die Mechanismen der Diskursproduktion nachvollziehbar fördern. M C D ONALD zeigt 2007, wie Lernende von wiki-unterstützten Schreibprojekten profitieren, dass sie angeregt werden, „critical skills of process writing“ nicht nur zu nutzen, sondern diese auch nachweislich verfeinern. Ohne auf eine ausführliche Diskussion aller Aspekte strategischer Schreibkompetenz und der damit verbundenen metakognitiven Wissensbereiche abzuzielen, soll aber zum Abschluss dieses Abschnitts darauf verwiesen werden, dass neben dem üblicherweise angeführten Ensemble an Fertigkeiten sogenannte „constructive editing skills“ (W EST 2009: 27) als zusätzliches Ergebnis kollaborativen Schreibens in Wikis betont werden. 4. Lerntheoretische Annäherung: Prozessorientiertes und output-orientiertes Sprachlernen zur Förderung von Sprachhandlungskompetenz und metakognitivem Wissen Natürlich ist es in dem vorliegenden Beitrag nicht möglich, den Stand der lerntheoretischen Diskussion zum Thema Fremdsprachenerwerb in aller Ausführlichkeit darzustellen. Allerdings gibt es eine Reihe von Aspekten, auf die man bei Sichtung der Literatur zu den didaktischen und methodischen Grundlagen des Sprachunterrichts immer wieder stößt und auf die auch häufig in Begründungskontexten zur Nutzung digitaler Medien im Sprachenlernen verwiesen wird. Ich will versuchen, diese mit dem folgenden Schaubild als „Haus des Lernens“ zusammenzufassen und zu organisieren: Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 181 38 (2009) Was die lerntheoretischen Aspekte betrifft, so habe ich diese als Fundament zusammengetragen. Hier folge ich seit jeher einem kognitiv-konstruktivistischem Paradigma, welches zunehmend auf Grundlage eines interaktionistisch geprägten Ansatzes zum Spracherwerb in Richtung eines partizipatorischen und kollaborativen Paradigmas ergänzt wird (vgl. L ARSEN -F REEMAN 2000). Dieses Paradigma hebt neben der Bedeutung einer kollaborativen Wissenskonstruktion in sozial-kontextualisierten und erfahrungsorientierten Lernanlässen die Prozessorientierung besonders hervor. „Indeed, they [participatory approaches] give priority to process over predetermined linguistic content. In these approaches rather than ,learning to use English‘ students ,use English to learn it‘ […]“ (L ARSEN -F REEMAN 2000: 137). Daraus ergeben sich in Hinblick auf die Ziele fremdsprachlicher Lernprozesse die in Form des Daches zusammengefassten Aspekte. Ich benutze hier in Anlehnung an den englischen Begriff „Awareness“ seit jeher den Terminus „Bewusstheit“, der nach meinem Verständnis aus ganzheitlicher Sicht sowohl Aspekte des expliziten Wissens, aber auch der Kognition und Reflexion bezogen auf Lernen, Sprache und Sprachgebrauch, zusammenbringt. Dazu gehört auch eine besondere Sensibilität für das Andere und das Ähnliche in der Fremdsprache und deren Gebrauch wie Gebrauchskontexte mit Bezug auf die eigene Sprache sowie die sich daraus ergebende Handlungskompetenz. Funktionale und interkulturelle Bewusstheit sind diesbezüglich wichtige Aspekte, wobei Lernbewusstheit dann das Wissen über Lern-, Denk- und Problemlösestrategien, deren Reflexion, aber auch die Fertigkeit, diese in Lernprozessen anzuwenden, umfasst. Zu diesem Begriffsfeld liegt ein Themenheft dieser Zeitschrift aus dem Jahre 1997 vor (koord. von E DMONDSON / H OUSE ), und im Handbuch Fremdspra- 182 Bernd Rüschoff 38 (2009) chenunterricht fasst G NUTZMANN (2003) das Thema Sprachbewusstheit kompakt zusammen. Als Sammelbegriff fasse ich die in verschiedene „Bewusstheiten“ ausdifferenzierten Lernziele unter dem Begriff Agency zusammen, der im Sinne der englischsprachigen Definition die Handlungskompetenz im Sinne einer „ability to make choices and to act accordingly“ oder nach M URRAY (1997: 126) der „satisfying power to take meaningful action and see the results of our decisions and choices“ beschreibt. Ziel ist es also, im Sprachunterricht eine vielschichtige und ausdifferenzierte Lern- und Sprachhandlungskompetenz (also Agency) herauszubilden, die Lernende befähigt, im jeweiligen Handlungskontext das Richtige zu tun, denn „agency focuses on the idea of empowering the learner with the skills and competencies needed to interact and communicate in a meaningful and appropriate manner in a given context“ (R ÜSCHOFF 2009: 44). Dies bezieht sich dann sowohl auf kommunikative Kontexte wie auch auf das Lernen an sich, und Agency beinhaltet in jedem Fall auch die strategischen Kompetenzen im Sinne der durch „planning, monitoring and evaluating“ zu aktivierenden metakognitiven Strategien nach O’M ALLEY / C HAMOT (1990) wie auch das metakognitive Wissen, das W ENDEN (1999: 435) als „specialized portion of a learner’s knowledge base […] which consists of what learners know about learning and […] language learning“ bezeichnet. Was die Lernkontexte und Lernprozesse selbst betrifft, so habe ich diese in Anlehnung an L EGUTKE s Lernräume (vgl. L EGUTKE 1999) quasi in die vier Wände des Hauses integriert. Wichtig ist mir dabei vor allem, dass Lernangebote - ungeachtet dessen, ob sie eher lehrergesteuert im Unterrichtsraum oder lernerorientiert und eigenverantwortet im Projektraum oder Workshop verortet sind - in jedem Fall Aspekte von partizipatorischem Lernen in Form von sozial-kontextualisierter Wissenskonstruktion beinhalten sollten, in die dann auch eine Reflexion der Verarbeitungsprozesse von sprachlichem Input oder (gemeinsam) produziertem Output integriert sein muss. Daraus ergeben sich auf didaktisch-methodischer Ebene Konsequenzen, die sich auch mittels digitaler Medien fruchtbar in unterrichtliches Handeln übertragen lassen. In der englischsprachigen Fachliteratur wird hier neben dem kooperativ-kollaborativen Prinzip oft auf die Notwendigkeit eines „task-based“-Ansatzes verwiesen, den G NUTZMANN (2006: 62) als aufgabenorientiert umschreibt und der nach seinem Verständnis in besonderem Maße als lernerfokussierter Ansatz zu definieren ist, „[…] in dem der Lehrerin vor allem die Rolle bei der Auswahl und Anordnung der tasks zukommt, nicht aber deren Ausführung“. Eine „taskbased philosophy“ ist nach S CHROOTEN (2006) gerade mit digitalen Tools praktizierbar, da mit ihnen die Realisierung des „learning by doing“, bei dem Lernende die Kontrolle über die interaktiven Prozesse behalten, sehr gut ermöglicht wird. Wird die Aufgabenorientierung dann über dynamische Werkzeuge im Web 2.0 initiiert und unterstützt, so kann Lernen zu einem selbstbestimmten, partizipativen und explorativen Prozess werden. Partizipation und Prozessorientierung sind Begriffe, die zentral sind für die von Merrill S WAIN 1985 in ihrer Urform propagierte Output-Hypothese. In dieser Hypothese wird die Bedeutung der Sprachproduktion im Sinne eines „negotiating meaningful output“ und der damit verbundenen Reflexionsprozesse für das Sprachlernen zur Unterstützung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung hervorgehoben (vgl. S WAIN 1985, S WAIN / Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 183 38 (2009) L APKIN 1995). Allerdings ist mit der besonderen Betonung der Bedeutung von Output für das Sprachenlernen nicht ein vornehmlich auf das Produkt und dessen Bewertung fokussierter Ansatz gemeint. Um entsprechenden Missverständnissen vorzubeugen und die Notwendigkeit einer Prozessorientierung beim Sprachenlernen hervorzuheben, ergänzt S WAIN (2006: 95) in jüngerer Zeit diesen Begriff auch durch „languaging“ im Sinne des „process of making meaning and shaping knowledge and experience through language“. Dieses Sprachhandeln im Sinne eines Versprachlichen, Aushandelns mit Sprache und der damit verbundenen bewussten wie unbewussten Planungs-, Reflexions- und Produktionsprozesse definiert sie dann im Jahre 2007 wie folgt: „Through languaging, defined as the use of speaking and writing to mediate cognitively complex activities, an individual develops cognitively, and […] affectively. The act of producing spoken or written language is thinking in progress and is the key to learners’ understanding of complex concepts“ (S WAIN / D ETERS 2007: 822). In entsprechenden Publikationen wird zudem immer wieder die Notwendigkeit des gemeinsamen, in Gruppen stattfindenden Produzierens von Sprache hervorgehoben. 5. Unterrichtspraktische Annäherung: Wiki-basierte Schreibaufgaben im Sprachunterricht Betrachtet man die gängige Unterrichtspraxis, so finden - trotz der bei manchen Lehrenden immer noch vorherrschenden Skepsis oder Missverständnisse gegenüber dem Nutzungspotential digitaler Medien wie auch einem aufgabenorientierten Lernparadigma - kollaborative, sozial kontextualisierte Formen des Lernens mit Fokus sowohl auf Sprachproduktion wie auch Reflexion mehr und mehr Beachtung. Was die Wirksamkeit solcher prozessorientierten Lernangebote betrifft, so kann mittlerweile auf eine Vielzahl von Fallstudien und auch größere Untersuchungen mit Lerngruppen verwiesen werden. Bezogen auf das Schreiben in der Fremdsprache, für das digitale Medien neuester Ausprägung - vor allem in Form von Wikis - im Sprachunterricht besondere Potentiale bieten, stellten L EGENHAUSEN / W OLFF bereits 1991 fest, wie das Schreiben in Gruppen unter Nutzung selbst einfacher Software zur Textverarbeitung die Schreibkompetenz und die dafür notwendigen Strategien fördern kann. Ohne an dieser Stelle einen umfassenden Überblick über den Stand der hier angesprochenen Forschung geben zu wollen, soll doch auf S WAIN / L APKIN (1995) verwiesen werden, die beobachten konnten, wie kollaborative Lernkontexte dazu führen, dass Lernende ihre Sprachproduktion auf einem sehr hohen Niveau reflektieren. Digital unterstützte Schreibprozesse in jedweder Form scheinen dabei besonders fruchtbar zu sein. Im Jahre 1999 legte P ENNINGTON eine Veröffentlichung mit dem Titel Writing in an Electronic Medium: Research with Language Learners vor, die eine Vielzahl der Prozesse, die Lernende beim „negotiating meaningful and comprehensible output“ durchlaufen, auf Grundlage unterschiedlicher Studien nachvollziehbar darstellt. Die in diesem Band enthaltenen qualitativen und quantitativen Studien zur Nutzung von Textverarbeitung, aber auch das Schreiben bei der E-Mail-Kommunikation sowie die kreativen Prozesse beim Erstellen und Publizieren von Webseiten, bestätigen 184 Bernd Rüschoff 38 (2009) insgesamt, dass selbst „traditionelle“ digitale Tools im Sinne einer Strategieförderung wie auch Verbesserung der Schreibperformanz wirken. „[Such tools] facilitate the generation, revision, and dissemination of text [and] create the conditions for quantitative and qualitative effects on language learners’ writing process and products“ (P ENNINGTON 1999: 1). Was das Schreiben in Wikis betrifft, verweist S OTILLO (2002) darauf, dass kollaborative Schreibaufgaben zu komplexeren Produkten und gesteigerter Bereitschaft zur Berücksichtigung von „peer feedback“ führen, und S TORCH (2005) berichtet über eine Fallstudie, die zeigt, dass Teams bessere Texte „in terms of task fulfilment, grammatical accuracy, and complexity“ produzieren als vergleichbare individuell geschriebene Texte. Mit Bezug auf entsprechende Schreibkontexte im Web 2.0 beobachtete beispielsweise W ARE (2004), dass web-basierte Schreibkontexte auf Lernende motivierend und auch strategieaktivierend wirken können. Auf jeden Fall wird immer wieder bestätigt, dass über wiki-basierte Lernkontexte, die ein hohes Maß an Produktivität, Kooperation und Interaktion beinhalten, Lernenden „agency in an environment rich with opportunity and necessity for purposeful language use“ geboten werden kann (M URRAY 1999: 296). Zur Verdeutlichung sollen abschließend noch kurz einige Beispiele aus der Unterrichtspraxis skizziert werden. Prozessbasiertes Schreiben beginnt auch in Wikis nach der Aufgabenstellung mit dem Sammeln von Ideen und Ressourcen, wird übergeleitet in erste Notizen und Planungen für den Text hin zu einem ersten Entwurf, gefolgt von dem gemeinsamen Revidieren und Überarbeiten mit der abschließenden Veröffentlichung des kooperativ erstellten Schreibprodukts. Dafür gilt es aber, entsprechende Rahmen und für die Lernenden nachvollziehbare Parameter zu geben. Es reicht keinesfalls, sich auf die Dynamik des Schreibens in Wikis an sich zu verlassen und zu hoffen, dass Lernende quasi automatisch wiki-gerecht agieren und kooperieren, obwohl Wikis „geradezu zum Mitmachen einladen“, wie A RMBRÜSTER / R EDENIUS (2009) in den von ihnen betreuten Schulprojekten unseres Teams an der Universität Duisburg-Essen oft feststellen konnten. Zunächst gilt es, die technischen Grundlagen für Lernende transparent zu machen, also Schülerinnen und Schüler mit dem Schreiben im Wiki und dessen Funktionalitäten vertraut zu machen. Hier haben wir gute Erfahrung mit ersten Arbeitsaufträgen im Sinne des Verfassens eines kurzen Lebenslaufs oder einer Kurzbiografie gemacht, da Lernende hier auf bekannte Formate und entsprechendes Textsortenwissen zurückgreifen können. Die eingangs angesprochene neue Form der Dynamik in wiki-basierten Schreibkontexten ist auch damit verbunden, dass in den Lernraum Wiki Ressourcen und Referenzen aus Wikis integriert werden können, die Lernende im Laufe des Schreibprozesses immer wieder konsultieren können. Ein Beispiel aus unseren Schulprojekten ist eine Unterrichtsreihe in einer Klasse 6 der Frida-Levy-Gesamtschulte in Essen mit dem Titel „Essen 4 Kids“. Hier sollte von Teams ein Stadtführer für Jugendliche erstellt werden. In das Wiki wurden also entsprechende Links auf Wiki-Einträge integriert, so dass Gruppen das gewünschte Format der zu produzierenden Texte nachvollziehen und sich daran orientieren konnten. L UND , ein Kollege aus Norwegen, berichtet über ein vergleichbares Projekt, bei dem Lerngruppen einen ausdifferenzierten Wiki-Eintrag zu einer fiktiven englischen Stadt gestaltet haben. Auch dort wurden zunächst typische Stadtprofile in der Wikipedia Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 185 38 (2009) gesichtet, bevor die Gruppen die Teilbereiche des Wikis zu „ihrer“ Stadt namens „Funkytown“ planten und inhaltlich ausgestalteten. L UND führt mit Bezug auf dieses und vergleichbare Projekte an, dass Wiki-Features zwar die Qualität der Prozesse und der Resultate positiv beeinflussen, stellt aber gleichzeitig fest: „However, it seems that this kind of activity does not appear automatically but needs prompting and cultivation over time. This calls for flexible and knowledgeable support, […]“ (L UND / S MØRDAL 2006: 42). Was den „knowledgeable support” betrifft, so verweise ich auf ein Projekt mit dem Titel „Get Connected - Write Connected - Stay Connected“, über das A RMBRÜSTER / R EDENIUS (2009) berichten. Dieses Projekt fand im Rahmen des Englischunterrichts eines Grundkurses der Jahrgangsstufe 13 an der Maria Wächtler Schule in Essen-Rüttenscheid statt. Es handelte sich dabei um eine zweiwöchige Schreibwerkstatt auf Wiki-Basis: Nach einer kurzen Einführung in die Arbeit mit Wikis sollten die Lernenden selbstständig zu einem Literaturthema Essays, Kommentare, usw. in Form von Wiki-Einträgen erstellen. In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Lernenden beauftragt, die zunächst in Einzelarbeit erstellten Texte der anderen zu lesen und ihnen Feedback, Tipps und Hilfen zur Verbesserung zu geben. Die anschließende Überarbeitung der Texte geschah dann wieder in Einzelarbeit. Zum einen wurde auf diese Art und Weise ein behutsames Heranführen an kollaborative Schreibprozesse praktiziert, zum anderen wurde von Anfang an „knowledgeable support“ gegeben in Form von im Wiki bereitgestellten Arbeitsmaterialien, beispielsweise Strukturierungshilfen, durch einen Online Thesaurus, eine Sammlung entsprechender Diskurselemente, Mustertexte und Gestaltungskriterien für Essays - u.a. gemäß Vorgaben für das NRW-Zentralabitur - sowie durch Online Wörterbücher. Die ständige Verfügbarkeit „der relevanten Materialien und der Internetquellen [war für fast alle Schüler/ innen] von besonders großer Bedeutung“, wie A RMBRÜSTER / R EDENIUS (2009: 44) berichten. Die Schüler/ innen konnten im Wechsel von Einzelarbeit und Revidieren kollaborativ reflektieren, was Inhalt und Struktur eines themenbezogenen Essays ausmacht, in welcher Form man angemessene Kritik äußert und diese konstruktiv nutzen kann. Neben den Regeln zum Verfassen und Strukturieren entsprechender Texte ging es auch um die Wiederholung diskursspezifischer Elemente, z.B. satzverbindender Wörter und Ausdrücke, sog. Connectives. Mit diesem und weiteren Projekten wollen wir die Potentiale des Wiki-Konzepts für den Fremdsprachenunterricht erproben und herausfinden, wie einfach (oder wie aufwendig) das Konzept in die Unterrichtspraxis zu integrieren ist bzw. wie motivierend die Arbeit mit Wikis für die Lernenden ist. In diesem Projekt bestätigte sich vor allem die positive Wirkung des kollaborativen und kooperativen Elements bei Wiki-Projekten. A RMBRÜSTER / R EDENIUS verweisen auf entsprechende Ergebnisse bei der Befragung von Lernenden, die ihren Lernerfolg u.a. auf das „[…] Lesen- Können der anderen Essays […]“ zurückführen. Ein Schüler formulierte dies treffend: „Reading other people’s texts broadens our horizon“ (A RMBRÜSTER / R EDENIUS 2009: 44). Ähnliches kann auch auf Grundlage unserer Erfahrungen bei der Nutzung von Wiki- Tools in Kooperation mit der Frida-Levy-Gesamtschule festgestellt werden, wo bereits seit mehreren Jahren mit klassenspezifischen Wikis gearbeitet wird, in denen Schülergruppen jeweils Texte und Informationsmaterialien zu Unterrichtsthemen schreiben und online zusammenstellen. Beispielsweise erarbeitete eine Klasse 7 im Biconomics-Zug 186 Bernd Rüschoff 38 (2009) (bilingualer Unterricht: Englisch, Economics/ Wirtschaft) ein Wiki zum Themenbereich „Needs & Wants“, in dem persönliche Einstellungen zu eigengesteuerten oder durch Werbung und andere Faktoren gesteuerten Wünschen und Bedürfnissen diskutiert und in telekollaborativ erstellten Texten im Wiki bearbeitet werden. In diese Projekte werden dann sukzessive auch weitere Tools des Web-2.0 einbezogen, z.B. das gemeinsame Produzieren und Publizieren eigenproduzierter Radiospots und -beiträge mittels Pod- Casting. So werden die Lerngruppen angeregt, gemeinsame kleine Werbespots für das Online-Radio (oder auch Kurzvideos, die zukünftig über YouTube publiziert werden sollen) zu produzieren. Für das kommende Schuljahr bereiten wir für die Schulpraktika mit weiteren Partnerschulen Projekte vor, bei denen Lernende in Gruppen unterrichtsrelevante Themen recherchieren und dazu mit einfachen Mitteln kleine „Radiosendungen“ produzieren. Diese sollen dann über die im Internet verfügbaren Tools und Plattformen „ausgestrahlt“ werden. Da wir diese Projekte im Englischunterricht umsetzen, wollen wir versuchen, auf Grundlage dieser „Sendungen“ mit Partnerklassen in anglophonen Ländern internationale Dialoge zu initiieren, denn über die meisten PodCast-Server ist die Einbindung von Kommunikationstools (d.h. die Produktion von Kommentaren zu Sendungen, die Nutzung von Bulletin Boards oder E-Mail-Kontakten usw.) möglich, um so die klassenpartnerschaftliche Projektarbeit und die telekollaborative Sprachproduktion zu fördern. Unser Modell hierfür ist die Internationale Podcast-Werkstatt an der TU Berlin, über die dort lebende ausländische Studierende im Kontext von Lernprojekten über ihre Erfahrungen in Deutschland und in Berlin, über das Erlernen der deutschen Sprache sowie über das, was sie gerade bewegt, sprechen und dazu PodCasts produzieren. Obwohl noch eine Vielzahl an Beispielen angeführt werden könnte, soll an dieser Stelle die kurze Skizzierung einiger praktischer Beispiele zum Abschluss gebracht werden. Weitere interessante Beispiele findet man zudem in Fachpublikationen, z.B. P LATTEN (2008) oder auch im Internet, u.a. in einem Beitrag zum kooperativen Schreiben in einem LK Englisch der Jahrgangsstufe 11 auf dem Portal „Lehrer Online“ zu einem Schreibprojekt zum Film East is East, bei dem es lt. Darstellung im Internet um arbeitsteilige Aufgaben geht, und zwar zur Analyse von Figurenkonstellationen, ökonomischen und religiösen Hintergründen, visuellen Symbolen sowie das Schreiben von Screenplays zu einer Szene, die eine vorher diskutierte Leerstelle des Films füllen könnte. Insgesamt kann für diese Beispiele festgestellt werden, dass die im Laufe des vorliegenden Beitrags immer wieder angesprochenen positiven Auswirkungen des kollaborativen und prozessorientierten Lernens auf Schreibprodukte, aber auch die Schreibprozesse selbst und die strategische Bewusstheit der Schreibenden bestätigt werden. Dies zeigen gerade mit Bezug auf das Schreiben mit Wikis die in der bisher vorliegenden Literatur zum Thema diskutierten ersten Fallstudien. Das zu verdeutlichen, war - neben einer allgemeinen Charakterisierung des „Neuen“ der Digitalen Medien im Zeitalter des Web 2.0 wie auch der besonderen Dynamik für prozessorientiertes Sprachenlernen entsprechender Tools im Internet - Ziel des vorliegenden Beitrags. Die notwendige kritische Würdigung der bei allem Potential durchaus gegebenen Probleme und Gefahren der uneingeschränkten und unreflektierten Nutzung sozialer Software im Web 2.0 - auch im Sprachenlernen - muss aus Platzgründen einem weiteren Beitrag vorbehalten bleiben. Digitale Medien und prozessorientiertes Lernen ... 187 38 (2009) Literatur A BDULLAH , Mardziah Hayati (2003): „The Impact of Electronic Communication on Writing“. In: ERIC Clearinghouse on Reading, English, and Communication. 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E-Mail: michael.paetzold@uni-bielefeld.de Working areas: Modern English, English lexicography, Academic English. 1 I have used two corpora in particular for this article, the British National Corpus (BNC) and the Corpus of Contemporary American English (COCA), both available on the Internet. Illustrative examples headed by a combination of letters and numbers are taken from BNC. 38 (2009) M ICHAEL P ÄTZOLD * Looking at an endangered species ? The latest family of bilingual English-German, German-English print dictionaries Abstract. This review article investigates the bilingual English and German print dictionaries published between 2001 and 2009. It has a long section on various aspects of the macrostructure but also considers the coverage of polysemous items, some verbal uses and other important contrastive aspects, such as raising and thematic roles. In a final chapter, some new developments will be discussed, including CD- ROM versions. […] there never can be wanting some who distinguish desert; who will consider that no dictionary of a living tongue ever can be perfect, since while it is hastening to publication, some words are budding, and some falling away; that a whole life cannot be spent upon syntax and etymology, and that even a whole life would not be sufficient […]. From Dr Samuel Johnson’s Preface to his Dictionary (1755) 1. Introduction The gentle art of lexicography has come a long way since D R J OHNSON ’s time. Where he worked away almost single-handedly (helped by a great number of assistants who however only made long excerpts from the English writers of the 16 th to 18 th centuries and did not have a share in any of the more demanding tasks), we now have whole teams of experts on the various fields, styles and regions that can draw on impressively large electronic corpora, both English and German, thus obviating the need to copy things out laboriously by hand. 1 In bilingual lexicography, since the 1980s, the principle of the native-speaker has also made considerable headway: where once a single person would produce a bilingual dictionary (like W ILDHAGEN in his eponymous work, or B ETTERIDGE N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 190 Michael Pätzold 2 The recent edition of 2009, 1406 pages, came out too late to be evaluated in all my tests, and will be referred to by [= OW2]. 38 (2009) in C ASSELL ’s dictionary) we now have English and German native speakers working together so that there is some hope that the various national and regional varieties will receive equal and equally adequate treatment. We will see to what extent this is the case when we look at the coverage of British and American English later in this article. While lexicographers are therefore in a much more enviable position these days, this does not apply to the same extent to their reviewers. To write a good review is a not totally dissimilar task to that of compiling a dictionary, not least because a whole life cannot be spent on ferreting out the (many) strengths and (hopefully few) weaknesses of published dictionaries. There are indeed far too many aspects to consider and every critic will make his or her own choice. I can only hope that my selection will be thought a reasonable one, ranging as it does from an extensive look at the dictionaries’ word lists, going on to a discussion of the depth of lexical entries with a focus on some uses of English intransitive verbs, and the coverage of the many meanings of one noun (rack) and one verb (meet). There is also a chapter on structures that present interesting contrasts between the two languages, for instance English verbs that are intransitive but have a passive meaning, or words that allow what is called the raised construction, or, finally, the different ways that the two languages realize so called thematic roles or semantic cases. The final chapter will take a brief look at some recent developments and the CD- ROM editions of some of the dictionaries. These are the print works reviewed in this essay, arranged in reverse chronological order, i.e. the most recent comes first: - Das große Oxford Wörterbuch für Schule und Beruf. Englisch-Deutsch, Deutsch- Englisch. 1371 pp, Oxford 2003. [= OW]. 2 - PONS Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 1144 pp.; Deutsch-Englisch, 1019 pp, Stuttgart 2007. [= PO] Neubearbeitung der ersten Auflage: PONS Großwörterbuch für Experten und Universität. Barcelona [etc.] 2002. The CD-ROM version is called Elektronisches Großwörterbuch LexifacePro Englisch and includes a Visual Thesaurus. Stuttgart 2004. - PONS Wörterbuch Schule und Studium. Ernst Klett Sprachen, Stuttgart. Bd. 1: Englisch-Deutsch 2007; Bd. 2: Deutsch-Englisch 2006. [= PSS] - LangenscheidtCollins Großes Schulwörterbuch Deutsch-Englisch, 1440 pp. Englisch- Deutsch, 1406 pp, München 2006. [= LCG] - Via mundo Universalwörterbuch Englisch-Deutsch, 654 pp; Deutsch-Englisch, 584 pp, 2 nd edition, Gütersloh/ München 2005. [= BL] - DudenOxford Großwörterbuch Englisch. Mannheim. 3 rd edition. 2005. [= DO] - LangenscheidtCollins Großwörterbuch Englisch. Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch. 5 th edition, 2108 pp, Berlin [etc.] 2004. [= LC] CD-ROM edition 2004, under the title of Langenscheidt Collins e-Großwörterbuch Englisch. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 191 3 This dictionary is also available in a two-volume edition under the title of Langenscheidts Großes Schulwörterbuch. 38 (2009) - Langenscheidt Muret-Sanders Großwörterbuch Englisch. Teil 1: Englisch-Deutsch. Von Hellmut Willmann. 1325 pp., Berlin [etc.] 2001; Teil 2: Deutsch-Englisch Herausgegeben von der Langenscheidt-Redaktion. 1341 pp., Berlin [etc] 2004. [= LG] - Langenscheidts Handwörterbuch Englisch. Teil 1: Englisch-Deutsch. Von Heinz Messinger und der Langenscheidt-Redaktion. Teil 2: Deutsch-Englisch. Von Sonia Brough und der Langenscheidt-Redaktion. Berlin [etc.] 2001; about 1660 pp. [= LH] 3 2. Basic: Layout as/ and Semantic First Aid One of the basic challenges facing today’s dictionary publisher is how to present information in such a way that users can take it in easily, and that means above all visually. There are many aspects to the answer, ranging from the provision of a thumb-index to find the right letter in the alphabet (all test dictionaries have one) to a two-colour scheme (black and blue on white paper: this standard is not met by LG, LH and PO, which only employ different shades of black; PSS also uses a shade of gray to number its senses that I find difficult to see) and to a use of printing space that allows users to grasp immediately how a dictionary entry is structured, in other words what is where. The most user-friendly is LCG where syntactic and semantic differences are signalled through clear layout and brief glosses of the meaning looked for: in the case of a long entry like the German gehen, we are given its structure in a box at the beginning, then follow the various sections, in this case four, one each for the transitive, the intransitive, the reflexive and the impersonal uses, with each new verbal class beginning a new paragraph and the different meanings within the same syntactic class starting a new line. Clear layout is complemented by brief glosses that direct the user to the meaning she is looking for, e.g. in the entry for gehen we find such boxed explanations as “zu Fuß gehen” (= go, walk), “ertönen” (= ring, go) or “florieren” (which introduces such examples as “mein Geschäft geht gut…”). In addition, we are given typical collocates: for the “ertönen”-meaning for instance the nouns Klingel, Glocke, Telefon are listed. At the opposite end of user-friendliness is PSS, which gives no overview of its 4-column gehen-entry, which does not put the different syntactic uses into separate paragraphs or different meanings onto different lines. It does however also give brief glosses, e.g. “Ö KON laufen”. LH is a similar torture to write a dictionary review about - it also offers a gehen-entry in one monolithic block. LG is slightly better in that it devotes separate paragraphs to different syntactic classes, but not to different senses, which are however fairly easy to find thanks to the bold typeface it uses to number them. The rest of the test dictionaries are thankfully much more like LCG and therefore a pleasure to consult. The difference between the dictionaries lies in the way they solve the problem of the balance of two opposing demands - that of ease and clarity, i.e. user-friendliness, which presupposes a generous use of space, and the publicity-boosting demands for a big word 192 Michael Pätzold 38 (2009) list. As we will see, PSS manages to accommodate a great number of words but for me the price to pay is too high. 3. Elementary: The Word List The first, and sometimes the only, question many people ask when they want to buy one is how many words are in it. An extensive wordlist is also the most important point in the advertising material distributed by publishers . In this third chapter I will try to fulfill this basic desire on the part of users and carry out four wordlist searches. First, I will count all the words in two sections of the English-German parts. Next I will look at specific vocabulary areas: recent words, items from different regions of the English-speaking world, and two especially topical areas, given the current global financial crisis and the Superwahljahr of 2009 in Germany - that of business and finance, and that of politics. 3.1 The big picture To satisfy the question of how many words, I have counted two sections in the English- German (parts of the) dictionaries, the first slice is from entrenched to equally, and the second from mediation to membership. Of the 276 items in the first slice LG has 216, PO and LH 145, LC 139, LCG 126 , PSS 108, DO 101, OW 64 and BL 61. There are one or two surprises in these bare figures: given their respective sizes, DO does rather badly and LCG rather better than is to be expected. The results for the second selection are similar: LG has 192 of a total of 232 items examined, followed by PO’s 114 and LH’s 113. LCG comes next with its 102 hits, then LC with 99 and DO with 98. The bottom three are this time round PSS (83), OW (69) and BL (49). Again, LCG does better than expected while DO comes up to expectations. In the following notes on the first slice, I give a few more details on the individual dictionaries. LG is good at the coverage of abbreviations (e.g. env.= envelope, E&O.E., e.o.m.eq.), terms from the earth and natural sciences (e.g. enzootic, enzymology, eobiont, eolith, eozoic, epact), other technical fields (epexegesis, eparch, eparchy, epode - all these are exclusive to it) while some other items are only found in LG and its sister dictionary LH (entresol, enucleate, epigastgrium, epigone, epithelium, epopee, epos). LG is also strong on compounds (ENT specialist, environment-saving, Epstein-Barr virus) and derivations, some of which are only found in it (e.g. enumerative, enviousness, epicist, Epicureanism, epistler, epitomizer), while others are again shared only with LH (e.g. epigrammatist, epigrammatize, epigraphic, equability, equalitarian). A final group of items is collocations: LG alone lists for example enumerated powers and these combinations with the adjective environmental: collapse/ law/ preservation/ psychology/ quality/ research/ science. While LG is far ahead in terms of its word list, there are nevertheless some items for Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 193 38 (2009) which one has to go to the other dictionaries, especially the runner-up in this test. PO lists exclusively entry duty/ tax, enumerated type, EOF, e-paper; epitaxial layer, epitaxy, EPO, e-procurement, equalization bank, equalizing item, and with environmental: accountingaction plan-depletion - management system - report - shares - tax), while it shares others with PSS (entryism, epinephrine, epistemologically). PO and LG alone offer entrepreneurial spirit , ENT specialist, episcope, and equalization payment. LH also has a number of exclusive entries (envier, ephedrine, epicentrum, epicurism). Other, non-LG items are contained in three or more of the dictionaries: entrylevel, entry qualifications, entry tax, entry test, E.number, epidemiological, epistemic, epistemological, epoxy, epoxy resin. Between them, the three top works (LG, LH and PO) cover almost all of the 276 items with the exception of enveloping, environmental movement, ephebe (only in LC); Environment Agency, environmental change/ concerns/ effects/ matters, Environment Service, episiotomy (LC and LCG); Environmental Health Department (LC, LCG, DO); environmental issues (LC, LCG, OW); Environmental Protection Agency (LC, LCG, BL, DO). Much the same remarks can be made about the second set of items. There are, however, two things that are perhaps worth mentioning. One is the treatment of adverbs. LH does not list regularly formed adverbs (there is no medically, meditatively or melodically) but is inconsistent in including forms like melodramatically. PO has a similar policy of saving space but does include melodically. The other point refers to the nature of some of the words and phrases selected. In PO for example lists items like medium-brown, megachurch, megamerger (also in PSS), megaretailer and megathick, to which may be added megafog in LH. I do not question that these are real English words, and megafog for one is a great favourite with wordgame players (anagram, crossword and Scrabble aficionados for instance, on whose websites the word figures prominently). No, what I wonder is whether these are nonce or established words, which latter status only would only really justify their inclusion. Of course, a lot of compound nouns and adjectives can be formed for a special occasion, but this does not mean that they should find a home in dictionaries (presumably to swell their word list). For example, medium blue and medium green and other colour words of this type can of course be found in internet searches and the prefix mega is perhaps even more productive than medium. The latest edition of the Concise Oxford Dictionary, for example, has these additional items, some of them technical (megafauna, megamouth shark, megapode, megatherium), and only one modern, colloquial term (megaflop). It wisely does not list additional informal items such as megaselling, or even more hyperbolically megabestselling author, or a mega-pop-star-diva who is mega-successful and can be seen at mega-million dollar-plus-fund raisers while mega-corporations might build megamalls or finance mega-movies (hopefully also mega hits) on mega-budgets that will play to mega-audiences (these last examples all come from CNN, The Economist and the BBC). In the case of megacombinations it might be sufficient in many cases to explain the meaning of the word and only include well established items. Lexicographers, in short, should exercise some judgment in the question of the inclusion-worthiness of lexical items. 194 Michael Pätzold 4 For the full titles of dictionaries and other works see the bibliography at the end of the article. 38 (2009) 3.2 Neologisms After having looked at the big picture, let us now take a few closer looks at selected areas of the vocabulary. As publishers make a great show of offering the very latest material, I have put together lists of English (30) and German (50) recent items to see how good the dictionaries really are in this respect. 3.2.1 English neologisms and their German translations Here is the list of 30 recent items, whose definitions or explanations are mostly taken or adapted from COD11 4 : adspend (money spent on advertising) ASBO (UK: antisocial behaviour order.) banner ad (online advertisement on a web page) beyond angry (more than angry) blog (intr. verb) (write a blog) blogger (one who writes blogs) bull bar (a strong metal grille fitted to the front of a motor vehicle to protect against impact damage) carbon footprint (amount of carbon dioxide you release into the atmosphere) carbon sink (natural environment viewed in terms of its ability to absorb carbon dioxide from the atmosphere) carbon trading (buying and selling the right to release carbon dioxide into the atmosphere) chill (out) (intr. verb) (calm down and relax) director’s cut (a version of a film that reflects the director's original intentions) golden ager (North American euphemistic an old person) golden hello (British informal a payment made by an employer to a keenly sought recruit) google (trans. verb) (informal search for information on the Internet) greenwash (noun) (disinformation published to present a green image to the public) rocket science, it’s not ~ (= not very difficult to understand) live videprinter (German (Live)Ticker) muffin top (layer of fat that protrudes over a pair of too-tight low-cut trousers) multi-tasking (of people: dealing with more than one task at the same time) mystery shopper (a person employed to visit a shop or restaurant incognito in order to assess the quality of the goods or services) photo gallery (German = Bildstrecke) post (noun) (an Internet posting) quad bike (motorcycle with four large tyres) satnav (abbreviation; navigation by satellite information) senior moment (occasion when one forgets something) sex up (trans. verb) (present something in a more interesting or lively way) text (verb) (send a text message ) toll plaza (US; a row of tollbooths on a toll road) water cooler (a dispenser of cooled drinking water) Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 195 5 The US examples of the past tense texted in COCA are also mostly of the intransitive use. 38 (2009) BL comes last with zero hits, followed by PSS with three, in sharp contrast to the surprisingly low scores of the much larger LH (3) and LG (4), which shows that neither of these works has been updated to include the more recent developments in the English language. LH includes a sizeable separate section on Internet language but the main body of the dictionary is clearly in need of a thorough revision. PO’s 8, LC’s 9 and even DO’s score of 13 hits are a disappointment and can hardly be regarded an adequate result for their sizes. The positive surprises come from OW2 with 13 and LCG with 16 hits. Two, admittedly rather obvious, insights suggest themselves: Size is no guarantee of up-to-date language material, and smaller dictionaries (can) do a better job on recent arrivals in the vocabulary. Again, I will make a few comments on coverage, forms and translations. The coverage of the three environmental items (carbon footprint, carbon sink and carbon trading) is almost non-existent: OW2 alone has one of them, carbon footprint. OW2 is also the only one to cover post and satnav, while greenwash is only found in LCG. None of the dictionaries has adspend, live videprinter and photo gallery (the latter two can be used for example on the BBC and Guardian websites), or the euphemistic golden ager and senior moment - clearly, the dictionaries have still a lot to do to catch up with the greying of the world’s societies. Finally, the expression beyond angry is also not listed in any of the dictionaries - a preposition-plus-adjective formation somewhat similar to German Schluss mit lustig. There are also some items that show whether dictionaries have kept up with the latest developments in form and translations. The verb chill out for example has lost its particle in colloquial language, which more recent form is contained only in PO, PSS, LCG, and DO. Another instance is the verb text: the most usual syntactic pattern today in both British and North American English seems to be the one heard e.g. on the BBC’s Radio 4, where the fixed expression is “you can/ please text us at ….”