eJournals

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2012
412 Gnutzmann Küster Schramm
(Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: F r e m d s pr a c h e n i n ni c ht s pr a c hli c h e n S t u d i e n g ä n g e n Koordination: C LAUS G NUTZMANN C LAUS G NUTZMANN Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ............................................................ 3 J AMES A. C OLEMAN Non-specialist linguists in the United Kingdom in the context of the Englishisation of European Higher Education .......................................................... 9 C HRISTIAN F ANDRYCH , B ETINA S EDLACZEK Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen: Kompetenz, Verwendung und Einschätzung bei Studierenden und Lehrenden ............................ 25 A NNELIE K NAPP , S ILKE I MMERMANN UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation ........................................................................... 42 C LAUS G NUTZMANN , J ENNY J AKISCH , J OANA K OENDERS , F RANK R ABE Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? ....................................................................................................... 60 J OCHEN H ELLMANN Binationale Integrierte Studiengänge: Akademischer Mehrwert durch Bilingualität und Bikulturalität am Beispiel der Studiengänge der Deutsch- Französischen Hochschule ........................................................................................ 84 A NDREAS H ETTIGER Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen: Fachliche und strategische Überlegungen ................................................................. 97 41. Jahrgang (2012) • Heft 2 Herausgeber: Claus G NUTZMANN (Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Marburg), Lutz K ÜSTER (Berlin) © 2012 Narr Francke Attempto Verlag www.narr.de | Zeitschriften ▼ | FLuL FLuL 41 (2012) • Heft 2 Ni c ht t h e m a ti s c h e r T e il W OLFGANG Z YDATIß „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People: Kompetenzorientierung im Englischunterricht der 6. Klasse ................................... 107 A NNINA L ENZ Vokabeln sprachenübergreifend lehren und lernen - Wege zu einer intensivierten Zusammenarbeit der Fächer Englisch und Latein zu Beginn der Sekundarstufe (Dissertationsvorhaben) ............................................................................................ 124 J ANA W INNEFELD Task-basierte Interaktionsmuster an bilingualen Montessori-Grundschulen (Dissertationsvorhaben) ............................................................................................ 129 P P r r o o u u n n d d C C o o n n t t r r a a : : Gr a m m a tik a l s G e g e n s t a n d i m Unt e rri c ht ? 136 B u c h b e s pr e c h u n g e n • R e z e n s i o n s artik e l Stephan B REIDBACH , Daniela E LSNER , Andrea Y OUNG (eds.): Language Awareness in Teacher Education. Frankfurt/ M.: Lang 2011 (A NNELIE K NAPP ) .......................................... 138 Wolfgang H ALLET : Lernen fördern: Englisch. Kompetenzorientierter Unterricht in der Sekundarstufe I. Seelze: Klett | Kallmeyer 2011 (J ENNY J AKISCH ) ........................................ 140 Rupprecht S. B AUR , Britta H UFEISEN (Hrsg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Hohengehren: Schneider Verlag 2011 (D AGMAR A BENDROTH -T IMMER ) ...................................................... 143 Lothar B REDELLA : Narratives und interkulturelles Verstehen. Zur Entwicklung von Empathie-, Urteils- und Kooperationsfähigkeit. Tübingen: Narr 2012 (L UTZ K ÜSTER ) ........ 146 Barbara S CHMENK , Nicola W ÜRFFEL (Hrsg.): Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Dietmar Rösler zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2011 (A NTJE S TORK ) .............................................................................................................. 148 Inf orm a ti o n e n • Vo r s c h a u 152 FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag C LAUS G NUTZMANN * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Bedenkt man, dass in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst in den philologischen Studiengängen die Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenzen an die Studierenden nach dem Selbstverständnis vieler Seminare nicht zu den eigentlichen Aufgaben eines Anglistik- oder Romanistikstudiums etc. gehörte, verwundert es nicht, dass auch in den nicht-philologischen Studiengängen eine ähnliche Indifferenz gegenüber dem Fremdsprachenlernen in universitären Veranstaltungen der Fächer vorherrschte. Natürlich hat es immer wieder Ausnahmen gegeben, denn der Wert von Fremdsprachen für die internationale Wirtschaft und den Handel wurde durchaus erkannt, allerdings führte dies nur in seltenen Fällen dazu, dass die Förderung von hinreichenden Fremdsprachenkenntnissen Eingang in die Curricula der entsprechenden Studiengänge fand. Im Allgemeinen wurde die Verantwortung für die ‚praktische‘ Beherrschung von Fremdsprachen nicht von den Universitäten wahrgenommen, sondern der Eigeninitiative der Studierenden überlassen, die in der Mehrheit aufgrund der hohen fachwissenschaftlichen Studienanforderungen damit aber letztlich überfordert waren. In den neueren Philologien gehörten die Sprachpraxis wie im Übrigen auch die Landeskunde, die