Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2011
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Gnutzmann Küster Schramm(Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung Koordination: Jürgen K URTZ J ÜRGEN K URTZ Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ............................................................ 3 E NGELBERT T HALER Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft ....................................... 15 O TFRIED B ÖRNER , C HRISTOPH E DELHOFF , K ARLHEINZ R EBEL , T ORBEN S CHMIDT , K ONRAD S CHRÖDER Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen ............................................................................................................ 31 G RIT M EHLHORN , H EIKE W APENHANS Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache ...... 49 A NDREAS G RÜNEWALD Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken .................................................................................................. 64 H ÉLÈNE M ARTINEZ Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch: Zwischen Tradition und Innovation .......................................................................... 83 B RITTA H UFEISEN Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen - Vorstellung einiger konkreter Beispiele ................................................................ 106 M ARKUS B OHNENSTEFFEN Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage............................................................................... 120 40. Jahrgang (2011) • Heft 2 Herausgeber: Claus G NUTZMANN (Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Marburg), Lutz K ÜSTER (Berlin) © 2011 Narr Francke Attempto Verlag www.narr-shop.de | Zeitschriften 40 (2011) • Heft 2 P r o u n d C o n tr a : S i n d F e h l e r für d i e B e w e rt u n g o u t ? 134 B u c h b e s pr e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rtik e l Olaf J ÄKEL : The Flensburg English Classroom Corpus (FLECC). Flensburg: Flensburg University Press 2010 (R OLF K REYER ) ................................................................................... 136 Markus B OHNENSTEFFEN : Fehler-Korrektur. Lehrer- und lernerbezogene Untersuchungen zur Fehlerdidaktik im Englischunterricht der Sekundarstufe II. Frankfurt/ M.: Lang 2010 (K ARIN K LEPPIN ) ........................................................................................................... 139 Karlfried K NAPP , Barbara S EIDLHOFER (eds.): Handbook of Foreign Language Communication and Learning. Berlin: Mouton de Gruyter 2009 (D IRK S IEPMANN ) .............. 141 In f o r m a ti o n e n • V o r s c h a u 145 40 (2011) • Heft 2 © 2011 Narr Francke Attempto Verlag J ÜRGEN K URTZ * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt „Wir wollen nicht mehr gemeinsam über papierne Gipfel hetzen müssen. Das echte Lernen soll wieder in unseren Schulen heimisch werden […]“ (Martin W AGENSCHEIN 1965: 19) . Der vorliegende Themenband befasst sich mit der lehrwerkgestützten Vermittlung und Aneignung von Fremdsprachen in der Schule. 1 Ausgehend von der Beobachtung, dass es in der Alltagspraxis des fremdsprachlichen Unterrichts in Deutschland, vor allem in der Sekundarstufe I, nach wie vor weithin üblich ist, Lehrwerke zu verwenden, um Lernprozesse in Richtung der in den Bildungsplänen der einzelnen Bundesländer formulierten fächerübergreifenden und fachspezifischen Zielsetzungen und Lernerwartungen in Gang zu bringen und über mehrere Schuljahre hinweg systematisch zu begleiten und zu fördern, werden drei für die Lehrwerkforschung gleichermaßen wichtige Erkenntnisgebiete in den Blick genommen: Lehrwerkkritik/ -analyse, Lehrwerkverwendung und Lehrwerkentwicklung. In der gegenwärtigen fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung 2 , wie z.B. auch in der erziehungswissenschaftlichen Schulbuchforschung, die in diesem Kontext * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Jürgen K URTZ , Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Anglistik, Didaktik der englischen Sprache, Otto-Behaghel-Straße 10 B, 35394 G IEßEN . E-Mail: juergen.kurtz@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Mündliche Interaktion im Englischunterricht (Forschungsschwerpunkt: Improvisation in strukturierten Lernumgebungen), Lehrwerkforschung, Englischunterricht an Ganztagsschulen, Englischlehrerbildung. 1 Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Nora B ENITT , Ilse B RAUN , Anneki M ÜTZE und Kathy VAN N ICE für die wertvolle Unterstützung bedanken, die sie mir bei der Koordinierung und Realisierung dieser Ausgabe von Fremdsprachen Lehren und Lernen gaben. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Themenband ausschließlich die generische maskuline Form als zusammenfassende Bezeichnung für männliche und weibliche Personen verwendet. 2 Der Begriff der fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung wird hier in einem sehr weiten, mehrere wissenschaftliche Disziplinen (u.a. auch die Sprachlehrforschung und die Zweitsprachenerwerbsforschung) und verschiedene lehrwerkbezogene Erkenntnisinteressen und Forschungsansätze (systematische, historische, hermeneutische, empirische, qualitative, quantitative, etc.) umfassenden Sinne gebraucht. (vgl. hierzu zum Beispiel die Arbeiten von/ in A NSARY / B ABAII 2002; B AUSCH [et al.] 1999; W. B ÖRNER / V OGEL 1999; B REITUNG / L ATTARO 2001; B RILL 2005; C RAWFORD 2006; F ERY / R ADDATZ 2000; F REUDENSTEIN 2001; H ARWOOD 2010; H Aß 2006: 257f; H EUER 1971; H EUER / M ÜLLER 1973, 1975; H EUER / M ÜLLER / S CHREY 1970; H ÜLLEN / L ÖRSCHER 1979; H UTCHINSON / T ORRES 1994; K IEWEG 1998; K AST / N EUNER 1994; K IFFE 1999; K RUMM / O HMS -D USZENKO 2001, K URTZ 2001a, 2001b, 2002, 2010; L EUPOLD 1992; L ÖSCHMANN / L ÖSCHMANN 1989; M C G RATH 2006; M EDDINGS / T HORNBURY 2009; M ÜLLER 2004; N EUNER 1979, 2007; N IEWELER 2010a, 2010b; N OLD 1998; P IEPHO 1979, 1989; R EISENER 1978; R ÖSLER 1992; S AUER 1964, 1971; S CHMELTER 2011; S CHRÖDER 1975; S ERCU 2004; S HELDON 1988; T OMLINSON 1998, 2008; T HALER 2004; V ENCES / F REUDENSTEIN 2002; W ESTHOFF 1984; W ILLIAMS 1983). L e hrw e rkkritik , L e hrw e rk v e rw e n d u n g , L e hrw e rk e nt wi c klu n g 4 Jürgen Kurtz 40 (2011) • Heft 2 keineswegs außer Acht gelassen werden sollte 3 , stehen diese drei, zum Teil noch vollkommen unzureichend untersuchten Erkenntnisgebiete (hier vor allem die empirische Erforschung der konkreten Verwendung bzw. Nutzung von Lehrwerken innerhalb und außerhalb des Fremdsprachenunterrichts 4 ), weitgehend unverbunden nebeneinander. So mangelt es bis heute an multiperspektivisch, hermeneutisch und/ oder empirisch angelegten Untersuchungen und darauf aufbauenden Theorieansätzen, die den komplexen Zusammenhang von Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung und Lehrwerkentwicklung und die sich daraus ergebenden Fragen und Probleme systematisch aufeinander zu beziehen, zusammenzuführen und integrativ weiterzuentwickeln suchen (vgl. hierzu auch bereits Bausch [et al.] 1999). 5 S ERCU (2004: 628) fasst den Stand der Lehrwerkforschung in den Wissenschaften, die sich mit dem Lehren und Lernen fremder/ weiterer Sprachen befassen, in der Routledge Encyclopedia of Language Teaching and Learning folgendermaßen zusammen: „As yet, there is no universally recognised theory of the textbook. Empirically, too little is known about how and when teachers use textbooks; how textbooks influence the learning process in comparison with other instructional materials; what research instruments are most reliable in the field of textbook research; how visual materials influence the learning process; how effective textbooks are in transmitting knowledge or promoting the acquisition of independent learning skills, to give but a few examples“. 6 Über die Ursachen und Gründe, warum die tatsächlichen Verwendungsweisen von Lehrwerken in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts in der Forschung bislang nur 3 Vgl. hierzu zum Beispiel: B RÜNKEN / L EUTNER (2008), F UCHS / K AHLERT / S ANDFUCHS (2010), H EINZE (2010), H EITZMANN / N IGGLI (2010), M ATTHES / H EINZE (2003, 2004, 2005, 2006, 2007), V OLLSTÄDT (2003), W IATER (2003); darüber hinaus sei hier auch auf die nicht in allen Facetten und Details darstellbare langjährige Arbeit des G EORG -E CKERT -I NSTITUTS FÜR I NTERNATIONALE S CHULBUCHFORSCHUNG in Braunschweig verwiesen. 4 Ich möchte mich diesbezüglich für die Verwendung des Begriffs der Lehrwerkverwendungsforschung aussprechen, der mir in Anbetracht der Faktorenkomplexion des Lehrwerkeinsatzes im fremdsprachlichen Unterricht besser geeignet zu sein scheint als der hierfür übliche Begriff der Lehrwerkwirkungsforschung. Die Wirkungen und Nebenwirkungen, die von einem Lehrwerk als Unterrichtsmedium ausgehen können, lassen sich eben nicht allein an der Qualität des Mediums festmachen. Es bedarf vielmehr der Einbeziehung aller Aspekte, die bei der Verwendung Einfluss auf das konkrete Lern- und Lerngeschehen nehmen können - im Sinne von B UTZKAMM (2005: 93): „[…] Fremdsprachenunterricht muss mehr sein als Schulbuchunterricht […]“. 5 Nach meinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen unterscheidet sich der wissenschaftliche Diskurs diesbezüglich ganz erheblich von den Gesprächen, die praktizierende Lehrkräfte zum Thema ‚Lehrwerk‘ gelegentlich oder anlassbezogen führen. Wenn Fremdsprachenlehrer sich über Lehrwerke austauschen, haben sie vielfach neben Fragen der Lehrwerkkritik und der Verwendbarkeit von Lehrwerken bzw. von einzelnen Lehrwerkinhalten auch die Entwicklung künftiger Lehrwerke mit im Blick, und zwar in dem Sinne, dass sie sich über wünschenswerte Veränderungen, Aktualisierungen und Weiterentwicklungen austauschen (vgl. hierzu auch den Beitrag von B OHNENSTEFFEN in diesem Band). Dies sollte für die Forschung Anlass genug sein, über breiter angelegte, multiperspektivische Untersuchungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Unterricht, Sprachen- und Bildungspolitik, Schuladministration und Verlagswesen nachzudenken. 6 S ERCU (2004) formulierte dies bereits vor einigen Jahren. Ihre Einschätzung ist jedoch nach wie vor zutreffend, wie die Beiträge in diesem Themenband zeigen. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 40 (2011) • Heft 2 eine vergleichsweise geringe Beachtung gefunden haben, lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Darauf soll und muss an dieser Stelle verzichtet werden. Aus historischer Perspektive bleibt in jedem Fall festzuhalten (hier sehr stark komprimiert): Zu Beginn der im Gesamtkontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen in Deutschland betriebenen Lehrwerkforschung ging es im Wesentlichen um die systematische Analyse von Lehrwerken (im Sinne von wissenschaftlich fundierter bzw. damals erst noch wissenschaftlich zu begründender Lehrwerkkritik). 7 In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von H EUER (1971), H EUER / M ÜLLER (1973, 1975) sowie H EUER / M ÜLLER / S CHREY (1970) hervorzuheben. In der Folgezeit entstanden eine Reihe von zunehmend detaillierteren Kriterienkatalogen für die systematische Lehrwerkanalyse (vgl. hierzu zum Beispiel K RUMM / O HMS -D USZENKO 2001; B RILL 2005: 36-44), die nach wie vor für die Lehrwerkentwicklung und die schulische Lehrwerkbeschaffung von Interesse und Wert sind. Aufgrund ihres sehr beachtlichen Facettenreichtums und der damit einhergehenden Komplexität waren und sind diese Kriterienkataloge für Lehrkräfte, die in ihrem beruflichen Alltag in der Regel unter erheblichem Zeit- und Handlungsdruck stehen, allerdings nur bedingt verwertbar bzw. in allen Details abzuarbeiten. Ob und inwieweit sie von Lehrkräften tatsächlich genutzt wurden bzw. werden, um Entscheidungen in Bezug auf die Sinnhaftigkeit, die Brauchbarkeit und die Nützlichkeit bestimmter Lehrwerkinhalte (bzw. deren Stufung und Sequenzierung; vgl. hierzu bereits S AUER (1964, 1971); aber auch B ÖRNER [et al.] und T HALER in diesem Band) im Rahmen der Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht zu treffen - handlungspraktisch wichtige Kriterien, die wissenschaftlich bislang unterbeachtet geblieben sind -, lässt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung kaum abschätzen. Als vorläufig gesichert gelten heute vor allem die folgenden Erkenntnisse und Einsichten: - Lehrwerke sind als Konvergenzpunkte der vielschichtigen Diskussionen, die um sie in unterschiedlichen Zusammenhängen geführt wurden und weiterhin geführt werden bzw. als ‚Schnittpunkte aller Bedingungen, die Unterricht konstituieren‘ (vgl. Wolff 2009: 192) zu begreifen. - Lehrwerke lassen sich zwar als Ausdruck einer bestimmten historischen Epoche betrachten, jedoch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie vielfach auf einem Mix von älteren und neueren, traditionellen und aktuellen Vorstellungen, Überzeugungen und Erkenntnissen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen basieren. - Als zeitlich versetzte ‚Materialisierungen‘ gesellschafts-, bildungs- und sprachenpolitischer, pädagogischer, fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher, medientechnologischer und medienpädagogischer, kommerzieller (u.a.m.) Überlegungen 7 Zur den vornehmlich in den 1980er und 1990er Jahren geführten Diskussionen zur Systematisierung und Ausdifferenzierung der fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung vgl. zusammenfassend B RILL (2005: 33-45). Da die seinerzeit diskutierten Überlegungen und Vorschläge (zum Beispiel zur Unterscheidung von Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse) allenfalls in Ansätzen konsensfähig waren und sind, soll in diesem Rahmen auf eine nähere Betrachtung verzichtet werden. 6 Jürgen Kurtz 40 (2011) • Heft 2 und Entwicklungen, Erfahrungen und Erkenntnisse, Prinzipien, Positionen und Intentionen, Theorien und Modelle, Werte und Normen, Ansprüche und Forderungen, die sich ständig im Fluss befinden, bedürfen sie der fortlaufenden Überprüfung, Überarbeitung, Weiter- und Neuentwicklung (vgl. hierzu auch W IATER 2003 sowie F UCHS / K AHLERT / S ANDFUCHS 2010). - Lehrwerke sollen der Unterstützung und Förderung fremdsprachlicher Lehr-/ Lernprozesse dienlich sein. Dies ist ihre instrumentelle Kernfunktion. Darüber hinaus kommt ihnen aber auch eine nicht zu unterschätzende normative Funktion zu (vgl. hierzu zum Beispiel Q UETZ 1999). Da sie „Zugang zu bestimmten Realitäten“ schaffen und „diese in ausgewählter Form“ repräsentieren (H EITZ - MANN / N IGGLI 2010: 10), wirken sie mehr oder minder ‚steuernd‘ auf den Fremdsprachenunterricht ein. In welcher Form genau bzw. im Einzelnen, ist derzeit noch weitgehend ungeklärt. 8 - Heutige Lehrwerke sind zumeist hoch komplexe Medienverbundsysteme, die Informationen „in unterschiedlichen Kodierungsformen und Modalitäten“ (B RÜNKEN / L EUTNER 2008: 551) enthalten, wobei allerdings das Lehrbuch (bzw. das Schülerbuch) als Schriftmedium nach wie vor im Mittelpunkt des schulischen Lehrens und Lernens von Fremdsprachen steht. - Beim Umgang mit dem fremdsprachlichen Lehrwerk ist als übergreifende Leitidee zu berücksichtigen: „Optimale Lehrwerkverwendung bedeutet nicht maximale Lehrwerkbindung“ (K URTZ 2001a: 43; 2010: 156). M C E LROY hatte hierzu bereits vor achtzig Jahren festgestellt: „The textbook is decidedly not the sole condition of an effective class; quality of teaching is more important“ (1934: 5). 9 Hinsichtlich der konkreten Verwendung von Lehrwerken in der Unterrichtspraxis erscheint es überdies gerechtfertigt zu sein, drei Lehrertypen grob bzw. vorläufig zu unterscheiden (vgl. hierzu H Aß 2006: 243, K URTZ 2010: 151 sowie auch T HALER in diesem Band): a) Lehrkräfte, die sich voll und ganz an das jeweils eingeführte Unterrichtswerk und die dort vorgefundene sprachliche und inhaltliche Progression halten, die das Lehrwerk im Kern also als ein vorgegebenes Lehrprogramm betrachten, dass sie möglichst genau abzuarbeiten suchen, um (vermeintlich) sicher zu gehen, die im Lehrplan und in den Bildungsstandards formulierten Erwartungen an die zu entwickelnden zielsprachlichen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen der Schüler ‚zu erfüllen‘. 8 H EITZMANN / N IGGLI (2010: 14) führen hierzu weitergehend aus: „Schulbücher sind oft als Umsetzungsbeispiele abstrakter Lehrplaninhalte konzipiert und werden von den Lehrpersonen so verstanden und genutzt. In diesem Sinne sind sie oft ein ‚heimlicher Lehrplan‘“ (vgl. hierzu weitergehend auch bereits: M ATTHES / H EINZE 2005 sowie T HALER in diesem Band). 9 Ergänzend sei hier angemerkt, dass im Rahmen der Delphi-Studie zur zukünftigen Bedeutung und Entwicklung von Lehrwerken viele der befragten Experten „deutliche Zweifel […]“ daran äußerten, „dass […] die schon jetzt vorhandenen Lehr- und Lernmedien im schulischen Alltag effektiv genutzt werden“ (V OLLSTÄDT 2003: 79). Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 40 (2011) • Heft 2 b) Lehrkräfte, die das jeweils vorhandene Unterrichtswerk als eine sinnvolle Sammlung von Inhalten, Aufgaben, Übungen etc. ansehen, die sich im Kern also an der Systematik des einführten Lehrwerks orientieren, die jedoch auch auf einige Lehrwerkangebote verzichten und stattdessen ggf. andere Materialien und Medien in den Unterricht mit einbeziehen. c) Lehrkräfte, die sich im Wesentlichen an der Systematik des jeweils verwendeten Unterrichtswerks (als Spiegelung der Bildungsstandards und des Lehrplans) orientieren, die aber über weite Strecken Materialien und Medien einsetzen, die sie selbst erstellt oder (zum Beispiel auch aus anderen Lehrwerken) zusammengestellt haben. Noch mangelt es an empirischen Studien, die es erlauben könnten, genauere Aussagen darüber zu machen, ob es nicht ggf. noch weitere lehrertypische Verwendungsweisen von Lehrwerken gibt und welche individuellen Verwendungsbzw. Verwertungsweisen von Lehrwerken in der Alltagspraxis letztlich überwiegen. Es ist auf aufgrund bisheriger Erfahrungen und Erkenntnisse in diesem Bereich aber anzunehmen, dass es sich hierbei um die Typen a) und b) handelt. 10 Im Ganzen betrachtet wird sich die Schulbuchforschung/ Lehrwerkforschung nach H EITZMANN / N IGGLI in den kommenden Jahren vor allem mit dem Folgenden auseinanderzusetzen haben: Angesichts der Entwicklungen der letzten 50 Jahre ist zu fragen, wie vertiefte Erkenntnisse zu Wissenskonstruktion und Lernprozessen, eine neue Lernkultur mit anderen Lehrer- und Schülerrollen, neue technologische Möglichkeiten der Kommunikation und die Herausforderungen einer globalisierten Welt die Funktion von Lehrmitteln verändern bzw. wie Lehrmittel verändert werden müssen, um unter diesen neuen Rahmenbedingungen ihre didaktische Unterstützungsfunktion wahrnehmen zu können (2010: 7). Dies einbeziehend, fremdsprachendidaktisch konkretisierend und im Sinne der eingangs genannten drei Dimensionen der Lehrwerkforschung weiter auffächernd, stehen fünf Fragenkomplexe im Mittelpunkt des vorliegenden Themenbandes: 1. Wie stellen sich heutige Lehrwerke für das Lehren und Lernen fremder Sprachen in der Schule dar, und wie überzeugend gelingt es ihnen, den gegenwärtigen gesellschaftlichen und technologischen Wandlungsprozessen (postnationale Kon- 10 Hiervon ausgehend die Frage aufzuwerfen, welche Lehrkräfte womöglich ‚besser‘, effektiver oder effizienter unterrichten, wäre jedoch höchst problematisch. Denn Erfolge oder Misserfolge beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen in der Schule lassen sich nicht allein oder vorrangig daran festmachen, ob ein bestimmtes Lehrwerk zur Verwendung kommt oder nicht. Da Fremdsprachenunterricht ein äußerst komplexes, von einer breiten Palette von verschiedenen Einflussfaktoren abhängiges Geschehen ist, wäre es unangebracht, dem Lehrwerk eine solche Bedeutung beizumessen bzw. es in seiner Bedeutung derart zu überschätzen. In Anbetracht der Rahmenbedingungen, unter denen der schulische Fremdsprachenunterricht stattfindet, wäre es aber gleichermaßen unangebracht, für eine radikale Abkehr vom Lehrwerk zu plädieren, d.h. es in seiner Bedeutung derart zu unterschätzen (vgl. die darauf hinauslaufenden Forderungen der Dogme- Bewegung; siehe zusammenfassend hierzu T HALER 2004 bzw. die diesbezüglichen Überlegungen in F REU - DENSTEIN 2001, V ENCES / F REUDENSTEIN 2002; vgl. als Gegenposition aus der Grundschulperspektive auch S CHMID -S CHÖNBEIN / K URTZ / S AUER 2011). 8 Jürgen Kurtz 40 (2011) • Heft 2 figuration Europas, Globalisierung, Mobilität, Migration, Mehrsprachigkeit, kulturelle Diversität und Hybridität, ‚digitales Zeitalter‘) zu entsprechen? 2. Inwiefern und auf welche Art und Weise versuchen sie der derzeitigen bildungspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion um mehr Verbindlichkeit im Bildungswesen (Kompetenz-, Standard-, Ergebnisorientierung) gerecht zu werden? 3. Inwieweit haben seit einigen Jahren bereits diskutierte, gleichwohl immer noch als ‚innovativ‘ zu bezeichnende fremdsprachendidaktische Unterrichtsansätze und -konzepte (z.B. task-based bzw. task-supported language instruction and learning, culture-sensitive foreign language education, integrated skills development, u.a.m.) Eingang in aktuelle Lehrwerke gefunden? 4. Was denken Lehrende und Lernende über das von ihnen genutzte Lehrwerk? Wie gehen sie mit dem jeweils verwendeten Lehrwerk um? Welche Wünsche, Ansprüche und Forderungen verbinden sie mit dem Lehrwerk bzw. dem Umgang mit ihm in der unterrichtlichen Alltagspraxis und darüber hinaus? 5. Wie ist es in Anbetracht dessen um die Zukunft der Lehrwerke im Fremdsprachenunterricht bestellt? Wie müssen sie weiterentwickelt werden, um eine Zukunft zu haben? In der vorliegenden Ausgabe von Fremdsprachen Lehren und Lernen werden diese Fragen - dem aktuellen Stand der fremdsprachendidaktischen Diskussion und Forschung entsprechend - einerseits unter sprachspezifischen, andererseits unter sprachenübergreifenden Gesichtspunkten diskutiert (vgl. hierzu weiterführend B AUSCH [et al.] 2008). Der Blick richtet sich dabei auf eine Vielzahl von in Deutschland entwickelten bzw. hier derzeit gebräuchlichen Lehrwerken für Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, sowie auch auf Unterrichtsmaterialien für Sprachenübergreifendes Lernen, vornehmlich bezogen auf die Sekundarstufen I und II, aber auch auf die Erwachsenenbildung. Für die Weiterentwicklung des Lehrens und Lernens fremder/ weiterer Sprachen in der Schule wäre es von großer Bedeutung, wenn die in diesem Band zusammengeführten einzelsprachendidaktischen (englisch-, französisch-, spanisch- und russischdidaktischen) sowie mehrsprachigkeitsdidaktischen Überlegungen und Untersuchungsergebnisse zum Anlass genommen würden, sich künftig noch wesentlich intensiver mit der Konzipierung und Qualität, Verwendung und Optimierung von Lehrwerken zu befassen. Zu den Beiträgen im Einzelnen: E NGELBERT T HALER (Universität Augsburg) fasst in seinem Beitrag „Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft“ zunächst den aktuellen Stand der Diskussion zur Bedeutung, Funktion und Verwendung von Lehrwerken im schulischen Fremdsprachenunterricht zusammen. Daran anknüpfend identifiziert und veranschaulicht er anhand von zwei aktuellen, exemplarisch ausgewählten Lehrwerken für den Englischunterricht in den Sekundarstufen I und II wesentliche Entwicklungstrends der letzten Jahre. Einen plausiblen Lösungsansatz für die vielschichtigen Herausforderungen und Probleme, die er auf dieser Grundlage ermittelt, sieht er im Konzept des Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 40 (2011) • Heft 2 balanced teaching, das er unlängst umfassend dargestellt hat (vgl. hierzu weiterführend T HALER 2010). 11 Mit den zentralen Herausforderungen, Fragen und Problemen, denen sich die Lehrwerkforschung in den nächsten Jahren wird stellen müssen, befasst sich auch der von O TFRIED B ÖRNER , C HRISTOPH E DELHOFF , K ARLHEINZ R EBEL , T ORBEN S CHMIDT und K ONRAD S CHRÖDER (The English Academy) erarbeitete Beitrag „Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen“. Den Verfassern geht es dabei zunächst um die Fortschreibung ihrer fachdidaktischen Problemanzeige aus dem Jahre 2007 (vgl. B ÖRNER / E DELHOFF / R EBEL / S CHRÖDER 2008: 350-352). Die Autoren zeigen in der Folge eine Reihe von wichtigen Entwicklungsperspektiven für die Lehrwerkforschung (bzw. für die Arbeit in den Schulbuchverlagen) auf. Der Beitrag beinhaltet des Weiteren einen Kriterienkatalog für ‚gute‘ Lehrwerke aus fremdsprachendidaktischer Sicht, dem einige bedenkenswerte Überlegungen und Einschätzungen von Fremdsprachenlehrinnen und -lehrern zum ‚idealen‘ Lehrwerk (bzw. zum sogenannten Wunschlehrwerk) gegenübergestellt werden. Zusammengenommen verdeutlichen diese beiden, hier an den Anfang gestellten Aufsätze, wie hoch komplex die Ansprüche und Anforderungen und die daraus erwachsenden Entwicklungsaufgaben sind, denen sich die fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung im Großen und Ganzen in den nächsten Jahren zu stellen hat, aber auch wie schwierig es (weiterhin) sicherlich sein wird, dem in den Schulbuchverlagen gerecht zu werden. G RIT M EHLHORN (Universität Leipzig) und H EIKE W APENHANS (Humboldt Universität zu Berlin) nehmen in ihrem Beitrag die aktuelle Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache (ab 2008) unter die Lupe. Im Rahmen ihrer facettenreichen Analyse kommen sie zu dem für alle anderen fremdsprachendidaktischen Disziplinen bedenkenswerten Schluss, dass es durchaus möglich ist, Lehrwerke sprachenverbindend bzw. mehrsprachigkeitsdidaktisch zu konzipieren, und dass dies, hier zunächst auf enger verwandte Fremdsprachen bezogen, in Ansätzen bereits umgesetzt wird. In ihrem Fazit weisen sie auf die zahlreichen Stärken der neuen Lehrwerkgeneration hin, machen aber auch deutlich, dass es dringender Klärung bedarf, wie diese Lehrwerke von Lernenden und Lehrenden im Unterricht konkret eingesetzt werden. A NDREAS G RÜNEWALD (Universität Bremen) geht in seinem Beitrag der Frage nach, inwieweit die Förderung ‚Interkultureller Kompetenz‘ Gegenstand aktueller Lehrwerke für den Französisch- und Spanischunterricht ist. In seine gleichermaßen auf kognitive, kognitiv-attitudinale und handlungsbezogene Aspekte ausgerichtete Analyse bezieht er nicht weniger als fünf ausgewählte Unterrichtswerke für den Französischunterricht an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien (Französisch als zweite Schulfremd- 11 Hierbei handelt es sich um einen Ansatz, der dem unterrichtsfremden ‚Entweder-oder Denken‘, wie es manchen einleitenden Kapiteln fremdsprachendidaktischer Abhandlungen nach wie vor noch zu Grunde liegt, ein der Realwelt des Fremdsprachenunterrichts besser gerecht werdendes, pragmatisches ‚Mehr-oderweniger-Denken‘ gegenüberstellt. 10 Jürgen Kurtz 40 (2011) • Heft 2 sprache), sowie fünf Unterrichtswerke für den Spanischunterricht (Spanisch als Schulfremdsprache und in der Erwachsenenbildung) ein. Er kommt zu dem Schluss, dass in den aktuellen Lehrwerken einerseits durchaus bereits eine starke Tendenz hin zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz zu erkennen ist, dass es anderseits aber immer noch erheblicher Anstrengungen bedarf, um ein Konzept von interkultureller Erziehung in die Lehrwerke zu integrieren, das über die engen Grenzen traditionellen landeskundlichen Lernens und Lehrens hinausweist. Auch H ÉLÈNE M ARTINEZ (Universität Kassel) untersucht in ihrem Beitrag Lehrwerke für den Spanisch- und den Französischunterricht. Dabei befasst sie sich speziell mit Fragen der Kompetenzbzw. der Aufgabenorientierung. In diesem Kontext verweist sie zunächst auf die Anforderungen, denen kompetenzorientierte Lehrwerke gerecht werden müssen. Anschließend geht sie der Frage nach, inwieweit die Leitidee der Kompetenzorientierung bereits Eingang in aktuelle Lehrwerke gefunden hat. Sie verweist in der Folge auf wichtige Entwicklungsperspektiven (z.B. in Bezug auf Aspekte von Lernautonomie und Prozessorientierung) und kommt zu dem Schluss, dass es letztendlich von herausragender Bedeutung ist, die Lehrenden zu befähigen, kritischreflexiv mit Lehrwerken umzugehen. B RITTA H UFEISEN (Technische Universität Darmstadt) befasst sich in ihrem Beitrag mit der Entwicklung von sprachenübergreifenden, d.h. unter mehrsprachigkeitsdidaktischen Aspekten konzipierten, Lehr- und Lernmaterialien für die Sekundarschule. Einleitend fasst sie zunächst wichtige Erkenntnisse der Mehrsprachigkeitsforschung zusammen. Sie unterscheidet und erläutert in diesem Zusammenhang einige zentrale Begriffe (u.a. gesellschaftliche Vielsprachigkeit vs. individuelle Mehrsprachigkeit, individuelle prospektive vs. retrospektive Mehrsprachigkeit). Anschließend stellt sie Lehr- und Lernmaterialien vor, die vor diesem Hintergrund entstanden und bereits erprobt wurden. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass sprachenübergreifendes Lernen und Lehren in Schulen momentan - vor allem auch aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen - zwar nur selten versucht bzw. umgesetzt wird, dass sich eine Beschäftigung mit dieser Thematik aber durchaus lohnen kann und dazu führen könnte, dass sich eine zunehmende Zahl von Lehrenden mit der unterrichtlichen Implementierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Konzepte befasst. M ARKUS B OHNENSTEFFEN (Carolus-Magnus-Gymnasium Marsberg) stellt die Ergebnisse einer informellen Schüler- und Lehrerbefragung zur subjektiv wahrgenommenen Qualität und zur tatsächlichen Verwendung von gymnasialen Englischlehrwerken vor, an der insgesamt 210 Schüler der Jahrgangsstufen 7-9 sowie 20 Lehrerinnen und Lehrer teilnahmen. Der auf die Praxis der Lehrwerknutzung ausgerichtete Beitrag verdeutlicht, wie wichtig es für die Lehrwerkforschung im Speziellen und die Weiterentwicklung einer praxisorientierten Didaktik des fremdsprachlichen Unterrichts im Ganzen ist, sich mit Fragen der konkreten Lehrwerkverwendung zu befassen, um einerseits die Lehrwerke selbst, andererseits den Umgang mit ihnen zu optimieren. Insgesamt verdeutlichen die in diesem Band versammelten Beiträge, wie bedeutend es ist und weiterhin sein wird, sich mit den eingangs genannten, zentralen Bereichen der fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung intensiver zu beschäftigen, um Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 11 40 (2011) • Heft 2 tragfähige Impulse für eine Verbesserung der Qualität des Lehrens und Lernens fremder/ weiterer Sprachen in der Schule geben zu können. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird in Anbetracht der Komplexität fremdsprachenunterrichtlicher Lehr- und Lernprozesse und der derzeit an den Universitäten und Hochschulen für die Lehrwerkforschung zur Verfügung stehenden (sehr begrenzten) Ressourcen sicherlich eine Fokussierung auf einzelne Teilgebiete (i.e. Lehrwerkkritik/ -analyse, Lehrwerkentwicklung, Lehrwerkverwendung) notwendig bzw. unumgänglich sein. Es wäre jedoch einigermaßen naiv anzunehmen, dass sich das in der Regel lehrwerkgestützte Lernen und Lehren von Fremdsprachen auf diesem Wege bereits nachhaltig verändern bzw. optimieren ließe. Arbeitsteilig gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse müssen vielmehr gebündelt und in Beziehung gesetzt werden, um eine Lehrwerktheorie (als Teil einer umfassenden Theorie des schulischen Fremdsprachenunterrichts) entwickeln zu können, die gleichermaßen empirisch fundiert wie konzeptionell überzeugend und zukunftsfähig ist. Darin liegt meines Erachtens die Zukunft der Lehrwerkforschung, der Lehrwerke und ihrer Verwendung. Der vorliegende Band versteht sich als ein (erster/ weiterer) Schritt in diese Richtung. Literatur A NSARY , Hasan / B ABAII , Esmat (2002): „Universal characteristics of EFL/ ESL textbooks: A step towards systematic textbook evaluation“. In: The Internet TESL Journal 8 (2) [available online at http: / / iteslj.org/ Articles/ Ansary-Textbooks.] B AUSCH , Karl-Richard / C HRIST , Herbert / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (1999): Die Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen. Arbeitspapiere der 19. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2008): Fremdsprachenlernen erforschen: sprachspezifisch oder sprachenübergreifend? Arbeitspapiere der 28. 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Beginning with a brief outline of what is presently known about textbook use in EFL classrooms in the current ‘Internet Age’, it goes on to present findings from two case studies that point to emerging trends in textbook development. Pulling these strands together, the paper concludes with some useful insights into the development and use of textbooks and their supplementary materials in the future. 1. Hat das Lehrwerk eine Zukunft? 1.1 Nutzung des Lehrwerks Das Lehrbuch (textbook, pupils‘ book) nimmt als Mittler zwischen ministeriell verordnetem Lehrplan und konkreter Unterrichtsstunde (vor allem in der Sekundarstufe) eine zentrale Rolle ein. Aussagen über die Nutzung des Lehrwerks (coursebook), d.h. des Ensembles aus Lehrbuch für die Schüler plus weiteren für die Lehrkraft oder die Lernenden konzipierten skripturalen, auditiven, visuellen, audiovisuellen und interaktiven Materialien (vgl. auch L EUPOLD 2006: 2), gestalten sich aufgrund der Vielzahl der Komponenten und der unterschiedlichen Struktur dieser Peripherieangebote bei den einzelnen Verlagen als schwierig (vgl. auch K URTZ 2010: 150). Während in der Primarstufe aufgrund anderer Voraussetzungen des früh beginnenden Fremdsprachenunterrichts das Lehrbuch noch nicht die dominierende Stellung einnimmt und es in der Sekundarstufe II wegen veränderter curricularer und didaktischer Bedingungsfaktoren nicht mehr tut, wird in der Sekundarstufe I der Unterricht weitgehend vom Lehrbuch geprägt. Man unterscheidet hinsichtlich der Lehrwerknutzung gewöhnlich drei Lehrertypen (u.a. K URTZ 2010: 151): Typ A hält sich gänzlich an die inhaltliche und sprachliche Progression des jeweils eingeführten Lehrbuchs und arbeitet das Pensum ab. Typ B ergänzt das grundsätzlich akzeptierte Lehrbuch um selbst erstellte und aus anderen Lehrwerken kopierte Materialien. Typ C erstellt die Unterrichtsmaterialien weitgehend selbst oder übernimmt sie aus diversen Lehrwerken. Über die prozentuale Verteilung in praxi gibt es keine verlässlichen empirischen Studien, aber der Typ C kommt eher selten vor. * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Engelbert T HALER , Universität Augsburg, Philologisch-Historische Fakultät, Universitätsstraße 10, 86159 A UGSBURG . E-Mail: thaler@phil.uni-augsburg.de Arbeitsbereiche: Unterrichtsmethodik, Lehrwerkentwicklung, Literatur- und Mediendidaktik 16 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 Zwar relativieren selbst ministerielle Verlautbarungen den Stellenwert des Lehrwerks: „Die Lehrbücher helfen den Lehrkräften bei der fachlichen Umsetzung der Lernziele und Lerninhalte des Lehrplans. […] Sie sind jedoch keine verbindliche Vorgabe für den Unterricht. Die einzelne Lehrkraft entscheidet im Rahmen ihrer Gestaltungsverantwortung, welche Teile des Lehrwerks sie zur Erreichung der Lernziele und zur Vermittlung der Lerninhalte mit den Schülern durchnehmen will“ (I SB 2010). Dennoch nimmt das Lehrbuch die Funktion eines ‚heimlichen Lehrplans‘ ein. Dies wurde auch in einer Analyse von Stoffverteilungsplänen bestätigt, die gemeinsam mit Lehramtsstudierenden der Universität Kassel durchgeführt wurden: Diese Pläne bezogen sich nicht auf den Rahmenplan des Landes, sondern spiegelten exakt den Strukturplan der Lehrbuch-Units des jeweils verwendeten Lehrbuchs wider (F INK - BEINER 1998: 43). Lehrkräfte kennen nun einmal das Lehrbuch genauer als den Lehrplan. 1.2 Kritik am Lehrwerk Trotz oder wegen dieser Dominanz des Lehrbuchs kann die Kritik am Lehrwerk auf eine lange Tradition zurückblicken. Die Debatte, ob man Lehrbücher verwenden sollte oder nicht, geht weit zurück (T HALER 2004) - wenn nicht bis zum Jahre 1658, als C OMENIUS den Orbis Pictus vorlegte, dann doch mindestens bis 1892, als M ANGOLD für den freien mündlichen und gegen den buchgestützten Unterricht plädierte (K URTZ 2001a: 42 ff, folgende Autoren zit. nach ib.). Ob K ARPF (1915 „zeremonielle Langweiligkeit“), S AUER (1963 „sekundäres Unterrichtsmedium“), H EUER (1968 „didaktischer Diktator“), K LIPPEL 1987 „nicht bestes Medium zum Training kommunikativen Sprachhandelns“) oder K URTZ (2001a „Verengung des Blicks für Alternativen“) - an Lehrwerks-Kritikern und metaphorischen Verunglimpfungen hat es zu keiner Zeit einen Mangel gegeben (zu den metaphors/ images im englischen Sprachraum vgl. M C G RATH 2006: 173 ff). Im angloamerikanischen Raum fragte A LLWRIGHT (1981) spöttisch-rhetorisch „What do we need materials for? “ und R INVOLUCRI verhängte das vernichtende Verdikt: „Coursebooks are a human, cultural and linguistic disaster“ (zit. nach H ARMER 2001: 5). Davor hatte sich die neuseeländische Lehrerin A SHTON -W ARNER bereits 1963 in einem pyromanischen Befreiungsakt von der Lehrbuchversklavung verabschiedet: „I burnt most of my infant room material on Friday. I say that the more material there is for a child, the less pull there is on his own resources [...] teaching is so much simpler and clearer as a result. There's much more time for conversation […] communication“ (1963/ 1980: 119). In ihrem provokativen Werk Teaching as a Subversive Activity postulierten P OSTMAN / W EINGARTNER (1969) Ende der sechziger Jahre ein fünfjähriges Moratorium für die Verwendung aller Lehrbücher. Neuen Schub erhielten die Kämpfer gegen das Lehrwerk von T HORNBURY , der zur Jahrtausendwende mit seinem Dogme Approach den auf dem Lehrwerk basierenden Unterricht frontal angriff (T HALER 2004). Aufgrund seiner Erfahrung, wonach das Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 17 40 (2011) • Heft 2 Lehrbuch und die Überfülle zusätzlicher Medien die echte Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernenden sowie zwischen den Schülern untereinander behinderte, forderte er Lehrkräfte auf, Abschied zu nehmen von materials-driven teaching und sich in medialer Bescheidenheit zu üben. Die Zielrichtung einer pedagogy of bare essentials und eines Teaching Unplugged war klar: „Learning takes place in the here and now. Teaching - like talk - should centre on the local and relevant concerns of the people in the room not on the remote world of coursebook characters“ (T HORNBURY 2000: 2). Sowohl das Lehrbuch als auch andere Materialien sollten deshalb nur spärlich eingesetzt werden - denn „coursebooks should not be allowed to become the tail that wags the dog“ (T HORNBURY / M EDDINGS 2002: 36). Lässt man die lange Front der Lehrwerkkritiker Revue passieren, wird man immer wieder mit folgenden Problemen des Lehrbuchgebrauchs konfrontiert (vgl. auch H AR - MER 1983: 219 ff, P ODROMOU 2002, F ERY 2000, T HALER 2008: 149 f): Arguments against using the coursebook Irrelevance Textbooks may not be relevant to the needs of a particular group of learners. Homogeneity Textbooks ignore the heterogeneity of pupils we find in most classrooms. Length Textbooks include texts which may be too long or too short. Difficulty Textbooks include texts which may be too difficult or too easy. Publication Textbooks quickly go out of date. Boredom Textbooks deal with topics that are not interesting, humorous or relevant to pupils. Routine Textbooks can be repetitive (same character, same topic, same format for every unit). Passivities The activities in textbooks do not deserve their name, do not really activate pupils and do not automatically guarantee acquisition of learning input. Bias Textbooks present a middle-class view of reality - sanitized, elitist - and avoid controversial topics or present them in too formalized a way. Dependence Textbooks prohibit the learners’ freedom of choice and act against spontaneity in the classroom. Straitjacket Textbooks threaten the teacher‘s freedom of action. Economic interest Textbooks are merely money-spinners for publishers (T HALER 2008: 149 f). 18 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 1.3 Potential des Lehrwerks Gegen all die Kritiker sind auch immer wieder Fremdsprachendidaktiker ins Feld gezogen, denen die segensreichen Wirkungen einer Lehrwerkverwendung offenkundig waren (vgl. auch T HALER 2008: 149 f). Arguments for using the coursebook System With textbooks you know where you are, what you have done, where you are going. Syllabus Textbooks provide a built-in language syllabus. Guideline Textbooks provide a plan of work for the teacher. Security Textbooks provide a clear programme of study for the students. Sense of progress With textbooks students see that they have improved (or not). Language core Textbooks present a common core of language which learners in different contexts may share. Revision With textbooks students and teacher can go back at any time and review material. Extras Textbooks are accompanied by enriching components (keys, workbooks, CDs, Schulaufgabentrainer etc.). Timesaver Textbooks save time for busy teachers. Compactness Textbooks are compact - can be easily stacked, stored and carried, are collated within a book binding, so the sheets do not fall out and get lost. Layout The materials in textbooks usually look professional. Alternative There are no real alternatives to textbooks. Aus der Perspektive der Lehrkraft ist die Verwendung des Lehrbuchs tatsächlich ‚alternativlos‘. ‚Türklinken-Didaktik‘ (oder ‚Auto-Didaktik‘) ist verantwortungslos, eine permanente ‚DIY‘-Erstellung (Do it yourself! ) von Arbeitsmaterialien zu zeitaufwändig, unsystematisch - und unprofessionell. Wer genügend Unterrichtserfahrung gesammelt hat, mag auch einmal ohne vorbereitetes Material das Klassenzimmer betreten, wenn er es für die konkrete Stunde am sinnvollsten hält. Dogme-inspirierte Ansätze stellen aber grundsätzlich hohe Ansprüche nicht nur an die didaktischmethodische, sondern auch die fremdsprachliche Kompetenz der praktizierenden Lehrkräfte, die ja in der überwältigenden Mehrheit keine ‚Nests‘ (Native English Speakers Teachers) sind. Viele ‚Non-Nests‘ sind aber für die stützende Funktion eines Lehrwerks dankbar. Auch aus der Perspektive des „äußeren Lehrplans“ (V IELAU 2011) sind Lehrwerke unersetzlich. Bildungspolitische, fachdidaktische und curriculare Neuerungen lassen sich am effektivsten durch Lehrwerke disseminieren. Wer also Output-, Standard- und Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 19 40 (2011) • Heft 2 Kompetenzorientierung zu einer erfolgreichen Umsetzung verhelfen möchte, sollte nicht auf das Lehrwerk schimpfen. Trotz anders lautender Gerüchte sind Lehrbücher auch bei den Lernenden insgesamt akzeptiert. So brachte beispielsweise eine Umfrage unter Schülern der 5., 7. und 8. Klassen folgendes Ergebnis: „Bei der Verwendung neuerer Lehrwerke gaben 95% bis 100% der Befragten an, zufrieden oder sehr zufrieden zu sein“ (S AMBANIS 2009: 11). Bei älteren Lehrwerken sank die Akzeptanz; das Workbook als Trainingsarsenal für Grammatik und Wortschatz fand großen Zuspruch - und wurde deutlich besser eingestuft als kopierte Arbeitsblätter. Das Lehrbuch oder Lehrwerk ist per se nicht schlecht oder gut: „Neither the textbook nor the lack of a textbook are good or bad in themselves“ (P ODROMOU 2002: 25). Und in der Lehrbuchentwicklung sind in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht worden. Die Kritik am Lehrbuch wird häufig an veralteten Exemplaren dingfest gemacht, gegen die man dann süffisant polemisieren kann. Neuere Englischbücher sind aber von der didaktischen Konzeption und der professionellen Umsetzung nicht mehr mit Ausgaben der 60er Jahre zu vergleichen. Wie die darin steckenden Potentiale genutzt werden, hängt allerdings nicht vom Lehrbuch ab, sondern von der Lehrkraft, die das Lehrbuch ge- oder missbraucht, denn „a textbook does not teach itself“ (P ODROMOU 2002: 27). Häufig wird dabei die von den Lehrwerk-Teams intendierte Konzeption an eine lernbiografisch bedingte, habitualisierte, partiell unreflektierte Lehrpräferenz angepasst (als Variante des Diktums: Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach). 