. 5 This fact is captured in OW2’s “text sb jdm eine SMS schicken, jdm simsen, jdm texten”. PO and PSS on the other hand use as their main pattern a less frequent one for their entries (“to text [sb] sth [jdm] eine SMS [-Nachricht] senden”, where “text sb [sth]” would correspond more closely to current frequencies). A final test of the dictionaries’ up-to-dateness comes in the translations of to text and to google. OW2 and DO alone offer the German simsen, while German googeln, like its English counterpart, can these days refer to an Internet search using any given search engine, not just Google (see the definition from COD11 above). This is reflected in PO and LCG (googeln) but LC still mentions Google and gives an explanation instead of a translation (im Internet mit der Suchmaschine Google ® nach Informationen suchen). DO does not thus restrict the reference of the verb, but its paraphrase, hardly translation, of the transitive use of the verb, like that in LC, dates it by its strangely circumlocutory way (das Internet nach Informationen über jdn durchsuchen). Finally, while smaller versions must of course cut down to size the parent dictionary’s word list, it is hard to see why PSS has decided to throw out this extremely frequent item. 196 Michael Pätzold 38 (2009) 3.2.2 German neologisms and their translations The German list consists of two parts, the first section coming from my 1994 article in this journal (P ÄTZOLD 1994) and listing 18 items that were not covered by any dictionary then: abdrücken (Geld); abtörnen; Aromastoff; Bauchstraffung; regionales Fenster (TV); F&E-Aufwendungen; Fettabsaugen, ~ung; Herzkasper; oberschlau; Oberzentrum; Rückrundenspiel; Schwalbe (im Fußball); Siff; spitzenmäßig; Versorgungslücke (Rente); vollgedröhnt; Vorrundenspiel; Wichsvorlage The second part contains a selection of 32 mostly more recent items: abgefahren, das ist voll ~ ; abgleichen (Daten,Termine); aufarbeiten, etw ~; aufgestellt sein, gut~; Bild-, Fotostrecke; Bildbearbeitungsprogramm; Bio-Diesel; Boxenluder; Dritt, meine -en (Zähne); Einbürgerungstest; Einwanderungsland - ist die Bundesrepublik ein ~? ; Energie-Mix, den richtigen ~ finden; gewöhnungsbedürftig sein; grottenschlecht; Hartz IV-Empfänger(in); Integrationsbeauftragte(r); Klimaschutz ; Komasaufen; Kuschelkurs (auf ~ gehen); Mainhattan; Migrationshintergrund, mit~; Nachhaltigkeit; Nullrunde; Ökoladen; Ökopartei; Ökostrom; Pisastudie; raushängen: seine Verzweiflung nicht ~ lassen; satt (Hering/ Regen ~); Schätzchen, das ist ein altes ~; Sterbehilfe, aktive ~; Wissensgesellschaft The overall league table for my 50 recent German items sees PO at the top with 26 items, followed by LG (21) and LCG (18). Next come LC (16), OW2 (15) and DO (13) and PSS (12). LH (8) and BL (2) bring up the rear. I have split the items in this test into two groups in order to see to what extent the dictionaries of my earlier review have been revised: of the 18 items from the 1994 article, LG has 8, LCG 7, LC 6, DO 4 and LH 2. Five items (Bauchstraffung; regionales Fenster (TV); F&E-Aufwendungen, Oberzentrum; Rückrundenspiel) are still not covered by any of the dictionaries, including the newcomers (BL, OW2, PO and PSS). Of particular interest is perhaps the erratic coverage of football terms: Schwalbe is found in four dictionaries (LC, LCG, LH, OW2), but like the rest of them these dictionaries do not have Rückrundenspiel. In fact, quite a number of dictionaries have not even got an entry for Rückrunde (BL, DO, PO, PSS) and though OW2 has Rückrunde it does not list the meaning “second half of the season”. Vorrunde is served marginally better: all 9 dictionaries have an entry with the translation “preliminary/ qualifying round”, but the other meaning of “first part (of the season)” is found only in LC and LCG, while the test item Vorrundenspiel is covered only in LG and OW2. Do I need to point to the importance of football in modern societies in order to underline the need for lexicographers to do (more consistently) better in this respect? Further, I have looked more closely at the treatment of items from three areas: the environment; political, economic and social aspects, and colloquialisms, and this is how the figures break down: Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 197 38 (2009) PO PSS LCG BL LC LG DO OW2 LH % Environment (out of 7) 4 2 4 0 3 3 3 3 2 57/ 42 Political and social (out of 10) 2 1 2 0 2 2 3 3 1 30/ 20 Colloquialisms (out of 19) 12 5 8 1 4 7 9 5 3 63/ 47 The first figure in the percentage column states the value for the best dictionary, the second when the best and worst results are not taken into consideration. The figures, as they say, speak volumes: social aspects in the widest sense need to be included to a far greater extent than is the case today, and the other two results are also nothing to write home about. Here are some details: of the environmental items, Energie-Mix is not found at all, while Bio-Diesel figures only in two, Ökostrom in three, and even Klimaschutz is taken into account in only four dictionaries. Among the second group of items, these are the ones that are not listed: Einbürgerungstest, F&E-Aufwendungen, Hartz IV-Empfänger, Integrationsbeauftragte(r) and Wissensgesellschaft. OW2 is the only one to have an entry for Migrationshintergrund, and that with a good illustrative example: “ein Programm zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund a scheme to improve the chances of children and young people from immigrant communities”. Colloquial items are served somewhat better than the other groups. Here only three items are not covered by any dictionary (Kuschelkurs, Schätzchen, meine Dritten), three words (abdrücken, Mainhattan, vollgedröhnt) by a single one while five (abgefahren, abtörnen, Boxenluder, Komasaufen, Wichsvorlage ) are covered by only two. 3.3 Regional Varieties …he added that we were all going to eat some genuine, American brownies, to mark the ‘debut’, ugh, ‘of a genuine, American girl.’ Quite apart from the toe-curling sentimentality of all this, to most of us in those days ‘Brownies’ meant young Girl Guides, just as ‘Cubs’ meant young Boy Scouts, so there was a certain amount of hilarity released by the announcement that we were going to eat some…[F EL - LOWES , 333] In this section on the word lists of the dictionaries under review, I will look at their coverage of national and/ or regional items. This will involve a discussion of how they deal with US American words and phrases as well as with some lexical items from other English-speaking countries. 3.3.1 US American English I will first test the coverage of US American English. Though few US items will cause merriment in Britain - the one in the quotation above is a rare example; another was in the Midwest in 1993, when I asked a petrol station attendant whether they had an airline, meaning “A pipe or tube conveying (compressed) air” (SOED, s.v. airline) - it is obviously important for dictionaries to cover these major varieties. 198 Michael Pätzold 6 See for instance the journal World Englishes, published by Blackwell Publishing (M C A RTHUR 1998 and C RYSTAL 2004. 521), where you find this heading: “20.2 New online Englishes”. 7 See for instance Collins English Dictionary, which has from its beginnings in 1979 employed a number of special consultants on British English as well as national varieties around the world. 8 I have run checks on many of the items in the above list in both BNC and COCA. These are the items for which there are a number of examples in COCA but none in BNC (numbers in brackets refer to the number of occurrences in COCA): bias crime (11); class president (146); copacetic (35); fry pan (27); home room (24); letter carrier (68); traffic circle (60); weatherize(d) (9). 9 Some more examples: authored was found 789 times in COCA, and 19 times in BNC; bathrobe has 813 examples in COCA and 40 in BNC; in the future is listed 10775 times in COCA and 2560 in BNC; for humungous there are 15 occurrences in COCA and 3 in BNC; partway has 317 listings in COCA as contrasted with 6 in BNC; in school (the institution) COCA 8847, BNC 854; Scotch tape COCA 90 vs. BNC’s 7 examples. 10 This is true of LCG and PSS. To raise their students’ interest, teachers may find useful lists of words that show differences in various national editions of the Harry Potter novels, e.g. http: / / www.popogo.com/ hol/ words/ wordgallery1.htm or http: / / www.anu.edu.au/ andc/ pubs/ ozwords/ June2002/ Potter.html. 38 (2009) Economic and political globalisation has been preceded by a linguistic one, witness the way scholars now talk about “Englishes” 6 rather than “English” - a usage that has however not yet been adopted by bilingual dictionaries (indeed, PO and PSS put “no pl” at the beginning of the relevant sense unit in their English-German part). Monolingual native-speaker dictionaries have blazed the trail in this respect 7 and have been followed by learner dictionaries, e.g. OALD7, which includes in its most recent, seventh edition about 750 items from e.g. Australia, India, Ireland, Scotland and South Africa. So, it would seem to be high time for bilinguals to follow suit. First, though, let us look at how good US American items are covered. It should be understood that agreement is unlikely to be reached on what items are mainly or exclusively US American English and what items have achieved wider currency. Take for instance the phrase out of sight! Recently, a British scholar who makes his home in the United States was invited to give the BBC’s prestigious Reith Lectures in 2008. This was his reaction: Professor Spence said: “It had never occurred to me that I might be asked to give the Reith Lectures. Now that I have been asked, and for the sixtieth anniversary lecture no less, all I can think of is the American stock phrase ‘Out of sight! ’.” Now, RHUD which is compiled and published in the US, labels the expression as slang, the latest edition of the British Concise Oxford Dictionary (COD11) calls it informal but neither gives any indication that it is restricted to American English. Even if no example of a word or construction is found in BNC (the British National Corpus) this cannot be regarded as proof that an item is only found in American English. 8 Having said this, my list consists of items that clearly show a greater use in COCA (The Corpus of Contemporary American English) than in BNC. 9 In these cases, therefore, it would seem justified to indicate this fact by a comment like mainly or especially US or similar labels. I would also like to mention that, in addition to their alphabetic word list, some works offer separate lists. 10 My first test is of 30 English items, the second test will revert the direction and take a Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 199 11 See the Wikipedia article on Ranch dressing. 38 (2009) look at the translations of 20 German items taken with one exception from the 30 original English items. English-German Test: In the English-German test, the smallest dictionary, BL, has 11 items correctly listed and translated and LCG 13; the considerably larger works of DO and LH achieve a score of 12, and LC of 14, all rather low results for their size. It seems fair to say that not enough attention has been paid to American English in these works. This is distinctly different in OW2 (19) and even more so in PSS (21), which do better than their size would warrant. The two largest works show expected results: 19 (LG) and 21 (PO) hits. Items covered by all dictionaries are bathrobe, obligate, someplace, traffic circle and Scotch tape. Only two items are in seven (review, on weekends) while six items are in six works (beet, cart, letter carrier, outside of, partway). Three items are covered by one work (copacetic, homeroom; and bias crime; LCG however lists bias attack and bias incident so that users could perhaps guess the meaning of the item looked for). Ranch is the only item not mentioned by any of the dictionaries, although no traveller to the US since the late 1980s 11 can have avoided hearing it many times when asked for which dressing they want on their salads (the other three being French, Italian and Thousand Islands). A final note on a half hour: BL, PO, PSS do not list this s.v. half but give it a separate entry s.v. half-hour without labelling it as US usage, and the two PONS works also restrict it to the prepositional phrase in a half-hour. Next, the question of labels. The two groups of items mentioned in footnotes 8 and 9 would seem to justify some sort of label. For the first group - that with zero examples in BNC - all dictionaries that list the relevant item employ an appropriate national label, with the exception only of LG, which does not mark weatherize. In my next group, where according to COCA and BNC there are many more examples in US American English than in British English, there is a greater difference between dictionaries. In the case of bathrobe, in the sense of German Morgenmantel, LG and OW2 use an American label, while DO, PO, PSS have none; in the future gets a label only in PO, PSS; for humungous/ humongous only OW2 has a regional label, while LC, LCG, PO and PSS only mark it as colloquial. Partway (with a ratio of 317: 6) gets no label in any dictionary while in school is marked as American only in LG and OW2 but not in DO, PO and PSS. Scotch tape is labelled as American in all dictionaries except LH. LC is strange in its entry for likely: although it gives a good example “they’ll likely be late (dial)” it uses the label dial without mentioning the American national variety. On the whole then the labelling practice of dictionaries in this respect can be regarded as reliable only with regard to very clear cases. Some translations also deserve mention. LH is clearly out of date as it gives a paraphrase for Scotch tape “(durchsichtiges) Klebeband, (durchsichtiger) Klebestreifen” but not the German equivalent Tesafilm, as do the other dictionaries. LG offers only “(Verkehrs)Kreisel” instead of “Kreisverkehr”. Finally, dictionaries 200 Michael Pätzold 38 (2009) give contradictory classifications for the verb review: LG has it as an intransitive, and LC as a transitive verb only. Here is an example from COCA, in which the verb is used transitively, which is also the classification used in RHUD: You know, all the things they told us in college, that if you read your lessons and then went to class and paid attention and took copious notes and reviewed them, the exam would be easy. German-English Test: The results of the English-German parts, then, show two dictionary groups, the lower translating between 11 and 14 items and the higher between 19 and 21. These figures are considerably better than the ones for the German-English sides. The findings here are: out of 20 test items LG has 11 translations with the looked for US items, followed by LC, LH and OW2 with six, DO and LCG with 5, BL with three, and PO and PSS - remember, these were the two top-scoring dictionaries in the US English-German tests with 22 hits out of 30 - with a mere two. In other words, what was the lowest score in the English- German test is the highest in the German-US English. In fairness I should add that some of the dictionaries offer correct US translations other than the ones looked for: LC, LCG and LH have mailman to render Briefträger; OW2 gives convenience store for Tante-Emma-Laden, which is acceptable with regard to the restricted range of goods on offer, but does not capture the colloquial flavour or other connotations of mom-and-pop store; and a number of dictionaries have public transportation for German öffentliches Verkehrsmittel. Even so, the difference between the coverage of US items in the English-German and German-English parts is striking and the lesson is clear: when translating into English, lexicographers must pay substantially greater attention to US English equivalents. Apart from this general observation, there is also a remarkable unity in the items covered: all dictionaries have correct translations for German Einkaufswagen and Tesafilm, while none cover outside of (= ausserhalb), fry pan (= Bratpfanne), hike (= Erhöhung), home room (= Klassenzimmer), partway (= teilweise), public transit (= öffentliche Verkehrsmittel), likely (for wahrscheinlich, as in he’ll likely come) or weatherize (= wetterfest machen). 3.3.2 Items of Yiddish origin In this sub-section I want to look at a group of Yiddish words that first found their way into American English and are now being accepted into many more varieties the world over. The COD11 labels them with one or two exceptions as informal and (chiefly) North American. This is the list of 15 items with brief explanations from COD11 of their meanings: Schlemiel (stupid, unlucky person) Schlep vi (move with effort) Schlock (trash) Schlub (talentless, boorish person) Schlump (slow, slovenly, inept person) Schmaltz (excessive sentimentality); no label Schmear (a bit of butter or cheese on bread) Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 201 12 I would like to thank Sally Wehmeier of the Oxford University Press for sending me the OALD7 items. 13 The definitions, sometimes in shortened form, are taken from OALD7. These are the meanings of the abbreviations used: AustralE = Australian English; CanE = Canadian English; EafrE = East African English; IndE = Indian English; IrishE = Irish English; NAmE = North American English; NZE = New Zealand English; SAfrE = South African English; ScotE = Scottish English. 38 (2009) Schmear (underhand inducement) Schmo (foolish, inept person) Schmooze (talk,chat [at function] to gain advantage) Schmuck (foolish, contemptible person) Schmutter (clothing; rubbish); no label Schnook (fool) Schnorrer (beggar, scrounger) Schnozz (nose; apparently from German Schnauze) Some of the items are well covered (schmaltz is found in all dictionaries, schlep and schmuck in all except one (schlep is not in DO; schmuck not in LH; also, LG’s translation of schmuck as “Fiesling, gemeiner Kerl” is unlikely to be correct). Unsurprisingly, the more recent dictionaries (PO, PSS, LCG - all show nine hits) do well; LC and OW2 muster six correct entries each, while the larger LG offers no more than seven. As one would expect, the smallest, BL, does not do particularly well (three entries) but the considerably larger LH and DO do not do much better - four hits - for which other reasons have clearly to be found. 3.3.3 World English In an age of political and economic globalisation, it is no longer adequate to concentrate on the English of the United Kingdom and the United States. Monolingual dictionaries for the native speaker have long included words and phrases from all over the Englishspeaking world. But recently even a learner dictionary (OALD7) has included 750 items from South African to Canadian English. I have chosen from its materials 12 a list of 20 items for this review that ranges from pragmatic (kia ora; slainte) to informal expressions (dinkum, smoodge, stickybeak, U-ey, wog) to currency (lakh, loonie), educational (matric exemption) and politcal terms (Métis). Word List (World English) 13 dinkum real or genuine (NZE, AustralE inf) fossick search through something (AustralE, NZE, inf) four-way stop a place where two roads cross each other at which there are signs indicating that vehicles must stop before continuing (NAmE, SAfrE) khanga light cloth worn by women (EAfrE) kia ora a greeting wishing good health (NZE) lakh a hundred thousand (IndE) loonie the Canadian dollar or a Canadian one-dollar coin (CanE) matric exemption the fact of successfully completing the final year of school and being able to study at university or college (SAfrE) Métis (especially in Canada) a person with one Aboriginal parent and one European 202 Michael Pätzold 38 (2009) parent, or a person whose family comes from both Aboriginal and European backgrounds naartjie small orange (SAfrE) ngoma a celebration (EAfrE) outwith outside of sth; not within sth (ScotE) slainte a word that people say to each other as they lift up their glasses to drink (IrishE, ScotE) smoodge to behave in a friendly way towards sb because you want them to give you sth or do sth for you (AustralE, NZE, informal) spruit a stream after heavy rains (SAfrE) stickybeak a person who tries to find out information about other people’s private lives in a way that is annoying or rude (AustralE, NZE, informal) U-ey U-turn (informal, esp AustralE) visible minority a group whose members are clearly different in race from those of the majority race in a society (CanE) walkabout a journey (originally on foot) that is made by an Australian Aboriginal in order to live in the traditional manner (AustralE) wog an illness, usually one that is not very serious (AustralE, informal) Two dictionaries do not contain any item (LH, OW), BL only has four-way stop , LC and LCG list two (dinkum, four-way stop) while only PO, PSS and LG offer four. DO has three hits but two of them with doubtful translations: dinkum (= real, genuine) is rendered as “astrein“ and Australian walkabout is not just any old “Buschwanderung” (let alone LG’s “Wanderung”). Similar criticisms apply to LG’s “reell” for dinkum as well as its orthography (métis - that is with a small m) and its explanation of Métis (= a person of mixed Aboriginal and European descent [CanOD, s.v. Métis]) by “(französisch-indianischer Mischling)”. PO and PSS, though they give the orthography usual in Canadian English, offer LG’s too narrow explanation as translation: “Mischling französischer und indianischer Abstammung”. 3.4 Finance and Business I now come to the first of my tests of items that are of particular importance at the time of writing. The English-German list of terms from business and finance consists of 30 items that are regularly found in the relevant (sections of) journals and newspapers, for which I give brief examples, translations or explanations before discussing the test results. English-German Test ARM = adjustable rate mortgage bailout = financial rescue, as in Congress approved the $700m ~ BRIC the ~ countries (Brazil, Russia, India, China) business confidence index = German Geschäftsklimaindex core inflation see below headline inflation credit crunch For “deserving” homeowners caught out by the ~, Mr McCain offers a lifeline. If…you were creditworthy when you took out the loan but unable to service it now because it reset to a higher rate, he would let you switch to a cheaper loan guaranteed by the government. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 203 38 (2009) defaults [= non-payment] on subprime mortgages deficit spending = government spending in excess of revenue dotcom as modifier, e.g. in ~ boom, bubble, bust emerging economies Emerging economies risk repeating the same mistakes that the developed world made in the inflationary 1970s export-driven In the past, Japanese firms have been export-driven; in future they will be less likely to export their way out of trouble exposure … conditions in the subprime market were worsening, and the bank decided to cut back on its exposures…Credit Suisse's proprietary risk model… signalled a problem with…its portfolio of leveraged loans. It duly started hedging its exposure to these assets as well. (The Economist, 15 May 08) financial instrument There is a simple relationship between the price of a ~ and its yield, i.e. the financial return from holding it. Financial Services = regulator of all providers of financial services in the UK; = German Authority BaFin financial vehicle = financial instrument fiscal stimulus (package) Congress passed its fiscal stimulus package in February, promising most Americans $600 plus $300 more for each child in income-tax rebates - and a hoped-for hefty economic boost along with it. (The Economist, 30 May 2008) headline inflation is a measure of the total inflation within an economy.This differs from core inflation (German harmonisierter Verbraucherpreisindex, or HVPI), which excludes such things as food and energy costs. hedge fund is a non-traditional investment fund that is (or rather was) supposed to be safe from risk interbank market In the ~ the prices banks pay to borrow money from each other are still near record highs. junk debt the amount of corporate ~ on the balance sheets of ten of the largest banks in the loan markets had fallen by $205 billion…the banks are so desperate to get these loans off their books that they provide financing…at low interest rates (The Economist, 29 August 2008) lender of last resort Some congressmen want the government to buy up securities backed by student debt, and the federal education department may step in as a ~ (= when all else has failed; The Economist, 17 April 2008) leveraged buy-out (German fremdfinanzierte Übernahme) credit line / line of credit = credit given by a bank to a certain amount, or the amount itself ROI = return on investment sovereign wealth fund = state-owned investment fund spike the ~ in food and fuel prices in the past year (= abrupt rise or increase) structured investment = type of fund in the shadow banking system vehicle (SIV) subprime mortgage = a mortgage to a borrower who is not qualified for other loans [for example because of their poor credit history] supply chain = a system to get products and services from supplier to customer tiger economy = fast-growing economy This English test contains a number of recent and up-to-the-minute items (bail-out; the BRIC countries; dotcom as adjective; Financial Services Authority; fiscal stimulus [package]; junk debt; sovereign wealth fund; subprime mortgage, and tiger economies), so the 204 Michael Pätzold 14 Klett publishers have brought out PBWB, a specialist bilingual business dictionary, which is perhaps the reason why the green dictionaries are so clearly ahead of the rest. 38 (2009) test is an additional way to find out how up-to-date the dictionaries really are. Here are the results: seven of these nine items are not listed in any, while dotcom as adjective is listed in two (PO, PSS) and tiger economies in three (LCG, LC, DO) dictionaries, a sobering result that should give dictionary publishers food for thought. The same goes for the overall statistics: the two PONS works 14 have a clear overall lead (PO with 13, PSS with 8 hits), three dictionaries manage five (DO, LCG, LG), one four (LC) and OW2 and LH a bare two correct results while BL has only one of the 30 test items. Finally, while core and headline inflation may be too technical for inclusion in generalpurpose dictionaries, this explanation cannot be advanced for export-driven (only in PO), which is perhaps the most common adjective used to characterize the German economy. German-English Test The German-English test of economics and finance items consists of 10 collocations and 20 other items: Börsenkurs - einbrechen; Eigenkapital - aufstocken; Handel, aus dem ~ gehen; Insolvenz - anmelden; Investitionsanreize - schaffen ; Konjunktur - stützen; Konjunkturprogramm - auflegen; Kredit - abzahlen; Staatsdefizit - abbauen: Umsatz - steigen Absatzverband; Abschreibung; Abschwung; Aufschwung; Auftragslage; deckeln; Geschäftsklimaindex; Geschäftssinn; Industrieland; Investorengruppe: ; Schwellenland; Stabilitäts(- und Wachstums)pakt; Stützungskauf; Umsatzeinbruch; Verdrängungswettbewerb; Wachstumsmotor; Wertpapier; Wirtschaftsflaute; Wirtschaftskauffrau/ ~mann The results show three dictionaries with 12 hits in front (DO, LG and PO), followed by two with 11 translations (LCG, LH) and one with 10 (LC). At the bottom of the league table are PSS (8), OW2 (7) and BL (3). Again, taking into account the ratio between size and results, LCG does better than is to be expected. The overall result is not impressive, to put it mildly, especially as there are few if any highly technical coinages in the test corpus: the simple fact is that these general bilingual works do not pay enough attention to this eminently important area. While the ratio between nouns (8: Absatzverband; Abschreibung; Geschäftsklimaindex; Investorengruppe; Konjunkturpaket; Wachstumsmotor; Wirtschaftsflaute; Wirtschaftskauffrau/ ~mann) and collocations (4: Handel, aus dem ~ gehen; Konjunktur: stützen; Konjunkturprogramm: auflegen; Staatsdefizit: abbauen) not listed in any of the dictionaries (that is, in their relevant senses) is identical, it is noticeable that the German-English collocations are rather worse served than the simple and compound nouns, as is shown in this table: Type of item PO PSS LCG BL DO LC LG OW2 LH 10 Collocations 2 1 2 0 3 2 3 3 2 20 other terms 10 7 9 3 9 8 9 4 8 Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 205 15 Order books can be big, bulging, fat(tened), full(er) or thin(ner), thinning. Compare this example from the International Herald Tribune: “Everyone is talking about the second half of 2002 for a recovery in the U.S., with Europe following. But if you're asking me, ‘Do you have evidence? ’ I’d have to say that there is no evidence yet from our order books.” The last sentence would be something like Das gibt die Auftragslage nicht her in German. 38 (2009) Some brief notes on individual items follow. Abschreibung is variously rendered as depreciation or writing-off, but write-offs for Abschreibungen (vornehmen) is not found in any of the test dictionaries. While many dictionaries include translations of Industriekaufmann (not in the test), none offer the English for Wirtschaftskaufmann/ ~frau. A similar asymmetry is found when one compares the two items Aufand Abschwung. While an English translation for Aufschwung (usually upswing or upturn) is listed in all dictionaries in this test, those for Abschwung are found in seven dictionaries, with only four (LG, LH, PO, PSS) giving the analogous translation downswing while the others offer recession or downward trend. Another difference between translation equivalents and explanations or paraphrases would seem to be found in the English renderings of Industrieand Schwellenland: industrial(ized) country is the unanimous favourite for the first term, but the translations for the second, euphemistic term differ widely. The most recent terms for Schwellenland appear to be newly industrialized country (LG) or industrializing nation (PO), with LG adding the abbreviation NIC for good measure. Other lexicographical offerings like emerging nation or threshold country may be less frequent today and fast-developing nation (LC, LCG; PSS adds the gloss “a developing nation which is on the way to becoming a developed nation”) or DO’s “country at the stage of economic take-off” look like explanations rather than translations - in other words, these last dictionaries have not brought their English translations up-to-date. PO plays it safe by offering three versions (threshold country, emerging nation, newly industrializing nation), without however indicating that they differ in terms of time, as is often the case with euphemisms. The English translations of Auftragslage range from order situation (LC, LCG, PO, PSS), orders situation (LG, LH), order position or picture (PO) to more elaborate paraphrases or explanations like situation as regards orders (DO), situation concerning orders (LC, LCG, PSS) while order volume or order pipeline are not mentioned at all. LG and LH however offer an example which presents an idiomatic expression: “die Auftragslage ist gut the order books are well filled”. This compound noun, both in the singular and the plural, is very common in English and I suspect that it would often be used in a context where German employs Auftragslage. 15 3.5 Politics As this is a Superwahljahr in Germany when a number of elections will be held, my second topical test concerns the field of politics. The overall results are these: 206 Michael Pätzold 38 (2009) Test PO PSS LCG BL DO LC LG OW2 LH Engl-Germ. (20 items) 12 11 14 8 14 14 9 11 4 Germ.-Engl. (30 items) 14 12 16 3 15 18 22 7 11 Total (out of 50) 26 23 30 11 29 32 31 18 15 What emerges again is that LH is disproportionately weak (it does not for example include the English items deposit, exit poll, hung parliament, safe/ marginal seat or spoilt ballot, nor the German Elefantenrunde, Hammelsprung, Länderkammer, Umfragewerte or Wahlsonntag), and LCG comparatively strong, in their coverage of this lexical area. OW2 is also seen as not sufficient, not to mention small BL, but these two are small dictionaries that cannot be expected to do much better. English-German test Here is the list of 20 items from a BBC website posted for the 2005 General Election with explanations of the more difficult terms (also mostly taken from that website): Absentee ballot Battlebus = A vehicle used by a party to transport its leader or other senior figures around the country to rallies or to meet the people Canvassing = During a campaign, active supporters of a party ask voters who they will vote for and try to drum up support for their own candidates. Deposit = £500 paid by candidates or their parties to be allowed to stand. It is returned if the candidate wins 5% or more of the votes cast. Electoral register = A list of all those in a constituency entitled to vote Exit poll = A poll asking people how they have voted just after they have left the polling station. Hung parliament = If after an election no party has an overall majority, then parliament is said to be ‘hung’. The main parties will then try to form a coalition with one or more of the minor parties Marginal constituency/ seat Notional result = After major boundary changes like that in 1997, the main broadcasters agree how altered constituencies were likely to have voted in the previous election. This gives them a base against which to compare the new results. Party Election Broadcast (PEB) = Broadcasts made by the parties and transmitted on TV or radio. By agreement with the broadcasters, each party is allowed a certain number according to its election strength and number of candidates fielded Polling day Prorogation = The act of ending a session of Parliament. Performed when an election is called Proxy vote = People unable to get to a polling station are allowed to appoint someone to vote on their behalf if they apply in advance. They are also allowed a postal vote Safe seat Spin doctor = Person employed to place a favourable interpretation on an event so that people or the media will interpret it in that way. Spoiled/ spoilt ballots = Ballot papers which have been filled in incorrectly. The returning officer Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 207 38 (2009) has the final say over whether any paper not marked with a single cross is valid Swing n = The transfer of votes from one party to another. The actual transfer is complicated, so usually taken to mean between the top two parties in any seat or area. Target seat = In theory, any seat that a party contests and held by a rival is one of its targets. In practice, a target seat is one that a party believes it can win and puts a lot of effort into doing so. West Lothian Question = Shorthand term coined to describe a question posed by Tam Dalyell, once Labour MP for West Lothian. Mr Dalyell asks how it is right that postdevolution, Scottish MPs can vote at Westminster on matters solely to do with England, while English MPs do not have the same influence on that issue in Scotland, as it has been devolved to the Scottish Parliament. Writ of election = Once Parliament has been dissolved, a writ of election is issued for each constituency formally announcing the poll. There are a few technical terms not found in the test dictionaries and which they cannot in fairness be expected to cover, such as notional result and target seat. Things are a little different with the West Lothian Question, which is political dynamite for the relations between Scotland and England. But more familiar terms like canvassing also pose problems for the translator as this form of campaign activity is unknown in Germany. It would seem that a paraphrase like Umfrage und Wahlwerbung would come fairly close to the meaning of the English term. Acceptable equivalents in the dictionaries are Wahlwerbung (DO, LC, LCG, PO), Stimmenwerbung (BL, LG) while Wahlpropaganda (LH) does not really render the semantic content of the English word. Another difficult term is swing, which can be elegantly rendered as (Links-, Rechts)Ruck in appropriate contexts but needs a different translation on its own. Most works offer Umschwung but none presents Wählerwanderung, a commonly used term in German TV election coverage, which only DO comes near with Abwanderung. Battlebus, though not listed by any dictionary, does have Wahlkampfbus as a general, and Guidomobil as a specific equivalent - this was a VW bus used by the FDP politician Guido Westerwelle in 2002. Finally, how to render spin doctor - either a paraphrase (such as BL’s Pressebeauftragter [perhaps better Medienberater] eines Politikers oder einer Partei, der Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, die die jeweiligen Handlungen in ein positives Licht rücken) or loan words like Spin doctor (PSS; the orthography makes this rather unlikely), Spin Doctor (PO) or the more Germanlooking Spin-Doktor (DO), the last two forms found also in the German Wikipedia article on the word, while Spindoktor is not found in any of the test dictionaries though increasingly used in newspapers. At present, if one was to go for one of the last three solutions, it would look like a good idea to include a brief paraphrase to make sure users understand what spin doctors are about (this is done by PO, PSS). German-English Test Ten collocations: Bundestag: zusammentreten; Koalition: eingehen; Liste: auf der ~ abgesichert sein; Neuwahlen: vorgezogene ~ ausschreiben; Ochsentour: machen; “Parteien zur Wahl”; Regierung: umbilden; Stimmen: auf sich vereinen/ vereinigen; Stimmen: entfallen auf ; Stimmenfang: auf ~ sein/ gehen Twenty other items: Altbundeskanzler; Ältestenrat; Elefantenrunde; Hammelsprung; Jamaika(koalition); 208 Michael Pätzold 16 The term Ampelkoalition is served much better: though not listed in OW2 or LH, it is found in the other dictionaries, with PO, PSS and DO giving good explanations for the (English) user. 38 (2009) Kampfabstimmung; Kanzlerkandidat; Länderkammer; Landesliste; Landeswahlleiter; Legislaturperiode; Ministerpräsident; Ökopartei; Spitzenkandidat; Superwahljahr; Überhangmandat; Umfragewerte; Unentschiedener; Wahlmüdigkeit; Wahlsonntag Not covered by any dictionary are Jamaika(Koalition) 16 , or Wahlmüdigkeit. Superwahljahr is listed only in the largest dictionary (LG: year with multiple elections). Among collocations Parteien zur Wahl (Party Election Broadcast or PEB) is not listed while the entries for Unentschiedener list the adjectives undecided or indecisive but do not give don’t-know, the term used in opinion polls. The dictionaries have surprising difficulties with the items that deal with the state level in German politics. Only DO and LG list Länderkammer, with DO translating “second/ upper chamber (composed of representatives of the member states of a federation)” and LG giving “second chamber comprising representatives of the Länder”. DO’s version does not mention Germany specifically and LG uses Länder instead of the established states. LG uses Land again in its explanation of Landesliste, while all other dictionaries use region or regional in theirs, with the one exception of LH, which offers state ticket, a term commonly used only in the USA. Finally, PO plays it amusingly safe in its translation of Landeswahlleiter (regional state election returning officer), where regional is superfluous. No idiomatic equivalent is found for Ochsentour machen in the test works although there is climb (up) the greasy pole, as in “The good Soviet operator was a dedicated bureaucrat who could climb the greasy pole of Party advancement skilfully enough to beat his fellow tigers” [Washington Post 1999 - from COCA, s.v. greasy pole]). Idiomatic renderings are similarly missing for two other items, Umfragewerte and Legislaturperiode. For the former, LC, LCG both give opinion poll results, which conveys the meaning all right but is less idiomatic than these examples from BNC: A66 692 There were widespread murmurs in Tory ranks, and the government’s standing fell to only 27 per cent in the polls of March 1981/ CR9 1929 To top it all, the ‘co-ordinator’ of the United Left, Julio Anguita, earns a higher rating in the polls than the leader of the People's Party, Jose Maria Aznar…; my italics). A comparable absence of idiomaticity is seen in the translations of Legislaturperiode (such as legislative period (BrE), parliamentary term [OW2]), the exception (parliament) being provided by LH in an illustrative example: “die erste (zweite) Hälfte der ~ the first (second) half of parliament”. Collocations clearly present problems for dictionaries: Koalition: eingehen and Stimmen: entfallen auf (OW2), and Neuwahlen: vorgezogene ~ ausschreiben (LG) are all found in only one dictionary. The last-mentioned combination provides a test both of the word list and the syntagmatic awareness of the dictionaries: BL and LH do not have Neuwahlen, and although PO and PSS offer re-election for Neuwahlen, it cannot be used in the collocation. Other dictionaries offer more parts of this collocation, which again however do not add up to the correct translation: LC for example has “es gab vorgezogene Neuwahlen the elections were brought forward” (s.v. vorziehen) and “Versammlung, Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 209 38 (2009) Wahlen to call” (s.v. ausschreiben). LG is the only one to allow users to piece together the noun elections (s.v. Neuwahlen), the adjective early (s.v. vorgezogen), and the verb call (s.v. ausschreiben) although its second English translation of German Wahlen ausschreiben (s.v. ausschreiben), go to the country, can again not be used in the collocation. 