2. Wie sieht das Lehrwerk der Zukunft aus? 2.1 Gegenwärtige Trends Aus zwei aktuellen Fallbeispielen (Sekundarstufe I bzw. II), beide weitverbreitet an deutschen Gymnasien, sollen Entwicklungen des Lehrwerks extrapoliert werden. Bei English G 21 Ausgabe A handelt es sich um die Bundesausgabe für Gymnasien des Cornelsen Verlags (Sekundarstufe I). Das Lehrwerk umfasst die folgenden Komponenten (Abb. 2): English G 21 A (1) Schülerbuch (kartoniert oder Festeinband) (2) Schülerbuch - Lehrerfassung (3) Workbook mit CD (4) Workbook mit CD-ROM (e-Workbook) und CD (5) Workbook mit CD-ROM (e-Workbook) und CD - Lehrerfassung (6) CD-ROMs zum Workbook (7) Vokabeltaschentuch (8) Wordmaster (Vokabellernbuch) 20 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 (9) Vokabeltest Wizard (10) Klassenarbeitstrainer mit Lösungen und CD (11) Handreichungen für den Unterricht mit Kopiervorlagen (12) Vorschläge zur Leistungsmessung Kopiervorlagen mit CD (13) Vorschläge zur Leistungsmessung - kompetenzorientierte Aufgaben (Kopiervorlagen mit CD) (14) CDs (Vollfassung) (15) Bild- und Arbeitsfolien (16) Unterrichtskommentare zu den Bild- und Arbeitsfolien (17) Fördermaterial (18) Freiarbeitsmaterialien (19) Portfolioarbeit 5/ 6 (20) Bristol Radio Roadshow CD (21) Bristol Radio Roadshow Unterrichtskommentare zur CD mit Kopiervorlagen (22) Out and About, Video-DVD (23) Out and About, Unterrichtskommentare zur Video-DVD mit Kopiervorlagen (24) Welcome plus, Schülerverbrauchsmaterial (25) On Track, Zusatzmaterial zum Umgang mit dem Schülerbuch für Kinder ohne Grundschulenglisch, Handreichungen für den Unterricht mit CD (26) On Track, Zusatzmaterial zum Umgang mit dem Schülerbuch für Kinder ohne Grundschulenglisch, Worksheets (10er-Pack) (27) Fun and Facts for you - Textammlung/ Kopiervorlagen (28) Schulwörterbuch English G 21 (29) Digitaler Unterrichtsplaner (DVD-ROM) (30) Software für Lehrkräfte English G 21 - Digital Teaching Aids (31) Interaktive Präsentationen (32) Onlineangebot: www.englishg.de Abb. 2: Lehrwerk English G 21 A (Cornelsen 2011) Als Beispiel eines Lehrwerks für die Sekundarstufe II (Oberstufe Gymnasium) soll Summit aus dem Schöningh Verlag dienen. Summit Titel Funktion Summit Pupils‘ Book, Schülerbuch Summit Trainer Workbook mit Übungen zu Wortschatz, Grammatik, Lern- und Arbeitstechniken Summit Teachers’ Manual Lehrerhandbuch mit Musterlösungen, methodischen Tipps, Kopiervorlagen, Klausuren Summit Audio CD 2 CDs mit einer Auswahl der Schülerbuch-Texte Summit Abitur- und Klausurentrainer CD mit 8 interaktiven Klausuren zur Vorbereitung auf Prüfungen Summit Hörverstehen Zusatzmaterial mit 18 gestuften Hörtexten, Aufgaben, Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 21 40 (2011) • Heft 2 Lösungen, Transkripte (mit CD) Summit Sprachmittlung Zusatzmaterial mit 18 gestuften Mediations-Aufgaben, Lösungen (mit CD) Summit Mündliche Prüfungen Zusatzmaterial für mündliche Prüfungen (Abitur) Summit Webseite Internetportal mit zusätzlichen Angeboten (Synopse Lehrplan - Kompetenzen in Summit), Revising Vocabulary, Testing Vocabulary) Abb. 3: Lehrwerk Summit (Schöningh 2011) 2.1.1 Expansion Die beiden Beispiele führen deutlich vor Augen, welch zahlenmäßige Ausdehnung das Lehrwerk erfahren hat. Bestand es vor drei Jahrzehnten noch aus Schülerbuch, Workbook, Bildfolien, Audiokassette und vielleicht Lehrerbuch, so umfasst beispielsweise English G 21 A nicht weniger als 32 Komponenten. Diese quantitative Ausweitung bewirkt sicherlich eine qualitative Bereicherung, da mehr Lehr- und Lernbedürfnisse befriedigt werden können. Allerdings mag man die Aufblähung des Lehrwerks auch als „Materialschwemme“ (D OFF / K LIPPEL 2007: 143) beklagen, wobei zu den angeführten Peripherie-Komponenten ja noch eine Vielzahl lehrwerkunabhängiger Materialien addiert werden können. Auch bei Sek II-Titeln hat sich das Lehrwerk im Laufe der Zeit verbreitert. Die geringere Anzahl an Komponenten weist darauf hin, dass in der Sek. II das Lehrwerk eine etwas geringere Rolle als in der Sek. I spielt, da Kompetenzniveau der Schüler sowie Intention und Struktur des Lehrplans ein offeneres und variantenreicheres Lernen ermöglichen/ erfordern; außerdem wird die „neue Freiheit“ von Lehrenden und Lernenden als willkommene Abwechslung zur Lehrbuchdominanz in den Klassen 5-10 (9) empfunden. 2.1.2 Differenzierung Die quantitative Expansion geht einher mit einer strukturellen Differenzierung. Bereits das Lehrbuch (Schülerbuch) stellt inzwischen ein binnendifferenzierendes Angebot durch Modularisierung, Trennung in obligatorische und fakultative Teile, Abstufung in leichtere und schwierigere Aufgaben etc. zur Verfügung. Darüber hinaus ermöglichen bestimmte Begleitmaterialien die Selbstevaluation (Portfolios), die Förderung langsamerer Lerner (Fördermaterial), die Beschäftigung mit verschiedenen Lernmedien (Freiarbeitsmaterialien), die Berücksichtigung unterschiedlicher Vorkenntnisse (Schüler mit/ ohne Grundschul-Englisch), die individuelle Vorbereitung auf Klassenarbeiten (Abitur- und Klausurentrainer) u.ä. mehr. 2.1.3 Multimedialisierung Das ursprünglich rein schriftliche Medium ist in den letzten Jahrzehnten um eine Fülle auditiver, visueller, audiovisueller und interaktiver Elemente zu einem multimedialen 22 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 Verbund angereichert worden. Bildfolien zur Visualisierung von Lexis und Situationen sowie Audioaufnahmen zur Integration zielsprachlicher Hördokumente in den Unterricht gibt es schon seit längerem. In jüngster Zeit kamen DVDs mit authentischen Filmaufnahmen, Übungssoftware für das heimische Lernen am PC, Tafelbilder für das digitale Whiteboard, elektronische Unterrichtsplaner/ Stoffverteilungsplaner, Unterrichtssoftware sowie webbasierte Tools dazu. Fast alle Verlage vernetzen inzwischen ihr Lehrbuch mit dem Internet. Im Angebot sind Newsletter, aktuelle Materialien zum Download, die Themen der Lehrbucheinheiten inhaltlich weiterführende Hypertext-Projekte, komplette Web-Units als Ausstiegspunkte (und Einstiegspunkte) - teils gratis, teils kostenpflichtig, sowohl lehrwerkbegleitend als auch lehrwerkunabhängig (zur Verknüpfung von Lehrwerk und Internet vgl. auch K URTZ 2001b, U LRICH 2001, W ACKERT 2004). 2.1.4 Ökonomisierung Die Entwicklung neuer Lehrwerkskomponenten und die Verfeinerung bestehender Materialien können die Arbeit der Lehrkraft erleichtern, vereinfachen und verbessern. Eine Lehrerhandreichung, die methodische Tipps gibt und die Heterogenität der Lehrerschaft ernst nimmt, indem vielfältige Optionen angeboten werden; eine Lehrerfassung des Schülerbuchs, welche die unbekannten Lexeme in einem Text blau markiert und die einzuführenden grammatikalischen Strukturen rot; ein Workbook, das passgenau zu einem Unit-Thema mehrere gestufte Aufgaben (auch zu Lernstrategien) präsentiert; eine DVD, die tolle Filmausschnitte ohne Copyright-Bedenken, dafür mit ergiebigen Aufgabenstellungen zur Verfügung stellt - damit macht Englisch unterrichten noch mehr Spaß. In Gesprächen mit verschiedenen Verlagsmitarbeitern stellte sich auch heraus, dass immer mehr Lehrkräfte ein „Rundum-Sorglos-Paket“ vom Schulbuchverlag erwarten. Da wird darauf insistiert, dass Schülerbuch und Lehrerhandreichung zur selben Zeit erscheinen; lässt sich ein Bundesland ein neues Schwerpunktthema einfallen, erklingt umgehend der Ruf nach begleitenden Unterrichtsmaterialien. Die große Zahl der Lehrwerkskomponenten kann die Lehrkräfte entlasten, aber auch zu Unübersichtlichkeit und Abarbeitungsdruck führen. Außerdem ist nicht jede Schule mit allen Lehrwerksbestandteilen ausgestattet, und die individuelle Anschaffung des Gesamtpakets stößt an finanzielle Grenzen. Dies zeigte sich bei einer 2010 vom Autor durchgeführten Befragung von 150 Gymnasiallehrern auch als ein Grund (neben Zeitmangel und Konformitätsdruck), warum nur 20% der Lehrkräfte regelmäßig ein Lehrerhandbuch (Teachers’ Manual) verwenden - obwohl gerade dieses ihnen viel Zeit und Mühen ersparen kann. 2.1.5 Innovation Neuere Entwicklungen wie die Veröffentlichung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, die Fixierung nationaler Bildungsstandards, der Übergang von der Inputzur Output-Orientierung, die Forcierung nachprüfbarer Kompe- Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 23 40 (2011) • Heft 2 tenzen, die technologische Entwicklung in der IT-Branche, die Konstruktivismus- Debatte, die Weiterentwicklung der kommunikativen Sprachlernmethode etc. finden inzwischen auch ihren Niederschlag in den Lehrwerken. Es werden nicht nur Texte als Material für Wortschatz und Grammatik angeboten, sondern handlungsorientiertes Lernen kann initiiert werden, offene Techniken werden integriert, die Lernkompetenz soll ausgebaut werden, study skills werden trainiert, kreative Aufgaben stehen zur Auswahl, Portfolios ergänzen die Fremdbewertung, landeskundliches Wissen wird um interkulturelles Bewusstsein ergänzt. Die Innovationsfreudigkeit im fachdidaktisch-bildungspolitischen Diskurs hat auch zur Folge, dass sich die „Halbwertzeit“ eines Lehrwerks kontinuierlich vermindert. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch von einer Laufzeit von 10 Jahren aus, so erscheinen seit längerem Neuauflagen (die de facto Neuentwicklungen sind) alle 5 Jahre, bestimmte Werke haben inzwischen den Lebensrhythmus auf 3 Jahre gesenkt. Dabei spielen marktökonomische Überlegungen der Verlage eine entscheidende Rolle. 2.1.6 Oligopolisierung Zumindest in der Sekundarstufe dominieren sehr wenige Verlage den Schulbuchmarkt (In der Primarstufe tummelt sich noch eine größere Anzahl von Verlagen, von denen einige sogar mehrere Lehrwerke gleichzeitig vertreiben). Die Sekundarstufe I wird beherrscht von den beiden Großverlagen Cornelsen und Klett sowie an dritter Stelle Diesterweg (Gymnasien: English G 21 - Cornelsen 2011, Green Line - Klett 2011, Camden Town - Diesterweg 2011). In der Sekundarstufe II teilen sich „die Großen Drei“ Cornelsen (Context 21 2011), Klett (Green Line Oberstufe 2011) und Schöningh (Summit 2011) den Markt. Wer einen demokratie-egalitären Idealismus verspürt, wird dies als bedauerlich empfinden. Eine markt-ökonomische Perspektive erkennt demgegenüber eine sich selbst verstärkende Machtposition der großen und tradierten Verlage. Sie können die Wahlentscheidungen in den einzelnen Schulen eher zu ihren Gunsten beeinflussen, da ihnen massivere PR-Instrumente zur Verfügung stehen: großer Kranz an Begleitmaterialien, mehr personelle Ressourcen, Online- und Offline-Werbung, Informationsveranstaltungen mit Herausgebern/ Autoren, Vorstellung des Lehrwerks in den Kollegien, starke Präsenz auf relevanten Kongressen etc. 2.1.7 Nivellierung In Analogie zur Entwicklung der Parteien (von der ideologisierten, auf einer speziellen Klientel basierenden Weltanschauungsgruppierung zur Volkspartei: catch-all parties) und zum soziologischen Theorem Helmut Schelskys („nivellierte Mittelstandsgesellschaft“) nähern sich die Lehrbücher einander an - hin zur Mitte. Schließlich will die Masse der Lernenden erreicht werden. Unterschiede hinsichtlich Rolle der Grammatik, Portionierung des Wortschatzes. Länge und Sorte der Texte, Umfang und Art der Übungen, Förderung einzelner Fertigkeiten und Kompetenzen haben sich im Laufe der letzten Jahre verringert. Selbst Ver- 24 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 lage, die früher eher einen traditionellen, grammatik- und übungslastigen, kleinschrittigen, lehrerzentrierten Unterricht förderten, haben inzwischen offenere, Autonomie fördernde Lernformen aufgenommen. Insgesamt sind alle gängigen Lehrwerke einem weitgehend lernerzentrierten kommunikativen Ansatz verpflichtet, der die KMK-Standards versucht umzusetzen und mehrere Progressionsebenen vorsieht, dabei aber weiterhin auf lexikalische und grammatikalische Progression setzt. Dass man mit den aktuellen Lehrwerken das allgemein anerkannte Paradigma von Communicative Language Teaching nicht praktizieren könne, darf niemand behaupten. 2.1.8 Regionalisierung Der bildungspolitische Föderalismus führte in den letzten Jahren zu einer regionalen Ausdifferenzierung der Lehrwerke. Während es Anfang des Jahrtausends fast nur Stammausgaben (Bundesausgaben) eines Lehrbuchs gab, bietet ein Verlag für die Oberstufe inzwischen für jedes Bundesland angepasste Länderausgaben an - und die Konkurrenten ziehen nach. Für die Verlage ist es natürlich ein Verkaufsargument, auf die Landessituation spezialisierte Varianten anbieten zu können. Auch die Lehrkräfte in den einzelnen Ländern freuen sich, wenn ein Lehrbuch genau auf den jeweiligen Lehrplan abgestimmt ist und dabei landesspezifische Themen sowie Prüfungsformate abdeckt - wenn auch die Unterschiede zwischen den Bildungs-/ Lehrplänen der einzelnen Länder nicht immer so groß sind und mitunter nur partielle kosmetische Korrekturen im Schülerbuch nach sich ziehen. 2.2 Zukünftige Desiderata 2.2.1 Adressatenorientierte Selektion Die Entscheidung für ein bestimmtes Lehrwerk in der Schule hängt von mehreren Faktoren ab und wird in den einzelnen Schulen leicht unterschiedlich gehandhabt (Zusammenspiel zwischen Fachbetreuer, Fachkollegium, Außendienstmitarbeiter der Verlage). Nach dem Trägheitsprinzip sind tradierte Entscheidungsstrukturen und gewachsene Loyalitäten bei der Auswahl der Schulbücher schwer zu ändern. Historische, politische und ökonomische Kategorien spielen eine wichtige Rolle. Ob Fachleiter oder ganzes Kollegium, die Entscheidungsträger sollten mit den wesentlichen Dimensionen von Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse (z.B. K IEWEG 1998; L ITTLEJOHN 1998; K RUMM / O HMS -D USZENKO 2001; M ICHLER 2005; T OMLINSON 2008) vertraut sein. Dann kann es auch eher gelingen, das passende Lehrbuch für die jeweiligen Lerngruppen zu finden und eine bessere Übereinstimmung zwischen „äußerem Lehrplan“ und „innerem Lehrplan“ (Termini nach V IELAU 2011) herbeizuführen. Bei realistischer Betrachtung wird den Lehrkräften aber in aller Regel die Zeit für eine wohlüberlegte Entscheidung fehlen. Es bleibt zu überlegen, wie Bedingungen und Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 25 40 (2011) • Heft 2 Hilfeleistungen geschaffen werden können, damit ein Lehrwerk nicht nur nach Daumenprobe eingeführt wird. 2.2.2 Zielorientierte Verwendung Das Lehrbuch soll den Unterricht begleiten, ihn aber nicht bestreiten (vom „Wegweiser“ zum „Wegbegleiter“: K URTZ 2001a: 47). Es ist nicht für jede Lernsituation das geeignete Medium. „Optimale Lehrwerksverwendung bedeutet nicht maximale Lehrwerkbindung“ (K URTZ 2010: 156). Lehrbücher sind „proposals for action, not instructions for use“ (H ARMER 2001: 8), und deshalb stehen den Lehrkräften mehrere Optionen offen: (1) Verwendung einer Lehrbuch-Unit ohne Änderungen (2) Verwendung mit Änderungen a. Ergänzung b. Reduzierung c. Umschreiben d. Reorganisation e. partielle Ersetzung (3) Verzicht auf Verwendung (Auslassen, Ersetzen) Wenn sogar ministerielle Verlautbarungen einen mündigen Umgang mit dem Lehrbuch einfordern, sollten Lehrkräfte den Freiraum bereitwillig nutzen. „Da es ein bewusstes Merkmal dieses Lehrplans ist, den Lehrkräften Gestaltungsspielräume zu lassen, haben sich viele Verlage entschlossen, in ihren Lehrwerken Material für verschiedene Wege zur Erreichung der Ziele anzubieten. Damit kann die einzelne Lehrkraft die individuelle Zusammensetzung der Klassen berücksichtigen und aus dem Lehrwerk auswählen. Auf keinen Fall sollen bei solchen variantenreichen Lehrwerkarchitekturen alle Auswahlmöglichkeiten additiv durchgenommen werden; dies würde zu einer Überlastung der Schüler führen“ (I SB 2010). Um ein Lehrwerk optimal verwenden zu können, benötigen Lehrkräfte allerdings eine ausgeprägte Lehrwerkkompetenz. Deshalb müssen sie in der Lehrerausbildung in stärkerem Maße als bisher mit den wichtigsten Kriterien der Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse bekannt gemacht werden, um das später verwendete Werk besser auf die jeweilige Lerngruppe anzupassen. 2.2.3 Lehrerorientierte Ergänzung Das Lehrwerk ist nur ein Mittler und Produkt. Entscheidend sind Prozess und Lehrer. Wenn die Lehrkraft ihre individuellen Ressourcen nutzt, wird das sowohl ihre eigene Motivation als auch die Wertschätzung durch ihre Schüler erhöhen. Ob passender Rocksong, kontroverser Film, witziger YouTube Clip, selbst entdeckte young adult novel, aktueller Guardian-Artikel - die Lernenden werden die persönlichen Schätze der Lehrkraft anerkennen - denn schließlich „macht sie nicht immer das Gleiche.“ 26 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 2.2.4 Fachdidaktische Weiterentwicklung „Lehrwerke sind immer ‚Kinder ihrer Zeit’, in ihnen spiegeln sich die didaktischen und methodischen Ansätze der jeweiligen Epoche wider“ (N IEWELER 2010a: 175). Neuere Entwicklungen in der Zweitsprachenerwerbsforschung, Kognitiven Psychologie, Klassenzimmerforschung, Fremdsprachendidaktik und Medientechnologie (N OLD 1998) müssen zielgerecht in die Lehrwerksentwicklung integriert werden - ohne dabei voreilig und unüberlegt auf jeden modischen bandwagon zu springen. Wie sollen die Kompetenzen in ihrer ganzen Bandbreite sinnvoll in eine Lehrwerksprogression eingebunden werden? Welchen Platz haben Mehrsprachigkeit, inter-/ transkulturelles Lernen, global education? Wie sind die einzelnen Übergänge (Plural: sic! ) abzufedern? Muss die lineare Progression bei Wortschatz und Grammatik abgeschafft werden (z.B. B LEYHL 1996)? Welcher Progression folgen Methoden-Lernen und interkulturelles Lernen? Sollten alternative Modelle umgesetzt werden - etwa didaktische Szenarien (P IEPHO 2003); oder die gemeinsame Festlegung der Progression zwischen Lehrenden und Lernenden; oder die individuelle Bestimmung der Progression durch den Lernenden anhand einer „Lernlandkarte“ (L EUPOLD 2005); oder die Weiterentwicklung des Lehrbuchs über ein Lernbuch bis zum Lernroman mit einer durchgehenden Storyline in allen Lektionen (N IEWELER 2010b: 177, T HALER 2008)? Welche Konsequenzen hat die Einführung digitaler Whiteboards? Im Zuge der vermehrten Förderung der Mündlichkeit (oral language, spoken English) ist auch das Spannungsverhältnis zwischen dem Lehrbuch als schriftlichem Medium und der Notwendigkeit mündlicher Handlungskompetenz zu überdenken. „Empirische Studien belegen, dass das freie, selbstgesteuerte und selbstständige Sprechen der Zielsprache im [...] Buchunterricht kaum zur Entfaltung kommt. Das zielsprachliche Sprechhandeln erstarrt vielmehr in einer gleichförmigen, an der Schriftsprache der jeweiligen Textvorlage orientierten, mehr oder minder mühsam aufrecht erhaltenen Mündlichkeit, der es an Unmittelbarkeit, Lebendigkeit und vor allem auch an Erlebnisqualität mangelt“ (Kurtz 2010: 157 f). 2.2.5 Zentralisierte (? ) Digitalisierung Werden die Entwicklungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien „dazu führen, dass die führende Rolle des Lehrwerks als Instrument der Unterrichtssteuerung zugunsten einer offeneren, stärker an den Interessen und Bedürfnissen der Lernenden orientierten Unterrichtskonzeption zurückgedrängt wird“ (N EUNER 2003: 402)? Oder wird die (exzessive) Erweiterung des Lehrwerks eine gegenläufige Entwicklung der elektronischen Zentralisierung evozieren? Da Lehrkräfte ihren Unterricht verstärkt am heimischen Computer vorbereiten, könnte ein digitaler Lehrer-Schüler-Band eine große Arbeitserleichterung darstellen. Diese (in Ansätzen bereits vorhandene) elektronische Planungs- und Organisations- Plattform würde einen zentralen Zugriff auf alle Komponenten eines Lehrwerks erlauben. Eine solche Weiterentwicklung des klassischen Lehrerhandbuchs (als webbasiertes Portal oder Offline-DVD-Version) könnte alle schriftlichen, auditiven und Die Zukunft des Lehrwerks - Das Lehrwerk der Zukunft 27 40 (2011) • Heft 2 audio-visuellen Materialien in editierbarer Form verfügbar machen. Planung, Durchführung (und Evaluation) des Unterrichts würden dadurch tendenziell einfacher, schneller, attraktiver und effektiver. Nicht nur für die Lehrkräfte, sondern auch für die Lernenden könnte eine elektronische Lern- und Kommunikations-Plattform eingeführt werden. Ein zentrales Portal würde den Schülern zur digitalen Information, Übung, Kommunikation und Publikation dienen. 2.2.6 E-Book? Ob der Trend zur Digitalisierung auch zu E-Books für Schüler führt, bleibt abzuwarten. Die Verlage werden Chancen und Risiken gegeneinander abwägen. Ein digitales Schülerbuch mag mehrere Vorzüge aufweisen: Unmittelbarer Zugriff zu jeder Zeit, an jedem Ort Markierung wichtiger Informationen Suchfunktion Copy-paste-email (an Lehrkräfte, Freunde) Zugriff auf elektronische Ressourcen Nutzung diverser Apps Geringeres Gewicht Schulinterne Anpassung des Schülerbuchs an Haus-Curricula (länder- und schulstufenspezifische) Differenzierung des Angebots (durch Schulbücher-Wikis, erstellt von Lehrkräften) Förderung der Entwicklung von Web-Plattformen, die auf das kollaborative Erstellen von Unterrichtsmaterialien hin ausgerichtet sind Falls sich auch im Bereich der Unterrichtsmaterialien eine solche OpenSource- und CreativeCommons-Bewegung entwickeln sollte, müssten Instrumente der Qualitätssicherung der entstehenden Materialien von Anfang an bedacht werden. 3. Fazit Die oben angestellten Überlegungen sind mit reichlich Fragezeichen und Relativierungen verwässert. „As yet, there is no universally recognised theory of the textbook. Empirically too little is known“ (S ERCU 2000: 628). Am wissenswertesten wäre die empirische Erforschung der Wirkungsgeschichte von Lehrwerken. Wie, wann, wozu wird ein Lehrwerk verwendet? Wie beeinflusst es den Lernprozess im Vergleich mit anderen Materialien? Dazu müssten verschiedene Lehrwerke und ihre Nutzer, d.h. Lehrende und Lernende, in Beziehung gesetzt und die erzielten Lernfortschritte mit Hilfe reliabler Instrumente quantitativ und qualitativ erfasst werden. Aber auch dann würde kein „Wunschlehrwerk“ (Nold 1998) entstehen. Die Heterogenität bei Lehrkräften und Schülern ist zu groß, das Bedingungskonglomerat aus fachdidaktischen, ökonomischen und administrativen Bedürfnissen zu komplex. 28 Engelbert Thaler 40 (2011) • Heft 2 Vielleicht sollte man auf einen einfachen, aber nicht billigen Mittelweg vertrauen. Ein balancierter Umgang mit dem Lehrwerk (T HALER 2010) versucht, Instruktivismus und Konstruktivismus, Lehrbuch-angeleiteten und Schüler-aktivierenden Unterricht, traditionelle Lehrbucharbeit und aktive Gesprächsphasen (W IESHUBER 2002) zu verbinden. Literatur A SHTON -W ARNER , Sylvia (1963/ 1980): Teacher. London: Virago. B AUSCH , Karl-Richard / C HRIST , Herbert / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen/ Basel: Francke. B LEYHL , Werner (1996): „Der Fallstrick des traditionellen Lehrens und Lernens fremder Sprachen. Vom Unterschied zwischen linearem und nicht-linearem Fremdsprachenunterricht“. In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 45.2, 126-138. 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Paderborn: Schöningh. 40 (2011) • Heft 2 © 2011 Narr Francke Attempto Verlag O TFRIED B ÖRNER , C HRISTOPH E DELHOFF , K ARLHEINZ R EBEL , T ORBEN S CHMIDT , K ONRAD S CHRÖDER (T HE E NGLISH A CADEMY ) * Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen Abstract. Inspired and guided by the Common European Framework of Reference for Languages, huge efforts have been made to construct and implement foreign language education standards, regional core curricula and assessment schemes in Germany in recent years. Against this backdrop, this paper looks at the current state and the future of foreign language textbook development and research, focusing on major achievements as well as new challenges. In this context, it problematizes the opportunities and interactive potential that electronic media have added to textbook development and use, particularly those of interest for foreign language teaching in schools. 1. Status quo Anlässlich des 22. Kongresses für Fremdsprachendidaktik der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (2007) befasste sich eine Arbeitsgruppe - in Fortsetzung der Diskussion in einer entsprechenden Arbeitsgruppe auf dem DGFF-Kongress 2001 - mit der Funktion und Zukunft von Lehrwerken für den Fremdsprachenunterricht (vgl. hierzu B ÖRNER [et al.] 2008: 348-356). Ziel der Gruppe war eine Standortbestimmung in Bezug auf die Funktionen und Wirkweisen von Lehrwerken unter Berücksichtigung sowohl unterrichtsleitender, lernerbezogener und lehrerbildender als auch materieller, medialer und zukunftsorientierter Aspekte. Dabei sollte weder die faktisch herrschende * Korrespondenzadressen: StD. a.D. Otfried B ÖRNER , Fahrenkrön 5e, 22179 H AMBURG . E-Mail: ogb@arcor.de Arbeitsbereiche: Lehrwerkentwicklung, Fremdsprachen in der Grundschule, Umgang mit Heterogenität. Dr. phil. h.c., StD. a.D. Christoph E DELHOFF , Wilhelm-Vesper-Str. 27, 34393 G REBENSTEIN . E-Mail: chrisede@t-online.de Arbeitsbereiche: Lehrwerkentwicklung, Didaktik der Lehrerfortbildung, interkulturelles Lernen. Prof. em. Dr. rer. soc. Karlheinz R EBEL , Albert-Schweitzer-Weg 6, 72108 R OTTENBURG a N. E-Mail: KhRe23@aol.com Arbeitsbereiche: Allgemeine und Fachdidaktiken, Lernmedien einschließlich Lernforschung, Didaktik des modernen Fernstudiums. Jun.-Prof. Dr. phil. Torben S CHMIDT , Leuphana Universität Lüneburg, Institute of English Studies, Scharnhorststr. 1, C5.135, 21335 L ÜNEBURG . E-Mail: torben.schmidt@leuphana.de. Arbeitsbereiche: Computer-Assisted Language Learning, Projektarbeit, Inszenierungen im Fremdsprachenunterricht. Prof. em. Dr. Konrad S CHRÖDER , Marconistr. 30B, 86179 A UGSBURG . E-Mail: konrad.schroeder@phil.uni-augsburg.de Arbeitsbereiche: Grundthemen des Unterrichts moderner Sprachen, Innovation, Evaluation, kulturelle Bezüge; Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Englischunterricht. 32 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 Rolle des Lehrwerks als konkretes Curriculum noch seine Veränderung durch gesellschaftliche, (inter)nationale und mediale Entwicklungen außer Acht gelassen werden. In der Kürze der damals zur Verfügung stehenden Zeit konnte es kaum gelingen, ein umfassendes und hinreichend differenziertes Bild zu gewinnen. Immerhin wurde deutlich, dass der Theorie-Praxis-Diskurs in diesem Bereich intensiviert werden und sich Lehrwerkforschung als aktive Begleit- und Wirkungsforschung entwickeln muss. Die im Rahmen des DGFF-Kongresses 2001 noch nicht thematisierten Fragen nach (Bildungs-)Standards, neuen Evaluationsmaßnahmen und schulischem Qualitätsmanagement sowie nach der Rolle der neuen Medien und deren Auswirkung auf die Lehrwerkentwicklung blieben freilich auch 2007 unbeantwortet (ebd.: 350). Deshalb greift der hier vorgelegte Beitrag die damals geführte Tagungsdiskussion auf, ergänzt die behandelten Themen und führt weitere Aspekte aus. Dabei gilt ein übergeordnetes Interesse dem modernen Fremdsprachenunterricht, während das angewandte Beispiel dem Englischunterricht gewidmet ist. Die im folgenden Beitrag zunächst vorgenommene Fortschreibung unserer „Fachdidaktischen Problemanzeige“ von 2007 (vgl. ebd.: 352 ff.) soll der Vergewisserung über die Tragfähigkeit eines kommunikativen Grundansatzes dienen, wie er - in diskursiver Aufnahme des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens - durch nationale Bildungsstandards, Bildungspläne und Kerncurricula deutscher Bundesländer und Konkretisierungen in Projekten und Unterrichtsmaterialien die derzeitige Entwicklung nach wie vor maßgeblich bestimmt. Die Forderung nach Kompetenzerwerb im Fremdsprachenunterricht als reformpädagogischer Bildungsprozess löst Fragen nach der Gestaltung, Serialität und medialen Form von Lehrwerken aus, deren traditionelle Rolle als Printmedien (die in dieser Form noch häufig in Schulen im Einsatz sind) vielfältigen Veränderungen und Ansprüchen durch curriculare und mediale Entwicklungen genügen und deshalb auf den Prüfstand gestellt werden muss. Karlheinz R EBEL (ebd.: 353 ff.) erläuterte dazu in seinem Abschnitt zu „Lehrwerk und Modularität“ die erziehungswissenschaftlichen Befunde über ein verändertes Lernverständnis, die Rolle der alten und neuen Medien sowie der curricularen Rolle des „Leitmediums Lehrwerk“ in modularen Organisationsformen. Das Plädoyer „Warum Lehrwerke im Fremdsprachenunterricht sinnvoll sind“ spielte schließlich eine wichtige, den Gesprächsprozess der Arbeitsgruppe stimulierende Rolle. Wegen seiner immer noch aktuellen Bedeutung bildet der ergänzte und redigierte Text den Abschluss unserer Darstellung, gefolgt von Lehrermeinungen aus engagierter Lehrerfortbildung zu einem „idealen“ Lehrwerk. 2. Fachdidaktische Problemanzeige: Schulpolitische, schulpädagogische und fachliche Vorgaben und Einflüsse Auch in diesem Beitrag kann der in jüngerer Zeit immer wichtiger werdende Zusammenhang von schulpolitischen, schulpädagogischen und fachlichen Vorgaben für Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 33 40 (2011) • Heft 2 Unterricht und Lehr-/ Lernmaterialien nur skizziert werden. Immerhin können damit aber Impulse für Fragestellungen und Richtungen der Lehrwerkforschung gegeben werden, die nach der konkreten Wirkung solcher Vorgaben fragen. 2.1 Vom Schulprogramm zum Fachunterricht Trotz bedeutsamer Unterschiede zwischen den - schulpolitisch und administrativ hoheitlich wirkenden - deutschen Bundesländern können gemeinsame Rahmenvorgaben benannt werden, die die Entstehung, Einführung und Fortschreibung von verlaglichen Unterrichtsmaterialien zunächst auf der Ebene der Schulpolitik, dann der Schul- und Unterrichtsorganisation beeinflussen. Hier sind vor allem zu nennen: die Schul- und Unterrichtsentwicklung im Kreislauf zwischen Vorgaben und Evaluation, sowohl auf landesbezogener als auch nationaler und internationaler Ebene; der Beitrag des Fremdsprachenunterrichts zur inneren Schulentwicklung (vgl. BAG 1997); besondere curriculare Leitideen eines bestimmten, z.B. schulreformerischen Ansatzes (wie authentic - meaningful - challenging als Motto für einen weltbezogenen, realistischen, bedeutungsvollen und schüleraktiven Unterricht). Bisher ist wenig bekannt, wie sich das von den einzelnen Schulen amtlich geforderte Schulprogramm und Schulleitbild über ein Schulfachleitbild, Stufenprofile und unterrichtsfachbezogenene Beiträge auf den Unterricht, seine Materialien und die Ergebnisse konkret auswirkt. 2.2 „Kompetenzen als Ziele von Bildung und Qualifikation“ Mehr Auskunft zu geben versprechen die einschlägigen Rahmenvorgaben und Expertisen über den Paradigmenwechsel von der Wissenszur Könnensschule, die Wissen, Lernen, Handeln und Können als Kompetenzen auf den verschiedenen Ebenen (Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Soziale Kompetenz, Interkulturelle Kompetenz, Personale Kompetenz) als Lehrplanziele benennen („Can do“-Statements, vgl. K LIEME [et al.] 2003). Dabei werden für das Lernen in allen Schulfächern herausgestellt (F ORUM B ILDUNG 2001): Lernkompetenzen für lebenslanges Lernen, Handlungskompetenz, solides Fachwissen und fächerübergreifende Kompetenzen, Methodenkompetenzen und Motivation/ Befähigung zu kontinuierlichem Lernen, Sprach- und Medienbeherrschung/ Mathematisch-naturwissenschaftliche Grundkompetenzen/ Soziale Kompetenzen. 34 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 2.3 Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung: Standards und Kompetenzen In der als unzureichend erwiesenen Auswertung internationaler Vergleiche des Schulwesens (TIMSS, PISA, DESI) reagierten die deutsche Politik und die Bildungsverwaltungen mit Umsteuerung. In den letzten Jahren sei „deutlich geworden, dass die Steuerung von Schule und Unterricht über Lernziele und Vorgaben für die Gestaltung von Lernprozessen, wie sie für Deutschland bisher typisch war, wenig wirksam ist (‚Inputsteuerung‘)“. Mit der Entwicklung von Bildungsstandards wird deswegen ein Perspektivenwechsel vorgenommen. Standards greifen allgemeine Bildungsziele auf und legen fest, welche Kompetenzen Schüler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Bildungsgangs erworben haben sollen. Im Unterschied zu herkömmlichen Lehrplänen, die die Wege zur Zielerreichung beschreiben und strukturieren, geben Bildungsstandards die erwarteten Lernergebnisse vor (‚Outputorientierung‘). Dabei konzentrieren sich die Bildungsstandards auf fachliche Basisqualifikationen, die für die weitere schulische und berufliche Ausbildung von besonderer Bedeutung sind. Die Standards sollen für Lehrkräfte und Lernende beschreiben, welche Kompetenzen sie in einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollen. Zur Sicherung der Standards führt beispielsweise die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen aus: „Mit zunehmender Eigenverantwortlichkeit haben Schulen in NRW größere Freiräume erhalten, um Unterricht und Schule zu gestalten. Dabei sind sie verpflichtet, die bundesweit vorgegebenen Bildungsstandards sowie die (darauf basierenden) landesspezifischen kompetenzorientierten Lehrpläne umzusetzen und Rechenschaft darüber abzulegen, ob und in welchem Umfang es ihnen gelingt, diese Standards zu erfüllen. U.a. geschieht dies im Rahmen von Lernstandserhebungen bzw. Vergleichsarbeiten sowie von zentralen Prüfungen zur Vergabe von Abschlüssen und Berechtigungen“. 1 2.4 Zur Entwicklung kommunikativer Kompetenz 2 ; kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht Schulpolitische und schulpädagogische Entwicklungen finden ihre Parallele in dem jahrzehntelangen sprachpädagogischen und didaktischen Forschungs- und Entwicklungszusammenhang, der verkürzt und oft missverständlich als kommunikativer Fremdsprachenunterricht bezeichnet wird: Sprache soll nicht als System, sondern als angewandtes Instrument der Verständigung (des Verstehens und Äußern/ Mitteilens und der interkulturellen Begegnung) und des kommunikativen Handelns unterrichtet werden (vgl. BAG 1996/ 1978; B REEN / C ANDLIN 1980; C ANDLIN 1981). Die von P IEPHO (1974) geforderte kommunikative Kompetenz als Richtziel ist damit - nach Jahren kontroverser Diskussionen - ein anerkannter Grundsatz. Die heute von den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen geforderte Gebrauchs- und Handlungsorientierung ist längst in der (fach-)didaktischen Literatur verankert, in Richtlinien und Lehrplänen kodifiziert und auch in einigen neueren Lehrmaterialien die Grundlage. 1 http: / / www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/ cms/ (Zugriff 8.4.2011). 2 Im Folgenden E DELHOFF (2010a: 152 f.). Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 35 40 (2011) • Heft 2 Grundlegende Prinzipien sind 3 : - das Dialogprinzip (vgl. P IEPHO 1974) - die narrative Dimension als Grundprinzip für Lernende aller Lebensalter (P IEPHO 2007) - das Prinzip des Interkulturellen Lernens (vgl. B REDELLA / D ELANOY 1999; D E F LORIO -H ANSEN 2000) (Eigen- und Fremdverstehen; Begegnung, grenzüberschreitendes Lernen) - das Prinzip der Authentizität (vgl. A MOR 1999; B ACH / T IMM 1996/ 1989; E DEL - HOFF 1985; E DELHOFF / L IEBAU 1988; W ESKAMP 1999) (Sprache, Sachverhalte, Texte und Medien in direkter Begegnung und realer Abbildung; die Lernenden als sie selbst) - das Prinzip der Handlungsorientierung (vgl. S CHIFFLER 1998) - das Prinzip der Schülerorientierung (vgl. B ÖRNER 1984; B REDELLA / L EGUTKE 1985; E DELHOFF / W ESKAMP 1999; P IEPHO 2003; R AMPILLON 2000; T UDOR 1996) - das Prinzip des Aufbaus in Themen und zyklischen Progressionen: Thema, Topic, Texte, Situationen, Sprachmittel (vgl. E DELHOFF 1996b) - das Prinzip des offenen Unterrichts und der Projektorientierung (vgl. 1988 1991 - das Prinzip einer offenen Methodik (vgl. 2000 1996 (verzweigende, methodische Differenzierung: unterschiedliche Aufgaben für unterschiedliche Lerner durch Übungsketten [vgl. BAG 1996]: exercise, activity, task [vgl. E LLIS 2003; M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH 2005; N UNAN 1989; W ILLIS / W ILLIS 2007] and project (vgl. L EGUTKE / T HOMAS 1991) - das Prinzip der Selbst- und Fremdevaluation (vgl. B ÖRNER / L OHMANN 2009; E DELHOFF / S CHRÖDER 2009). Nirgendwo im Fremdsprachenunterricht oder in Lehrwerken findet man freilich bisher eine geschlossene und durchgängige Anwendung dieser Prinzipien. Ein größerer Konsens zeichnet sich jedoch in den letzten Jahren in der Ausbildung und Verbreitung des so genannten kompetenzorientierten Unterrichtes ab, der - auf der Grundlage des P IEPHO schen Begriffs - die Vorgaben des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarates (C OUNCIL OF E UROPE 2000; E UROPARAT 2001) und der nationalen Bildungsstandards (2003) zur Umsetzung länderbezogener Kernlehrpläne produktiv aufnimmt und im Sinne der geschilderten schulischen Qualitätsentwicklung ausfüllt. 2.5 Schulpraktische und interkulturelle Entwicklungen Wesentliche Impulse empfängt der kommunikative Fremdsprachenunterricht in den letzten 30 Jahren auch aus schulischen Entwicklungen selbst, die sich in konkreten Materialanforderungen und -entwicklungen manifestieren und zur Veränderung in 3 Zum Folgenden siehe auch E DELHOFF (1996a). 36 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 Richtung auf einen handlungs-, erlebnis- und erfahrungsorientierten Fremdsprachenunterricht führen. Dazu gehören vor allem ein projektorientierter thematischer Unterricht (L EGUTKE / T HOMAS 1991) und die vielfältigen Bemühungen, den Fremdsprachenunterricht europatauglich zu machen (S CHRÖDER 2009a, 2009b), wobei die Aufmerksamkeit einerseits der Rezeption des Europäischen Referenzrahmens gilt, andererseits der lebendigen interkulturellen Beziehungsarbeit zwischen Lernenden verschiedener, meist europäischer Länder in Projekten der Feier-, aber auch der Alltagskultur (E DELHOFF / L IEBAU 1988). Mehrsprachigkeit, Praktisches Lernen sowie Beziehungen und Begegnungen über Grenzen in einer pédagogie des échanges gehören in vielen Schulen zur sichtbaren Veränderung der Schulkultur, an der die Fremdsprachen maßgeblich beteiligt sind. Es liegt auf der Hand, dass Lehrmaterialien hierzu Impulse, Sachinformationen, methodisches Handwerkszeug und sprachliche Begleitung bieten müssen, d.h. das traditionelle Lektionsprinzip verlassen und alternativ, modular und referenziell angelegt sein sollten. 2.6 Spiralcurriculum, Themenorientierung und Grammatik In Aufnahme schulpädagogischer Überlegungen der Reformpädagogik und der Curriculumreform der 70er-/ 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bündelt der Begriff des Spiralcurriculums Überlegungen zur Anordnung und Abfolge von Inhalten, Themen und Methoden des Unterrichts, die einer linearen, festen Anordnung (Progression) entgegengesetzt sind. Im modernen Fremdsprachenunterricht wird damit besonders die Abkehr von einseitigen, vor allem linguistischen Progressionen bezeichnet, die in dogmatischer Weise alle anderen Ordnungsschemata dominieren. Lerntheoretisch ermöglicht der Begriff die Berücksichtigung des Umstands, dass Lehrarrangements nicht automatisch Lernarrangements entsprechen und Lernen stets in Aufnahme und (Re-)Aktivierung von bereits Erfahrenem/ Gelerntem in der Auseinandersetzung mit jeweils Neuem erfolgt. Das Bild der Spirale (oder besser: Schraube) als sich stets wiederholende und gleichzeitig aufstrebende und fortschreitende Bewegung dient dabei den ineinander verschränkten Prinzipien der Wiederholung und des Fortschreitens auf immer höherem Niveau. Als Beispiel können die Lehr-/ Lernarrangements jüngerer Lehrwerke angeführt werden, die in Anordnung und Abfolge der einzelnen konstitutiven Elemente auch mit Blick auf (Binnen-) Differenzierung und Individualisierung spiralig vernetzt sind: „Themen, Topics, Texte, kommunikative Kompetenzen und Verfügung über Sprachmittel sowie Übungen und Aufgaben unterliegen dem Prinzip des Spiralcurriculums, d.h. werden einzeln und zusammen ständig wiederholt und erweitert, sodass für den Unterricht immer wieder Neueinstiege und individuelle Lernwege möglich sind“ (Konzept N OTTING H ILL G ATE 2008). Für die Gestaltung des Lehrwerks hat dies konkrete, von herkömmlichen Lehrwerken abweichende Prioritäten zur Folge: Grundlegende Priorität hat die Orientierung an Themen (Themenbereichen), die nach dem Prinzip der Schülerorientierung in auf- Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 37 40 (2011) • Heft 2 steigender Spiralität vom Einfachen zum Mehrfältigen, vom lebenszeitlich Erfahr- und Lernbaren zu kognitiver Durchdringung, vom Eigenen zum Fremden usw. angeordnet sind. Wenn es sogar gelingt, die Themenbereiche schulformübergreifend zu bestimmen, so wachsen Kompatibilität und Anschlussfähigkeit wie auch die Zuordnungsfähigkeit unterschiedlich formulierter Themenvorgaben in Lehrplänen und Kerncurricula. Grundsätze des Spiralcurriculums werden auch bei der Konzipierung eines schülerorientierten Grammatikunterrichts sichtbar (vgl. E DELHOFF 2010b). Grammatik wird nicht isoliert als Wissensbereich, sondern als Lernhilfe im gestalteten Spracherwerb gesehen. Grammatik soll entdeckt werden; erworbenes Sprachwissen dient zum Lernen und Erinnern. Dem ist eine „situative“ und „nachgehende“ Grammatik gewidmet, die grammatisch beschreibbare Strukturen und Elemente einer Lexikogrammatik zunächst situativ - in Texte natürlich eingebettet - erscheinen lässt, ehe sie in weiteren - zeitlich versetzten, spiralig angelegten - Übungen und Aufgaben regelhaft und remedial weiter behandelt werden (vgl. auch W ILLIS 2010). 3. Lehrwerk und Modularität Lange war das Lehrwerk in seiner Rolle als Leitmedium des Unterrichts unangefochten für viele Lehrende weitaus wichtiger als Lehrpläne, Richtlinien oder Rahmenpläne. Diese extrem starke Stellung steht zurzeit auf dem Prüfstand. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Einflüsse der Wissensgesellschaft, der Globalisierung, der medientechnologischen Entwicklung - und einer zunehmenden Individualisierung aller Lebensbereiche. Ein fundiertes Verständnis der Lernvorgänge im Menschen spricht bei vielen Lernumgebungen gegen eine lineare Strukturierung des Lernstoffs mit völliger oder starker Außensteuerung und für die Möglichkeit der Lernenden, eigene Lernpfade zu gehen, erhöhte Flexibilität zu ermöglichen, insgesamt: der starken individuellen Förderung Rechnung zu tragen. Auch in Zukunft wird das Lehrbuch eine bedeutende Rolle in allen Bildungsbereichen spielen. Es wäre unverantwortlich, sein didaktisches Potenzial und die vielen praktischen Vorteile des Buchdrucks nicht zu nutzen. Das gilt allerdings auch für die Verwendung seiner „Peripherie“ aus Workbooks, Hör-, Hör-Seh-Materialien u.a. beim institutionalisierten Lernen, was aber einschließt, dass diese konzeptuell weiterentwickelt werden müssen, um dem neuen Lernverständnis und einem geänderten Nutzerverhalten noch mehr als bisher Rechnung zu tragen. Die Zukunft liegt mit der wachsenden Internetnutzung auf einem Medienmix. Eine der didaktisch-methodischen Antworten auf diese Herausforderungen ist die Modularisierung. Wie aber steht es mit dem Verhältnis von Modularisierung und Lehrwerken? Sicher ist die Zeit für eine endgültige Antwort noch nicht reif. Doch können wir aus den bisherigen Erfahrungen folgern, dass dem Modul ein erheblicher „didaktischer Mehrwert“ zukommt, sofern es seine didaktischen Möglichkeiten voll ausschöpft. Dabei ist zu prüfen, ob und in welcher Weise ein Lehrwerk mit seinem didaktischen „Mehrwert“ welche Rolle weiterhin oder neu zu spielen vermag und ob es 38 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 ähnlich wie beim E-Learning vielleicht ein Doppelspiel von Modul und Lehrwerk mit geteilten Rollen geben kann. Wir gehen nach den bis jetzt vorliegenden praktischen und theoretischen Erfahrungen vom Modul als überschaubarer Lerneinheit aus, die erlaubt: konzentriert, entsprechend den je eigenen Interessen der Lernenden zu arbeiten und dabei dank der Exemplarität der ausgewählten Lerninhalte zugleich größere Zusammenhänge fächerübergreifend mitzusehen; ein Modul mit anderen Modulen verwandter Wissensbereiche zu kombinieren und damit komplexe persönliche und gesellschaftliche Probleme individuell zu bearbeiten; ein vertiefendes Anschluss-Lernen zu erleichtern sowie die Realisierung der Forderung nach einer individualisierten Förderung jedes einzelnen Lerners wirksam zu unterstützen und sich aus einem Gesamtangebot von Modulen und eventuell anderen Lernmaterialien einen je eigenen Lernpfad konstruieren zu können. Aus diesen Aussagen folgt: Das Modul vermag eine in sich stimmige pädagogische Antwort auf die modernen Herausforderungen an das Lernen in gesellschaftlicher und individueller Hinsicht zu geben und entscheidend dabei mitzuhelfen, innovative Bildungsziele mit Breitenwirkung zu realisieren, und zwar durch: Prozessanstatt Stofforientierung und Lerneranstatt Fachzentriertheit, vor allem orientiert an komplexen Lebensproblemen, was eine fachübergreifende Arbeitsweise erleichtert; eine weitgehende, sich im Verlauf des Lernens entwickelnde Lernerautonomie, individuellen Anforderungen leichter gerecht werdend, die auch auf benachbarte Lerninhalte transferiert werden kann; Hilfe bei der Herstellung der Balance von individuellem bzw. Gruppen-Fördern und Fordern; erhöhte Selbstständigkeit der Bildungseinrichtungen, der Lernergruppen und der lernenden Individuen sowie schließlich eine hohe Mobilität und Multikulturalität in ganz Europa. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass - ähnlich wie beim E-Learning - die Entwicklung eines Moduls, das diesen Namen verdient, zumindest vorerst besonders zeitaufwändig und damit teuer ist und wir schon deshalb gar nicht in der Lage sind, alle pädagogischen Aufgaben nur noch modular zu lösen. Zudem würden sich vor allem Lernende ohne oder mit nur wenig entwickelter Lernkompetenz unnötig schwer tun, wenn sie es nur noch mit Modulen zu tun bekämen. Umso mehr kommt damit im Schulbereich dem Lehrwerk nach wie vor eine bedeutsame Rolle zu. Das Lehrwerk für heute und die nahe Zukunft kann aber auch vom Modul lernen. Schon jetzt besteht ein gutes Lehrwerk aus vielen wohldurchdachten, aufeinander aufbauenden bzw. sich ergänzenden Elementen. 4 Es hat bereits mögliche unterschiedliche Lernpfade in sein Angebot übernommen; dies lässt sich sicher weiter 4 Siehe dazu als ein - im Sinne dieser Ausführungen - gelungenes Beispiel: Bd. 4 des Lehrwerks Camden Town Realschule, Verlag Diesterweg. Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 39 40 (2011) • Heft 2 entwickeln. Ähnliches gilt von der Beurteilung des Lernfortschritts durch die Schüler selbst (self assessment). Auch der Medienmix wird bereits genutzt; außerdem ist die Verbindung zum E-Learning im Sinne des Blended Learning angelegt. Das Lehrwerk kann neben Fragen der Praktikabilität oft mit den gleichen Argumenten einen „didaktischen Mehrwert“ für sich beanspruchen. Als Beispiel eines Moduls, das die theoretischen Forderungen umzusetzen sucht, d.h. seine Charakteristika und seinen didaktischen Mehrwert, mag das „Modul Lernen“ dienen, das für eine Lernumgebung „Fremdsprachenunterricht“ entwickelt wurde. Lernumgebung (learning environment) bedeutet „[…] das Arrangement von Lehrmethoden, Lernmaterialien und Medien. Eine Lernumgebung ist außerdem charakterisiert durch die besondere Qualität der aktuellen Lernsituation in zeitlicher, räumlicher und sozialer Hinsicht. Auch der kulturelle Kontext […] gehört dazu […] Alle diese Umgebungsfaktoren beeinflussen das Lernen und unterliegen […] den Gestaltungsmöglichkeiten des Lehrenden“ (R EBEL 2008: 133). 4. Lehrwerke im digitalen Medienverbund - It's all in the mix Die in unserer Gesellschaft in rasantem Tempo voranschreitende Digitalisierung des Alltags, unserer Wissensdistributions-, Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsroutinen, macht auch vor dem Bereich des institutionalisierten Lehrens und Lernens in Schulen nicht Halt. Beispiele hierfür sind etwa die Einrichtung von Notebookklassen, Internetprojekte, der verstärkte Einsatz von Lernplattformen wie Moodle oder lo-net 2 (letztere wird Betreiberangaben zufolge Stand März 2011 von 6500 Schulen deutschlandweit genutzt) oder die zurzeit von vielen Ländern und Kommunen voran getriebenen, häufig auf dem Konjunkturprogramm 2 der Bundesregierung beruhenden Initiativen zur Ausstattung von Klassenräumen mit interaktiven Whiteboards. Das in gedruckter Form vorliegende Lehrwerk wird auch in naher Zukunft nicht zuletzt aufgrund der häufig insgesamt noch mangelhaften Medienausstattung unserer Schulen wohl weiterhin das zentrale Lehr- und Lernmedium im unterrichtlichen Medienverbund bleiben und nicht z.B. von Tablet-PCs mit elektronischen Schulbüchern ersetzt werden. Dennoch arbeiten Schulbuchverlage mit Hochdruck daran, neben dem klassischen Schulbuch vielfältige digitale Peripheriematerialien anbieten zu können. Die Bandbreite reicht hier im Bereich des Fremdsprachenlernens etwa von multimedialen Lernprogrammen entweder für das außerschulische Selbstlernen (z.B. Vokabel-, Grammatik- und Hör-/ Sehverstehenstrainer) oder als Unterrichtssoftware, über ergänzende Online-Übungen und Materialien zur Lernstandserhebung, DVDs mit Audio- und Videomaterialien (z.B. authentischen Filmsequenzen), interaktive Arbeitsblätter und Tafelbilder für das Whiteboard bis hin zum digitalen Unterrichtsplaner für Lehrkräfte (z.B. für Stundenplanung, Stoffverteilungspläne, Materialzusammenstellung). 40 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 Eine entscheidende Frage bei der Konzeption und dem Einsatz digitaler Lehr- und Lernmedien - jenseits von aller Euphorie, die den Computereinsatz häufig begleitet - muss dabei stets sein, ob das jeweilige Material oder computerbereicherte Lernszenario tatsächlich gegenüber anderen „klassischen“ Formaten, Materialien und Übungen einen didaktischen Mehrwert besitzt und beispielsweise mit Blick auf die Aspekte Schüleraktivierung, Multimedialität, Interaktivität, Individualisierung und Differenzierung, Authentizität, Materialreichtum, Aktualität und inhaltliche Flexibilität (vgl. K RUMM 1999: 122) besondere Potenziale eröffnet. Insgesamt ist noch nicht absehbar, welche Rolle den verschiedenen digitalen und analogen Medienformaten im Medienmix des Unterrichts der Zukunft zukommen wird. Entscheidend wird unter Qualitätsgesichtspunkten jedoch sein, wie eng und didaktisch sinntragend die verschiedenen medialen Angebote ausgehend vom gedruckten Lehrwerk als Impulsgeber, Ausgangspunkt und inhaltliche Klammer miteinander verknüpft sind, welche Lernaufgaben den Medieneinsatz jeweils begleiten, wie sich die verschiedenen Medien im Verbund gegenseitig ergänzen, wie leicht sie sich in den Unterricht integrieren lassen, welche didaktischen Szenarien Schritte über das Lehrwerk hinaus hin zum Umgang mit authentischen (z.B. Online-)Materialien und Inhalten erlauben und nicht zuletzt, wie die Lernenden mithilfe der verschiedenen medialen Angebote auf vielfältige Weise zum fremdsprachlichen Handeln angeregt werden können (vgl. L EGUTKE 1999; S CHMIDT 2011). 5. Evaluation als integrierter Bestandteil des Lehrwerk-Konzepts In keiner Domäne der Fremdsprachendidaktik hat sich in den vergangenen Jahren so viel verändert wie im Bereich der Evaluationskultur. Dem muss auch bei der Entwicklung von Lehrwerken Rechnung getragen werden, denn die Evaluationskomponente ist Kernbestandteil des Lehrwerks. Die Ersteller von Aufgaben (Redaktionen und Autoren) müssen die Grundlagen des kommunikativen Testens (Ebene der Lernerfolgskontrollen) beherrschen und selbstverständlich auf dem neuesten Stand der Theoriebildung stehen, weil Testaufgaben, auch in der Form von Lernerfolgskontrollen, hoch komplex sind. Dabei müssen testtechnische und fachdidaktische Komponenten verbunden werden. Die Gestaltung der Evaluationskomponente muss im Rahmen der so genanten Drei- Säulen-Theorie erfolgen (vgl. E DELHOFF / S CHRÖDER 2009; H ARSCH / S CHRÖDER 2008; S CHRÖDER 2009a). Das bedeutet im Einzelnen: Die Teilnahme der Schüler an zentralen Lernstandserhebungen am Ende der Jahrgangsstufen 6, 8 und 10 muss im Rahmen entsprechender Lernaufgaben vorbereitet werden. Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 41 40 (2011) • Heft 2 Es müssen lehrwerkbegleitende Aufgabenpakete angeboten werden, die den Charakter von Lernerfolgskontrollen haben, allerdings solchen Lernerfolgskontrollen, die den aktuellen Qualitätsmaßstäben im Bereich des Testens genügen. Es müssen Materialien zur Selbstevaluation vorgesehen werden. Die in den Lehrwerken des Diesterweg-Verlags angebotenen Portfolio-Seiten und Testyourself-Module weisen in diese Richtung (vgl. z.B. Notting Hill Gate oder auch Camden Town Gymnasium 2007-2011), sie sollten aber durch Aufgaben im Bereich kommunikativer Mündlichkeit ergänzt werden. Die Grundgedanken der hier angedeuteten „neuen Evaluationskultur“ sollten den Lernenden selbst dargestellt werden, auch mit dem Hintersinn, jene Kollegen, die die begleitenden Lehrerhilfen nicht zur Kenntnis nehmen, in die Problematik einzuführen. In jedem Fall sollte aber das Lehrerhandbuch in Form von knappen Hinweisen die Grundlagen kommunikativer Evaluation im Rahmen der oben genannten drei Säulen auf dem neuesten Stand enthalten, wobei auch vor den Gefahren eines kurzschlüssigen, fehlerhaften Umgangs gewarnt werden muss. Die Qualität eines Lehrwerks wird in den kommenden Jahren wesentlich an der Qualität der Evaluationskomponente gemessen werden. Man kann dies beklagen oder bejubeln; in einem outcome-orientierten System ist diese Entwicklung abzusehen und bedarf bei der Neukonzeption von Lehrwerken sehr viel größerer Sorgfalt als bisher. 6. Herausforderungen durch Schulreformen Besondere Herausforderungen für die Entwicklung zukünftiger Lehrwerke ergeben sich nicht nur durch neue didaktisch-methodische Möglichkeiten wie den digitalen Medienverbund und die Notwendigkeit der Entwicklung einer „neuen Evaluationskultur“, sondern in besonderem Maße auch durch die schulpädagogischen Reformen der letzten Jahre. Dazu gehören der inzwischen flächendeckende Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, in mehreren Bundesländern bereits ab Klasse 1 (vgl. G OMPF 2010), die Verkürzung der Schulzeit in Gymnasien, die Verpflichtung zur Einrichtung eines inclusive education system auf Grundlage der 2008 von den Vereinten Nationen in Kraft gesetzten Behindertenrechtskonvention (vgl. U NITED N ATIONS 2007; H INZ 2005) sowie die Entwicklung in Richtung auf ein zweigliedriges Schulsystem. Vorstellbar sind u.a. folgende Modelle und Möglichkeiten: Ein „stromlinienförmiges“ Lehrwerksangebot der Verlage von der Grundschule - oder gar Vorschule - bis an das Ende der Schulzeit. Unter der Bedingung, dass für den Grundschulunterricht verbindliche Standards entwickelt und umgesetzt werden und sich die zurzeit vielfach wenig befriedigende Qualifikation der Lehrkräfte verbessert, arbeiten die Grundschulen mit Lehrwerken, die zum einen den grundschulpädagogischen Bedingungen, zum anderen den Erkenntnissen über frühes Fremdsprachenlernen Rechnung tragen (vgl. B ÖRNER 2007). 42 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 Ab der Jahrgangsstufe 5 gibt es Englischlehrwerke für Gymnasien und für integrative „Nicht-Gymnasien“, in denen alle Abschlüsse erreicht werden können. Sie beginnen nicht from scratch, sondern setzen auf ein in der Grundschule verlässlich aufgebautes common core und führen für alle zu einem durch Mindeststandards definierten Mittleren Abschluss oder darüber hinaus. Ab der Jahrgangsstufe 8, spätestens aber ab der Jahrgangsstufe 9, also nach ca. 20 Jahreswochenstunden Englischunterricht, wird mit Modulen mit verpflichtenden und optionalen Bausteinen gearbeitet. Dabei sind den individuellen Schulprogrammen entsprechende Profilierungen denkbar, z.B. für das Langzeitlehrgangsfach Englisch survival English, Englisch als Arbeitssprache, berufspropädeutisches Englisch, English Literature bis hin zu Content and Language Integrated Learning, CLIL. Die Lehrwerke bzw. Unterrichtsmaterialien am Ende der Sekundarstufe I bereiten auf die Fortführung des Fremdsprachenlernens auf der Sekundarstufe II vor, sowohl in Bezug auf berufsbezogenes Sprachenlernen wie auch auf die besonderen Bedingungen der gymnasialen Oberstufe mit Blick auf weitere universitäre Bildungsgänge. Es muss auch für die Fremdsprachenlerner die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen erreicht werden. Das Englischlehrwerk ausschließlich für Hauptschulen oder Realschulen dürfte auf Grund der Entwicklung auf ein zweigliedriges Schulsystem ein Auslaufmodell werden. Die aktuellen Reformen werden zu grundsätzlichen Veränderungen bei den Lehrwerken führen, vor allem aber auch eine Weiterentwicklung der Methoden nach sich ziehen. Das auszuführen kann nicht Gegenstand dieses Beitrags sein. 7. Warum Lehrwerke im Fremdsprachenunterricht sinnvoll und notwendig sind Die folgende Aufstellung ist nicht vollständig. Ein Angebot der hier genannten Dinge im Rahmen einer Paketlösung erscheint aber geeignet, die Qualität des Fremdsprachenunterrichts zu steigern. Lehrwerke geben im Idealfall Struktur, indem sie individuellen Lernprozessen eine Richtung geben (Progressionen), indem Lernabläufe durch Units, Themes und spirales Fortschreiten rhythmisiert werden, Lernprozesse durch strukturiertes Lernen optimiert werden und die Beraterrolle des Lehrers optimiert wird. Lehrwerke bieten den Lernenden Hilfestellungen für individuelles forschendes Lernen (nicht nur in den Bereichen Grammatik und Lexis) und helfen dem Lehrer, der als Lernberater auf den individuellen Lerner zugeschnittene Entscheidungen treffen muss. Lehrwerke bieten Impulse durch Handlungsanregungen für den Schüler. Sie ermöglichen Projektorientierung und bieten Vernetzung mit der übrigen Welt: Sie Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 43 40 (2011) • Heft 2 sind „Tor zur Welt“. Sie bereichern das Ideenarsenal des Lehrers und können als Brücke zwischen Schule und Elternhaus dienen. Lehrwerke können auch im Rahmen ihrer nun einmal erforderlichen Marktorientierung durchaus innovativ sein, gehört doch die Sehnsucht nach good practice zu den Motiven ihrer Einführung. Nicht zu unterschätzen sind auch der Druck der Konkurrenz sowie die Reaktion auf neue, innovative Elemente in den staatlichen Vorgaben. Im Zeitalter von Kerncurriculum, Kompetenzentwicklung, Outcome-Orientierung, communicative testing, Lernstandserhebungen, neuer Evaluationskultur, Bildungsstandards, Lernerautonomie, task-based learning, Kommunikationsorientierung, transkultureller Kompetenz und wiederentdeckter Anstrengungsorientierung sollte das „gute“ Lehrwerk folgende Kriterien erfüllen: Das gute Lehrwerk gründet nicht auf einer einzigen - nämlich grammatischen - Progression. Vielmehr bietet es Progressionen auch in den Bereichen Pragmatik, kulturelle Bezüge, Lerntechniken/ Lernstrategien und Arbeitstechniken. Das gute Lehrwerk arbeitet nach dem spiraligen, nicht nach dem linearen Progressionsprinzip. Das gute Lehrwerk öffnet Fenster zu anderen Fremdsprachen und bereitet auf nachfolgendes (Leben begleitendes) Sprachen- und Kulturen-Lernen vor. Das gute Lehrwerk bietet keine um grammatische Phänomene herumkonstruierten künstlichen und motivationsarmen Leittexte. Vielmehr bietet es authentische Texte (challenging and meaningful für die Schüler) als rich input für ein individualisiertes Lernen (individual intake). Im guten Lehrwerk erscheinen die grammatischen Phänomene im Kontext kommunikativer Bedürfnisse. Das gute Lehrwerk bietet mehr Texte unterschiedlichsten Zuschnitts, als im Unterricht „durchgenommen“ werden können. Das gute Lehrwerk ist stets auch individuelles Lesebuch. Es vernetzt Schriftsprachlichkeit, scripted speech und kommunikative Mündlichkeit, und es ist auch jenseits des Unit-/ Theme-Teils ein gerne konsultiertes Vademekum der Schüler, weil es gerade hier Hilfestellungen und Impulse (i.e. Language in Focus-Seiten, How to-Seiten, Study- Skills-Seiten) zu geben vermag. Das gute Lehrwerk fördert die Kommunikation zwischen den Schülern durch entsprechende Übungen und Handlungsanregungen. Es hilft aktiv bei der Entwicklung eines anspruchsvollen classrooom discourse. Das gute Lehrwerk ist Ausgangspunkt für eine über das Lehrwerk hinausgehende Lektüre und es ist Angelpunkt für weiterreichende kommunikative und kulturenorientierte Aktivitäten. Schließlich integriert das gute Lehrwerk die Erfordernisse und Möglichkeiten der „neuen Evaluationskultur“ (Referenzrahmen, Portfolio, lernerfolgsorientiertes communicative testing, Vorbereitung auf Maßnahmen des large scale assessment über entsprechende Lernaufgaben). 44 Otfried Börner, Christoph Edelhoff, Karlheinz Rebel, Torben Schmidt, Konrad Schröder 40 (2011) • Heft 2 Bei der Lehrwerkentwicklung wird im Idealfall Expertise gebündelt durch ein erfahrenes Autorenteam von im Kern drei bis fünf Autoren, ein wachsames Team von fünf bis sieben Gutachtern, durch eine professionell arbeitende Redaktion mit einem Kern von drei bis fünf Mitarbeitern sowie über mehrere Revisionsdurchgänge bis zur endgültigen Drucklegung. 8. Das ideale Lehrwerk Im Rahmen einer mehrtägigen schulinternen Fortbildung in einer Gesamtschule wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Vorstellung von einem idealen Lehrwerk aufzuschreiben (vgl. B OHNSACK / B ÖRNER 2008). Es ist aufschlussreich zu erfahren, welche Anforderungen ein relativ entwicklungsbereites Kollegium stellt. Deshalb sollen im Folgenden einige der Äußerungen als wörtliche Zitate vorgestellt werden. „Das ideale Lehrwerk für mich ist authentisch, abwechslungsreich, übersichtlich, ansprechend, effektiv, voller spannender Themen, easy for both teachers and pupils to follow and sets out clear guidelines.“ „Das ideale Lehrwerk für mich gibt mir Hilfen, Anregungen, Projektideen, Ressourcen, differenzierende activities, genügend Freiraum, a multiplicity of themes, which can be connected and expanded by the users.“ „Das ideale Lehrwerk für mich sieht den Schüler im Mittelpunkt, als Individuum, as creative user of language, als aktiven ,Macher‘, as a key player… of what and how to learn.“ „Das ideale Lehrwerk verlangt vom Lehrenden/ Lernenden Mut zum Experimentieren, sich auf aktuelle und neue Themen einzulassen, sich mit den Inhalten auseinander zu setzen, involvement, strukturiert und eigenverantwortlich arbeiten zu können.“ „Das ideale Lehrwerk für mich leistet Differenzierung, Methodenvielfalt, Projektidee, Kreativität, viel Vorarbeit, Anregungen zu kritischem Denken, effektive Lernhilfen, einen Beitrag zur Völkerverständigung.“ „Das ideale Lehrwerk für mich führt zu einem Unterricht, der abwechslungsreich ist, Spaß macht, selbstständiges Umgehen mit dem Buch ermöglicht, z.T. fächerübergreifend ist, stimulates and facilitates successful learning, vom Schülerinteresse ausgeht, eigenes Entdecken möglich macht.“ „Das ideale Lehrwerk muss strukturiert und übersichtlich sein, ansprechend gestaltet und motivierend sein, neugierig machen, effektiv sein, have topics which are relevant, develop L, S, R, W in a circular progression, encourage creativity.“ „Das ideale Lehrwerk darf nicht zu umfassend und mit Informationen überladen sein, grammatiklastig und meaningless sein, einengen, langweilen, pointless exercises enthalten“. Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen 45 40 (2011) • Heft 2 9. Im Übrigen Versucht man die schulpädagogischen, curricularen und fachlichen Vorgaben, die Sachzwänge und die Vorstellungen von Wissenschaft und Praxis bei der Gestaltung eines zeitgemäßen Lehrwerks unter einen Hut zu bekommen - ohnehin eine utopische Aufgabe - so ist damit immer noch und immer wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht, weil Schulbücher den Schulbehörden der Bundesländer zur Genehmigung vorzulegen sind und diese oftmals nur die eingeschränkten Interessen der betreffenden Region im Auge haben. Es bleibt abzuwarten, ob die nationalen Bildungsstandards auch in dieser Hinsicht einen Vereinheitlichungseffekt erzielen werden. Literatur A MOR , Stuart (1999): „Authenticity in the Language Classroom“. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 5, 4-10. B ACH , Gerhard / T IMM , Johannes-Peter (Hrsg.) (1989): Englischunterricht. 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The year 2008 saw the introduction of a new generation of textbooks for Russian as a second or third foreign language. From a methodological standpoint, these new textbooks are comparable to many textbooks being used for the instruction of other foreign languages. In this article, we take a look at how these textbooks are designed to support teachers in the difficult task of developing communicative and intercultural competence, in addition to language skills. We extend our discussion to approaches that have been recommended for tertiary language learning, suggestions for self-reflection and self-assessment by learners, and considerations of authenticity and media in textbooks. Finally, we identify the strengths of these new textbooks and note those areas that still need improvement. 0. Einleitende Bemerkungen Wenn allgemein eine „Diskrepanz zwischen der Relevanz von Schulbüchern für schulische Lehr- und Lernprozesse einerseits und der Vernachlässigung des Schulbuchs in Schrifttum, Forschung und Lehrerbildung anderseits“ (F UCHS [et al.] 2010: 7) konstatiert wird, so trifft das insbesondere auf Russischlehrbücher zu. Obwohl sie im Russischunterricht vor allem auf den Niveaustufen A1, A2 und B1 nach wie vor das Leitmedium bilden, finden sich in der Fachliteratur bis auf vereinzelte Rezensionen keine Publikationen zu didaktisch-methodischen Fragen ihrer Entwicklung und ihres Einsatzes, weder aus historischer noch aus aktueller Sicht. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wodurch sich die aktuelle Lehrwerksgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache auszeichnet und welche Neuerungen sie im Vergleich zu ihren Vorgängern aufweist. * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Grit M EHLHORN , Univ.-Prof., Universität Leipzig, Institut für Slavistik, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-Mail: mehlhorn@rz.uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung, insbesondere slawische Sprachen und Deutsch als Fremdsprache, Ausspracheerwerb, Mehrsprachigkeit, Sprachlernberatung. Dr. Heike W APENHANS , wiss. Mitarbeiterin; Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Slawistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: heike.wapenhans@slawistik hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung, insbesondere Russisch, Lehrwerkerstellung, Sprachmittlung, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien. 50 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 1. Die Lehrwerke für den schulischen Russischunterricht nach 2008 Im Unterschied zu den anderen Schulfremdsprachen, für die Lehrwerke verschiedener Verlage zur Auswahl stehen, beschränkt sich das Angebot für Russisch auf zwei Schulbuchverlage - Cornelsen Schulverlage und Ernst Klett Verlag. In beiden Verlagen sind seit 2008 neue Lehrwerkreihen erschienen, die sowohl an Bewährtes und Bewahrenswertes anknüpfen und das z.B. mit der Fortführung der Titel der Vorgängergeneration(en) unterstreichen - bei Cornelsen Dialog, Privet! (dt. Grüß dich! ), Vmeste (dt. Miteinander) - als auch neue Akzente setzen und das bereits in einer anderen Titelwahl - bei Klett Kone no! (dt. Natürlich! ) im Unterschied zum Vorgänger Okno (dt. Fenster) - verdeutlichen möchten. Mit Dialog und Kone no! stehen neue Lehrwerkreihen für Russisch als zweite Fremdsprache in der Sekundarstufe I zur Verfügung. Beide Reihen wollen dem Anspruch gerecht werden, einen Einsatz in unterschiedlichen Schultypen - von der Sekundarschule, Real-, Regel-, Mittel- oder Regionalschule bis zum Gymnasium - in den verschiedenen Bundesländern mit ihren speziellen Rahmenrichtlinien bzw. -lehrplänen zu ermöglichen. Bislang gibt es keine schulart- oder bundeslandspezifischen Russischlehrbücher, wobei die Autoren von Kone no! eine weitgehende Orientierung am Einsatz im Gymnasium einräumen. Die Lehrwerkreihen Privet! und Kone no! Intensivnyj kurs (identisch nicht nur im Titel, sondern auch in Konzeption und Umsetzung mit dem o. g. Kone no! ) sind für Russisch als dritte oder spät einsetzende Fremdsprache vorgesehen. Vmeste ist das derzeit einzige für die Sekundarstufe II zugelassene Lehrwerk, das Russisch als fortgeführte Fremdsprache bedient. Die Lehrwerkkonzeptionen aller Neuerscheinungen orientieren sich an den Vorgaben des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) (E UROPARAT 2001) in Bezug auf Themen und Niveaustufen sowie an den Anforderungen der Rahmenlehrpläne mit den dort ausgewiesenen Kompetenzmodellen einschließlich der Output- Orientierung. Wesentliche Prinzipien der Fremdsprachendidaktik wie Handlungs-, Kompetenz- und Lernerorientierung fanden Eingang in die neue Lehrwerkgeneration. Die einzelnen Lehrwerkreihen präsentieren sich jeweils als Lehrwerkverbund, bestehend aus verschiedenen aufeinander abgestimmten Bestandteilen: Schülerbuch (SB), Arbeitsheft (AH), Handreichungen für den Unterricht (HRU) bzw. Lehrerbuch, Vokabel- und Grammatikheften, Audio-CD und Lernersoftware sowie Download-Möglichkeiten im Internet. 2. Authentizität und Medien in den neuen Lehrwerken Für alle Lehrwerke der neuen Generation lässt sich konstatieren, dass ihre Autorenteams der Umsetzung der fachdidaktischen Forderung nach größtmöglicher Authentizität große Bedeutung beigemessen haben. Das betrifft sowohl die Verwendung vielfältiger authentischer Materialien als Symbole oder Produkte der Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 51 40 (2011) • Heft 2 russischen Kultur als auch die Einbeziehung authentischer Sprache und die Berücksichtigung von authentischen Lernkontexten. Als authentische Materialien kommen in den SB und AH vor allem Fotos zum Einsatz, die mit ihren Inhalten Einblicke in die russische Lebenswelt geben bzw. diese veranschaulichen sollen. Dazu zählen erwartungsgemäß Fotos der weltbekannten Moskauer und Petersburger Sehenswürdigkeiten wie z.B. des Roten Platzes und der Eremitage oder Aufnahmen der Transsibirischen Eisenbahn und des Baikals, deren thematische Behandlung durch die Rahmenlehrpläne gefordert wird. Bemerkenswert ist, dass auch kleinere, provinzielle Städte wie z.B. Vologda, Jaroslavl’, Suzdal’, Vladimir (Dialog, Privet) und Tula, Kaluga, Novgorod (Kone no) bildlich Eingang in die Lehrwerke fanden, ebenso wie So i als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014. Alle neuen Lehrwerke verfügen über eine erfreulich hohe Anzahl von Fotos, auf denen Personen abgebildet sind. Das sind sowohl Porträts bekannter Persönlichkeiten der russischen Geschichte und Kultur aus Vergangenheit und Gegenwart einschließlich der aktuellen Musik-, Film- und Sportszene, als auch Fotos, die das Alltagsleben von einfachen Menschen aller Altersschichten dokumentieren. Gerade letztere verleihen den Lehrwerken Frische und Lebendigkeit. Positiv fällt auch der große Anteil von Fotos auf, die den Schul- und Freizeitbereich Jugendlicher in Russland lebensnah abbilden. In diesem Bereich zeichnet sich besonders Kone no mit seiner Storyline aus: mittels Foto oder Illustration sind die Protagonisten stets in den entsprechenden Situationen zu sehen. Alle Lehrwerke der neuen Generation verwenden für ihre ein- oder mehrseitigen Einstiegsseiten (Cornelsen) bzw. Auftaktseiten (Klett) Fotos und andere authentische oder ihnen nachempfundene Materialien, um inhaltlich auf das Lektionsbzw. Modulthema einzustimmen, Vorwissen zu aktivieren, landeskundliche Informationen zu vermitteln oder für soziokulturelle Besonderheiten zu sensibilisieren. In Abhängigkeit vom Thema werden auf diesen Seiten und darüber hinaus auch in allen anderen Lektionsabschnitten naturgetreue Abbildungen von Realien nicht nur als Gestaltungsmittel - wie es häufig in den Vorgängerbänden anzutreffen war - eingesetzt, sondern didaktisch sinnvoll als Impulse für Lese-, Sprech-, Schreib- und Sprachmittlungsaufgaben. Das sind in den ersten Bänden der Lehrwerke für die zweite und dritte Fremdsprache vor allem Abbildungen von Straßenschildern und Aufschriften, Eintritts- und Fahrkarten, Stadt- und Fahrplänen, Speisekarten und Rezepten, Konzert- und Filmplakaten, Zeitungs- und Zeitschriftenseiten, Buchtiteln, Glückwunschkarten, (Hausaufgaben-)Heften, Werbeprospekten, Annoncen u.ä. Auf Grund der ihnen eigenen Verbindung von Bild und Text ermöglichen diese Abbildungen eine erste Begegnung mit, wenn auch kurzen, so doch authentischen, d.h. unveränderten Texten, wie sie in der russischen Wirklichkeit anzutreffen sind. Das Merkmal ‚authentisch‘ kann ohne Einschränkungen auch den zahlreichen Liedern, Gedichten, Reimen und Nachsprechversen zugeschrieben werden, die in die SB aller neuen Lehrwerke mit unterschiedlichen Zielstellungen aufgenommen wurden. Das Bemühen um Authentizität lässt sich in den neuen Russischlehrwerken auch daran 52 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 erkennen, dass mit wachsender Sprachbeherrschung der Anteil authentischer Textgrundlagen z.B. aus dem Internet zunimmt und der Grad ihrer Didaktisierung in Form von Adaptationen abnimmt. Ohne Didaktisierung, und sei es in Form von Kürzungen, kommen allerdings selbst in Vmeste nur wenige Texte aus. Als authentisch kann auch das Russisch bezeichnet werden, das in den verschiedenen Textsorten der einzelnen Lehrwerke zur Anwendung kommt. So wird nicht nur das normgerechte schriftsprachliche Russisch abgebildet, sondern auch das von jungen Leuten gesprochene Russisch, das zahlreiche umgangssprachliche Markierungen und Anglizismen aufweist. Eine wichtige Aufgabe von Lehrwerken ist es, möglichst lebensnahe Lernkontexte und Kommunikationssituationen zu simulieren, mit denen sich die Schüler identifizieren können und die es ihnen ermöglichen, ihre Bedürfnisse und Kompetenzen einzubringen. Aus diesem Grund greifen die Autoren von Dialog, Privet, Vmeste und Kone no in verschiedenen Aufgabenstellungen gern auf Begegnungssituationen aller Art zurück, insbesondere auf den Schüleraustausch oder eine Klassenfahrt nach Russland. Der hohe Anspruch an Authentizität findet seinen Ausdruck zudem in der Textsortenvielfalt, die im Kontext der jeweiligen Sprachbeherrschungsstufe und des darzustellenden Themas zu betrachten ist. So präsentieren die neuen Lehrwerke verschiedene Textsorten, die eine nachvollziehbare, praktische Relevanz für die Schüler haben und in den Rahmenlehrplänen für Russisch gefordert werden. Entsprechend der unterschiedlichen Differenzierungskriterien für Textsorten sind in allen Russischlehrwerken Texte folgender Art zu finden: mündliche und schriftliche, monologische und dialogische, kontinuierliche und diskontinuierliche, fiktionale und nichtfiktionale, einfach und mehrfach kodierte. Die konkreten Texte orientieren sich inhaltlich überwiegend an den Interessen und Bedürfnissen der Schüler und berücksichtigen erfreulicherweise auch die für Jugendliche relevanten und aktuellen Kommunikationsformen wie E-Mail, Foren, Blogs, SMS. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die neuen Lehrwerke ihre Inhalte, d.h. Texte, Übungen und Aufgaben, mittels visueller, auditiver und audiovisueller Medien präsentieren und dabei auch die digitalen Medien einbeziehen. Verständlicherweise überwiegt der Anteil der Printmedien in den SB und AH aller Lehrwerkreihen. Die in Dialog, Privet und Kone no mit einem Hörsymbol versehenen Texte und Übungen werden auf Schüler- oder Lehrer-CDs als Audiodateien zur Verfügung gestellt. Im Unterschied zur Vorgängergeneration mit den vorwiegend für den Lehrer bestimmten Kassetten und CDs erhalten nun auch die Schüler die Gelegenheit, Hör(verstehens)aufgaben selbstständig zu Hause zu lösen. Kone no und Kone no! Intensivnyj kurs stellen für alle Bände mit dem Kauf des AH eine Online-Schülersoftware zur Verfügung, die seinen Nutzern zahlreiche Möglichkeiten zum zusätzlichen Kommunikations-, Grammatik- und Wortschatztraining in ansprechender Form bietet. Eine zusätzliche Übungssoftware gibt es bei Dialog nur für den Band 1. Diese folgt in ihrem Aufbau der Struktur des SB und enthält neben vielfältigen Übungsangeboten zum Wiederholen von Grammatik und Wort- Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 53 40 (2011) • Heft 2 schatz auch Aufgaben zum Hörverstehen und spezielle Übungen zum Kennenlernen der russischen Tastatur. Als motivierendes Zusatzangebot werden auf der CD-ROM des Lehrerbuches zu Kone no! und Kone no! Intensivnyj kurs Filmausschnitte aus dem Film Piter FM bereitgestellt, die aus acht Sequenzen zu den Schlüsselpunkten der Geschichte bestehen. 3. Kompetenzentwicklung in der neuen Lehrwerkgeneration Alle Lehrwerke der neuen Generation haben sich dem Ziel verschrieben, die fremdsprachliche Kompetenz ihrer Russischlernenden zu entwickeln, sie zur sprachlich und interkulturell adäquaten Bewältigung relevanter kommunikativer Situationen zu befähigen. Diese kommunikative und interkulturelle Ausrichtung ist nicht neu, in der Umsetzung lassen sich jedoch einige erfreuliche Konkretisierungen und Entwicklungen beobachten, die im Weiteren betrachtet werden sollen. 3.1 Sprachlich-kommunikative Kompetenz Im Zentrum der Bemühungen steht eine insgesamt ausgewogene Schulung der kommunikativen Fertigkeiten, der produktiven und rezeptiven, der mündlichen und schriftlichen. In Abhängigkeit von der angestrebten Sprachkompetenzstufe werden unterschiedliche Akzente gesetzt. Da in der Alltagskommunikation das Mündliche von entscheidender Bedeutung ist, steht die Entwicklung des Hörverstehens und des Sprechens einschl. mündlicher Interaktion in den ersten Bänden von Dialog, Kone no und Privet im Vordergrund der Übungs- und Anwendungsangebote. Die schriftlichen Fertigkeiten - Leseverstehen, Schreiben einschließlich schriftlicher Interaktion - bleiben in diesen Bänden nicht unberücksichtigt, ihr Anteil nimmt in den Folgebänden dann aber deutlich zu. Schwerpunktmäßig wird an ihnen in Vmeste gearbeitet. Eine grundsätzliche neue Rolle spielt in allen Lehrwerken die Sprachmittlung, die mit Aufgaben in mündlicher und schriftlicher Form vertreten ist. Diese Aufgaben, die sich an einer potenziellen außerunterrichtlichen Interaktion der Schüler (z.B. während des Schüleraustauschs) orientieren, ermöglichen die gezielte, realitäts- und situationsbezogene Anwendung schon erworbener fremdsprachlicher Kompetenzen (vgl. W A - PENHANS 2011). Bereits in den Inhaltsverzeichnissen werden die Schüler darauf hingewiesen, welche „Redeabsichten“ (Dialog), „Kommunikativen Fertigkeiten“ (Kone no), „Kommunikativen Ziele“ (Privet) oder „Kommunikativen Kompetenzen“ (Vmeste) im Mittelpunkt der jeweiligen Lektion stehen werden. Die Entwicklung des monologischen und interaktiven Sprechens erfolgt in den Lehrwerken ausgehend von Übungen und kommunikativen Aufgabenstellungen mit direkten Bezügen zur Lebenswelt der Schüler („Mein Umfeld und ich“). Parallel dazu wird das Sprachhandeln im Alltag (u.a. sogenannte Dienstleistungsgespräche) thematisiert. Beide Bereiche bereiten auf reale 54 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 Gesprächssituationen vor und ermöglichen schnelle kommunikative Erfolge. Zunehmend werden die Schüler dann mit Aufgaben konfrontiert, die eine inhaltliche Auseinandersetzung und somit das Beschreiben, Charakterisieren, Begründen, Kommentieren erfordern. Die angestrebte Diskussionskompetenz und Präsentationsfähigkeit in russischer Sprache findet ihren Ausdruck in komplexeren Aufgabenstellungen, die eine Annäherung an die freie Kommunikation darstellen. In allen Lehrwerken erfolgt eine schrittweise Befähigung zum Gebrauch von Russisch als Unterrichtssprache. Diesem Ziel dienen die im Anhang der SB oder AH aufgeführten russisch-deutschen Arbeitsanweisungen. Positiv fällt ins Auge, wie intensiv in den neuen Lehrwerken am Hörverstehen gearbeitet wird. Ein deutlich höheres Angebot an Hörtexten als in der Vorgängergeneration ermöglicht eine kontinuierliche Schulung dieser wichtigen Fertigkeit unter Berücksichtigung unterschiedlicher Höraufträge und Kontrollformen. Hervorhebenswert ist, dass erstmalig auch den Schülern Audio-CDs mit Hörtexten und -aufgaben im AH zur Verfügung gestellt werden. Erste Versuche, das Hör-/ Sehverstehen mit entsprechenden Aufgaben in die Lehrwerke zu integrieren, lassen sich erfreulicherweise in Dialog, Kone no und Vmeste finden. Etwas Verwunderung ruft die übereinstimmende Filmauswahl hervor. Dem Leseverstehen widmen Kone no ab dem 1., Dialog ab dem 2. Lernjahr spezielle Abschnitte in den Lektionen und erweitern das Angebot an Lesetexten jeweils im Anhang. Privet weist wie Dialog Lesetexte gesondert als solche aus. Der Übungs- und Aufgabenapparat zu den Lesetexten und -abschnitten zielt auf die Entwicklung der Antizipationsfähigkeit und den Einsatz unterschiedlicher Lesestrategien und -stile ab (globales und detailliertes Leseverstehen, skimming, scanning) und bezieht die Nutzung des Wörterbuchs ein. Im Unterschied zu den Lernenden anderer Schulfremdsprachen müssen Russischlernende, bevor sie Schreibaufgaben lösen können, ein neues Alphabet und somit eine neue Schrift erlernen. Diesem Anliegen kommen die Lehrwerke vorwiegend in den AH des 1. Lernjahres nach. Die darauf folgende Vielfalt an schriftlichen Übungen und Aufgaben, die den Zugang zu unterschiedlichen Textsorten berücksichtigt, unterscheidet sich nicht von der in den anderen Fremdsprachen. 3.2 Vermittlung von Sprachkenntnissen Der vermittelte Wortschatz orientiert sich in allen Lehrwerken an den jeweiligen kommunikativen Absichten. Daher werden bestimmte Wortgruppen als lexikalische Ganzheiten (chunks) eingeführt, ohne die darin enthaltene Grammatik sofort zu thematisieren. Auch bei Verben erscheinen oft nur die konjugierten Formen, die für die Realisierung der jeweiligen Sprechabsicht benötigt werden. Die Schülerbücher und Arbeitshefte enthalten zahlreiche Übungen, in denen der neue Wortschatz umgewälzt werden soll. Lustige Merkverse und Eselsbrücken sollen das Einprägen der Vokabeln erleichtern. Im Anhang der HRU von Dialog 1 finden sich Kopiervorlagen mit Mindmaps zu den Themen des Bandes, die eine gute Möglichkeit zur thematischen Vorent- Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 55 40 (2011) • Heft 2 lastung und Weiterarbeit darstellen. Mit zunehmenden lexikalischen Kenntnissen der Schüler spielen Wortbildungsregularitäten und Analogien eine größere Rolle, was in Dialog z.B. in der Rubrik „Mithilfe der Wortbildung Russisch lernen“ systematisiert wird. Die Lehrwerke Dialog, Kone no und Privet enthalten alphabetische Wörterverzeichnisse Russisch-Deutsch und Deutsch-Russisch sowie Lektionswörterverzeichnisse in der chronologischen Reihenfolge der Lektionen mit Beispielsätzen, Wortfeldern, hilfreichen Illustrationen, Aussprachehinweisen, Verweisen auf verwandte Wörter im Englischen und Französischen, wichtigen Hinweisen zu Ausnahmen und ‚falschen Freunden‘. In Privet werden die Vokabeln innerhalb des Lektionswörterverzeichnisses zusätzlich nach thematischen Wortfeldern angeordnet. Internationalismen und Fremdwörter, die die Schüler beim Lesen selbstständig erschließen können, werden separat gekennzeichnet. Im Lehrwerk Kone no findet man sie innerhalb des Lektionswörterverzeichnisses im ‚Persönlichen Wörterbuch‘, in Dialog erscheinen sie in einer Wortschatztruhe und in Privet in Kästchen mit der Aufschrift ‚rezeptive Lexik‘. Die Lehrwerke thematisieren explizit Vokabellernstrategien, die von den Schülern bereits in den zuvor gelernten Sprachen angewendet wurden und nun gezielt auf das Russische übertragen bzw. ausgebaut werden sollen. Die Vokabellernhefte zu Kone no und Dialog sind ähnlich wie die Lektionswörterverzeichnisse aufgebaut und enthalten zusätzliche Wortschatzaufgaben einschließlich Lösungsschlüssel. In den höheren Lernjahren spielen Redemittel zur Realisierung verschiedener Sprechakte eine zunehmende Rolle. In Privet schon in den Bänden 1 und 2 vorhanden, tauchen sie in Dialog ab Band 3 auf und werden zunehmend komplexer. Die ausführlichste Sammlung von Redemitteln - auch zur Vorbereitung auf das Russischabitur - enthält Vmeste, u.a. zur Analyse von Statistiken, Interpretation von Karikaturen, zum Resümee literarischer Texte, für Diskussionen und Präsentationen. Dafür verzichtet Vmeste auf die Hervorhebung neuer Lexik und ein Lektionswörterverzeichnis; lediglich die HRU bieten auf der Lehrer-CD- ROM editierbare Lexiklisten als Kopiervorlagen an. In allen Lehrwerken finden sich grammatische Erläuterungen im SB, allerdings weniger ausführlich als in früheren Russischlehrwerken. Neu ist, dass viele Regeln durch die Schüler selbst entdeckt werden können, da das Sprachmaterial so aufbereitet ist, dass ein induktives Ableiten ermöglicht wird. Daneben werden Regeln deduktiv auf gegebenes Sprachmaterial angewendet und sprachliche Konstruktionen auf der Grundlage der Analogiebildung variiert. Die Auswahl der Übungstypen ist vielfältig (z.B. Lücken-, Formations-, Transformations-, Erweiterungs- und Substitutionsübungen), wobei sich die Grammatik stets an kommunikativen Redeanlässen aus der jeweiligen Lektion orientiert und somit dienende Funktion hat. In der Grammatikdarstellung gehen die Lehrwerke teilweise unterschiedliche Wege. Zu jedem Band von Kone no gibt es ein „Grammatisches Beiheft“ (B ORGWARDT 2008-2011; im Folgenden GBh) mit einer Lernergrammatik, das sich an der Progression der grammatischen Phänomene und am Wortschatz der jeweiligen Lektionen im Schülerbuch orientiert. Bei der Grammatikdarstellung wird grundsätzlich an das Vorwissen der Schüler angeknüpft, z.B. „Du weißt, dass es im Deutschen vier Kasus gibt: Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ“, und angekündigt, was der Schüler nun lernen wird, z.B. „Im Russischen 56 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 gibt es sechs Kasus. Nach dem Nominativ fragst du wie im Deutschen mit kto? wer? oder to? was? “ (GBh 2008: 6). Die Grammatikerläuterungen sind altersgerecht und schülerfreundlich aufbereitet, durch signalgrammatische Elemente und passende Beispielsätze gut nachvollziehbar illustriert. Hilfreiche Hinweise zur russischen Aussprache tauchen dort auf, wo sie grammatisch relevant sind. Zu jeder Lektion gibt es Übungen zu den behandelten Phänomenen auch im GBh. Durch die Bereitstellung der Lösungsschlüssel im GBh werden die Schüler zum selbstständigen Arbeiten angeregt und der Unterricht kann von Kontrollhandlungen entlastet werden. Im SB und AH erscheinen jeweils Hinweise auf die entsprechenden Paragraphen im GBh. Das Lehrwerk Dialog enthält im AH die Rubrik „Grammatik entdecken und verstehen“, auf die auch im SB verwiesen wird. In Verbindung mit den im SB präsentierten Redeabsichten werden hier Regeln schülergerecht erklärt und mit verständlichen Beispielen versehen. Die Herangehensweise ist meist deduktiv. An einigen Stellen sollen die Schüler eigene Beispiele ergänzen und noch eine kleine Aufgabe erfüllen, z.B. Endungen unterstreichen. Die Seiten der Schülergrammatik kann der Schüler heraustrennen und individuell weiternutzen. Zusätzlich gibt es eine Grammatik zum Nachschlagen für Dialog (W ALTER 2010), die sich in der Gliederung nach einzelnen Wortarten an linguistischen Grammatiken orientiert. Die grammatischen Regeln werden oft sprachvergleichend dargestellt, und es wird jeweils vermerkt, in welchem Band und welchem Lektionsabschnitt des SB das jeweilige Phänomen vermittelt wurde. Die Rubrik „Tipp! “ verweist oft auf Analogien innerhalb des Russischen. Die letzte Seite jeder Lektion im Lehrwerk Privet enthält die Rubrik „Das solltest du wissen“ mit einer Systematisierung der neuen grammatikalischen Phänomene, häufig in Tabellenform, die zum Nachschlagen verwendet werden kann. Auch hier wird das Sprachmaterial innerhalb der Lektionen so präsentiert, dass die Schüler viele Regeln selbst entdecken können. Die grammatische Progression ist ziemlich ähnlich in den analysierten Lehrwerken. So ist der Instrumental jeweils der zuletzt eingeführte Kasus. Mit dem Verbalaspekt werden Schüler des Russischen als zweite Fremdsprache im zweiten Band konfrontiert, in der dritten Fremdsprache bereits im ersten Band. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. männlich, weiblich, sächlich in Dialog und maskulin, feminin, neutral in Kone no und Privet) verwenden die Russischlehrwerke eine einheitliche grammatische und phonetische Terminologie, wobei die lateinischen Begriffe dominieren und die deutschen Entsprechungen beim ersten Auftauchen manchmal in Klammern angegeben werden. Das konsequent einsprachige Vmeste verwendet auch die russische Terminologie. Im Lehrwerk Vmeste erfolgt in der Rubrik „Arbeit an der Sprache“ eine sprachliche Bewusstmachung lexikalischer und grammatischer Phänomene aus dem jeweils vorangegangenen Text. Damit sind bestimmte Aufgabenstellungen verbunden, z.B. bestimmte sprachliche Formen im Text zu finden, sie zu erklären, zu übersetzen, zu paraphrasieren, umzuformen, weitere Beispiele oder verwandte Wörter zu nennen und Wortgruppen oder Sätze damit zu bilden. Explizite Vermittlung neuer grammatischer Phänomene ist in diesem Lehrwerk für die Sekundarstufe II nicht (mehr) vorgesehen; Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 57 40 (2011) • Heft 2 es finden sich jedoch Systematisierungen zur Wiederholung fehleranfälliger Grammatik in den HRU. Ausspracheübungen finden sich vermehrt im ersten Band der Lehrwerke, in Kone no werden sie bis zum dritten Band fortgeführt. Besonders hilfreich sind hier Aufgabenstellungen, die ein entdeckendes Aussprachelernen ermöglichen und eine Progression vom phonetischen Hören (Diskriminations- und Identifikationsübungen) zum bewussten Nachsprechen ermöglichen. In den ersten Bänden der Lehrwerke für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache werden durchgehend die Betonungszeichen in den Texten angegeben; in höheren Lernjahren erscheinen die Betonungszeichen nur noch auf neu eingeführter Lexik und Eigennamen. Abweichungen in den Phonem-Graphem-Beziehungen einzelner Wörter werden durch kyrillische Buchstaben in eckigen Klammern angegeben. Die internationale Lautschrift IPA wird in keinem der Lehrwerke verwendet. Während in Kone no und Privet explizite Ausspracheübungen auf der Schüler-CD enthalten sind, so dass sie auch für das häusliche Lernen genutzt werden können, befinden sich die meisten Ausspracheübungen in Dialog auf der Lehrer-CD des ersten Bandes, einige auch in der Schüler-Lernsoftware. Auch die Lehrer-CD von Privet enthält viele Ausspracheübungen. Die russischen Lieder auf den CDs können ebenfalls zur Festigung der Aussprache verwendet werden. Im Lehrwerk Vmeste spielt Aussprachevermittlung keine Rolle. 