4. Intermediate - Some Aspects of the Microstructure Edinburgh International Book Festival 2006 - This year we have over 600 authors, from Nobel Prize winners to exciting new voices… We have words to soothe and to spark, to amuse and to amaze, to inspire and exhilarate... (http: / / www.arabesques-editions.com/ calls/ index.html? page=11; accessed 5 July 2009) Having already looked at some collocations in the last two tests, I now turn to further aspects of the microstructure of the dictionaries under review. This feature demands greater attention and analytical insight on the part of the lexicographer (as well as the critic and reviewer) than checking whether a word or phrase is listed or not. In this chapter I will look at two types of fixed expressions, British proverbs and American idioms, a type of intransitive use of verbs, and words that have many meanings. 4.1 Fixed Expressions Words in combination pose various difficulties for lexicographers. Apart from the usual problems (selection of items, appropriate translation etc) there is one that is characteristic of this type of lexical items - where to put them given that there are more than one word form to choose from. Various criteria can be used - e.g. the first word, the first lexical word (i.e. noun or adjective or verb), the most important word - and there is no uniformity of arrangement among the dictionaries: different dictionaries use different criteria, if they have a conscious policy at all, which makes looking them up a time-consuming business, and is of course a great argument in favour of electronic versions where the alphabetic arrangement is not an issue - full-text searches will find them provided of course they are included in the first place. Take the proverb all’s well that ends well: some works place it in the entry for well (LC, LCG), others in that of end (LG, LH) or the saying Every man for himself, which is listed under every (LC, LCG) or man (PO, PSS). Charity begins at home is found both in the entry for charity and begin in PSS. As the finance and business as well as the politics tests in 3.4 and 3.5 include a number of collocations, this section deals only with 20 British proverbs and 20 US idioms. British Proverbs Actions speak louder than words; all good things (must) come to an end; all’s well that ends well; better late than never; boys will be boys; charity begins at home; every man for himself; first come, first served; first things first; forgive and forget; horses for courses; knowledge is power; live and let live; money talks; out of sight, out of mind; power corrupts; practice makes perfect; small is beautiful; time flies; time is money. 210 Michael Pätzold 17 The 20 items are taken from C HARTERIS -B LACK (1999), who establishes a minimum number of proverbs based on the (then) 330m-word corpus of the Bank of English. His definition of proverb is no doubt open to discussion. 18 This example comes from http: / / www.spiegel.de/ politik/ ausland/ 0,1518,536976,00.html and is the legend under a photo of Mrs Clinton and Barrack Obama: Demokraten Obama, Clinton: “Worte sind wichtig, doch Taten sprechen lauter als Worte” (accessed 24 June 2009). 19 See for instance: “Wie Sie sicher wissen, konzentrieren wir uns bei Aldi Süd bevorzugt auf unser Kerngeschäft. Frei nach dem Motto ‘Lasst Taten sprechen’ verzichten wir deshalb auf jede Form der Pressearbeit.” (http: / / www.manager-magazin.de/ magazin/ artikel/ 0,2828,395896,00.html; accessed 24 June 2009). 20 Cf. MED, s.v. money: used for saying that money gives you power; LDOCE, s.v. money: used to say that people with money have power and can get what they want. 38 (2009) Of these 20 most frequent proverbs in modern English 17 , BL has unsurprisingly only 2 while LH’s result of 8 is relatively unsatisfactory. OW has ten, three dictionaries list 12 (PSS, DO and LG) while the top scorers record 14 (LCG) and 15 (LC) respectively. These figures have however to be taken with a pinch of salt as there are various difficulties with the dictionaries’ translations. To illustrate: none of the dictionaries seems to do a good job on actions speak louder than words. They mostly offer paraphrases rather than translations: “die Tat wirkt mächtiger als das Wort” (LC and LCG), “Taten sagen mehr als Worte” (the two PONS works), “Taten wiegen schwerer als Worte” (OW) and “Taten zählen mehr als Worte” (LG). Better and perhaps more usual versions are “Taten sprechen lauter als Worte” 18 or “Lasst Taten sprechen” 19 . For charity begins at home we find various solutions that are again more in the nature of paraphrases (LC, LCG, LG, LH, OW, PO) than translations (DO): both types are used in PSS, which chooses Nächstenliebe beginnt zu Hause (s.v. charity) and das Hemd ist näher als der Rock (s.v. begin). A Google search reveals that, first, neither phrase is very common and, second, that the paraphrase is often found in works or sites of reference with a mention of the English original while the translation appears more often in German-only and non-language contexts. If money talks is something to do with power 20 , then “mit Geld geht alles” (LC, LCG, OW) or “das Geld machts” (DO) are not so good as “Geld regiert die Welt” (PO, PSS). A more difficult case is horses for courses, as in this example: “… the aim of big law firms is not to compete with one another but to provide ‘horses for courses’ - the very best lawyer for any particular client in any particular jurisdiction. Mr Frank maintains that no single firm acting alone can provide this ... the best legal horse for whatever litigious course they find they have to run ...” (The Economist, February 28 th 2004, p. 75). This is what is on offer from the dictionaries: PO’s and PSS’s “dafür gibt es kein Patentrezept”; DO’s “jeder sollte die Aufgaben übernehmen, für die er am besten geeignet ist”; OW’s “man muß den richtigen Menschen an der richtigen Stelle einsetzen”; LC’s and LCG’s “man muss den Richtigen / die Richtige / das Richtige dafür finden”. There does not seem to be a translation in the strict sense of the word but an acceptable paraphrase that fits the above example can be achieved if one leaves out the modal verbs in OW and LC and LCG: ... jeweils den richtigen Anwalt für einen Klienten … zu finden. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 211 38 (2009) US American Idioms Bad: my ~! ; ballpark: in the ~; bat: be batting a thousand; bat: off the ~; bush: beat the ~es; care: I could ~ less; cut sb off at the pass; dibs: have ~ on sth; dime: a ~ a dozen; easy: over ~; face: get out of sb’s ~; figure: go figure! ; high spot: hit the ~s; hope: in ~s of; long: for the ~est time; sight: out of ~; sucker: never give a ~ an even break; trip: lay a heavy guilt ~ on sb; wax: the whole ball of ~; worst: if ~ comes to ~ In this test, PO and PSS are the clear frontrunners with 13 correct results, followed by LC and OW with nine, LCG (8), DO (6), LG (4), LH (2) and BL, which has none of the items. Two items (cut sb off at the pass = thwart their efforts and the whole ball of wax = the whole of something including the things connected with it) are not found in any of the dictionaries and another four only in one (be batting a thousand and for the longest time in OW; in hopes of in DO; and never give a sucker an even break in LC). PO has a bizarre translation for never give a sucker an even break (= don’t hesitate to take advantage of a fool): “schlafende Hunde soll man nicht wecken”. Finally, there are four items for which both British and American versions exist, and for which the treatment by the dictionaries differ significantly. They do best on American if worst comes to worst, which is found in six. The British I couldn’t care less is much more often listed than American I could care less (only four dictionaries have it), and while British in hope of and for a long time are found in almost all dictionaries, the American forms in hopes of and for the longest time figure only in one. This finding together with the overall result of the two tests shows once more that dictionaries cover British English better than American English. This is confirmed also when the direction is reversed, i.e. when the German equivalents are retranslated into English and US idioms looked for. For German lange warten (UK wait for a long / US the longest time) or in der Hoffnung zu… (UK in the hope/ US in hopes of ) only the British forms are listed. A rare silver lining is LG’s if worst comes to worst for German wenn alle Stricke reißen, while BL, OW, LCG and LH only list the British form, and PO, PSS and DO give if all else fails, which is literal and not idiomatic. 4.2 Transitive English verbs with object deletion My third aspect concerns English intransitive verbs, which must be variously interpreted depending on the context, as is shown by these examples: a) In 1970 Britain needed 23,000 more soldiers than she recruited. b) The Civil Service Commission recruits for both the House and Foreign Services. c) The officers came from all corners of the British Isles, the men recruited almost exclusively from London. In the first of these, the object (soldiers) can be understood from the immediate context while it is less obvious in the second sentence. Sentence c) has recruit in passive function, i.e. the sentence can be paraphrased as the men were recruited … Dictionaries cannot be expected to cover uses like a) but they should consider the types of verbal uses illustrated in b) and c). Moreover, given the context-dependency of the meaning of intransitive 212 Michael Pätzold 21 Here are two more examples: HGH 296 Indeed, any lexical analysis of spontaneous speech will bring to light a great deal of it -words and phrases which approximate, round off, exaggerate, generalize, qualify, and maintain vagueness or ambiguity --; in a word, there will be many hedges./ For the narrator is now coming to an awareness of life as mystery, full of passions that baffle, appearances that conceal, illusions that seem to promise, impressions that tantalize (from the introduction to M Proust: “In the Shadow of Young Girls in Flower”, vol 2 of In Search of Lost Time, London 2002, p. viii); the emphases is mine. 38 (2009) verbs, users would appreciate being given appropriately chosen examples and as much context as possible. In this section I will look at transitive verbs without objects, as illustrated in the quotation at the beginning of this chapter, and in 5.1 at intransitive uses of transitive verbs with a passive meaning. annoy, vex: (ASB 153) Suppose an individual were persistently to follow another on a public highway, making rude gestures or remarks in order to annoy or vex charge: Some solicitors charge per hour, but since there can be so many complications when you are buying or selling, it is almost impossible to get an accurate quote of what it will cost claim : I said I would like to claim for a smashed window. No problem. They [sc. an insurance company] would send a form. divorce: People who divorce do differ slightly from the rest of the population. flatter, convince: “You can make anyone like you.” Though she meant only to flatter and convince, this last sentence sounded accusing. hold: I made yet another phone call…’Hold on,’ she said, and I held until she returned. invent: ‘I just make the special pieces myself, the unique ones. In between, I invent for the general market.’ shake: Gus held out his hand, and we shook, seriously. Examples with object deletion are not all infrequent, indeed there are some, especially in literary criticism, which show a whole string of these verbs. 21 Five items in this test are well established (annoy, charge, claim, divorce, and hold), shake is perhaps a more recent usage and only flatter, convince and invent are a little more unusual. This distribution is reflected in the results: apart from annoy, the first six are listed in at least one of the dictionaries. Of the remaining five verbs, convince and invent are not recorded while flatter is listed in one dictionary (LG). Shake is listed with the correct meaning only in DO. LG also gives the correct translation but its example suggests that it does not have the object-deleted use in mind. Finally, OW2 does not use a classification for verbs according to transitivity so it is impossible to decide whether it covers invent or shake. It is surprising that the highest score in this test is three (LC, LCG, LG, OW2, PSS) while three more have two (BL, DO and PO) and LH manages one hit. It would seem then that transitive verbs with object deletion are another area in which lexicographers can improve their dictionaries. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 213 38 (2009) 4.3 Polysemous items My final section in this chapter deals with polysemous items, that is words which have more than one meaning, of which there are rather a lot in English. I have chosen twenty meanings each of a noun (rack) and a verb (meet) respectively to gauge the depth with which they are covered. Noun: Rack (twenty test uses, with explanations and/ or German translations in brackets) 1) I had reveille the next morning and you could bet your sweet ass that little shitbird was getting outta that rack at oh-five-thirty sharp. (= bed; US informal; German ‘Kiste’) 2) He was sitting on the steps of the saloon with the big rack of elkhorns over it … (US; German Geweih) 3) … the other serves as a drainage rack for a number of metal utensils. (Ablage, Abtropfe) 4) It [sc. a letter] asked my father (in very curt terms) why he hadn't registered his spice rack business for VAT (Gewürzbord, ~regal) 5) Clouds of steam from the dishwasher filled the room when the going got heavy. Every rack that emerged released a billow of steam, and I heaved the racks onto a steel counter to dry for a minute… (Besteckkorb; Geschirrkorb or - wagen) 6) Then comes Mattie with the coffee pot and a rack of buttered toast.(ein paar Scheiben Toast [im Toastständer]) 7) …ribs nothing earth-shattering, and overpriced at EC$38 for a small rack of ribs.. ([ein paar] Rippchen) 8) …with a single-button jacket. He looked and sounded as if his entire life were just off the secondhand rack. (…von der Gebrauchtkleiderstange) 9) … this Whitaker fella, just as calm as you please, grabs a towel off Barney's rack, wraps it up and walks Barney to the infirmary. (Handtuchhalter) 10) He took his overcoat from the hat rack and put it on…(Hutständer, Garderobe, Kleiderständer) 11) A growing collection of textbooks lined the lower shelves of the wall-mounted book rack positioned over the main desk. (kleines Bücherregal) 12) …the ABACUS, which has been known and widely used for more than 2,000 years. It is simply a wooden rack holding parallel wires on which beads are strung. (Rahmen) 13) … a rack of CDs and videotapes of various ownerships… (CD-Ständer) 14) Jason produced the bottle of red wine, slipped secretly from his father's basement wine rack earlier that night. (Weinregal) 15) We did a routine check, and it turns out that Victor Santana, the director, was renting a house that had a gun rack and the owner confirmed a .22 was missing ! (= Waffenschrank; Waffenhalter, Gewehrständer) 16) There was a barrel of lollipops beside the newspaper rack, a handwritten sign, TWO FOR A NICKEL. (Zeitungsauslage, ~ständer) 17) Seven addressed and stamped envelopes were loosely tucked in the catch rack, awaiting pickup by the mailman. ( in North America: the curved hooks under the mailbox meant to hold newspapers). 18) … regional and community-run visitors centres and information kiosks. Even the smallest Outback town seems to have one - or at the very least a pamphlet rack at the local service station. (Ständer mit Broschüren: oder an der Wand angebrachtes Brett mit Fächern) 19) Pretty cool train. Then I climbed up on the seat, wriggled my way into the luggage rack, and let myself down again, headfirst…(old: Gepäcknetz; new: [Gepäck]ablage) 20) Eyes lowered, they head directly over to their bicycles and scooters parked in or beside the yellow bike rack at the opposite end of the courtyard. (Fahrradständer) 214 Michael Pätzold 38 (2009) LG has nine of these 20 meanings, LH five; PO, PSS and DO have four each, LC, LCG and OW three and BL two. PO and PSS list a number of rack-compounds in their entries for rack, which is helpful. It is striking that no dictionary has the two exclusively US American meanings (1 and 2), and only OW labels towel rack as US (it gives towel rail as the UK equivalent) - all this is on a par with their general unsatisfactory coverage of this national variety. Another fact is that though a number of dictionaries list toast rack, none has the quantitative meaning demanded by example 6. Where English has a rack of ribs, German seems to use mostly just Rippchen, but no dictionary tested has the English item anyway so the translation is not an issue. CD-rack (13) is a surprising gap in the dictionaries’ coverage while secondhand rack (8), catch rack (17) and pamphlet rack (18) are specialized compounds which only the larger, and vastly more expensive, dictionaries can in fairness be expected to list. As drainage rack (3) is only one of many words for the thing in question (others are draining [UK]/ drain[US] board), this may explain its absence from all works. Luggage rack is an interesting item because it has two different translations, an earlier “Gepäcknetz” and a later “Gepäckablage”, but only OW, LC and LCG give both. Verb: Meet (20 test items for the verb meet, with short German equivalents in brackets) 1) Have we met (before)? (Kennen wir uns [nicht] [schon]? ) 2) … he was having a birthday party and that I should come and meet his friends (.. ich sollte kommen und seine Freunde kennenlernen) 3) He liked the cock crowing on the wall and the boys running to meet him (…die ihm entgegengelaufen kamen) 4) “It's me, Vic. Can I come up? ” She met me at the door to her apartment wrapped in a bright red dressing gown... (…Sie begrüßte mich an der Tür) 5) …since the Greek classes happened to meet in the afternoon, I took Greek so I could sleep late on Mondays. (…Griechischkurse nachmittags stattfanden) 6) ...when Parliament was prorogued in December it expected to meet again in January. That Parliament never met again. (… im Januar wieder zusammentreten) 7) K5A 4963 Corsie now meets English champion, Mervyn King, in the quarter-finals tomorrow. (… trifft auf den englischen Meister) 8) ... when he'd been away on an unusually difficult trip, Sarah had met his plane in New York. (…hatte Sarah ihn in New York am Flughafen abgeholt) 9) He says if you can phone to say what train you're catching, someone will meet you... / She's my friend Ron's mother, she was meeting him off the Hogoff the school train at the end of last term. (am/ vom Bahnhof abholen) 10) How can we help students understand the new words they meet? (…die sie kennenlernen/ auf die sie stoßen) 11) CH7 5394 TIGHT-LIPS Taylor to-morrow meets the Press he's not been speaking to (…sich der Presse stellen) 12) Bonnie made herself look at me, except her eyes did not meet mine (…daß sie mir nicht in die Augen sah) 13) His face...has eyebrows that almost meet. (Augenbrauen, die fast zusammengewachsen sind) 14) ...the sight that met my eyes when I drew the curtain aside froze my limbs (…der Anblick, der sich meinen Augen bot) 15) The blast of noise that met Harry's ears when the portrait opened almost knocked him backwards (…Lärm, der an Harrys Ohren stieß/ drang) Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 215 38 (2009) 16) ... she took her hands away and put them in her dressing-gown pocket. The letter met her fingers. (Ihre Finger kamen mit dem Brief in Berührung, …berührten den Brief) 17) If a horse meets the first obstacle right, the others come in his stride (…das Pferd das erste Hindernis richtig nimmt/ angeht) 18) Situated at a point where the Ganges once met the Bay of Bengal… (einst in die Bucht …floß) 19) As if to meet the criticisms, 500 or so of them were to be sent to refugee camps in northern Italy and the Italian government, with German help, took steps to deliver food to ports in Albania (…um der Kritik zu begegnen) 20) It is a principal weakness of Sullivan's book that he does not clearly see the significance of the problem I am referring to or the peculiar strategy that Kant employs in meeting it (…um das Problem zu lösen/ behandeln; um dem Problem zu begegnen) The overall results are a little more encouraging for meet than for rack: the top dictionary, LC, manages a score of 10 hits, followed by LCG and LG with nine, DO and OW with eight, LH with six, PO and PSS with four, and BL with three. BL’s score is to be expected given its size but the low score of the two PONS works is a sign that they do not pay enough attention to this aspect. While all have the meaning of “abholen” for meet sb, only four dictionaries have the phrase meet s.o.’s plane/ train and even fewer (LC, LG) offer meet sb off the plane/ train. DO seems to be the only dictionary to be conscious of the combination of sense impressions (i.e. visual or auditory) plus meet plus appropriate body part, as in both examples 14 and 15 (LC and LCG also include no 14) but no dictionary considers the olfactory sense, as in The familiar sweet perfume emanating from the fire met their nostrils (not an item in the above test). All dictionaries cover, of course, cases where meet is combined with a human subject and object (except for example no 11 meet the Press) but when these are non-human their record is much less impressive: only three (LG, OW and LH) have a translation for example no 16 (berühren) while none covers nos 13 (eyebrows meet) or 17 (horses meet obstacles) or such sentences (not part of the test) as Harry heard Hermione gasp, horrified, as a gigantic serpent-tongued skull erupted from the point where the two wands met ... or Grey, ribbed trunks reached up and up over his head to meet a canopy of branches that was like the vaulting of a cathedral ...University people will also not be impressed by the absence of nos five and ten, and academics in particular will miss the useful construction (not included in the above test) Classes have been cancelled, so I won't have to meet my seminar (“Seminar halten, ins Seminar gehen, Unterricht machen”). 5. Advanced: Contrastive Aspects “You’ve stated that Diana accelerated the media’s frenzied obsession with celebrity, that ‘Diana sold papers like no one has ever sold papers’…” (http: / / www.britannica.com/ blogs/ 2007/ 08/ interviewwith-tina-brown-author-of-the-diana-chronicles/ ; accessed 7 June 08) This sentence made me stop in my tracks - Princess Diana a newspaper seller? Surely not, I was thinking and soon realized that the Princess is of course not the agent of the sentence - i.e. the person who stands on the street corner and sells newspapers for 60p - but that her role in the sentence is that of a facilitator: her unique appeal to the public was the 216 Michael Pätzold 38 (2009) cause of the enormous increase in the newspapers’ circulation. Another example with the subject in identical function is “the Dalai Lama sold out the Wembly Conference Centre for 3 days”. These are only two - if perhaps particularly striking - examples of the differences between English and German that are at the centre of this section of my review article. I will look at three areas that involve structurally interesting and, as my students have testified to me over the years, often difficult differences between German and English on the syntactic and semantic levels. The first contrast relates to English intransitive verbal uses where the meaning is of a passive nature, a characteristic feature of the modern English language. The second feature relates to what is called raising in English grammar: certain lexical words (nouns, verbs and adjectives) allow the movement of sentence elements from the dependent into the independent clause, compare for example it is easy to please him with he is easy to please. Though this feature is not unknown in German (er ist leicht/ schwer zu unterhalten) and indeed other languages (cf. French ce sera un livre difficile à vendre this book will be hard to sell; Italian il suono è difficile da pronunciare this sound is difficult to pronounce), it is English that has many more lexical items with which this construction is found. The third difference refers to the realization of thematic roles (or semantic cases) in German and English. A well-known example is seen in English the boat sleeps six as against German “auf dem Boot können sechs Leute schlafen”. Again, although the locative can appear in subject function in German (“das Boot hat Platz für/ bietet sechs Personen Platz”), the realization of various cases in subject and/ or object function seems to be rather more restricted in German than in English. These differences, as they are less easy to spot than say neologisms or Americanisms, are likely to give a fair idea of the depth and quality of the dictionaries’ linguistic analysis of the structural possibilities of the two languages. This section also continues my investigation of the syntagmatic coverage: dictionaries need to be aware of differences, in the cases of raising and thematic roles, on the clause and sentence levels. 5.1 Pseudo-intransitive Verbal Use Pseudo-intransitive uses of English verbs are especially interesting, and difficult to process for Germans, no doubt because they are largely unknown in German (of which gehen as in das Buch geht gut seems to be a rare example). The classic verb is sell as in the book sells well, which is found in all dictionaries under review, but only five of them (LCG, LC, LG, OW2 and DO) cover the frequent extension of this phrase as in her novel sold 1,000,000 copies, which can be paraphrased as a million copies of her novel were sold. These verbs are often found with adverbs (especially well, see the examples for act, beat, and drink) but this is not invariably so (see attach, interview and launch). German translations can use the reflexive and lassen, as in sich aufschrauben lassen (for unscrew), though more idiomatic ones can be found (e.g. Das Stück ist sehr bühnenwirksam [for the actexample], and sie verkauft sich gut in Interviews [for the interview- Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 217 22 For a full discussion of restrictions see D IXON (1991: chapter 10). 38 (2009) item]). These uses are frequent and well established. Indeed, in theory all transitive verbs can be used in this way provided their subjects have the thematic roles of object or instrument. 22 The list of 20 test items act But if Love and Lewis Carroll is…rather prudish, it is not prurient; it both reads and ~s very well indeed, and is worth a hundred classy revivals arrange Bee stood... trying to ~ her thoughts. But they would not ~ attach the whiff of scandal that ~es to the family… beat the cream ~s well bolt the double front doors ~ on the inside convert the sofa ~s into a bed drink this wine will ~ well for the next few years eat cold lamb ~s beautifully, especially if cooked with herbs and mustard interview … she agreed to ~ for a part. Two days later she went to meet the director. The part, she was assured, would be hers launch The GT-R was unveiled in Japan last October, and will ~ in the U.S. in June lock After a fruitless hour I ~ed everything that ~ed and went down to the yard place The men's cross country team looked especially impressive this past weekend as they ~d first at the 40th annual Albany Invitational on Saturday poaches the egg ~es in the soup refresh This page ~es automatically every 2 minutes (BBC Sport Live Videprinter) take apart The final and irreducible layer of story telling, the Russian doll in the centre that will not ~, occurs within these dreams… transmit This particular form of the virus does not ~ easily to humans (of the bird flu virus) transplant Basil does not ~ well, so seed is sown one or two to a small pot, and then planted out complete turn off … she tried to turn the faucet off. And it wouldn’t ~ … unscrew I found that the end opposite the knob ~ ed if one tried, so I ~ed it about twenty turns update So people are after anti-virus software, firewalls, making sure they have the latest and greatest, and it ~s regularly. These are the results of this test: LG, PO and PSS include 7 of these uses with correct translations, LH six, DO, LC and OW five, LCG four and BL none. Clearly, this is nothing to boast about, especially considering that these passive uses of intransitive verbs are one of the defining features of Modern English. The nouns in this test fall into various groups, the first and by far the largest consisting of concrete objects (car, door, faucet, sofa etc) and these are also the ones that are covered best in the dictionaries. Of the three food and drink items (egg, lamb and wine) only eat is found (in LH). Of the abstract nouns play (i.e Love and Lewis Carroll in the actexample), thought, and from the IT sector site and software, only play is found in LG s.v. act while DO lists it in its entry for read, which I have nevertheless counted for its score. DO is also the only one to have an entry for refresh, but here I did not accept its translation “sich auffrischen”, especially as it does not work for the test example: the phrase 218 Michael Pätzold 38 (2009) used on an ARD website is “die Seite wird alle zwei Minuten aktualisiert”. For update, by the way, Google finds many examples of the form “wird upgedated“ - oh brave new German! Human nouns do not get a much better treatment: PO and PSS alone are aware of these uses of interview and place. LG it is true does also have this use of place but gives too restricted a translation: “den zweiten Platz belegen”, which obviously does not work for my example. There also other difficulties with these verbs: DO for instance puts both the book sold 5,000 copies in a week and come unsrewed in the intransitive sections of their respective entries. It is difficult to account for the test results other than by saying that lexicographers do not seem to be sufficiently aware of this possibility as a structure generally available in English: why list the construction for unscrew but not take apart or turn off, convert but not launch? Whatever may be the explanation for this inconsistency, lexicographers could do much better. It is one thing to list the verbs in the English-German part, it is quite another to use them when translating from German into English. Of course, for German sich verkaufen (lassen) most dictionaries offer sell well/ badly but this is a well-known example and does not necessarily allow any conclusions about the treatment of other less frequent verbs. As German can often use lassen in the translations of English intransitives with passive function, I first checked a few entries for that verb. PO has no relevant verb-noun combinations in its lassen-entry while PSS does not even list reflexive lassen. LC, LCG and LG all have “die Tür/ das Fenster lässt sich nicht öffnen”, for which they offer two different translations, depending on whether the sentence is understood in a general (the door doesn’t open) or a specific sense (the door won’t open), which is an important distinction to make. BL and DO use intransitive close/ shut to translate German (ab)schließen but this is almost the extent of the dictionaries’ coverage. LC and LG do not give the intransitive translate for “das Wort lässt sich nicht übersetzen”, despite such examples as There is a word in Hebrew -davka -that does not translate well into English (San Francisco Chronicle, 18 September 2005; from COCA). In its lassen-entry, OW2 lists one relevant example “Dieses Stück lässt sich nicht spielen The play is impossible to perform”, where the intransitive act would not seem impossible (the play just won’t act well). In most cases, dictionaries only list the transitive use of the verb and not the construction with lassen, as in the entries for bearbeiten in LC, LCG and LG, so that there is no English translation for, say, ihre Romane lassen sich leicht für die Bühne bearbeiten, but compare Not all novels translate well to the stage. Other examples of the transitive use only are the entries for umwandeln (convert), verriegeln (bolt, bar) or zudrehen (turn off). Finally, I looked at what is on offer for abschrauben : I failed to find the intransitive use from the English-German test above. Instead, PO and PSS for example have “der Deckel lässt sich nicht abschrauben I can’t unscrew the lid” and DO proposes “etw läßt sich abschrauben sth can be unscrewed”. My overall impression then is that while there are signs of awareness of the existence of the use of English intransitive verbs in passive function, they are just this, signs, and not much more. Moreover, this awareness such as it is shows itself more often in the English-German than in the German-English part. Clearly, this is another area where dictionaries can improve considerably. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 219 38 (2009) 5.2 Raising Men were certainly found to be no more likely than women to discuss ‘important’ subjects such as politics or cultural matters … (F OX 2004: 49). English-German test believe Many Italians believe him to be bent certain The new countries are certain to fall behind complex This is a complex question to answer demonstrate The theories were demonstrated to be false difficult The market was difficult for small companies to compete in easy The definition is easy to apply estimate The population of Normandy is estimated to have declined exciting He’s exciting to watch fun Windows is fun to play with guarantee They could be guaranteed to make a nonsense of his views hard He is a hard man to defend hard act He is a hard act to follow hold Discrimination is often held to be the cause impossible Computer hacking is almost impossible to prove joy She’s a joy to work with know Germans have been known to smile, but unnecessary smiling is frowned on like I would like you to meet my closest friend love I’d love you to meet my friend mean Did you mean Jeremy to kill me? pleasure This ambitious work is a real pleasure to read prefer I’d prefer you to say what you feel prove He was proved to be correct report Ministers were reported to be outraged show Attitudes can be shown to be important suppose He supposed them to be Prussian think Louisa was not as disagreeable as he had first thought her to be tough The town is a tough place to live turn out The prize pupil turned out to be musical understand I understood him to say that .. unlikely The government is unlikely to meet the cost The items to be dealt with in this section fall into clear syntactic and semantic groups. Four of the adjectives (difficult, hard, impossible, tough) express various degrees of difficulty and two of likelihood (certain, unlikely). Among verbs, one group consists of verbs of liking (like, prefer), another of knowledge (estimate, hold, report, suppose) and a third of scientific verbs (demonstrate, prove, show). Many constructions in my list are well-established, like computer hacking is almost impossible to prove, I’d love you to meet my friend, or Windows is fun to play with. Raisings are in fact quite popular, or frequent, in English, which can be seen from the fact that they have spawned constructions, often in analogy with established ones, that do not admit the normal paraphrases. Take for instance the town is a tough place to live, 220 Michael Pätzold 23 Cf also sentences like these: Tucson was one hell of a dangerous place to live; the most difficult place to introduce market-based conservation methods is in international waters; Exeter is not an easy place to love, or Though Iran’s ruling fundamentalists make life tiresome, and sometimes much worse, for the secular majority, it’s still a hard place to leave, which all show the frequency of the expanded adjective + place + infinitiveconstruction. 24 This assumes the raising potential of BL’s entry: to turn out to be sth sich als etw erweisen. 25 Cf these examples from the British National Corpus: A6W 1329 The Spirit was exciting to drive … but never for any of the right reasons./ ACN 2441 That was an explosive quality, an urgency in the films that was exciting to write about./ AT1 343 I suppose the early days were more exciting to write about, distance lends enchantment and when you're younger, things have more impact on your life; he told the NME in September 1988./ BNP 458 An e's a lot more exciting to watch. C89 120 The best watercolour pencils are exciting to use… Also, as in the cases of complex, easy and tough etc, there are extended uses of exciting , cf. Early historic Scotland...must have been an exciting place to live; it’s the most exciting area to be in right now; Renaissance History. Very exciting period to teach; …an enthusiasm that made the French side the most exciting to watch of all. 38 (2009) which is likely to have been expanded from the town is tough to live in. 23 Equally extended are three more test items: this is a complex question to answer, he is a hard man to defend and he is a hard act to follow. The first of these is to be seen in parallel with this is an easy/ hard/ tough question to answer but needs a different paraphrase, compare it is easy etc to answer this question as against *it is complex to answer this question. My expectation was that these analogous formations would be found to a far lesser degree than the established ones, except perhaps he is a hard act to follow, which has almost taken on the status of an idiom. My hunch was borne out for the complexand tough-items, which are not found in any of the dictionaries, but not quite for he is a hard man to defend (similar phrases are found in LC, LCG and DO) and not at all for he is a hard act to follow (all works list the sentence except BL, LG and LH). The best results (out of 30) are scored by DO (23), LC and LCG (both 22); in the next group are PO, PSS (both18) and OW (17), followed by LG (12), LH (8) and BL (7). Well established usages were, as expected, covered by most dictionaries, for example turn out was found with a raised construction in all works 24 , while certain, easy, know and suppose were found in eight, believe, like, mean and think in seven. What was surprising was that none of the dictionaries has raising with the adjective exciting, which is quite common in neutral and informal registers 25 , and that both LH and LG should do considerably worse than OW, a much smaller dictionary. I would guess that revision work in the English-German parts of the two dictionaries has concentrated on new words (LH sports e.g. a special section of internet terms) rather than on structural developments, which are of course more difficult to spot and much less of a selling point. OW is also the only dictionary to offer raising with demonstrate (and in the passive, too, which is indeed common with the rather formal use of this verb). German-English Test es wird angenommen, dass Diskriminierung der Grund ist - consider/ hold/ suppose/ think: discrimination is held to be the cause es war beabsichtigt, dass die Konferenz … - the conference was intended to address the issue of racism Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 221 26 In one or two cases this construction has led to a wrong syntactic classification: LC s.v. wollen considers wollen, dass in the intransitive part of its entry, as do PO and PSS in the case of es wird berichtet, dass. 38 (2009) es ist bekannt, dass er … - he has been known to take a cigarette now and then es wird berichtet, dass Minister … - ministers were reported to be outraged es wird Jahre brauchen, die Ursachen zu beheben - Its causes will take years to remedy Archivare enthüllten, dass sie gefälscht waren - state archivists revealed them to be forgeries ich erwarte, dass Du mir glaubst - I expect you to believe me es macht Spaß, mit ihr zu arbeiten - she’s a joy to work with Experten glaubten, dass die Tagebücher echt waren - experts believed the diaries to be genuine es stellte sich heraus, dass er Recht hatte - he was proved/ turned out to be right es ist nicht leicht, mit Grizzlies zusammenzuleben - Grizzlies are not easy to live with die Arbeitslosigkeit wird auf … geschätzt - unemployment is estimated to be 21 percent sie werden sicherlich/ mit Sicherheit eine Macht … - they are sure to be a force in the new Iraq es macht Spaß, mit Windows herumzuspielen … - Windows is fun to play with es wurde darauf getippt, dass er … - he was tipped to win both Iowa and New Hampshire es ist fast unmöglich, Computerhacking nachzuweisen - Computer hacking is almost impossible to prove es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung … - The government is unlikely to meet the cost dem Vernehmen nach soll er … - he is said/ understood to… seine Mutter hätte es vorgezogen, wenn er … - his mother would have preferred him to be a doctor Sir John wollte, dass er das Haus erbte - Sir John meant/ wanted him to have the house While there was an interesting spread in the results for the English-German test, the same cannot be said for the German-English one, as is shown by these figures: LH has five of the raised constructions; DO, LC, LG and OW four each; LCG three; PO and PSS two, and BL one. The most common item with the raised construction looked for in this test was wollen with seven hits (including BL), while sicherlich, mit Sicherheit was found in six, erwarten and leicht in three, annehmen (PO, PSS), sich herausstellen and dem Vernehmen nach (LG, LH) in two, bekannt (OW) and brauchen (LC) in one of the dictionaries. In some cases, dictionaries do list raised English equivalents but not of the German constructions looked for, cf. OW’s “die Polizei nimmt Brandstiftung als Ursache an the police assume arson to be the cause”, LC’s “das hatte ich nicht beabsichtigt I did not mean it to happen”, or BL’s “er ist leicht beleidigt he is quick to take offence”. There would seem to be at least two explanations for the failure of the dictionaries in this test. The main reason is perhaps that they do not include some of the very common constructions in German and can therefore not give a raised translation. This applies above all to verbs where the object is not a noun phrase but a clause introduced by dass. 26 Take the case of glauben: while the belief-meaning is fully treated (at least in the larger dictionaries) the think-meaning does not list the dass-construction. The same goes for beabsichtigen, schätzen, tippen and vorziehen, the only exceptions (in very few of the dictionaries) being annehmen, erwarten, and sich herausstellen. Nor is the dass-clause found for the adjectives unmöglich and unwahrscheinlich in any of the dictionaries. In the case of Spaß, things are a little more complicated: LC for instance offers the illustrative 222 Michael Pätzold 27 For a brief treatment of the textlinguistic rules governing the choice of the raised construction see LSGSW (2002: 337 ff, esp section 10.18). 28 LG does the same for erwarten: es wird erwartet, dass sie zusagen they are expected to agree, it is expected that they will agree; so too LH for dem Vernehmen nach: dem ~ nach from what one hears, rumour has it that, ist (od. hat) er …: a. he is said to… 29 French has for example on voudrait habiter la ville (said of Mme Bovary, who longs to live in town) or parler affaires/ politique = to talk business/ politics. 38 (2009) sentence “es macht mir Spaß / keinen Spaß (, das zu tun) it’s fun / no fun (doing it), I enjoy or like / don’t enjoy or like (doing) it”, but the raised English construction is available only when the person who is thinking it fun is not expressed (es macht Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten). The second, related reason would appear to be the dictionaries’ determination to give up as little of their precious space as possible. Examples are LC, PO and PSS, which include es stellte sich heraus, dass… but stop short of giving the whole clause, which would have allowed the raised English translation. LG is good on this item (es hat sich herausgestellt, dass er sehr kompetent ist) but this does not seem to be a consistent policy on its part, witness its entry for bekannt, where we do not even find the conjunction dass: “es ist allgemein bekannt it is generally known, it’s a generally known fact”. Insufficient context is a common failing in all dictionaries (except perhaps monolingual learner ones) and while reviewers keep pointing this out, dictionary makers and publishers do not seem to want to change their practice. Finally, to end this section on a more positive note, and give praise and encouragement where it is due, there are some entries that offer both the raised and the non-raised constructions so that users can choose. 27 LG’s entry for sich herausstellen is an example: “es hat sich herausgestellt, dass er sehr kompetent ist he turned out to be (oder it turned out he was, oder he proved to be) very competent”. 28 OW needs also to be mentioned here because it gives for erwarten two examples with raising: “Ich erwarte von ihr, dass sie sich entschuldigt. I expect her to apologize. Vom Lehrerkollegium wird erwartet, dass …The teaching staff are expected to …”. 5.3 Thematic Roles Although the relationship between thematic roles and syntactic cases in other languages is not always one-to-one either 29 , English again seems to be particularly interesting in this respect. The 20 examples in this section are concerned with the different thematic roles that can be taken by nouns in subject and object function. Besides the role of instigator of an action as illustrated in the introductory paragraph to this section (Diana sold more newspapers…), subjects can assume that of cause (deaths… closed the theatres; the stupid machine lost me at least half an hour’s work; rain stopped play), locative (Address, Regent’s Park Malthouse. That’ll find me ; the drawing room on the ground floor was missing all the pictures) or its temporal equivalent, as in This morning was to decide the fate of five people. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 223 38 (2009) The object can also have the role of locative (when Dad and I were driving a highway at night; Pro-government militias roam the countryside; shoot baskets) as well as that of instrument (can you shoot a .22 rifle? ). Another regular difference between the languages is that English often realizes the instrument role in the case of body parts as objects where German uses a mit-prepositional phrase, as in … the teacher pointed a finger at Julia and said, “Explain! ”; He was gagging for breath. Waving his arms about. Twenty test items with examples close The large number of deaths from plague in London closed the theatres for more than twelve months on end in the early 1590s. deal the police knew he was dealing drugs on a pretty substantial scale. decide This morning was to decide the fate of five people. find “My name is Steven Scott. Address, Regent’s Park Malthouse. That’ll find me.” fish They fished the bay and caught many crayfish. graduate 1969: America in turmoil. Al Gore graduates college. lose the stupid machine lost me at least half an hour’s work. lose “Did you know that bats begin beyond Bach? ” - “You’ve lost me.” - “Their entire range of hearing lies beyond Bach’s four octaves.” miss The long drawing room on the ground floor was missing all the pictures from the walls… point The teacher pointed a finger at Julia and said, “Explain! ” ride A bunch of women decided we’re going to walk instead of riding the bus after a long day of doing somebody else’s laundry … roam Pro-government militias roam the countryside, terrorising and beating suspected opposition supporters. see The 19th century saw a renewed interest in Arctic exploration. sell You’ve stated that Diana accelerated the media’s frenzied obsession with celebrity, that “Diana sold papers like no one has ever sold papers”. shoot Can you shoot a .22 rifle ? shoot … he would tease her and Mary Ann and kick over their cardboard play store accidentally on purpose pretending to shoot baskets by the garage. stop Rain stopped play again yesterday at Wimbledon. wave He was gagging for breath. Waving his arms about. Helpless. wet … when he wetted his bed he had to fetch up his own supper. wipe … one just has to wipe a cloth over it and the job is done. The results of the test items are as follows (but see also my discussion below): PO comes out on top with 12 listings, closely followed by DO and PSS (11); LG and LH manage nine, LC and OW 8 correct entries, while LCG with 6 and BL with 5 are at the bottom of the league table. No dictionary has the combination of close and deaths while two (PO, PSS) list rain has stopped play, although they mysteriously (and mistakenly) put it in the intransitive section of the entry for stop.Though DO does not have the combination of stop and rain, we find “bad light stopped play das Spiel wurde wegen schlechter Lichtverhältnisse abgebrochen”. All three dictionaries nicely bring out the underlying causal meaning by using German wegen. A similar sentence is found in both LG and LH in the entry for decide: “the weather decided me against going aufgrund des Wetters entschloss ich mich, nicht zu gehen”. 224 Michael Pätzold 38 (2009) While there are then some signs that dictionaries are aware of subjects in the function of cause, the two test items for the subject in locative function are not mentioned in any of the works. Again, however, mention should be made, in this case of OW, which has see with a spatial subject (s.v. see 15) “(nicht in der Verlaufsform) = Schauplatz eines Geschehens sein… This stadium has seen many thrilling football games Dieses Stadion war bereits Schauplatz zahlreicher spannender Fußballspiele”. What is, however, better served is the locative function of objects, at least in Progovernment militias roam the countryside (found in all works), wet o’s bed (all except one) while shoot baskets is only found in four dictionaries - either as “Basketball spielen” (OW, PO, PSS) - hardly the appropriate German equivalent in the context - or the more likely “(Basketball) werfen (Korb)” (DO), but my favourite, and explicitly locative, German version “auf den Korb werfen/ spielen” is found nowhere. Whether a similar awareness of the temporal function of subjects lies behind the correct translations of This morning was to decide the fate of five people as “über jds Schicksal entscheiden” (PO, PSS, LCG and LC) or “Schicksal besiegeln” (OW) need of course not be decided but for the combination of see with a temporal subject it is clear for two of the five that list it (PO, PSS, BL, DO, OW) that there is this linguistic awareness of the realization of thematic roles in English: the first is OW, which deserves a special mention for indicating the general equivalence between English and German and its translation, which uses a temporal prepositional phrase (s.v. see 14: “(nicht in der Verlaufsform) = Zeitpunkt eines Geschehens sein… That year saw the bicentenary of Schubert’s birth In diesem Jahr wurde der 200ste Geburtstag Schuberts begangen”. The second is BL, which comes perhaps even nearer to telling the user that see can generally collocate with temporal expressions (see vt 5 “[subj: day, date] today saw the release of his new film/ the end of an era heute kam sein neuer Film heraus/ ging eine Ära zu Ende”), although its German translation does not make the function clear (by formulating e.g. “Am heutigen Tage ging eine Ära zu Ende”, which works all right for era but not for film). It remains to say a few words on the instrument function of objects as in can you shoot a .22 rifle? DO, PO and PSS give the correct translation of “mit … schießen”, while LC, LCG and OW give the less explicit and perhaps also less convincing “ein Gewehr abfeuern”. LG is the only one to have wipe a cloth over sth. The two body part items are correctly found in seven (point a finger) and five dictionaries (wave arms about) respectively. Finally, in addition to the shoot baskets example above, a brief word on three constructions that are found (above all and apparently as yet only) in American English - deal drugs, graduate college and ride the bus to work. The results show again that American English is still somewhat underrepresented in bilingual dictionaries: deal drugs and ride the bus to work record four hits each while graduate college is only listed in LG. The results would have been worse if I had included things like …when Dad and I were driving a highway at night, or I head toward the game room and play the slot machines for about twenty minutes… Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 225 38 (2009) 6. Some Recent Developments In this final chapter I will address various points that often go beyond looking up single words and phrases, and that turn dictionaries from analytical tools into language-learning (e.g. through lists of lexical fields or speech acts) and -producing (e.g. through help with sections on writing) instruments that also further users’ language awareness (e.g. through explaining the meaning differences between synonyms or the meaning of cultural items). I will in addition discuss a new type of bilingual dictionary that addresses the German user exclusively. I will finish this review with a brief discussion of the CD-ROM editions of some of the dictionaries and the bilingual dictionary of the future. 6.1 Miscellaneous Changes First though, a quick word on one feature that has greatly improved the usefulness of dictionaries - the number of translations given has been drastically reduced. Where in earlier years we got a string of 6 or even 7 translations, now there are two or three at most, which usually are differentiated by collocates or some kind of label. There is only one dictionary that shows clear signs of the old way, and that is LH: in its entry for Einführung for example it lists seven undifferentiated English equivalents, presumably on the assumption that users will also consult its verbal entry, which does indeed have useful specifications. It could at least have met the users’ needs halfway by given a crossreference, but this is also sadly lacking. This not very helpful procedure does, however, not run in the Langenscheidt, or for that matter the PONS, family, both of which usually give enough context so that users can indeed use the English translations. And another brief remark: the different varieties of German are taken into account in much greater detail than used to be the case. This is true of all dictionaries, and is especially noticeable in PO and PSS. Some dictionaries (DO and OW2) now include short systematic treatments of the German modal verbs (e.g. dürfen, können and sollen), or entries in which synonyms are distinguished ( again OW; LCG has a great number of special boxes on such items as happy vs. lucky, hear vs. listen, or big, tall and great). These usage notes would help to keep students from making common mistakes such as *he states that especially epistolary novels were extremely popular during the eighteenth century. OW2’s observation in a note s.v. speziell is helpful (“Es ist nie das erste Wort im Satz”), although it overstates the language facts: the restriction mentioned holds only for especially in combination with the subject of the sentence, cf. this example: Mr Khamenei is likely to stay in ultimate power for a good many years yet. Especially if Iran manages not to be bombed in 2009… What is also offered in some dictionaries is lists of lexical fields, the outstanding example being LH’s extensive alphabetical list (pp. 767 to 912) of Internet vocabulary. Two dictionaries in particular need to be mentioned here that both address a school and university audience, LCG and PSS. Although in much shorter form than LH, they cover a whole range of areas, from computer terms, types of housing or fairground attractions (LCG), to more linguistic topics like onomatopoeic verbs and English proverbs (LCG), 226 Michael Pätzold 30 PSS lists good examples in its entry for sorry: “(polite preface to remark) I’m sorry [but] I don’t agree; I’m sorry, I think you have made a little mistake there” (English-German part, p. 1277). 31 This is what John Cleese of Monty Python fame and his therapist, Robin Skynner, have to say when talking about America and England in this respect: “Robin: When you went there thirty years ago, what first struck you? John: The energy and the rudeness. But then, I was in New York. Even so, I soon began to see how cultural was my judgement of ‘rudeness’. A lot of it, I realised, was simply directness of a kind I just wasn’t used to. If an American wants the salt, they say: ‘Pass the salt, please.’ Now, believe it or not, to an Englishman, this can actually sound rude! A bit blunt, and rather graceless. We’re more used to : ‘I’m so sorry to trouble you, but I wonder if I might be so bold as to ask you if you could see your way clear, if it’s not too inconvenient, to consider the possibility of, as it were, not to put too fine a point on it, passing the salt, or not, as the case may be’”. It is clear, of course, that Cleese is exaggerating here but the basic point he makes is important (S KYNNER / C LEESE 1993: 183). 38 (2009) Shakespeare’s English (PSS, which does however not include the frequent adverb still in its meaning of always) or British versus American lexical differences (LCG, PSS and OW). Finally, a very useful addition is help with the writing of texts, especially letters (including the dreaded area of punctuation), both personal and business, either in the form of a page or two (PSS, LCG) or at substantial length (DO, LC) and as a separate short book (PO). 6.2 Speech Acts, or “Die feine englische Art” A number of dictionaries include information on various speech acts, of which I will look briefly at the interculturally important ones of disagreement and contradiction and, in a little more detail, at thank-you sequences (referred as TY in the following). Contradictions are socially sensitive acts that are appreciated by nobody and need a specially cautious form in English to be acceptable: Notice that you need to be very polite when disagreeing with someone in English…[some examples follow: ] Yes, that’s quite true, but…; Well, you have a point there, but…; perhaps, but don’t you think that… (J ONES 1987: 43). PSS is of course aware of this and lists the yes…but structure and one fairly polite example you may well be right, but don’t forget… in its boxes on contradicting (English- German part, p. 267; German-English part, p. 1177). Still, it is unfortunate that most of its examples do neither include a question rather than a statement (e.g. But isn’t it more a matter/ question of…? ; Do you really think…? ) nor softeners like I’m afraid/ I’m sorry. On the latter phrase the English anthropologist Kate F OX has memorably commented: Like ‘nice’, ‘sorry’ is a useful, versatile, all-purpose word, suitable for all occasions and circumstances. When in doubt, say ‘sorry’. Englishness means always having to say you’re sorry (F OX 2004: 150). 30 Things may well be different in the States 31 , but in England at least, the proper way to behave is to use these little words if you want to be thought a pleasant person. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 227 32 This point is made in E DMONDSON / H OUSE : “In general, there may be a tendency in German to use Thanking illocutions less readily than in English and …to be relatively formal in the utterances used” (1981: 163). Some specific social situations are the following: “It is also polite to write and say thank you after you have been invited out for a meal (or to someone’s home) or been to stay with somebody” (Oxford Guide 1999: s.v. manners). Thank you is often heard on public transport, see F OX (2004: 150 f). 38 (2009) PSS also has a box on the speech act of thanking. In the box on p. 262 of the German- English part, we get six lines on thanking and four lines on how to reply to these thanks - in other words, the information covers the second and third steps in a thank-you sequence (the first being the [offer of a] gift or favour that triggers the TY sequence). The items listed for the second step range from unmarked (Danke! = thank you, thanks) to more emphatic expressions (Vielen [herzlichen] Dank! = thank you very much), and the same goes for the third step. PSS covers the main expressions well except for such colloquialisms as thanks a lot and thanks very much. Other relevant items are found in a culture note on p. 161, which adds cheers and ta (both informal British items), and gives national labels to you’re welcome (US) and not at all (UK). Apart from the inconvenience of having to look in two places, there is also no example with both steps two and three. For this we have to go for instance to PO: “kann ich helfen? - danke, ich glaube, ich komme allein zurecht can I help? - thanks, but I think I can manage”, or OW2’s “‘How are you then? ’ ‘Fine, thanks’”. Equally relevant for intercultural understanding, if not more so, is the absence of a brief note that the two cultures differ with respect to this speech act: polite English uses thank-yous considerably more often than German 32 - essential information for those German native speakers who want to be considered friendly and well-behaved in Britain. 6.3 Culture Notes, or Class-ridden England All dictionaries except LH also carry a second type of note in which users are told about aspects of British and American life and institutions. This helps users’ awareness by giving them a deeper insight into the culture of English-speaking countries. Thus, many learners have to be told that England and Engländer(in) only refer to (people in) England, and not (in) Wales, Scotland and Northern Ireland. But where to put this information? It may come as a surprise that, first , BL and LC do not mention this meaning, and, second, LCG and OW2 do not have an entry on England, but place relevant and related information s.v. Engländer (LCG, OW2) or Großbritannien (OW2). Only DO, LG, PO, PSS are both aware of the difficulty and meet it in the obvious place. Many dictionaries have a policy of not including encyclopedic terms, but England is clearly also a language item in its own right. The same goes for such German towns as Flensburg (er hat sechs Punkte in Flensburg) and Karlsruhe (die CDU will nach Karlsruhe gehen), which are conspicuously absent from all dictionaries with the welcome exception of the smallest, BL, which has “fünf Punkte in Flensburg haben to have five penalty points on one’s driving licence Br ODER driving license Am”, and for Karlsruhe “2. [Gericht] the Federal Constitutional Court”. 228 Michael Pätzold 33 Cf. this quotation from George Bernard S HAW : “It is impossible for an Englishman to open his mouth, without making some other Englishman despise him” (From the Preface to his play Pygmalion). In the standard social history of post-WWII British society I read: “Throughout this book I have stressed the importance of social class…”(M ARWICK 2003: 104). 34 “There are other class indicators - such as one’s taste in clothes, furniture, decoration, cars, pets, books, hobbies, food and drinkbut speech is the most immediate and obvious” (F OX 2004: 82). 35 F OX (2004: 76-79 under the ironical heading “The Seven Deadly Sins”, which has all my examples and pp. 305-313) mentions a great number of such words: cf. also G RAMLEY / P ÄTZOLD (1985: 313-314). Other standard works in the field are R OSS (1954) and C OOPER (1981). F USSELLL (1984) shows that, as expected, similar class contrasts prevail in the United States. 38 (2009) Further, while some of the dictionaries tell us in their English-German parts about Wall Street, there is no entry for Madison Avenue, in Manhattan, NY, whose name is “synonymous with the American advertising industry” [Wikipedia at http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Madison_Avenue ; accessed 19 July 2009]. Nor is the Cavendish Laboratory listed (the place in Cambridge, England, where many famous discoveries have been made, e.g. that of the structure of DNA). What do they tell us about college? The word is of course included in all of them, but often there is only the obvious translation and a short explanation like “Wohngemeinschaft von Dozenten und Studenten innerhalb e-r Universität” (LH), which misses out on the fact that students also receive tuition from the senior members of their college (called fellows). This is captured by “einer Universität angegliederte Lehranstalt mit Wohngemeinschaft von Dozenten und Studenten” (LG). But there is nothing in any of the dictionaries about the colleges’ history, distribution (in England, by no means all universities have a collegiate structure), and importance in terms of their social and cultural role in Britain. Nor do the dictionaries say anything about the heated debate that centres around the (real or perceived) class bias of colleges and universities, especially those in Oxford and Cambridge. This brings me to my final point, that of social class. Social differences play a great role in every society, and certainly in English society 33 and in almost all areas of life 34 , but in England there is in addition a great awareness of these differences, as can be gathered from this quotation: My Valium-ed mother fluttered between them on the sofa. My father paced the hearth. When Norman gave voice to such idioms as ‘settee’, ‘pardon? ’, and at one point ‘toilet’, my father could be seen to wince as a man who is in pain will (A MIS 1976: 21). Linguistic class has also been the topic of a number of books and articles, both popular and scholarly, over the last 50 years or so that present a very detailed picture of linguistic class indicators. 35 Let me match two of the examples from the above quotation with their social class, and add a third: Pardon is used by the lower and middle middle class while blunt what? is typical of the working and upper classes, neither of which cares much about what other classes think of them. Toilet is also characteristic of the middle classes while uppers would use lavatory or informal loo. My third item is dessert, which is similarly middle class, for which members of the upper class tend to use pudding. Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 229 38 (2009) There can, then, be no doubt of the immense importance of these and other examples for an easy way into decoding class differences in England. This aspect is however hardly ever taken into account in dictionaries, and this includes also the bilinguals of this review. The fairly detailed entries in LCG and OW2 for example distinguish their English translations for German Toilette in terms of regions (UK versus the USA), public-private (flats and houses as against shops and department stores), formal-informal, obsoletecurrent but do not mention the social dimension. In the case of English equivalents of Nachtisch, the dictionaries indicate at best that a certain use is British (for instance LG s.v. pudding: “ a) Br. Nachspeise f, -tisch m…“), sometimes they forget to do this (again, I use LG as evidence, but the same is true of e.g. DO, s.v. Nachtisch: “dessert, Brit. auch sweet, pudding; umg. afters Sg”; this looks as if afters was restricted in its use only with regard to formality, but region is also involved, as is shown by the RHUD entry for after: “afters, Brit. Informal. the final course of a meal…”), and, at worst, they do not even list certain items (this goes for PO, PSS and BL, which do not list pudding for German Nachtisch). OW2 is the only exception: it states that meal terms “hängen in Großbritannien oft von der geografischen oder sozialen Herkunft ab” (in the box attached to its entry for Mahlzeit). This is fine except for two things: social class determines language use not only often but in almost all cases, and, second, other than this general statement there are no details on the social distribution, e.g. which class uses dinner and which lunch for the midday meal. I would like to end this section with a plea to lexicographers to make their users more sensitive to these facts in the English language and, indeed, to this dimension of linguistic structure - before I told them, few of my students were aware that languages, including German, are organised also in accordance with social stratification. The English materials are easily accessible, for instance in a Wikipedia article, http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ U_ and_non-U_English [accessed 16 July 09]. 6.4 OW - for German Users Only In this section I will discuss OW as a dictionary that combines many of the useful features that I expect a modern print dictionary to have. Although it is published by Oxford University Press as is DO, it is a completely new development, which is seen first of all in its clear, user-friendly layout (cf. chapter 2 above). Next, as the various tests in chapters 3 to 6 have shown, OW is, although not as good as the best of the other dictionaries, often better than can be expected for its relatively small size. Not the least of its attractions are the many examples which reflect present-day social reality, e.g. in its entry for gröhlen we find “Naziparolen grölend zogen sie durch die Straßen.They marched through the streets chanting Nazi slogans”. It also gives a great number of examples where others only give translations: “Wir haben uns nie großartig darüber Gedanken gemacht. We've never given the matter much thought” (s.v. großartig); “Hast Du die Akte greifbar? Have you got the file to hand? ” (s.v. greifbar); or “jdm grenzenlos vertrauen trust sb implicitly grenzenlos erleichtert sein be immensely relieved” (s.v. grenzenlos). Instead of the last collocation - grenzenlos erleichtert - OW 230 Michael Pätzold 36 Only BL and LG give short contexts for the adverbial use of grenzenlos. BL has these collocations: “weit, lieben, begeistert boundlessly; verlegen, erstaunt, traurig extremely”. This is what LG offers: “unermesslich immeasurably; grenzenlos glücklich deliriously happy; grenzenlos dumm stupid beyond belief, incredibly stupid umg.; jemanden grenzenlos lieben love s.o. with all one’s being”. 37 BL, LC, LCG, PO and PSS use English in their English-German, and German in their German-English parts. LG also uses only German, but provides glosses only in its (more recent) German-English part. LH uses German for its relatively few glosses in both parts. DO, finally, is a sort of halfway house: in its entry for go for instance it gives collocators in German while its brief contexts are in English: “(Fahrzeug) fahren; (Reptil) kriechen…(on skis, roller skates) laufen: (in wheelchair, pram, lift) fahren”. In its German-English part it only uses German as metalanguage. 38 (2009) could have chosen grenzenlos glücklich; dumm, or enttäuscht, which are all more frequent. 36 Its chief glory, and the one that sets it apart from the other works in this article, is the wealth of its usage notes, for instance the entry for Mal, in which we are given three examples where English uses the present perfect in contrast to German present tense: “Vorsicht bei der Übersetzung von „zum ersten, zweiten, letzten etc. Mal”! Ich bin zum ersten Mal hier. This is the first time that I’ve been here…” Another help, shared only with LC and LG, is its indication of the stress in “Darf ich Ihnen eine Gegenfrage stellen? Let me ask you a question. Hier wird das Wort you betont”. In general, OW’s usage notes show an acute sense of the important differences between the two languages. The only inconvenience that arises in some cases is that OW puts a number of usage notes in its English-German instead of its German-English part. Thus the entry for Gegensatz refers the user to the one on contrast, while its Ausnahme-entry does not even mention the writing tip next to except in the English-German part. In these and the next two cases OW, although it is clearly aware that the German user needs assistance, does not seem to have clearly thought out where she needs it. Again, the choice between English historic and historical as equivalents of historisch surely arises first and foremost when translating into English. Also, the note s.v. liegen that warns users not to confuse lie and lay is helpful but not as helpful for language production as the one s.v. lay: “Manchmal werden lay und lie in dieser Bedeutung verwechselt. Lay wird mit Objekt gebraucht, lie jedoch nicht: She was lying on the beach. Why don't you lie on the bed”. The second half of the note mentions that “In der Vergangenheitsform werden lain (von „lie“) und laid (von „lay“) oft verwechselt. Korrekt ist: She had lain there all night”. To put this less prescriptively, the note describes an ongoing language change, which provides an interesting insight into modern English that I would have also wished for the entry on historic(al), where more and more native speakers use the shorter form in preference to the longer. Another important aspect that shows OW is made with the German user in mind is its metalanguage: all semantic glosses or bracketed collocators are given in German. 37 The final point to be mentioned is that, in contrast to all others dictionaries examined in this review, OW has a policy of using few if any grammatical descriptors in the German-English part. This saves space for other things, and is likely to appeal to many students at school, college and university, whose knowledge of grammatical terms tends Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 231 38 (2009) to be somewhat underdeveloped. However, OW is not consistent in its application of its policy: while gegensätzlich and gegenteilig have no label, gegenwärtig does. Also, in its English-German part it steps back into the line of all the other dictionaries and uses classifications even where it does not seem to be necessary. What may be the reason for this? If German users are thought not to be able to handle them in the German-English part, have these same users changed for the English-German part ? Or is this an example of getting cold feet, of losing the courage of your own convictions? English has of course many more word forms than German that can be used in different word classes such as capitalist, must, or pocket and in these cases syntactic status would have to be made clear through examples. But no labels are needed in the majority of cases, for words like refuge, refusal, refutation, or refugee, which all have only one function. 6.5 CD-ROM Versions and the Dictionary of the Future In this final section I will look briefly at the CD-ROM editions of four of the dictionaries, namely LC, LG, PO and OW, and to round off my review make a few concluding remarks and suggestions for future developments in bilingual lexicography. All four CD-ROM dictionaries (I will use the normal abbreviations hereafter) can be accessed from other applications. Search words have of course to be typed in but LG and LC have an overwrite routine, so that one can write the new search word in the search box without having to delete the preceding word or phrase. While it takes two clicks in LC and LG, it takes three in PO and four in OW - in the last you have also to select the language. OW and PO give the entry looked for and a pre-defined number of items that follow in the alphabet, LC and LG by contrast allow the user to define for herself how much space she wants to allow other items. Next, a few words on search routines. All four offer both a headword and a full-text search, and while these find compound words when they are written as two words or linked by a hyphen, like art-house and clearing house, they do not find one-word compounds like bathhouse or gatehouse. Affix searches are successful for prefixes and fail for suffixes (e.g. -able, -dom or -itis). Collocations like to hang one’s head and idioms like to meet one’s Maker are found in three (LC, LG and PO). Similar results are obtained for phrasal verb searches, like meet up with: OW does not find it while LC and LG refer, surprisingly, only to the German-English part. PO alone finds it through its “Profisuche”, and in the English-German part, too. In addition, OW allows some field searches, e.g. education, food and drink, and money (“See this word in: ”) and PO has an impressive number of filters, e.g. for a number of different fields, styles and regions. A special feature of LC and LG is that users can download updates from the Internet once they have registered. OW, moreover, allows users not only to practice their pronunciation but also offers a culture dictionary (C ROWTHER 1997) as well as a monolingual production dictionary, in which the direction is, not from form to meaning, but from meaning to form. This allows you for example to find words in a particular topic area, e.g. s.v. shop are listed a number of words for big shops, small shops and shopping centres; 232 Michael Pätzold 38 For McKean’s dictionary go to http: / / www.wordnik.com (accessed 19 July 2009). 