3.3 Sprachenübergreifendes Lernen Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch zeichnet sich dadurch aus, dass explizit auf Kenntnisse der Schüler aus zuvor gelernten Sprachen Bezug genommen wird und dass Mehrsprachigkeit und Sprach(lern)bewusstheit eine Förderung erfahren. Durch Sprachvergleiche sollen die Schüler für die Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachen, Ähnlichkeiten in der Funktion und Anordnung sprachlicher Strukturen und kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede sensibilisiert werden. Internationalismen und Fremdwörter im Russischen nehmen ab der ersten Lektion einen wichtigen Stellenwert in Dialog, Kone no und Privet ein. Authentische Fotos mit Aufschriften auf Gebäuden und Einrichtungen zeigen den Schülern, dass sie - wenn sie erst einmal die kyrillischen Buchstaben verinnerlicht haben - viele Wörter in der neuen Sprache verstehen können, ohne sie direkt gelernt zu haben. Die Lehrwerke laden dazu ein, sich Internationalismen und Fremdwörter aus den verschiedensten Bereichen (Sport, Musik, Schule, Computer, Medien, Werbung, Nationalitäten, Monatsnamen, Speisen und Getränke, Berufsbezeichnungen) zu erschließen und weisen gleichzeitig auf Unterschiede in der Betonung deutscher und russischer Internationalismen und ‚falsche Freunde‘ hin. Besonders deutlich sind Mehrsprachigkeitsansätze in den Lehrwerken Dialog und Privet erkennbar. Hier finden sich zahlreiche Sprachvergleiche nicht nur lexikalischer, sondern auch grammatischer Art, die den Kriterien für sprachenübergreifende Übungen (vgl. B EHR 2010) und entdeckendes Lernen entsprechen. Verglichene grammatische Phänomene sind z.B. Wortstellung, Wortarten, Deklinations- und Konjugationsendungen, Rektion von Verben und Präpositionen, Tempora, Modalverben, Aspekt- 58 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 gebrauch, Partizipien, Passivbildung, Steigerung der Adjektive und Satzarten. Am häufigsten wird das Russische mit der Muttersprache Deutsch und der ersten gelernten Fremdsprache Englisch verglichen. Auf Französisch und Latein wird seltener verwiesen; viele Übungen sind jedoch so angelegt, dass die Schüler selbst Beispiele aus ihren gelernten Sprachen beisteuern können. Vorschläge für Tafelbilder in den HRU zu Sprachvergleichen mit Einbeziehung der am häufigsten gelernten Schulfremdsprachen erleichtern den Russischlehrenden die Durchführung sprachenübergreifender Übungen. Dialog, Privet und Vmeste präsentieren darüber hinaus Sprachvergleiche mit weiteren slawischen Sprachen, in denen die Schüler die Rolle des Russischen als Brückensprache erkennen können. Diese Übungen enthalten Panslawismen (z.B. Zahlwörter, Verwandtschaftsbezeichnungen, Wochentage, Grußformeln) in verschiedenen slawischen Sprachen (z.B. Polnisch, Tschechisch, Bulgarisch, Ukrainisch), die die Schüler mithilfe ihrer Russischkenntnisse selbst erschließen können. Die meisten Anregungen für Sprachvergleiche finden sich in den ersten Bänden der Lehrwerke; in den höheren Lernjahren werden sie zunehmend durch Analogien innerhalb des Russischen abgelöst. Der Vergleich landeskundlicher Realien (z.B. das russische und deutsche Notensystem, Textsorten, Essgewohnheiten, nationale Symbole, Höflichkeitskonventionen, Mimik und Gestik) wird in allen Lehrwerken vorgenommen. Die meisten Kulturvergleiche mit Ermutigung zum Perspektivenwechsel beinhaltet das Lehrwerk Vmeste. Das Englische wird auch außerhalb expliziter Sprachvergleiche in Aufgabenstellungen einbezogen, z.B. in Übungen zur Sprachmittlung, bei der Erstellung einer Speisekarte auf Russisch und Englisch, bei der Thematisierung von Kommunikationsstrategien, bei der Rückführung russischer Anglizismen auf ihre Ausgangsform, wenn russische Fragen ihren englischen Entsprechungen zugeordnet oder Fragen zu einem englischen Text auf Russisch beantwortet werden sollen. Solche Aufgabenstellungen tragen der Tatsache Rechnung, dass das Englische - wie auch in Deutschland - im russischen Alltag eine zunehmende Rolle spielt und dass die Schüler von ihren Vorkenntnissen in der schon länger gelernten ersten Fremdsprache profitieren können. Die Mehrsprachigkeitsansätze in den aktuellen Lehrwerken sind von vielen Russischlehrenden positiv aufgenommen worden (vgl. M EHLHORN / W AHLICHT 2011). In dieser Hinsicht nehmen die deutschen Russischlehrwerke eine Vorreiterrolle ein - sowohl in Bezug auf Lehrwerke für Russisch in anderen Ländern als auch für andere slawische Schulfremdsprachen. Die Lehrwerke für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache unterscheiden sich vor allem durch eine sehr steile Progression in letzteren. So werden die Schüler in der 1. Lektion von Privet 1 neben dem kyrillischen Alphabet, vielen landeskundlichen Informationen und neuen Ausspracheregeln gleich mit den drei Genera der Substantive in vier Kasus konfrontiert. In den GbH zu Kone no! Intensivnyj kurs für die dritte Fremdsprache wurde - im Gegensatz zu Kone no für die zweite Fremdsprache - Französisch in den Sprachvergleich eingebunden. Dies ist sinnvoll, da Lernende der dritten Fremdsprache oft über Vorkenntnisse im Französischen verfügen. Künftige Lehrwerke für Russisch als dritte Fremdsprache müssten sich in ihrer Konzeption jedoch noch deutlicher von denen für die zweite Fremdsprache unterscheiden. Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 59 40 (2011) • Heft 2 3.4 Interkulturelle Kompetenzen Da Russland und russischsprachige Länder im Geographie- und Geschichtsunterricht kaum eine Rolle spielen, kann bei den Schülern wenig landeskundliches Wissen vorausgesetzt werden. So präsentieren die aktuellen Lehrwerke von der ersten Lektion an viele Informationen zu Land und Leuten. Dieses Hintergrundwissen ist Voraussetzung für interkulturelles Lernen und Perspektivenwechsel, die v.a. in den höheren Lernjahren und im Lehrwerk Vmeste für die Sekundarstufe II angeregt werden. Privet enthält im letzten Abschnitt jeder Lektion eine Seite „Informationen aus Russland“; ein ähnliches Angebot unterbreiten Dialog 1 und 2 in jeder Lektion im Abschnitt „Kaleidoskop“ in der Rubrik „Das ist interessant! “ In den ersten beiden Bänden von Dialog gibt Neznaika (Nimmerklug, eine literarische Figur aus einem beliebten russischen Kinderbuch) landeskundliche Hinweise, in Kone no übernimmt diese Aufgabe das Maskottchen Miška (ein Bär). Überhaupt wird in Kone no bewusst mit dem Symbol und Stereotyp des russischen Bären gespielt. So ist im 2. Band eine komplette Lektion dem Thema „Bären in Russland“ gewidmet. Zusätzlich liefert die Rubrik „Fenster nach Russland“ in Kone no Erklärungen zu Realien. Die neuen Lehrwerke zeichnen ein positives und modernes Russlandbild, das sicher auch ein Gegengewicht zu der überwiegend negativen Berichterstattung in den Medien darstellen soll. Betont werden Gemeinsamkeiten und Verbindendes, z.B. dass Jugendliche in Russland dieselben Hobbys, Interessen und Probleme wie deutsche Schüler haben oder dass man sich mit ähnlichen Problemen wie in Deutschland beschäftigt, z.B. mit Globalisierung, Internetabhängigkeit, ökologischen und ethischen Fragen. Die Vermittlung landeskundlicher Informationen wird im Sinne der Handlungsorientierung häufig mit kommunikativen Aufgaben, Aufträgen zur Befragung russischsprachiger Menschen im Umfeld der Schüler und mit Recherchen im russischen Internet verbunden. So sollen die Schüler die russischsprachigen Länder mithilfe der topographischen Karten von Russland und seinen Nachbarländern auf den inneren Umschlagseiten der Lehrwerke Dialog, Kone no und Privet erkunden. Andere Aufträge bestehen z.B. darin, die Wohnsituation in Russland und Deutschland zu vergleichen, einem Deutschen den kulturell geprägten russischen Wortschatz zu erklären, einem Russen zu nationalen Feiertagen zu gratulieren, in interkulturellen Situationen zu sprachmitteln oder Menschen in ihrem Umfeld zu befragen, was Russen an Deutschen schätzen und umgekehrt und diese Informationen vor der Klasse zu präsentieren. Die HRU liefern zusätzliche Erklärungen landeskundlicher und kultureller Besonderheiten zu den Texten und Aufgaben aus den Schülerbüchern. In den HRU zum Lehrwerk Vmeste wird der Beitrag zur interkulturellen Kompetenzentwicklung zu jedem Submodul explizit dargestellt. Bei diesen Zielen geht es darum, dass die Schüler Informationen darüber gewinnen, wie differenziert Russlands politisch-geografische und kulturelle Zugehörigkeit zu Europa von Personen des öffentlichen Lebens gesehen wird, sich alltagsbezogene Unterschiede zwischen Deutschland und Russland sowie 60 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 kulturell bedingte Unterschiede in den Einstellungen zu Erziehungsmethoden bewusst machen, für eine russische Sichtweise auf Deutschland sensibilisiert werden, Einblicke in das Schaffen einiger russischer Schriftsteller, Künstler, historischer und politischer Persönlichkeiten erhalten, sich unterschiedliche Haltungen zum Russischen innerhalb Russlands und darüber hinaus verdeutlichen, die vielfältigen Erscheinungen des „Russischen“ als Teil der europäischen Kultur erkennen, die länderübergreifende Problematik des Erhalts natürlicher Ressourcen begreifen, spezielle Maßnahmen zum Erhalt des Naturreichtums in Sibirien verstehen und befürworten, einige Verhaltensweisen russischer Bürger kennen und verstehen lernen, gegenseitige Stereotypen zwischen Russen und Deutschen wahrnehmen und kritisch reflektieren, eine eigene Position zu besprochenen Themen einnehmen, bestimmte Sachverhalte kritisch hinterfragen und interpretieren. Bei der Beschäftigung mit interkulturellen Themen kommen auch sensible Themen wie der Umgang mit Behinderten, die Ausbildung junger Eliteoffiziere in Russland, Probleme minderjähriger Mütter in Russland, Verschwendung von Energieressourcen und kritische Sichtweisen auf Phasen der jüngeren Geschichte zur Sprache, die in den früheren Lehrwerken noch tabu waren. Besonders hilfreich sind aus unserer Sicht Texte, die Perspektivenwechsel ermöglichen, z.B. wenn eine junge Russin von ihren Erfahrungen als Au-Pair-Mädchen in einer deutschen Familie oder ein deutscher Schüler von seiner ersten Russlandreise berichtet. Die zunehmende Sprachkompetenz der Schüler in den höheren Lernjahren gestattet auch die Auseinandersetzung mit interkulturellen Themen anhand von (längeren) literarischen Texten. In der neuen Lehrwerkgeneration wird zum ersten Mal die Tatsache berücksichtigt, dass am Russischunterricht auch Lernende mit russischsprachigem Hintergrund teilnehmen, die individuell ganz unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen. Alle Lehrwerke weisen in den HRU Differenzierungsangebote auf, wobei zwischen leistungsstarken Schülern, Schülern mit slawischem Hintergrund (sog. „Expertenschülern“) und leistungsschwächeren Schülern unterschieden wird. Zumeist handelt es sich hier um Zusatzangebote für die ersten beiden Gruppen und Erläuterungen notwendiger Zwischenschritte und Hilfsangebote für letztere. Möglichkeiten der Differenzierung ergeben sich weiterhin durch individuell wählbaren Zusatzwortschatz, Projektarbeit, Phasen des „Lernens durch Lehren“, bei der Simulation von Begegnungssituationen und der Prüfungsvorbereitung für den TRKI (zertifizierte Tests für Russisch als Fremdsprache). Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 61 40 (2011) • Heft 2 3.5 Methoden- und Reflexionskompetenzen Deutlich sichtbar ist der Unterschied zwischen den früheren und den heutigen Lehrwerken im Umgang mit den Ergebnissen der individuellen Sprachlernentwicklung. Der Förderung von Methoden- und Selbstkompetenz, die den bewussten Einsatz von Lern- und Arbeitstechniken sowie die Dokumentierung von Selbstevaluierungs- und Selbstreflexionsprozessen beinhaltet, fühlen sich alle Lehrwerke verpflichtet. Dialog und Kone no weisen bereits in den Inhaltsverzeichnissen gesondert auf diese Bereiche hin und knüpfen direkt an lernstrategische Vorleistungen aus dem Muttersprach- und Englischunterricht an. Beide Lehrwerke integrieren die Entwicklung und Bewusstmachung entsprechender Verfahren und Lerntechniken in die einzelnen Lektionen: in Kone no unter dem Begriff „Strategien“, in Dialog unter „Lerntipps“, die dann noch einmal im Anhang in übersichtlicher Form für einen lektionsunabhängigen Zugriff aufgeführt werden. Der Bereich der Selbstreflexion und Selbsteinschätzung stellt in der aktuellen Lehrwerksgeneration eine wichtige Neuerung dar. Ihm wird sichtbar viel Raum zur Verfügung gestellt und das vorrangig in den AH, aber auch im SB wie in Dialog und Privet. Die dort für spezielle Abschnitte bzw. Rubriken verwendete Überschrift „Das kann ich schon“ greift Kone no für die Selbstbewertungsbögen im AH auf. Kone no bietet darüber hinaus in allen AH nach jeder Lektion jeweils eine Seite zur Selbstkontrolle an, die nicht nur Übungen zum Überprüfen des bereits Gelernten mit Hilfe gegebener Lösungen enthält, sondern auch einen gesonderten Abschnitt „Am Ende der Lektion kann ich schon...“ mit Antworten zum Ankreuzen. Alle Evaluierungsangebote sollen von den Schülern kopiert und im eigenen Portfolio abgeheftet werden. In den AH zu Dialog findet der Schüler sowohl speziell gekennzeichnete Testaufgaben als auch separate Testseiten nach den einzelnen Lektionen, die mit Lösungen und Hinweisen zum selbstständigen Wiederholen ausgestattet sind. Die heraustrennbaren Selbsteinschätzungsseiten „Mein Portfolio zu Dialog“ bilden das jeweilige Kompetenzprofil der Bände ab. Ein Extra-Portfolioabschnitt im SB von Dialog 3 präsentiert (Test-)Aufgaben, die den Schülern die Möglichkeit geben, ihre sprachliche Kompetenz im Lese- und Hörverstehen, Schreiben, Sprechen und in der Sprachmittlung selbstständig oder angeleitet durch den Lehrer zu ermitteln. Privet hält am Ende jeder Lektion seiner AH eine Seite zur Selbstüberprüfung mit Lösungen und Hinweisen zum selbständigen Arbeiten bereit. Vereinzelt lassen sich in den Lehrwerken Aufgabenangebote finden, die zur Reflexion über Erfolge und Schwierigkeiten eines Arbeitsprozesses anregen (z.B. Dialog 3, S. 24/ 3). Vmeste bietet seinen Nutzern eine Liste sprachlicher Mittel an, die zur Verbalisierung einer russischsprachigen Selbsteinschätzung in Bezug auf erbrachte Leistungen eingesetzt werden kann. Der durch den GeR initiierte Portfoliogedanke wird in Dialog, Kone no und Privet über die bereits genannten Portfolio- und Selbstevaluierungsseiten hinaus auch in den Anregungen für Dossier- und Projektaufgaben sichtbar, die durch spezielle Symbole gekennzeichnet sind. 62 Grit Mehlhorn, Heike Wapenhans 40 (2011) • Heft 2 4. Ausblick Die Stärken der neuen Lehrwerke liegen u. E. vor allem in der konsequenten Schülerorientierung, der deutlicheren kommunikativen und interkulturellen Ausrichtung der Themen, den zahlreichen Anregungen zu sprachenübergreifendem Lernen und der Einbeziehung sprachlicher Vorkenntnisse der Schüler, dem Bemühen um Authentizität und Aktualität, das auch in den neuen Textsorten und einer stärkeren Einbeziehung gesprochener Umgangssprache zum Ausdruck kommt, Ansätzen zu entdeckendem Lernen, das helfen kann, stabilere Behaltensleistungen bei den Schülern zu erzielen, den vielfältigen Angeboten zur Selbstreflexion und -evaluation. Sicher ist für die Verbesserung in diesen Bereichen die Tatsache mitverantwortlich, dass die Lehrwerkautoren praktizierende Russischlehrende, Fachdidaktiker und zum Teil auch erfahrene Lehrwerkautoren sind, die Bewährtes weiterentwickelt und sich auch an den Lehrwerken anderer Schulfremdsprachen orientiert haben. Entwicklungspotenzial steckt im Ausbau von Angeboten für die Binnendifferenzierung im Russischunterricht (vgl. M EHLHORN 2011) und der Weiterentwicklung von echten Lernaufgaben im Sinne des aufgabenbasierten Ansatzes. In künftigen Lehrwerken sollten neben Russland auch andere russischsprachige Länder und das Russische als lingua franca eine größere Rolle spielen. Wünschenswert wären zudem mehr Texte, die zur Relativierung der eigenkulturellen Perspektive beitragen. Die aktuellen Lehrwerke sind natürlich nicht identisch mit dem Russischunterricht, sondern vielmehr ein Angebot zur Unterrichtsgestaltung, das an die konkrete Unterrichtssituation und die Bedürfnisse der Schüler angepasst werden muss. Der Untersuchung der Frage, wie Lehrende und Lernende die neuen Lehrwerke nutzen, muss in der Russischdidaktik in den nächsten Jahren auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Literatur B EHR , Ursula (2010): „Zur Typologie von Übungen zum sprachenübergreifenden Lernen in der Sekundarstufe I.“ In: D OYÉ , Peter / M EIßNER , Franz-Joseph (Hrsg.): Lernerautonomie durch Interkomprehension. Promoting Learner Autonomy Through Intercomprehension. L’autonomisation de l’apprenant par l’intercompréhension. Tübingen: Narr, 107-116. E UROPARAT (2011) (Hrsg.): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. F UCHS , Eckhardt / K AHLERT , Joachim / S ANDFUCHS , Uwe (2010) (Hrsg.): Schulbuch konkret. Kontexte - Produktion - Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. M EHLHORN , Grit (2011): „Differenzierung im Russischunterricht“. In: E ISENMANN , Maria / G RIMM , Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache 63 40 (2011) • Heft 2 Thomas (Hrsg.): Heterogene Klassen - Differenzierung in Schule und Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 99-117. M EHLHORN , Grit / H EYER , Christine (Hrsg.) (2011): Russisch und Mehrsprachigkeit. Lehren und Lernen von Russisch an deutschen Schulen in einem vereinten Europa. Stauffenburg: Tübingen. M EHLHORN , Grit / W AHLICHT , Madlen (2011): „Mehrsprachigkeit im Russischunterricht aus Sicht der Lehrenden“. In: M EHLHORN / H EYER (Hrsg.), 33-69. W APENHANS , Heike (2011): „Mediation im Russischunterricht“. In: M EHLHORN / H EYER (Hrsg.), 23- 31. Lehrwerke A DLER , Iris / H EINZ , Maike / K ALLERHOFF , Hans Georg / K RÜGER , Daniel / L EHMANN , Olga / L ISCHITZKI , Tatjana / M ANEWITSCH , Maria / N ADCHUK , Elena / S ALZL , Christa / S CHINDLER , Christina / W IELANDT , Irmgardt (2009-2010): Privet! Bd. 1-2 (Schülerbuch, Arbeitsheft mit Hör- CD, Handreichungen für den Unterricht mit CD-ROM). Berlin: Cornelsen/ Volk und Wissen. A MSTEIN -B AHMANN , Christine / B ERTHELMANN , Rainer / B ORGWARDT , Ulf / B ROSCH , Monika / D ENISOVA -S CHMIDT , Elena / G ENTSCH , Danuta / J AKUBOW , Peter / L ASCHET , Rolf / O SSIPOVA - J OOS , Natalia / R EICHERT -B OROWSKY , Gisela / W ALACH , Evelyn / Z ENKER , Jacqueline (2008- 2011): Kone no. Russisch als zweite Fremdsprache. Bd. 1-4 sowie Kone no. Intensivnyj kurs. Russisch als dritte Fremdsprache. Bd. 1-2 (Schülerbuch, Arbeitsheft mit Hör-CD, Lehrerbuch mit CD-ROM, Grammatisches Beiheft, Vokabellernheft). Stuttgart/ Leipzig: Klett. B EHR , Ursula / B RAUNE , Claudia / B REITSPRECHER , Rima / B YKOWA , Katrin / G ÖTZ , Natalja / G RUNDMANN , Astrid / H OENACK , Anneliese / J IGALIN , Peter / K OLODZY , Elke / M ESCHKE , Antje / N EUMANN , Ulrike / P ESOTSKA , Yana / P OTAPOW , Ute / R ICHERT , Lena / S CHNEIDER , Martin / S CHUSTER , Monika / S EEFELDT , Heiko / S EEMANN , Gudrun / S EIDEL , Astrid / S TAHR , Roswitha / W APENHANS , Heike (2008-2011): Dialog. Bd. 1-4 (Schülerbuch, Arbeitsheft mit Lernergrammatik und Hör-CD, Handreichungen für den Unterricht mit CD-ROM, Hör-CD für Lehrer, Lernsoftware für Schüler (Bd. 1), Vokabellernheft). Berlin: Cornelsen/ Volk und Wissen. B ORGWARDT , Ulf (2008-2011): Kone no. Grammatisches Beiheft. Bd.1-4. Stuttgart/ Leipzig: Klett. H EYER , Christine / H ÄFELE , Georg / K UKHARENKO , Elena / N EUTHINGER , Gustav / S CHMIDT , Annelie / S AWALL -L OSENSKY , Ulrike / W ALTER , Harry (2010): Vmeste. Russisch für die Oberstufe (Schülerbuch, Handreichungen für den Unterricht, Audio-CD für Lehrer). Berlin: Cornelsen/ Volk und Wissen. W ALTER , Harry (2010): Dialog. Grammatik. Berlin: Cornelsen/ Volk und Wissen. © 2011 Narr Francke Attempto Verlag 40 (2011) • Heft 2 A NDREAS G RÜNEWALD * Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken Abstract. Promoting intercultural competence has gained considerable momentum since the introduction of Foreign Language Education Standards in Germany in 2004. So what does today's foreign language classroom look like with respect to cultural and intercultural learning? Few empirical studies have addressed this question, as the cognitive-affective processes involved are exceedingly complex and nearly impossible to depict fully in an objective way. However, the content of textbooks can give a good indication of what could be learned from them. Accordingly, I analyzed recently published school textbooks for French and Spanish for their promotion of intercultural competence. This paper presents my findings, highlighting the degree to which these recent textbooks now incorporate promotion of intercultural competence as an actual objective. 1. Gegenstand dieser Lehrwerkanalyse In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, inwieweit die Förderung der Interkulturellen Kompetenz Gegenstand aktueller Französisch- und Spanischlehrwerke ist. Die Diskussion um das Konzept der Interkulturellen Kompetenz und dessen Unterscheidung von Transkulturalität und Fremdverstehen wird hier nicht wiedergegeben (vgl. hierzu D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER 2010, H U 2010, G RÜNEWALD / K ÜSTER / L ÜNING 2010, B REDELLA 2010, F REITAG 2010). Wie sieht der aktuelle Fremdsprachenunterricht in Bezug auf Fragen kulturellen bzw. interkulturellen Lernens in der Praxis aus? Es ist nicht leicht, hierüber gesicherte Erkenntnisse zu erlangen. Zu breit ist das Feld möglicher Untersuchungen, vor allem aber sind die Prozesse so komplex und so sehr im kognitiv-affektiven Bereich der Lerner verortet, dass sie umfassend und objektiv kaum bis gar nicht zu erfassen sind (vgl. D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER 2010: 224 f). Ein indirekter Indikator könnten die aktuell verbreiteten Lehrwerke sein. Schließlich bestimmen diese als Leitmedium des Fremdsprachenunterrichts einen Großteil der unterrichtlichen Praxis. Die Verankerung der Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Lehrwerken ist in der Vergangenheit zum Großteil implizit geschehen, d.h. geeignete Themen wie „A Lyon“ und Situationen wie „A table“ wurden dazu verwendet, um landeskundliche Informationen über das Land, in dem die zu erlernende Sprache gesprochen wird, zu geben. Die Einführung der Bildungsstandards (2004) mit der einhergehenden Aufwertung der Interkulturellen * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Andreas G RÜNEWALD , Universität Bremen, Fachbereich 10, Postfach 330440, 28334 B REMEN . E-Mail: gruenewa@uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Didaktik der romanischen Sprachen. Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 65 40 (2011) • Heft 2 Kompetenz (siehe Abschnitt 2) und die nachfolgende Kompetenzorientierung erfordern aber eine explizite und systematische Förderung dieses Kompetenzbereiches. Damit stehen Lehrwerkautoren ebenso wie Lehrer vor dem Problem, dass sich die Förderung der Interkulturellen Kompetenz in folgendem Spannungsfeld bewegt (vgl. G RÜNE - WALD / K ÜSTER / L ÜNING 2010): Erstens gilt es, Schülern Einblicke in die Besonderheiten fremder Kulturräume und somit Orientierungswissen zu vermitteln, was - abhängig von Alter und Lernstand - nicht ohne Reduktionen und Simplifizierungen möglich ist. Zweitens soll deutlich werden, dass eine schematische Kontrastierung des „Eigenen“ und des „Fremden“ den stets komplexen Phänomenen von Kulturmischung nicht gerecht wird. Dadurch wird drittens ein Lernziel darin bestehen, kulturelle Praxen differenzierend zu betrachten, die unscharfen, einander überlappenden Grenzen kultureller Verortungen zu erkennen und das Wissen um sie in die jeweilige individuelle Weltsicht zu integrieren. Viertens scheint gerade für diese Reflexionsprozesse die zu erlernende Fremdsprache als Hindernis, da die Schüler sich sprachlich mitunter nicht entsprechend ihres kognitiven Niveaus ausdrücken können. 2. Analysekriterien Das Leitziel der Interkulturellen Kompetenz hat mit der Einführung der Bildungsstandards eine Aufwertung erhalten. Bereits in der Einleitung heißt es, dass der Aufbau kommunikativer und interkultureller Kompetenzen in anderen Sprachen ein wichtiger Beitrag zu erfolgreicher Kommunikation, auf der nicht zuletzt persönliche Weiterentwicklung und beruflicher Erfolg in immer stärkerem Maße basieren, darstellt (vgl. K MK 2004: 6). Im Folgenden soll an Beispielen untersucht werden, wie die Förderung der Interkulturellen Kompetenz in aktuellen Französisch- und Spanischlehrwerken berücksichtigt wird. Zu diesem Zweck können Analysekriterien aus den Bildungsstandards der KMK generiert werden. Aus Sicht der KMK stellt die Entwicklung interkultureller Kompetenzen eine übergreifende Aufgabe von Schule dar, zu der fremdsprachlicher Unterricht einen besonderen Beitrag leistet: „Mit der Fähigkeit, eigene Sichtweisen, Wertvorstellungen und gesellschaftliche Zusammenhänge in ausgewählten Kontexten mit denen anderer Kulturen tolerant und kritisch zu vergleichen, und mit der Bereitschaft, Interesse und Verständnis für Denk- und Lebensweisen, Werte und Normen und die Lebensbedingungen der Menschen eines anderen Kulturkreises aufzubringen, erleben die Schüler einen Zuwachs an Erfahrung und Stärkung der eigenen Identität. Der Fremdsprachenunterricht trägt zu dieser Mehrperspektivität der Persönlichkeitsentwicklung vor allem durch Orientierungswissen zu exemplarischen Themen und Inhalten sowie durch den Aufbau von Fähigkeiten zur interkulturellen Kommunikation [bei]“ (K MK 2004: 6). Die Bildungsstandards unterscheiden dabei drei Bereiche (= Spalte 1 [S. 66], vgl. K MK 2004: 10), die grosso modo drei unterschiedlichen Aspekten zugeordnet werden können (= Spalte 2 [S. 66]): 66 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 Thematisches soziokulturelles Orientierungswissen für fremdsprachliches kommunikatives Handeln kognitiver Aspekt (Ausrichtung auf Zielkultur/ en) Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Differenz, Erkennen von Stereotypen, von eigen- und fremdkulturellen Eigenarten, Fähigkeiten zum Perspektivenwechsel kognitiv-attitudinaler Aspekt (Ausrichtung auf Kulturkontrastivität) Strategien und Fertigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen handlungsbezogener Aspekt (Ausrichtung auf Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen) Diese drei Aspekte sollen im Folgenden als Analysekriterien dienen. Allerdings ist schon jetzt darauf hinzuweisen, dass Interkulturelle Kompetenz komplexer und mehrdimensionaler ist, als dies in den Modellierungen der Bildungsstandards erscheint. Sie umfasst zwar im Wesentlichen Wissens-, Einstellungs- und Verhaltensdimensionen, diese sind jedoch in jeweils unterschiedlichem Maße von affektiven Komponenten wie vor allem der Empathiefähigkeit mitbestimmt. Auf der Ebene der Bewältigungsstrategien ist wiederum zwischen inter- und intrapersonalen Strategien zu unterscheiden, wobei letztere in den zweiten o.g. Bereich hineinreichen. Ferner ist in Bezug auf das sozio-kulturelle Orientierungswissen nicht nur Kulturspezifisches, sondern auch Kulturübergreifendes von Belang. Auch wenn in ihm ebenfalls die affektive Dimension kulturbezogener Einstellungen nicht in vollem Umfang berücksichtigt ist, verdeutlicht das Modell Interkultureller Kommunikativer Kompetenz von B YRAM (1997) die Vielschichtigkeit des Konstrukts sehr viel besser als die Dreigliederung, welche die Bildungsstandards vornehmen. Auf jeden Fall ist festzuhalten, dass Interkulturelle Kompetenz weit mehr als deklaratives Wissen über das Zielsprachenland (landeskundliches Faktenwissen) umschließt. Demzufolge muss ihre Förderung in Fremdsprachenlehrwerken über die traditionelle Landeskunde deutlich hinausgehen. Mögliche methodische Herangehensweisen wurden andernorts bereits aufgeführt (vgl. S CHUMANN 2009). Im Folgenden werde ich also der Frage nachgehen, auf welche Weise in den Konzeptionen aktueller Französisch- und Spanischlehrwerke dem Leitziel der Förderung Interkultureller Kompetenz im Sinne der von der KMK formulierten Modellierung Rechnung getragen wurde. 3. Französischlehrwerke Für die Analyse der Französischlehrwerke habe ich zunächst den jeweils ersten Band der derzeit in der Sekundarstufe I eingesetzten Lehrwerke Réalités, Découvertes, Tout va bien, A plus! und Tous Ensemble gesichtet. Diese wurden alle vor 2004 veröffentlicht. Rechnet man eine mindestens 1,5 jährige Konzeptionszeit hinzu, kann man davon ausgehen, dass die Förderung der Interkulturellen Kompetenz im Sinne der oben auf- Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 67 40 (2011) • Heft 2 geführten Analysekriterien - die ja in Anlehnung an das K MK -Kompetenzstrukturmodell (2004) erarbeitet wurden - nicht explizit und systematisch erfolgen kann, da die Bildungsstandards zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht waren. Aus diesem Grund habe ich mich für die Analyse des jeweils 3. Bandes entschieden (Erscheinungsjahr 2006) und verweise darauf, dass eine neue Lehrwerkgeneration im kommenden Schuljahr, spätestens aber im darauffolgenden Schuljahr auf den Markt kommen wird. Diese Lehrwerkgeneration wird sich dann umso mehr der systematischen und expliziten Förderung der Interkulturellen Kompetenz verpflichten müssen. Zunächst sollte man erwarten, dass sich bereits im Inhaltsverzeichnis der Lehrwerke Hinweise auf die systematische Förderung der Interkulturellen Kompetenz finden. A plus! 3 (Französisch 1. und 2. Fremdsprache an Gymnasien) nennt die Themen der Lektionen und unterscheidet klassisch zwischen Lernziel und grammatischen Inhalten. Découvertes 3 (Französisch 2. Fremdsprache Gymnasien) benennt die Themen und unterscheidet zwischen Kommunikation, Grammatik und Methoden. In Tout va bien 3 (Französisch 2. Fremdsprache, Realschule, Gymnasien) tritt darüber hinaus noch die Spalte Lern- und Arbeitstechniken hinzu, Tous Ensemble 3 nennt neben dem Thema auch „Situationen“ und Réalités 3 (Französisch 2. Fremdsprache Realschule und Gesamtschule) ist identisch zum Inhaltsverzeichnis von A plus! aufgebaut. Eine Ausweisung der Förderung Interkultureller Kompetenz findet sich bei allen genannten Lehrwerken weder im Inhaltsverzeichnis noch in den Lektionen. Keines der Lehrwerke hält ein Symbol zur Kennzeichnung von Themen, Situationen, Aufgaben usw. bereit, welche sich zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz eignen würden. Im weiteren Verlauf des Beitrags wird lediglich die Analyse von A plus! 3 und Découvertes 3 ausführlicher dargestellt. 3.1 A plus! 3 Das Schülerbuch verfügt über ein Petit dictionnaire de civilisation im Anhang (6 Seiten), in dem landeskundliche Informationen zu bedeutenden Persönlichkeiten, geografische Namen und Sehenswürdigkeiten gegeben werden. Damit wird soziokulturelles Orientierungswissen bereitgestellt und der kognitive Aspekt (Ausrichtung auf Zielkulturen) bedient. In den Lektionen findet sich der Lektionsteil La France en direct, in dem neben landeskundlichen Themen (déchiffrer un dépliant, S. 27; comprendre un menu, S. 58) auch Lernstrategien ihre Anwendung finden. So wird die Aufgabe comprendre un menu schnell zu einer Übung zum Einsatz des Wörterbuches: „Lisez le menu de cette crêperie, cherchez les mots que vous ne comprenez pas dans votre dictionnaire“ (A plus ! 3, S. 58). Da weder die Bestandteile der Karte noch die Abfolge eines Menüs thematisiert werden, bedient dieser Lektionsteil nur eingeschränkt den kognitiven Aspekt. Die Förderung der Interkulturellen Kompetenz ist im Schülerbuch nicht strukturell verankert, es werden also keine Übungen und Aufgaben angeboten, die sich explizit der Förderung dieses Kompetenzbereiches widmen. Doch wie sieht die Aus- 68 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 wahl der Themen und Inhalte aus? Bieten diese Anknüpfungspunkte für die Beschäftigung mit kulturellen Praxen des Zielsprachenlandes unter Rückbezug auf die eigene kulturelle Identität? Selbstverständlich bieten Lektionsthemen wie Paris und Orientierung in der U-Bahn Medien Schulsystem Québec, usw. deutliches Potential, sozio-kulturelles Orientierungswissen (kognitiver Aspekt) zur Verfügung zu stellen. Sie gehen aber leider darüber nicht hinaus. In der zweiten Lektion (S. 12) findet man den für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand interessanten Lektionstitel Le choc des cultures. Nach der Lektüre wird schnell klar, dass sich der Titel auf den Zusammenstoß eines Mädchens aus Nanterre mit einem Schüler aus Maastricht (Niederlande) beim Schlittschuhlaufen bezieht. In diesem Lektionstext wird eine „multikulturelle“ Gruppe von fünf Kindern konstruiert, die aus einem kanadischen Schüler, der aus dem französischsprachigen Teil Québec stammt, einem niederländischen Schüler aus Maastricht und drei französischen Schülern aus Nanterre besteht. Über die Zusammensetzung im Hinblick auf den Titel des Lektionstextes erübrigt sich ein weitergehender Kommentar. Die sich anschließenden Übungen beziehen sich dann ausschließlich auf Grammatik (Adverbien), Textverstehen (Wann und wo haben sich die Jugendlichen kennen gelernt? ) und auf die Lexik. Hier wurde eine Chance vertan, critical incidents zu konstruieren, anhand derer sich alle drei Analysekriterien (kognitiver Aspekt, kognitiv-attitudinaler Aspekt, handlungsbezogener Aspekt) hätten erarbeiten lassen. Abschließend sei auf eine Stelle in Lektion 3 verwiesen: Socrate schildert in seinem Blog den Ablauf des Weihnachtsfestes in seiner Familie. Nach einigen Verstehensfragen zum français familier wird dann folgende Teilaufgabe gestellt (S. 48): Qu’est-ce que vous apprenez sur Noël dans une famille française? Comparez à Noël chez vous. Hier wird über den kognitiven Aspekt hinaus ein kontrastiver Ansatz verfolgt, der auch den kognitiv-attitudinalen Aspekt berücksichtigt (eigen- und fremdkulturelle Eigenarten). Es ist abschließend festzuhalten, dass die Interkulturelle Kompetenz auf landeskundliches Wissen reduziert wird und bis auf ganz wenige Ausnahmen lediglich der kognitive Aspekt gemäß des KMK-Kompetenzstrukturmodells berücksichtigt wird. Von einer expliziten und systematischen Förderung kann keine Rede sein. 3.2 Découvertes 3 Auch in Découvertes 3 gibt es keinen spezifischen Lektionsteil, welcher der Förderung der Interkulturellen Kompetenz vorbehalten ist. Ebenso sucht man vergeblich nach einem Symbol, welches diesen Kompetenzbereich ausweist. Das Inhaltsverzeichnis weist die Spalten Themen, Kommunikation, Grammatik und Methoden aus, räumt also der Grammatik einen prominenten Platz ein. Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 69 40 (2011) • Heft 2 Die Themen und Inhalte sind durchaus geeignet, interkulturelle Lerninhalte zu bearbeiten: Un été en Normandie Découvrir la Bourgogne Être ado à Nice Le tour du monde francophone (Übersicht über die frankophone Welt). Im Rahmen dieser Lektionsinhalte werden eine Menge landeskundlicher Informationen gegeben und darüber hinaus können die Schüler sich sozio-kulturelles Orientierungswissen erarbeiten. Damit wird jedoch ausschließlich der kognitive Aspekt des Kompetenzstrukturmodells der KMK bedient. Erwähnenswert ist hingegen die Tatsache, dass in Découvertes 3 eine Strategie zur Interkulturellen Kompetenz ausgewiesen wird (S. 83): Stratégie - Interkulturelles Lernen Jedes Land hat seine eigenen kulturellen Besonderheiten, die einen Besuch gerade so interessant machen. So weist auch Frankreich schon im alltäglichen Bereich kulturelle Unterschiede zu Deutschland auf. Diese solltet ihr nicht gleich kritisch beurteilen, zeigt euch vielmehr aufgeschlossen und tolerant. Ihr könnt euch darauf vorbereiten, indem ihr euch zunächst fragt, was man eigentlich als „typisch französisch“ empfindet. indem ihr euch fragt, was Franzosen als „typisch deutsch“ empfinden. indem ihr dann in gemeinsamen Gesprächen versucht, diese Vorstellungen zu diskutieren. indem ihr euch im Vorfeld einer Reise sachkundig macht und z.B. das Video Clin d’œil oder den französischen Fernsehsender TV5 Monde anschaut und mit dem Lehrer besprecht. 1. Begrüßung Gegenüber Erwachsenen und in Ämtern grüßt man mit Bonjour, Madame/ Monsieur. Unter Freunden sagt man Salut. Wenn man euch eine Wange hinhält, dann heißt es: faire la bise. Dies bedeutet je nach Region zwei, drei, sogar vier Wangenküsse. 2. Beim Essen Das petit-déjeuner fällt meist mit café/ chocolat und croissant oder baguette-Stücken, les tartines, eher bescheiden aus; man trinkt aus einem bol, ähnlich einer Müslischale. Es wird in der Regel zweimal mit der Familie warm gegessen: zum déjeuner und zum dîner, meist mit 3 Gängen: l’entrée, le plat principal, du fromage ou un dessert. 3. Auf der Straße und auf dem Bahnhof In Frankreich halten Autos an Zebrastreifen oder Fußgängerampeln nicht unbedingt automatisch an. Am sichersten ist es, ihr überquert die Straße erst, wenn sie frei ist. Vor Reiseantritt muss man seine Zugfahrkarte abstempeln. Ansonsten ist sie ungültig. 4. Falsche Freunde Verwandte Wörter haben meist eine andere Bedeutung: ein Baiser une meringue 70 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 Zunächst einmal ist es begrüßenswert, dass hier das Interkulturelle Lernen explizit thematisiert wird. Zu Beginn wird auf die Kulturkontrastivität verwiesen, also auf kulturelle Unterschiede, um dann gleich darauf Toleranz und Empathie als adäquaten Umgang damit auszuweisen (kognitiv-attitudinaler Aspekt). Dann werden Hinweise gegeben, wie man sich auf einen bevorstehenden Aufenthalt in Frankreich vorbereiten kann (handlungsbezogener Aspekt). Hier wird die Reflexion eigener Vorstellungen und Stereotype über das Zielsprachenland angebahnt, gleichzeitig werden mögliche Stereotype gegenüber der eigenen kulturellen Herkunft antizipiert (Anbahnung von Perspektivwechsel). Hierzu fehlen den Schülern aber mögliche Situationen bzw. critical incidents, um sich überhaupt vorstellen zu können, wie Stereotype gegenüber Deutschen in Frankreich aussehen. Im zweiten Teil dieser „Strategie“ werden „fremdkulturelle Eigenarten“ (KMK) aufgezählt, mit dem Ziel, durch die Vermittlung von sozio-kulturellem Orientierungswissen eine Begegnungssituation vorzubereiten. Auch hier werden alle drei Analysekriterien (kognitiver, kognitiv-attitudinaler und handlungsbezogener Aspekt) bedient. Es zeigt sich aber auch, dass diese Art der Förderung der Interkulturellen Kompetenz sehr schnell Gefahr läuft, selbst Clichés und Stereotype zu bedienen und dass hier eigentlich sehr viel mehr an Materialien notwendig wäre. Insbesondere fehlt der Rückbezug auf die eigene kulturelle Identität, die es sehr leicht ermöglicht hätte, die angedeutete Homogenität zu relativieren. Halten wir fest, dass in Découvertes 3 die Interkulturelle Kompetenz vornehmlich in Form von landeskundlichem Wissen gefördert wird, und insbesondere ein kulturkontrastiver Ansatz verfolgt wird. Eine Ausnahme bildet die Stratégie (S. 83). Dennoch kann auch in diesem Fall von einer expliziten und systematischen Förderung kaum die Rede sein. Bemerkenswert ist auch, dass diese Reflexion auf Deutsch stattfindet, obwohl die Schüler bereits seit drei Jahren Französisch lernen. Hier werden also offensichtlich die Vermittlung von sozio-kulturellem Orientierungswissen und die Reflexion über kulturelle Eigenarten vom fremdsprachlichen Lernprozess getrennt. Im Hinblick auf das Sprachniveau mag dies im ersten Lernjahr zu vertreten sein, je nach Lerngruppe auch noch im zweiten, aber dann sollte zunehmend die Interkulturelle Kommunikative Kompetenz (vgl. H U 2010) im Mittelpunkt der Förderung stehen (Sich- Austauschen-Können). 4. Spanischlehrwerke Für die Analyse aktueller Spanischlehrwerke wurden Línea Amarilla und ¡Apúntate! (beide Spanisch als 2. Fremdsprache ab Klasse 6), Eñe (Erwachsenenbildung) und ¡Adelante! sowie A_tope.com (beide Spanisch als 3. Fremdsprache allgemeinbildende und berufliche Schulen) berücksichtigt. Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 71 40 (2011) • Heft 2 4.1 Línea Amarilla Analysiert man die Inhaltsverzeichnisse von Línea Amarilla Band 1 und ¡Apúntate! Band 1 (beide 2006), wird deutlich, dass diese zwar bereits in unterschiedlichem Maß auf die Forderungen der KMK eingegangen sind, aber es finden sich keine expliziten Hinweise auf die systematische Förderung der Interkulturellen Kompetenz. In Línea Amarilla werden die Rubriken „Thema“, „Kommunikative Fertigkeiten“, „Sprachliche Mittel“ und „Methodenkompetenz“ ausgewiesen. Hier wird die Rezeption der Bildungsstandards der KMK schon sehr deutlich, nur leider nicht im Bereich der Interkulturellen Kompetenz. Die Durchsicht der Inhalte offenbart in zweierlei Hinsicht Ansätze der Förderung der Interkulturellen Kompetenz. Einerseits werden Themen behandelt, welche explizit auf kulturelle Phänomene des spanischsprachigen Raums eingehen, wie im folgenden Beispiel Cosas típicas de España y Latinoamérica. Zunächst gibt es Vorgaben (Video), in denen „Dinge“ gesucht werden sollen, die als „typisch“ für Spanien von den Schülern eingestuft werden. Außerdem sollen diese Dinge ergänzt werden durch weitere Gegenstände und Bilder, die als typisch für Spanien und Lateinamerika erachtet werden. Auch wenn dieser Aufgabentyp in erster Linie den rein kognitiven Bereich anspricht, so kann auch auf der kognitiv-attitudinalen Ebene eine Auseinandersetzung darüber initiiert werden, was der einzelne Schüler als „typisch“ für die Zielsprachenkultur einstuft. Allerdings ist diese Reflexion in der Aufgabenstellung nicht explizit angelegt. Ohne eine entsprechende Reflexionsaufgabe wird diese Übung vermutlich dazu führen, dass stereotypisierende Bilder ausgewählt werden und neben Paella, Raúl und Penelope Cruz nicht viel mehr an „typischen“ Fotos bzw. „Dingen“ zu Spanien und Lateinamerika genannt werden. Andererseits finden sich regelmäßig wiederkehrend landeskundliche Informationen in blau hinterlegten Kästchen, mit unterschiedlichen Inhalten. So wird beispielsweise in einer solchen Box (Línea Amarilla 1, S. 16) darauf hingewiesen, wie man sich „in Spanien“ gewöhnlich am Telefon meldet. Dabei wird durchaus auf unterschiedliche Praxen verwiesen (Dígame, Sí, ¿Qué hay? , Hola). Zum Thema Los bares wird folgende landeskundliche Information gegeben: „Bars sind in Spanien ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt. Es gibt Getränke und einfache Speisen zu günstigen Preisen. Die Atmosphäre ist weniger formell als in einem Restaurant“ (Línea Amarilla 1, S. 20). Weitere landeskundliche Informationskästchen behandeln die Themen saludo y despedida los horarios de comidas ¿tú o usted? el dinero de los jóvenes una invitación el día del Santo los pisos en España. Diese landeskundlichen Infokästchen in den Lektionen (in Band 1 auf Deutsch, ab Band 2 überwiegend auf Spanisch) werden ergänzt durch ein Glosario cultural im An- 72 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 hang, welches allerdings erst ab Band 3 geführt wird. Die Texte der Plateauphasen (Un paso más) haben einen landeskundlich-informativen Schwerpunkt (Navidad, España, Hispanoamerica). In den anderen Lektionen werden teilweise kulturell aufgeladene Inhalte wie el instituto (L5) oder mi barrio / nuestro barrio (L4) behandelt, aber es findet keine systematische Förderung der Interkulturellen Kompetenz im Sinne der Bildungsstandards statt, welche alle drei Aspekte (kognitive, kognitiv-attitudinale und handlungsbezogene) berücksichtigte. Die identifikationsstiftenden Lehrwerkfiguren werden als „echte Personen mit Ecken und Kanten“ (Klett, Online-Präsentation Amarilla) bezeichnet. Sie erfüllen die klassischen „Lehrwerkkriterien“: Drei spanischsprachige Mädchen, drei spanischsprachige Jungen, davon einer aus Südamerika, der erst kürzlich an den Handlungsort des Lehrwerkes, Valladolid, gezogen ist und eine deutsche Austauschschülerin. Die Figuren entstammen alle einer klassischen Mittelschicht. 