38 (2009) kinds of shop: what they sell or the service they provide; parts of shops; going shopping, and managing a shop. OW, in other words, is the only one that has taken a step in the direction of a proper use of the electronic medium, which is what I expect from my ideal bilingual dictionary, with a few remarks on which I will round off my review. The bilingual dictionary of the future will be up-to-date in its word list, will give a great number of examples and collocations, and with enough context so that they can easily be used for English text production. It will have discussions of synonyms and polysemous items, it will pay satisfactory attention to national varieties especially British and US English, and not just in the English-German part, and it will not neglect other varieties of English around the world. It will be compiled by lexicographers that know the two languages well enough to be aware of important contrasts, such as raising in English and differences in the realisation of thematic roles; and that devote enough space to the pragmatics (e.g. polite speech acts) and sociolinguistics (lexical class markers) of the two languages. And, if it does all this, it will no longer be a print dictionary. Some of the dictionaries, as I have indicated, have taken steps to reinvent themselves as tools for production and increased language and cultural awareness. But they are still miles away from making full use of the new electronic medium and, being commercial products, of a community of interested and enthusiastic users that contribute articles (compare for instance the Wiktionary, accessible on the Wikipedia site) and ponder the best translations in discussion forums, as happens on LEO, the bilingual dictionary most often used at present both by my undergraduate and graduate students, though by no means the best or most user-friendly, but that is a different article. The dictionary of the future will be a one-stop work that has music, pictures and videos, e.g. of cities, musicians, parliaments etc.; where the pronunciation of English words is given with their translations in the German-English part; where a specialist language interest may well be catered for, such as an etymological dictionary; where the always somewhat artificial distinction between language and encyclopedic entries is irrelevant; and where there will be cross-references to websites. In short, dictionaries will stop being one-to-one translations from the print to the electronic medium and will fully exploit the almost unlimited space they now have at their command. I want to end this article by giving a reference to an enthusiastic, challenging and entertaining talk about this impending revolution in dictionary making by a young American lexicographer, who is a collaborator on a new (monolingual) Internet dictionary 38 : http: / / www.ted.com/ talks/ erin_mckean_redefines_the _dictionary.html. Enjoy! Looking at an endangered species? The latest family of bilingual ... print dictionaries 233 39 Note: The works reviewed in this article are listed on p. 190 f. 38 (2009) References 1. Dictionaries 39 CanOD: The Canadian Oxford Dictionary. Edited by Katherine B ARBER . Toronto: O.U.P. 1999. COD11: Concise Oxford English Dictionary. Eleventh edition. Edited by Catherine S OANES and Angus S TEVENSON . CD-ROM edition. Oxford: OUP 2006. LDOCE: Longman Dictionary of Contemporary English. New edition. Harlow: Longman 2009. MED: Macmillan English Dictionary for advanced learners. Second edition 2007. Ort: Verlag .CD-ROM version 2.0.0702. OALD7: Oxford Advanced Learner's Dictionary. Seventh Edition. Chief editor Sally W EHMEIER . Oxford: OUP 2005. PBWB: PONS Business-Wörterbuch Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch. Barcelona [etc]: Klett 2006. RHUD: Random House Webster’s Unabridged Dictionary. Third CD-ROM edition. New York 1999. SOED: Shorter Oxford English Dictionary. Fifth edition. Oxford: O.U.P. 2002. CD-ROM version 2.0 2. Other References A MIS , Martin (1976): The Rachel Papers. London: Vintage. C HARTERIS -B LACK , Jonathan (1999): The Survival of English Proverbs: A Corpus Based Account. http: / / www.deproverbio.com/ DPjournal/ DP,5,2,99/ BLACK/ SURVIVAL.htm C OOPER , Jilly (1981): Class. London.: Corgi. C ROWTHER , Jonathan (1999): Oxford Guide to British and American Culture. Oxford: O.U.P. C RYSTAL , David (2004): The Stories of English. London: Allan Lane. D IXON , Robert M. W. (1991) A New Approach to English Grammar, on Semantic Principles. Oxford: O.U.P. E DMONDSON , Willis / H OUSE , Juliane (1981): Let’s talk and talk about it. München: Urban & Schwarzenberg. F ELLOWES , Julian (2008): Past Imperfect. London: Phoenix. F OX , Kate (2004): Watching the English. London: Hodder. F USSELL , Paul (1984) Class. London: Arrow Books. G RAMLEY , Stephen / P ÄTZOLD , Kurt Michael (1985): Das moderne Englisch. Paderborn: Schöningh. LSGSWE: Longman Student Grammar of Spoken and Written English. D. Biber, S. Conrad and G. Leech. Harlow: Longman 2002. M C A RTHUR , Tom (1998): The English Languages. Oxford: O.U.P. M ARWICK , Arthur (2003): British society since 1945. London: Penguin. Oxford Guide to British and American Culture (1999). Edited by Jonathan C ROWTHER . Oxford: O.U.P. P ÄTZOLD , Kurt-Michael (1994): “Words, Words, Words: The Latest Crop of Dictionaries for Learners of English (Part I)”. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 23, 13-64. R OSS , Alan S. C. (1954): “Linguistic Class-Indicators in Present Day English”. In: Neuphilologische Mitteilungen 55, 20-56. S KYNNER , Robin / C LEESE , John (1993): Life and How to Survive It. London: Methuen. 38 (2009) Pro Pro Es ist gut, dass die Frage nach Normen unterrichtlichen Handelns überhaupt gestellt und kontrovers diskutiert wird. Die Eile, mit der in wenigen Jahren alle Curricula in Begriffen der Kompetenz- und Standardorientierung umformuliert wurden, ist bekanntlich der Einführung neuer Steuerungssysteme im schulischen Bildungswesen geschuldet. Diese scheint nach PISA ebenso unhinterfragbar wie das allgegenwärtige Denken in Kategorien der Nützlichkeit und der Machbarkeit. Da ist es hilfreich, ein wenig Abstand zu gewinnen und Alternativen zu bedenken. Wissenschaftlich sind Normfragen im zur Rede stehenden Feld nur auf der Basis von Theorien der Bildung zu beantworten. Eindeutigkeit ist indes von ihnen nicht zu erwarten. Nach den Kontroversen um Ansätze formaler und materialer Bildung mit ihren je eigenen Berechtigungen (Leitidee des sich autonom bildenden Menschen vs. Leitbild des in Arbeitswelt und Gesellschaft qualifizierten Bürgers) belegen postmoderne Bildungstheorien überzeugend, dass es in Fragen von Letztbegründungen gerade keine Objektivität geben kann. Normen gesellschaftlichen Handelns sind vielmehr kollektiv auszuhandeln. Lediglich diese Setzung und mit ihr das Postulat einer Anerkennung von Pluralität, Differenz und Widerstreit können als Maxime gelten, da sie sonst selbstwidersprüchlich würden (vgl. Hans-Christoph K OLLER : Bildung und Widerstreit. München: Fink 1999). Angesichts dieses Eigenwerts von Vielfalt ist den Verkürzungen zu widersprechen, die dem Schulwesen durch die Standardorientierung und den weitgehenden Verzicht auf Aspekte der Persönlichkeitsbildung auferlegt werden. Mit H. V . H ENTIG (Bildung. Ein Essay. München/ Wien: Hanser 1996: 39) denke ich, dass die Schule primär das lehren soll, was das Leben nicht lehrt. Das Leben, vor allem das Wirtschaftsleben, lehrt das Denken in Kategorien von Effektivität und Nutzen. In der Tat sind dies wichtige Kategorien. Aber mindestens ebenso wichtig sind im Hinblick auf ein subjektiv reiches Leben und auf ein gewaltfreies, verständigungsbereites Miteinander im (welt)gesellschaftlichen Rahmen die Förderung sozialer, sprachlich-kultureller und musischästhetischer Sensibilität sowie von Reflexivität und Dialogfähigkeit. Sprache ist nicht nur ein Medium der Kommunikation, sondern auch des Weltaufschlusses und der Konstruktion von Identitäten (Idee der performativen Bildung). Dieses Verständnis kann im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts eine eigene Relevanz beanspruchen: Das Erlernen fremder Sprachen konfrontiert uns mit kulturellen Differenzen, verweist uns auf die Bedingtheit eigener Sichtweisen und führt uns dazu, eigene Identitäten in einem Prozess tertiärer Sozialisation zu erweitern. Gemeinsam mit der Entfaltung individueller Kreativität in Verfahren des kreativen Schreibens und der Wahrnehmung der ästhetischen Qualitäten von sprachlichen Manifestationen in Rezeption und Produktion sind dies wesentliche Momente einer Persönlichkeitsbildung. Sie finden teilweise auch Platz in Modellierungen der „weichen“ Kompetenzen. Insofern ist die Kompetenzorientierung anschlussfähig an übergeordnete Bildungsziele. Die explizite Artikulation der Perspektive „Bildung“ allerdings ist eine Garantie dafür, dass diese nicht vergessen werden, sondern ihren Platz in den didaktisch-methodischen Entscheidungen des unterrichtlichen Alltags finden und das vom ersten Lernjahr an. Berlin LUTZ K ÜSTER Fremdsprachenunterricht - vor allem bildungsorientiert? Pro und Contra 235 38 (2009) Contra Contra Ob der Fremdsprachenunterricht vor allem bildungsorientiert sein sollte oder nicht, impliziert zunächst einmal die Frage, was Bildung ist. Diese Frage ist nach wie vor vieldiskutiert und man ist weit von einem Konsens entfernt. Ein anderer, greifbarerer Ausgangspunkt für die zu diskutierende Frage wäre, welche Ziele institutioneller (d.h. schulischer) Fremdsprachenunterricht hat. Hierzu zählen Ziele wie etwa die Persönlichkeitsbildung der Schüler, die Ausbildung literarischer Kompetenzen und die Förderung interkultureller Kompetenz. Diese Aspekte zielen darauf ab, den Menschen als Ganzes in seiner Persönlichkeit zu bilden und weiterzuentwickeln. Für den institutionellen Fremdsprachenunterricht sind diese Ziele unbestritten. Dennoch können (und sollten) sie von pragmatischeren Zielen ergänzt werden. Das wohl wichtigste in dieser Kategorie ist die Förderung von Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache, und zwar in vielfältigen Kontexten. Der kommunikative Ansatz, seit Jahrzehnten Mainstream-Methode in fremdsprachlichen Klassenzimmern, und die darauf basierenden neueren Ansätze wie beispielsweise aufgabenorientiertes Lernen sind auf dieses Ziel des Fremdsprachenunterrichtes ausgerichtet. Schließlich sollen die Schüler damit ein übergeordnetes Ziel der gymnasialen Oberstufe (vgl. Einheitliche Anforderungen in der Abiturprüfung Englisch der KMK http: / / www.kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_ beschluesse/ 1989/ 1989_12_01-EPA-Englisch.pdf), die Entwicklung der Studier- und Berufsfähigkeit, erreichen. Was spricht nun gegen die Befähigung der Schüler, etwa im späteren (Berufs-)Leben auftretende kommunikative Situationen bewältigen zu können? Das Berufsleben stellt vielfältige Anforderungen an die Schüler als nachfolgende Generation. Technische Neuerungen vollziehen sich immer schneller und werden immer komplexer. Kommunikationsprozesse sind in Zeiten hoch spezialisierter Lern- und Arbeitswelten von enormer Bedeutung. Die Kommunikationsprozesse sind auf Grund von heute selbstverständlicher Mobilität und medialer Vernetzung längst mehrsprachig; dies fängt bei (für Schüler bereits in der Sekundarstufe I relevanten) social bookmarking-Instrumenten wie Facebook an. Es ist eine wichtige Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts, die Schüler auf diese Lebenswirklichkeit auch sprachlich vorzubereiten. Exemplarisch soll die Vorbereitung auf das spätere Berufsleben der Schüler in Form der beruflichen Anwendungsorientierung diskutiert werden. Es ist weder wünschenswert noch sinnvoll, eine dezidierte sprachliche Vorbereitung auf bestimmte Berufe zu leisten. Es geht vielmehr um die Schaffung von Lernszenarien, die einen unmittelbaren Lebensweltbezug für die Schüler aufweisen und daher als Lernaufgaben für sie auch transparent sind. Gleichzeitig sollen sie einen potenziellen Bezug zu weitgehend berufsorientierten Kontexten mit einer Zukunftsbedeutung für die Schüler haben. Durch lebensweltbezogene Szenarien steht die zu bewältigende Aufgabe im Vordergrund, zu deren Erledigung die Fremdsprache verwendet wird - der aufgaben- und handlungsorientierte Charakter wird deutlich. Handelt es sich um eine komplexe Aufgabe, fördert die Notwendigkeit der Aufgabenteilung und die notwendige Aushandlung unter den Lernenden idealiter die Autonomie der Lernenden. Trotz eines Anwendungscharakters des Fremdsprachenunterrichts kommt die persönlichkeitsbildende Komponente mit einem solchen Ansatz nicht zu kurz. An diesem methodischen Ansatz für den Fremdsprachenunterricht wird deutlich, wie auch pragmatisch orientierte Ziele des Fremdsprachenunterrichts dazu betragen, den Menschen als Ganzes zu entwickeln, also dessen Bildung zu befördern. Fazit: Bildungsorientierung des Fremdsprachenunterrichts ja - aber nicht rein als l’art pour l’art. Heidelberg K ARIN V OGT 1 Sie u.a. Johannes E CKERTH : Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen. Tübingen: Narr 2003, Rod E LLIS : Task-based Language Learning and Teaching. Oxford: OU Press 2003, Betty Lou L EAVER / Jane R. W ILLIS (Hrsg.): Task-based Instruction in Foreign Language Education. Practices and Programs. Washington D.C.: Georgetown University Press 2003, Corony E DWARDS / Jane W ILLIS (Hrsg.): Teachers Exploring Tasks. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2005, Karl-Richard B AUSCH / Eva B URWITZ -M ELZER / Frank G. K ÖNIGS / Hans-Jürgen K RUMM (Hrsg.): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Ergebnisse der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 2006, Kris VAN DEN B RANDEN : Task-Based Language Education. From Theory to Practice. Cambridge: Cambridge University Press 2006, Kris V AN DEN B RANDEN / Koen V AN G ORP / Machteld V ERHELST : Tasks in Action. Task-based Language Education From a Classroom-based Perspective. Cambridge: Cambridge Scholars Publishing 2007, María del Pilar G ARCÍA M AYO (Hrsg.): Investigating Tasks in Formal Language Learning. Clevedon: Multilingual Matters 2007, Andreas M ÜLLER -H ARTMANN / Marita S CHOCKER - V . D ITFURTH (Hrsg.): Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Task-Based Language Learning and Teaching. Festschrift für Michael K. Legutke. Tübingen: Narr 2005, Andreas M ÜLLER -H ARTMANN / Marita S CHOCKER - V . D ITFURTH (Hrsg.): Aufgabenorientiertes Lernen und Lehren mit Medien: Ansätze, Erfahrungen, Perspektiven in der Fremdsprachendidaktik. Frankfurt: Lang 2008, Virginia S AMUDA / Michael B YGATE : Tasks in Second Language Learning. New York: Palgrave, Macmillan 2008. 38 (2009) Johannes E CKERTH , Sabine S IEKMANN (eds.): Task-Based Language Learning and Teaching. Theoretical, Methodological, and Pedagogical Perspectives. Frankfurt/ M.: Lang 2008 (Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft; Band 71), 313 Seiten [45,- €] Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer Sektion zu task-based language learning and teaching (TBLT) der 20. Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (2005). Das Buch reiht sich ein in eine inzwischen reichhaltige Forschungslandschaft zu TBLT. 1 Auch dieser Band zeugt mit Beiträger/ innen aus Deutschland, Japan, Kanada, Neuseeland, und den USA von der internationalen Breite dieses Forschungsgebietes. Es ist positiv hervorzuheben, dass die Forschung Aufgaben inzwischen nicht nur als Forschungsinstrument nutzt, um Sprache zu elizitieren (z.B. E LLIS 2003, G ARCÍA M AYO 2007), sondern Aufgaben auch als methodischen Ansatz im Sprachunterricht erforscht (z.B. V AN DEN B RANDEN 2006, E DWARDS / W ILLIS 2007). Beginnend u.a. mit den Arbeiten von E LLIS (2003) und E CKERTH (2003) werden diese beiden Bereiche zunehmend zusammengeführt, was auch eine Veränderung in der Ausrichtung des Forschungsdesigns mit sich bringt, indem mixed methods Designs entwickelt werden (vgl. E CKERTH 2003, S AMUDA / B YGATE 2008). Hier ordnet sich auch der vorliegende Band ein. Die Forschungsprojekte „rely both on quantative and qualitative data, typically resulting in a multi-method design“, und „the research projects […] share an interest in classroom language learning, and in the interface between learning and teaching“ (9). Positiv ist auch, dass die Projekte im Unterricht durchgeführt worden sind und nicht in laborähnlichen Situationen. In der Regel sind dies universitäre Lernkontexte, aber drei Forschungsprojekte sind in der Sekundarstufe angesiedelt. Damit ist der schulische Bereich, der bisher in der Aufgabenforschung noch sträflich vernachlässigt worden ist, hier vertreten. Alle Beiträge fokussieren die prozessorientierte Dimension von TBLT, allerdings ist die Gliederung der Beiträge in die Bereiche classroom-based research, cognition und assessment nicht ganz nachzuvollziehen, denn sowohl K RÜGER s als auch V OLLMER s Beiträge sind auch der Unterrichtsforschung zuzurechnen. Aus der inhaltlichen Perspektive hätte man neben den Bereichen Kognition und Bewertung auch die Bereiche form-focussed instruction (E CKERTH , I SHI , P ESCE ) und B u c h b e s p r e c h u n g e n R e z e n s i o n s a rt i k e l Buchbesprechungen Rezensionsartikel 237 38 (2009) teacher/ learner perspectives (S CHART , S IEKMANN und K RÜGER , die auch in den ihr zugewiesenen Bereich Kognition gehört) aufmachen können. In seiner Einführung stellt E CKERTH zunächst die vier wichtigsten Forschungsansätze zu TBLT vor und kommt zu dem Schluss: „views on task-based language learning vary from a predominant product orientation - students’ individual or interactive L2 performance as created by a task - to a more process-oriented approach that focuses on the linguistic and cognitive processes involved in task performance“ (19). Mit seinem Beitrag verfolgt er den hohen Anspruch, einen methodologischen Rahmen zu entwickeln, der sowohl die Produkt- und Prozessorientierung, die Makro- und Mikro-Ebenen sowie die Beziehungen zwischen Lernumgebung, Lerner und Lernergebnis erfasst. Eckerth fordert dabei deutlich, den Blick auf die Prozesse im Klassenzimmer zu lenken und wegzukommen von laborähnlichen Settings. Seine Analyseeinheit task umfasst die vielen Variablen, die auf der Mikro- und Makroebene das Sprachenlernen beeinflussen. Bei seinem verständlichen Bemühen, die Variablen zu reduzieren, wird die Rolle der Lehrkraft nicht ganz klar, wenn er sagt, „the teacher’s impact on task behavior can be limited inside the research design“ (21). Auch wenn er dies nur als methodologische Option verstanden wissen will, bleibt die Frage, ob es grundsätzlich sinnvoll ist, denn schließlich bestimmt die Lehrkraft den gesamten Aufgabenrahmen, von der Aufgabenformulierung über die Prozessbegleitung bis hin zur Bewertung. Das wird auch deutlich in den von Eckerth ausgemachten kritischen Bereichen, die auch in den folgenden Beiträgen eine wichtige Rolle spielen. In der Unterscheidung zwischen task und exercise hebt er hervor, dass Lerner eine vorgegebene Aufgabe mit einem Fokus auf der Bedeutung zu einer Aufgabe umfunktionieren können, die einen focus on form erhält. Das ist richtig, weist aber auch auf das wichtige Phänomen hin, dass die Lehrkraft flexibel auf solch eine Situation und Chance im Lernprozess reagieren muss - wie sie es in Eckerths Beispiel auch tut. Als weiteren kritischen Bereich benennt er die Konstruktvalidität von Aufgaben. Um sie zu sicherzustellen, sollte die diskursanalytische Untersuchung von Unterrichtstranskripten mit ethnografischen Forschungsmethoden (z.B. retrospektive Interviews) verbunden werden, um die Lernerperspektive auf den Aufgabenprozess zu erheben. Wenn man die anderen Beiträge des Bandes unter dem Blickwinkel von Eckerths sinnvollen Forderungen nach Prozess- und Lernerorientierung betrachtet, auch mit Blick auf den pädagogischen Mehrwert dieser Forschung sowie den Einsatz angemessener Forschungsmethoden, so wird das Potenzial dieses Buches schnell deutlich. Bezüglich der Lehrer- und Lernerperspektive sind vor allem die Beiträge von S CHART , K RÜGER und S IEKMANN hervorzuheben. S CHART untersucht die Veränderung der Lehrerrolle bei der Umstellung des Unterrichts auf TBLT auf Basis eines Aktionsforschungsansatzes, dessen Potenzial er sehr überzeugend darstellt. In der Triangulation quantitativer und qualitativer Daten ist es vor allem sein Lehrertagebuch, dass ihn erkennen lässt, dass sich die Lerngruppe in drei Untergruppen aufteilt, deren Erwartungen an und Wahrnehmung des Lernprozess(es) ganz unterschiedlich sind, was letztendlich zu einem teilweisen Scheitern des TBLT Ansatzes führt. Schart hebt hervor, dass der soziokulturelle Kontext und die daraus entstandenen Lernerperspektiven (DaF-Unterricht in Japan) mitbedacht werden muss und man TBLT nicht einfach als westliches methodisches Konstrukt übertragen kann. Ähnliche Ergebnisse zeigt auch K RÜGER s Projekt, die in acht Fallstudien über Lautdenk- Protokolle und retrospektive Interviews die kognitiven Prozesse von universitären Deutschlernern in Kanada untersucht. Sie postuliert das Konzept eines „language learning habitus“ (178), das durch interne und internalisierte externe soziale Faktoren strukturiert ist, und zeigt, dass das Wissen um den soziokulturellen Kontext und die Selbstkonzepte der Lerner entscheidend ist, da sie auf dieser Basis die Aufgaben angehen, bearbeiten und im Prozess individuell verändern. Mit Hilfe eines soziokulturellen Ansatzes und eines mixed methods Design untersucht auch 238 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) S IEKMANN die Lernerperspektive von universitären DaF Lernern. Sie stellt fest, dass Lerner bei einer kollaborativ angelegten Webquest Aufgabe sich mit drei Formen des scaffolding (other, self, collective) gegenseitig unterstützen. Dabei entscheiden die Orientierung und das Einlassen der Lerner auf die Aufgabe über die Form der dialogischen Interaktion der Paare. Eine Fokussierung der jeweiligen Lernerperspektive ist auch bei den Forschungsprojekten von E CKERTH (DaZ), I SHII (EFL) und P ESCE (Spanisch als Fremdsprache) festzustellen, die formfocused bzw. consciousness-raising tasks auf der Basis von kollaborativen Lernerdialogen untersuchen. Bei den drei Beiträgen ist die Herangehensweise bezüglich des von Eckerth (s.o.) angesprochenen Zusammenspiels von Spracherwerbsforschung und pädagogischer Forschung z.T. unterschiedlich. I SHII stellt in seiner Studie zu schriftlichem Feedback durch kollaborative consciousness-raising tasks bei Lerneraufsätzen das Potenzial der dia-logs fest, allerdings lediglich bei stärkeren Lernern, was den grundsätzlichen Einsatz fraglich erscheinen lässt. Die Forderung nach der sinnvollen Sequenzierung von Aufgaben rennt allerdings offene Türen ein und ist im täglichen Unterricht etabliert (136). Während Eckerth für die Untersuchung Aufgaben als Teil der normalen Unterrichtsroutine entwickelt, integriert P ESCE kommunikative Aufgaben in einen scheinbar nicht grundsätzlich kommunikativ ausgerichteten Kurs (72) und wählt dann zwei Aufgaben, die in ihrer Grundanlage so unterschiedlich sind (fill-in-the-gap cloze task versus narrative task), dass ihre Schlussfolgerung in Bezug auf den Effekt von Aufgabentypen auf die Performanz fast banal klingt: „The more formfocused cloze tasks stimulated intensive discussions of the target structure, while the learners focused on meaning during the narrative task“ (84). Von daher sind die Ergebnisse ihrer Studie nicht sehr aussagekräftig. E CKERTH hingegen sieht sich stärker den Prozess an und stellt fest, dass ein Teil des Lernzuwachses dem pädagogischen Fokus der Aufgabe geschuldet ist. Auch stellt er fest, dass die Aufgaben eine Reihe von Lernmöglichkeiten schaffen, die im task-as-workplan nicht unbedingt so angelegt waren, und die zur der Veränderung der Aufgabe durch die Lerner führte. Vor allem bei schwächeren Lernern, die wenig L2 Wissen besaßen, „the collaborative dialogue apparently promoted learning activities going beyond task completion“ (109). Gleichzeitig stellt er fest, (s.a. Krüger oben), dass nicht der Aufgabentyp (focus versus unfocused), sondern die Zusammensetzung der Lernerpaare und die individuellen Interaktionsstile einen Einfluss auf die Performanz haben, was er auf die Situation im Klassenzimmer zurückführt. Lerner „might view extensive meaning negotiation as time-consuming, a potential disturbance of the communication, and face-threatening“ (100). Er fordert abschließend, dass auf Grund dieser Ergebnisse Studien, die unter Laborbedingungen gemacht werden, parallel im Klassenzimmer durchgeführt werden müssen, oder dort repliziert werden sollten (111). Es bleibt, wie oben schon dargestellt, die Frage nach der Lehrerperspektive. Immerhin sieht Eckerth (112) die praktischen Zwänge der Lehrkraft, entsprechende post hoc test durchzuführen. Das steht im Gegensatz zu K ESSLER s Studie zum Einsatz eines auf einer software basierten Diagnoseinstruments (Grundlage ist Pienemanns teachability hypothesis) zur Feststellung des individuellen Sprachstandes, um Lerner individuell zu fördern. Die Studie ist hilfreich, da sie eine Form der Diagnose durch sinnvolle Aufgaben aufzeigt - ein Bereich, der im Rahmen der neuen Kompetenzorientierung noch wenig untersucht worden ist. Allerdings ist das Verfahren in der Form extrem aufwändig und kaum im normalen Schulalltag zu leisten. Um Kompetenzen geht es auch bei in der Forschung von H EINE und V OLLMER zum bilingualen Sachfachunterricht (Geografie), die Teil eines DFG Projekts („Fachlernen und (Fremd-) Sprachlichkeit: Aufgabenbasierte Kognition, Kommunikation, Kooperation“) ist und die in den Bereichen Kognition und Bewertung angesiedelt ist. Die Projekte vergleichen Lerngruppen, die in der Buchbesprechungen Rezensionsartikel 239 1 Dan Clement L ORTIE : Schoolteacher. A Sociological Study. Chicago: University of Chicago Press 2002 [ 1 1975]. 38 (2009) Muttersprache und in Englisch unterrichtet werden. Während H EINE sich das Zusammenspiel von linguistischen und konzeptuellen Kompetenzen anschaut und feststellt, dass eine tiefere kognitive Bearbeitung von Fachinhalten gleich gut unabhängig von der Nutzung der L1 oder L2 stattfindet, entwickelt V OLLMER eine hilfreiche Typologie von Forschungsaufgaben, die ausgehen von den aufgabeninhärenten Diskursfunktionen, um auf der Basis die methodologische Kompetenz, das Fachwissen und die kommunikative Kompetenz der Lerner zu erfassen. Vollmer schließt mit dem wichtigen Hinweis, dass diese Art von Testaufgaben auch in Lernaufgaben umgewandelt werden können, die für eine prozessbegleitende Bewertung bzw. Selbstbewertung eingesetzt werden können. Auf die weiteren Ergebnisse dieses umfangreichen Projekts darf man gespannt sein. Diese Rezension kann den vielfältigen interessanten Ergebnissen nur z. T. gerecht wird. Der vorliegende Band ist ein für viele Forschungsbereiche des TBLT sehr empfehlenswertes Buch. Freiburg A NDRES M ÜLLER -H ARTMANN Lernerautonomie: Die Sicht von Studierenden und die Fragestellung der Terminologie - Zwei Publikationen des Herbstes 2008 Hélène M ARTINEZ : Lernerautonomie und Sprachenlernverständnis. Eine qualitative Untersuchung bei zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern romanischer Sprachen. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 383 Seiten [42,- €] Barbara S CHMENK : Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 448 Seiten [48,- €]. Das Eigenrecht des Kindes und der Gewinn an Autonomie durch Lernen ist ein Thema, das die Erziehungswissenschaften immer wieder beschäftigt hat und das seit Mitte der 1970er Jahre auch zu einem wichtigen Leitmotiv im fremdsprachendidaktischen Diskurs geworden ist. Der theoretische Rahmen und die Implikationen für den Fremdsprachenunterricht wurden erstmals 1976 in der Tagung „Self-directed Learning and Autonomy“ an der Universität Cambridge diskutiert. Etwa zur gleichen Zeit experimentierte die dänische Lehrerin Leni D AM mit Unterrichtsformen, die später zum Musterbeispiel für Lernerautonomie in der Schule wurden. Dem ersten, viel zitierten Buch von Henri Holec, Autonomy in Foreign Language Learning, aus dem Jahre 1979 folgten viele weitere Publikationen. Mit der Entwicklung nationaler Bildungsstandards und dem Wunsch nach kompetenzorientiertem Unterricht stellt sich in diesem Jahrzehnt die Frage nach der Lernerautonomie erneut. Nicht mehr Lerninhalte, sondern Kompetenzen und Wissen sollen den Unterricht prägen und Schülerinnen und Schüler zu lebenslangem Lernen befähigen. Dies kann nur in Lernumgebungen geschehen, die individuellen Lernweisen und -bedürfnissen Rechnung tragen. Es ist deshalb erfreulich, dass im Herbst 2008 gleich zwei neue Bücher zur Lernerautonomie erschienen sind: eine qualitative Studie von Hélène M ARTINEZ und der Versuch einer terminologischen Klärung von Barbara S CHMENK . Dan Clement L ORTIE hat in seinem Buch Schoolteacher: A Sociological Study 1 als erster darauf hingewiesen, welche Wirksamkeit der Unterricht, den man als Schülerin oder Schüler erlebt hat, auf die eigene, spätere Lehrtätigkeit entfaltet und von „apprenticeship in teaching“ gesprochen. Hélène M ARTINEZ greift dieses Phänomen auf. Ihr Interesse gilt den Vorstellungen, die Lehramts- 240 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) studierende im Fach Romanistik über Lernerautonomie entwickelt haben. Hieraus entsteht eine interessante qualitative Studie, in der sie die subjektiven Theorien von Studierenden erforscht, die ihre Seminare belegt haben. In einem ersten Teil stellt M ARTINEZ umfassend die bisherigen Forschungen zu den Themen „Lernerautonomie“ und „subjektive Theorien“ vor. Sie zeigt, dass die Auffassungen zu Lernerautonomie sehr unterschiedlich sind und philosophische Erwägungen zur Selbstbestimmung ebenso beinhalten wie kognitionspsychologische, soziologische oder unterrichtspraktische Aspekte, zu denen Lernstil, Lernerstrategien und Motivation gehören. Den Kern von Lernerautonomie sieht Martinez in der Fähigkeit, den jeweils eigenen Fremdsprachenlernprozess zu kontrollieren und zwar vor allem durch metalinguistisches Bewusstsein, Selbstreflexion und die fremdsprachliche Auseinandersetzung mit anderen. Hieraus ergibt sich M ARTINEZ ’ Frage, ob sich diese, in der Wissenschaft etablierten definitorischen Elemente der Lernerautonomie auch in den subjektiven Theorien der Studierenden wiederfinden. Bewusst wählt sie dabei im Gegensatz zu anderen Studien zu subjektiven Theorien ein - wie sie sagt - „offenes Forschungsparadigma“ (S. 112), zu dem neben der Datenerhebung durch unterschiedliche Verfahren Einzelfallbeschreibungen und vergleichende Analysen und Interpretationen gehören. Am empirischen Teil der Studie haben insgesamt 16 Studierende teilgenommen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung Seminare bei M ARTINEZ an den Universitäten Kassel („Von der Lehrerzu Lernerautonomie“) und Gießen („Lernen lernen im Fremdsprachenunterricht“) belegt hatten. In ihrer Untersuchung kommt M ARTINEZ im Wesentlichen zu dem Schluss, dass Studierende eine relativ vage Vorstellung von Lernerautonomie hätten. Sie reduzieren Lernerautonomie auf „die Kontrolle von Lernorganisation, überwiegend im Sinne der Individualisierung von Lernwegen und im Sinne von Methodenkompetenz“ (S. 305), stellen Verbindungen zu schülerorientierten Verfahren wie Projekt- oder Wochenplanarbeit her, bezweifeln aber die Umsetzbarkeit im schulischen Fremdsprachenunterricht. Sie betonen die externe Dimension von Unterricht, indem sie über Lernarrangements und Inhalte sprechen, kaum jedoch über kognitive Sprachverarbeitungs- und Lernprozesse. Auffällig ist, dass die Studierenden sich Lernerautonomie nähern, indem sie beschreiben, was diese nicht ist. Dabei kontrastieren sie ihre Vorstellung von Autonomie mit dem Unterricht, den sie selbst erlebt haben und schreiben der Lehrkraft eine besondere Rolle für die Entwicklung von Lernerautonomie zu. Bemerkenswert ist, dass die Befragten auch nach der Zwischenprüfung nur über ein geringes fachdidaktisch reflektiertes Wissen verfügen und dass einige von ihnen feststellen, dass sie weder an der Schule noch an der Hochschule gelernt haben, wie man lernt. Besonders nachdenklich stimmen die Ansichten eines Lehramtsstudenten im neunten Semester: „Eine Fremdsprache lernen ist wie ein Handwerk (z. B. Holzbearbeitung): Zunächst muss man grundlegende Bausteine kennen lernen (Holz, Wortschatz), Verfahren erlernen (Bearbeitungstechniken - Grammatik) [...]“ (S. 281). Hier wird deutlich, wie dringend Studierende sich forschend mit dem Spracherwerb auseinander setzen müssen, um einen ersten Perspektivenwechsel vom Schüler zum Wissenschaftler zu vollziehen. Sie gewännen so Abstand von den eigenen schulischen Erfahrungen und erwürben ein reflektiertes, neuro- und psycholinguistisch abgesichertes Wissen über das Erlernen von Fremdsprachen, das sie später zu professionelle Entscheidungen im Lehrerberuf befähigt. M ARTINEZ ’ Buch gibt insoweit einen interessanten, manchmal auch erschreckenden und aufrüttelnden Einblick in die Kognition der Studierenden. Es ist deshalb sicherlich lohnende Seminarlektüre. Aus wissenschaftsmethodischer Sicht wirft die Studie jedoch einige Probleme auf, die vor allem daraus resultieren, dass M ARTINEZ keine exakte Fragestellung zu ihrem Forschungsvorhaben entwickelt. M ARTINEZ sagt zu Beginn ihrer Arbeit, „die Untersuchung versteht sich daher als Beitrag zur Buchbesprechungen Rezensionsartikel 241 38 (2009) Erforschung des Konstrukts LA [Lernerautonomie] und dessen Förderung im Fremdsprachenlernprozess“ (S. 12). Dabei entwickelt sie eine Datenerhebungsstruktur, die drei Zeiträume umfasst: einen Fragebogen und ein Interview zu Beginn des jeweiligen Seminars, Aufzeichnungen von Gruppendiskussionen, Arbeitsblätter und Tagebücher während des Seminars und ein weiteres Interview unmittelbar nach Abschluss des Seminars. In der Auswertung spielt die zeitliche Dimension des Datenmaterials jedoch überhaupt keine Rolle mehr. Überwiegend wird nur das Interviewmaterial zu Beginn des Seminars ausgewertet und so die eigentlich interessante Frage, welche Auswirkung Hochschulseminare zur Lernerautonomie auf die subjektiven Theorien von Studierenden zum Fremdsprachenerwerb haben, weder gestellt noch beantwortet. Die fehlende Fragestellung wirkt sich auch auf den theoretischen Teil der Arbeit aus. Hier wird umfassend alles zu Lernerautonomie referiert, jedoch nicht im Hinblick auf eine Forschungsfrage kritisch reflektiert. Die vergleichsweise hohe Dichte an Zitaten und 341 erläuternde Fußnoten unterstreichen diesen Eindruck und machen den eigentlich interessanten und vollständigen Überblick manchmal schwer lesbar. Problematisch erscheint mir auch der Umgang mit Empirie. So wird der erste Fragebogen nicht pilotiert, aber nach der Erhebung in Kassel für die Untersuchung in Gießen leicht verändert. Chancen der Datenvalidierung im Diskurs mit den Beforschten werden nicht genutzt. Die Analyse der transkribierten Interviews bleibt zu sehr auf einer subjektiv-qualitativen Ebene stehen. Hier hätte eine genaue Kodierung und Kategorisierung erfolgen müssen. Mit Hilfe einer qualitativen Datenanalysesoftware wie atlas.ti hätte M ARTINEZ dann eine Quantifizierung vornehmen können und auf diese Weise recht allgemeine Schlussfolgerungen wie „LA hat mit Laisser-faire zu tun“ (S. 255) präziser fassen können. In der Auswertung greift Martinez statt dessen wiederum in so hohem Maße auf andere Publikationen zurück, dass man den Eindruck gewinnt, dass das eigentlich überaus interessante Datenmaterial ein Schattendasein führt und die Theorie übergriffig wird. Ein letzter Kritikpunkt: Menschliches Denken und Handeln erfolgen immer situationsbezogen. M ARTINEZ problematisiert aber nicht, welche Rolle das Setting des Seminars spielt und inwiefern dieser Kontext die Sehweise der Studierenden beeinflusst. So ist es ein Unterschied, ob Studierende die eigene Lernerfahrung im Hinblick auf Lernerautonomie in einem Hochschulseminar betrachten oder ob sie sich in die Rolle angehender Lehrkräfte hineinversetzen. Ein Studierender, der Lernerautonomie für sich selbst durchaus positiv sieht, muss diese nicht unbedingt im Unterricht umsetzen wollen. Trotz der methodischen Abstriche, die man leider machen muss, leistet M ARTINEZ ’ Buch einen wichtigen Beitrag, um das Denken angehender Lehrkräfte zum Thema Lernerautonomie transparent zu machen. Es beinhaltet damit auch eine nachahmenswerte Anleitung für die Durchführung von Seminaren und ein Plädoyer für die Tatsache, dass man an den subjektiven Theorien der Studierenden nicht vorbeikommt, wenn man Unterrichtsentwicklung im Blick hat und die Lehr- / Lernqualität an den Schulen durch gut ausgebildete Lehrkräfte verbessern möchte. Im Gegensatz zu M ARTINEZ betreibt Barbara S CHMENK keine empirische Forschung, sondern will auf „Spurensuche“ (S. 13) gehen und den Begriff der Lernerautonomie aus philosophischer, pädagogischer und fremdsprachendidaktischer Sicht beleuchten. Ihr Ziel ist es, „die grundsätzliche Frag-Würdigkeit des Autonomiebegriffs herauszuarbeiten“ (S. 14). Am ehesten könnte man ihren Forschungsansatz daher als geisteswissenschaftlich charakterisieren, das heißt im Sinne Diltheys auf „Selbstbesinnung und historisches Verstehen“ zielend. Entsprechend tastet sich S CHMENK über fiktive Vorstellungen von Lernerautonomie, die sie in einem Fachdidaktikerseminar oder in einem Lehrerzimmer vermutet, über verschiedene Klassifizierungsmodelle, historische Einlassungen bis zu möglichen Schnittstellen von Lernerautonomie und kommunikativer Kompetenz vor. Das Ganze wird unterbrochen durch pseudo-sokratische Dialoge zwischen einem Pessimisten und einem 242 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 2 David L ITTLE : Learner Autonomy: Definitions, Issues and Problems. Dublin: Authentik 1991. 38 (2009) Optimisten, die offenbar dysfunktionale Kognitionen im Hinblick auf die Lernerautonomie aufzeigen sollen, in Wirklichkeit aber deplaziert und unwissenschaftlich wirken. S CHMENK s Studie leidet daran, dass sie zwar die bisher in der Fremdsprachendidaktik erarbeitete Begrifflichkeit von Lernerautonomie dekonstruiert, dabei jedoch wesentliche Beiträge aus der Forschung übersieht, so dass es ihr anschließend nicht gelingt, eine präzisere, für empirische Studien zugängliche Definition zu erarbeiten. Sie bleibt in der Idee verfangen, dass Autonomie ausschließlich auf den einzelnen Lernenden, seine Lernprozesses und seine Lernerfolge ziele (S. 334). Dies ist erstaunlich, weil sie Littles grundlegende Arbeiten selbst zitiert, in denen er immer wieder darauf hinweist: „Because we are social beings our independence is always balanced by dependence“ (L ITTLE 1991: 5) 2 . Entweder aus Unkenntnis oder um die eigene, subjektive Sicht auf Lernerautonomie zu stützen, fehlen in der Studie Namen wie B REEN , C ANDLIN , N UNAN , VAN L IER oder T UDOR , um nur einige zu nennen. Diese Wissenschaftler betonen, dass Lernerautonomie im Klassenzimmer immer auf Aushandlungsprozesse zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften basiert, also gruppenbezogen ist. Die interessante Frage, ob Lernerautonomie zu einem effektiveren Spracherwerb führt, wird durch S CHMENK gar nicht beantwortet, obwohl diese Antwort beispielsweise in den Arbeiten L EGENHAUSEN s gegeben wird, der D AM s „autonomous language classroom“ erforscht hat. Gerade hier hätte sich aber gezeigt, dass Lernerautonomie kein unerreichbares Ideal darstellt, wie S CHMENK vermutet, sondern bereits - wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichem Maße - schulische Realität ist und in heutigen Lehrwerken systematisch angestrebt wird. Ähnliche Auslassungen charakterisieren auch den geschichtlichen Überblick, den S CHMENK mit K ANT beginnt. Zweifelsohne ist dessen Beleuchtung des Begriffes Autonomie grundlegend für eine aufgeklärte, menschenwürdige Gesellschaft; allerdings wären für eine schul- und unterrichtsbezogene Analyse andere Autoren wichtiger gewesen. Hier ist beispielsweise an R OUSSEAU und seinen Emile zu denken und der damit epochemachenden Entdeckung, dass das Kind in sich Kräfte trägt, die sich entwickeln, wenn man sie nur fördert. Die Implikationen für das Lehrerbild als councellor, faciliator, resource usw., die immer wieder Teil des fremdsprachendidaktischen Diskurses über Lernerautonomie sind, werden so nicht aufgegriffen. Ebenso wird die auf Rousseau aufbauende Reformpädagogik nicht besprochen, obwohl sie grundlegend für ein Verständnis von Lernerautonomie ist, so zum Beispiel M ONTESSORI s „passiver Lehrer“ oder G AUDIG s „freie geistige Tätigkeit“. Lediglich F REINET wird ausführlich behandelt, allerdings nicht als historische Grundlage, sondern als Alternative zu Lernerautonomie. Im letzten Teil des Buches unterbleibt schließlich der Versuch, den dekonstruierten Begriff auf der Basis der vorangegangenen Ausführungen wieder aufzubauen. Statt dessen erörtert S CHMENK unvermittelt das Konzept der „kommunikativen Kompetenz“, das sie mit interkultureller Kompetenz und Medienkompetenz verbindet und kaum zur Lernerautonomie in Beziehung setzt. So gerät ein anderer Begriff in den Mittelpunkt, wo eine Neubestimmung der Lernerautonomie im Hinblick auf Motivation, Lernerstrategien, ökologische Betrachtung des Klassenzimmers im Sinne VAN L IER s oder K RAMSCH s oder auch auf die Verwendung und den Erwerb von Sprache (Stichwort: whole language classrooms) fruchtbarer gewesen wäre. S CHMENK s Studie erinnert in fataler Weise an die subjektiven Theorien der Studierenden M ARTINEZ ’. Sie hat eine Vorstellung von Autonomie, die sie in der Literatur, die sie gelesen hat, wiederzufinden glaubt, ohne ihre Vorstellungen zu erweitern oder zu revidieren. Dies führt dazu, dass sie mechanistische Sehweisen von Lernerautonomie, die sie durchaus zu Recht kritisiert, überbetont, so den Begriff der Lernerautonomie verflacht und dann diese selbst herbeigeführte Verflachung verwendet, um Kritik zu üben. Buchbesprechungen Rezensionsartikel 243 38 (2009) Ähnlich geht S CHMENK mit anderen Begriffen um, die sie in ihrer Studie verwendet. So ist der Konstruktivismus auch in seiner radikalen Form kein Solipsismus und die für den Argumentationszusammenhang viel bedeutsamere Systemtheorie L UHMANN s oder die Theorie sozialer Konstruktion G ERGEN s bleiben unerwähnt. Immer wieder finden sich in der Studie Unterstellungen, die nicht wissenschaftlich fundiert sind, sondern auf S CHMENK s persönlichen Annahmen basieren. So schreibt sie, „die unüberbrückbare Diskrepanz zwischen unserem modernen Autonomieverständnis [...]“ (S. 166), setzt dabei „modern“ mit zeitgenössisch gleich und meint mit „unserem“ eigentlich ihr eigenes Autonomieverständnis. Lernkollektive, die Schmenk gerne fördern möchte (S. 344) sind eine terminologische Schöpfung des Bildungssystems der ehemaligen DDR, wie man heute übrigens keine behelfsmäßigen Kürzel wie BRD (u. a. S. 50) mehr gebraucht, sondern schlicht von „Deutschland“ spricht. Völlig absurd ist schließlich die Feststellung, dass eine „Person nicht autonom und interkulturell kompetent zugleich sein“ kann (S. 354). Im Gegensatz zu M ARTINEZ ’ Studie, die, bei aller Kritik, einen interessanten Beitrag zur Erforschung der Lernerautonomie darstellt und zur Lektüre insbesondere in Hochschulseminaren empfohlen werden kann, bleibt S CHMENK s Buch enttäuschend. Bad Wildungen R ALF W ESKAMP Gabriele B LELL , Rita K UPETZ (Hrsg.): Fremdsprachenlehren und -lernen. Prozesse und Reformen. Frankfurt/ M. [etc.]: Peter Lang 2008 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert; Bd. 14), 193 Seiten [39,- €] Der vorliegende Sammelband umfasst Beiträge des dritten Niedersächsischen Kolloquiums der Fremdsprachendidaktik (Hannover 2007), der 22. Jahrestagung der Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (Gießen 2007) sowie vier Kurzbeiträge von Studierenden der Leibniz Universität Hannover. Bei den jeweiligen Tagungen in Hannover und Gießen wurden bildungspolitische, die Fremdsprachenlehrerausbildung betreffende Prozesse und Reformbemühungen analysiert und bewertet. Hierbei standen konkrete Vorschläge für Veränderungsprozesse im schulischen und universitären Bereich im Zuge der Implementierung von Bildungsstandards im Vordergrund. Folglich ist der thematische Schwerpunkt des Bandes in der Studienreform der Fremdsprachenlehrerausbildung angesiedelt. Angereichert wird dieser Schwerpunkt durch Beiträge zur Forschung im Bereich Fremdsprachenlernen im Frühbeginn und im Hochschulbereich. Die insgesamt 14 Beiträge werden in den drei nachvollziehbaren Kapiteln „Lehrerbildung - Prozesse und Reformen“, „Fremdsprachenlernen für Anfänger und Fortgeschrittene“ und „Beiträge aus studentischer Forschung (Hannover)“ zusammengefasst. Nach einem Vorwort der Herausgeberinnen, in dem diese die Konzeption und die Relevanz ihrer Publikation erläutern und die einzelnen Beiträge in ihrer Themenstellung umreißen, skizzieren acht Beiträge des ersten und umfangreichsten Kapitels den aktuellen Rahmen der Lehrerbildung und die Umbruchsituation, in der sich diese befindet. Rita K UPETZ und Christiane L ÜTGE zeigen in ihrem Aufsatz „Lehrerbildung im Umbruch - Entwicklungen und Perspektive“ auf, an welchen Punkten der Studiengangsreform sich die Lehrerbildung derzeit in Deutschland befindet. Mit Blick auf eine von K UPETZ (2006) publizierte Studie zu Lehramtsausbildungsprogrammen in den USA, Australien und Polen und die Erfahrungsberichte aus einigen EU-Staaten konstatieren die beiden Verfasserinnen, dass neben Tendenzen zur Vereinheitlichung der Lehrerausbildung in Europa Deutschland mit seiner Länderhoheit in Bildungsfragen eine Vielzahl von Modellen hervorgebracht hat, die vielmehr zur landesspezifischen Vereinzelung als zur europäischen Vereinheitlichung führen. Der Beitrag schließt mit Thesen, die Empfehlungen für die Lehrerbildung und ihre mögliche Manifestation in Standards geben. 244 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) Laurenz V OLKMANN beschreibt in seinem Beitrag „Das Jenaer Modell der Lehrerbildung - eine Lösung der Theorie-Praxis-Problematik bei der Lehrerausbildung? “ ein Modell, das im Wintersemester 2007/ 08 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena installiert wurde. Er weist auf eine allgemeine Tendenz von Studienordnungen hin, die sich von (Aus-)Bildungsmodellen mit akademischer Freiheit hin zu solchen mit stark pragmatisch-berufsweltlicher Orientierung entwickelt haben. Von diesem „Trend“ bleibt die Lehrerbildung nicht verschont, zumal diese Entwicklung von den Standards für die Lehrerbildung (KMK 2004) unterstützt werde. In diesem Kontext ist die Universität Jena einen individuellen Weg gegangen, da sie sich für eine stärkere Verzahnung der drei klassischen Ausbildungsphasen (Universität, Referendariat und Lehrerfortbildung) in der Lehrerausbildung stark gemacht hat. Der Verfasser skizziert diesen Weg und diskutiert die potentiellen Unzulänglichkeiten des Jenaer Modells. Der Beitrag von Gabriele B LELL „Integrative Kompetenzentwicklung in der Lehrerausbildung für das Fach Englisch: Ein Praxisbericht“ fokussiert die Folgen von Standardisierung im Bildungssystem, besonders die Verabschiedung von verbindlichen Standards für die Lehrerbildung (KMK 2004) und damit auch für die „modernen Sprachen“ (Verordnung für Masterabschlüsse für Lehrämter in Niedersachsen, 2007). Aus den konkreten Standards mit ihrer Outputorientierung, Kompetenzorientierung und den inhaltlichen Anforderungen an die Absolventen müsse nach Einschätzung der Verfasserin eine Öffnung von disziplinorientierten Lehr- und Veranstaltungsformen resultieren. Sie zeigt einen interessanten Versuch auf, diesen Ansatz am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover mithilfe des Mingling-Konzeptes zu realisieren. So wurden hier sprachwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche und fachdidaktische Seminare im Sommersemester 2007 thematisch miteinander zu einem „Ringseminar“ verzahnt. Erhebungen im Kontext dieses Seminars geben Aufschluss darüber, dass diese besondere Form der Zusammenarbeit von Lehrenden wie Lernenden als eindeutig positiv eingeschätzt wird, da es zu Synergieeffekten und signifikanten Kompetenzsteigerungen auf Seiten der Studierenden kam. Karlheinz H ELLWIG konstatiert in seinem Aufsatz „Von Inhalten zu Kompetenzen des Literaturunterrichts: Thesen zur aktuellen Bedeutung fremdsprachiger Literaturdidaktik und ihres Hauptgegenstandes, der Literatur“, dass das Prestige von fremdsprachiger Literatur und ihrer Didaktik aktuell rückläufig sei. Vor diesem Hintergrund entwickelt er Thesen zur Kultur- und Literaturdidaktik und ihren Bildungswerten. Auf dieser Grundlage und in Ermangelung literatur- und kulturspezifischer Kompetenzbeschreibungen in aktuellen Curricula legt er ein literaturdidaktisches Konzept vor, das prozess-, inhalts- und lernerbezogen ausgerichtet ist. Er unternimmt den Definitionsversuch eines literatur- und kulturdidaktischen Kompetenzbegriffs und eine Eingrenzung anzustrebender Kompetenzen im interkulturellen Literaturunterricht. Schlussendlich weist er darauf hin, dass Testformate für die genannten Zielprojektionen zu erarbeiten sind, die die Kompetenzen valide zu überprüfen vermögen. Der Beitrag von Christiane L ÜTGE über „Forschendes Lernen in der Lehrerbildung: Professionalisierung im Spannungsfeld von Theorie und Praxis“ betont die Relevanz der Herausbildung eines Forschungshabitus innerhalb der universitären Lehrerausbildung. Mit Blick auf die zwei Phasen der Lehrerausbildung schreibt sie den unterschiedlichen Lernorten Universität und Schule die Fähigkeit zu, Theoriewissen, Praxiswissen und methodengeleitete systematische Reflexionen bei entsprechendem Forschungswissen integrieren zu können. Daher geht sie davon aus, dass die Praxisforschung als Bindeglied zwischen Wissen und Können fungieren könnte. Sie verdeutlicht überzeugend, dass Wissenschaftshabitus und handlungspraktischer Sachverstand eine Beziehung eingehen müssten, damit Unterrichten erfolgreich geplant, durchgeführt und evaluiert werden könne. Hannah R UHM und Verena T SCHANN schildern in ihrem Aufsatz „Teaching Assistance als Fachpraktikum Englisch - Zur Integration des assistant-Jahres in die universitäre Lehrerausbildung: Ein Projektbericht“ auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen ihr Fremdsprachenassistentenjahr. Buchbesprechungen Rezensionsartikel 245 38 (2009) Neben der Betonung der Relevanz eines solchen Aufenthaltes für die Lerner- und Ausbildungsbiographie beschreiben sie ein Projekt, das an der Leibniz Universität Hannover im Rahmen des Masterstudiengangs für das Lehramt an Gymnasien durchgeführt wird. Ziel dieses Projekts ist die stärkere Integration der Assistenzzeit in das Englischstudium. Dies erfolgt durch die Anerkennung der Zeit als Fachpraktikum und durch eine mündliche Prüfung bei Rückkehr an die Heimatuniversität. Anne Ingrid K OLLENROTT beschreibt im Beitrag „Das EVA-Projekt - Studierende sammeln Unterrichtserfahrungen“ (Englischförderkräfte Vermitteln und Ausbilden), wie Studierende an einem der Leibniz Universität Hannover nahegelegenen Gymnasium als Lehrkräfte in eigenverantwortlichem Englisch-Förderunterricht eingesetzt wurden. Diese Form der Kooperation von Schule und Universität ermöglicht es den Studierenden, sich in einem externen Lernraum unterrichtspraktisch auszuprobieren. Rita K UPETZ , Lisa B LÖTZ und Jens F EUERHERM erörtern das Potential von e-Learning im universitären Bereich in ihrem Beitrag „ELAN III - eLearning in der fachdidaktischen Ausbildung“. Dies geschieht durch die Beschreibung des Moduls Introduction to the Methodology of Teaching English, das im Rahmen von ELAN III im Sommersemester 2007 am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover durchgeführt und zur Unterstützung des fachdidaktischen Selbststudiums entwickelt wurde. eLearning erfuhr durch netzbasierte Nutzung und Reflexion von Unterrichtsvideos und die Nutzung der internetbasierten Lernplattform Stud.IP eine stärkere Einbindung in die universitäre Lehre und in das Selbststudium. Ein wichtiges Ergebnis des Projektes war, dass die Studierenden das Blended Learning-Szenario für ihr Fortkommen schätzten, hierin aber keinen Ersatz für ein reguläres Seminar sahen. Das zweite Kapitel des Bandes wird mit dem Beitrag „Sprachstandserhebungen in bilingualen Kindertagesstätten“ von Petra B URMEISTER und Anja S TEINLEN eröffnet. Diese widmen sich hier besonders dem Sprach- und dem Grammatikerwerb. Im Rahmen einer Untersuchung an bilingualen Kindertagesstätten untersuchten sie die Grammatikkompetenzen monolingual aufwachsender Kinder mithilfe eines Grammatikrezeptionstests (Picture Pointing Test). Ergebnis des Tests innerhalb dieses Frühförderprogramms war, dass die Kinder bei einer durchschnittlichen Kontaktdauer von sechs Monaten bereits beginnen, grammatische Strukturen der L2 zu verstehen. Trotz geeigneter Testmethode wird von den Autorinnen betont, dass hierüber hinaus qualitative Untersuchungen erforderlich seien, um individuellen Faktoren sowie der großen inter- und intraindividuellen Variation im Erwerb der L2 Rechnung zu tragen. Jill S CHNELLER s Beitrag „Web 2.0 in the advanced EFL classroom: Students’ literacy practices in the vlogosphere“ befasst sich mit der Nutzung von Web 2.0-Anwendungen für fortgeschrittene Englischlerner. Die Verfasserin führt die Probanden im Sommersemester 2006/ 07 innerhalb eines Sprachpraxiskurses am Englischen Seminar der Leibniz Universität Hannover zu authentischer und webbasierter Kommunikation. Hierbei untersucht sie die Arbeit mit Videoblogs und kann zeigen, dass die Entwicklung von Blogs eine Veränderung kommunikativer Praxis mit sich bringt. Anhand zweier Fallstudien demonstriert Schneller exemplarisch, wie sich die kritischen und rezeptivproduktiven Praktiken im Umgang mit webbasierter Kommunikation geändert und verbessert haben. Der erste Aufsatz aus studentischer Forschung ist der von Lisa B LÖTZ , in dessen Mittelpunkt „Grammatikerwerb im kommunikativ-handlungsorientierten Englischunterricht“ steht. Eine Unterrichtsstunde wird beschrieben, die beispielhaft didaktisch und methodisch das umsetzt, was von einem kommunikativ-handlungsorientierten Grammatikunterricht erwartet wird. Hierbei geht Blötz von konstruktivistischen und prozessorientierten Ansätzen des Spracherwerbs aus. Sie demonstriert, dass ein induktives Verfahren bei der Einführung von Grammatikthemen erfolgreich zu bewältigen ist. 246 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) Henner W ESEMANN widmet sich in seinem Beitrag den „Medienkombinationen zwischen medialer Wirklichkeit und medialen Ansprüchen im modernen Fremdsprachenunterricht“. Das von ihm vorgestellte Medienkombinationskonzept fungiert als vielfältig einsetzbares mediendidaktisches Verfahren in Form eines (collaborative) multi-genre paper, mit dessen Hilfe Fremdsprachenunterricht erfolgreich und produktionsorientiert gestaltet werden kann. Der „Diagnose von Leistungen im Bereich des Sprechens zu Beginn der Sekundarstufe I“ ist der Beitrag von Oliver K RACKE gewidmet. Dieses aktuelle Thema beinhaltet zahlreiche Probleme, die sich aus der Abschaffung der Orientierungsstufen in Niedersachsen und dem damit verbundenen vorgezogenen Wechsel von der Primarstufe in den Sekundarbereich I ergeben haben. Resultat seiner Erhebung zur Übergangsthematik im Englischunterricht der Sekundarstufe I war, dass die befragten Lehrkräfte die von ihnen genutzten Methoden der Lernstandsfeststellung nicht immer explizit mit didaktischen Theorien in Verbindung brachten. Dieser Subjektivität von Lernstandsfeststellungen waren sich die Befragten jedoch bewusst. Die Untersuchungsergebnisse führen den Autor zu der Annahme, dass es bei der Diagnosekompetenz deutscher Lehrkräfte ein Potential zur Optimierung und Systematisierung gab und gibt. Er empfiehlt, in Aus- und Fortbildung diagnostische Kompetenz auf theoretischer und praktischer Ebene zu fördern. In einem ähnlichen Feld arbeitet auch Jens F EUERHERM in seinem Aufsatz „Diagnostische Testverfahren zur Lernstandserhebung im Englischunterricht am Anfang des Sekundarbereichs I“. Er untersucht, welche Möglichkeiten und Grenzen diagnostische Testverfahren im Bereich der Lernstandsfeststellung im Englischunterricht zu Beginn des Sekundarbereichs I bieten. Hierbei entnimmt er Kriterien für die Entwicklung diagnostischer Verfahren der relevanten Literatur und stellt diese mit ihren Implementierungsmöglichkeiten in den Kontext curricularer Vorgaben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gabriele Blell und Rita Kupetz einen Sammelband vorgelegt haben, in dem aktuelle, relevante und die Diskussion vorantreibende Beiträge für die Fremdsprachenforschung, die Lehrerausbildung und deren Curriculumsarbeit vereinigt sind. Besonders im Hinblick auf die gebotene Zusammenschau neuer Ansätze in der Lehrerausbildung bietet der Band einen Neuheitswert, da nach Kenntnisstand der Rezensentin eine solche Publikation bisher nicht zu finden ist. Eine „Revolution“ innerhalb der Fremdsprachendidaktik wird dieser Band nicht auslösen - wahrscheinlich ist dies auch nicht seine Absicht. Dass Denkanstöße durch diesen Band gegeben werden, ist unbestritten, auch wenn konkrete Antworten auf die Frage, wie im Einzelnen Standardisierung derzeit in der Lehrerausbildung erreicht werden soll, nicht gegeben werden. Darüberhinaus liefert der Band interessante Einblicke in gegenwärtige Arbeitsschwerpunkte des Englischen Seminars der Leibniz Universität Hannover. Braunschweig N ADINE S ALDEN -F ÖRSTER Jana R OOS : Spracherwerb und Sprachproduktion. Lernziele und Lernergebnisse im Englischunterricht der Grundschule. Tübingen: Narr 2007 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 206 Seiten [24,80 €] Englischkenntnisse gehören in Zeiten der Globalisierung zu den Schlüsselqualifikationen im beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Um möglichst vielen Schülerinnen und Schülern den Weg zum Erwerb von umfangreichen Englischkenntnissen zu öffnen, beginnt der Fremdsprachenunterricht mittlerweile bundesweit in der Grundschule. Infolge seiner rasanten Ausdehnung wird nun mit Hochdruck daran gearbeitet, die Theorie für die Praxis des frühen Fremdsprachenunterrichts nachzureichen und seinen Nutzen empirisch zu belegen. Jana R OOS leistet mit der vorliegenden Arbeit, einer Veröffentlichung ihrer an der Universität Paderborn angenommenen Dissertation, Buchbesprechungen Rezensionsartikel 247 38 (2009) hierzu einen wichtigen Beitrag, indem sie in ihrer Studie die Übereinstimmung von Lernzielen und Lernergebnissen und somit die Effektivität von frühem Englischunterricht überprüft. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist dabei die Tatsache, dass bei der Festlegung der Lernziele durch die verwendeten Lehrbücher Erkenntnisse aus der Zweitspracherwerbsforschung offenbar unberücksichtigt blieben. Eine Analyse des gegenwärtigen frühen Fremdsprachenunterrichts vor einem zweitspracherwerbstheoretischen Hintergrund ist daher ein sehr interessantes Forschungsvorhaben. Nach einer Einführung, in der Problemstellung und Vorgehensweise geklärt werden, liefert die Autorin beginnend in Kapitel 2 eine klar strukturierte theoretische Fundierung ihrer Arbeit. Dabei wird sowohl der zweitspracherwerbstheoretische als auch der sprachenpolitische Hintergrund der Einführung von Fremdsprachenunterricht in der Grundschule beleuchtet. In Bezug auf die Critical Period Hypothesis erfolgt eine Gegenüberstellung der Pro- und Contra-Argumente, mit dem Ergebnis, dass das Alter für den Erfolg beim Fremdsprachenlernen zwar bedingt eine Rolle spielt, es aber als alleinige Begründung für frühen Fremdsprachenunterricht nicht hinreichend ist. Vielmehr wird der Fremdsprachenbeginn im Grundschulalter heute allgemein als logische Konsequenz aus dem Zusammenwachsen Europas und der daraus erwachsenen politischen Forderung nach Mehrsprachigkeit gesehen. In welcher Form jedoch Erkenntnisse zum Lerneralter wie auch zur Europäisierung und der damit verbundenen veränderten Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler den frühen Fremdsprachenbeginn vorangetrieben haben, wird in Kapitel 3 dargestellt, das einen Überblick über die Entwicklung des Grundschulenglischunterrichts in Deutschland - mit Schwerpunkt NRW - im Zeitraum von 1970 bis heute gibt. Obwohl bereits in den 70er Jahren eine Reihe von Schulversuchen zum frühen Fremdsprachenlernen stattgefunden hatten, kam es erst nach 1990 zu einer breiten Institutionalisierung, die dazu führte, dass der Englischunterricht mittlerweile bundesweit in der Grundschule einsetzt. War der Unterricht anfangs dem Konzept „Begegnung mit Sprachen“ verpflichtet, so ist er mittlerweile eher als ergebnisorientiert zu bezeichnen, da konkrete Lernziele in die Lehrpläne aufgenommen wurden. Dass bei der Auswahl der zu erlernenden sprachlichen Strukturen die Erkenntnisse aus der Zweitspracherwerbsforschung scheinbar vernachlässigt wurden, dient der Autorin als Ansatzpunkt für ihre Arbeit. Um welche Forschungserkenntnisse es sich dabei handelt, stellt die Autorin in einer das vierte und fünfte Kapitel umspannenden chronologischen Zusammenschau der Studien und Theorien zu universellen Spracherwerbsstufen dar. In Kapitel 4 werden dabei die Morpheme Studies (u.a. D ULAY / B URT 1973; 1974), das Multidimensionale Modell (M EISEL [et al.] 1981) und der Strategies Approach (C LAHSEN 1984; 1988) jeweils zunächst beschrieben und anschließend ihre Kritikpunkte herausgearbeitet. In Kapitel 5 wird schließlich die Processability Theory (P IENEMANN 1998; 2005) eingeführt, die gemäß den Ausführungen der Verfasserin die benannten Schwachpunkte früherer Theorien auszugleichen und somit die theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit zu bilden vermag. Anhand von L EVELT s Sprachmodell (1989) sowie K APLAN s und B RESNAN s Lexical-Functional Grammar-Theorie (1982) erläutert die Autorin, wie die sprachlichen Entwicklungsstufen von Lernenden mithilfe einer von der Processability Theory postulierten Rangfolge von Sprachverarbeitungsmechanismen erklärt werden können. Für den Sprachlernprozess lässt sich daraus ableiten, dass nur solche sprachlichen Strukturen erworben werden können, für die Lernende entsprechende Verarbeitungsmechanismen besitzen. Im sechsten Kapitel wird konkreter auf den institutionalisierten Lernkontext und seine Besonderheiten im Hinblick auf den Spracherwerbsverlauf eingegangen. R OOS stellt zentrale Forschungsfragen zu diesem Bereich vor und gibt ein weiteres Mal einen umfassenden Überblick über relevante Studien und Theorien. Nach der Entdeckung einer festen Abfolge von Entwicklungsstufen im natürlichen Zweitspracherwerb stellte sich die Frage, inwieweit Unterricht auf den Spracherwerb Einfluss nehmen kann. Verschiedene Studien hierzu legen nahe, dass Entwicklungs- 248 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) stufen sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext in gleicher, zumindest ähnlicher Reihenfolge durchlaufen werden. Dies führte in der Vergangenheit vereinzelt zu einer grundlegenden Infragestellung vom Nutzen des Fremdsprachenunterrichts. P IENEMANN s Teachability Hypothesis geht davon aus, dass Unterricht zwar nicht die Abfolge der Sprachentwicklungsstufen verändern kann, vermutlich aber eine Beschleunigung bewirkt, wenn sich schulischer Fremdsprachenunterricht an der natürlichen Erwerbsreihenfolge orientiert. Nach der in den Vorgängerkapiteln geleisteten theoretischen Fundierung der Arbeit erfolgt nun in den Kapiteln 7 und 8 die Beschreibung und Auswertung der durchgeführten empirischen Studie zur Englischkompetenz von Grundschülern nach dem ersten Lernjahr. Ziel der Studie ist der Abgleich der praktisch durch das Lehrwerk (hier Playway) festgesetzten Lehrziele - der Lehrplan in NRW macht lediglich Angaben über Lernziele am Ende von Klasse 4 - mit den tatsächlich erreichten Schülerleistungen, um so zu einer Einschätzung zu gelangen, inwiefern die gesteckten Lernziele als realistisch zu bezeichnen sind. Für die Studie hat R OOS im Schuljahr 2003/ 2004 den Englischunterricht von vier dritten Klassen unterschiedlicher Grundschulen im Raum Paderborn beobachtet und mit einigen dieser Schülerinnen und Schüler am Ende des Schuljahres „linguistische Interviews“ (S. 131) geführt, die aufgenommen, transkribiert und einer genauen sprachlichen Analyse unterzogen wurden. Grundlage für die sprachstandsidentifizierenden Gespräche waren drei kommunikative Tasks, die so konzipiert waren, dass sie die Schülerinnen und Schüler zur Verwendung der als Lernziele vorgesehenen morphosyntaktischen Strukturen anregten. Die Zusammenstellung der im Lehrwerk verwendeten Strukturen und deren Zuordnung zu den Erwerbsstufen im Sinne der Processability Theory gehen zurück auf eine Arbeit von L ENZING (2004), die zeigt, dass bereits im ersten Lernjahr sprachliche Strukturen aus allen Erwerbsstufen vorgesehen sind. Inwiefern das Nichtbeachten der Erkenntnisse aus der Zweitspracherwerbstheorie beim Erstellen des Lehrwerks den Fremdspracherwerb der Schülerinnen und Schüler beeinflussen kann, verdeutlicht R OOS in der in Kapitel 8 beschriebenen Analyse der Schülerinterviews. Die Analyse der Sprachdaten erfolgte auf Grundlage der von der Processability Theory vorgegebenen Hierarchie der sprachlichen Strukturen, die eine Einordnung der Lernerinnen und Lerner auf eine bestimmte Sprachstufe ermöglicht. Fast alle interviewten Schülerinnen und Schüler befanden sich nach dieser Einschätzung am Ende des ersten Lernjahres immer noch auf der ersten Erwerbsstufe. Sprachliche Strukturen höherer Stufen wurden zwar auch genannt, jedoch nur formelhaft und nicht „kreativ“. Damit tut sich eine große Kluft zwischen den anvisierten Lernzielen und den tatsächlich erreichten Leistungen auf. Die Ergebnisse der Studie - insbesondere die Beobachtung der überwiegend formelhaften Verwendung der Fremdsprache - werden im neunten Kapitel im Hinblick auf die Bedeutung für die Unterrichtspraxis beleuchtet. In der zitierten Literatur wird der Gebrauch nichtanalysierter Wendungen beim frühen Fremdsprachenlernen zum einen als durchaus üblich, kommunikativ zielführend und daher motivierend beschrieben. Zum anderen wird aber auch auf die Gefahren der frühen Fossilisierung hingewiesen. Da in der Forschung bislang noch kein Konsens über die Rolle von formelhaften Phrasen beim Fremdspracherwerb vorliegt, plädiert R OOS zwar für deren Einsatz im Fremdsprachenunterricht der Grundschule, allerdings geknüpft an die Bedingung, dass die fremdsprachlichen Redeanteile der Schülerinnen und Schüler - z.B. im Rahmen des Task-Based Language Learning - erhöht werden. Die Quantität und Qualität der Schülerinteraktion im Fremdsprachenunterricht scheint ausschlaggebend dafür zu sein, inwiefern formelhafte Wendungen im Lernprozess zunehmend analysiert und so für den freien Fremdsprachengebrauch nutzbar gemacht werden können. Abschließend fasst R OOS die Ergebnisse ihrer Studie im letzten Kapitel so zusammen, dass die fremdsprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler nach einem Jahr Englischunterricht niedriger ausfällt als die durch das Lehrwerk festgelegten Lernziele erwarten ließen. R OOS macht Buchbesprechungen Rezensionsartikel 249 38 (2009) daher noch einmal nachdrücklich die Wichtigkeit der Erkenntnisse aus der Zweitspracherwerbsforschung für die Wahl realistischer Lernziele deutlich. Früher Fremdsprachenunterricht gerät sonst als ineffizient in die öffentliche Kritik. Bei Beachtung der natürlichen Erwerbsreihenfolge bei der Auswahl der Lehrinhalte könnte so der Englischunterricht in der Grundschule seine Weichenfunktion für späteres Fremdsprachenlernen in effektiverer Weise wahrnehmen. Die vorliegende leserfreundliche Arbeit markiert hiermit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des frühen Fremdsprachenunterrichts. R OOS gelingt es in einem mittlerweile stärker erforschten Bereich offene Fragestellungen aufzuzeigen und diese systematisch zu bearbeiten. Die theoretische Einordnung der Arbeit erfolgt in einer sorgfältigen Zusammenschau bestehender Studien und Theorien. Durch die konsequente Anwendung von Erkenntnissen aus der Zweitspracherwerbsforschung auf die Unterrichtspraxis schafft R OOS einen Analyserahmen, vor dessen Hintergrund bestimmt werden kann, welche fremdsprachlichen Leistungen Schülerinnen und Schülern nach dem ersten Lernjahr erbringen können. Bezog man sich bei der Erstellung von Lehrwerken im Hinblick auf darin verankerte Lernziele bisher auf Erfahrungswerte von Lehrern des frühen Englischunterrichts, so liefert die Arbeit von R OOS nun Belege dafür, dass man mit dem Einbezug von zweitspracherwerbstheoretischen Erkenntnissen zu einer realistischeren Einschätzung erreichbarer Lernziele gelangen kann. Braunschweig K ATHRIN L IPSKI -B UCHHOLZ Diana L EA , Jennifer B RADBERY , Richard P OOLE , Helen W ARREN (eds.): Oxford Learner’s Thesaurus. A Dictionary of Synonyms. Oxford: Oxford University Press 2008, XVI + 1008 Seiten, 1 CD-ROM [£ 22.00] The Oxford Learner’s Thesaurus (OLT) is a word-field oriented (onomasiological) reference work for non-native learners which incorporates much of the organizational structure of a dictionary. Many of the short-comings of both topic-centered and alphabetical approaches to the macrostructure have been successfully overcome by means of the accompanying CD-ROM. Overall Aim and Macrostructure. The user of the OLT is pictured not just as someone who is looking for the proper word to use from among a list of expressions similar in meaning, but is explicitly understood as a non-native language learner. It is because of this that the OLT includes more than just word-field lists. Each entry is treated much as in a learner’s dictionary, viz. with information about pronunciation and pronunciation variants (where relevant - and the CD-ROM provides an auditory rendition of each word in an RP and a GenAm pronunciation); most spelling variants; grammatical and stylistic / usage information; definitions and example sentences; notes on word contrasts; opposites; and cross-references to other entries. Furthermore, in addition to the explanatory introduction, the OLT contains a section (“Thesaurus Trainer” - with a key) intended to help the novice work with this thesaurus effectively. It also includes a set of “Study Pages” and “Topic Maps and Exercises” - both also with a key. There is a separate section with a list of the pertinent entries for each of the 30 topics. Inside the front cover the user finds an overview and explanation of the microstructure of the entries. Following the index there is a list of irregular verbs, abbreviations and grammatical labels, as well as a table of phonetic symbols. Accessibility. The market for thesauruses is one that has long been fought over largely in terms of accessibility. The idea of an onomasiological reference work is fundamentally attractive, but ever since Roger’s original thesaurus (1852) lexicographers, editors, and publishers have been struggling over the “best” approach. The following short overview is intended to help place the OLT in this context. 250 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 1 See M AWSON , C.O.S. (ed.): Roget’s International Thesaurus. N.Y.: Thomas Crowell 1922. 2 E.g. L EWIS , N.: New Roget’s Thesaurus in Dictionary Form, rev. ed. N.Y.: Putnam-Berkley 1961. 3 L ONGMAN L ANGUAGE A CTIVATOR . Harlow: Longman 1993. 4 D UTCH , R.A. (ed.): Roget’s Thesaurus. Harmondsworth: Penguin 1962. 38 (2009) The original Roget began with a division of the vocabulary of English into six major classes with numerous sections and a total of 990 headwords or topics. In such a thesaurus an index provides a guide to the topic(s) where the user can find a word whose field-mates are being looked for. We find, for example, references to lose in three senses (misplace, be defeated, and lose), nine references to collocational expressions with lose, the noun loser (with references to entries for two meanings), and a number of references to losing and to loss. Yet over the years users have found the semantic structure less than intuitive and this approach, therefore, cumbersome. Revised thesauruses with dictionary structures. The first major step away from the original structure was to adopt an alphabetical approach in the central part of the thesaurus thus dispensing with the index. This is well known from forays as early as M AWSON ’s 1911 revamping of the Roget. 1 In thesauruses in a purely dictionary form 2 the two approaches are integrated by listing all the entries in one single alphabetical list, where some are treated as semasiological entries with the expected word-field information and the others essentially as indexical entries. The word loser in L EWIS , for example, is an index-type entry and contains a reference to the word-field ATTEMPT , but is also marked n. i.e. as a noun and has two brief synonyms given, viz. “also-ran, underdog” (loser, q.v.). This entry is then followed by the word-field entry LOSS - N., which includes a list of 28 synonyms, a sub-entry “lost person, thing, or animal: stray, waif”, then the verb lose as well as be (or become) lost. Finally there are cross-references to ten synonymously related and three antonymous groupings. Note, however, that many items given in Roget, e.g. also-ran and underdog, are not entries - neither indexical nor onomasiological ones. The L ONGMAN L ANGUAGE A CTIVATOR (LLA) 3 builds on Roget’s original motivation for his thesaurus, which was to increase his powers of expression (D UTCH : vii) 4 . To this LLA adds the aim, stated in the forward, to help the non-native speaker use words “correctly and idiomatically” (LLA: F24). It is conceived of as a user-friendly thesaurus whose purposes are to help advanced level learners to produce language. This it does at the relatively high cost of lessening accessibility. There is no index, but only alphabetical entries to some 1052 “key words” with cross-references. Within the alphabetical entries there are also lists of further words with references to the key words where they are listed. As a result many of the entries are simply not directly accessible. Furthermore, the LLA very purposefully omits concrete nouns because they “present fewer, less serious problems of correct use for students” (LLA: F8). This means that our sample item lose is well represented (five major semantic sub-groupings and thirty-four multi-word expressions (collocations and phrasal verbs) while loser and loss do not show up anywhere. The new O XFORD L EARNER ’ S T HESAURUS (OLT) is organized, as its subtitle, A Dictionary of Synonyms, suggests, alphabetically, however, in a modified form. Only the “topics,” i.e. the larger semantic fields, of which there are approximately 2000, are listed in this fashion in the body of the thesaurus. In its onomasiological section the OLT uses a set of thirty topics to divide its entries into areas such as the arts, conflict, describing events, health, law and justice, etc. But in order to access all the approximately 17,000 entries, it is necessary to turn to the eighty-two page index. The verb lose and the nouns loss and loser can be found there with references to the alphabetical part. The references in the index indicate semantically different word fields (four for lose, two each for loser and loss) as well as to collocations, phrasal verbs, and fixed expressions (lose heart, lose hope; lose your temper; lose out, at a loss, loss-making). But this only works if the words we are looking for Buchbesprechungen Rezensionsartikel 251 5 D ELBRIDGE , A. [et al.] (eds.): M ACQUARIE . A USTRALIA ’ S N ATIONAL D ICTIONARY , 3 rd edition. Macquarie : Macquarie University 1997. 6 M ERRIAM -W EBSTER ’ S C OLLEGIATE D ICTIONARY , 10 th edition. Springfield: Merriam-Webster 2001. 38 (2009) are head-words in an entry. In the case of loser we find runner-up, also-ran, failure, incompetent, has-been, no-hoper, underachiever, disappointment, and disaster, but the item underdog, for instance, is missing. Usefulness. The reduced number of words in the OLT is typical of learners’ resources, but this is compensated for by avoiding the distinct disadvantage of (traditional) thesauruses for the inexperienced learner, namely the fact that they do not give definitions or examples of contextual usage. In order to increase its usefulness the OLT offers an eight-page “Thesaurus Trainer” (plus key) and a thirty-page section with study pages and topic maps and exercises (also with a key). The exercises have a relatively great amount of diversity, but clearly those which require the user to check actual entries in the OLT are the most useful. All the same, some of the exercises may cause confusion. In exercise B on arts and entertainment (p. 873), for instance, learners are asked to find ten pairs of synonyms in a list of twenty words. The word score (in the sense of a musical score) is supposed to be paired with lyrics (see key, p. 914): but not only are the two not synonymous (nor are many of the further pairs of “synonyms”), finding the necessary information is difficult as well: the entry under score includes only game and test scores without a cross-reference to musical scores. Here only the index, which gives both is adequate. It is this lack of cross-references which makes the exercise potentially confusing. Another example of potential confusion is when the appropriate synonym group for “sharp flavour” is supposed to be picked out in the thesaurus (part of the “Thesaurus Trainer” on p. ix). According to the key the correct answer is the entry “sharp: BITTER 1 (a sharp taste)” (913). What is misleading here is the association of sharp with bitter. This seems to be a meaning restricted to the UK - at least it is not given in the M ACQUARIE for Australia 5 nor in M ERRIAM -W EBSTER ’ S C OLLEGIATE D ICTIONARY for the U.S.A. 6 (cf. sharp, q.v.) - but there is no indication of this. The CD-ROM is the great plus point of the OLT; it not only makes the accessing of words easier; it also allows users to hide or open some types of material (collocations, for example). Working with a split screen makes it possible to access two different parts of an entry (or two different entries) at the same time. Supplementary material is also available, including further example sentences and further short exercises. Users can type in their own notes or translations in their native language. They can even create their own topics. Material can be cut and pasted, and much of it can be printed out in PDF-format. The CD-ROM provides an Internet link, but since the user ends up with pages identical to those in the printed version, the advantage of the link is somewhat questionable. There are, however, some added features on the CD itself which are potentially interesting, for example crossword puzzles, which can be solved best by using the OLT. A weak point here is that finding the solution is easiest if the user merely counts the letters needed and chooses the solution in this way rather than on the basis of meaning distinctions between the items. The following examples, in which the meaning distinctions are not particularly salient, illustrate how this looks, cf. “a person who buys goods or uses services” (= consumer, 8 letters) vs. “a person who actually uses a product rather than one who makes it or sells it …” (= enduser, 7) vs. “a person who buys goods from a shop” (= shopper, 7) vs. “a person who buys sth, especially sth expensive” (= buyer, 5) vs. “(formal, esp written) a person who buys sth, especially sth expensive” (= purchaser, 9). Another game format is to find matching pairs using face-down cards as in a memory game. This is relatively longwinded for the results it brings, namely recognizing that, for example, bestseller and hit (when 252 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 1 Siehe auch Michael L EGUTKE : „Projekt Airport - Revisited: Von der Aufgabe zum Szenario“. In: Almut K ÜPPERS / Jürgen Q UETZ (Hrsg.): Motivation Revisited. Festschrift für Gert Solmecke. Berlin: LIT Verlag 2006, 71-80. 2 Gulbahar H. B ECKETT / Tammy S LATER : „The Project Framework: A Tool for Language, Content, and Skills Integration“. In: English Language Teaching Journal 59.2 (2005), 108-116; Michael S CHART : Projektunterricht - subjektiv betrachtet. Eine qualitative Studie mit Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache. Hohengehren: Schneider 2003. 38 (2009) finally found) form a (somewhat questionable) pair. A further format requires the player to find the words hidden in a 16-by-16-letter maze, which turns out to be a test less of word power than of visual-perceptual acuity. The games all run against a timer (which as far as I can see cannot be changed). Evaluation. The OLT is clearly a major advance in the field of reference books for the nonnative language learner. The CD-ROM overcomes many of the traditional difficulties of accessibility in thesauruses, and the exercises and games make a noble attempt at increasing the usability of the OLT. This learner’s thesaurus no doubt shows the way developments in this area should proceed. Bielefeld S TEPHAN G RAMLEY Sabine H OFFMANN : Fremdsprachenlernprozesse in der Projektarbeit. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 296 Seiten [39,- €] Die alte didaktische Idee, fremdsprachliches Lernen in Projektform zu organisieren, hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Renaissance erfahren. Zum einen ist das auf die rasanten Entwicklungen bei den digitalen Medien zurückzuführen, von denen starke Impulse für die Neugestaltung des Fremdsprachenunterrichts ausgingen. Zum anderen muss die erneute Zuwendung zum Projektunterricht in einem engen Zusammenhang mit dem seit den 90er Jahren stetig wachsenden Interesse an aufgabenorientierten und inhaltsorientierten Unterrichtsformen gesehen werden. 1 Die Folge ist eine fast unüberschaubare Zahl an Veröffentlichungen, die erfolgreiche Unterrichtsprojekte erzählend beschreiben und damit zur Nachahmung inspirieren. Ihnen steht ein ebenso anschaulicher Fundus an Arbeiten gegenüber, die sich theoretisch mit Projekten beschäftigen, diese typologisieren, idealtypische Abläufe konstruieren oder Lerneffekte prognostizieren. Beide Wege der Auseinandersetzung mit dem Projektunterricht haben zweifellos ihre Berechtigung, doch bleibt ein für das Verständnis dieser Unterrichtsform zentraler Aspekt durch diese Herangehensweisen unberührt: die Frage nämlich, was genau passiert, wenn Lernende allein oder gemeinsam mit anderen jene Freiräume zu füllen beginnen, die ihnen in Projekten gewährt werden. Es fehlt also der empirische Zugang zum Gegenstand „Projektunterricht“, die systematische Beobachtung der Vorgänge, die diese Unterrichtsform in unterschiedlichen Kontexten provoziert, und die Reflexion der unterschiedlichen Wahrnehmungen aller Beteiligten. Bislang finden sich sowohl im englischsprachigen als auch im deutschsprachigen Raum allenfalls erste Bemühungen, diese offensichtliche Lücke zu schließen. Dabei handelt es sich jedoch vor allem um Studien, die sich mit den subjektiven Theorien der Lehrenden zu den Möglichkeiten und Grenzen des Lernens in Projekten befassen und daher gleichsam nur die Schwelle zur unterrichtlichen Praxis erreichen 2 . Es ist deshalb ein großes Verdienst von Sabine H OFFMANN , dass sie mit ihrer Studie den nächsten Schritt unternimmt und sich in das Unterrichtsgeschehen selbst begibt. Über ein ganzes Buchbesprechungen Rezensionsartikel 253 3 Klaus H OLZKAMP : Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt/ M.: Campus Verlag 1995. 