4.2 ¡Apúntate! Die Figurenkonstellation in ¡Apúntate! ist auf die gleiche Weise konstruiert. Am Handlungsort Alicante werden zwei spanische Mädchen und zwei spanische Jungen eingeführt, zusätzlich bildet Esteban die Brücke nach Lateinamerika (Costa Rica) und Sarah aus Hamburg lebt mit ihren Eltern in Alicante. Auch hier stammen alle Figuren aus der Mittelschicht. In ¡Apúntate! gliedert sich das Inhaltsverzeichnis in die Rubriken „Thema/ Lernziel“, „Grammatik“ und „Methodentraining“. Unter „Themen/ Lernziel“ finden sich durchaus Themen und kommunikative Situationen, in denen Aspekte des Interkulturellen Lernens gefördert werden, z.B.: „sich begrüßen, sich verabschieden“, „Alicante vorstellen“ (L1), „Ein Stadtviertel vorstellen“ (L2). Dabei werden aber insbesondere die kognitiven Aspekte, insbesondere das sozio-kulturelle Orientierungswissen, in den Blick genommen. Ein Blick auf die verwendeten Symbole im Schülerbuch offenbart, dass es kein Symbol für die Förderung der Interkulturellen Kompetenz gibt, diese also im Schülerbuch nicht explizit in den Lektionen ausgewiesen wird. Dafür gibt es im Anhang ein Pequeño diccionario de cultura y civilización (3 Seiten) und einige Seiten zu Fiestas en España (2 Seiten). Die Durchsicht beider Anhänge verdeutlicht, dass hier ausschließlich deklaratives Wissen bzw. sozio-kulturelles Orientierungswissen vermittelt wird: Einträge zu Alicante, Enrique Iglesias oder Hinweise auf die Nochevieja oder die Sanfermines werden im Stil eines Nachschlagewerkes zur Verfügung gestellt. Die Förderung der Interkulturellen Kompetenz erfolgt also keinesfalls systematisch und in der Regel auch nicht explizit. Auf Seite 29 findet sich beispielsweise die Aufgabe, bestimmte Produkte, welche als Bilder dargestellt sind, bestimmten Läden zuzuordnen, in denen man diese Produkte erwerben kann. Dabei werden typisch spanische Läden abgebildet. Der weiterführende Auftrag besteht dann darin, das eigene Stadtviertel, in dem die Schüler wohnen, vorzustellen. Außerdem soll eine Collage angefertigt werden, auf der die Geschäfte des eigenen Viertels vorgestellt werden. Hier ist offensichtlich, dass neben der kognitiven Ebene auch die handlungsbezogene Ebene ins Auge gefasst Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 73 40 (2011) • Heft 2 wurde. Die Aufgabe hätte sich aber ebenso dafür geeignet, die kognitiv-attitudinale Ebene anzusprechen, etwa durch Fragen wie: „Welche dieser Geschäfte gibt es auch in deinem Viertel? “ oder „Was kommt dir an diesen Läden unbekannt vor, was kennst du? “ „Was darauf repräsentiert für dich Spanien/ Lateinamerika? “ 4.3 Eñe Dieser Aufgabentyp wird in Eñe, einem Lehrwerk für die Erwachsenenbildung aus dem Hueber-Verlag, umgesetzt. Hier wird unter der Überschrift ¡Qué diferente! (Abbildung 1) auf kulturell aufgeladene Bilder hinsichtlich der Unterscheidung von Spanien und Lateinamerika eingegangen: Da es sich um die Lektion 0 handelt, werden alle Fragen nicht nur in spanischer, sondern auch in deutscher Sprache gestellt. Zunächst werden die erwachsenen Lerner nach ihrer Einschätzung gefragt, ob diese Bilder eher Spanien oder einem lateinamerikanischen Land zuzuordnen seien, darüber sollen sie sich im Kurs austauschen. Dann sollen sie ihre persönliche Präferenz hinsichtlich der Bilder angeben und schließlich aus den Fotos diejenigen auswählen, die auch ihr eigenes Land repräsentieren könnten ( Abb. 1, S. 74). Hier werden also sowohl die kognitive Ebene, die kognitiv-attitudinale als auch die handlungsbezogene Ebene der Interkulturellen Kompetenz gefördert. Dabei wird, um den Sprachduktus der KMK zu verwenden, thematisches soziokulturelles Orientierungswissen für fremdsprachliches kommunikatives Handeln zur Verfügung gestellt (Bilder, Informationskästen am Rand), Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Differenz (hier: kulturelle Differenzen zwischen Spanien und Lateinamerika), Erkennen von Stereotypen (kulturell aufgeladene Bilder), von eigen- und fremdkulturellen Eigenarten und Fähigkeiten zum Perspektivenwechsel (Bezug dieser Bilder auf den eigenen kulturellen Kontext und Reflexion darüber) geschult. Das Lehrwerk Eñe zeichnet sich dadurch aus, dass systematisch und explizit im Lektionsteil Entre Culturas die Förderung Interkultureller Kompetenz bedacht wird. Dabei wird besonders darauf geachtet, dass nicht ausschließlich die kognitive Ebene und das deklarative landeskundliche Wissen gefördert werden. Es findet beispielsweise immer der Rückbezug zum eigenen kulturellen Umfeld der Lerner statt. Weitere Themen des Lektionsteils Entre Culturas sind: A la hora de comer: Essensgewohnheiten, Essenszeiten, ¿Hay muchas diferencias con tu país? De compras en un mercado: Produkte auf einem lateinamerikanischen Markt, ¿También se regatea donde vives? ¿Con qué productos? Otros países, otros regalos: Geschenke zu Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten, Reyes Magos, Mitbringsel bei Einladungen usw. ¿En cuáles de estas ocasiones se hacen regalos en tu país? ¿Qué se regala? Reírse de los clichés: Humor, auch kulturell geprägt, ¿Sobre qué temas se hacen chistes en tu país? ¿Conoces un buen chiste? Cuéntalo. u.v.a.m. 7 E G G V 74 Ein weiteres Gesten auf. A Gesten gegebe Verallgemeine Beispiel aus Auf der kognit en (¿Sabías qu erung und dam Abb. 1: dem Lektions tiven Ebene w ué? ). Informat mit der Stereot Eñe, 1, S. 13 steil Entre Cu werden Inform ionen dieser A typisierung. D ulturas greift mationen zu k Art bergen imm ies muss man Andreas Grüne 40 (2011) • H kulturell gepr kulturell geprä mer die Gefahr als Lehrender ewald Heft 2 rägte ägten r der r be- F d d d N s d G Förderung der In 40 (2011) • denken und so diese Aufgabe damit mitunte Neben der Tat se schon eine die Auseinand Gesten initiier nterkulturellen K Heft 2 ollte diese Info e der Bewuss er in unterschi tsache, dass di interrelationa dersetzung m rt (Abb. 2, Eñe Kompetenz in Fra ormationen ste stmachung, da iedlichen Kult ie Bewusstmac ale Komponen mit eigen- und e, 1, S. 111 ). anzösisch- und Sp ets als Tenden ass Gesten üb turräumen unte chung der kult nte in sich träg d fremdkultur panischlehrwerk nzen darstellen berhaupt kultu erschiedlich v turellen Prägun gt, wird in die reller Eigenart ken n. Außerdem d urell geprägt verwendet wer ng von Gesten eser Aufgabe a ten in Form 75 dient und rden. n per auch von 76 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 Diese Auseinandersetzung impliziert einen Perspektivenwechsel ebenso wie die Auseinandersetzung mit dem Gebrauch von Gesten im eigenkulturellen Umfeld. Die abschließende Frage ¿Qué gestos son iguales en tu cultura? ¿Conoces más gestos? ¿Con qué frecuencia haces gestos? ist durchaus kulturkontrastiv zu verstehen und initiiert ein Nachdenken über eigene Handlungsweisen. Insgesamt dient die Aufgabe dazu, Strategien und Fertigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen auszubilden und unterstützt auf diese Weise die handlungsbezogene Ebene der Interkulturellen Kompetenz. Auch die anschließende Übung, nämlich abgebildete Gesten dem deutschen oder hispanischen Kulturraum zuzuordnen, verfolgt dieses Ziel. In Eñe ist also die systematische (Berücksichtigung der drei oben genannten Kriterien) und explizite (eigener Lektionsteil in jeder Lektion) Förderung der Interkulturellen Kompetenz erfolgreich angelegt. Darüber hinaus bieten die anderen Lektionsteile und -texte natürlich ähnliche situative Lernanlässe zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz wie die anderen Spanischlehrwerke. 4.4 A_tope.com Für die Zielgruppe der spät einsetzenden Spanischlerner (Spanisch als dritte Fremdsprache) und Spanisch an beruflichen Schulen gibt es zwei Neuerscheinungen, die abschließend betrachtet werden sollen: A_tope.com und ¡Adelante! . Das Inhaltsverzeichnis von A_tope.com gliedert sich in die klassischen Rubriken „Thema/ Lernziel“, „Grammatik“ und „Lernstrategie“. Die Förderung der Interkulturellen Kompetenz wird hier nicht explizit erwähnt. Ein Blick auf die verwendeten „Symbole“ zeigt, dass im Buch die Förderung der Interkulturellen Kompetenz insbesondere durch die Vermittlung von landeskundlichem Wissen (kognitive Ebene) umgesetzt wird, denn hierfür findet sich ein eigenes Symbol. In jeder Lektion werden mehrfach kleinere Informationskästchen zu landeskundlichen Informationen gegeben. Diese behandeln beispielsweise Themen wie: Essenszeiten in Spanien Kommunikationsgewohnheiten Adressangaben Telefonkommunikation in Spanien und Lateinamerika, u.v.a.m. Es wird deutlich, dass hiermit insbesondere kontrastive Landeskunde in den Blick genommen wird, da eigentlich immer Informationen zu Themen gegeben werden, bei denen sich Unterschiede zum eigenen kulturabhängigen Verhalten festmachen lassen. Ein unregelmäßig auftretender Lektionsteil (insgesamt vier Mal), der En vivo y en directo genannt wird, behandelt Themen, die zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz geeignet wären. In diesem Lektionsteil werden authentische Materialien zu folgenden Themen zur Verfügung gestellt: Schlagzeilen in spanischen Medien spanische Kleinanzeigen Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 77 40 (2011) • Heft 2 Stellenanzeigen, Bewerbungsanschreiben spanische Straßenschilder. Diese Materialien werden jedoch alle nicht mit interkulturellen Lernzielen verknüpft, sondern meist zum Strategietraining bzw. zum induktiven Grammatiklernen verwendet. Wie in anderen Lehrwerken auch, bieten die Inhalte und Themen der einzelnen Lektionen natürlich situative Lernanlässe, in denen jeweils kulturelle Prägungen erkennbar sind: los apellidos en España y en América Latina un día en España el flamenco - antes y hoy vacaciones en México el instituto y la vida profesional rumbo a Galicia, usw. Die Übungen und Aufgaben in den Lektionen, in denen diese Themen behandelt werden, verfolgen jedoch nicht die Förderung der Interkulturellen Kompetenz. Offenbar wird in den Lektionen lediglich landeskundliches Wissen zur Verfügung gestellt. In den vier Repaso-Lektionen, die als „kompetenzorientierte Wiederholung“ nach jeder dritten Lektion angeboten werden, findet sich ein Aufgabentyp, der sich explizit auf die Förderung der competencia intercultural bezieht. Eine solche Repaso- Lektion hat den Umfang von vier Buchseiten und umfasst die folgenden Rubriken: aprender mejor, gramática y vocabulario, comprensión auditiva, expresión oral, comprensión de lectura, expresión escrita und competencia intercultural. Hier werden in der Regel Mini-Reflexionsaufgaben zu landeskundlichen Informationen gestellt. Beispielsweise wird die Frage an die Schüler gestellt, wer zahlt, wenn sie zusammen abends in einem Café oder einer Kneipe etwas getrunken haben. Gleichzeitig wird die Information gegeben, dass es auch unter jungen Spaniern und Lateinamerikanern nicht gängig sei, getrennt zu zahlen (Repaso 2, S. 169). Ebenso wird darauf hingewiesen, dass es nicht unüblich sei, zu einer privaten Verabredung zu spät zu kommen (Repaso 1, S. 133): „Erscheint man pünktlich, kann es sogar vorkommen, dass der Gastgeber noch nicht mit den Vorbereitungen fertig ist.“ Dieser Hinweis ist verbunden mit der Frage, wie man selbst darauf reagiert, wenn ein Freund unpünktlich zu einer Verabredung erscheint. Die Analyse der vier Aufgaben zur competencia intercultural macht deutlich, dass die Aufgaben so angelegt sind, dass eine Frage zunächst vor dem Hintergrund der eigenen kulturellen Herkunft beantwortet und dann mit kulturellen Verhaltensweisen in Spanien und Lateinamerika verglichen werden soll. Auch hier besteht die Gefahr zu stereotypisieren und Clichés aufzubauen. Andererseits bietet dieses Aufgabenformat sozio-kulturelles Orientierungswissen an (kognitive Ebene), macht eigen- und fremdkulturelle Eigenarten bewusst, bahnt die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel an (kognitiv-attitudinale Ebene) und vermittelt damit Strategien und Fertigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen (handlungsbezogene Ebene). 78 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 4.5 ¡Adelante! ¡Adelante! ist ein Lehrwerk für Spanisch als 3. Fremdsprache ab Klasse 8 oder 10 an allgemeinbildenden Schulen und an Berufsschulen. Spanisch hat eine lange Tradition in der Erwachsenenbildung. In diesem Bereich ist der Ansatz Enfoque por tareas, ein aufgabenorientierter Ansatz, der sich etwas vom angelsächsischen Modell unterscheidet, sehr verbreitet. Bei der Konzeption von ¡Adelante! stand neben den üblichen Rahmenbedingungen (Bildungspläne der Länder) insbesondere die durch bildungspolitische Entscheidungen geforderte Kompetenzorientierung im Mittelpunkt. Dies wurde durch eine konsequente Aufgabenorientierung im Sinne des Enfoque por tareas umgesetzt. Dabei sind Übungen und Aufgaben (Tareas) voneinander zu unterscheiden. In den Übungen werden Fertigkeiten trainiert, grammatische Strukturen eingeübt und durch Wiederholung automatisiert. In den Aufgaben steht die eigenständige Bewältigung einer kommunikativen Situation, die möglichst nah an realen Situationen ausgerichtet ist, im Fokus. Jede Teillektion bereitet bereits durch eine Mini-Tarea Teilkompetenzen vor, welche dann in der Tarea final zur Lösung der Aufgabe angewendet werden müssen. Das in der Lektion Gelernte ergibt für die Schüler Sinn, weil sie durch die Bearbeitung der Tarea final am Ende der Lektion erfahren, dass sie das Gelernte in realistischen kommunikativen Situationen anwenden können. Die Lerngegenstände und die Lernziele werden zu Beginn einer jeden Lektion den Schülern detailliert aufgezählt, so dass sie zu jedem Zeitpunkt wissen, warum sie sich womit beschäftigen. Die Lehrwerksfiguren im Lehrwerk ¡Adelante! setzen sich ähnlich wie in den zuvor genannten zusammen: ungefähr ausgeglichenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, ein deutscher Austauschschüler und Marcelo aus Argentinien als „Brücke“ nach Südamerika. Im Inhaltsverzeichnis des Lehrwerkes ¡Adelante! , ebenso für Spanisch als dritte Fremdsprache an Gymnasien und für den Unterricht an beruflichen Gymnasien konzipiert, finden sich die Rubriken „Themen/ Ziele“, „Kommunikative Kompetenz“ (aufgeteilt in kommunikative Fertigkeiten und sprachliche Mittel) und „Methodische/ Interkulturelle Kompetenz“. Damit handelt es sich um ein Lehrwerk, welches den Versuch unternimmt, die Interkulturelle Kompetenz systematisch und explizit zu fördern. In dieser Rubrik sind dann folgende Interkulturelle Lernziele und Themen angegeben: die spanischsprachigen Länder Assoziationen und Erfahrungen mit Spanien/ Lateinamerika Grußformeln siezen und duzen Freizeitaktivitäten in Madrid kennen lernen die noche blanca Wohnungsanzeigen verstehen, usw. Die hier aufgeführten Themen und Lernziele unterscheiden sich zunächst nicht von den in anderen Lehrwerken behandelten landeskundlichen Themen und dienen der Erarbeitung von soziokulturellem Orientierungswissen. Ein Blick in die verwendeten Symbole zeigt, dass eine stilisierte Weltkugel für das interkulturelle Lernen steht. Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 79 40 (2011) • Heft 2 Hierbei handelt es sich aber nicht lediglich um Informationskästchen zu landeskundlichem Wissen, sondern eben auch um Aufgabenstellungen, welche die Förderung des interkulturellen Lernens zum Ziel haben. Zu Beginn der Lektion finden sich Bilder, die eher an einen Hochglanzprospekt über einen Urlaubsaufenthalt erinnern und einen eindeutig positiven und geschönten Eindruck über die spanischsprachige Welt bieten. Die einführenden Aufgaben zu diesen Bildern gliedern sich in drei Teile: El mundo hispanohablante, Se habla español und España e Hispanoamérica. Die Schüler sollen zunächst die Fotos beschreiben und dann einem oben aufgeführten Land zuordnen. Die Frage „Woran denken Sie, wenn Sie die obigen Fotos sehen? Tauschen Sie sich untereinander aus“ zielt auf die kommunikative Einbettung und fördert insofern den kognitiv-attitudinalen Aspekt Interkultureller Kompetenz, da die Jugendlichen ihre Gedanken zu den kulturell aufgeladenen Bildern mitteilen sollen. Im weiteren Verlauf wird soziokulturelles Orientierungswissen (kognitiv-landeskundliche Ebene) zur Verfügung gestellt (z.B. Sprecherzahl, Länder in denen Spanisch Amtssprache ist). Die Aufgabenstellungen sind sehr offen („Was wissen Sie über diese Länder? “), um möglichst viele Schüler anzusprechen und deren Vorkenntnisse mit einzubeziehen und rekurrieren auch auf spezifisches Vorwissen aufgrund vorgelernter Fremdsprachen. Die Frage: „In welchen Ländern wird Spanisch gesprochen, die Spanisch nicht als Amtssprache haben. Warum? “ bezieht sich beispielsweise auf die große Anzahl von Spanischsprechern (L1) in den USA, die mittlerweile sogar größer ist, als die Sprecher des Spanischen (L1) in Europa und in der Regel aus dem Englischunterricht bekannt ist. Auch die abschließende Fragestellung „Hören Sie folgende Musikbeispiele. Welche Musik passt zu welchem Land? “ bezieht sich nicht ausschließlich auf den kognitiven, sondern auch auf den kognitiv-attitudinalen Aspekt interkulturellen Lernens. Der Lektionsteil Aprender y practicar der ersten Lektion beginnt mit der Teilaufgabe a) „Schauen Sie sich die Fotos an und beschreiben Sie, wie sich die Personen begrüßen und verabschieden. Wie machen Sie es in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis? “ In der zweiten Aufgabe werden dann spanische Grußformeln eingeführt, verbunden mit der Frage „Welche Grußformeln benutzt man in anderen Sprachen? Nennen Sie Beispiele“. Aufgabe 4 ¿Tú o usted? beginnt mit folgender Aufgabenstellung: „Was meinen Sie: Duzen oder siezen sich folgende Personen? “ Die Auflösung erfolgt dann durch einen Hörtext, aus dem die Schüler heraushören sollen, ob die Personen auf den Bildern sich siezen oder duzen. Diese Aufgaben dienen einerseits dazu, auf der kognitiven Ebene soziokulturelles Orientierungswissen für fremdsprachliches kommunikatives Handeln zur Verfügung zu stellen (kulturell geprägtes Verhalten in Begrüßungssituationen), andererseits wird auf der kognitiv-attitudinalen Ebene sowohl das eigenals auch fremdkulturelle Verhalten reflektiert und damit die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel angebahnt (Wie verabschiede ich mich von Freunden, Eltern, vom Arzt? Wie verabschiedet man sich in Spanien? ) und schließlich auf der handlungsbezogenen Ebene werden auf diese Weise Fertigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen ausgebaut (Wie kann ich mich in einer solchen Begrüßungssituation kulturell adäquat verhalten? ). 80 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 Ein Beispiel für situative Lernanlässe im Rahmen der Förderung der Interkulturellen Kompetenz findet sich in der 5. Lektion. Diese beginnt mit einer Aufgabe, welche den Titel La fiesta es un problema trägt. Nach der Lektüre eines kurzen Dialogs sollen die Schüler die Teilaufgabe b) bearbeiten: Las compañeras de piso de Tim dicen que mucha gente no quiere hacer fiestas en casa. Explicad qué hacen entonces. ¿Es diferente en vuestro pais? Der kurze Dialog liefert auf der kognitiven Ebene die Information, dass es offenbar unüblich ist, in Spanien eine Party in der eigenen Wohnung zu veranstalten. Die kulturell geprägten Alternativen (encontrarse en un bar) und der Vergleich mit der eigenen kulturell geprägten Verhaltensweise (Feiere ich eher zu Hause eine Party oder treffe ich mich mit Freunden in einem Lokal? ) betreffen sowohl die kognitivattitudinale als auch die handlungsbezogene Ebene (eigen- und fremdkulturelle Eigenarten). Schließlich ist jedoch festzustellen, dass die Lernanlässe zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz nicht so systematisch und vielfältig vorhanden sind, wie die Aufnahme der gleichnamigen Rubrik im Inhaltsverzeichnis hätte vermuten lassen. Leider finden sich auch in den „kompetenzorientierten Wiederholungslektionen“ keine Aufgaben zur interkulturellen Kompetenz. 5. Fazit Zusammenfassend können wir zwei Erkenntnisse aus der Analyse festhalten: Erstens gibt es eine Entwicklung hin zur systematischen und expliziten Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Fremdsprachenlehrwerken, das hat die Analyse der Lehrwerke Aplus! , Découvertes, Línea Amarilla, ¡Apúntate! , A_tope.com,¡Adelante! und Eñe gezeigt. Sicher muss aber auch festgehalten werden, dass es noch ein weiter Weg ist, bis sich ein offener Kulturbegriff in den Französisch- und Spanischlehrwerken niederschlägt und alle drei eingangs vorgestellten Aspekte der Interkulturellen Kompetenz gleichermaßen gefördert werden. Sicher ist der kognitive Bereich (soziokulturelles Orientierungswissen) überproportional vertreten. Zweitens förderte die Analyse des Erwachsenenlehrwerkes Eñe den weitreichendsten Ansatz einer konzeptionellen Verankerung des Trainings der Interkulturellen Kompetenz zu Tage. Durch weitere Analysen müsste die Hypothese überprüft werden, ob es in Erwachsenenlehrwerken grundsätzlich leichter fällt, Interkulturelle Kompetenz systematisch und explizit zu fördern. Dies könnte u.a. damit zu tun haben, dass Lehrwerke für die Sekundarstufe I in der Regel den Inhalten von 16 Bildungsplänen, Rahmenplänen und Curricula entsprechen müssen und dass es häufig an Aufgabenbeispielen zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz mangelt, welche auch auf dem kognitiven und sprachlichen Niveau der Sekundarstufenschüler durchführbar sind. Das Kulturverständnis, das implizit und explizit in Lehrwerken vermittelt wird, war lange Zeit von Geschlossenheit gekennzeichnet (vgl. G RÜNEWALD / K ÜSTER / L ÜNING 2010). Weder ethnische noch soziale Differenzen wurden gemeinhin offen gelegt. Die Förderung der Interkulturellen Kompetenz in Französisch- und Spanischlehrwerken 81 40 (2011) • Heft 2 klassischen Lehrwerkfiguren entstammten der Mittelschicht und lebten in einem ethnisch-kulturell homogenen Umfeld. Dies hat sich, wie die obigen Ausführungen zeigen, ansatzweise gewandelt. Unverkennbar ist, dass in den untersuchten Lehrwerken der Akzent auf einer Gegenüberstellung deutschsprachiger und spanischsprachiger Kulturräume liegt. Dabei wird den Lernern neuerdings allerdings in verstärktem Maße über die Vermittlung „objektiver“ Fakten hinaus orientierungsstiftendes Gebrauchswissen zu Konventionen der Alltagskultur nahe gebracht. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass diese Analyse ausschließlich die Materialien des Schülerbuchs berücksichtigt hat, etwaige Zusatzmaterialien wurden nicht in die Analyse einbezogen und vor allem die Lehrer-Schüler-Interaktion kann bei einer solchen Analyse nicht antizipiert werden. Literatur B REDELLA , Lothar (2010): „Fremdverstehen und interkulturelles Verstehen“. In: H ALLET / K ÖNIGS (Hrsg.), 120-124. B YRAM , Michael (1997): Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon [etc.]: Multilingual Matters. D ECKE -C ORNILL , Helene / K ÜSTER , Lutz (2010): Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Narr. F REITAG , Britta (2010): „Transkulturelles Lernen“. In: H ALLET / K ÖNIGS (Hrsg.), 125-128. G RÜNEWALD , Andreas / K ÜSTER , Lutz (2009) (Hrsg.): Fachdidaktik Spanisch. Stuttgart: Klett [etc.] G RÜNEWALD , Andreas / K ÜSTER , Lutz / L ÜNING , Marita (2010): „Kultur und Interkulturalität“. In: M EIßNER , Franz-Joseph / K RÄMER , Ulrich (Hrsg.): Spanischunterricht gestalten. Wege zu Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität. Stuttgart: Klett-Kallmeyer, 49-80. H ALLET , Wolfgang / K ÖNIGS , Frank (2010) (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Stuttgart: Klett-Kallmeyer. H U , Adelheid (2010): „Interkulturelle Kommunikative Kompetenz“. In: H ALLET / K ÖNIGS (Hrsg.), 75- 78. H U , Adelheid / B YRAM , Michael (Hrsg.) (2009): Interkulturelle Kompetenz und fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation / Intercultural competence and foreign language learning. Models, empiricism, assessment. Tübingen: Narr K MK (2004): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss vom 4.12.2003. München: Wolters Kluver. online abrufbar unter: http: / / kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse / 2003/ 2003_12_04-BS-erste.Fremdsprache.pdf . S CHUMANN , Adelheid (2009): „Förderung interkultureller Bildung und Kompetenzen“. In: G RÜNE - WALD / K ÜSTER (Hrsg.), 213-225. Verwendete Lehrwerke Französisch A LAMARGOT , Gérard et al (2006): Découvertes 3, Lehrwerk für Französisch als 2. Fremdsprache an Gymnasien. Stuttgart: Klett. B ARTEL , Nicole [et al.] (2006): Tout va bien 3, Lehrwerk für Französisch als 2. Fremdsprache an Realschulen und Gesamtschulen. Braunschweig: Diesterweg. G REGOR , Gertraud; J ORIßEN , Catherine; S CHENK , Sylvie (2006): A plus! 3, Lehrwerk für Französisch als 2. Fremdsprache an Gymnasien. Berlin: Cornelsen. 82 Andreas Grünewald 40 (2011) • Heft 2 J OUVET , Laurent [et al.] (2006): Tous Ensemble 3. Lehrwerk für Französisch als 2. Fremdsprache an Realschulen und Gesamtschulen. Stuttgart: Klett. S CHENK , Sylvie / G REGOR , Gertraud (2003): Réalités 3. Lehrwerk für Französisch als 2. Fremdsprache an Realschulen und Gesamtschulen. Berlin: Cornelsen. Verwendete Lehrwerke Spanisch B ADE , Peter [et al.] (2006): Línea Amarilla Band 1, Lehrwerk für Spanisch als 2. Fremdsprache an Gymnasien. Stuttgart: Klett. B ALSER , Joachim [et al.] (2008): ¡Apúntate! Band 1, Lehrwerk für Spanisch als 2. Fremdsprache an Gymnasien. Berlin: Cornelsen. B ARQUERO , Antonio [et al.] (2010): ¡Adelante! Band 1, Lehrwerk für Spanisch als 3. Fremdsprache an Gymnasien und Berufsschulen. Stuttgart: Klett. B ÜRSGENS , Gloria [et al.] (2010): A_tope.com Band 1, Lehrwerk für Spanisch als 3. Fremdsprache, alle Schulformen. Berlin: Cornelsen. G ONZÁLEZ S ALGADO , Cristóbal [et al.] (2010): Eñe Band 1, Lehrwerk für Spanisch als Fremdsprache in der Erwachsenenbildung. Ismaning: Hueber. 40 (2011) • Heft 2 © 2011 Narr Francke Attempto Verlag H ÉLÈNE M ARTINEZ * Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch: Zwischen Tradition und Innovation Abstract. In the course of the implementation of the Common European Framework of Reference, the definition of the term ‘competence’ in foreign language teaching and learning and the issue of its measurability have been controversially discussed. This paper questions, to what extent the development of the different types of competence and skills required by the CEFR, e.g. intercultural communicative competence, is embedded in current French and Spanish textbooks and how exemplary units reflect this underlying principle. The paper emphasizes the importance of process-oriented and learnercentred textbook and task design and also calls attention to the high demands competence-oriented approaches put on teachers and learners. 1. Einleitung In ihrem Aufsatz „Französischunterricht in Deutschland - Aktuelle Situation und Zukunftsperspektiven“ kommt C ASPARI (2010: 18) zu dem Schluss: „Die bedeutendste Änderung, die der Französischunterricht in den letzten Jahren erfahren hat, ist seine Ausrichtung an der Entwicklung von Kompetenzen“. Dem Fremdsprachenunterricht liegt so gesehen ein Paradigmenwechsel zu Grunde (vgl. H ALLET / M ÜLLER -H ARTMANN 2006; K ÜSTER 2006), der trotz wahrnehmbarer Kritik Chancen zur Veränderung und Optimierung des Fremdsprachenunterrichts eröffnet (C ASPARI 2009, 2010). Er setzt überdies nicht nur einen Maßstab für den Unterricht in der ersten, sondern auch in allen nachfolgenden Schulfremdsprachen (vgl. hierzu auch A BENDROTH -T IMMER [et al.] 2011; G RÜNEWALD / K ÜSTER 2010; M EIßNER / T ESCH 2010). Die Idee der Kompetenzorientierung wirft auch die Frage nach der Entwicklung einer neuen Lehrwerkgeneration auf, welche einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht systematisch unterstützt und zu dessen Implementierung beitragen kann (vgl. hierzu auch H U 2008). Denn der Erfolg der Implementierung und die Qualitätssicherung des Französisch- und Spanischunterrichts hängen von der Weiterentwicklung der Lehrwerke ab und nicht von deren Abschaffung (vgl. L EUPOLD 2010a: 59; S CHMELTER 2011). Ausgehend von den Anforderungen, die die Kompetenzorientierungsdiskussion an die Lehr- und Lernmaterialien stellt, möchte ich im Folgenden versuchen, konstruktiv * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hélène M ARTINEZ , Universität Kassel, FB 02: Institut für Romanistik, Didaktik des Französischen und Spanischen, Kurt-Wolters-Str. 5, 34125 K ASSEL . E-Mail: Martinez@uni-kassel.de Arbeitsbereiche: Lernerautonomie, Mehrsprachigkeitsdidaktik bzw. Interkomprehensionsdidaktik, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung (Förderung von Sprachlernkompetenz und Weiterentwicklung von Aufgabenkonstruktion). 84 Hélène Martinez 40 (2011) • Heft 2 aufzuzeigen, welche kompetenzorientierten Ansätze bereits vorhanden sind, welche Chancen diese für eine neue Aufgaben- und Unterrichtskultur durch Lehrwerke darstellen können, wo sich Grenzen abzeichnen und welche Maßnahmen erforderlich sind. 2. Kompetenzorientierung: Anforderungen an die Lehrwerke 2.1 Grundzüge eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts Der kompetenzorientierte Ansatz ist im Zusammenhang mit der Einführung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR; E UROPARAT 2001) und der Entwicklung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2004) zu sehen. Er zielt auf den Aufbau kommunikativer Kompetenz bzw. einer mehrsprachigen und mehrkulturellen Kompetenz: „Der Begriff mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Sprachen zum Zweck der Kommunikation zu benutzen und sich an interkultureller Interaktion zu beteiligen, wobei ein Mensch als gesellschaftlich Handelnder verstanden wird, der über - graduell unterschiedliche - Kompetenzen in mehreren Sprachen und über Erfahrungen mit mehreren Kulturen verfügt. Dies wird allerdings nicht als Schichtung oder als ein Nebeneinander von getrennten Kompetenzen verstanden, sondern vielmehr als eine komplexe oder sogar gemischte Kompetenz, auf die der Benutzer zurückgreifen kann“ (E UROPARAT 2001: 163). Kompetenzen sind nach W EINERT (2001: 27 f) „bei Individuen verfügbare oder von ihnen erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen volitionalen, motivationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen nutzen zu können“. Wie K LIEME (2003: 73; zitiert nach T ESCH 2006: 229) zu Recht bemerkt, stellen Kompetenzen die Verbindung zwischen Wissen und Können her. Damit wird Wissen als Grundlage von Kompetenz erachtet und die Interdependenz beider Dimensionen erkannt (vgl. hierzu aber auch T HALER 2010), wobei Wissen in Anlehnung an den GeR eine dreifache Dimensionierung umfasst: savoir, savoir-faire und savoir-être. Nach dem französischen Arbeitspsychologen L E B OTERF (2009) ist Kompetenz allerdings weit mehr als die Summe von Wissen und Fertigkeiten, die sich irgendwann und irgendwo abrufen lässt. Nach seiner Auffassung konstruiert das Individuum seine Kompetenzen, indem es verschiedene kognitive Ressourcen, d.h. deklaratives Wissen (know-that, savoir), prozedurale Fähigkeiten (know-how, savoir-faire) sowie Einstellungen und Werte (attitude, savoir-être) kombiniert und mobilisiert. Kompetenz ist demnach die Fähigkeit einer Person, „individuelle Ressourcen (Kenntnisse, Können und Lernerpersönlichkeit) sowie externe Ressourcen zu mobilisieren, um miteinander verwandte komplexe Anforderungen meistern zu können“ (B ECKER 2002: 57; zitiert nach C ANDELIER [et al.] 2007: 16; vgl. auch M EIßNER / T ESCH 2010). 1 1 Der 2007 entstandene „Referenzrahmen für plurale Ansätze und Kulturen“ (RePA) (C ANDELIER [et al.] Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 85 40 (2011) • Heft 2 „En d’autres termes, quelqu’un est compétent lorsque [...] il fait appel à certaines ressources, qui combinées entre elles, lui permettront de résoudre la situation. La notion de ressources est au centre de la compétence puisque ce sont elles qui sont mobilisées et intégrées entre elles pour résoudre la situation. Sans ressources, pas de compétences. Mais il ne suffit pas de ,posséder‘ ces ressources, encore faut-il les ,mobiliser‘ et les ,intégrer‘. Cela signifie que la personne doit pouvoir analyser la situation à laquelle elle est confrontée, sélectionner les ressources pertinentes par rapport à cette situation, et les utiliser de manière coordonnée pour apporter une réponse satisfaisante à la situation“ (G ERARD / B RAIBANT 2003; zitiert nach G ERARD 2003: 1 f). Damit betonen G ÉRARD / B RAIBANT (2003) nicht nur die unerlässliche Funktion von Ressourcen bei der Entwicklung von Kompetenzen, sondern auch das zu Grunde liegende savoir-apprendre. Anders als im GeR wird im REPA (vgl. Fn 1 [S. 84 f]) savoir-apprendre als eine transversale Kompetenz verstanden, die in die Bereiche savoir, savoir-faire und savoir-être integriert ist. Damit betonen die Autoren, dass es sich bei savoir-apprendre nicht um einen Bereich handelt, der sich über abfragbare Komponenten wie etwa „Wissen über Lern- und Arbeitstechniken“ isoliert darstellen lässt, sondern dass sich das Lernen des Lernens auf jede der genannten Dimensionen bezieht. In Anlehnung an L ERSCH (2006: 32) und an den GeR (E UROPARAT 2001) sind es vor allem vier Bereiche, die im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht aufgebaut werden sollen: - Erwerb inhaltlichen (linguistischen, soziolinguistischen, pragmatischen) Wissens (savoir) - Strategien zur praktischen Nutzung dieses Wissens bzw. prozedurales Wissen (savoir-faire) - Kognitiv-motivationale Handlungs- und Werteorientierungen (savoir-être) - Metakognitives Wissen und Strategien des Lernen Lernens (savoir-apprendre) Kompetenz als Mobilisierungskompetenz zu betrachten (vgl. L E B OTERF 2009; C AN - DELIER [et al.] 2007) impliziert, dass Kompetenzen nicht ‚gelehrt‘ werden können. Vielmehr geht es im Unterricht darum, Bedingungen und Szenarien zu schaffen, in denen Ressourcen zum Zwecke der Problemlösung bzw. Aufgabenlösung mobilisiert und miteinander kombiniert werden. An Stelle von Wissensvermittlung wird an konkreten Aufgaben gearbeitet. Es genügt aber nicht, wenn die Lernenden mit Routine- und Standardaufgaben konfrontiert [werden]. Vielmehr müssen immer wieder Situationen des Erkundens, Entdeckens und Erfindens geschaffen werden. Die Herausforderung im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht besteht darin, solche Aufgaben zu finden, bei denen die Schülerinnen und Schüler gefordert sind, vorhandenes Wissen und ver- 2007), der die allgemeinen Kompetenzen beschreibt, versteht sich als Ergänzung zum GeR, der Deskriptoren lediglich für die sprachlichen Kompetenzen auflistet. Auf der Basis einer umfassenden Analyse der Literatur über Mehrsprachigkeitsdidaktik wurden für diesen Referenzrahmen Deskriptoren für plurilinguale und plurikulturelle Kompetenzen und Ressourcen entwickelt, welche beim Mehrsprachenerwerb mobilisiert werden (können), mit dem Ziel, die vom Europarat geforderte Mehrsprachenkompetenz (individuelle Mehrsprachigkeit) der Individuen zu fördern. 86 Hélène Martinez 40 (2011) • Heft 2 fügbare Fähigkeiten auf neue Weise zu verbinden. Eigene Lösungsstrategien müssen entwickelt, erprobt und auf ihre Eignung hin bedacht werden. Fehlendes Wissen muss identifiziert und entsprechend angeeignet werden (F EINDT 2010: 87 f). Kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht zeichnet sich nach T ESCH (2010: 26 f) durch folgende Merkmale aus: - Kompetenzen werden durch adäquate Aufgaben konsequent im Unterricht aufgebaut und überprüft. Dabei wird der Kompetenzaufbau rückgekoppelt mit der Diagnose vorhandener Entwicklungsniveaus und der Überprüfung erreichter Lernzuwächse. - Die Transparenz in Bezug auf Zielsetzungen wie auch die ‚Kann‘-Beschreibungen und die passenden Aufgaben ermöglichen, dass sich Lernende Klarheit über ihre bestehenden Stärken und Schwächen verschaffen, um Defizite auszugleichen bzw. bestehende Stärken weiter auszubauen (Lernerautonomie und Selbstevaluationskompetenz, Erfahrung der eigenen Kompetenzzuwächse). - Durch die Transparenz in Bezug auf die zu erzielenden Kompetenzen und die Dokumentation z.B. in Portfolios wird eine Bewusstmachung des Lernens angestrebt. - Der einzelsprachbezogene Kompetenzbegriff des GeR wird erweitert durch einen Kompetenzbegriff für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (vgl. C AN - DELIER [et al.] 2007: 26 f). - Individuelle Lernbegleitung, Entwicklung der Metakognition, kognitive Aktivierung, intelligentes Üben sind ebenfalls Merkmale kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts (vgl. F EINDT 2010). 2.2 Kompetenzorientierte Fremdsprachen-Lehrwerke Anforderungen an die Lehrwerke leiten sich von den oben genannten Merkmalen kompetenzorientierter Ansätze bzw. kompetenzorientierten Unterrichts ab (vgl. C ASPARI 2009; T ESCH 2010). Sie lassen sich nach L EUPOLD (2010a: 59 f), H U (2008: 179 f) sowie T ESCH [et al.] (2008: 77 ff) folgendermaßen zusammenfassen: Neue Lehrwerke sollten - eine Lehrwerkprogression aufweisen, die sich nicht primär am Sprachsystem orientiert. D.h. dass die Bereiche Wortschatz und Grammatik lediglich Ressourcen sind, die für die Lösung einer kommunikativen Aufgabe mobilisiert werden; - die Verknüpfung von Kompetenzen und Inhalten in authentischen lebensweltlichen (für den Lerner sinnvollen und bedeutungsvollen) Situationen zur Grundlage des Lehr- und Lernprozesses machen; - Aufgaben anbieten, die die Ausbildung der funktionalen kommunikativen, methodischen und interkulturellen Kompetenzen bei den Lernenden systematisch unterstützen, darunter verstärkt: Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 87 40 (2011) • Heft 2 o die Förderung von Sprachmittlung, des Hör-/ Sehverstehens und der verschiedenen Formen des Sprechens; o die Förderung Interkulturellen Lernens; o die Förderung von Sprachlernkompetenzen und Sprach(en)bewusstheit; - Möglichkeiten der individuellen Lernstandsdiagnose für die Lehrkraft und die Lerner eröffnen; - dem Prinzip der Individualisierung gerecht werden und ein breites Materialangebot mit differenzierenden Vermittlungs- und Lernwegen anbieten; - implizites und explizites Lernen durch mediale Angebote ermöglichen; - neuere fachdidaktische Erkenntnisse zur Aufgabenorientierung berücksichtigen; - einer offenen Konzeption oder einer Strukturierung nach Kompetenzen folgen. In Anlehnung an G ÉRARD (2003) sind vor diesem Hintergrund die folgenden Aspekte zu berücksichtigen (hier als Fragen formuliert): - Welche Anstöße für problemlösendes Lernen bietet das Lehrwerk? - Bietet das Lehrwerk reale Sprachverwendungszusammenhänge? - Bietet das Lehrwerk Anlässe für Hören, Hör-Sehen, Lesen, Sprechen, Schreiben und Sprachmitteln, die für die Lerner sinnvoll und bedeutungsvoll sind? - Bietet das Lehrwerk die Möglichkeit, unterschiedliche, interne und externe ‚Ressourcen‘ auszunutzen? - Lösen die Aufgabenformate Sprachhandlungen und Lernprozesse aus, die mehrsprachige und mehrkulturelle ‚Ressourcen‘ mobilisieren? - Inwieweit wird z.B. auf das Erlernen weiterer (romanischer) Sprachen vorbereitet bzw. auf die vorhandenen Sprachen (inkl. Deutsch) zurückgegriffen? - Regt das Lehrwerk die Lernenden an, eine aktive Lernerrolle zu übernehmen? - Fördert das Lehrwerk Kooperation und Interaktion zwischen den Lernenden? - Welche Anstöße für landeskundliches und interkulturelles Lernen bietet das Lehrwerk? - Regt das Lehrwerk ein reflexives und metakognitives Lernen an? - Bevorzugt das Lehrwerk eine auf den Lernenden zentrierte Evaluation? - Zielt das Lehrwerk auf die Aneignung neuer Ressourcen durch die Schüler? - Zielt das Lehrwerk auf die Vorbereitung standardisierter Sprachprüfungen? Diese Fragen machen deutlich, dass es bei der Konzipierung kompetenzorientierter Lehrwerke in erster Linie um adäquate „kompetenzorientierte Lernaktivitäten [geht], die den Schülern im Laufe der Jahre im Fremdsprachenunterricht Gelegenheit geben sollen, den vorgegebenen Standards tatsächlich zu entsprechen“ (D E F LORIO -H ANSEN 2008: 65 f) - weniger um die Überprüfung der Kompetenzen. Denn ein Lehrwerk ist nach T ESCH (2008: 78) „eine Grundlage für einen Input und [...] als Instrument des ‚Input‘ kann [es] höchstens auf den realen ‚Output‘ des Lerners hin orientiert sein, aber es kann natürlich nicht das Erreichen der Niveaustufe garantieren.“ 88 Hélène Martinez 40 (2011) • Heft 2 3. Kompetenzorientierung in Fremdsprachen-Lehrwerken: Eine vorläufige Ist-Stand-Erhebung In Anlehnung an M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH (2005) und D E F LO - RIO -H ANSEN (2008) kann konstatiert werden, dass die aktuell gängigen Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht an deutschen Schulen die Implementierung aufgabenbzw. kompetenzorientierten Fremdsprachenlernens nicht konsequent unterstützen. Allerdings haben die Verlage, wie T ESCH (2006: 233) zu Recht bemerkt, die Wende zur Kompetenzorientierung durchaus bereits eingeleitet. Für das Erlernen des Französischen und Spanischen sind in den letzten Jahren im Bereich von FLE (Français Langue étrangère) und ELE (Español como lengua extranjera) - allerdings bisher überwiegend für die Erwachsenenbildung - eine Reihe von Lehrwerken entstanden, die den Anforderungen an eine neue Lehrwerkgeneration ansatzweise entsprechen. Diese können als Grundlage zur Konzeption für neue Lehrmaterialien herangezogen werden. Hierbei handelt es sich z.B. um Rond-Point (L ABASCOULE / L AUSE / R OYER 2004/ 2009), Nouveau Rond-Point (F LUMIAN / L ABASCOULE / L AUSE / R OYER 2011) und Version Originale (D ENYER / G ARMENDIA / L IONS -O LIVIERI 2009) für Französisch oder Gente (M ARTÍN P ERIS / S ANS B AULENAS 2008), Gente Joven (A LONSO / SANS 2008), Con gusto (L LORET I VORRA / R IBAS / W IENER / G ÖRRISSEN / H ÄUPTLE -B ARCELÓ / P ÉREZ C AÑIZARES 2009) und Con dinámica (A INCIBURU / G ONZÁLEZ R ODRÍGUEZ / M ENDEZ N AVAS / T AYEFEH / V ÁZ - QUEZ 2009) für Spanisch. 3.1 Prinzipien kompetenzorientierter Ansätze in Lehrwerken Im Folgenden soll am Beispiel einiger ausgewählter Lehrwerksauszüge analysiert werden, welche Prinzipien kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts bereits in diese Lehrwerke Eingang gefunden haben. Ich beschränke mich dabei auf drei Bereiche (d.h. Aufgabenorientierung als Kernprinzip, Kompetenzaufbau, Strategien und Selbstevaluation) und verweise auf M EIßNER / K RÄMER (2011) für eine ausführlichere Analyse von Interkultureller Kompetenz, Mehrsprachigkeit und Sprachlernkompetenz in Lehrwerken (vgl. hierzu auch G RÜNEWALD / K ÜSTER / L ÜNING 2011; M EIßNER / T ESCH / V ÁZQUEZ 2011). 3.1.1 Aufgabe als Organisationsprinzip von Lerneinheiten Im Zentrum des kompetenzorientierten Ansatzes steht die (kommunikative) Aufgabe (task) als ‚Ausgangs- und Angelpunkt‘ einer Unterrichtssequenz, welche Sprachgebrauch in einer realitätsnahen und bedeutungsvollen Verwendungssituation sowie Kompetenzerwerb im Verlauf eines konstruktiven und bedeutungsvollen Handlungs- und Interaktionsprozesses generieren soll - im Sinne von „using language to learn it“ (K LIPPEL 2006: 111). 2 2 K LIPPEL (2006) betrachtet die Innovativität des aufgabenorientierten Ansatzes jedoch mit Skepsis. K A D k d e s l p 2 3 Kompetenzorient 40 (2011) • Einer aufg Abb. 1 aus E S Der erste Sch kommunikativ der Lernziele, einschließlich schlussaufgab lichen Mittel) petenzen 3 ab u 2010b: 40) ged 3 Diese Dimen tierung und Lehr Heft 2 abenorientiert STAIRE 2009: 2 hritt beim A ve Abschlussa der Inhalte, O Modifikation e festgelegt. L von der zu lö und nicht umg dacht und gep sion fehlt im Scha rwerke für Franz en Einheit lieg 21): ufbau einer E aufgabe zu bes Organisation d en sowie Eval Letztendlich le ösenden Absc gekehrt. Die U lant. aubild. zösisch und Span gt die folgend Einheit besteh stimmen. Alle des Lernprozes luation) werde eiten sich die li hlussaufgabe Unterrichtseinh nisch … de Konzeption ht darin, das e anderen Schr sses, Analyse en in Abhängi inguistischen und den zu er heit wird „rück n zu Grunde (s Thema und ritte (Bestimm der Gesamtein igkeit von der Lernziele (spr rreichenden K kwärts“ (L EUP 89 siehe die mung nheit Abrach- Kom- POLD 9 s A t t 2 90 Dies bedeu spielen. Diese Aufgaben und tivo ‚alimentar tarea final [...] 2009: 25, Abb utet nicht, das e stehen jedo d dienen diesen r‘ y facilitar la ]“ (E STAIRE 20 b. 3 aus E STAIR ss rein linguis och in einer n: „Cada una d a realización d 009: 25). Die RE 2009: 24) v stisch orientier Wechselbezie de las tareas d de la tareas qu folgenden Ab veranschaulich rte Aufgaben ehung zu den de la secuencia ue siguen, muy bildungen (Ab hen diesen Zus A Hélène Mar 40 (2011) • H keine Rolle m kommunikat a tiene como o y especialmen bb. 2 aus E STA ammenhang. Abb. 2 Abb.3 rtinez Heft 2 mehr tiven objente la AIRE Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 91 40 (2011) • Heft 2 Abb. 4 Einheiten aus den Lehrbüchern Gente, Gente Joven, Rond-Point oder Version Originale sind nach dieser Konzeption konstruiert. Jede Einheit endet mit einer Abschlussaufgabe (tarea final bzw. tâche ciblée), welche bereits als explizites Ziel zu Beginn jeder Lektion vorgestellt wird. Hierzu ein Beispiel aus Gente (Lehrbuch 2, Einheit 2) (M ARTÍN P ERIS / S ANS B AU - LENAS 2008: 20, 27): Einstieg in die Einheit: Aufgabe(n), die am Ende des Lernprozesses gelöst werden soll. Weitere Aufgaben sind demnach der Abschlussaufgabe (tarea final bzw. tâche ciblée) untergeordnet und dienen dazu, die für die Lösung der eigentlichen Aufgabe nötigen sprachlichen und nicht-sprachlichen Ressourcen 4 zu üben (siehe Auflistung linke Spalte). Aufgabenorientiertes Fremdsprachenlernen ähnelt Fremdsprachenerwerbsprozessen und findet nach diesem Ansatz implizit (durch den Kontakt mit der Fremdsprache und deren Anwendung in der inhaltsbezogenen Interaktion) und explizit (durch gezieltes Nachdenken über die Sprache und Entdeckung von Regelmäßigkeiten) statt. Am Ende der jeweiligen Einheit wird der Schüler angeregt, die in der Einheit erlernten (grammatikalischen, lexikalischen, textuellen, etc.) Ressourcen auf eine neue Weise zu mobilisieren, um die komplex gestaltete Abschlussaufgabe zu lösen. Diese 4 Meistens handelt es sich dabei um grammatische und lexikalische Mittel. Abb. 5 9 A g 3 I K ( S z s N d g B D i D l w s 92 Aufgabe zielt gelegt. 3.1.2 Systema In Anlehnung Könnensprofil (vgl. auch B EA Spanischlehrw zielt die Förd schen) Kompe Wie in de N ODARI 1995) die funktionale gestellt werde BURU / G ONZÁL Die Sprachgeb ist in Form vo Damit wird e lichen sprachli Der Erwer wendung von strategien in e auf schriftlich atischer Aufba g an den GeR len, die als Or ACCO 2007: 24 werk Con diná derung von fu etenzen unterst en Kriterien ) gefordert, be en kommunik en, die im Lau LEZ R ODRÍGUE bung entsprich on ‚Kann‘-Besc eine „Orientier ichen Können rb von Kompe Strategien sy einen engen Z he oder mündli au von Kompet R basieren an rganisationspri 49 ff; D I G IUR ámica. Compet unktionalen ko tützt. für autonomi eginnt jede Le ativen und me ufe der Einhei EZ / N AVAS M ÉN ht den Ausführ chreibungen fo rung am Defi ersetzt“ (C HR etenzen wird ystematisch un Zusammenhang iche Sprachha tenzen und Str ndere Lehrwe inzip für Lern RA / B EACCO 20 tencias y estra ommunikative iefördernde L erneinheit hier ethodischen (st it erlernt werd NDEZ / T AYEFEH rungen des Ge ormuliert: ‚Na izitären durch RIST 2003: 62 n durch die bew nterstützt. Dam g mit Sprache andlungen und rategien erke auf kom neinheiten hera 07). An dieser ategias verwie en und metho Lehrwerke (vg r mit einer Au trategischen) K den sollen (Ab H / V ÁZQUEZ 20 eR (E UROPARA ach dieser Lern eine Orientie nach C ASPARI wusste Wahrn mit bringen d en und Sprach Hélène Mar 40 (2011) • H ist kooperativ mpetenzorientie angezogen we r Stelle sei auf esen, das ganz odischen (strat gl. beispielsw uftaktseite, auf Kompetenzen bb. 6 aus: A I 009: 47): AT 2001), d.h. neinheit kann erung am tats 2009: 76). nehmung und die Autoren L harbeit. Durch rtinez Heft 2 v anerten erden f das z getegiweise f der vor- INCI alles ich‘. säch- An- Lernh Ar- K b G u D L k t e w 5 p z Kompetenzorient 40 (2011) • beitsanweisun Gleichzeitig w und Abb. 8 au Das folgende L IONS -O LIVIER keine Lerntipp tegien von an eigenen und werden. 5 Im Sinne der präsentieren, sond zwischen der Plan tierung und Lehr Heft 2 ngen wird der wird die Strate us: Con dinámi Beispiel (Abb RI 2009: 74) ps im Sinne v nderen (fiktive individuellen r Prozessorientier dern sie durch die nungsebene des Le rwerke für Franz r Lerner ange gie in Form ei ica, Lehrbuch b. 9 [S. 94]) a steht für proz von ‚prêt-à-ap en) Französis Strategien na rung wäre es sich e Lernenden (mitehrwerks und der zösisch und Span eregt, bestimm ines Lerntipps , Einheit 3, S. aus Version O zessorientierte pprendre‘. Dur chlernenden w achzudenken herlich angemesse )entwickeln zu la Unterrichtsebene nisch … mte Strategien s 5 am Rande a 56): Originale (D EN es Lernen. De rch die Konfr wird er angeh und sich ihre en, eine Strategie assen. Man muss a e unterscheiden. n auszuprobie ngegeben (Ab NYER / G ARMEN er Lernende er ontation mit S halten, über s er bewusst(er e nicht als Lerntip an der Stelle aller 93 eren. bb. 7 NDIA / rhält Straseine ) zu pp zu rdings 9 3 A z „ b ü s d s d a e d 6 u 94 3.1.3 Selbstev Auffällig ist, zum Reflexio „aprender una bei Version O über das meh sprachen eine dass der Lehr selbstständig diesen übernim aufgabenbasie einer kommun des Zieles und 6 In Gente und und ihr eigenes Le valuationskom dass in vielen onsgegenstand a lengua es...“ Originale Bd. hrsprachige Le zunehmend w rbuchbenutzer mit ihrem Le mmt (vgl. hie ertes Lernen pe nikativen (oder d der Anforde d Version Origina exikon zu erstelle mpetenz und Er n der hier gen erhoben wir “, Einheit 2 be 2: J’adore le ernen und die wichtige Rolle r als eine lern ernprozess au erzu auch I NS er se prozesso r pädagogische erungen der A ale werden die Sc en (vgl. La bibliote rfahrung der e nannten Lehrw rd (vgl. z.B. ei Gente 2: G es langues etc e Aktivierung e. Dies lässt si nende Person useinander set STITUTO C ERV orientiert und a en) Aufgabe s Aufgabe bewus chüler zum Beisp eca de gente, CDeigenen Kompe werke das Spra Einheit 3 be Gente y comun .). Dabei spie von bereits b ch zum einen konzeptualisi tzt und die V VANTES 2007). autonomieförd etzt voraus, da sst wird, dass piel angeregt, ihre -ROM). Hélène Mar 40 (2011) • H etenzzuwächse achenlernen se ei Con dinám icación; Einhe elen die Refle bekannten Fre dadurch erklä ert wird, die Verantwortung . 6 Andererseit dernd. Die Lös ass sich der Le er Lernwege en eigenen Worts rtinez Heft 2 e elbst mica: eit 1 xion emdären, sich g für ts ist sung erner und schatz K R ( a n S L G h s T l ( z I b J u z Kompetenzorient 40 (2011) • Ressourcen di (Lernprozess allerdings ein noch nicht aus Besonders Selbstevaluatio Lehrbücher ge G ILA / S ANS B A heit schriftlich schwierigkeite Das Lehrw T AYEFEH / V ÁZ lung durch die (Spalte 1 und zukünftige Zie In Version Or buch. Der Le Journal d’app und eine Bilan zu ziehen (Ab tierung und Lehr Heft 2 iagnostiziert, b und -produkt) e gewisse tas sreichend gefö erfreulich sin on und der D eworden sind. AULENAS 2008 h über die eige en und Lernzie werk Con dinám ZQUEZ 2010: 3 e Einbeziehung d 2). Über d ele zu setzen (S riginale ist die erner erhält in prentissage sei nz der eigenen b. 11 [S. 96] a rwerke für Franz bestimmt und ) evaluiert (vg sk awareness ördert wird. nd auch die u iagnosefähigk . In Gente-Ar 8) werden die enen Lerninha ele nachzudenk mica ermöglic 35 f) zudem ei g der Bewertun die Evaluation Spalte 3). e Selbsteinschä n jeder zweite ine erreichten n Sprachbeher aus: D ENYER / G zösisch und Span mobilisiert u gl. I NSTITUTO voraus, welch unterschiedlich keit, die zu fes rbeitsbüchern Lernenden z.B alte (Lexik und ken. cht im Arbeitsb inen Abgleich ng von sowoh n hinaus wird ätzungskompe en Einheit die Kompetenzen rrschung und e G ARMENDIA / L nisch … und dass er se O C ERVANTES he in den me hen Ansätze z sten Bestandte (vgl. M ARTÍN B. angeregt, am d Grammatik) buch (Abb. 10 h von Selbstu hl Lernenden a d der Lernend etenz eine Kon e Möglichkeit n und Kenntn eigener Schwä L IONS -O LIVIER einen Lernvorg 2007). Dies eisten Lehrwe zur Förderung eilen der aktue N P ERIS / M ARTÍ m Ende jeder sowie über L 0 aus: A INCIBU und Fremdbeu als auch Lehren de angeregt, nvention im K t, mit Hilfe e isse zu evalui ächen und Stä RI , 2009: 37): 95 gang setzt rken g der ellen ÍNEZ Ein- Lern- URU / urteinden sich Kurseines ieren ärken 9 D h k n Z w E 7 96 Darüber hinau halb als auch kompetenzen nisse verbesse Zwischenbilan werke nur beg Eingang in die 7 Gente Joven, us wird der Le außerhalb des sowie seine A ern kann (Abb nz: Wenn auch grenzt auf die e deutsche Sch , welches vom K erner ermutigt, s Klassenzimm Aussprache, se . 12 aus: D ENY h kritische An Sekundarstufe hule gefunden Klett-Verlag in D , darüber nach mers seine Les eine Wortscha YER / G ARMEND nmerkungen ni e I und II übe haben 7 ), bein Deutschland verbr hzudenken, wie se-, Hör-, Spre atz- und seine DIA / L IONS -O LI icht ausbleibe ertragbar sind nhalten sie wic reitet wird, hat s Hélène Mar 40 (2011) • H e er sowohl in ech- oder Schr Grammatikke IVIERI , 2009: 3 en und diese L (und daher ke chtige Ansätze sich nicht durchs rtinez Heft 2 nnerreibennt- 37): Lehreinen e, die setzen Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 97 40 (2011) • Heft 2 bei der Konzeption bzw. Entwicklung einer neuen kompetenzorientierten Lehrwerksgeneration zu berücksichtigen sind. 3.2 Anforderungen an Lerner und Lehrer: Lehrwerkarbeit und Lernkulturen Wie bereits angedeutet, stellt ein kompetenzorientierter Ansatz hohe Anforderungen an die Lernenden und Lehrenden. Er setzt aktives Lernen voraus. Er impliziert einen „aufgeklärten“ autonomen Lerner, der bereit und fähig ist, die Kontrolle über seinen eigenen fremdsprachlichen Lernprozess zu übernehmen und der im Sinne der apprenance (vgl. hierzu C ARRÉ 2005) eine besondere psychologische Beziehung zum Lernprozess und -gegenstand herstellt: „[...] l’apprenance insiste sur la part irréduc tiblement singulière de la motivation à apprendre, du plaisir de savoir, de la mobilisation personnelle et cognitive dans la formation“ (C ARRÉ 2005: 112). Damit verbindet sich auch eine andere Lehrerrolle. Das Lehrwerk bzw. Lehrbuch entfaltet sein spracherwerbsförderndes Potenzial in der Zusammenarbeit mit der Lehrkraft und den Lernenden. Das bewusste Wahrnehmen eines Lehrwerks (d.h. die Akzeptanz durch Lernende und die Umsetzung der fachdidaktischen Postulate durch Lehrende) ist „immer das Ergebnis einer individuellen Interpretation und unterliegt damit subjektiven Theorien, die entweder den jeweiligen Lehrwerkpostulaten entsprechen, im negativen Fall aber Ignoranz oder gegenläufige Handlungen bewirken“ (K OENIG 2010: 177 f). Leider ist bisher die Frage, wie Lehrende und Lernende einen kompetenzbzw. aufgabenorientierten Ansatz interpretieren, d.h. wie ein solcher Ansatz auf die Lernenden wirkt, noch unbeantwortet. 8 Im Folgenden sollen dazu Stimmen von Studierenden aus einer Diskussion zu Lehrwerken im Spanischunterricht im Rahmen eines fachdidaktischen Seminars zitiert werden. 9 Auf die Frage, wo die Studierenden Vorteile (Möglichkeiten) und Nachteile (Grenzen) des aufgabenbasierten Ansatzes von Gente vor dem Hintergrund bzw. auf der Grundlage ihrer eigenen Lernbzw. Lehrerfahrungen sehen, antworten die Studierenden differenziert. Trotz positiver Aspekte, die genannt werden (z.B. Transparenz), ist eine deutliche Skepsis gegenüber dem Lehrbuch zu spüren (die auch im Gespräch mit den jeweiligen Dozenten bestätigt wird). Diese betrifft vor allem den fehlenden Fokus auf die Grammatikarbeit: Aussagen wie etwa „da die Kommunikation im Vordergrund steht, kann es dazu kommen, dass die Verbesserung der Grammatik in den Hintergrund gerät“ oder „Kommunikation zu Lasten der Grammatik“, wiederholen sich. können, weil es nach Aussage eines Verlagsvertreters zu komplex ist. 8 Erste Ansätze dazu in E CKERTH (2003) und T ESCH (2010). 9 Als Vorbereitung auf die Diskussion im Seminar wurden die Spanischstudierenden angeregt, schriftlich auf die folgende Frage zu antworten: „Wo sehen Sie Vorteile (Möglichkeiten) und Nachteile (Grenzen) eines aufgabenbasierten Lehrbuchs wie Gente? Begründen Sie Ihre Meinung vor dem Hintergrund/ auf der Grundlage Ihrer eigenen Lernbzw. Lehrerfahrungen. Die Gruppendiskussion der Seminarstunde wurde aufgenommen und durch ein Leitfadeninterview mit zwei Sprachpraxis-Dozentinnen vertieft. 98 Hélène Martinez 40 (2011) • Heft 2 Eine Studentin fasst ihr Dilemma folgendermaßen zusammen: „Als Nachteil sehe ich jedoch den Mangel an konkret grammatischen Aufgaben, wodurch Lerntypen, welche diese Art des Lernens bevorzugen, benachteiligt werden. Allerdings betrachte ich diesen Ansatz eher als vorteilhaft, weil eine Sprache nicht durch das Erlernen grammatischer Regeln erworben werden kann. Dieser Ansatz sollte jedoch alle Lernertypen einschließen.“ Was ein Vorteil ist, wird mitunter gleichzeitig als ein Nachteil gesehen, wie der folgenden Äußerung zu entnehmen ist: „Dieser Fakt ist zugleich ein Vor- und Nachteil. Vorteil deswegen, weil der Lerner sich nicht explizit mit grammatischen und syntaktischen Themen auseinandersetzt oder auseinandersetzen muss, um die Sprachstruktur einer Fremdsprache zu lernen. Nachteil deswegen, weil es unterschiedliche Lernertypen gibt; die einen bevorzugen diesen integrierten Ansatz, in welchem die Linguistik hintergründig in das Gesamtkonzept ‚Ausbau der kommunikativen Fähigkeiten‘ eingebaut ist, andere Lernertypen setzen sich lieber vordergründig mit der Syntax und Grammatik einer fremden Sprache spezifisch auseinander.“ Diese Vorliebe für eine verstärkte Auseinandersetzung mit Grammatik bei bestimmten Lernern wird im Gespräch mit einer erfahrenen Sprachpraxis-Dozentin bestätigt. Auf die Frage nach den Vor- und Nachteilen von Gente antwortet sie: „Es ist ein Zugang, der überhaupt nicht ‚deutschgeformt‘ ist. Es gibt viele Lehrwerke, die Spanisch unter der deutschen Perspektive oder der Perspektive der deutschen Lernkultur vermitteln, z.B. eine relativ starke Fixierung auf Grammatik. Manchmal liest man diese Lehrwerke und man denkt, die sind für Deutsche geschrieben, weil sie nur die Tasten bedienen, die die Deutschen bedient haben wollen aber ob das eben sein muss? “ Die Aussagen der Studierenden sind teilweise also in sich widersprüchlich, wie das folgende Beispiel zeigt: + reichhaltiger sprachlicher Input + schülerorientiert + konzentriertes Mitdenken und Zuhören der Schüler + ökonomische Nutzung der Unterrichtszeit + Vorbildfunktion der engagierten Lehrkraft - wenig reale Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten - hoher Passivitätsgrad der Schüler - geringe Sprechzeit einzelner Schüler - geringerer Einsatz von Gruppen- oder Partnerarbeit - geringe Möglichkeit, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen Wie passt z.B. Schülerorientierung zu Passivität der Schüler? Wie kommt es, dass Gruppen- oder Partnerarbeit offenbar nicht stattfinden, obwohl diese Sozialformen in Gente dominant sind? Die Frage, wie diese Widersprüche zu deuten sind, verweist auf die individuelle Interpretation des Ansatzes durch die jeweiligen Lehrkräfte. In der Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 99 40 (2011) • Heft 2 Diskussion mit den Studierenden kristallisieren sich vier Lesarten des Lehrbuchs Gente durch die Lehrenden heraus: - Fokus auf das Schreiben - Fokus auf das Sprechen, allerdings ohne Anleitung und Unterstützung im Sinne von „Mach mal! “, was zu einer Überforderung der Studierenden führt. - Selektive Auswahl durch den Lehrer (Arbeit mit dem Arbeitsbuch statt mit dem Lehrbuch und Schwerpunkt auf Spracharbeit) - Selektive Auswahl durch den Lehrer (Arbeit mit ausgewählten Aufgaben, Verzicht auf die Abschlussaufgabe, auf die Selbstevaluationsaufgaben und die Einführung von Strategien) Weiterhin lässt sich nach Angabe der erfahrenen Dozentin der Widerspruch bezüglich des Einsatzes von Sozialformen im Unterricht folgendermaßen erklären: Gruppenarbeit und Interaktion ist dann lernfördernd, wenn sich z.B. alle Teilnehmer an der Lösung der Aufgabe aktiv beteiligen. Gruppenarbeit kann kontraproduktiv wirken, wenn die Lernenden das Potential dieser Sozialform nicht erkennen und sich z.B. hinter Leistungsträgern ‚verstecken‘. Diese Äußerungen verweisen deutlich - wenn auch nicht repräsentativ und nur ausschnitthaft - auf die äußerst individuelle Interpretation neuerer Ansätze durch Lehrende und Lernende. B EACCO (2007 : 284 f) betont die Notwendigkeit, die Passung der neueren Ansätze mit der jeweiligen lokalen Lehr- und Lernkultur zu prüfen, denn „elles [les cultures éducatives: HM] constituent l’humus sur lequel viennent se greffer les méthodologies d’enseignement ‚modernes‘ ou ‚scientifiques‘ qui ne manquent pas de se modifier en s’acclimatant à ces biotopes didactiques déjà là“. Mit „cultures éducatives“ ist ein umfassendes Konzept aus drei Komponenten gemeint: - les cultures éducatives proprement dites, relatives au cadre éducatif, où se déploie la didactique des langues; - les cultures du langage, constituées par les savoirs sur les langues et les discours, sur les textes, et les littératures; - les cultures didactiques, dont relèvent les activités de classe privilégiées. 4. Forderungen an die Sprachlehr- und -lernforschung sowie an die Lehreraus- und -fortbildung 4.1 Von der Lehrwerkanalyse zur Wirkungsforschung Wie im Abschnitt 2.2 gezeigt, enthalten neuere Lehrwerke innovative Ansätze 10 , deren Umsetzung in die Praxis allerdings systematisch erforscht werden sollte. Im Sinne von 10 Vgl. hierzu auch die Analyse des Lehrwerks Rond-Point 1 durch P UREN (2009). 100 Hélène Martinez 40 (2011) • Heft 2 Wirkungsforschung fehlen empirische Untersuchungen, die der Frage nachgehen, wie kompetenzorientierte Lehrmaterialien sowohl von den Lehrenden als auch von den Lernenden in der jeweiligen Situation (Französischund/ oder Spanischunterricht) aufgenommen und interpretiert werden. Im Einzelnen ergeben sich eine Reihe von Aspekten, die untersucht werden müssen: Wenn in den Lehrwerken Anstöße für problemorientiertes Lernen angeboten werden (vgl. Abschnitt 1), dann muss z.B. empirisch erforscht werden, wie Lehrende und Lernende damit umgehen, wie sie diese problemorientierten Aufgaben wahrnehmen, deren Lösbarkeit einschätzen, wie kompetent sie sich in Bezug auf die zu erwartenden Ergebnisse einschätzen, und ob sie einen Lernzuwachs wahrnehmen. Wenn die Lernenden über Lehrwerke anregt werden sollen, eine aktive Rolle im (Selbst-)Aneignungsprozess anzunehmen, dann sollte z.B. empirisch erforscht werden, wie und ob die Schüler sich als Lernende sehen, welche Rolle sie dem Lehrer zuteilen, und welche Lern- und Lehrkonzeption sie favorisieren. Wenn bestimmte Aufgabenformate in Lehrwerken Sprachhandlungen und Lernprozesse auslösen sollen, die die Mobilisierung verschiedener kognitive Ressourcen erfordern, dann sollte z.B. erforscht werden, inwieweit die Lernenden in der konkreten Lehrwerkverwendung überhaupt unterstützt werden, ihre eigenen Ressourcen wahrzunehmen und zu mobilisieren. Wirkungsforschung ist - wenn auch äußerst notwendig - allerdings sehr aufwändig und kann keine ‚Soforthilfe‘ darstellen. Will man die Implementierung von Kompetenzorientierung durch ihre Verankerung in Lehrmaterialien anbahnen, so muss die „Lehrwerkbewusstheit“ (K OENIG 2010) von sowohl angehenden wie auch bereits praktizierenden Lehrenden gefördert bzw. weiterentwickelt werden. 4.2 Von der Lehrwerkanalyse zum forschenden Lernen und Lehren In sprachpraktischen Lehrveranstaltungen erweitern Französischbzw. Spanischstudierende ihre fremdsprachlichen Kompetenzen häufig auch mit Hilfe von Lehrwerken. Eine angeleitete Analyse der Lehrwerke im Rahmen von fachdidaktischen Seminaren kann dazu beitragen, dass die Studierenden die von ihnen verwendeten Lehrwerke (und eventuell auch das eigene Lernverhalten) bewusster wahrnehmen, kritischer hinterfragen und Lehrwerkkonzeptionen vor dem Hintergrund der jeweils thematisierten theoretischen Erkenntnisse (besser) verstehen und analysieren können. Weiterhin sollten Studierende im Sinne forschenden Lernens angeregt werden, eigene und fremde kompetenzorientierte Fremdsprachenerwerbsprozesse im Rahmen fremdsprachendidaktischer Lehrveranstaltungen und universitärer Sprachpraxis zu entdecken sowie begrenzte empirische Fallstudien (z.B. zu den oben dargestellten Forschungsfragen) im Rahmen von Schulpraktika durchzuführen. Lehrende sollten im Rahmen von Fortbildungen und im Sinne von Handlungsforschung gleichermaßen angeregt werden, ihre Lehrmaterialien im Hinblick auf ihr kompetenzförderndes Potential hin zu analysieren bzw. Analyseinstrumente (eventuell mit ihren Lernenden) zu entwickeln, mit denen sie diese kritisch analysieren und an die Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 101 40 (2011) • Heft 2 jeweilige Lehr- und Lernsituation anpassen können. In diesem Zusammenhang sind in Anlehnung an J ANDOK / M ÜLLER -J ACQUIER (2008) die folgenden Fragen von Bedeutung (vgl. hierzu weitergehend K URTZ 2010: 160-163): - „Analysegegenstand: Wird X im Lehrwerk behandelt? - Umsetzung: Wie wird X methodisch im Lehrwerk umgesetzt? - Situative Anpassung: Ist X und die methodische Umsetzung davon für die Bedürfnisse der Lerner adäquat? Wenn dem nicht so ist, wie gleichen Sie dieses Defizit aus? “ (J ANDOK / M ÜLLER -J ACQUIER 2008: 165) Forschendes Lehren und Lernen könnte in diesem Sinne eine kritisch reflektierte Implementierung kompetenzorientierter Ansätze unterstützen. 5. Schlussfolgerungen Die Ausführungen verdeutlichen, dass neuere Lehrwerke durchaus fachdidaktischen Anforderungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen suchen. Die Entwicklung, Einführung und Verwendung neuer Lehrmaterialien sollte allerdings im Sinne einer systematischen Wirkungsforschung wissenschaftlich begleitet werden. Im Rahmen der Lehreraus- und -fortbildung sollte insbesondere die Entwicklung von Lehrwerkbewusstheit gefördert werden, mit dem Ziel, angehende wie praktizierende Lehrer zu einem reflexiven und kritischen Umgang mit Lehrwerken zu befähigen. Literatur A BENDROTH -T IMMER , Dagmar / B ÄR , Marcus / R OVIRÓ , Bàrbara / V ENCES , Ursula (Hrsg.) (2011): Kompetenzen beim Lernen und Lehren des Spanischen: Empirie und Methodik. Frankfurt/ M.: Lang. B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2005): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Arbeitspapiere der 25. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B AUSCH , Karl-Richard / C HRIST , Herbert / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003): Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Arbeitspapiere der 23. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B EACCO , Jean-Claude (2007): L’approche par compétences dans l’enseignement des langues. Paris: Didier. B UNDESMINISTERIUM FÜR B ILDUNG UND F ORSCHUNG (BMBF) (2003) (Hrsg.): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. [sog. Klieme-Expertise]. Bonn: BMBF (Bildungsreform Band 1). B URWITZ -M EZLER , Eva (2005): „Kompetenzen für den Literaturunterricht heute. Ein Beitrag zur standardorientierten Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“. 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Lehrwerke A INCIBURU , Maria Cecili / T AYEFEH , Elisabeth / V ÁZQUEZ , Graciela (2010): Con dinámica. En autonomía. Arbeitsbuch. Stuttgart: Klett. A INCIBURU , Maria Cecilia / G ONZÁLEZ R ODRÍGUEZ , Virtudes / N AVAS M ÉNDEZ , Alejandra / T AYEFEH , Elisabeth / V ÁZQUEZ , Graciela (2009): Con dinámica. Competencias y estrategias. Lehrbuch. Stuttgart: Klett. A LONSO , Encina / SANS , Neus ( 3 2008): Gente Joven 1. Lehrbuch. Barcelona: Difusión & Stuttgart: Klett. D ENYER , Monique / G ARMENDIA , Augustín / L IONS -O LIVIERI , Marie-Laure (2009): Version Originale 1. Méthode de français. Livre de l’élève. Barcelone: Difusión & Paris: Maison des Langues. D ENYER , Monique / G ARMENDIA , Augustín / R OYER , Corinne / L IONS -O LIVIERI , Marie-Laure (2010): Version Originale 2. Méthode de français. Livre de l’élève. Barcelone: Difusión & Paris: Maison des Langues. D I G IURA , Marcella / B EACCO , Jean-Claude (2007): Alors? Volume 1. Méthode de français fondée sur l’approche par compétences. Paris: Didier. F LUMIAN , Catherine / L ABASCOULE , Josiane / L AUSE , Christian / R OYER , Corinne (2011): Nouveau Rond-Point 1. Méthode de français basée sur l’apprentissage par les tâches. Livre de l’élève. Paris: Maison des langues. L ABASCOULE , Josiane / L AUSE , Christian / R OYER , Corinne (2004/ 2009): Rond-Point 1. Livre de l’élève. Méthode de français basée sur l’apprentissage par les tâches. Barcelone: Difusión FLE. L ABASCOULE , Josiane / L IRIA , Philippe / R ODRIGUEZ , María Rita / R OYER , Corinne (2004/ 2009): ROND-POINT 1. Cahier d’exercices. Méthode de français basée sur l’apprentissage par les Kompetenzorientierung und Lehrwerke für Französisch und Spanisch … 105 40 (2011) • Heft 2 tâches. Barcelone: Difusión FLE. L LORET I VORRA , Eva María / R IBAS , Rosa / W IENER , Bibiana / G ÖRRISSEN , Margarita / H ÄUPTLE - B ARCELO , Marianne / P EREZ C AÑIZARES , Pilar (2009): Con gusto. Lehr- und Arbeitsbuch Spanisch. Stuttgart: Klett. M AGNE , Michael / L IONS -O LIVIERI , Marie-Laure (2010): Version Originale. Méthode de français. Cahier d’exercices. Barcelona: Difusión & Paris: Maison des Langues. M ARTÍN P ERIS , Ernesto / M ARTÍNEZ G ILA , Pablo / S ANS B AULENAS , Neus ( 4 2008) : Gente 1. Spanisch für Anfänger. Arbeitsbuch. Nueva Edición. Barcelona: Difusión & Stuttgart: Klett. M ARTÍN P ERIS , Ernesto / S ANS B AULENAS , Neus ( 5 2008): Gente 1. Spanisch für Anfänger. Nueva Edición. Barcelona: Difusión & Stuttgart: Klett. M ARTÍN P ERIS , Ernesto / S ANS B AULENAS , Neus ( 6 2008): Gente 2. Spanisch für Fortgeschrittene. Nueva Edición. Barcelona: Difusión & Stuttgart: Klett. © 2011 Narr Francke Attempto Verlag 40 (2011) • Heft 2 B RITTA H UFEISEN * Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen - Vorstellung einiger konkreter Beispiele Abstract. This paper focuses on important issues and options in multilingual education, placing special emphasis on the challenging question of how to translate and implement recent research findings in teaching materials aimed at developing multilingual competence. After a brief outline of the ongoing discussion, the paper continues presenting some practical examples that were gathered and developed in an interdisciplinary pilot project conducted in foreign language classes and in other school subjects. The study identifies what has already been achieved in textbook research and development and indicates what could be achieved in the future. 1. Einführung Einleitend möchte ich zwischen gesellschaftlicher Mehr- und Vielsprachigkeit auf der einen und individueller Mehrsprachigkeit auf der anderen Seite unterscheiden. Mit Mehrbzw. Vielsprachigkeit meine ich das Verfügen über mehr als zwei Sprachen. Zweisprachigkeit ist allenfalls eine Sonderform von Mehrsprachigkeit, keineswegs aber synonym mit ihr. Mit gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit meine ich Gesellschaften, deren Mitglieder über mehrere gemeinsame Sprachen verfügen und in diesen miteinander sprachhandeln können. Diesen Zustand treffen wir meines Erachtens in sehr wenigen Gesellschaften an. Gesellschaftliche Vielsprachigkeit dagegen beschreibt einen Zustand wie den in Deutschland, wo viele Mitglieder der Gesellschaft über mehrere Sprachen verfügen, aber es nicht unbedingt viele gemeinsame Sprachen gibt, sondern nur Gruppen über gemeinsame Sprachenrepertoires verfügen. Ziemlich sicher verfügen aber nicht einmal alle in Deutschland Lebenden über eine für gesellschaftspolitische Partizipation ausreichende Sprachhandlungskompetenz in Deutsch. Individuelle Mehrsprachigkeit beschreibt das m.E. unterschiedliche Sprachenrepertoire einzelner Menschen und umfasst sowohl die - mitgebrachten - Erst- und Zweitsprache(n) samt ihrer regionalen Varianten, als auch die im Laufe des Lebens erlernten Zweit- und Fremdsprachen. K ÖNIGS (2004) unterscheidet hier zwischen retrospektiver (mitgebrachter) und prospektiver (noch zu erlernender) Mehrsprachigkeit. Europäisches Ziel ist nach dieser Terminologie die prospektive Mehrsprachigkeit Erstsprache(n) (jeweilige L1 plus zwei); diese wird uns in diesem Beitrag besonders be- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Britta H UFEISEN , Technische Universität Darmstadt, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft und Sprachenzentrum, Hochschulstr. 1, 64289 D ARMSTADT . E-Mail: Hufeisen@spz.tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Mehrsprachigkeitsforschung, Schreiben in der Fremdsprache, E-Learning Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen … 107 40 (2011) • Heft 2 schäftigen, wenngleich ich es an dieser Stelle für wichtig halte zu betonen, dass auch die retrospektive Mehrsprachigkeit noch stärker in den Blickpunkt rücken sollte, nicht nur um ihren Wert an sich hervorzuheben, sondern vor allem, um sie als mögliches Sprungbrett für die anzustrebende Mehrsprachigkeit auszunutzen. Als nächstes möchte ich schulisches Lernen und schulische Lernziele bzw. zu erreichende Kompetenzen andiskutieren: Streben wir C2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GeR) für alle Fertigkeiten in allen Sprachen bei allen Lernenden an, oder definieren wir für bestimmte Sprachen bestimmte Domänen, in denen unterschiedliche Kompetenzstufen anzustreben sind? Wir sind dabei zu erkennen, dass wir mit der Konzentration auf die kommunikative Kompetenz die Fertigkeiten Lesen und Schreiben vernachlässigt haben und dass nun manche Lernende Lücken in ihrer Textkompetenz aufweisen, die ihnen die oben erwähnte gesellschaftspolitische Teilhabe erschwert (vgl. E HLICH 2003). Dies betrifft bereits die Textkompetenz in der/ den L1(s) und meistens erst recht diejenige in der/ den Zweitsprache/ n. Diese nicht ausreichende Sprachhandlungskompetenz in den Fertigkeiten Schreiben und Lesen hat dann auch negative Folgen in den Fremdsprachen, oder anders herum ausgedrückt: Eine hohe Textkompetenz in der bzw. den L1 ist eine gute Ausgangsbasis für die Entwicklung einer soliden Textkompetenz in der ersten Fremdsprache (L2) (E ZHOVA -H EER 2011). Die L2 stellt dann wiederum eine Grundlage für die Entwicklung einer Textkompetenz in der L3 oder L4 dar. Es sieht derzeit übrigens so aus, als sei Englisch als erste Fremdsprache L2 nur bedingt hilfreich für die Textkompetenz in der L3, nämlich in erster Linie für die Rezeption, nicht aber unbedingt für die Produktion (vgl. G IBSON / H UFEISEN / L IBBEN 2001; F ISCHER / H UFEISEN 2010). Mehrsprachigkeitsdidaktische Prinzipien wie der Einbezug (einer) mitgebrachten/ r Sprache(n) sowie vorher gelernter Fremdsprachen, die Vorbereitung des Lernens weiterer Fremdsprachen, die Bewusstmachung und Einübung fremdsprachenlernstrategischer Verfahren ergeben sich aus empirischen Ergebnissen und mehrsprachigkeitstheoretischen Überlegungen (vgl. H UFEISEN 2010) und können sich idealerweise auch in der Konzeption von Lehrwerken und lehrwerkunabhängigen Lehrmaterialien niederschlagen. 2. Konsequenzen aus den Erkenntnissen von Mehrsprachigkeitsforschung und -didaktik für strukturell-organisatorische Entscheidungen und für Lehrmaterialien Lehrwerke und Lehrmaterialien, die nach mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien konzipiert sind, berücksichtigen die bereits erwähnte retrospektive Mehrsprachigkeitsdimension und - wenn es sich um erste Fremdsprachen handelt - beziehen vor allem die prospektive Mehrsprachigkeitsdimension mit ein. Am konkreten Beispiel ausgedrückt: Englischlehrwerke, die die nunmehr klassische erste Fremdsprache vertreten, bereiten idealerweise auch das weitere Fremdsprachenlernen vor und weisen so über sich selbst hinaus, wie K LIPPEL dies für den Englischunterricht allgemein formuliert: 108 Britta Hufeisen 40 (2011) • Heft 2 „Für einsprachige Kinder sollte er das positiv besetzte Eingangstor in das Sprachenlernen verkörpern, indem Sprachlernmotivationen geweckt und erhalten, interkulturelle Lernerfahrungen angebahnt, Sprachlernstrategien bestärkt und ausgebaut sowie Sprachbewusstsein gefördert werden. Diese Aufgaben kann der Englischunterricht nur dann erfüllen, wenn er von sprachlich kompetenten, fremdsprachendidaktisch ausgebildeten und engagierten Lehrkräften erteilt wird. Für zwei- oder mehrsprachige Kinder kann die Erfahrung des bewussten Sprachenlernens einer weiteren Sprache zum einen im Sinne eines positiven Transfers die Konsolidierung bisheriger Sprachlernerfahrungen und den gezielten Einsatz bewährter Strategien bedeuten [...]. Ein guter Englischunterricht kann dazu beitragen, individuelles Sprachenlernen als positive Erfahrung in der Persönlichkeit zu verankern, Sprachlernmotivationen für weitere Sprachen zu wecken, das Gespür für sprachlich formale sowie semantische und pragmatische Eigenheiten der Sprachen zu fördern, Flexibilität und Offenheit im Hinblick auf Sprachen und Kulturen anzuregen“ (K LIPPEL 2010: 117). Inwieweit der Englischunterricht dies bereits leistet, ist noch nicht klar belegt (vgl. H UFEISEN 2008). Im Übrigen betont auch K URTZ , dass der Englischunterricht für die affektive Konsolidierung des Fremdsprachenlernens im Ganzen Verantwortung übernehmen sollte: „Im Englischunterricht müssen vielmehr vor allem die affektiven (motivationalen, volitionalen) Grundlagen für das (Fremd-)Sprachenlernen insgesamt gelegt und - dies ist wohl die schwierigste Aufgabe für ein unterrichtliches Langzeitfach - schulstufenübergreifend über viele Jahre hinweg erhalten werden (Primarstufe > Sekundarstufe I > Sekundarstufe II)“ (K URTZ 2010b: 125). Inwieweit der Englischunterricht dies überhaupt leisten kann und tatsächlich leistet, müsste in Langzeituntersuchungen festgestellt werden (vgl. hierzu auch K URTZ 2011). Lehrwerke klassischer zweiter und weiterer Fremdsprachen beziehen das vorhandene Fremdsprachenpotenzial mit ein, rückverweisen auf dieses und benutzen es als Ausgangspunkt bzw. Brücke auf dem Weg zur neuen, weiteren Fremdsprache. Den Einbezug von retrospektiver Mehrsprachigkeit, wie K ÖNIGS sie versteht, d.h. den Einbezug von nichtdeutschen Herkunftssprachen leisten bislang vermutlich ausschließlich einige der klassischen Lehrwerke für Deutsch als Zweitsprache. Ein sprachenübergreifendes Vorgehen, wie es die Mehrsprachigkeitsdidaktik vorsieht, erfordert auf verschiedenen Ebenen und bei allen Beteiligten ein Umdenken bzw. ein Neudenken von Unterricht sowohl bei den Lernenden und auch bei den Lehrenden, aber auch bei den Eltern und natürlich in der Bildungspolitik; und bei allen ein Umdenken in Bezug auf strukturelle und organisatorische Gegebenheiten. Dazu gehört u.a. ein Abschiednehmen von Fächergrenzen und vom Konzept der additiven Mehrsprachigkeit, wie wir sie bislang kennen. Im Folgenden skizziere ich kurz eine mögliche Umsetzung (ausführlicher in H UFEISEN 2008, 2011) und gehe dann detaillierter darauf ein, wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Prinzipien in Lehrwerken und Lehr- und Lernmaterialien niederschlagen könnten. Im Rahmen eines Gesamtsprachencurriculums, welches alle an einer Bildungsinstitution vorkommenden Sprachen berücksichtigt - und dazu gehören nicht nur die klassischen und traditionellen Fremdsprachen, sondern auch Deutsch als Zweitsprache und die Herkunftssprachen - können sprachen-, fächer- und eigentlich auch Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen … 109 40 (2011) • Heft 2 jahrgangsübergreifende Planungen getätigt und Entscheidungen gefällt werden. Darüber hinaus können mehrsprachigkeitsdidaktische Elemente mittels eines konsequenten Content and Language(s) Integrated Learning-Einsatzes auch in die Sachfächer getragen werden. 3. Beispiele für sprachenübergreifende Lehrmaterialien, die an mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien ausgerichtet sind Lehrwerke und Lehrmaterialien, die systematisch sprachenübergreifend und an mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien ausgerichtet sind, sind noch rar gesät (vgl. hierzu beispielsweise V ICENTE [et al.] 2008), und es wird sie kaum in regulären Lehrwerkreihen geben. Dort kann man allenfalls mehrsprachigkeitsdidaktische Ausflüge erwarten, welche jedoch ein vielversprechender Anfang sind. Man darf annehmen, dass systematisch sprachen- und fächerübergreifende und an mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien ausgerichtete Lehrmaterialien vermutlich baukastenartig (modularisiert) aufgebaut sein müssten, um das individuelle Lernen und das Zugreifen auf unterschiedlichen Niveaus zu ermöglichen; idealerweise müssten sie fächer- und jahrgangsübergreifend (vgl. H UFEISEN 2005) organisiert werden und den Einsatz traditioneller und so genannter neuer Medien erlauben. Gelungene Beispiele sprachenübergreifender, mehrsprachigkeitsdidaktischer Lehrmaterialarbeit finden wir in B EHR (2005, 2006a), in welche nicht nur die Schulfremdsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Latein mit aufgenommen worden sind, sondern auch Zweitsprachen wie Russisch und fächerübergreifende Aspekte wie die Fachsprache der Chemie. (Die Ergebnisse des dazu gehörigen Projekts werden in B EHR 2006b beschrieben und diskutiert. Weitergehende theoretische Überlegungen und Ideen für die Umsetzung finden sich in B EHR 2006c). B EHR (2006a) unterteilt ihre Anregungen in die Blöcke A. Einstieg - sprachenübergreifendes Lernen, B. Einblicke in verschiedene Sprachen. Wortschatz und Grammatik, C. Soziokulturelle Einblicke und D. Strategien. Ein weiteres Beispiel für eine sprachenübergreifende Herangehensweise stellt ein mehrsprachiges Arbeitsheft dar (D ÖLL -S CHMIDT [et al.] 2010), das von Schülern einer 9. Klasse des Darmstädter humanistischen Ludwig-Georg-Gymnasiums während einer Projektwoche zum Thema Mehrsprachigkeit, welche im Herbst 2010 im Fachgebiet Mehrsprachigkeitsforschung, Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Technischen Universität Darmstadt stattfand, erstellt wurde und für künftige Projektwochen von Fünft- und Sechstklässlern zur Verfügung stehen soll. Es konzentriert sich auf bestimmte Schulsprachen, nämlich auf die an dieser Schule in der 5. Klasse unterrichteten Fremdsprachen Englisch, Französisch und Latein und auf sprachenbezogene Aspekte (d.h. weniger auf lernstrategische), zeigt aber deutlich auf, wie man zunächst beginnen kann, bereits in der 5. Klasse sprachenübergreifend zu arbeiten, um die Potenziale des Vergleichens, Transferierens und Ableitens zu verdeutlichen und bewusst zu machen. Die Herkunftssprachen einerseits und Deutsch als Zweitsprache 110 Britta Hufeisen 40 (2011) • Heft 2 andererseits sollen in einer zweiten Auflage während der nächsten Projektwoche mit einbezogen werden (vgl. hierzu auch H UFEISEN / N EUNER 2006). Im Folgenden möchte ich aus diesen beiden Publikationen Beispiele für die vier von B EHR (2006a) genannten Bereiche vorstellen: Für den Einstieg in das sprachenübergreifende Lernen wählt B EHR einen Ausschnitt aus Sprache, der den meisten Lernenden geläufig ist, nämlich Geburtstag feiern und aus diesem Anlass singen. In diesem Beispiel werden verschiedene Sprachen rund um das Lied Happy Birthday aufgelistet, und es gibt Raum für den Eintrag weiterer Sprachen (vgl. Abb. 1a und 1b [S. 111]). Abb. 1a: Einstieg in das sprachenübergreifende Lernen (B EHR 2006 a: 8) Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen … 111 40 (2011) • Heft 2 Abb. 1b: Einstieg in das sprachenübergreifende Lernen (B EHR 2006a: 8-9) Als Beispiel für Einblicke in verschiedene Sprachen: Wortschatz und Grammatik möchte ich zunächst das Memory-Spiel aus D ÖLL -S CHMIDT [et al.] (2010: 21 und 23) (vgl. Abb. 2a und 2b [S. 112]) vorstellen: 112 Britta Hufeisen 40 (2011) • Heft 2 Abb. 2a Abb. 2b W D w f w s a s V v c ( Wie sich mehrsp 40 (2011) • Dieses Spiel h weitere Sprac fachliche Inha werden und sprachigen Vo auch spieleris sprachen finde Veranschaulic verschiedenen chen sehr ähnl (vgl. Abb. 3 „ rachigkeitsdidak Heft 2 hat den Vorte hen - egal, o alte (Fachterm führt vielleich okabelkartei r che Tests dur en wir in B EH chung gewählt n (Quell-)Sprac lich ist, und da Fachsprache C ktische Ideen in L eil, dass es be ob Fremdsprac mini). Es kann ht zu system recht nahekom rchführen und R (2006a). In t. Es geht daru chen kommen ass man diese Chemie“ aus: B Lehrmaterialien u eliebig erweite chen oder Her individuell vo matischer Wor mmt. Man kan Wettkämpfe Abb. 3 habe i um zu zeigen, n kann und in Quellsprachen B EHR 2006a: 3 umsetzen lassen erbar ist, und rkunftssprache on Schülern er rtschatzarbeit, nn mit einem ausrichten. B ich die Fachsp dass fachspra den verschied n systematisch 37). … zwar sowohl en - als auch rstellt und ges die einer m solchen Mem eispiele für F prache Chemie achliche Lexik denen (Ziel-)S h analysieren k 113 l auf h auf pielt mehrmory Fache zur k aus Sprakann E „ A E m W 114 Ein Beispiel fü „Adjektivbildu Adjektive geh Ein gutes Bei men nennt, ist Währungen be für Wortbildun ung in der F t: ispiel für sozi t der Teil in D eschäftigt (Ab ng in verschied Fachsprache“ okulturelle Ei D ÖLL -S CHMIDT b. 5 [S. 115]). denen Sprache (aus: B EHR 2 inblicke, wie B T [et al.] (201 en stellt die Üb 2006a: 40) da B EHR (2006a: 0: 13), der sic Britta Huf 40 (2011) • H bersicht in Ab ar, in der es : 71 f) diese T ch mit Zahlen feisen Heft 2 bb. 4 um The- und Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen … 115 40 (2011) • Heft 2 Bei dieser Übung können sich die Lernenden nicht nur mit Zahlen in den verschiedenen Fremdsprachen beschäftigen, sondern auch mit Währungen, die sie auf Urlaubsreisen kennengelernt haben oder die sie aus ihrem Herkunftsland kennen. Diese können sie, bei Vorhandensein von konkreten Münzen und Scheinen, in den Unterricht mitbringen und sie dort in verschiedenen Sprachen thematisieren. Vielleicht lassen sich sogar Vergleiche anstellen: Wie viel kostet beispielsweise ein Liter Milch in den ver- 116 Britta Hufeisen 40 (2011) • Heft 2 schiedenen Ländern, und wie viel wäre dies in den unterschiedlichen Währungen? Ist das jeweils teurer oder günstiger? In einer solchen Situation würde nicht nur sprachlich agiert werden. Das Thema ‚Küche und Essen‘ ist ebenfalls eines, welches soziokulturelle Einblicke gewährt und sich gut für schulische Mehrsprachigkeitsdiskurse eignet, die besonders auch die Herkunftssprachen und -kulturen mit einbeziehen und würdigen. Anschauliche Beispiele für Strategien finden wir ebenfalls in B EHR (2006a). An dieser Stelle möchte ich zeigen, wie Lernende angeregt werden sollen, Wörter, die sie nicht kennen, so zu umschreiben, dass sie trotzdem verstanden werden (vgl. Abb. 6 aus B EHR 2006a: 102). Im vorderen Teil dieses Teilkapitels werden diese Strategien beschrieben und aufgelistet. W W d m v 4 D w s Wie sich mehrsp 40 (2011) • Weiter hinten diese Strategi mind-map ein vor, wie sie in 4. Schluss Diese hier vor wir ihn bislang sich nicht sys rachigkeitsdidak Heft 2 im Teilkapite iemerksätze m nzutragen. Der n Abb. 7 „Strat sbemerkung rgetragenen Id g kennen, zun stematisch um ktische Ideen in L el (B EHR 2006 mit einem Sch r Lösungsschl tegien“ (aus B g deen sind für nächst noch uto msetzen lassen Lehrmaterialien u 6a: 106) werd hlagwort zu v lüssel zu dies EHR 2006a: 11 den regulären opisch; das m n, weil es an umsetzen lassen den die Lernen versehen und ser Aufgabe s 11) aufgelistet n Fremdsprach meiste des Vorg n allen mögli … nden aufgefor in eine stilis sieht Schlagwö t sind. henunterricht, geschlagenen w chen Dingen 117 dert, ierte örter wie wird wie 118 Britta Hufeisen 40 (2011) • Heft 2 äußeren Umständen (z.B. Fächergrenzen, Lehrpläne, Menschen als Bedenkenträger) scheitert, aber man muss sprachen- und fächerübergreifendes Lernen gedanklich trotzdem durchspielen, und man muss an konkreten Beispielen zeigen, wie es gehen könnte. Vielleicht sind Projektwochen ein erster Ansatz, sprachen- und fächerübergreifendes Lernen auszuprobieren (vgl. hierzu auch K URTZ 2004: 116-117). Die Beispiele zeigen, dass sich durchaus Fachleute sowie auch Schüler wie die des Ludwig-Georg-Gymnasiums (die sich freiwillig in die AG eingewählt hatten, weil sie Interesse an der Thematik hatten) Gedanken darüber machen, wie Materialien aussehen könnten, die nach mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien aufgebaut sind, und dass sich sprachen- und auch fächerübergreifendes Lernen schüler- und aufgabenorientiert gestalten lässt. Wenngleich nicht anzunehmen ist, dass es in nächster Zeit bereits sprachenübergreifende Lehrwerke geben wird (das ist eigentlich auch nicht das Ziel mehrsprachigkeitsdidaktischer Überlegungen), kann man nur hoffen, dass einerseits mehr Publikationen wie die von B EHR (2005, 2006a) und D ÖLL -S CHMIDT [et al.] (2010) erscheinen, und dass es andererseits nach und nach mehr Lehrkräfte gibt, die Materialien wie die genannten nicht nur im Rahmen einer Projektwoche, sondern zunehmend auch im Regelunterricht, der wo immer möglich auch die Fächergrenzen überschreiten darf, einsetzen werden. Literatur B AUR , Rupprecht S. / H UFEISEN , Britta (Hrsg.) (2011): „Vieles ist sehr ähnlich“ - Individuell und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren. B EHR , Ursula (Hrsg.) (2005): Sprachen entdecken - Sprachen vergleichen. Kopiervorlagen zum sprachenübergreifenden Lernen Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Latein. Berlin: Cornelsen. B EHR , Ursula (2006a): Anregungen zum sprachenübergreifenden Lernen in der Sekundarstufe I. Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Latein. Bad Berka: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Materialien Heft 129). B EHR , Ursula (2006b): Sprachenübergreifendes Lernen und Lehren in der Sekundarstufe I. Ergebnisse eines Kooperationsprojektes der drei Phasen der Lehrerbildung. Tübingen: Narr. B EHR , Ursula (Hrsg.) (2006c): Mehrsprachigkeit/ Sprachlernbewusstheit II. Jena: Materialien des Zentrums für Didaktik; Band 6. D ÖLL -S CHMIDT , Sonja / G ENTZIK , Christina / W AACK -E RDMANN , Katharina (zusammen mit E HRHARDT , Maxine / H AMMERSCHMIDT , Annika / L OBOS -L ABBADIA , Brandon / N ONNEN , Jakob / VON O ELSEN , Isabel / S HAHVERDYAN , Andreas / S TASTNY , Lukas / S TORCH , Janis) (2010): Salve! Hello! Salut! Dreisprachiges Arbeitsheft. Jahrgangsstufe 5. Von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10 des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums in der Projektwoche 2010 erstellt. Darmstadt: Ludwig-Georgs-Gymnasium. E HLICH , Konrad (2003): „Differenzierte Schreibqualifizierung - eine gemeinsame Aufgabe für Schule und Hochschule“. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 2/ 3, 128-137. E ZHOVA -H EER , Irina (2011): „Untersuchungen zur Förderung der Schreibkompetenz der zugewanderten Kinder und Jugendlichen aus der ehemaligen Sowjetunion“. In: B AUR / H UFEISEN (Hrsg.), 115- 137. Wie sich mehrsprachigkeitsdidaktische Ideen in Lehrmaterialien umsetzen lassen … 119 40 (2011) • Heft 2 F ISCHER , Rotraut / H UFEISEN , Britta (2010): „Transferprozesse beim Produzieren deutschsprachiger wissenschaftlicher Texte von ausländischen NachwuchswissenschaftlerInnen mit Englisch bzw. Französisch als erster Fremdsprache. Vorüberlegungen zu dem Forschungsprojekt Transfer und Textkompetenz DaFnE/ F“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 21, 249-259. G IBSON , Martha / H UFEISEN , Britta / L IBBEN , Gary (2001): „Learners of German as an L3 and their production of German prepositional verbs“. In: C ENOZ , Jasone / H UFEISEN , Britta / J ESSNER , Ulrike (Hrsg.): Cross-Linguistic Influence in Third Language Acquisition. Psycholinguistic Perspectives. Clevedon, Avon: Multilingual Matters (Bilingual Education and Bilingualism 31), 138-148. H UFEISEN , Britta (2005): „‘But then you don’t learn anything! ’ - Wie man beim Schüleraustausch eine neue Lernkultur entdecken kann“. In: Englisch 1, 9-23. H UFEISEN , Britta (2008): „Gesamtsprachencurriculum, curriculare Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik - Utopie, Allheilmittel für den fächerübergreifenden ((Fremd)Sprachen)Unterricht oder Schreckgespenst aller AnglistInnen und EnglischlehrerInnen? “ In: B AUSCH , Karl- Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.): Fremdsprachenlernen erforschen: sprachspezifisch oder sprachenübergreifend? Tübingen: Narr, 97- 106. H UFEISEN , Britta (2010): „Faktorenmodell 2.0“. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36, 200-207. H UFEISEN , Britta (2011): „Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell“. In: B AUR / H UFEISEN (Hrsg.), 265-282. H UFEISEN , Britta / N EUNER , Nikolas (2006): „DaZ im Rahmen eines Gesamtsprachencurriculums aus der Perspektive der Mehrsprachigkeitsforschung“. In: E FING , Christian / J ANICH , Nina (Hrsg.) (2006): Förderung der berufsbezogenen Sprachkompetenz. Befunde und Perspektiven. Paderborn: Eusl, 155-170. K LIPPEL , Friederike (2010): „Gedanken zur Rolle des Englischunterrichts in der mehrsprachigen Gesellschaft“. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36, 116-118. K ÖNIGS , Frank G. (2004): „Mehrsprachigkeit ernst genommen. Überlegungen zum Übersetzen (und Dolmetschen) mit Lernern unterschiedlicher Muttersprache“. In: ENS Lettres et Sciences humaines - Lyon / The British Council/ Goethe-Institut (Hrsg.): Les langues maternelles dans l'enseignement des langues étrangères. Mother Tongues in Foreign Language Teaching. Muttersprachen im Fremdsprachenunterricht. Colloque des 12-13 février 1999 (Triangle 19). Lyon: ENS Éditions, 83-106. K URTZ , Jürgen (2004): „Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik: Visionen, Initiativen, Realitäten“. In: B AUSCH , Karl-Richard / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.): Mehrsprachigkeit im Fokus. Arbeitspapiere der 24. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, 113-121. K URTZ , Jürgen (2010a): „Zum Umgang mit dem Lehrwerk im Englischunterricht“. In: F UCHS , Eckhardt / K AHLERT , Joachim / S ANDFUCHS , Uwe (Hrsg.): Schulbuch konkret. Kontexte. Produktion. Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 149-163. K URTZ , Jürgen (2010b): „Zur Bedeutung und Funktion des Englischunterrichts für den Erhalt und die Förderung von Mehrsprachigkeit in der Schule“. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36, 119- 132. K URTZ , Jürgen (2011): „Mehrsprachigkeit als Rahmenbedingungen und übergeordnete Bildungsaufgabe: Englisch lehren und lernen an Ganztagsschulen“. In: A PPEL , Stefan / R OTHER , Ulrich (Hrsg.): Jahrbuch Ganztagsschule. Mehr Schule oder doch: Mehr als Schule? Schwalbach, Ts.: Wochenschauverlag, 70-83. V ICENTE , Dara / C RISTACHE , Carmen / N EUNER , Gerhard / P ILYPAITYTE , Lina / K IRCHNER , Birgit / S ZAKÁLY , Erna (2008): Deutsch.com. Ismaning: Hueber. © 2011 Narr Francke Attempto Verlag 40 (2011) • Heft 2 M ARKUS B OHNENSTEFFEN * Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer nicht repräsentativen Befragung Abstract. Textbooks are undoubtedly the most widely-used classroom materials in the teaching of English as a Foreign Language. However, research on English textbooks focuses almost exclusively on examining their potential. The question of how students and teachers actually use the materials is rarely addressed. This article begins with an overview of the advantages and disadvantages of using textbooks in the EFL classroom and suggests reasons for their popularity as a teaching medium. It then looks at the attitudes of German learners of English and their teachers towards the textbooks they use and goes on to report on an informal study, conducted in two German grammar schools, on what students and teachers thought about their English textbooks and supplementary materials. The findings serve as input for a more empirically-based discussion of what future English textbooks should look like. 1. To use or not to use? - Die Frage nach dem Für und Wider von Lehrwerken in der Praxis des Englischunterrichts Englischlehrer schätzen die Qualität von Englischlehrwerken und die Möglichkeiten und Grenzen ihrer unterrichtlichen Verwendung sehr unterschiedlich ein. Der folgende (fiktive und auf meinen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen als Gymnasiallehrer beruhende) Dialog der Lehrpersonen A und B soll dazu dienen, einige typische, letztlich handlungsleitende Sichtweisen einleitend zu skizzieren, um sie in der Folge vor dem Hintergrund einer nicht-repräsentativen Umfrage im Kontext aktueller Forschungsergebnisse zu diskutieren. A: Wollen wir uns nicht ’mal vom Lehrwerk lösen, damit wir unseren Schülern Texte und Materialien präsentieren können, die sie wirklich ansprechen? B: Bloß nicht, wie sollen unsere Schüler dann die Vokabeln und die Grammatik lernen? A: Wir arbeiten schon so lange mit unserem Lehrwerk, aber ich habe den Eindruck, dass sich die Leistungen meiner Schüler nicht verbessern, dass sie wenig motiviert sind und dass ich mit der Zeit meinen Unterricht streng nach Vorgabe des Lehrwerks routinemäßig abspule. B: Aber gerade die Vorgaben des Lehrwerks machen den Einsatz doch so attraktiv. Ich muss nicht lange nach passenden Materialien suchen. Es liegt alles durchdacht auf meinem Schreibtisch. * Korrespondenzadresse: Dr. Markus B OHNENSTEFFEN , StD, stellvertretender Schulleiter am Carolus- Magnus-Gymnasium Marsberg, Schöffenwiese 2, 34431 M ARSBERG . E-Mail: mbohnensteffen@aol.com Arbeitsbereiche: Fehlerdidaktik, empirische Unterrichtsforschung. Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 121 40 (2011) • Heft 2 A: Geht es dir denn nicht so wie mir? Immer wieder denke ich, dass ich die Schüler mit den teilweise völlig veralteten Inhalten langweile. Darüber hinaus fühle ich mich nicht gut, denn ich verkaufe etwas, von dem ich weiß, dass es nicht mehr aktuell ist. Wenn ich die Infos aus dem Schülerbuch sowieso ständig korrigieren muss, dann kann ich doch gleich andere Materialien einsetzen. B: Gut, vielleicht hast du mit den Inhalten recht, aber denk’ doch ’mal daran, dass dem Lehrwerk eine von Experten durchdachte didaktische Progression zugrunde liegt, die den Lernbedürfnissen unserer Schüler sicherlich entgegen kommt. A: Schon, aber genau da liegt doch das Problem. Das hat doch mit realem Sprachgebrauch und Authentizität nichts mehr zu tun. Und überhaupt: Wo bleiben denn da Spielräume? B: Ich muss dir ehrlich sagen, dass mir das nicht so wichtig ist. Ich bin genug ausgelastet, so dass es mir sehr recht ist, dass mir das Lehrwerk meine unterrichtliche Vorbereitung erleichtert. Und wenn ich ein Buch erst einmal durchgearbeitet habe, geht es nächstes Jahr noch schneller. A: Aber du musst doch trotz allem deinen Unterricht vorbereiten, du hast doch jedes Jahr andere Schüler vor dir sitzen. Außerdem will man doch auch ’mal methodisch variieren. B: Ich habe doch das Lehrerhandbuch. Da steht doch alles drin. A: Hast du denn keinen Ansporn, dich weiterzuentwickeln? Mich engt das Lehrwerk irgendwie ein. Außerdem kann es doch neue didaktische Erkenntnisse nicht aufgreifen. B: Aber du musst doch zugeben, dass der Einsatz des Lehrwerks dazu beitragen kann, dass alle Schüler auf die so wichtigen zentralen Prüfungen vorbereitet werden. Wenn alle mit einem Lehrwerk arbeiten, sind alle auf dem gleichen Stand. Das muss doch so sein, weil die Kultusbehörde die Lehrwerke genehmigt. Außerdem bietet es Schülern und Eltern eine gewisse Orientierung. Wie dieser kleine Dialog bereits erkennen lässt, werden die Vor- und Nachteile der Verwendung von Englischlehrwerken in der Alltagspraxis durchaus kontrovers diskutiert. Vor dem Hintergrund meiner persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen als Englischlehrer würde ich die Fragen und Probleme, die sich aus dem alltäglichen Umgang mit dem Englischlehrwerk ergeben, wie folgt zusammenfassen 1 : Vorteile Nachteile Planungssicherheit für Lehrer didaktisierte Struktur Sicherheit auf den Grundlagen administrativer Vorgaben verfasst Orientierung für Schüler/ Eltern fehlende Berücksichtigung aktueller didaktischer Entwicklungen Einschränkung der persönlichen Entfaltung der Lehrer und der Schüler inhaltliche Einengung oftmals fehlende Orientierung an den 1 Zu weiteren Ausführungen hierzu sei u.a. auf R AUCH [et al.] (1997); K URTZ (2001); L EUPOLD (2002: 193 ff); L EUPOLD (2006); S ARTER (2006: 31 f); H ASS (2006: 242 ff); N EUNER (2007); G RÜNEWALD / K ÜSTER (2009: 146-151); D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER (2010: 93 ff); K OENIG (2010); G EHRING (2010: 201 f) und N IEWELER (2010: 175 f) verwiesen. 122 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 Erleichterung der Unterrichtsplanung Garantie der Vergleichbarkeit von Abschlüssen Umsetzung neuerer didaktischer Ansätze (inhaltlichen) Interessen der Schüler zeitintensive Materialbeschaffung und Materialaufbereitung fehlende Authentizität fehlende Orientierung an der sprachlichen Realität 2. Zum Stand der Forschung Obwohl das Schülerbuch als Kern des Englischlehrwerks nach wie vor das am meisten benutzte Medium im Englischunterricht ist, wird seine tatsächliche Nutzung in der englischdidaktischen Forschung kaum zum Unterrichtsgegenstand gemacht (vgl. hierzu weiterführend K URTZ 2010; R EZAT 2010). So zeigt ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse der neueren fremdsprachendidaktischen Handbücher beispielsweise, dass zwar das Stichwort ‚Lehrwerk‘ oder ‚Lehrbuch‘, nicht aber das Stichwort ‚Lehrwerknutzung‘ oder ‚Lehrwerkverwendung‘ vorkommt (vgl. hierzu D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER (2010); S URKAMP (2010); G EHRING (2010); H ALLET / K ÖNIGS (2010); B ACH / T IMM (2009); B AUSCH [et al.] (2007), J UNG (2006) und H ASS (2006)). Wenn sich fremdsprachendidaktische bzw. englischdidaktische Publikationen mit dem Thema Lehrwerk befassen, so handelt es sich meistens um Lehrwerkanalysen, die auf einen bestimmten Aspekt hin ausgerichtet sind. Exemplarisch sei hier auf K IFFE (1999) verwiesen, die Englischlehrwerke in Bezug auf Landeskunde und interkulturelles Lernen analysiert. Es ist darüber hinaus bezeichnend, dass Lehrwerkanalysen, so sie denn vorliegen, meistens auf einer eher theoretisch-abstrakten Ebene durchgeführt werden. Damit soll die Nützlichkeit dieser Lehrwerkanalysen keinesfalls in Abrede gestellt werden, allerdings fehlt ihnen meines Erachtens als zentrales Element der Blick aus der und für die Unterrichtspraxis. Ein einfacher Vergleich soll dies verdeutlichen: Ich kann viel über ein neues Auto lernen (z. B. Ausstattung, Motorleistung, Benzinverbrauch), ich kann es mir ansehen und mich hineinsetzen, selbst eine Probefahrt ist möglich. Ein profundes Urteil über das Auto kann ich mir allerdings erst dann erlauben, wenn ich das Auto über einen längeren Zeitraum gefahren habe, und dies unter verschiedenen Bedingungen. Erst dann weiß ich, ob das Auto für meine Bedürfnisse geschaffen ist. So verhält es sich auch mit der Verwendung von Lehrwerken: Probleme mit dem Wortschatz, mit Übungen, mit Texten oder dem Begleitmaterial sind erst dann erkennbar, wenn mit einem Lehrwerk intensiv und über einige Jahre hinweg gearbeitet worden ist. So stellt R EZAT (2010: 13) fest: „Alle Analysen, die das Schulbuch unabhängig von seiner Nutzung betrachten, können nur Potenziale des Buches aufzeigen. Über die tatsächliche Rolle des Schulbuches im Unterricht, über seine Verwendung durch Lehrer und Schüler, über die Realisierung seiner Potentiale kann keine Aussage gemacht werden“. Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 123 40 (2011) • Heft 2 3. Eine nicht-repräsentative Schüler- und Lehrerbefragung Das Lehrwerk spielt ohne jeden Zweifel eine zentrale Rolle im Schulunterricht. Es gibt meines Erachtens kein Unterrichtsfach, für das es kein Lehrwerk gibt. Deshalb ist es sehr wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie Schüler und Lehrer das von ihnen benutzte Lehrwerk bewerten und wie es im Einzelnen konkret zum Einsatz kommt. Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer informellen Schüler- und Lehrerbefragung zur Qualität und tatsächlichen Verwendung von Englischlehrwerken dargestellt und diskutiert werden. 3.1 Der Erhebungskontext An der Schülerbefragung nahmen insgesamt 210 Schüler der Jahrgangsstufen 7-9 eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen teil. Für die Lehrerbefragung wurden Fragebögen an die Fremdsprachenlehrer zweier Gymnasien in NRW ausgegeben. Von 36 Fragebögen wurden 20 zur Auswertung zurückgeschickt. 2 3.2 Die Kernaspekte der Befragung 3.2.1 Der Schülerfragebogen Der verwendete Schülerfragebogen besteht aus mehreren Teilen. Im ersten Teil sollen die Schüler einschätzen, wie oft bestimmte Elemente des Lehrwerks im Englischunterricht eingesetzt werden. Im zweiten Teil werden sie gebeten, ihre Wünsche bezüglich der Verwendung von Materialien des Lehrwerks mitzuteilen. Im dritten Teil werden sie aufgefordert darzulegen, wie sie das Lehrwerk nutzen. Daran anschließend sollen sie die Lehrwerktexte und das Übungsmaterial im Schülerbuch sowie das das Schülerbuch begleitende workbook anhand von vorgegebenen Aussagen bewerten. Abschließend werden die Schüler gebeten, den grammatischen Anhang bzw. das grammatische Beiheft sowie den Wortschatzteil ihres Schülerbuches zu bewerten. 3.2.2 Der Lehrerfragebogen Die Englischlehrer werden in der Befragung in einem ersten Teil gebeten, die Notwendigkeit vorgegebener Lehrwerkelemente zu beurteilen. Anschließend sollen sie über ihre Zufriedenheit mit ihrem Lehrwerk Auskunft geben, verbunden mit einer persönlichen Stellungnahme zu einem möglichen Optimierungsbedarf. In einem dritten Teil werden sie aufgefordert, begründend auszuführen, ob sie sich eine Arbeit ohne ein Lehrwerk vorstellen können. Ein vierter Bereich fordert die Englischlehrer zu der Einschätzung auf, ob das Lehrwerk, mit dem sie aktuell im Englischunterricht arbeiten, neue(re) (fach-)didaktische und schulpolitische Konzeptionen aufgenommen hat. 2 In persönlichen Gesprächen haben mir viele Lehrer mitgeteilt, dass sie aus zeitlichen Gründen nicht an der Befragung teilnehmen können. 124 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 Abschließend werden die Lehrpersonen gebeten, ihre Vorstellungen zu einem guten Lehrwerk und zu einem guten Lehrerhandbuch darzulegen. 3.3 Ergebnisse der Schülerbefragung In Bezug auf die Verwendung der einzelnen Teile des Lehrwerks geben die befragten Schüler mit deutlicher Mehrheit an, dass das Schülerbuch das zentrale Element des Lehrwerks ist. So kommt es nach Angabe der Schüler (78,5%) in jeder Stunde bzw. „oft, aber nicht in jeder Stunde“ (21,4%) zum Einsatz. Darüber hinaus wird auch das eher herkömmliche workbook mit hoher Frequenz im Unterricht eingesetzt: 46,6% der Schüler geben an, dass es „oft, aber nicht jede Stunde“ eingesetzt wird, während 49,5% den unterrichtlichen Einsatz mit „manchmal“ angeben. Im Bereich des Hör- und Sehverstehens zeichnet sich ein etwas anderes Bild. So geben 61,4% der befragten Schüler an, dass DVDs oder anderes Filmmaterial „nie“ im Unterricht eingesetzt werden, während 38,5% deren Einsatz mit „manchmal“ einschätzen. Auch der Einsatz der die Schülerbücher begleitenden CDs ist gering. Während knapp ein Drittel der Schüler der Auffassung ist, dass Hörverstehensmaterial zwar nicht in jeder Stunde, aber „oft“ eingesetzt werden, sind knapp zwei Drittel der Auffassung, dass solche Materialen nur „manchmal“ zum Einsatz kommen. Die traditionellen OHP-Folien werden nach Angaben der Schüler ebenfalls nicht regelmäßig eingesetzt. Während für 28,0% dieses Medium „oft“ Verwendung findet, geben 61,4% der befragten Schüler an, dass nur „manchmal“ mit ihnen gearbeitet wird. Ergänzende und weniger gebräuchliche Materialen, wie z.B. die das Schülerbuch begleitenden Vokabeltrainer, werden nach Angaben der befragten Schüler (74,2%) „nie“ im Unterricht eingesetzt. Auch der Klassenarbeitstrainer, den viele Verlage als Ergänzung zum Schülerbuch anbieten und der den Schülern zur Vorbereitung der Klassenarbeit zusätzliche Übungen, die auf das Vokabular, die Grammatik und die Inhalte der jeweiligen Lektion abgestimmt sind, zur Verfügung stellt, wird eher sparsam im Unterricht eingesetzt, denn 33,3% der befragten Schüler geben an, dass er „manchmal“ benutzt wird, während 61,4% keine unterrichtliche Verwendung sehen. Insgesamt macht die Befragung deutlich, dass Materialien, die zum individualisierten Arbeiten anleiten sollen, nur wenig eingesetzt werden. So geben 94,6% der befragten Schüler an, dass Freiarbeitsmaterialien, die mittlerweile in jedem Lehrwerkspaket der verschiedenen Verlage zu finden sind, nicht im Unterricht eingesetzt werden. Der Einsatz von zusätzlichen Kopiervorlagen ist hingegen ziemlich hoch. 36,6% geben an, dass diese Materialien „oft, aber nicht in jeder Stunde“ eingesetzt werden. Allerdings lässt sich nicht genau feststellen, ob es sich wirklich um die vom Lehrwerk angebotenen oder von den jeweiligen Lehrern selbstgestalteten Materialien handelt. Unterrichtsmaterial für das Whiteboard, das mittlerweile zum Standardprogramm der Lehrwerkverlage gehört, wird nach Angaben der befragten Schüler (94,2%) nicht für das unterrichtliche Arbeiten genutzt. Das workbook steht ganz oben auf der Wunschliste der Schüler, wenn es um ergänzende Materialien geht. 85,2% wünschen sich den unterrichtlichen Einsatz und be- Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 125 40 (2011) • Heft 2 gründen dies u.a. mit seinem Nutzen („weil es viel bringt“, „gute Übungen“, „weil es nützlich zum Lernen ist“), der Verständlichkeit der Aufgabenstellung („weil ich die Aufgaben dort gut verstehe“, „gut gestellte Aufgaben“), der Qualität der Aufgaben („gute Übungen“) oder der Möglichkeit selbständigen Arbeitens („weil man dann eigenständig Aufgaben machen kann“). 3 Die Befragung macht aber auch deutlich, dass insbesondere Materialien, die nach Angaben der Schüler nur unregelmäßig verwendet werden, von Schülern gewünscht werden. So geben 62,8% der Schüler an, sie wünschten sich den Einsatz von Hörverstehensmaterialien, und sogar 81,4% sprechen sich für den Einsatz von Filmmaterialien aus. Auch der Einsatz des Klassenarbeitstrainers steht weit oben auf der Wunschliste der Schüler. Neben dem Klassenarbeitstrainer werden aber auch der Einsatz der OHP-Folien und zusätzlicher Kopiervorlagen von den Schülern gewünscht, während fast die Hälfte der Schüler auf den Einsatz ergänzender Fördermaterialien bzw. Freiarbeitsmaterialien verzichten kann. Dem Einsatz von Vokabeltrainern stehen die befragten Schüler ebenfalls eher ablehnend gegenüber. Mehr als die Hälfte spricht sich gegen eine unterrichtliche Verwendung aus. Ebenfalls abgelehnt werden von Schülern die Materialien für das Whiteboard (50,4%). Mit Bezug auf die individuelle Nutzung des Schülerbuches gibt eine deutliche Mehrheit der Schüler (83,3%) an, das Schülerbuch nur in dem Maße zu nutzen, wie es von den Lehrern vorgegeben wird, nämlich in der konkreten unterrichtlichen Arbeit in der Schule, zur Anfertigung der Hausaufgaben und zum Wortschatzlernen. Lediglich 16,5% der befragten Schüler geben an, dass sie auch Texte lesen, die nicht im Unterricht besprochen werden oder dass sie Übungen machen, die ihnen nicht explizit als Hausaufgabe aufgegeben wurden. Auch wenn hier die Nutzung des Schülerbuches deutlich auf den unterrichtlichen Gebrauch reduziert wird, verwenden die (befragten) Schüler ihr Buch auch als Nachschlagwerk. Fast alle Schüler nutzen das Schülerbuch zum Wortschatzlernen. 79% der Schüler greifen auf ihr Schülerbuch zurück, um eine Lösung bei vorhandenen Grammatikproblemen zu finden. Immerhin 40,7% der Schüler nutzen das Schülerbuch als Informationsquelle für bestimmte Inhalte und Themen. Was die Qualität der Lehrwerktexte betrifft, gibt fast ein Drittel der Schüler an, dass die Lehrwerktexte sie nicht ansprechen, und nur 20,9% vertreten die Auffassung, dass sie die Lehrwerktexte interessant finden. In Bezug auf das sprachliche Niveau gibt eine große Mehrheit der Schüler an, dass es „angemessen“ ist. Nur 9,5% sind der Meinung, dass die Texte sprachlich zu schwierig sind, während 3,3% das Gegenteil vertreten. Gefragt nach dem Übungsangebot, geben fast zwei Drittel der befragten Schüler an, dass es ihnen ausreicht. Nur 7,1% sind der Auffassung, dass ihnen das Schülerbuch mehr Übungen anbieten müsste. Ein Viertel der Schüler ist sich in Bezug auf das Übungsangebot nicht sicher. Was die Qualität der Übungen betrifft, so drückt ein Großteil der Schüler seine Zufriedenheit aus. 39% sind der Auffassung, dass die Übungen in einen sinnvollen Kontext eingebettet sind. 71,9% der befragten Schüler halten die Übungen für sprachlich angemessen und nur 12,3% sind der Auffassung, 3 Bei den namentlich nicht gekennzeichneten Zitaten handelt es sich um die Kommentare, die von den befragten Schülern und Englischlehrern auf den Fragebögen gegeben wurden. 126 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 dass die Übungen zu schwierig sind. Auch die Übungen in den workbooks werden insgesamt von den Schülern positiv bewertet. Für 88,5% bieten sie eine sinnvolle Ergänzung zu den Übungen im Schülerbuch, während nur 7,6% der befragten Schüler die Auffassung vertreten, dass die Übungen überflüssig sind. Allerdings geben viele Schüler als Grund für die positive Bewertung an, dass „man da oft nur etwas einfüllen muss“ und „das nicht viel geschrieben werden muss“. Insgesamt machen die befragten Schüler deutlich, dass sie mit Blick auf (spätere) Verwendungssituationen der Fremdsprache durchaus Vertrauen in ihr Schülerbuch haben. Fast die Hälfte der befragten Schüler gibt an, dass die Lehrwerktexte sie darauf vorbereiten, Gespräche in der Fremdsprache zu führen. Auch die Übungen im Schülerbuch und in den workbooks tragen nach Auffassung der Schüler dazu bei, Gespräche in der Fremdsprache führen zu können. Ähnlich sieht es in Bezug auf die Vorbereitung auf das Verfassen von Texten aus. Auch hier glaubt ein Großteil der befragten Schüler, dass ihnen die Lehrwerktexte und die Übungen eine sinnvolle Vorbereitung bieten. Noch deutlicher fällt das Votum der Schüler in Bezug auf die Vorbereitung des Verstehens fremdsprachlicher Texte und Gespräche aus. Während 70,9% glauben, dass die Lehrwerktexte dazu einen Beitrag leisten können, geben 60,9% an, dass die Übungen im Schülerbuch dazu geeignet sind. Ein Drittel der Schüler glaubt auch, dass es durch die Übungen in den workbooks darauf vorzubereitet wird, Texte und Gespräche in der Fremdsprache zu verstehen. Was die Bewertung der grammatischen Anhänge bzw. grammatischen Beihefte betrifft, geben 82,3% der befragten Schüler an, dass ihnen die grammatischen Anhänge bzw. grammatischen Beihefte als Lernhilfe dienen und dazu beitragen, dass sie den vermittelten Grammatikstoff besser verstehen. 83,3% der befragten Schüler votieren dafür, die Grammatikerläuterungen auf Deutsch zu verfassen. Nur 15,7% wünschen sich die Erklärungen in der Fremdsprache, während 10,4% ihre Gleichgültigkeit bezüglich der verwendeten Sprache ausdrücken. Die Wichtigkeit der deutschen Sprache im Lernprozess der Schüler machen 97,1% noch einmal deutlich, wenn sie sich dafür aussprechen, dass auch die deutsche Übersetzung der neuen Wörter im Wortschatzverzeichnis angegeben wird. Die Befragung hat allerdings auch gezeigt, dass sich die Schüler des Vorteils eines kontextuellen Wortschatzlernens noch nicht bewusst sind. So geben über die Hälfte der befragten Schüler an, dass sie es als „überflüssig“ empfinden, dass das Wortschatzverzeichnis in ihrem Schülerbuch zu jedem neuen Wort einen Beispielsatz anbietet. 3.4 Ergebnisse der Lehrerbefragung Den großen Stellenwert des Schülerbuches macht auch das Ergebnis der Lehrerbefragung deutlich. 95% der befragten Lehrer halten den Einsatz des Schülerbuches für „zwingend notwendig“. Dies trifft auch auf die unterrichtliche Verwendung des workbook zu. Im Gegensatz zu den befragten Schülern erachten die Lehrer den Einsatz von Hörmaterialien als relevant, wobei sie „ein Defizit beim Hörverstehen“ feststellen, da „es noch keine überzeugende Aufgabenstellungen und Materialien“ gibt. Es wird Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 127 40 (2011) • Heft 2 moniert, dass „die Möglichkeit des Hörens fast nur in Zusammenhang mit der Einführung von Lesetexten angeboten wird“. Die Hälfte der befragten Lehrer vertritt auch die Auffassung, dass der Einsatz von DVDs/ Filmmaterial „(zwingend) notwendig“ sei. Auch die Lehrwerkteile „Vokabeltrainer, OHP-Folien, Klassenarbeitstrainer“ und „ergänzende Fördermaterialien“ werden von den Lehrern als wichtig eingestuft, obwohl die befragten Schüler die Auffassung vertreten, dass diese Materialien weniger zum Einsatz kommen. Übereinstimmend mit den Schülerergebnissen sprechen sich die Lehrer gegen den Einsatz von Unterrichtsmaterialien für das Whiteboard aus, wobei 60% diese als „überflüssig“ bewerten. Ebenso werden die von den neueren Lehrwerken angebotenen digitalen Unterrichtsplaner als „überflüssig“ charakterisiert. Für einen Großteil der befragten Englischlehrer ist das Lehrerhandbuch wichtig, was sich in den Bemerkungen der Lehrer auf die Bitte, den Satz „Ein guter Lehrerband sollte...“ zu ergänzen, zeigt. Der Wunsch nach „einem wirklichen Mehrwert“ konkretisiert sich in der Forderung nach „hilfreichen methodischen Vorschlägen zur Unterrichtsvorbereitung“, „Lösungen für die Aufgaben im Schülerbuch“, den Ausweis an „Differenzierungsmöglichkeiten“, „Zusatzangeboten“, „Lektürehinweisen“, „Hintergrundinformationen“ sowie „Ideen für eine motivierende Text- und Grammatikeinführung“. Den Aspekt des Mehrwertes lässt auch das Befragungsergebnis hinsichtlich der Notwendigkeit von „Vorschlägen für Klassenarbeiten“ erkennen. 70% der befragten Lehrer sehen hier eine „(zwingende) Notwendigkeit“, während 30% das Material für „wünschenswert“ erachten. Mit 60% ist die Zahl derer, die Klassenarbeitstrainer nur als „wünschenswert“ erachten, relativ hoch. 80% der befragten Englischlehrer erachten die von den Verlagen angebotenen Freiarbeitsmaterialien als „überflüssig“. Hinsichtlich einer Zufriedenheit der befragten Lehrer mit dem Lehrwerk ist festzuhalten, dass nur 5% „sehr“ zufrieden sind. Lediglich 20% sind mit ihrem verwendeten Lehrwerk zufrieden. Ihre Zufriedenheit begründen sie damit, dass es „abwechslungsreich“ ist, „ein vielseitiges Übungsmaterial bietet“, „die Grammatik in einem meist sinnvollen Kontext darstellt“ und „alle Kompetenzen angemessen berücksichtigt“. Diese positiven Wertungen kann ein Großteil der befragten Lehrer nicht teilen. Es gibt zwar keinen Lehrer, der gänzlich mit seinem Lehrwerk unzufrieden ist, allerdings kritisieren 70% der befragten Englischlehrer ihr Lehrwerk, indem sie es als nur „weniger“ zufriedenstellend bewerten, was sie mit den folgenden Aspekten begründen: die Kürze der Texte ein fehlender roter Faden, der die jeweilige Lektion verbindet ein fehlender Bezug zur unit-übergreifenden Thematik von längeren Texten ein unübersichtlicher, verschachtelter, unübersichtlicher Aufbau ein fehlendes Angebot von Übungen zur Grammatik eine nicht mehr zeitgemäße, zum Teil langweilige, konstruierte und nicht an den Schülerinteressen orientierte Textauswahl eine unrealistische und wenig zielführende Arbeit mit dem Portfolio und Selbsteinschätzungstests 128 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 nicht realisierbare didaktische Ansätze, z. B. ist selbstentdeckendes Lernen bei der Einführung von Grammatikstrukturen nur schwer durchführbar, da die neu einzuführenden Strukturen sehr begrenzt in den zu bearbeitenden Texten vorhanden sind. Die befragten Englischlehrer sehen „in der didaktischen Aufbereitung“ der Lehrerwerke, „in der Grammatikdarstellung“, “im Differenzierungsangebot“, „im Übungsangebot“ und „im Begleitmaterial“ deutlichen Verbesserungsbedarf. Ein gutes Lehrwerk sollte nach Einschätzung der befragten Englischlehrer „übersichtlich“ und „nicht zu unruhig“ gestaltet sein. Auch wenn die thematische Gestaltung in den unteren Klassenstufen als „angemessen und kindgerecht“ eingestuft wird, trügen „viele kleine bunte Häppchen“ nicht dazu bei, dass Schüler mit dem Schülerbuch „zwangsläufig gerne“ arbeiten. In höheren Jahrgangsstufen werden Schüler eher mit „inhaltlich bruchstückhaften und lebensfernen Inhalten“ konfrontiert. Ein gutes Lehrwerk besteht nach Auffassung der Englischlehrer aber in der angemessenen „Orientierung an den Schülerbedürfnissen“, was durch die Forderung nach „altersrelevanten“ und „realistischen“ Themen konkretisiert wird. Allerdings wird hier die Gefahr gesehen, Themenbereiche einzubeziehen, „die sich zu eng die Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern anbiedern (facebook! )“. Englischlehrer erwarten von einem guten Lehrwerk, dass es die Schüler zum Sprechen und Scheiben anregt, und dass es alle „relevanten Kompetenzen“ berücksichtigt. Kritisiert werden „oft recht simple Übungen“ oder „überwiegend Einfüllaufgaben, die im Gegensatz zu den Aufgabenformaten stehen, die in Klassenarbeiten verpflichtend sind“. Mit Verweis auf die Nutzung von älteren Lehrwerken erkennen viele Lehrer „keine offensichtliche Kompetenzorientierung“. Zwar geben 50% der befragten Englischlehrer an, dass neue(re) (fach-)didaktische und schulpolitische Konzeptionen, wie z.B. selbstständiges Lernen, Handlungsorientierung, Differenzierung, Kompetenz- und Ergebnisorientierung in das Lehrwerk, mit dem sie zurzeit arbeiten, aufgenommen wurden, sie sind allerdings nicht in der Lage, diese konkret zu benennen. Immerhin negieren 45% der befragten Englischlehrer, dass neue(re) (fach-)didaktische und schulpolitische Konzeptionen Eingang in das Lehrwerk gefunden haben. Trotz der deutlich zum Ausdruck gebrachten Kritik können sich 90% der befragten Englischlehrer allerdings nicht vorstellen, ohne ein Lehrwerk zu arbeiten und stattdessen nur lehrwerkunabhängige Materialien, z.B. in Form von thematischen Arbeitsheften und Kopiervorlagen, einzusetzen. Dies wird u.a. durch eine zu hohe Arbeitsbelastung durch das Zusammenstellen und Kopieren der benötigten Materialien begründet („Man unterschätzt leicht den Zeitaufwand für die Lehrperson und ist dann gezwungen, mit irgendwelchen beliebigen Materialien zu ‚wursteln’“). Darüber hinaus verweisen die befragten Englischlehrer darauf, dass eine für die Schüler notwendige Orientierung verloren gehen würde („Man unterschätzt die Fähigkeit der SuS, ihr Material so sorgfältig und übersichtlich zu ordnen, so dass es ihnen Freude macht (oder überhaupt möglich ist! ), auch zurückliegende Dinge zu wiederholen. Hefter und Ordner im täglichen Gebrauch sind nie so stabil wie ein gebundenes Buch“). Auf die Nutzung eines Lehrwerks wollen die befragten Englischlehrer aber aufgrund des „Fehlens eines Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 129 40 (2011) • Heft 2 tragenden Konzepts der Sprachvermittlung“, wegen einer „Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit für Schülerinnen und Schüler“ sowie der „Erschwerung selbstgesteuerten Lernens“ nicht verzichten. Durchaus vorstellbar sind für die befragten Englischlehrer allerdings ergänzende und aktuelle Materialien wie „aktuelle Nachrichten, aktuelle Webseiten zur Recherche“ und „Aktuelles zu landeskundlichen Informationen“. 4. Analyse der Erhebungsergebnisse 4.1 Schülerurteile Die Ergebnisse der Befragung der Schüler weisen tendenziell darauf hin, dass sie durchaus kritisch ihrem Lehrwerk gegenüber eingestellt sind. Das bezieht sich mit Blick auf die Lehrbücher insbesondere auf die Inhalte der Lehrbuchtexte. Einen Großteil der befragten Schüler sprechen die Lehrbuchtexte nicht an. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Erkenntnis von D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER (2010: 93), die in Bezug auf fremdsprachliche Lehrwerke einen „Mangel an sogenannter Authentizität, an inhaltlicher Relevanz und an Differenziertheit“ ausmachen. Mit Bezug auf die Einschätzung schriftlicher Sprachkompetenz bei Schülern in der Sekundarstufe II hat B OHNENSTEFFEN (2010: 179) herausgestellt, dass Englischlehrer eher nicht die Auffassung vertreten, dass die schriftsprachliche Kompetenz ihrer Schüler ausreicht, um kommunikativen Ansprüchen zu genügen. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis der Schülerbefragung in Bezug auf den Einsatz von Klassenarbeitstrainern, die den Schülern über das Schülerbuch hinaus ein erweitertes Übungsangebot machen. Fast drei Viertel der befragten Schüler gibt an, dass Klassenarbeitstrainer nie im Unterricht verwendet werden. Zwei Drittel der befragten Schüler wünscht sich allerdings den Einsatz dieses Materials. Dieser Wunsch macht den hohen Stellenwert der Klassenarbeiten und die damit verbundene Leistungsbewertung im Zeitalter von Standard-, Kompetenz-, Output- und Testorientierung deutlich. Durch den Einsatz solcher vorbereitenden Übungen versprechen sich Schüler - verständlicherweise - eine gute Note (vgl. hierzu auch B OHNENSTEFFEN 2010: 136 ff, 230). Wenn Englischlehrer vor allem mit der schriftsprachlichen Kompetenz ihrer Oberstufenschüler unzufrieden sind, wäre zu erwarten, dass sie im Englischunterricht der Sekundarstufe I auf die Vielzahl der von den Verlagen angebotenen Zusatzübungen zurückgreifen. Der eher seltene Einsatz solcher Materialien lässt sich zum einen sicherlich damit erklären, dass ihre Anschaffung oftmals den finanziellen Rahmen der Schule oder auch der Eltern sprengt. Darüber hinaus ist aber auch denkbar, dass die in den Klassenarbeitstrainern enthaltenen Aufgaben von den Englischlehrern unmittelbar in den Klassenarbeiten eingesetzt werden. Auch der unregelmäßige Einsatz von Fördermaterialien ist erstaunlich, da die individuelle Förderung der Schüler eine zentrale Forderung schulischer Bildung in Deutschland ist. Die ablehnende Haltung der Schüler gegenüber den angebotenen Materialien und Medien zum eigenständigen Wortschatzlernen verdeutlicht einmal mehr, dass Schüler 130 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 das Wortschatzlernen als eher als lästig und daher als vernachlässigenswert einschätzen. Im Sinne der Lernerleichterung und der Förderung eigenverantwortlichen Arbeitens ist der Wunsch der Schüler, die grammatischen Erklärungen auf Deutsch anzubieten, zu sehen. Auch wenn die Verwendung der deutschen Sprache im Englischunterricht durchaus kontrovers diskutiert wird (vgl. hierzu auch B OHNENSTEFFEN 2010: 187), so lässt sich ihre Verwendung durchaus rechtfertigen, da sie als „wichtige Lernstrategie, die Schülern hilft, die Fremdsprache zu verstehen und zu produzieren“ (W ESKAMP 2008: 7) fungiert. 4.2 Lehrerurteile Nach Einschätzung der Englischlehrer ist die Nutzung eines Lehrwerks unverzichtbar. Vor allem jüngere Lerner bedürfen eines Orientierungssystems im Wortschatz- und Grammatikbereich, das nur ein Lehrwerk zu leisten im Stande ist. Die befragten Englischlehrer verweisen insbesondere auf die Problematik der Vergleichbarkeit der Schülerleistungen, vor allem vor dem Hintergrund einer Standardisierung. Dass man sich ohne die Nutzung eines Lehrwerks nicht auf ein verlässliches Niveau einer neu zu übernehmenden Lerngruppe einstellen könne, wird ebenfalls als Problem angesehen. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die Vielzahl unterschiedlicher Materialien, die die heutigen Lehrwerke der Verlage anbieten, von den befragten Englischlehrern im Unterricht nicht voll genutzt werden. Vielfach beschränkt sich der Einsatz auf die eher „traditionellen“ Lehrwerkteile wie das Schülerbuch, die workbooks, OHP-Folien und Hörmaterialien (vornehmlich Audio-CDs) (vgl. hierzu auch K URTZ 2010). Aber auch die Begleitmaterialien für die Hand des Englischlehrers werden mit Blick auf fehlende anwendbare unterrichtsmethodische Vorschläge als verbesserungswürdig eingestuft. Besonders die Anforderungen an das Lehrerhandbuch zeigen, dass von seinem Einsatz eine deutliche Arbeitsreduzierung erwartet wird und dass die von ihm „ausgehenden Anziehungskräfte, die auf die täglich unter Entscheidungs- und Handlungsdruck stehenden Lehrkräfte einwirken, [nicht] unterschätzt werden [dürfen]“ (K URTZ 2010: 154). Überraschend ist das Ergebnis der Englischlehrerbefragung in Bezug auf den Einsatz von „Vorschlägen für Klassenarbeiten“. Was deren Einsatz betrifft, zeigen sich die befragten Englischlehrer eher zurückhaltend, was darauf schließen lässt, dass sie es vorziehen, ihre Klassenarbeiten konkret auf die Bedürfnisse der Lerngruppe zu erstellen und nicht einfach die vorhandenen Materialien zu übernehmen, diese aber sicherlich gerne als Ideengeber verwenden. Erstaunlich ist auch, dass ein Großteil der befragten Englischlehrer die von den Verlagen angebotenen Freiarbeitsmaterialien als „überflüssig“ ansehen. Hier ist sicherlich immer noch die Weigerung vieler Englischlehrer zu erkennen, (unterrichtliche) Verantwortung in die Hände der Schüler zu legen (vgl. hierzu auch B OHNENSTEFFEN 2010: 236). Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 131 40 (2011) • Heft 2 Gerade im Bereich der neue(re)n Medien ist eine eher zurückhaltende Nutzung auf Seiten der Englischlehrer festzustellen. Sicherlich spielt die Unsicherheit im Gebrauch dieser Materialien eine nicht unwesentliche Rolle. Neben einer fehlenden technischen Ausstattung der Schulen erlauben die immer kleiner werdenden Budgets für die Schulen die Anschaffung solcher mitunter recht teuren Materialien nicht mehr. In Bezug auf das von den Lehrwerken zur Verfügung gestellte Übungsangebot kritisieren die befragten Englischlehrer zu Recht ein Überangebot an fill in-exercises, das die Schüler nicht angemessen auf diejenigen Aufgabenformate in Klassenarbeiten vorbereitet, die offen(er) zu gestalten sind. K IEWEG (2010: 186) unterstreicht diese von den befragten Englischlehrern formulierte Kritik und fragt zu Recht, warum „Übungsabläufe überwiegend in formalen und präkommunikativen Bereichen bei einer nicht zu verantwortenden Vielzahl an Lückenaufgaben (gap-filling exercises) angesiedelt sind und genuin kommunikative Übungen möglicherweise seltener durchgeführt werden“ (K IEWEG 2010: 186). Wenn auch viele Schüler dies positiv sehen, da sie oftmals nur etwas einfüllen müssen und sich somit nicht einem größeren Schreibaufwand ausgesetzt sehen, widersprechen solche Übungen der Funktion von sinnvollen Übungen, denn nur „Übungen, die [...] schrittweise zur freien Verwendung von Sprache hinführen und die abwechslungsreich gestaltet sind, erhöhen den Lernerfolg“ (K LIPPEL 2010: 316). Aus der Befragung der Englischlehrer lässt sich weiterhin schlussfolgern, dass viele Schulen noch mit älteren Lehrwerken arbeiten, die noch nicht auf Standard-, Kompetenz- und Ergebnisorientierung ausgerichtet sind, was die folgende Einschätzung von L EUPOLD (2006: 2) bestätigt: „Wenn man berücksichtigt, dass Lehrwerke in einem Zyklus von ca. 10 Jahren neu konzipiert werden, muss man einschränkend darauf hinweisen, dass in den Lehrwerkgenerationen neuere fachdidaktische Erkenntnisse nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ihren Niederschlag finden“ (L EUPOLD 2006: 2). Insgesamt lassen die Ergebnisse der Lehrerbefragung die vorsichtige Schlussfolgerung zu, dass die Aspekte des „Spaßmachens“ und der „Motivation“ von den befragten Englischlehrern als zentral für die Bewertung eines guten Lehrwerks gesehen werden. Mit K ÖNIGS soll aber darauf hingewiesen werden, dass Medien „Motivationsförderung nicht als gegenstandsimmanentes Merkmal“ innehaben (K ÖNIGS 2010: 166; vgl. hierzu auch D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER 2010: 98). 5. Ausblick Bei der Konzeption zukünftiger Lehrwerke wäre sicherlich wünschenswert, dass sich die Lehrwerkverlage intensiver mit den Interessen und Wünschen der Schüler und Englischlehrer auseinandersetzen. 4 4 Wenn diese mehr Berücksichtigung finden würden, hätte es meines Erachtens beispielsweise nicht dazu 132 Markus Bohnensteffen 40 (2011) • Heft 2 Darüber hinaus sollten aber auch verstärkt fachdidaktische Expertisen in die Konzeption von Lehrwerken integriert werden. 5 Einige praxisnahe, für die konkrete Unterrichtsgestaltung in Betracht zu ziehende Überlegungen finden sich in K URTZ (2010: 159 f), der immerhin acht Fragenkomplexe formuliert, die auch aus meiner Sicht bei der „Lehrwerkverwendung in der Alltagspraxis des Englischunterrichts“ von Bedeutung sind. L EUPOLD (2006: 6) plädiert in diesem Zusammenhang gleichermaßen für die Beantwortung bestimmter „Fragenkomplexe aus der pädagogischen und aus der fachdidaktischen Perspektive“. Es ist sicherlich schwierig (bzw. unmöglich), ein Lehrwerk zu entwickeln, mit dem alle Schüler und Englischlehrer gleichermaßen zufrieden sind. Die Befragungsergebnisse geben tendenziell jedoch zu erkennen, in welche Richtungen Englischlehrwerke aus der Praxisperspektive weiterentwickelt werden sollten, um ein möglichst hohes Maß an Zufriedenheit und möglichst optimale Lernergebnisse erzielen zu können. So bedarf es vor allem der Identifizierung zeitgemäßer Themen (als work-in-progress), die dem unmittelbaren Erlebnishorizont der Lernenden entsprechen. Darüber hinaus wäre die Konzeption besser differenzierender Angebote von Übungen zur Grammatik und zum Wortschatz notwendig. Ferner sollte über eine Flexibilisierung der Unterrichtsmethodik sowie eine deutliche Akzentuierung der Kompetenz- und Fertigkeitsbereiche bei den Aufgabenstellungen nachgedacht werden. Schließlich sind Untersuchungen zu arbeitserleichternden Hilfestellungen durch die Lehrermaterialien sowie empirische Erhebungen zu den Spezifika altersgerechter authentischer Sprachverwendungssituationen notwendig. 6 Literatur B ACH , Gerhard / T IMM , Johannes-Peter (Hrsg.) ( 4 2009): Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Tübingen/ Basel: Francke. B AUSCH , Karl-Richard / C HRIST , Herbert / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) ( 5 2007): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen/ Basel: Francke. B OHNENSTEFFEN , Markus (2010): Fehler-Korrektur. Lehrer- und lernerbezogene Untersuchungen zur Fehlerdidaktik im Englischunterricht der Sekundarstufe II. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang. D ECKE -C ORNILL , Helene / K ÜSTER , Lutz (2010): Fremdsprachendidaktik. Eine Einführung. Tübingen: Narr. geführt, dass sich ein 2007 erschienenes Lehrbuch für die 7. Klasse unter der für Schüler populären Lektionsüberschrift „The world of sport“ mit „Eddie the Eagle“ beschäftigt (vgl. WEISSHAAR 2007: 16 f), der seinen Ruhm 1988 (! ) weniger durch seine sportlichen Leistungen als Skispringer denn durch seine zum Teil der Lächerlichkeit preisgegebenen Persönlichkeit verdankte. Ein für die Schüler motivierender Lebensweltbezug ist anhand eines solchen Inhalts kaum möglich. 5 Der Cornelsen-Verlag hat dies bereits realisiert (vgl. hierzu V OLLSTÄDT 2003). An empirisch fundierten englischdidaktischen bzw. fremdsprachendidaktischen Überlegungen und Konzepten fehlt es gleichwohl noch immer. 