38 (2009) Jahr hinweg verfolgte die Autorin die Zusammenarbeit von 6 Studierenden in einem Unterrichtsprojekt im Rahmen des Deutschunterrichts an einer italienischen Universität. Auf den ersten Blick scheint das Forschungsfeld, das H OFFMANN mit ihrer Studie bearbeitet, relativ eng zugeschnitten zu sein. Doch der bewältigte Umfang an Daten verdeutlicht, dass die Komplexität des Geschehens im Projektunterricht derartige Begrenzungen erfordert, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - gleichsam im Alleingang erfasst werden soll. H OFFMANN s Fokus liegt auf dem Schnittpunkt von individuellen und kollektiven Lernprozessen, dem sie sich mit einer Kombination von Leitfadeninterviews und fokussierten Interviews mit den beteiligten Studierenden, Lerntagebüchern und Videomitschnitten einzelner Unterrichtssequenzen nähert. Ihr geht es dabei ausdrücklich nicht darum, die Lerneffekte einer konkreten Projektarbeit zu beschreiben. Vielmehr treibt sie die Frage an, wie oder ob Lernende die Lernmöglichkeiten nutzen, die von dieser kooperativen Lernform eröffnet werden und welche Rolle dabei die subjektiven Lernbegründungen der Studierenden spielen. Bei dieser Arbeit handelt es sich um die Dissertationsschrift der Autorin, was den Textaufbau und die Gewichtung einzelner Kapitel verständlich macht. So widmet sie beispielsweise einen relativ großen Raum zu Beginn einer allgemeinen Einführung in die Fremdsprachenforschung und die Fremdsprachendidaktik. Sie stellt dabei zwar unter Beweis, dass sie ihr Arbeitsfeld überblickt; zu einem besseren Verständnis der Studie selbst jedoch tragen die ersten 50 Seiten des Buches nur in jenen Passagen bei, die sich mit der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie und speziell dem Konzept des expansiven Lernens befassen. Denn dieses Konstrukt aus der Kritischen Psychologie wird im weiteren Verlauf der Argumentation und vor allem im Zusammenhang mit der Ergebnispräsentation am Ende der Arbeit wieder aufgegriffen. Insgesamt spielt die Kritische Psychologie, insbesondere der subjektwissenschaftliche Ansatz nach H OLZKAMP 3 für H OFFMANN eine zentrale Rolle in allen theoretischen Teilen der Arbeit. Diese enge Affinität zu einer Denkschule aus der Psychologie ermöglicht es der Autorin, sowohl bei der Definition ihres Untersuchungsgegenstandes als auch bei methodologischen und methodischen Fragen auf einer einheitlichen gedanklichen Grundlage zu argumentieren. Auch wenn sie sich in einzelnen Punkten kritisch von H OLZKAMP absetzt, etwa von dessen Reduzierung der Institution Schule auf ihre manipulierende Funktion, so findet sie in der Kritischen Psychologie einen festen Rahmen, in dem sie ihr Forschungskonzept entwickeln kann. Die Kapitel 3 und 4 der Arbeit widmen sich der Theorie des Projektunterrichts sowie dem Thema „Motivation in individuellen und kollektiven Lernhandlungen“ und führen damit unmittelbar zur Fragestellung der eigentlichen Studie. H OFFMANN s Interesse bei ihrer kritischen Reflexion des Forschungsstandes gilt dabei vor allem der Suche nach einem Ansatzpunkt, um das Zusammenspiel von individuellen und kollektiven Lernprozessen erfassen zu können. Die Zusammenarbeit von Lernenden in Projekten, so ihre Argumentation, könne nur bedingt durch die traditionelle Typologie von Sozialformen beschrieben werden, da das Lernen in Projekten beispielsweise auch außerhalb des Unterrichts stattfinde oder Außenstehende einbeziehe. Als Konsequenz dieser Überlegungen für ihre Studie benennt sie die Aufzeichnung und Analyse verschiedener interaktioneller Prozesse im Klassenraum als methodisch realisierbaren Zugriff auf die wechselnden Formen der Zusammenarbeit in einem Projekt. Nach der sich anschließenden Diskussion wichtiger Aspekte der Motivationsforschung kommt H OFFMANN abermals auf den subjektwissenschaftlichen Ansatz zurück und definiert die Motivation der Studierenden als jene „Lerngründe, die in der Verwirklichung von Lebensinteressen wurzeln“ (S.100). Mit ihrer Studie strebt sie an, die individuellen Begründungsmuster der einzelnen Studierenden für ihr Verhalten während der Projektarbeit bzw. ihre Wahrnehmung des Geschehens besser zu verstehen. Dies 254 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 4 Siehe z. B. J. B REWER / A. H UNTER : Foundations of multimethod research. Synthesizing styles. Thousand Oaks: Sage 2006. 5 Siehe Dick A LLWRIGHT : „Developing Principles for Practitioner Research: The Case of Exploratory Practice“. In: Modern Language Journal 89.3 (2005). 353-366; Anne B URNS (2007): „Action Research: Contributions and Future Directions in ELT“. In: Jim C UMMINS / Chris D AVISON (Hrsg.): International Handbook of English Language Teaching. New York: Springer 2007, 987-1002. 38 (2009) erfolgt auf zwei sich gegenseitig ergänzenden Wegen mit Hilfe von Interviews bzw. dem Lerntagebuch: Die Sprachbiografie der Lernenden soll Aufschlüsse über jene Aspekte der Lernmotivation liefern, die sich auf vergangene Erfahrungen zurückführen lassen. Mit dem situations- und bereichsbezogenen Selbstkonzept hingegen soll der Stellenwert und das Ausmaß des Sich-Einbringens in die Projektarbeit erfasst werden. Es schließt sich der methodologische und methodische Teil der Studie an und damit jener Abschnitt, der aus meiner Sicht einige problematische Argumentationsstränge enthält. Auch in methodologischen Fragen macht sich die Autorin die Perspektive der subjektwissenschaftlichen Forschung zu eigen, welche stark von den Debatten innerhalb der Psychologie geprägt sind. Sie kommt dadurch zu mehreren Vereinfachungen, die dem Stand der Diskussionen in der empirischen Fremdsprachenforschung nicht gerecht werden. So wird beispielsweise, um die Sonderstellung der subjektwissenschaftlichen Forschung erklären zu können, die weitgehend beendete Auseinandersetzung zwischen qualitativer und quantitativer Methodologie gleichsam wiederbelebt. Dass dieser Gegensatz - nicht nur in der Fremdsprachenforschung - als überwunden betrachtet werden kann und sich eine differenzierte Diskussion um die Möglichkeiten und Begrenzungen einzelner Verfahren und ihrer Kombination durchgesetzt hat 4 , lässt H OFFMANN leider unbeachtet. Besonders deutlich werden die Nachteile ihrer engen Bindung an die subjektwissenschaftliche Perspektive beim Thema Aktionsforschung. Sie verwirft die Relevanz dieses Ansatzes für ihre eigene Arbeit, einerseits aus der Befürchtung heraus, dass die permanente Einbeziehung in die Praxis die Entwicklung einer methodologischen Grundlage und eines theoretischen Fundaments für eine empirische Studie erschwere. Andererseits äußert sie die Überzeugung, dass die Rollen von Forscher und Lehrer getrennt gehalten werden müssten, um langfristig und übergreifend auf den Unterricht verändernd einwirken zu können (S. 123 f.). Auch diese Argumentation beruht meines Erachtens auf einer fragwürdigen Vereinfachung des Themas. Wenn bei dem weit gefächerten und je nach Forschungsgebiet anders gewichteten Konzept „Aktionsforschung“ überhaupt von einem einheitlichen Forschungsansatz gesprochen werden kann, dann decken die von H OFFMANN genannten Bedenken nicht dessen Schwächen auf, sondern sie verweisen auf seine eigentlichen Stärken: Denn gerade durch die enge Einbindung in die Praxis und den tendenziell geringeren Einfluss theoretischer Konstrukte auf die Forschungsarbeit werden Erkenntnisse möglich, die anderen Zugriffsweisen verschlossen bleiben, und die für die unterrichtliche Praxis unmittelbare Relevanz entfalten. 5 Das Thema Aktionsforschung hätte aus meiner Sicht vor allem aus einem Grund in dieser Studie eine weniger oberflächliche Behandlung verdient gehabt: H OFFMANN erforscht eben nicht nur die Lernprozesse von sechs Studierenden in der Projektarbeit, sondern sie erforscht in erster Linie die Lernprozesse ihrer eigenen sechs Studierenden in der Projektarbeit. Der Unterschied zwischen beiden Forschungskonzeptionen ist erheblich, weshalb H OFFMANN auch immer wieder argumentative Bemühungen unternimmt, sich aus ihrer Doppelrolle zu befreien und allein die Forscherin sprechen zu lassen. Diese Anstrengungen stehen allerdings in einem deutlich sichtbaren Kontrast zum Unterrichtsgeschehen, wie es aus den Transkriptionen nachvollziehbar wird. Mehrere der transkribierte Sequenzen zeigen die Autorin sehr klar in der Funktion einer Lehrerin, die die kommunikativen Prozesse im Klassenraum gestaltet. H OFFMANN selbst ist sich dessen zumindest Buchbesprechungen Rezensionsartikel 255 1 Luise K EMMETER : Multilingual gestütztes Vokabellernen im gymnasialen Englischunterricht. Frankfurt/ M.: [etc.] Lang 1999; Angelika DANIEL: Lernerwortschatz und Wortschatzlernen im bilingualen Unterricht. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2001; Guosheng Z HANG : Zur Vermittlung von Lexik im Fremdsprachenunterricht. Am Beispiel des Deutschen als Fremdsprache für chinesische Lerner. Aachen: Shaker 2001; Antje S TORK : 38 (2009) in jener Phase bewusst, in der sie mit einem Kommentar zur Themenfindung die Projektarbeit entscheidend beeinflusst. Die Doppelrolle anzunehmen und die Studie bewusst als eine Aktionsforschung zu konzipieren, bei der zum Beispiel auch ein Lehrtagebuch als Erhebungsinstrument eingesetzt und in gleicher Weise wie die Lerntagebücher ausgewertet wird, wäre meines Erachtens die bessere Möglichkeit gewesen, dieser Situation gerecht zu werden. Diese Kritik an einigen methodologischen Grundlagen der Studie kann jedoch den Wert der Ergebnisse, die in den beiden abschließenden Kapiteln vorgestellt werden, in keiner Weise schmälern. Auch in der vorliegenden Form liefert H OFFMANN neuartige und insbesondere für Lehrende sehr aufschlussreiche Erkenntnisse. Es liegt in der Natur qualitativer Forschungsergebnisse, dass sich ihr Reiz vor allem dann erschließt, wenn man sich der Mühe des Lesens unterzieht. Generalisierungen und Zusammenfassungen widersprechen dem Anspruch einer Forschung, die darauf zielt, die Komplexität sozialen Geschehens und dessen subjektive Wahrnehmung und Deutung durch die Beteiligten zugänglich und verständlich zu machen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nicht den Versuch unternehmen, eine Essenz der einzelnen Fallstudien zu präsentieren. Sehr eindrücklich führt die Beschreibung der sechs Studierenden und ihres Erlebens der Projektarbeit vor Augen, wie stark diese Unterrichtsform von der Individualität der Lernenden geprägt ist. Projekterfahrene Lehrende wissen das zwar aus praktischer Anschauung, aber die besondere Bedeutung der Studie für das Forschungsgebiet liegt darin, dass sie für eine Gruppe von Lernenden die Gründe eines bestimmten Verhaltens während der Projektarbeit nachvollziehbar und überzeugend aufzeigen kann. So wird verständlich, weshalb die Projektarbeit für sehr unterschiedliche Lerntypen ideale Voraussetzung für Lernprozesse bietet, die selbstbestimmt gestaltet werden. H OFFMANN bindet dieses Ergebnis folgerichtig an H OLZKAMP s Konzept des expansiven Lernens zurück. Sie zeigt zugleich, wie komplex und damit wie wenig planbar die Zusammenhänge beim gemeinsamen Lernen in kleinen Gruppen sind. Das kollektive Lernen in H OFFMANN s Gruppe wird individuell nicht nur sehr unterschiedlich begründet, wahrgenommen und genutzt, es kommt zu gegenseitigen Beeinflussungen, die sich erst dann erschließen, wenn man so genau und systematisch hinsieht, wie die Autorin es getan hat. Es sind die Beschreibungen eben solcher Lernsituationen, die diese Studie so wertvoll machen. Yokohama M ICHAEL S CHART Helga H AUDECK : Fremdsprachliche Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers. Eine qualitative Studie zu Lernstrategien und Lerntechniken in den Klassenstufen 5 und 8. Tübingen: Narr 2008, 384 Seiten [39,- €] Wie lernen Schülerinnen und Schüler zu Hause Vokabeln? Welche Wörter finden sie leicht bzw. schwierig zu lernen? Mit diesen und weiteren Fragen zum häuslichen Vokabellernen befasst sich Helga H AUDECK in ihrer Dissertation. Auch wenn in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Qualifikationsarbeiten zum Thema „Wortschatz“ im deutschsprachigen Raum erschienen ist (vgl. z.B. K EMMETER 1999, D ANIEL 2001, Z HANG 2001, S TORK 2003, N EVELING 2004, N EUNER - A NFINDSEN 2005, P LIEGER 2006, R EDER 2006, E NDER 2007) 1 , so zeichnet sich diese Arbeit vor 256 Buchbesprechungen Rezensionsartikel Vokabellernen. Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien. Tübingen: Narr 2003; Christiane N EVELING : Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren. Tübingen: Narr 2004; Stefanie N EUNER -A NFINDSEN : Fremdsprachenlernen und Lernerautonomie. Sprachlernbewusstheit, Lernprozessorganisation und Lernstrategien zum Wortschatzlernen in Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2005; Petra P LIEGER : Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. Konzepte für die mediengestützte Wortschatzarbeit. Berlin: LIT 2006; Anne R EDER : Kollokationen in der Wortschatzarbeit. Wien: Praesens 2006; Andrea E NDER : Wortschatzerwerb und Strategieneinsatz bei mehrsprachigen Lernenden. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2007. 2 Carol H OSENFELD : „Learning about learning: discovering our students’ strategies“. In: Foreign Language Annals 9.2 (1976), 117-129. 3 Antoine de L A G ARANDERIE : Les profiles pédagogiques. Discerner les aptitudes scolaires. Paris: Le Centurion 1989. 4 Ulrike C RE ß & Helmut F. F RIEDRICH : „Selbst gesteuertes Lernen Erwachsener. Eine Lernertypologie auf der Basis von Lernstrategien, Lernmotivation und Selbstkonzept“. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 14 (2000), 194-205. 38 (2009) allem dadurch aus, dass die Verfasserin versucht, mittels eines alltagsorientierten, ethnografischen Ansatzes möglichst dicht an die Vokabellernaktivitäten von Schülerinnen und Schülern (Realschule, Gymnasium) heranzukommen. An den Anfang der Einleitung (S. 13-14) stellt Helga H AUDECK ein Zitat von Carol H OSEN - FELD (1976: 128) 2 : „Too often our focus has been on what students should be doing; we must begin by acting what students are doing“. Daran anknüpfend schildert sie knapp Themenbereich und Aufbau ihrer Arbeit, die aus acht Kapiteln besteht. In den ersten drei Kapiteln werden die theoretischen Grundlagen dargelegt, die nachfolgenden Kapitel beziehen sich auf die empirische Untersuchung der Verfasserin. Kapitel 1 (S. 15-44) befasst sich mit Lernstrategien und Lerntechniken. Nach einem Blick auf deren politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Aktualität werden die Begriffe „Lernstrategien“, „Lerntechniken“ und „Lerntyp“ näher bestimmt. H AUDECK differenziert zwischen Lernstrategien und Lerntechniken, indem sie Lernstrategien als „nicht konkret fassbar“ (S. 22) und „potentiell bewusstseinsfähig“ (S. 22) beschreibt, während Lerntechniken im Gegensatz dazu beobachtbar sind und absichtlich und planvoll vom Lernenden angewandt werden. Zur Erläuterung des Begriffs „Lerntyp“ stellt H AUDECK drei Ansätze exemplarisch dar: 1. Die Lerntypunterscheidung nach der Präferenz für Sinneskanäle, 2. den phänomenologischen Ansatz der Gestion mentale nach A. de L A G ARANDERIE 3 und 3. die kognitionspsychologische Lerntypologie nach C RE ß & F RIEDRICH (2000) 4 . Die weiteren Abschnitte des ersten Kapitels widmen sich der Taxonomierung von Lernstrategien (fachübergreifende Taxonomien und fachspezifische Taxonomien zum Bereich des Fremdsprachenerwerbs), der Förderung von Lernstrategien und Lerntechniken (Begründung für ein Lernstrategientraining, Möglichkeiten von Trainingsmaßnahmen) und den Verfahrensweisen zur Erfassung von Lernstrategien (standardisierte Fragebögen, Beobachtungsverfahren, verbale Beschreibungen, problemzentrierte Interviews, Lerntagebücher). Im Mittelpunkt von Kapitel 2 (S. 45-66) steht der Wortschatz. Thematisiert wird zunächst der grundsätzliche Stellenwert des Wortschatzes im Vergleich zur Grammatik für die menschliche Sprach- und Kommunikationsfähigkeit. Anschließend werden wichtige Begriffe geklärt, und zwar „Konzept“, „Wort“, „mentales Lexikon“ und „lexikalische Kompetenz“. H AUDECK arbeitet heraus, dass im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen insofern eine Umorientierung deutlich wird, dass Wortschatz nicht mehr als bloße Wortsammlung, sondern durchgehend als ein System verstanden wird. Die beiden folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Beschreibung der Struktur- und Funktionsweise des muttersprachlichen mentalen Lexikons aus psycholinguistischer Sicht sowie mit der Darstellung von Strukturmodellen des bilingualen mentalen Lexikons und des Buchbesprechungen Rezensionsartikel 257 5 Für die vollständige bibliographische Angabe vgl. Fußnote 1; vgl. dazu auch die Rezension des Buches von Lisanne K LEIN G UNNEWIEK und mir in Fremdsprachen Lehren und Lernen 26 (2007), 251-254. 6 Jürgen Q UETZ : „Wortschatzlernen: Viele Fragen an die Forschung“. In: Karl-Richard B AUSCH , Herbert C HRIST , Frank G. K ÖNIGS & Hans-Jürgen K RUMM (Hrsg.): Erwerb und Vermittlung von Wortschatz im Fremdsprachenunterricht. Arbeitspapiere der 15. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 1995, 143-148. 7 Wolfgang B ÖRNER : „Didaktik und Methodik der Wortschatzarbeit: Bestandsaufnahme und Perspektiven“. In: Peter K ÜHN (Hrsg.): Studien zu Deutsch als Fremdsprache V. Wortschatzarbeit in der Diskussion. Hildesheim [etc.]: Olms 2000, 29-56. 38 (2009) Wortschatzerwerbs in der Fremdsprache. Bedauerlich ist, dass H AUDECK in diesen Abschnitten nicht die Dissertation von P LIEGER (2006) 5 zur Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons berücksichtigt. Da in der nachfolgenden Untersuchung der inzidentelle Wortschatzerwerb außerhalb der Schule eine (wenn auch untergeordnete) Rolle spielt, wäre es außerdem wünschenswert gewesen, dass die Autorin auf dieses Thema etwas stärker eingeht und es nicht nur auf zwei Seiten (S. 65-66) streift. Kapitel 3 (S. 67-92) widmet sich der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht. Es beginnt mit der Bestimmung des Begriffs „Wortschatzarbeit“, der zentral für diese Arbeit ist. Unter Rückgriff auf verschiedene Dimensionen der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht nach Q UETZ (1995) 6 und das kognitive Lehr-Lernmodell der Wortschatzarbeit nach B ÖRNER (2000) 7 bezieht H AUDECK Wortschatzarbeit „auf die dem Lerner zugeordneten lexikalischen Komponenten und Prozesse“ (S. 70), die hauptsächlich das explizite Vokabellernen, aber auch den inzidentellen Wortschatzerwerb umfassen. Des Weiteren nimmt sie eine Unterscheidung von Wortschatzarbeit innerhalb des Klassenzimmers (direkte Lerner-Lehrer-Interaktion steht im Vordergrund) und außerhalb des Klassenzimmers (direkte Lerner-Lehrer-Interaktion steht im Hintergrund; zusätzlicher Einfluss von anderen Personen wie Familienmitgliedern oder Freunden möglich) vor. Im weiteren Verlauf des Kapitels beschäftigt sich die Autorin mit dem Vokabellernen im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts. Obwohl sie in ihrer Begriffsbestimmung ausdrücklich Aspekte des inzidentellen Wortschatzerwerbs „nicht gänzlich“ (S. 70) ausklammern will, fokussiert sie nun ausschließlich das explizite Vokabellernen, und zwar innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers. H AUDECK geht auf Merkmale von fremdsprachlichen Lexemen, die das Vokabellernen erleichtern oder erschweren (Aussprechbarkeit von Vokabeln, Schreibweise, Wortlänge, morphologische Komplexität, Ähnlichkeiten zwischen L2-Wortformen, Ähnlichkeiten zwischen Wortformen der Ausgangs- und der Zielsprache, Wortartenzugehörigkeit, semantische Worteigenschaften) und auf Teilprozesse des Vokabellernens (Vokabeleinführung, Vokabellernen, Wortschatzanwendung) ein. Für das Vokabellernen als Aktivität in der Konsolidierungsphase, das somit als Teilprozess des expliziten Vokabellernens im Fremdsprachenunterricht verstanden wird, übernimmt die Autorin aus der Schülersprache die Bezeichnung „Vokabelpauken“: „Vokabellernen bzw. ‚Vokabelpauken‘ (Einprägen lexikalischer Einheiten)“. Im Folgenden gibt sie einen knappen Überblick über Taxonomien zu „Vokabelpaukstrategien“ (S. 79), die den Nachteil haben, dass sie sich nicht auf Online-Beobachtungen stützen, und diskutiert die Rahmenbedingungen für das Vokabellernen von Schülern (theoretisches Grundverständnis und Erfahrungswissen der Lehrkräfte und anderer Bezugspersonen, Vorgaben der zum Erhebungszeitpunkt gültigen Bildungspläne, Lehrwerke). Die in diesem Kapitel eingeführte Bezeichnung „Vokabelpauken“, die das Vokabellernen im engeren Sinne bezeichnen soll, halte ich für unglücklich gewählt. Sie ist nicht nur der Schülersprache entnommen, sondern auch negativ konnotiert, so dass sie sich nicht als Terminus im wissenschaftlichen Kontext eignet. Die empirische Untersuchung der Verfasserin bildet den Schwerpunkt von Kapitel 4 (S. 93- 258 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 8 Diese negativen Erfahrungen der Autorin mit dem expliziten Vokabellernen könnten Grund für die Wahl der Bezeichnung „Vokabelpauken“ in Kapitel 3 sein. 9 Vgl. zum Audio-Tagebuch Helga H AUDECK : „Das Audio-Tagebuch als Erhebungsinstrument - Ein neuer Ansatz in der Lernprozessforschung“. In: Horst N IESYTO (Hrsg.): Selbstausdruck mit Medien. Eigenproduktionen mit Medien als Gegenstand der Kindheits- und Jugendforschung. München: KoPäd-Verlag 2001, 33-51. 10 Ca. zehn Jahre nach der Durchführung dieser Untersuchung stehen heute modernere (analoge und digitale) Aufzeichnungsgeräte mit besserer Aufnahmequalität zur Verfügung. 38 (2009) 134). H AUDECK legt zunächst die Ausgangslage ihrer Untersuchung dar, in der sie ihr biografisch bedingtes Vorverständnis als Forscherin offenlegt. „Aufgrund ihrer eigenen Biografie verknüpft die Forscherin fremdsprachliche Wortschatzarbeit nur teilweise mit schulisch bedingter Vokabelarbeit. Einen hohen Stellenwert nahmen während ihrer Schulzeit ganzheitliche Erfahrungen mit fremdsprachlicher Lexik in einer Vielzahl außerschulischer Bereiche ein. Zu nennen sind hier vor allem Kommunikationssituationen mit englischen Muttersprachlern sowohl in Deutschland als auch in England, die aufgrund freundschaftlicher Verbindungen der Familie zustande kamen. Ein ebenso starker Einfluss ging jedoch auch von der englischsprachigen Popmusik und den entsprechenden jugendkulturellen Gebrauchssituationen und Identifikationsfiguren aus [...]“ (S. 94). Etwas später führt sie weiter aus: „Auf der anderen Seite hatten Vokabelhefte, in die englisch-deutsche Vokabellisten eingetragen werden mussten, sowie kontextloses Abfragen von Vokabelgleichungen sowohl damals wie auch heute in der Rückschau eher negative Gefühle und geringe Lernergebnisse zur Folge“ (S. 95f.). 8 Zur Darstellung der Ausgangslage tragen des Weiteren die Ergebnisse einer Untersuchung zum Vokabellernen im Rahmen des Ludwigsburger Lernstrategienprojektes (Vorstudie) bei, die 1993- 1996 durchgeführt wurde und bei der die Frage nach der konkreten Vorgehensweise von Schülerinnen und Schülern beim fremdsprachigen Vokabellernen nur bedingt beantwortet werden konnte. Als nächstes werden Fragestellung und Ziel der Untersuchung dargestellt, nämlich die Gewinnung von differenzierten Erkenntnissen über individuelle Lernprozesse bei der Wortschatzarbeit von Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5 (Anfangsunterricht) und 8 (fortgeschrittener Unterricht): „Dahinter steht die Erwartung, aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für alternative Wege der Wortschatzarbeit im schulischen Fremdsprachenbereich ziehen zu können, die nicht nur Schülern und Lehrkräften, sondern auch Eltern wertvolle Orientierung geben können“ (S. 110 f). Die zentrale Fragestellung „Wie gehen Schülerinnen und Schüler beim Wörterlernen zu Hause vor (z.B. beim Erledigen der Hausaufgaben oder bei der Vorbereitung auf einen Test)? “ (S. 112) konkretisiert die Autorin in sechs Teilfragen. Es folgen Erläuterungen zur Konzeption und Durchführung der Untersuchung. An der Studie nahmen 2 Mädchen und 3 Jungen der Klasse 5 und 5 Mädchen und 2 Jungen der Klasse 8 teil (Realschule und Gymnasium). Als zentrales Erhebungsinstrument setzte H AUDECK das von ihr entwickelte Audio-Tagebuch 9 und als weitere Erhebungsinstrumente Interviews und Beobachtungen ein. Die Datenerhebung erfolgte von Oktober 1999 bis Oktober 2000. Das Audio-Tagebuch sollte ermöglichen, sich der Komplexität der Vokabellernaktivitäten in einem natürlichen Lernkontext so weit wie möglich anzunähern. Im Gegensatz zu einem schriftlichen Lerntagebuch ist eine mündliche Aufzeichnung von Tagebucheinträgen mittels Kassettenrekorder mit Mikrofon 10 für die Lernenden weniger anstrengend und erfordert weniger Zeit. Das Tagebuch sollte über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen mit insgesamt 16 Aufnahmen gefüllt werden und wurde durch einen schriftlichen Leitfaden (vgl. S. 116) strukturiert. Buchbesprechungen Rezensionsartikel 259 11 Philipp M AYRING : Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 7. Auflage. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 2000. 38 (2009) In Kapitel 5 (S. 155-204) werden die Ergebnisse der fallübergreifenden Audio-Tagebuchanalyse präsentiert. Die Antworten auf die Fragen 6 bis 9 des Audio-Tagebuchleitfadens wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach M AYRING (2000) 11 ausgewertet. Während sich Frage 6 auf die Makroebene bezog, also auf eine vokabelübergreifende, generalisierende Beschreibung von Lernstrategien („Wie hast du die Wörter gelernt? Beschreibe bitte, was du ganz genau gemacht hast“), zielten die Fragen 7 bis 9 auf die Mikroebene (Frage 7: „Wähle aus den Wörtern, die du heute gelernt hast, zwei aus und beschreibe, wie du versucht hast, sie dir einzuprägen.“; Frage 8: „Welche Wörter waren leicht zu lernen? Warum? “; Frage 9: „Welche konntest du dir nur schwer merken? Was hast du dann gemacht? “), d.h. es „stehen hier die einzelnen lexikalischen Einheiten bzw. die jeweils spezifische Verarbeitung derselben im Blickpunkt“ (S. 149). H AUDECK zeigt, dass Untersuchungen zu fachspezifischen Lernstrategien die Breite und Tiefe bestimmter Lernbereiche und Lernaktivitäten durch die Festlegung der Analyseebene (Mikro- oder Makroebene) von vornherein einbeziehen oder ausgrenzen. Kapitel 6 (S. 205-348) ist mit ca. 140 Seiten das umfangreichste Kapitel dieser Arbeit. Es werden dort fünf Einzelfälle nachgezeichnet, um die Einbettung von Lernstrategien und Lerntechniken in den gesamten Lebens-und Lernkontext eines Schülers aufzuzeigen: „Ich will es doch ganz genau“ - Andreas, der Perfektionist; „Das sind halt Vokabeln, die muss man halt abschreiben“ - Thomas der „Ami-Freak“; „Du überlegst überhaupt nicht! “ - Christina und ihre Mutter; „Vokabeln wiederholen...ging ziemlich schnell und war auch leicht“ - Gabi, die effizienzorientierte Englischbegeisterte; „...ich hab‘ fünf Gänge...könnte noch zwei hochschalten...“ - Mark, pragmatisch ausgerichtet und leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis. Die Auswahl dieser Schüler aus den insgesamt 12 Teilnehmern wird vage begründet und erscheint damit willkürlich: „Die Auswahl der Fälle orientiert sich an den Handlungsmustern, die sich für die Verfasserin bei der Erhebung, Aufbereitung und fallübergreifenden Analyse sukzessiv herauskristallisiert haben. Sie ist somit subjektiv begründet“ (S. 205). Für die Erstellung der Schülerporträts wurden nicht nur die Audio-Tagebücher, sondern auch Interviewtranskriptionen und persönliche Beobachtungsnotizen der Forscherin herangezogen. In Kapitel 7 (S. 349-360) werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zusammengefasst und diskutiert. Dies erfolgt anhand der in Kapitel 4 formulierten Teilfragen: 1. Welche Lerntechniken und Lernstrategien kennzeichnen die Vokabellernaktivitäten der Schüler zu Hause? , 2. Worauf lässt sich die von den Schülern subjektiv empfundene Unterscheidung zwischen leicht und schwierig zu lernenden Vokabeln zurückführen? , 3. Lassen sich im Bereich der häuslichen Wortschatzarbeit Unterschiede zwischen den Vorgehensweisen von fortgeschrittenen Lernern und Lernern im ersten Lernjahr feststellen? , 4. Geben Schülerporträts differenzierte Einblicke in die Komplexität und Individualität von Vokabellernprozessen? , 5. Aus welchen außerschulischen Bereichen bieten sich den Schülerinnen und Schülern Anknüpfungspunkte für den englischen Wortschatz? , 6. Lassen sich aus den Ergebnissen Rückschlüsse über die Subjektadäquatheit der Erhebungsmethoden ziehen? Aus den Ergebnissen zieht die Autorin in Kapitel 8 (S. 361-365) Schlussfolgerungen für die Lernstrategieforschung und für die fachdidaktische Praxis des Fremdsprachenunterrichts. In Bezug auf die Lernstrategieforschung folgert H AUDECK , dass sich zum einen das Audio-Tagebuch bewährt hat und dass zum anderen in weiteren Forschungsvorhaben die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroperspektive berücksichtigt werden sollte. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht zieht sie drei Schlussfolgerungen: 1. Förderung der Vokabellernbewusstheit 260 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) von Schülern (und Lehrern), 2. Thematisierung von Lernstrategien und Lerntechniken im Klassenzimmer und darüber hinaus (Fokus auf Problembereiche und ihre Lösungsmöglichkeiten), 3. Bedeutung des inzidentellen Wortschatzerwerbs. Komplettiert wird der Band durch ein Abbildungsverzeichnis, (S. 367-368), ein Tabellenverzeichnis (S. 369-370) und das 14 Seiten umfassende Literaturverzeichnis (S. 371-384). Leider findet sich kein die Arbeit abschließendes Kapitel mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. Die Zusammenfassung hätte die bisherigen und die neuen Kenntnisse dem Leser bzw. der Leserin gebündelt präsentieren können; im Ausblick hätte der Blick auf neu aufgeworfene Fragen oder Perspektiven geweitet werden können. Helga H AUDECK belässt es hingegeben bei einem allgemein gehaltenen Schlusssatz: „Aufgrund der Individualität und Komplexität des Themenbereichs bleibt die Fragestellung auch in Zukunft ein wichtiges Beschäftigungsfeld für alle, die sich - beruflich oder privat - mit der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit von Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen“ (S. 365). Dies ist umso bedauerlicher, als dass die Arbeit ein durchaus weites Feld an weiteren Anknüpfungspunkten öffnet, wie z.B. die Fragen, welche Rolle die Familie bei der Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers spielt, wie sie die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen kann oder inwiefern das Audio-Tagebuch andere Reflexionen von Lernenden über das eigene Sprachenlernen evoziert als ein schriftliches Lerntagebuch. Erwähnt wird allerdings von der Autorin an anderer Stelle (Ende Kapitel 5), dass für weitere Untersuchung u.a. bildgebende Verfahren der Neurokognition denkbar seien, wobei sie interdisziplinäre Zugänge, wie sie z.B. im Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm praktiziert werden, als „zukunftsweisend“ (S. 204) bezeichnet. Die (wenigen) kritischen Anmerkungen zur Dissertation von Helga H AUDECK sollten nicht den Blick dafür verstellen, dass es sich um eine sehr empfehlenswerte Arbeit handelt, die einen sorgfältig und akribisch aufgearbeiteten Forschungsüberblick zur Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers bietet. Die von der Forscherin durchgeführte Studie ist durch ihren Fokus auf die konkreten Vokabellernaktivitäten von Schülerinnen und Schülern im familiären Kontext als innovativ zu bezeichnen. Dazu trägt in großem Maße das von ihr entwickelte Erhebungsinstrument des Audio-Tagebuchs bei, das sicherlich auch ein erhebliches Potential als Förderinstrument hat. Marburg A NTJE S TORK Michael K. L EGUTKE (Hrsg.): Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 149 Seiten [24,80 €] Das Lernziel kommunikative Kompetenz ist fest verknüpft mit dem Namen des 2004 verstorbenen Fremdsprachendidaktikers Hans-Eberhard P IEPHO , wurde die kommunikative Wende in Deutschland doch zu großen Teilen von ihm in die Wege geleitet. So entstanden die meisten der in diesem Band publizierten Beiträge auch für ein Festkolloquium, das Piepho zu Ehren 2006 an der Justus- Liebig-Universität Gießen stattfand. Da das Konzept der kommunikativen Kompetenz in fachdidaktischen Debatten sowie in der praktischen Umsetzung im Laufe der Jahre eine gewisse Abnutzung und Verflachung erfahren hat, erkunden die Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen - ausgehend von den Originalschriften Piephos - die ursprünglichen Aussagen und Konzepte Piephos, weisen auf Missverständnisse und verkürzte Lesarten hin und zeigen die Bedeutung seiner Gedanken für die heutige Fremdsprachendidaktik auf. Dabei beleuchten sie verschiedene Aspekte seines Schaffens und seiner Persönlichkeit, so dass mit der Lektüre dieses Bandes ein umfassendes Bild von Piephos Werk und seiner Person entsteht. Nachdem L EGUTKE in der Einleitung die Inhalte der einzelnen Beiträge treffend zusammengefasst hat, argumentiert er in seinem Beitrag, dass für ein angemessenes Verständnis des Lernziels Buchbesprechungen Rezensionsartikel 261 1 Die in den Beiträgen verwendete Literatur wird hier bibliographisch nicht nachgewiesen. 2 Die Seitenzahlen beziehen sich auf die jeweiligen Beiträge. 38 (2009) kommunikative Kompetenz die Kenntnis des historischen Kontexts, in dem Piepho seine Ideen entwickelte, notwendig ist. So gibt er einen Überblick über die bildungspolitische Reformphase der 1970er und 1980er Jahre und weist auch auf die besondere Bedeutung der Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG) in dieser Zeit hin, da in diesem Rahmen viele neue Ideen diskutiert wurden. Legutke liefert hier wichtiges Hintergrundwissen, um Piephos Ideen besser verstehen und einordnen zu können. Da Kritiker diesen Aspekt oft ignoriert haben, geht es Legutke desweiteren darum zu zeigen, dass kommunikative Kompetenz für Piepho nicht nur ein theoretisches Konstrukt, sondern immer mit konkreten Unterrichtsvorstellungen verbunden war. Dies verdeutlicht er an mehreren Beispielen: Zum einen entwickelten Piepho und die BAG Englisch - ausgehend von einer Kritik an konstruierten Lehrwerktexten, die allein der Illustration grammatischer Phänomene dienten - zahlreiche ergänzende Unterrichtsmaterialien, die die Ausbildung kommunikativer Kompetenzen ganz konkret befördern sollten. Zum anderen entwarfen sie kommunikative Übungsformen, um die Lernenden zum Sprechen und Schreiben zu motivieren. Als Ergebnis erschien 1978 die Übungstypologie Kommunikativer Englischunterricht. Prinzipien und Übungstypologie (BAG 1978) 1 , die 1981 auch für Deutsch als Fremdsprache adaptiert wurde (N EUNER [et al.] 1981) (S. 28). 