6 Die aus Raumgründen hier nicht abgedruckten Fragebögen können bei Interesse über die Korrespondenzanschrift des Autors bezogen werden. Englischlehrwerke und ihre unterrichtliche Verwendung - Ergebnisse einer … Befragung 133 40 (2011) • Heft 2 G EHRING , Wolfgang ( 3 2010): Englische Fachdidaktik. Theorie, Praxis, Forschendes Lernen. Berlin: Schmidt. G RÜNEWALD , Andreas / K ÜSTER , Lutz (2009): Fachdidaktik Spanisch. Tradition - Innovation - Praxis. Seelze-Velber: Friedrich Verlag. H ALLET , Wolfgang / K ÖNIGS , Frank G. (Hrsg.) (2010): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze- Velber: Kallmeyer. H ASS , Frank (Hrsg.) (2006): Fachdidaktik Englisch. Tradition - Innovation - Praxis. Stuttgart: Klett. J UNG , Udo O. H. (Hrsg.) ( 4 2006): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang. K IEWEG , Werner (2010): „Übungsformen“. In: H ALLET / K ÖNIGS (Hrsg.), 182-186. K IFFE , Marion (1999): Landeskunde und interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht. Eine Analyse von Englischlehrwerken für die Sekundarstufe I. Aachen: Shaker. K LIPPEL , Friederike (2010): „Übung“. 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Blicken wir noch einmal zurück: Hinter der magischen Wunderformel „Fehler mal hundert geteilt durch die Anzahl der Wörter“ stand eine Bewertungspraxis, die aus der Sicht der Lehrenden zweierlei versprach: Bewertungsökonomie und juristische Absicherung. Aus der Sicht der Lernenden bedeutete sie auf der optischen Oberfläche einer schriftlichen Leistung mitunter ein Blutbad roter Tinte und ein Kerbholz an senkrechten und waagerechten Strichen am Seitenrand. Gekrönt wurde das Ganze nicht selten durch ein Zahlenwerk am Ende einer schriftlichen Arbeit, das dem einer komplexen Mathematikaufgabe nicht unähnlich war und ein apodiktisches Ergebnis, sprich: Note, ergab. Dann allerdings fing für beiden Seiten der Kampf erst richtig an. Es gab nämlich nicht nur ganze, sondern auch halbe und manchmal sogar viertel Fehler. Da wurde akribisch nachgerechnet. Aber was ist eigentlich ein Fehler? Hat nicht Lisa dasselbe Wort falsch geschrieben, dafür aber keinen Fehler bekommen, während Felix einen ganzen Fehler dafür angestrichen bekam? Und bei Tobias zählte der nur halb … Und was zählt man eigentlich als Wort? Im Französischen mit seinen ausufernden Verbindungen wie qu’est-ce que wird es linguistisch gesehen sehr spannend. Ein Fass ohne Boden! Die vermeintliche Bewertungsökonomie und juristische Sicherheit konnte zum Alptraum werden. Dabei lohnt es sich, über „Fehler“ intensiv nachzudenken, verbergen sich hinter dem Phänomen doch wichtige Informationen über die interlanguage, die Lernersprache. Fehler sind in der Regel normabweichende Sprachhypothesen, oft kreative Analogiebildungen, deren Strategien in einem modernen Konzept von Sprachlernkompetenz explizit werden sollten. Warum habe ich ein Wort/ einen Satz/ einen Text so gebildet? Inwiefern weicht er von der Norm ab? Mit welchen Mitteln kann ich die Abweichung selbst feststellen? Was sagt mir die Abweichung über meinen Lernstand? Welche Ziele stecke ich mir als nächstes? Genau genommen ist der Autor gerade dabei, für die Aufwertung von Fehlern zu plädieren, allerdings nicht als Instrument der externen Evaluation, z. B. für die Notenfindung, sondern vielmehr im Hinblick auf die Förderung von Sprachbewusstheit und Sprach(en)lernkompetenz. Hier ist lern- und unterrichtsmethodisch gesehen ihr Platz, hier ist ein Ansatzpunkt auch für Selbst- und Peerevaluation, die zu einer vertieften Sprach- und Lernreflexion führen können. Fazit: Wertet Fehler auf, aber lasst sie aus der Bewertung raus. Fehler gehören in ein kompetenzorientiertes positives Förderkonzept. Fehler sind die Basis zum Weiterlernen. Berlin B ERND T ESCH Pro und Contra 135 40 (2011) • Heft 2 Es ist kein Ziel von modernem Fremdsprachenunterricht, native speakers ‚auszubilden‘. Nach heutigem Verständnis besteht ein wichtiges Ziel von Fremdsprachenlernen vielmehr im Erreichen einer interkulturellen Kommunikationsfähigkeit, was u. a. auch dazu führt, den Stellenwert des Fehlers neu zu denken. Welchen Beitrag könnte die Herausnahme sprachlicher Fehler aus der Bewertung dazu leisten? Insgesamt lässt sich feststellen, dass Fehler als notwendige Elemente des Fremdsprachenerwerbsprozesses and folglich als Lernfortschritte auf dem Weg zu fremdsprachlichen Handlungskompetenz angesehen werden. Im Laufe der letzten sechzig Jahre hat sich die Einstellung zu sprachlichen Fehlern zum Positiven gewandelt. Dennoch muss die im Titel stehende Frage mit einem deutlichen NEIN beantwortet werden. Man kann sprachliche Fehler trotz sinnvoller didaktischer Begründungen nicht vollständig aus der Bewertung herausnehmen, weil schulischer Fremdsprachenunterricht immer mit Leistungsbewertung einhergeht. Amtliche Vorgaben sehen die Bewertung der sprachlichen Leistungen vor, zu der u. a. auch die Bewertung der sprachlichen Richtigkeit zählt. Es wäre geradezu kontraproduktiv, sprachliche Fehler nicht in die Bewertung zu nehmen. Wer würde denn über Fehler nachdenken und sie - im optimalen Fall - als Chance zum Weiterlernen nutzen, wenn sie keine Bedeutung mehr hätten? Es ist wohl eher eine Binsenweisheit zu glauben, dass eine Bewertung ohne sprachliche Fehler Lerner motivieren und sie in ihren Lernfortschritten fördern würde. Es lässt sich leicht vorstellen, wie es aussehen würde, wenn sprachliche Fehler nicht mehr Bestandteil der Bewertung wären. Sprachliche Willkür wäre die Folge, und ihr die Tür zu öffnen würde bedeuten, die sprachliche Norm und die sprachlichen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache nicht mehr zu respektieren, was auch nahe legen würde, seinen Sprachanwendern den notwendigen Respekt und die notwendige Höflichkeit zu verwehren. Eine Sprachproduktion ist gekennzeichnet durch die Wechselwirkung von Inhalt und Form. Nur durch das Zusammenspiel von Inhalt und Sprache kann eine Kommunikation funktionieren. Es kommt niemand auf die Idee, inhaltliche Aspekte aus der Bewertung herauszunehmen. Dies geschieht nicht ohne plausiblen Grund: ohne Inhalt bleibt Sprache bedeutungslos. Ohne ein gewisses Maß an sprachlicher Richtigkeit kann aber auch kein Inhalt angemessen vermittelt werden. Dies trifft besonders für die schriftliche Kommunikation zu, für die die formale Richtigkeit eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Es liegen Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die belegen, dass sowohl die befragten Schüler als auch die Englischlehrer durchaus dafür plädieren, Englischklausuren nach Möglichkeit fehlerlos zu verfassen. Die befragten Englischlehrer sprechen sich aber dafür aus, mit Fehlern tolerant umzugehen. Fazit: Es kann also nicht um die Frage gehen, ob sprachliche Fehler aus der Bewertung zu nehmen sind. Die sprachliche Korrektheit sollte nach wie vor ein - nicht das (! ) - Qualitätsmerkmal sprachlicher Kommunikation sein. Es muss daher vielmehr darum gehen, wie mit sprachlichen Fehlern umgegangen wird. Paderborn M ARKUS B OHNENSTEFFEN © 2011 Narr Francke Attempto Verlag 40 (2011) • Heft 2 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Olaf J ÄKEL : The Flensburg English Classroom Corpus (FLECC). Flensburg: Flensburg University Press 2010 (Flensburg Linguistics: Applied and Interdisciplinary Research; Band 3), 237 Seiten [15,50 €] Das in Buchform vorgelegte, mehr als 56.000 Wörter starke FLECC-Korpus ist eine Transkript- Sammlung von Schulstunden im Fach Englisch, die von Lehramtsstudierenden im Rahmen von Blockpraktikumsveranstaltungen in der Lehrerausbildung an norddeutschen Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen gehalten wurden. Der Fokus bei Auswahl und Annotation der Materialien liegt nicht notwendigerweise auf der Erfassung von Lernersprache, sondern auf der Repräsentation von Unterrichtsvorgängen und der Interaktion von Lehrern und Schülern sowie der (sprachlichen und didaktischen) Beschreibung des Lehrerverhaltens. Insgesamt werden 39 Unterrichtsstunden repräsentiert. Hierbei sind die dritte und vierte Klasse (Klassenstufen, nicht Jahre an Englischunterricht) durch elf Transkripte (74 Seiten), die fünfte Klasse durch zehn Transkripte (52 Seiten), die sechste und siebte Klasse sowie die achte bis zehnte Klasse durch jeweils neun Transkripte (46 Seiten bzw. 36 Seiten) vertreten. Diesem Transkriptionsteil schließt sich ein kurzes Kapitel an, das einige Fragestellungen (mitsamt Literaturhinweisen) skizziert, die mithilfe des FLECC untersucht werden können. Die Transkriptionen basieren überwiegend auf einfacher Schriftsprache, um sie somit dem Lesenden intuitiv, ohne Kenntnis elaborierterer Transkriptionssysteme (etwa phonemische oder phonetische Transkription), zugänglich zu machen. Einige weitere Merkmale der Transkription werden exemplarisch an Beispiel (1) verdeutlicht: (1) 37 L: What is thick? Maybe somebody knows? 38 S: Heißt das nicht ‘dick’? 39 L: Ya, ‘dicht‘. In a thick jungle you can’t see through the trees. 40 [Tafel: thick = dicht] 41 9: 43 42 S: Darned? 43 L: Okay. This is a word you shouldn’t really use. 44 It’s the nicer form of ‘damn’. 45 S: [kni: z] 46 L: Knees. Don’t pronounce the ‘K’. (204-205) Wie aus dem obigen Beispiel ersichtlich, sind die Transkripte mit einigen Metakommentaren versehen wie zum Beispiel Zeilennummerierung, ‚Sprecheridentität‘ und (sporadisch eingefügte) Zeitangaben. Besondere Funktionen kommen den eckigen Klammern zu. Hier werden zum einen „kurze Beschreibungen des außersprachlichen Handlungskontexts von Lehrenden und Lernenden gegeben, die für das Verständnis des Unterrichtsgeschehens erforderlich sind, in selteneren Fällen auch wertende Kommentare“ (10). Zum anderen dienen die eckigen Klammern der Wiedergabe von auffälligen Fehlaussprachen in phonemischer Umschrift („L: Please [re s] your hand! “ 198). Darüber hinaus werden durch sie Auslassungen, akustisch Unverständliches und auffällige Pausen wiedergegeben. Eine weitere Art des Metakommentars ist die durchgängige Großschreibung von Worten zur Markierung besonders starker Betonung wie zum Beispiel „He WANTS to steal? Or DID he steal? “ (55). Nach Aussage des Autors dient das vorliegende Korpus hauptsächlich der „Hochschullehre im Rahmen der Ausbildung von Englischlehrerinnen und -lehrern“ (10). Es soll die Möglichkeit Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 40 (2011) • Heft 2 bieten, „die deskriptive Leistungsfähigkeit theoretischer Modelle aus linguistischer Pragmatik, Sprechakttheorie sowie Konversations- und Diskursanalyse am authentischen Material und unter ganz berufspraktischer Perspektive ebenso [zu] erproben, wie die eigene Analyse- und Beurteilungskompetenz der Abläufe im Englischunterricht“ (10). Diesen Anspruch löst die vorliegende Publikation meines Erachtens weitestgehend ein. So bieten sich zum Beispiel vielfältige Möglichkeiten zur Analyse der Unterrichtsvorgänge. Auf globaler Ebene geben die vorliegenden Daten Einblick in die Gesamtorganisation von Unterrichtsstunden und größeren Unterrichtsphasen innerhalb einer Sitzung: Wie etwa werden die Schülerinnen und Schüler begrüßt, wie werden Arbeitsaufträge erteilt, wie werden Ergebnisse gesichert, wie wird der Unterricht beendet? Auf lokaler Ebene bieten die Daten u.a. Einblicke in die spezifischen Charakteristika von Sprecherwechseln im Unterrichtskontext, etwa die Abfolge von teacher initiation - student response - teacher feedback, wie sie in Beispiel (1; Zeilen 37-40) illustriert wird. Darüber hinaus gibt das Korpus einen Eindruck von typischen Schülerfehlern, illustriert aber auch, wie die studentische Lehrperson (oder auch andere Schüler) mit diesen Fehlern umgehen und inwieweit Korrekturen überhaupt von Schülern wahr- und angenommen werden - meines Erachtens eine der interessantesten Informationen, die sich aus dem Korpus herauslesen lassen. (2) 28 L: Stop! What happens first? 29 S: The boy bump into Tori. 30 L: He, she, it …! 31 S: The boy bump into Tori. 32 L: He, she, it …! 33 Wallet - I don’t remember. What was wallet? (197) Neben den eigentlichen Unterrichtsgesprächen gibt der Autor auch Beschreibungen des nichtsprachlichen Lehrer- und Schülerverhaltens. Hierdurch wird dem Leser die Möglichkeit gegeben, über ganz allgemeine methodisch-didaktische Aspekte des (Englisch-)Unterrichts zu reflektieren, etwa Gründe für das Entstehen von Unruhe im Klassenzimmer oder die (nicht-)professionelle Verwendung von Medien im Unterricht. In Einzelfällen sind diese Beschreibungen sehr stark wertend und zeigen einen Sprachgebrauch, der der Textsorte nicht immer angemessen ist. So kommentiert der Autor zum Beispiel an einer Stelle: „L macht sich am OHP zu schaffen, der seit Beginn eingeschaltet war. L schiebt eine Folie vom Londoner U-Bahn-Netz hin und her, hoffnungslos, da die Projektionsfläche an der Wand recht klein ist; auf die Idee, den Abstand des OHP zu verändern, kommt sie nicht“ (182f.). An anderen Stellen wird das Abspielen eines Musikstücks als „irre laut“ (172) oder das Vorlesen der Lehrperson mit „nicht eben langsamer und ähnlich tonlos“ (149) beschrieben. Eine Schwäche des Korpus liegt meines Erachtens darin, dass gelegentlich der Anteil an eckigen Klammern sehr hoch ist. Aus diesem Grund ist es manchmal nur bedingt möglich, einen Eindruck von den Redeanteilen von Lehrpersonen bzw. Schülerinnen und Schülern zu gewinnen. Auch wird es dadurch schwierig, dem Rat des Autors zu folgen und zu versuchen, „sich anhand der Transkripte das Geschehen in einer realen Schulklasse vorzustellen“ (12). In wenigen Fällen ist die Anzahl an eckigen Klammern so hoch, dass eine Analyse des vorliegenden Materials nicht mehr möglich erscheint, wie in Beispiel (3) illustriert wird. Solche Passagen sind im vorliegenden Material glücklicherweise selten. (3) 107 S: And tea help him. 108 L: Helps him. 109 […] 110 L: So why did he feel better? 111 […] 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 40 (2011) • Heft 2 112 L: Was that immediately? 113 […] 114 L: Okay, thank you. - Carol Baker? (210) Ganz allgemein wäre es sinnvoll gewesen, die Systematik hinter dem Erfassen, der Auswahl und der Annotation der Materialien transparent zu machen: so wird zum Beispiel nicht deutlich, warum manche Textpassagen ausgelassen bzw. umschrieben werden. Mitunter werden vorgelesene Schülertexte vollständig wiedergegeben (zum Beispiel Seite 182), in anderen Fällen werden sie gekürzt („Der Beitrag geht noch einige Sätze weiter, in ganz erstaunlich gutem Englisch.“ 201) oder es wird nur auf sie verwiesen („Dritte Gruppe liest vor, zwei Mädchen, derb deutsche Intonation.“ 203). In ähnlicher Weise bleibt die Gewichtung der verschiedenen Altersgruppen unmotiviert. Zwar werden alle Altersstufen durch eine ähnliche Zahl von Transkripten repräsentiert, es zeigt sich aber eine deutliche Überrepräsentation jüngerer Lernergruppen. So sind zum Beispiel die Klassen 3-4 mit der doppelten Anzahl an Seiten vertreten wie die Klassen 8-10 (74 und 36 Seiten). Die gymnasiale Oberstufe ist überhaupt nicht erfasst. Zur abschließenden Bewertung ist zunächst festzuhalten, dass das vorliegende Korpus mit seiner Fokussierung auf Unterrichtsgespräche und -vorgänge des Mittelstufenenglischunterrichts eine Lücke in der korpuslinguistischen Landschaft füllt. Gleichzeitig sollte aber darauf hingewiesen werden, dass es sich beim FLECC nicht um ein Lernersprachekorpus im Sinne eines ICLE oder LINDSEI handelt. Zur quantitativen Analyse von Lernersprache ist das FLECC meines Erachtens nur sehr bedingt geeignet (und soll es vielleicht auch gar nicht sein). Den eingangs zitierten Hauptzweck „der Verwendung für die Hochschullehre im Rahmen der Ausbildung von Englischlehrerinnen und -lehrern“ (10) hingegen erfüllt die vorliegende Publikation. Das Korpus gibt einen guten Einblick in die Unterrichtsrealität, es illustriert verschiedene Fehlertypen und zeigt Beispiele eines adäquaten (und auch eines inadäquaten) Umgangs mit ihnen. Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass sämtliche Unterrichtsstunden von Lehramtsstudierenden des Schulfaches Englisch im Hauptstudium durchgeführt wurden. Wünschenswert, gerade im Sinne eines (auch vom Autor angesprochenen) Consciousness Raising, wäre die Möglichkeit eines Vergleichs von sich in der Ausbildung befindlichen und fertig ausgebildeten Lehrern. Ebenso wäre eine Erweiterung des Materials auf die gymnasiale Oberstufe sinnvoll. Es ist zu hoffen, dass die in der Einleitung des Buches in Aussicht gestellte Erweiterung des Materials diese Desiderate erfüllt. Die gewählte Form der schriftlichen Repräsentation mag in mancherlei Hinsicht anderen Formen (etwa Audio- oder Videomitschnitten) unterlegen sein, sie erleichtert aber die Fokussierung auf die im eigentlichen Sinne sprachlichen Vorgänge beim Unterrichtsgeschehen. Zudem bringt sie auch unbestreitbar Vorteile für die Verwendung des Materials im universitären Unterricht, etwa den simultanen Vergleich verschiedener Teile des Korpus oder die leichtere Verwendung in Gruppenarbeiten. Dennoch wäre eine zusätzliche elektronisch recherchierbare Fassung des Korpus, eventuell mit methodischdidaktischer Annotation, wünschenswert. Ungeachtet der obigen kritischen Anmerkungen halte ich FLECC für all jene empfehlenswert, die auf der Suche nach Materialien für die Analyse und Reflexion des englischen Fremdsprachenunterrichts sind. Nicht zuletzt auch aufgrund des sehr günstigen Preises von 15,50 € und/ oder der Möglichkeit, das Korpus im PDF-Format von der Homepage des Autors herunterzuladen, kann getrost auf die hier vorgelegten Transkripte zurückgegriffen werden. Meines Erachtens ermöglicht das Korpus die Bearbeitung vielfältiger didaktisch-methodischer Fragestellungen und kann in vielerlei Art und Weise Gewinn bringend in der Ausbildung von Englischlehrkräften eingesetzt werden. Marburg R OLF K REYER Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 40 (2011) • Heft 2 Markus B OHNENSTEFFEN : Fehler-Korrektur. Lehrer- und lernerbezogene Untersuchungen zur Fehlerdidaktik im Englischunterricht der Sekundarstufe II. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2010, 306 Seiten [47,80 €; eBook: 53,19 €] Forschungen im Bereich der Fehleranalyse, Fehlererklärung, der schriftlichen und mündlichen Fehlerkorrektur und der Fehlerbewertung liegen zwar schon in hoher Zahl für unterschiedliche institutionelle und außerinstitutionelle Kontexte vor. Die Lektüre der von Markus Bohnensteffen an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig verfassten und 2010 veröffentlichten Dissertation zeigt jedoch, dass Ergebnisse solcher Forschungsarbeiten immer noch keinen hinreichenden Eingang in die Praxis des Englischunterrichts gefunden haben. Die Arbeit kann selbstverständlich nicht allein auf dieses desillusionierende Ergebnis reduziert werden; vielmehr ist es das Verdienst von Markus Bohnensteffen, die Sicht auf sprachliche Fehler und die Fehlerkorrektur zu verbinden mit der Diskussion von vermittlungsmethodischen Prinzipien wie ‚Selbstgesteuertes Lernen‘, ‚Interkulturelle Kommunikation‘, ‚Mehrsprachigkeit‘, und ‚language awareness‘ (s. insb. Kap. 5) und aus dieser Diskussion sowie aus den Ergebnissen seiner Untersuchung Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Die schulpolitische Bedeutung seiner Untersuchung konnte der Verfasser zu der Zeit, als er die Dissertation verfasste, möglicherweise noch nicht vollständig überblicken. Denn die Entwicklung der Bildungsstandards für die Sekundarstufe I - Englisch und Französisch als erste Fremdsprache - war zwar im vollen Gange und alle didaktisch-methodischen Empfehlungen, die im Umfeld der Implementierung und Überprüfung der Bildungsstandards zu Bewertungskriterien gegeben wurden, stimmen weitgehend mit den Forderungen von Bohnensteffen überein. Doch war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass im Zuge der Implementierung der Bildungsstandards für die Sekundarstufe II auch eine Weiterentwicklung der Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA-Bund/ Englisch von 2003) stattfinden soll. M.E. kann diese Weiterentwicklung noch begründeter vorgenommen werden, wenn man die Ergebnisse der Untersuchung von Bohnensteffen berücksichtigt. Der Verfasser hat seine Arbeit von Vornherein so angelegt, dass er sich in seinem theoretischen Teil zu Sichtweisen des Fehlers (Kap. 2), zur Fehlererklärung (Kap. 3), zur Fehlerkorrektur (Kap. 4) und zur Fehlerbewertung (Kap. 6) auf den Englischunterricht der Sekundarstufe II bezieht. Er arbeitet den aktuellen Forschungsstand zum Fehler und zur Fehlerkorrektur auf, ohne die Fülle der Forschungen und der Fachliteratur allzu buchhalterisch und damit für den Leser ermüdend wiederzugeben. Durch den konsequenten Blick auf die unterrichtliche Praxis können auch interessierte Fremdsprachenlehrkräfte durchgängig die Relevanz der Ausführungen für den eigenen Unterricht erkennen. Im Kap. 5 werden Fehler und Fehlerkorrektur vor dem Hintergrund neuerer vermittlungsmethodischer Prinzipien betrachtet. In Übereinstimmung mit vielen Fremdsprachendidaktikern geht Bohnensteffen davon aus, dass ein „selbstständiges Auseinandersetzen mit gemachten Fehlern“ (S. 92), die Reflexion über Fehlerschwerpunkte und ihre Ursachen sowie eine sich daraus ergebene „schülerorientierte Fehlerdidaktik“ (ebd.) das Interesse der Lernenden an der Sprache erhöhen können. Letztendlich sei dies auch für eine Weiterentwicklung der Sprachkompetenz förderlich (Kap. 5.4). Ein Hauptpostulat ist durch alle theoretischen Kapitel hinweg die Forderung nach Fehlertoleranz, die der Verfasser eben nicht nur aus der Spracherwerbsforschung ableitet (s. auch Kap. 3). Vielmehr verbindet er Fehlertoleranz u.a. mit der Bedeutung der englischen Sprache als lingua franca und einer entsprechenden Zielsetzung im Englischunterricht (s. auch Kap. 1.2, 5.2 und für die Analyse der dann später folgenden curricularen Vorgaben Kap. 7.1.2). Fehlertoleranz erscheint ihm für die Entwicklung der „Fähigkeit einer effektiven Kommunikation mit Gesprächspartnern, die einer anderen Kultur entstammen“ (S. 77), und 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 40 (2011) • Heft 2 für einen Englischunterricht, „der die Schüler zur Bewältigung komplexer interkultureller Situationen in Bezug auf Verwendungssituationen in alltags, berufs- und wissenschaftsorientierter Kommunikation befähigt“ (S. 78), von Nöten. Darüber hinaus wird Fehlertoleranz hinsichtlich der Realisation eines Mehrsprachigkeitskonzeptes postuliert (s. Kap. 5.3). Fehlertoleranz wird allerdings zu Recht nicht gleichgesetzt mit einer uneingeschränkten Legitimierung sprachlicher Normabweichungen in einem auf Leistungsmessung zielenden Englischunterricht. Vielmehr versteht der Verfasser darunter u.a. auch eine begründete Abwägung anderer Bewertungskriterien zum Bewertungskriterium Korrektheit, ein sehr vorsichtiges und bewusstes Umgehen mit dem Fehlerquotienten und eine mögliche Flexibilisierung von Bewertungskriterien mit Blick auf die Ziele einer schriftlichen Leistungsbewertung. Für seine Untersuchung hat Markus Bohnensteffen die schriftliche Leistungsbewertung ausgewählt, da hierzu auch vor dem Hintergrund von Lernstandserhebungen, zentralen Abschlussprüfungen und der Diskussion um das Zentralabitur Forschungen in ausreichender Zahl noch nicht vorliegen. Von zentraler Bedeutung ist für Bohnensteffen „die Frage, welche Rolle Schüler innerhalb der schriftlichen Fehlerkorrektur und der damit in Zusammenhang stehenden Leistungsbewertung spielen“ (S. 23). Er geht davon aus, dass bisher Lerner noch eine deutlich passive Rolle mit Blick auf die schriftliche Fehlerkorrektur einnehmen. Der theoretische Teil zur schriftlichen Produktion in der Fremdsprache und zur schriftlichen Leistungsbewertung fällt sehr kurz aus. Die Rolle der unterschiedlichen Bewertungskriterien wird nur kurz angesprochen und die Textaufgabe als Grundlage für die schriftliche Leistungsbewertung kritisiert. Sehr ausführlich hingegen analysiert der Verfasser die curricularen Vorgaben mit Blick auf die in Kap. 5 vorgestellten vermittlungsmethodischen Prinzipien und ihre Verbindungen zu Fehler sowie Fehlerkorrektur. Mit einigem Erschrecken nimmt der Leser die in dieser Hinsicht doch sehr unterschiedlichen curricularen Vorgaben der Bundesländer wahr. Bohnensteffen fordert folglich zu Recht, dass zumindest eine einheitliche Konkretisierung in „Bezug auf die Aspekte Fehlerbezeichnung, Fehlergewichtung, Anwendung der Sprachnorm sowie Gewichtung der Bewertungsbereiche erforderlich“ sei (S. 134). Nach der Analyse dieser Dokumente geht Bohnensteffen im empirischen Teil dazu über, die Schülerassoziationen zu den Begriffen Fehler und Fehlerkorrektur zu erheben. Wie zu erwarten, ergeben sich - insbesondere bei jüngeren Schülern - meist negative Assoziationen zum Fehler und die Angst vor unvermeidlichen Folgen (Kap. 7.2). Ältere Schüler, die den Stellenwert von Fehlern für ihr weiteres Lernen eher erkennen, beklagen darüber hinaus die mangelnde Transparenz im Bereich der schriftlichen Leistungsbewertung. Die Befragung von 1000 Schülern und 166 Englischlehrern (Kap. 7) richtet sich konsequent nach den im theoretischen Teil angesprochenen vermittlungsmethodischen Prinzipien und ihren Verbindungen zur schriftlichen Fehlerkorrektur. Die beiden unterschiedlichen Fragebögen wurden einem Pretest unterzogen. Während im ersten Teil der voll standardisierten Fragebögen biographische Daten erhoben werden, fokussiert der zweite Teil jeweils aus Schülerbzw. Lehrersicht die Aspekte Ziele und Inhalte des Englischunterrichts, Fehler in und Korrektur von Englischklausuren. Bohnensteffen hat bei der Darstellung der Fragebogenauswertung ein vergleichendes Verfahren gewählt; d.h. er stellt bei jeder Frage Schüler und Lehrerantworten gegenüber, wobei sich direkt Übereinstimmungen und Abweichungen erkennen lassen. Die statistische Auswertung beruht allein auf der Angabe von Prozentwerten für die einzelnen Fragenkomplexe. Hochinteressant sind vor allem die Ergebnisse bei den Items, die Meinungen zu Korrektur und Bewertung erfassen, indem sich Lehrer bzw. Schüler auf einer fünfstufigen Ratingskala mit einem Statement auseinandersetzen sollen. Diesen Ergebnissen sei hier nicht vorweggegriffen. Die Lektüre des Buches lohnt sich allemal nicht nur für Fachwissenschaftler und Lehrende, sondern auch für Verantwortliche in Kultus- und Schulministerien. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 40 (2011) • Heft 2 Ein kurzer Ausblick am Ende der Publikation, in dem eine zeitgemäße, schülerorientierte Fehlerdidaktik gefordert und ansatzweise dargelegt wird, lässt hoffen, dass Bohnensteffen sein Dissertationsthema nicht ad acta legt, sondern hier für die Praxis weitere Konkretisierungen und Ideen folgen lässt. Bochum K ARIN K LEPPIN Karlfried K NAPP , Barbara S EIDLHOFER (in cooperation with Henry W IDDOWSON ) (eds.): Handbook of Foreign Language Communication and Learning. Berlin: Mouton de Gruyter 2009 (Handbooks of Applied Linguistics, Vol. 6), 730 Seiten [Hardcover 198,00 €; Paperback 39,95 €; eBook 220,00 €] Dem derzeitigen engouement für Handbücher kann sich auch die Angewandte Linguistik nicht verschließen. Besonders erfreulich ist dabei, dass es mit Karlfried K NAPP und Barbara S EIDLHOFER zwei deutschsprachigen Wissenschaftlern gelungen ist, ein Handbuch herauszugeben, das sich mit internationalen Vergleichsprodukten messen kann und dabei auch nichtenglischsprachige Autoren zu Wort kommen lässt (zur Problematisierung dieses Umstandes s.u.). In ihrer allgemeinen Einleitung zu der Handbuchreihe nehmen die Herausgeber Karlfried K NAPP und Gerd A NTOS eine Definition des Gegenstandsbereichs vor. Im Einklang mit C ANDLIN / S ARANGI (2004) kommen sie zu dem Schluss, dass Angewandte Linguisten eine „community of practice“ bilden, deren gemeinsames Merkmal die Suche nach Problemlösungen ist. Angewandte Linguistik leistet damit einen kritisch-reflexiven Beitrag zur Verbesserung einer von Natur aus „suboptimalen“ sprachlichen Interaktion, und zwar z.B. durch Bildungs- oder Beratungsmaßnahmen. Dementsprechend zielt die Handbuchreihe nicht auf eine umfassende Darstellung angewandt-linguistischer Themenfelder, sondern versucht vielmehr den Nachweis zu erbringen, dass die Angewandte Linguistik ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis eines breiten Spektrums an Problemen sowie Instrumente für deren Lösung anbieten kann. Die 24 Artikel des Handbuchs, das damit an Umfang vergleichbaren Werken wie dem „Handbuch Fremdsprachendidaktik“ 1 keinesfalls gleichkommt, werden dieser Zielsetzung gerecht. Der weite thematische Bogen spannt sich von einer Begriffsbestimmung des Wortes „Fremdsprache“ über die kognitiven, sozialen und politischen Dimensionen der Mehrsprachigkeit sowie die Relevanz zweitsprachenerwerbsforscherischer und linguistischer Erkenntnisse für den Fremdsprachenunterricht bis hin zu Fragen der Curriculumentwicklung, der Methodik und der Evaluation von Fremdsprachenlernprozessen. Aus Platzgründen muss darauf verzichtet werden, sämtliche Artikel des Bandes Revue passieren zu lassen; die Auswahl liegt subjektiv in der Interessenlage des Rezensenten begründet. Allen Artikeln kann eine hohe Aktualität und die Sichtung eines breiten Literaturspektrums bescheinigt werden; mit Ausnahme des Artikels von W IDDOWSON erfüllen sämtliche Artikel auch das Kriterium der sachlichen und wissenschaftlichen Maßstäben genügenden Abwägung verschiedener Positionen. So gelingt es Willis E DMONDSON auf der Grundlage langjähriger Erfahrung in der Sprachlehrforschung und breiter Literaturkenntnis, eine mit überlegener Sachlichkeit geführte Abhandlung zum Thema „Sprachbewusstheit/ Sprachbewusstsein“ (language awareness) zu liefern. Er zeigt, dass es sich um einen schillernden Begriff handelt, der in unterschiedlichen Forschungstraditionen sehr verschiedene Konzeptualisierungen erfahren hat und in seinen Ur- 1 H ALLET , Wolfgang / K ÖNIGS , Frank G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber Kallmeyer/ Klett 2010. 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 40 (2011) • Heft 2 sprüngen in der britischen Erziehungswissenschaft praktisch keinen Bezug zur Fremdsprachendidaktik aufwies. E DMONDSON geht daher nicht weiter auf diese Ursprünge ein, sondern nimmt drei Forschungsrichtungen in den Blick, die für das Zweitsprachenlernen von größerer Relevanz sind: die Rolle expliziter Wissensbestände über bestimmte Merkmale der Fremdsprache (Sprachbewusstheit), die Funktion kulturspezifischen Wissens (kulturelle Bewusstheit) und die Bedeutung von Wissen über den Lernprozess (Sprachlernbewusstheit). Sehr erhellend ist dabei der hieb- und stichfeste Nachweis, dass explizites Wissen über die Zielsprache und Sprachbewusstheit nicht unterschieden werden können. Ebenso beeindruckend ist die Gegenüberstellung des kommunikativen und bildungsorientierten Modells von Fremdsprachenunterricht und die Erkenntnis, dass zahlreiche Schriften beide Ebenen unzulässig vermengen. Mit der zentralen Frage des Verhältnisses von linguistischer Modellierung von Sprache und Fremdsprachenlehre befasst sich Henry W IDDOWSON . Er zieht dabei insbesondere in Zweifel, dass Beschreibungen von Sprache für den Fremdsprachenunterricht auf linguistischer Basis erfolgen sollten bzw. mit linguistischen Verfahren (z.B. Korpusanalyse) eruierte sprachliche Vorkommen als kommunikativ relevante Beispiele in den Unterricht transferiert werden können. Dabei begeht er mehrere fundamentale Denkfehler: Erstens erhebt er H YMES ‘ Beschreibung der Urteilsfähigkeit eines kompetenten Sprechers auf vier Ebenen (Möglichkeit, Machbarkeit, Angemessenheit, tatsächliche Performanz) zum absoluten Maßstab, um dann zu dem Schluss zu gelangen, dass die Forderung von Korpuslinguisten nach authentischen Daten nur der vierten Ebene (Performanz) gerecht wird. Dabei übersieht er, dass die Darstellung H YMES ‘ letztlich nur alternative sprachwissenschaftliche Sichtweisen auf Daten spiegelt, von denen die meisten jedoch wissenschaftstheoretisch nicht haltbar sind, da sie den Vergleich von „non-events“ 2 implizieren. Zweitens versucht er anhand einiger Wörterbuchauszüge zu zeigen, dass reale Vorkommen von Sprachdaten nicht als didaktische Beispiele taugen. Letztlich zeigt seine Argumentation aber nur, dass die von ihm ausgewählten Beispiele nicht allen Kriterien für Beispiele genügen, die gute lexikographische Praxis erfordern würde. 3 Gleiches gilt für die Behauptung einer angeblichen Kontextfreiheit authentischer Beispiele, da der ursprüngliche Kontext im Klassenraum nicht repliziert werden kann. Ein ganz deutliches Gegenbeispiel stellt hier die Kopplung von Film- und anderen Korpusdaten dar, aber auch andere Formen von Daten sind natürlich kontextuell situiert. Die antagonistische und stark dichotomisierende Haltung, die W IDDOWSON einnimmt („one can only conclude that from the pedagogic point of view, it is in fact the exclusive use of authentic language that ‘will always be faulty’“), baut also auf falschen Prämissen auf; anzustreben ist eine möglichst genaue Passung von authentischen Daten und pädagogischem Kontext. Geradezu absurd klingt die Aussage, dass „it is pointless to present learners with real language if they are not at a stage of learning which would enable them to process it […]“. Eine (durchaus zumindest in der Geschwindigkeit ihres Ablaufs) beeinflussbare Sequenzierung des Lernprozesses ist bisher nur für grammatische Merkmale der ZS nachgewiesen worden, nicht aber für lexikalische. Damit gilt, dass zumindest lexikalische Elemente in voller Authentizität präsentiert werden können; würde W IDDOWSON andere Sprachen als das Englische (z.B. Russisch, Arabisch) in den Blick nehmen, würde ihm darüber hinaus sofort aufgehen, dass es wohl kaum möglich ist, artifizielle Beispiele so zu konstruieren, dass sie noch irgendeinen Sinn machen und keine komplexeren grammatischen Elemente (z.B. 2 DE B EAUGRANDE , Robert (ohne Jahr): „‘Corporate Bridges’ Twixt Text and Language: Twenty Arguments against Corpus Research And Why They're a Right Load of Old Codswallop‘“. Internet: http: / / www. beaugrande.com/ Corporate%20Bridges.htm. 3 Vgl. S IEPMANN , Dirk: „Collocations and examples: their relationship and treatment in a new corpusbased learner’s dictionary“. In: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 3 (2007), 235-260. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 40 (2011) • Heft 2 Deklinationsendungen, Wortstellungsphänomene) enthalten. Schließlich hätte man sich zumindest ansatzweise eine Demonstration gewünscht, wie denn nun ein pädagogisch sinnvolles nichtauthentisches Beispiel, das noch dazu auf die Lernstufe abgestimmt ist, im Gegensatz zu einem authentischen (! ) aussehen soll. Diese Demonstration bleibt W IDDOWSON schuldig. Martin B YGATE bietet einen kritisch abwägenden Überblick über die Entwicklung der Sprechfertigkeit. Einleitend weist er zu Recht auf die Zersplitterung dieses Forschungsfeldes hin, in dem einige Forscher die Sprechsprache in erster Linie als „Fenster“ auf die Sprachentwicklung betrachten, während andere die sprachlichen Merkmale derselben auf korpuslinguistischer Basis zu ermitteln versuchen und wieder andere den pädagogischen Nutzen von Sprechaktivitäten bzw. -aufgaben in den Blick nehmen. Nach einem Überblick über die Rolle des Sprechens in der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (in dem allerdings die frühe Geschichte ausgeblendet wird) geht B YGATE auf die typischen Merkmale gesprochener Sprache und die sozialen und kognitiven Prozesse, die beim Sprechen eine Rolle spielen, ein und gelangt dabei zu einer differenzierten Beurteilung des inzwischen klassischen Modells von L EVELT . Die Prozessdarstellung dient ihm dann als Folie zur Verdeutlichung des Verhältnisses zwischen lernerseitigen Prozessen und Lehr-/ Lernarrangements; dabei stellt B YGATE heraus, dass kommunikative Aktivitäten im Gegensatz zu Übungen eine eigenständige „konzeptuelle“ Verarbeitung erfordern, erliegt aber nicht - wie mancher deutsche Fremdsprachendidaktiker - der Versuchung, daraus die Überlegenheit derartiger Übungsformen für den Fremdsprachenerwerb zu folgern. Ebenso gelungen ist der Artikel von Claus G NUTZMANN zum Thema Fachsprache vs. Allgemeinsprache. Im Gegensatz zu einigen anderen Artikeln in diesem Band liefert G NUTZMANN einen durchweg verständlichen Überblick über die zentralen Fragen des Gebiets, der auch Studierenden als Einstieg in die Materie dienen kann. In seiner einleitenden Definition hebt G NUTZMANN die unterschiedlichen Traditionen der Beschäftigung mit Fachsprache diesseits und jenseits des Atlantiks hervor; während anglo-amerikanische Autoren sich vor allem mit der Vermittlungsfrage befassen, ist die europäische Fachsprachenforschung breiter angelegt und bezieht z.B. Terminologieforschung und Übersetzung mit in ihre Überlegungen ein. Es folgt eine Beschreibung der sprachlichen Merkmale von Fachsprache hinsichtlich Morphosyntax, Wortschatz und Diskurs und ein geschichtlicher Überblick über verschiedene Strömungen in der Fachsprachenforschung. Die besondere Verfasstheit von Fachsprache und die jeweils sehr unterschiedlichen institutionellen Kontexte bedingen schließlich eine differenzierte Lehre; G NUTZ - MANN geht dabei insbesondere auf den Fachunterricht in der Fremdsprache sowie Englisch als Wissenschaftssprache und als Lingua Franca ein. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass insbesondere mit Bezug auf die Schriftsprache die weitestgehende Einhaltung muttersprachlicher Normen unentbehrlich ist. Das Handbuch selbst zeigt leider an zahlreichen Stellen, dass die Kommunikation zusammenbricht, wenn muttersprachliche Normen nicht eingehalten werden. Allein auf den ersten drei Seiten der allgemeinen Einleitung zur Handbuchreihe finden sich zahlreiche Elementarfehler, die in ihrer Kumulation zumindest störend wirken, z.B. Tempusfehler, falscher Artikelgebrauch („and, above all, in economy“ [v]), unangemessene und unverständliche Wortkombinationen („the dominance of application that applied sciences are subjected to“ [vi]), Zeichensetzungsfehler („but despite such shifts in focus: “ [vi]) und syntaktische Probleme („the narrowing down the focus“ [viii]) usw. Erschwerend kommen unverständliche Stellen in manchen Artikeln hinzu; der Artikel von Konrad E HLICH zum Thema „What makes a language foreign? “ weist in fast realsatirischer Weise all jene Merkmale von „foreignness“ auf, die man von inkompetenten deutschen Schreibern des Englischen erwartet; manche Sätze sind völlig missraten oder unverständlich (z.B. „These demands [for multilingualism, D.S.] are often in conflict with the present 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 40 (2011) • Heft 2 day neglect of foreign language learning which is doomed to oblivion of other languages by reference to one single global language“). Als Aushängeschilder einer mit Sprache befassten Disziplin sollten Handbücher einer gewissenhafteren sprachlichen Kontrolle unterliegen; manches medizinische oder wirtschaftswissenschaftliche Handbuch mit deutscher Autorenschaft enthält weniger Fehler dieser Art und ist daher verständlicher. Osnabrück D IRK S IEPMANN 40 (2011) • Heft 2 I n f o r m a ti o n e n • V o r s c h a u Vorschau auf Jahrgang 41.1 (2012) Der von Lutz K ÜSTER (Berlin) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 41.1 (2012) trägt den Titel „Kompetenzen konkret“. „Kompetenz“ ist das neue Catchword allgemein- und fachdidaktischer Diskurse schlechthin. Seit ca. zehn Jahren wird auch im Rahmen deutscher Fremdsprachendidaktik über die Chancen und Gefahren, welche mit der bildungspolitisch gewollten Kompetenzorientierung einhergehen, heftig und z.T. kontrovers diskutiert. Die hierbei vertretenen Positionen werden im Heft im Wesentlichen als bekannt vorausgesetzt und nicht grundlegend neu erörtert. Im Vordergrund stehen vielmehr die Fragen, wie fremdsprachlich relevante Kompetenzen im Einzelnen modelliert werden können, wie sie sich im Lern- und Kommunikationsverhalten der Lerner und/ oder in ihren Einstellungen manifestieren, nicht zuletzt aber auch wie sie unterrichtlich angebahnt, gefördert und evaluiert werden können. Während die Beiträge zur Lernerforschung vielfach einer sprachenübergreifenden Perspektive folgen, kommen in diesem Themenheft stärker sprachspezifische Fokussierungen zur Geltung. Hierbei werden sowohl schulische als auch außerschulische Lernorte bedacht. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Lutz K ÜSTER (Humboldt-Universität zu Berlin): Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Karin A GUADO (Universität Kassel): Lernerforschung im Bereich mündlicher Sprachkompetenzen Daniela C ASPARI , Andrea S CHINSCHKE (Freie Universität Berlin, LISUM Berlin Brandenburg): Lernaufgabenforschung zur Förderung der Sprachmittlung Rüdiger G ROTJAHN (Ruhr-Universität Bochum) Testung und Evaluierung des Hör-Seh-Verstehens Andreas G RÜNEWALD (Universität Bremen): Förderung interkultureller Kompetenzen Iulia P OPESCU , Bettina N EUGEBAUER (IQB Berlin): Testung und Evaluierung des Leseverstehens unter besonderer Berücksichtigung methodischer Kompetenzen Giovanna T ASSINARI (Freie Universität Berlin): Methodische Kompetenzen Laurenz V OLKMANN (Friedrich-Schiller-Universität Jena): Förderung von Medienkompetenzen Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 41.2 (2012) Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koordiniert von Claus G NUTZMANN ) Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de NEUERSCHEINUNG OKTOBER 2011 JETZT BESTELLEN! Willis J. Edmondson / Juliane House Einführung in die Sprachlehrforschung 4., überarbeitete Auflage 2011 XX, 379 S. €[D] 19,90/ SFr 28,90 ISBN 978-3-8252-3599-4 Die vierte Auflage dieser bewährten Einführung in Grundlagen und Methoden der Sprachlehrforschung greift neuere Entwicklungen des Fachs auf, darunter die Rolle der Muttersprache und der Übersetzung, Neue Medien, Soziokulturelle Theorien und Fragen der Identität. Mit zahlreichen Abbildungen und Beispielen stellt das Buch auf anschauliche Weise die Verbindung zwischen Theorie und Praxis her. Aus dem Inhalt: Teil 1: Die Erforschung des Fremdsprachenlernens im Unterricht • Teil 2: Dimensionen der Sprachlehrforschung • Teil 3: Fremdsprachenlernen im Vergleich zu anderen Sprachlernprozessen • Teil 4: Individuelle Lernervariablen und deren Einfluss auf das L2-Lernen • Teil 5: Das Fremdsprachenlernen im Fremdsprachenunterricht: Beschreibungen, Interpretationen, Theorien • Teil 6: Von der Sprachlehrforschung zur Sprachlehre: Fremdsprachendidaktische Entscheidungen • Bibliographie • Sachregister • Autorenregister 093911 Auslieferung Oktober 2011.indd 24 24.10.11 15: 31 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG AUGUST 2011 JETZT BESTELLEN! Natascha Müller / Tanja Kupisch Katrin Schmitz / Katja Cantone Einführung in die Mehrsprachigkeitsforschung narr studienbücher 3., überarbeitete Auflage 2011 309 Seiten €[D] 19,90/ SFr 28,90 ISBN 978-3-8233-6674-4 Die Mehrsprachigkeitsforschung verdeutlicht, welche Chancen sich für Kinder bieten, die in einer mehrsprachigen Umgebung aufwachsen, und wie der Weg zu mehr als einer Muttersprache bewältigt werden kann. Insbesondere die genaue, wissenschaftlich fundierte Kenntnis dieses Wegs kann und soll es erleichtern, auf Kritik und vermeintliche Misserfolge während des Erwerbsprozesses richtig zu reagieren und den Kindern die Möglichkeit zu geben, mehrsprachig in die Schulzeit zu starten. Das Arbeitsbuch hat daher zwei Hauptanliegen: Es wird einerseits in die aktuelle Mehrsprachigkeitsforschung eingeführt, andererseits das empirische Arbeiten mit Spracherwerbsdaten eingeübt. Der Fokus liegt auf der simultanen Mehrsprachigkeit. Die Einführung richtet sich an Studierende der Romanistik (Französisch-Italienisch), Germanistik (Deutsch), Allgemeinen Sprachwissenschaft und Erziehungswissenschaften und soll dazu beitragen, die Thematik in die Ausbildung der zukünftigen Lehrer aufzunehmen. 077211 Auslieferung August 2011.indd 6 16.08.11 14: 57 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG AUGUST 2011 JETZT BESTELLEN! Christiane Fäcke Fachdidaktik Spanisch bachelor-wissen 2011, X, 246 Seiten €[D] 16,90/ SFr 24,90 ISBN 978-3-8233-6655-3 Dieser Band führt Bachelor-Studierende mit Lehramtsoption sowie Studierende in den klassischen Lehramtsstudiengängen des Spanischen in die Grundlagen der Fachdidaktik ein. Er eignet sich sowohl für den Einsatz in Lehrveranstaltungen (einführendes Fachdidaktik-Modul) als auch zum Selbststudium. Neben einem umfassenden Überblick über aktuelle Themenfelder der Fremdsprachendidaktik werden Kompetenzen zu fachdidaktischem Denken und Arbeiten, zur Analyse und Gestaltung von Spanischunterricht vermittelt. 077211 Auslieferung August 2011.indd 2 16.08.11 14: 57