2 Darüber hinaus prägten Piepho und die BAG die heute vertretenen Auffassungen vom Klassenzimmer als Textwerkstatt, Bühne und Ort des Probehandelns (S. 33), denn schon von ihnen wurden die Bedeutung der Simulation kommunikativer Aktivitäten und ihrer Anwendung in realen Situationen herausgearbeitet. Abschließend weist Legutke darauf hin, dass noch zu wenig darüber bekannt ist, was im Fremdsprachenunterricht an den Schulen wirklich passiert. Deshalb seien Projekte erforderlich, die im Sinne Piephos an den konkreten Erfahrungen der Lehrenden anknüpfen und in denen Sprachlehrforscher und Sprachlehrkräfte gemeinsam „die Dimension der kommunikativen Kompetenz heute im Handlungsraum Klassenzimmer [...] beschreiben und ihre Wirksamkeit unter je spezifischen Bedingungen [...] ergründen“ (S. 37). Dieser Forderung kann nur zugestimmt werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Piephos Texten aus den 1970er Jahren (1974, 1979) findet sich im Beitrag von B REDELLA . Im ersten Teil wird gezeigt, wie Piepho in Bezug auf Habermas sein Konzept der kommunikativen Kompetenz entwickelte. Das Konzept liegt zwar bei Habermas und bei Piepho auf unterschiedlichen Ebenen, beinhaltet aber bei beiden weit mehr als nur ein Bündel von sprachlichen survival skills. Sprachunterricht sollte somit nach Piepho nicht nur die sprachlichen Fertigkeiten trainieren, sondern auch die Persönlichkeit der Lernenden ansprechen und erziehend verändern (S. 55). Ziel ist es, die Schüler zur Diskurstüchtigkeit zu erziehen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Piephos Kritik am Grammatikunterricht, mit der er der Grammatik eine dienende Funktion zuschreibt und sich gegen stures Einpauken von Regelwissen wendet. Die Vermittlung sprachlicher Regularitäten sei stets an motivierende Inhalte zu knüpfen, eine Forderung, die sich auch in der aktuellen Debatte um Inhalte im Fremdsprachenunterricht wiederfindet. Im dritten Teil setzt sich Bredella mit Piephos Bestimmung der Fachdidaktik Englisch auseinander und verweist auf die Bedeutung des Klassenzimmers als Ort, an dem sich die kommunikative Kompetenz unter schulischen Bedingungen entfalten muss. Wie Legutke unterstreicht auch Bredella, dass Piepho nicht nur an theoretischen Diskussionen zur kommunikativen Kompetenz interessiert war, sondern dass es ihm stets um Konkretisierungen für den Unterricht ging und „dass er wie kein anderer in unermüdlichem Einsatz und mit unerschöpflicher Phantasie Theorie und Praxis aufeinander bezogen hat“ (S.62). Darin besteht auch eine Herausforderung, der sich die gegenwärtige Fremdsprachendidaktik zu stellen hat. 262 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) H UNFELD nähert sich Piepho in seinem - sehr persönlichen - Text, indem er Bruchstücke eines Piepho-Bildes entwirft, die andeuten, was Piepho in der Zukunft für die Fremdsprachendidaktik bedeuten kann. Zunächst betont auch er, dass für Piepho immer die konkrete Umsetzung von kommunikativen Zielen im Unterricht Vorrang hatte und kritisiert Stimmen, die sich an rein theoretischen Diskussionen des Konzepts aufhalten: „Während sie [die „spitzfindige Philologie“, DS] noch seinen Kompetenzbegriff penibel auf Unstimmigkeiten, Widersprüche und theoretische Defizite überprüft, ist er längst dabei, die nicht nur sprachliche Kompetenz derjenigen ganz praktisch zu fördern, die er stets ernster nimmt als die eifrigen Sortierer von Wörtern und Begriffen: seine zahllosen Lerner“ (S. 65). Danach schildert er die Widerstände, auf die Piephos Ideen zu Anfang gestoßen sind, weist auf die verengte Piepho-Rezeption hin und erwähnt auch, dass Piepho sich dieser Fehlinterpretationen sehr wohl bewusst war: „Es ist nicht zu verkennen, daß der sogenannte Kommunikative Ansatz viele Kolleginnen und Kollegen zu Praktiken verführt hat, die sich modern gerieren, aber eigentlich nichts anderes sind als der tote Drill von aneinandergeketteten Satzmustern, die lediglich mit einer scheinbar neuen Begründung als functions bezeichnet werden (Piepho 1979: 9)“ (S. 71 f). Anschließend reflektiert Hunfeld die über 30 Jahre geführte Diskussion mit Piepho zu unterschiedlichen Sprachlehrverfahren: Während Piepho im Rahmen des kommunikativen Ansatzes die Lerner sprachhandelnd von Sprachhemmungen befreien will, spricht sich Hunfeld innerhalb der skeptischen Hermeneutik für den Einsatz von Literatur für die Sprachlehre und als Quelle landeskundlicher Informationen aus. Zum Schluss arbeitet er heraus, dass beiden Ansätzen bei aller Unterschiedlichkeit ein übergreifendes Sprachlehrziel gemeinsam ist: „Dafür zu sorgen, dass man nicht nur sprechen kann, sondern dabei auch etwas zu sagen hat“ (S. 73) - ein Ziel, das auch im heutigen Fremdsprachenunterricht anzustreben bleibt. Der Begriff der Diskurstüchtigkeit steht im Mittelpunkt der Überlegungen von H ALLET . Für Piepho ist dies eine metakommunikative Kompetenz, die die Lernenden dazu befähigt, Sprachhandlungen zu kommentieren, zu hinterfragen und zu legitimieren, wodurch dieser Begriff eine emanzipatorische Dimension erhält. Hallet weist darauf hin, dass der Diskursbegriff heute verschiedene Konzepte bezeichnet und unterscheidet drei Verwendungsweisen: (1) den sprachpragmatisch-narratologischen Diskursbegriff, wie er vor allem in der Angewandten Sprachwissenschaft vorkommt und der sich auf das Verhältnis von Satz und Text bezieht (‚discourse with a small d‘), (2) den auf Foucault zurückgehenden Diskursbegriff, der auf den Zusammenhang von Text und Diskursgemeinschaft abzielt (‚Discourse with a capital D‘) und (3) den Diskursbegriff von Habermas, der metakommunikative Aspekte umfasst. Dieser Diskursbegriff ist es auch, auf den Piepho sich bezieht. Hallet kritisiert, dass gerade diese metakommunikative, emanzipatorische Dimension des Begriffes im Rahmen der Bildungsstandards vernachlässigt wird: So bewegen sich die als „modellbildend konzipierten Musteraufgaben nirgends in der Nähe der kommunikativen Anforderungen von Alltagssituationen, sondern auf der Ebene von stimulus and response oder bloßer Informationsentnahme, obwohl die Aufgabenstellungen doch kommunikative skills repräsentieren“ (S. 77). Genau hier liegt auch eine Herausforderung für die Fremdsprachendidaktik: sich für das Einbeziehen der reflexiven, metakommunikativen Dimension in den Unterricht stark zu machen, da ohne sie „gelingende Kommunikation schwerlich vorstellbar ist“ (S. 93). Der Beitrag von K LIPPEL widmet sich den historischen Wurzeln des Lernziels Kommunikationsfähigkeit. Sie argumentiert, dass in der Geschichte des Sprachenlernens stets zwei Perspektiven vorhanden waren, die jedoch für unterschiedliche Zielgruppen und Sprachen galten: die marketplace tradition, die auf moderne Sprachen und Alltagsgespräche abzielte, und die monastery tradition, in der die klassischen Sprachen und das Studium der Grammatik im Vordergrund standen. Anhand von Beispielen aus frühen Gesprächsbüchern und Sprachlehren illustriert sie dann sehr anschaulich, wie im Rahmen der marketplace tradition Alltagskommunikation vermittelt wurde. Dabei wird deutlich, dass schon damals - in einer Sprachlehre aus dem 18. Jahrhundert - Buchbesprechungen Rezensionsartikel 263 38 (2009) über die Dialoge auch landeskundliche Informationen transportiert wurden (S. 98). Darüber hinaus zeigt sie, dass die in den Gesprächsbüchern enthaltenen Dialoge nicht nur sprachlich, sondern auch sozialhistorisch interessant sind, da sie Rückschlüsse darauf erlauben, was thematisch als wichtig und sachlich als angemessen galt. Auch weisen sie auf sich verändernde Zielgruppen hin. So wendet sich ein Gesprächsbuch von 1809 u.a. an Mütter, die mit Kindern reisen, und ab Anfang des 20. Jahrhunderts passen sich die Gespräche an die Lebenswelt von Kindern an, allerdings ist in diesen Texten der pädagogische Zeigefinger stets präsent: Kinder werden dazu angehalten, fleißig ihre Hausaufgaben zu erledigen und sich mit kaltem Wasser abzuhärten (S. 109). Klippel verdeutlicht, dass in den Gesprächsbüchern der vergangenen Jahrhunderte das Bemühen steckt, die Sprache zum Zweck der Verständigung zu lehren, und dass Kommunikationsfähigkeit eigentlich eine alte Idee ist. Bei der Diskussion zukünftiger Herausforderungen und Ziele der Fremdsprachendidaktik lohnt es sich also zurückzublicken, wenn auch, um sich von bestimmten pädagogischen Färbungen abzusetzen. R ÖSLER beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Lernziel kommunikative Kompetenz aus der Perspektive des Deutschlernens außerhalb des deutschsprachigen Raumes. Dabei betont er, dass der kommunikative Ansatz den Deutschunterricht genau wie jeden Fremdsprachenunterricht positiv verändert hat, indem heute Simulationen, Projekte, Rollenspiele, sprachliches Handeln in Begegnungen und kreatives Schreiben ganz selbstverständlich zum Unterrichtsalltag gehören (S. 116). Er weist aber auch auf problematische Aspekte des Ansatzes hin, wie z.B. die Abwertung der Verwendung literarischer Texte und eine Vernachlässigung der sprachlichen Form, die den Lernzielen nicht immer angemessen ist. Darüber hinaus wird das diskursive Element oft verflacht - also ohne den gesellschaftlichen Bezug, der für Piepho entscheidend war - verwendet, wenn z.B. der Begriff Diskursmittel als Synonym zum Begriff Redemittel eingesetzt wird, wie in der Fernstudieneinheit Sprechen von Schatz (2005: 80) (S. 119). Darüber hinaus kritisiert Rösler das Konzept der kommunikativen Progression und fordert, dass Übungen für formbezogene Aspekte nicht hinter dem Label „kommunikativ“ versteckt werden sollten: „Vielleicht könnte man ja, statt zu versuchen, pseudo-kommunikative Übungen zu produzieren, einfach provisorisch akzeptieren, dass es für bestimmte strukturelle Gegebenheiten in der Zielsprache für die Lernenden sinnvoll sein kann, selbstbestimmt auf die Form zu fokussieren“ (S. 127). Daraus ergibt sich dann für die Fremdsprachenforschung die Aufgabe herauszufinden, wann diese Art von Üben sinnvoll ist und wann nicht. Die Frage nach der Entwicklung von Lehrkompetenz steht im Mittelpunkt des Beitrags von S CHOCKER - V . D ITFURTH . Ausgehend von der Lehrerpersönlichkeit Piephos, der in seiner Lehre praktisch vorlebte, was aktuelle Kompetenzmodelle für die Lehrerbildung heute fordern (S. 132), beschäftigt sie sich mit der Frage, wie angehende Englischlehrer darin unterstützt werden können, sich zu kompetenten Lehrerpersönlichkeiten zu entwickeln. Dafür stellt sie ein Modell vor, das sie anhand eigener empirischer Forschungen zur Lehrerbildung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg entwickelt hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei, die Studenten mit ihren Biographien und Erfahrungen ernstzunehmen und sie anzuleiten, ihre eigenen Erfahrungen mit den wissenschaftlichen Aspekten zu verknüpfen und zu reflektieren. Piephos Forderung, die Schüler ernstzunehmen, wird bei Schocker-v. Ditfurth also auf die Studenten übertragen. In diesem Zusammenhang kritisiert sie etablierte Formen der Lehrerausbildung, da sie die Studenten als „unbeschriebene Blätter“ (S. 141) nicht ernst nimmt und Fragen nach der Praxisorientierung der Wissenschaft und der Fachdidaktik ausblendet. Als Forderungen ergeben sich ein verändertes Selbstverständnis der Hochschullehrer sowie ein konsequentes Einbeziehen der persönlichen Erfahrungswelten der Studenten in die Lehrerausbildung. Abschließend sei erwähnt, dass die in diesem Band publizierten Beiträge jeder auf seine Weise verdeutlichen, dass Piepho seiner Zeit weit voraus war und dass es sich lohnt, seine Ideen - so wie 264 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 3 So z. B. P IEPHO (1974: 9 f) auf den Seiten 20 und 68 und P IEPHO (1974: 35) auf den Seiten 20 und 55. 4 Alex H OUSEN / Michael P IERRARD (Hrsg.): Investigations in Instructed Second Language Acquisition. Berlin/ New York: Mouton de Gruyter 2005. 38 (2009) er sie formulierte und umsetzte - wieder in Erinnerung zu rufen. Piephos theoretische Schriften, seine Praxisorientierung, die sich wie ein roter Faden durch die Beiträge zieht, sowie seine Handlungsmodelle für den Unterricht haben es den Fremdsprachenlehrern leichter gemacht, ihren Unterricht lebendig, motivierend, handlungsorientiert und lernerzentriert zu gestalten. Insofern hat Piepho entscheidend dazu beigetragen, die Praxis des Fremdsprachenunterrichts zu verbessern. Insgesamt bieten die Beiträge interessante und anregende Auseinandersetzungen mit den Ideen und Konzepten Piephos und zeigen auch aktuelle Herausforderungen für die Fremdsprachendidaktik auf. Kritisch anzumerken wäre lediglich, dass sich einige Beiträge inhaltlich etwas überschneiden. So wird Piephos Diskursbegriff und sein Bezug auf Habermas mehrmals diskutiert, was dann auch zum Zitieren identischer Textstellen führt. 3 Das inhaltliche Spektrum des Bandes hätte durch die Aufnahme eines Beitrags, der sich der Diskussion der Communicative Competence außerhalb des deutschsprachigen Raumes widmet, erweitert werden können. Auch hätte ein Beitrag zur Unterrichtsforschung - wie kommunikative Kompetenz im Unterricht heute umgesetzt wird - siehe z.B. die Artikel in H OUSEN / P IERRARD (2005) 4 , das Bild noch weiter abrunden können. Marburg D AGMAR S ILBERSTEIN Brigitte H ANDWERKER , Karin M ADLENER : Chunks für DaF. Theoretischer Hintergrund und Prototyp einer multimedialen Lernumgebung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2009 (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache; 23), 140 Seiten + DVD [18,- €] Um es gleich vorwegzunehmen: der auf den ersten Blick mit 119 Seiten (plus zwölf Seiten Abbildungs-, Tabellen- und Literaturverzeichnis sowie vier Seiten Index) vergleichsweise dünne Band und die beiliegende DVD haben es in sich! Anders als die meisten Arbeiten, in denen Chunks (= als Ganzes gespeicherte zielsprachliche Sequenzen) in erster Linie als Mittel zur Förderung flüssigen Sprechens und kommunikativer Angemessenheit betrachtet werden, verfolgen die Autorinnen Brigitte H ANDWERKER und Karin M ADLENER mit der vorliegenden Arbeit das Ziel, „Instrumente bereit zu stellen, die der Weiterentwicklung der lexikalisch-grammatischen Kompetenz durch Chunking dienen und die gleichzeitig die Effekte des Lernens mit Chunks überprüfbar machen“ (S. 1). Mittels eines massiven Angebots an situativ eingebetteten Chunks, die aus Konstruktionen des Verbs sein mit dem Partizip I und dem Partizip II psychischer Wirkungsverben (wie z.B. begeistern, langweilen, enttäuschen oder erheitern) bestehen, sollen Lernende ihre sprachliche Kompetenz weiterentwickeln, indem sie die in den Konstruktionen enthaltenen grammatischen Informationen nutzen. Einem kurzen Überblick, in dem die Zielsetzung und der Aufbau sowohl der Monographie als auch der beigefügten DVD skizziert werden, folgen in Teil I „Die Grundlagen des Chunk-Ansatzes“; im ersten Kapitel werden zunächst die wichtigsten Forschungsergebnisse zu dem Themenkomplex „Fremdsprachenlernen mit Chunks“ zusammengefasst. Die Beobachtung, dass die kompetente - korrekte, idiomatische und flüssige - Sprachverwendung von L1-Sprechern zu einem nicht unerheblichen Anteil auf deren Kenntnis und Nutzung vorgefertigter Formulierungen zurückzuführen ist sowie die Erkenntnis, dass die meisten nicht-kindlichen L2-Lernenden eher „Word- Watcher“ als „Chunk-Sammler“ (S. 6) sind, nahmen die Autorinnen zum Anlass, durch die Bereitstellung eines massiven Angebots an strukturgleichen Sequenzen, expliziten grammatischen Buchbesprechungen Rezensionsartikel 265 38 (2009) Informationen über diese Strukturen sowie gezielten bewusst machenden Übungen eine zugleich holistische und regelgesteuerte Verarbeitung zu erzielen. Da erwachsene L2-Lernende Chunks zwar verwenden, sie offenbar jedoch nicht systematisch nutzen, um aus ihnen Regeln abzuleiten, besteht in der einschlägigen Forschungsliteratur Konsens darüber, dass es eines steuernden Eingriffs „mit expliziter Unterweisung im Umgang mit Vorgefertigtem“ (S. 12) bedarf. Der erste Schritt dazu besteht in der sorgfältigen Auswahl der anzubietenden Sequenzen. Da dies ohne die Festlegung der Adressatengruppe und des Lernziels nicht sinnvoll erfolgen kann, muss an dieser Stelle eine erste Kritik an der vorliegenden Publikation formuliert werden. Abgesehen von der Angabe, dass es sich bei der Zielgruppe um erwachsene DaF-Lernende handelt, gibt es keinerlei weitere Angaben. Die Auswahl der Verben in den eigens erstellten Videosequenzen, das sprachliche Register der zur Verfügung gestellten Texte, das Niveau der grammatischen Erklärungen sowie die Angaben zu den Teilnehmern/ -innen an den verschiedenen Testversionen des Prototyps der „Multimedia-Chunks“ (vgl. Kap. 6) lassen jedoch darauf schließen, dass es sich um gebildete, fortgeschrittene und sprachlich interessierte Studierende handeln muss. Im zweiten Kapitel „Inputverarbeitung und ihre Steuerung“ werden die für die vorliegende Arbeit zentralen Forschungsergebnisse zur Inputverarbeitung (input processing) und deren Steuerung (processing instruction) skizziert. In diesem Kontext von Bedeutung sind Konzepte wie Inputflut, Inputverstärkung, Inputstrukturierung, Formfokussierung und sogenannte erwerbskompatible Aufgaben. Die Autorinnen betonen gleich zu Beginn ihrer Ausführungen, dass das Modell der Inputverarbeitung kein Spracherwerbsmodell ist - es geht hier ausschließlich um die Untersuchung der Frage, wie Input beschaffen sein muss, damit Lernende optimal von ihm profitieren und die Zielsprache erfolgreich erwerben. Um eine gute Inputverarbeitung zu ermöglichen und das Funktionieren der „internen Mechanismen“, die für die Speicherung und die Organisation von Wissen zuständig sind, zu optimieren, müssen die Aufmerksamkeit und die Verarbeitungskapazität gesteigert werden - dies soll durch ein massives Chunk-Angebot erreicht werden. Im Wesentlichen basiert der von den Autorinnen entwickelte Ansatz auf den Prinzipien des Natural Approach (i.e. das Prinzip des perzeptiven Lernens, das Prinzip der bewussten Wahrnehmung, das interaktive Prinzip, das lexikalische Prinzip, das emotionale Prinzip und das interkulturelle Prinzip). Im Unterschied zum Natural Approach setzen H ANDWERKER und M ADLENER darüber hinaus den Fokus auf a) die Explizierung grammatischer Information sowie b) die strukturierte, optimale Aufbereitung von Input (anstelle von Authentizität). Mit Bezug auf V AN P ATTEN (2004) und dessen Annahme, dass „Sprachlerner aufgrund von fest verankerten Mechanismen in der menschlichen Kognition ihr Bemühen auf die Extraktion von Bedeutung richten, zum Registrieren gewisser Ausdruckseigenschaften aber gewissermaßen gezwungen werden müssen“ beabsichtigen die Autorinnen diesen Zwang „über die bewusste Auseinandersetzung mit morphosyntaktischen Markierungen“ (S. 30) zu erzielen. Die von ihnen geschaffene Lernumgebung ist dem Ansatz der Processing Instruction nach V AN P ATTEN insofern verpflichtet, als sie ein massives Angebot eines salient gemachten sprachlichen Phänomens inklusive expliziter Information über dieses Phänomen zur Verfügung stellen und mit eigens konzipierten Übungen und Aufgaben versehen. Da sich ausschließlich positive Evidenz in Form einer reinen Inputflut für erwachsene L2-Lernende als nicht ausreichend erwiesen hat, ist es darüber hinaus wichtig, ungünstige Lernerstrategien sowie erwartbare Fehler zu antizipieren und ihnen gezielt entgegen zu treten. Im dritten Kapitel („Psychische Wirkungsverben und Partizipialkonstruktionen“) liefern die Autorinnen eine linguistische Beschreibung psychischer Wirkungsverben und Partizipialkonstruktionen. Die Begründung für die Auswahl dieser Verben als Gegenstand für den entwickelten Prototyp fällt insgesamt leider ein wenig knapp aus. Sie lautet: „Ein entscheidender Faktor bei der Überlegung, welche Strukturen in den Chunk-Angeboten salient gemacht werden sollten, war die 266 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) Suche nach einem Aufhänger für die Illustration komplexer Zusammenhänge“ (S. 39). Inwiefern diese Verben eine für DaF-Lernende kommunikativ wichtige oder relevante Struktur darstellen, wird nicht weiter diskutiert. Anschließend werden auf insgesamt sieben Seiten die zentralen Merkmale der ausgewählten Verbklasse beschrieben, deren Funktion wie folgt definiert wird: „Mit diesen Verben lässt sich die Wirkung einer verursachenden Größe (Stimulus) auf den psychischen Zustand eines Partizipanten (Experiencer) ausdrücken“ (S. 39). Weitere Details finden sich - nach Adressaten (Lernende, Lehrende, Linguisten) differenziert - auf der beiliegenden DVD. Den ersten Teil abschließend folgt im vierten Kapitel („Chunks, Konstruktionen und eine Lernbasis Lexikon“) zunächst ein Kurzreferat zweier einschlägiger empirischer Studien zu den Wirkungen von „Inputvariation“ und „Expliziter Grammatikinformation“. Anschließend begründen die Autorinnen, warum sie die Konstruktionsgrammatik für das im vorliegenden Kontext am besten geeignete Grammatikmodell halten. Mit dem Ziel der Förderung der Parallelität von holistischer und regelgeleiteter Verarbeitung wird daraus schließlich die „Lernbasis Lexikon“ abgeleitet. Teil II - neben der DVD das Herzstück der hier besprochenen Publikation - umfasst zwei große Kapitel, in denen die elektronische Lernumgebung und ihre Komponenten sowie die Einsatzmöglichkeiten dargestellt werden. In Kapitel 5 „Der Prototyp der ‚Multimedia-Chunks’“ betonen die Autorinnen den doppelten Zweck der von ihnen entwickelten elektronischen Lernumgebung: die Multimedia-Chunks sollen sowohl für erwerbstheoretisch fundierte computergestützte (Selbst-) Lernumgebung als auch als Forschungsinstrument in der computergestützten L2-Erwerbsforschung eingesetzt werden. Die Autorinnen wollen die von ihnen entwickelte elektronische Lernumgebung als Prototypen verstanden wissen; die zur Verfügung gestellten Materialien sollen lehrwerkunabhängig auf verschiedenen Lernniveaus einsetzbar sein. Die Erklärtexte sind zunächst sowohl auf deutsch als auch auf englisch verfügbar; langfristiges Ziel ist es, die Texte allen Lernenden in ihrer jeweiligen Erstsprache zur Verfügung zu stellen. Es folgt die Skizzierung der zahlreichen erwerbstheoretischen und fremdsprachendidaktischen Überlegungen, die der Entwicklung des Prototypen vorangingen. Im Wesentlichen umfasst die elektronische Lernumgebung die folgenden Komponenten: 1. Multimedialer Input in Form von Videos, Fotos und Animationen. Die Videoclips dauern maximal 2,5 Minuten; sie dienen dem Eintauchen in den Lerngegenstand und der kognitiven Entlastung. Lernende können wählen, ob sie den Clip komplett mit Untertiteln versehen anschauen möchten, ob lediglich die Partizipien oder ob die vollständigen Zielkonstruktionen eingeblendet werden sollen. Außerdem haben sie die Möglichkeit, sich das Filmskript anzeigen zu lassen und es sich auszudrucken. Die Fotos dienen der Vertiefung, die Animationen der Erweiterung des sprachlichen Inputs. 2. Konstruktionsangaben, Lernergrammatiken, Hintergrundtexte, Lexikon, Glossar 3. Aufgaben (i.e. multiple choice, drag and drop, gelenkte Produktion sowie vertiefende Aufgaben) mit automatischer Korrekturfunktion und differenziertem Feedback - wobei den Autorinnen gerade in Bezug auf letzteres bewusst ist, dass die Erstellung eines sinnvollen, hilfreichen, nicht-statischen Feedbacks nicht unproblematisch ist und hier weitere Entwicklungsarbeit erforderlich ist. So ist die lernpsychologisch sinnvollste Form der Rückmeldung - nämlich ein individuelles Feedback - derzeit nicht möglich, aber sicherlich nur eine Frage der Zeit, zumal bereits eine interaktive Version des Prototypen in Vorbereitung ist (vgl. den Ausblick in 6.4. Tutorisierung in Moodle). Ob der Anspruch von H ANDWERKER und M ADLENER , dass die von ihnen entwickelte elektronische Lernumgebung gleichzeitig auch eine geeignete Forschungsumgebung sei, tatsächlich einzulösen ist, kann derzeit noch nicht abschließend beantwortet werden, da die in diesem Zusammenhang erhobenen Daten zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht vollständig ausgewertet waren. Buchbesprechungen Rezensionsartikel 267 38 (2009) Allerdings sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass die Analyse des Nutzerverhaltens über automatische Sitzungsprotokolle und die quantitative Auswertung von Klicks oder der Verweildauer auf bestimmten Seiten zwar unter bestimmten Gesichtspunkten interessant sind, ob sie jedoch gesichertes Wissen über Lernabläufe sowie über Verarbeitungs-/ Lernstrategien ermöglichen, erscheint fraglich. In Kapitel 6 („Die Lernumgebung im Test“) werden die ersten Ergebnisse der in den Jahren 2005, 2006 und 2008 bereits durchgeführten Erhebungen des Nutzerverhaltens zusammengefasst. Erste Testdurchläufe zeigen, dass einige Lernende die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung ihres Lernprozesses tatsächlich nutzen. Ferner ist festzustellen, dass Test- und Kontrollgruppen vergleichbare Fortschritte machen und dass darüber hinaus bei den Testgruppen eine Abnahme der Verwendung von Vermeidungsstrategien sowie eine Abnahme der Fehlerproduktion festzustellen ist. Es stellt sich aber auch heraus, dass „für einzelne Lerner aus bestimmten Lerntraditionen ein derart hoher Anteil an Selbstbestimmung im Lernprozess eine Belastung bzw. Verunsicherung“ (S. 67) darstellt. So scheint es, dass die elektronische Lernumgebung bestimmte Lernertypen und bestimmte Lernkulturen eher begünstigt als andere. Da die zur Verfügung stehenden Protokolle hier keine differenzierten Erkenntnisse erlauben, sind Interviews oder andere Formen der individualisierten Befragung erforderlich. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich bei der vorliegenden Publikation (Monographie und DVD) um eine interessante, äußerst durchdachte und sehr aufwendig gestaltete Produktion handelt. Die Texte sind sorgfältig redigiert (zumindest mir ist kein einziger Tippfehler begegnet! ), die auf der DVD zur Verfügung gestellten linguistischen Beschreibungen der Zielstrukturen und die in ihnen angelegten Verlinkungen sind exzellent. Die Qualität der Videos ist einwandfrei, die Navigation durch die verschiedenen Menüs der DVD und die Bearbeitung der Aufgaben funktionieren tadellos. Dennoch seien an dieser Stelle auch einige kritische Anmerkungen gestattet, die für die Weiterentwicklung des Prototypen vielleicht nützlich sein könnten: - Bei einigen der im Input präsentierten psychischen Wirkungsverben wie z.B. „betört“, „beflügelnd“, „entzückt“, „erbost“ oder „frappierend“ sollte überlegt werden, inwieweit sie für DaF- Lernende bzw. für eine unmarkierte Kommunikation in der Zielsprache Deutsch tatsächlich relevant sind. - Das sprachliche Niveau in den grammatischen Erklärungen für die Lernenden sowie beim Feedback erscheint zu schwierig, zu abstrakt und insgesamt nur wenig benutzerfreundlich. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie „normale“ Lernende mit Rückmeldungen der folgenden Art umgehen: „Achtung, entzückt ist ein Partizip 2. Das Partizip 2 ist mit einem Stimulus- Subjekt nicht möglich, nur mit einem Experiencer-Subjekt. Ein Angebot als Auslöser für Entzücken bei einer Person kann höchstens entzückEND sein.“ Hier sollten - vielleicht in Zusammenarbeit mit Lernenden - besser geeignete und ansprechendere Formulierungen entwickelt werden. - Einige der zur Verfügung gestellten Filmsequenzen („Wohnungssuche“ oder „Paartherapie“) wirken übertrieben und daher ausgesprochen künstlich. Es stellt sich die Frage, ob erwachsene Lernende tatsächlich motiviert sind, sich - wie die Aufgabenstellung verlangt - diese Sequenzen mehrfach anzusehen. Hier würde es sich anbieten, Lernende schriftlich oder mündlich zu ihren Einschätzungen zu befragen. Kassel K ARIN A GUADO 268 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) Stephan G RAMLEY , Vivian G RAMLEY (eds.): Bielefeld Introduction to Applied Linguistics. A Course Book. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2008 (The Bielefeld English and American Studies; vol. 1), xii + 392 Seiten [19,80 €] Der vorliegende, aus 27 Beiträgen bestehende Band versteht sich als Einführung in die Angewandte Linguistik und richtet sich vor allem an Studierende der Anglistik an der Universität Bielefeld. Da ist es schon fast ‚logisch‘ dass die 16 Autor(inn)en - bis auf eine, die inzwischen in Münster tätig ist - alle in Bielefeld forschen und lehren. Da das Buch vor allem für Anglisten gedacht ist, überrascht es nicht, dass die meisten Beispiele und Literaturangaben dem Englischen entstammen („always with the focus on English in this book“, S. 268). Das Buch besteht aus vier Teilen, denen drei mal sieben und einmal sechs Beiträge zugeordnet sind: Part I - The user/ learner, Part II - Language processing, Part III - The language code and corpus studies, Part IV - The language community. Part I ist derjenige, der sich am intensivsten mit Fragen des Lehren und Lernens von Fremdsprachen befasst. Julia S ETTINIERI („Teaching pronunciation“) beschäftigt sich mit Fragen des Ausspracheunterrichts, insbesondere mit dem Phänomen des „foreign accent“, seines Einflusses auf die Verständlichkeit von Äußerungen, seiner sozialen Akzeptanz und den Möglichkeiten, Ausspracheprobleme zu behandeln. Ihre Einschätzung von Sprachlernsoftware zur Überprüfung von Aussprache ist eher pessimistisch, denn „even native speakers get bad marks although their pronunciation is fully within the norm“ (S. 10). Stephan G RAMLEY versteht unter „Lerning aids“ linguistische und pädagogische Grammatiken, Aussprachewörterbücher und Lernerwörterbücher. Da in diesen Referenzwerken ein reicher Fundus für die eigenständige Spracharbeit steckt, der vielen Studierenden allerdings nicht vertraut ist, handelt es sich hier um einen aus der Studierendenperspektive besonders nützlichen Beitrag. Mit „Visual information in language learning and teaching“ von Patricia N. S KORGE wird am Beispiel des Einsatzes von Bildern im Fremdsprachenunterricht ein bisher eher vernachlässigtes Thema aufgegriffen. Paul L ENNON s Artikel zu „Learner autonomy and teaching methodology“ bietet einen informativen und ausgewogenen Überblick zu theoretischen und praktischen Aspekten von Lernerautonomie. Da Lernerautonmie vor allem auf westlichen Werten wie Individualisierung und Eigenständigkeit basiert, ist - so der berechtigte Hinweis des Autors - Skepsis beim Export dieses Konzeptes in Länder mit anderen Lehr- und Lerntraditionen angebracht. Der sich daran anschließende Beitrag über „Contrastive analysis, error analysis, interlanguage“, ebenfalls von L ENNON , behandelt das Fehlerphänomen in seiner historischen Entwicklung. Die Behauptung, dass seitens der kontrastiven Linguistik Fehler ausschließlich auf muttersprachliche Interferenzen zurückgehen („have only one cause, namely influence from the mother tongue“, S. 55), trifft allerdings nicht einmal für die sogenannte starke Version der kontrastiven Linguistik zu. Vivian G RAMLEY s „Language Testing“ liefert eine kompakte Übersicht zu den Anforderungen an Tests und stellt verschiedene Testformate vor. Allerdings fehlen Hinweise auf die aktuelle deutsche Diskussion zu Bildungsstandards und Kerncurricula, die gerade für Lehramtsstudierende von Bedeutung sind. Part II befasst sich mit unterschiedlichen Themen der Sprachverarbeitung. Katharina J. R OHL - FING geht in ihrem Beitrag zu „Language acquistion: a multimodal avenue“ über die herkömmliche Darstellungsformen dieses Themas hinaus, indem sie auch auf die Verbindung von Sprachfähigkeiten und motorischen sowie kognitiven Fertigkeiten aufmerksam macht. L ENNON s Artikel zu „Second language acquisition studies“ thematisiert verschiedene Theorien des Zweitsprachenerwerbs, auch mit Bezug zum Erstsprachenerwerb, und Möglichkeiten ihrer unterrichtlichen Umsetzung. Er weist darauf hin, dass der Formseite beim Fremdsprachenlernen seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verstärkt Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, allerdings nicht durch gezielte grammatische Unterweisung, sondern durch „encouragement of a certain degree of Buchbesprechungen Rezensionsartikel 269 38 (2009) metalinguistic awareness“ (S. 102), was wohl heißen soll, dass hierfür die Verwendung metasprachlicher Terminologie nicht notwendigerweise benötigt wird. Vivian G RAMLEY („Sign language acquisition“) widmet sich dem Erwerb von Gebärdensprachen, die, wie gelegentlich fälschlich angenommen, nicht sprachenbzw. kulturübergreifend sind, sondern -spezifischen Charakter haben. Silja F EHN trifft in „Language attrition“ zunächst eine Unterscheidung zwischen „language death“, dem Aussterben einer Sprache mit dem Tod des letzten Sprechers derselben, und dem Verlust von Sprache durch Vergessen. Als Faustregel für das Sterben von Sprachen kann gelten: „In general, the longer a language is not used, the more likely the user is to undergo a process of attrition“ (S. 127). Der Beitrag zum „Mental lexicon“, ebenfalls von F EHN , behandelt einige grundlegende Fragen der Organisation und mentalen Speicherung des Wortschatzes. Der von Martina H IELSCHER -F ASTABEND verfasste Beitrag zu „Clinical linguistics“ befasst sich mit Sprachstörungen, die aus neuronalen Ausfällen resultieren, die beispielsweise durch Schlaganfall, Demenz oder die Parkinson-Krankheit verursacht werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung von Aphasie. Part II wird beschlossen von Eva B ELKE s „Language production and perception“, der unterschiedliche Voraussetzungen der Sprachverarbeitung und deren Ausformungen („oral vs. written modalities“, S 159) zum Gegenstand hat. Die in Part III vereinigten Beiträge widmen sich unterschiedlichen Aspekten der Sprachstruktur und -verwendung, insbesondere wie Sprache von ihren Benutzern gestaltet und funktional eingesetzt wird. Thorsten T RIPPEL s Artikel zu „Lexicography“ behandelt neben definitorischen Klärungen zum Begriff „lexicon“ den Einsatz von Korpora als Datenquelle und setzt sich mit verschiedenen Beschreibungsansätzen zu Strukturen des Lexikons auseinander. S. G RAMLEY führt in seinem Beitrag über „English for specific purposes (ESP)“ in unterschiedliche, für ESP einschlägige Textfunktionen ein, benennt fachsprachliche Charakteristika auf der morpho-syntaktischen (Nominalisierung, Passiv) und lexikalischen Ebene und exemplifiziert anhand von „Legal English“ und „The English of air traffic control“ einige Spezifika fachsprachlicher Verwendungen. Lorenz S ICHELSCHMIDT („Empirical methods: From words to numbers and back again“) stellt ein Modell empirischer Forschung vor, erläutert in diesem Zusammenhang Begriffe wie Theorie, Hypothese und Beobachtung und befasst sich mit unterschiedlichen Datentypen. Maik S TÜHRENBERG s Artikel zu „Approaches to Texts - Text Technology“ bietet eine Einführung in elektronische Texte, HTML und Hypertexte. V. G RAMLEY s Artikel zu „Forensic linguistics“ beginnt mit einer Gegenstandsbeschreibung und einer Verortung von FL im Kontext der Angewandten Linguistik. Es werden weiterhin verschiedene Anwendungsfelder exemplifiziert wie Sprechererkennung, „voice printing“, Handschriftenanalyse, Autorenidentifizierung und Plagiat. Der Beitrag von Ralf S CHNEIDER zu „Metaphor“ verdeutlicht, dass Metaphern nicht nur ein Gegenstand der Literaturwissenschaft sind, sondern auch für das Verstehen von Alltagskommunikation eine wichtige Grundlage bereitstellen können. „Translation“ von Bernd S TEFANINK liefert eine gut strukturierte und verständliche Übersicht zu Basisfragen der Übersetzung sowie unterschiedlichen Ansätzen des Übersetzen bzw. der Übersetzungswissenschaft und ihrer Leistungen für die Übersetzungspraxis. Part IV vereint Beiträge, die den Fokus auf die „language community“ bzw. „language communities“ legen und Fragen der sprachlichen Variation und deren Ursachen nachgehen. S. G RAMLEY s „Language variation: dialects“ befasst sich mit verschiedenen Typen sprachlicher Variation und exemplifiziert diese anhand von regionalen und nationalen Varietäten, sozialer Schicht und Bildung, Ethnizität, Alter und Geschlecht. V. G RAMLEY s „Sign language and deaf communities“ knüpft an ihren Beitrag aus Part II an. Werner K UMMER s „Language planning and policy“ befasst sich in seinem materialgestützten Beitrag mit ausgewählten Beispielen von Sprachpolitik in verschiedenen Ländern und legt dabei einen Schwerpunkt auf die Herausbildung von „Standard English“. Der Beitrag von V. G RAMLEY zu „Bilingualism“ befasst sich mit der Definitionsproblematik des behandelten Phänomens, verschiedenen Typen von Bilingualismus sowie mit der 270 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 1 Guy C OOK : Applied Linguistics. Oxford: Oxford University Press 2003. Theo H ARDEN : Angewandte Linguistik und Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Narr 2006; M. A. K. H ALLIDAY : An Introduction to Functional Grammar. London: Edward Arnold 1985; Robert A. K APLAN : The Oxford Handbook of Applied Linguistics. Oxford: Oxford University Press 2005; Karlfried K NAPP [et al.] (Hrsg.): Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch (mit CD-ROM). 2. erw. und überarbeitete Auflage Tübingen: Francke 2007. 38 (2009) kulturellen Situation von Bilingualen. S. G RAMLEY s anschließender Beitrag beschäftigt sich mit den Ursachen und Kontexten von „Code-switching“ und tut dies insbesondere vor dem Hintergrund der „communication accommodation theory“. Der Beitrag von Julia A NDRES über „Code switiching in Latina literature“ ergänzt den vorangehenden von S. Gramley, ist aber in einem Einführungsband in die AL nicht richtig platziert. Der Band schließt mit einem informativen und kompakten Beitrag von S. G RAMLEY zu „Cross-cultural pragmatics: politeness“. Die in diesem Band vereinigten Beiträge können als Ausdruck einer positiven Bereitschaft von 16 Linguisten/ -innen einer Fakultät mit unterschiedlichen linguistischen Schwerpunkten gewertet werden, für ein gemeinsames Projekt zur Verbesserung der angewandt-linguistischen Lehre zusammenzuarbeiten. Die Artikel sind insgesamt und für sich genommen linguistisch interessant und kompetent bearbeitet. Ob sie allerdings alle für eine Einführungsveranstaltung in die Angewandte Linguistik geeignet sind, erscheint fraglich. Während die Beiträge von Part I und IV größtenteils den erforderlichen didaktischen Ansprüchen einer Einführung genügen, trifft dies nur für eine kleine Minderheit der verbleibenden Beiträge zu, da sie zu viel voraussetzen, sehr inhaltsorientiert vorgehen und nicht ausreichend auf die studentischen Adressaten bezogen sind. Man kann darüber streiten, ob die Kapitel eines Einführungsbuches eine einheitliche Struktur haben sollten oder nicht. Es wäre allerdings einiges erreicht, wenn die Autoren erläutern würden, wie ihr jeweiliges Thema in die Angewandte Linguistik hineinpasst. Einige Autoren haben dies getan, die meisten allerdings nicht. Wie diese Uneinheitlichkeit zustande kommt, bleibt unklar, zu rechtfertigen ist sie nicht. Positiv ist hervorzuheben, dass jedes Kapitel mit „Exercises“ schließt, so dass der dargebotene Stoff noch einmal veranschaulicht und vertieft werden kann. Die Herausgeber heben in ihrem Vorwort mit Verweis auf H ALLIDAY (1985) hervor, dass es schwierig sei, den Gegenstandsbereich der Angewandten Linguistik festzulegen: „The definition of AL and, consequently, of just what areas belong to it is far from clear.“ Auch wenn diese Fragen bis heute nicht umfassend geklärt sind, wäre es wünschenswert gewesen, dem vorliegenden Band ein Kapitel zur Geschichte und zum Gegenstandbereich der AL voranzustellen. Weiterhin überrascht, dass einschlägige Publikationen wie beispielsweise die von C OOK (2003), K APLAN (2005), H ARDEN (2006) und K NAPP [et al.] ( 2 2007) 1 von den Herausgebern überhaupt nicht genannt werden. Ebenso schwer ist nachvollziehbar, dass in dem gesamten Band weder die Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) noch die Association Internationale de Linguistique Appliquée erwähnt werden. Immerhin fand 2008 der AILA-Weltkongress in Essen statt. Das Fazit der Besprechung ist somit gemischt: Während ein Teil der Beiträge mit Gewinn in Einführungsveranstaltungen verwendet werden kann, gilt dies für den verbleibenden weniger. Allerdings würde der Umfang des besser geeigneten Teils durchaus ausreichen, um das Seminarprogramm eines einsemestrigen Kurses in die AL zu bestreiten. Braunschweig C LAUS G NUTZMANN Neuerscheinungen Eingegangene Bücher 271 * Das Sternchen (*) hinter einem Buch verweist auf den Rezensionsteil. Ein doppeltes Sternchen (**) deutet an, dass eine Besprechung für den Jahrgang 39 (2010) vorgesehen ist. 38 (2009) Eingegangene Bücher * B IEBRICHER , Christine: Lesen in der Fremdsprache. Eine Studie zu Effekten extensiven Lesens. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 328 S. B LELL , Gabriele / K UPETZ , Rita (Hrsg.): Fremdsprachenlehren und -lernen. Prozesse und Reformen. Frankfurt/ M. [etc.]: Peter Lang 2008 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert; Bd. 14), 193 S. (*) B UTZKAMM , Wolfgang / C ALDWELL , John A. W.: The Bilingual Reform. A Paradigm Shift in Foreign Language Teaching. Tübingen: Narr 2009 (narr studienbücher), 260 Seiten. (**) D LASKA , Andrea / K REKELER , Christian: Sprachtests. Leistungsbeurteilungen im Fremdsprachenunterricht evaluieren und verbessern. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, VIII + 195 S. (**) D UDEN . Die deutsche Rechtschreibung. 25., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln. Mannheim [etc.]: Dudenverlag 2009 (Duden Band 1), 1216 S. [im Medienpaket mit: ] D UDEN . Korrektor kompakt. Die Duden-Rechtschreibprüfung für Microsoft Office und Works. Version 6.0. CD-ROM für Windows. Mannheim: Bibliographisches Institut 2010. G RAMLEY , Stephan / G RAMLEY , Vivian (eds.): Bielefeld Introduction to Applied Linguistics. A Course Book. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2008 (The Bielefeld English and American Studies; vol 1), xii + 392 S. (*) H ANDWERKER , Brigitte / M ADLENER , Karin: Chunks für DaF. Theoretischer Hintergrund und Prototyp einer multimedialen Lernumgebung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache; 23), 140 S. + DVD. (*) Hä? ? Jugendsprache unplugged 2009. Deutsch Englisch Spanisch Französisch Italienisch. Berlin/ München: Langenscheidt 2009, 160 S. L ANDESSTIFTUNG B ADEN -W ÜRTTEMBERG in Zusammenarbeit mit Michael L EGUTKE und Marita S CHOCKER - VON D ITFURT (Hrsg.): E-LINGO. Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens. Erfahrungen und Ergebnisse mit Blended Learning in einem Masterstudiengang. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 209 S. L ANGENSCHEIDT C OLLIN e-Großwörterbuch Englisch. Englisch - Deutsch, Deutsch - Englisch. CD- ROM Version 5.0. Berlin & München: Langenscheidt. H AUDECK , Helga: Fremdsprachliche Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers. Eine qualitative Studie zu Lernstrategien und Lerntechniken in den Klassenstufen 5 und 8. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 384 S. (*) M ARTINEZ , Hélène: Lernerautonomie und Sprachenlernverständnis. Eine qualitative Studie bei zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern romanischer Sprachen. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 383 S. (*) R EIMANN , Daniel: Italienischunterricht im 21. Jahrhundert. Aspekte der Fachdidaktik Italienisch. Stuttgart: ibidem 2009 (Romanische Sprachen und ihre Didaktik; Band 21), 354 S. (**) S CHMENK , Barbara: Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 448 S. (*) S CHELLER , Julija: Animationen in der Grammatikvermittlung. Multimedialer Spracherwerb am Beispiel von Wechselpräpositionen. Münster: Lit Verlag 2008 (Kommunikation und Kulturen; Band 7), XIII + 287 S. 38 (2009) Vorschau auf Jahrgang 39 (2010) von FLuL Der von Claus G NUTZMANN (TU Braunschweig) und Frank G. K ÖNIGS (Universität Marburg) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 39 (2010) trägt den Titel „Geschichte des Fremdsprachenunterrichts“. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Claus G NUTZMANN (TU Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Universität Marburg): Zur Einführung in den Themenschwerpunkt. Herbert C HRIST (Universität Gießen, emer.): Literatur im Französischunterricht der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Daniel C OSTE (Paris): Les langues entre elles : quelques aspects des concurrences et convergences dans les projets éducatifs. Sabine D OFF (Universität Bremen): Kernideen der Englischdidaktik in den 1970er und 1980er Jahren: Eine konzeptuelle Analyse auf der Grundlage von Standardwerken. Stefan E TTINGER (Universität Augsburg): Die Integration der Phraseme in den sprachpraktischen Unterricht. Anmerkungen zu einem Lernwörterbuch von A. Martin und F. Leroy, Les idiotismes et les proverbes de la conversation allemande, Paris 1914. Claus G NUTZMANN , Nadine S ALDEN (TU Braunschweig): Lernerbilder in der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts. Friederike K LIPPEL (Universität München): Sprache, Literatur, Lehrerbildung: die Leistungen von Ludwig Herrig und Hermann Breymann im Prozess der Professionalisierung [Arbeitstitel]. Frank G. K ÖNIGS (Universität Marburg): Gibt es eine Mythenbildung in der Fremdsprachenforschung? Franz-Joseph M EI ß NER (Universität Gießen): Mehrsprachigkeitsdidaktik avant la lettre? Ein Streifzug durch die Werke der Sprachmeister. Jürgen M ERTENS (PH Ludwigsburg): Das Vokabelverzeichnis in gymnasialen Französischlehrwerken von 1945 bis 2010 - Form, Funktion und Inhalt. Marcus R EINFRIED (Universität Jena): Zwischen wörtlichem und sinngemäßem Verstehen: Muttersprachenbasierte Lehrmethoden in der Fremdsprachenvermittlung des 19. und 20. Jahrhunderts. Claudia R IEMER (Universität Bielefeld): Fremdsprachenforschung und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: gemeinsame und spezifische Entwicklungslinien. Konrad S CHRÖDER (Universität Augsburg): Zur Begründung und zu den Zielen von Englischunterricht im 18. Jahrhundert. Vorschau auf Jahrgang 40 (2011) von FLuL Ab Jahrgang 40 (2011) wird die Zeitschrift in äußerlich veränderter Form zweimal jährlich mit einem Umfang von jeweils 148 Seiten erscheinen, wobei die inhaltliche Struktur (d.h. Themenschwerpunkt, Nichtthematischer Teil, Pro und Contra, Rezensionsteil) weitestgehend beibehalten wird. Für die beiden ersten Hefte sind folgende Themen geplant: 40.1 Fremdsprachforschung im internationalen Kontext 40.2 Lehrwerke I n f o r m a t i o n e n V o r s c h a u