später, zumindest teilweise, in der Kulturwissenschaft bzw. Kulturdidaktik aufging, zu den vernachlässigten und ungeliebten Aufgabenbereichen, entsprachen sie doch nicht dem seinerzeit herrschenden philologischen Wissenschaftsverständnis, das sich u.a. auch darin ausdrückte, dass die Durchführung fremdsprachiger Seminarveranstaltungen für eine wissenschaftliche Durchdringung von Gegenständen für nicht zuträglich und folglich auch nicht für selbstverständlich gehalten wurde. Bedingt durch eine sich verstärkende Internationalisierung und das Zusammenwachsen Europas, nicht zuletzt durch die Einführung des europäischen Binnenmarktes im Jahre 1992, und die sich immer stärker abzeichnende Globalisierung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft entwickelte sich dann eine positivere Einstellung gegenüber den Fremdsprachen, die in die Einsicht mündete, diese auch für Zwecke des Studiums und der Berufsausübung zu vermitteln. Etwa gegen Ende der 80er Jahre begannen die Hochschulen, das * Korrespondenzdresse: Prof. Dr. Claus G NUTZMANN , Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Das Englische als Welt- und Wissenschaftssprache und seine Vermittlung; Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen. F r e m d s p r a c h e n i n n i c h t s p r a c h l i c h e n S t u d i e n g ä n g e n 4 Claus Gnutzmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 Lehrangebot in den Fremdsprachen, vor allem in den nicht-sprachlichen Disziplinen, in größerem Umfang auszubauen und zur Koordination dieser Aufgaben Sprachenbzw. Fachsprachenzentren zu errichten. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es in der DDR eine sog. Sprachkundigenausbildung gab, die es Nicht-Philologen ermöglichte, berufsorientierte und fachfremdsprachliche Kenntnisse, speziell in den naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, zu erwerben. Bei dieser Form der Sprachausbildung handelte es sich „um ein nach Stufen streng gegliedertes zertifiziertes System der Erwachsenenausbildung, das auch studienbegleitenden Fachsprachenunterricht in den Universitäten einschloß“ (H ÜLLEN 1998: 966). Die obligatorische Sprachkundigenausbildung erforderte den Einsatz einer hohen Anzahl von Fremdsprachendozenten und ist im Kontext der damaligen historisch-politischen Verhältnisse zu sehen, die es nur in geringem Umfang zuließen, Fremdsprachenkenntnisse in den Umgebungen der Zielsprachen zu erwerben. Die Sprachkundigenausbildung wurde nach der Wende abgeschafft, was in der Folge zu einem Verlust der allermeisten damit verbundenen Stellen führte. Die Lehre und der Erwerb von Fremdsprachen kommen in nichtsprachlichen Studiengängen in vielfacher Weise zum Tragen. Beispielhaft seien hier genannt: • Allgemeinsprachliche Fremdsprachenkurse unterstützen die Vorbereitung eines Auslandsstudiums, häufig im Zusammenhang mit Erasmusprogrammen. Dabei können diese Kurse dazu dienen, auf die Kommunikation im Zielland vorzubereiten, sei es in der Verwendung der Sprache in der universitären Lehre und/ oder im alltäglichen Gebrauch. • Fachsprachenspezifische Kurse in den verschiedenen Disziplinen sollen der Vermittlung einschlägiger Fachkommunikationskompetenzen mit besonderer Berücksichtigung der Terminologievermittlung dienen und beispielsweise ein Studium oder eine Berufstätigkeit im Zielland ermöglichen. 1 Gerade in diesem Bereich zeigt sich das Erfordernis des entsprechenden Fachwissens auf Seiten der Lehrenden als wesentliche Voraussetzung für diese Form der Sprachlehre. Sollte dieses nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sein, wäre ein von der Sprachlehrkraft und Fachwissenschaftlern gemeinsam verantworteter und durchgeführter Unterricht sicherlich eine wünschenswerte Vorgehensweise, auch wenn dies, wie das folgende Beispiel aus dem Kontext Hong Kong zeigt, nicht nur in Deutschland bekanntermaßen problembehaftet ist: „So long as the institutional practices of universities […] fail to give EAP [English for Academic Purposes] staff the same opportunities as their colleagues in the disciplines to undertake research and obtain promotion, collaboration across the disciplines will be extremely difficult“ (D AVISON / T RENT 2007: 213). • Wissenschaftssprachliche Lehrveranstaltungen, häufig disziplinenübergreifend angelegt, fokussieren auf die Vermittlung allgemeinwissenschaftlicher Phra- 1 In diesem Zusammenhang sei hingewiesen auf die vom Arbeitskreis der Sprachenzentren (AKS) angebotenen Möglichkeit zum Erwerbs von gestuften Fremdsprachenzertifikaten im Rahmen von UNIcert, vgl. hierzu V OSS (2010) und die UNIcert-Webseite des AKS (http: / / www.unicert-online.org). Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 FLuL 41 (2012) • Heft 2 seologismen und Diskursmuster. Ein interessantes Beispiel von hohem praktischem Nutzen ist die Academic Phrasebank der Universität Manchester (http: / / www. phrasebank.manchester.ac.uk), die sich als „general resource for academic writers“ versteht. Ausgehend von der Annahme einer fächerübergreifenden Struktur wissenschaftlicher Artikel, stellt diese Webseite die sprachlichen Mittel (mit vielen Varianten) bereit, mit denen die wesentlichen, für wissenschaftliche Texte generell geltenden Abschnitte eines Fachaufsatzes wie z.B. Einführung in den Forschungsgegenstand, Nennung der ‚Forschungslücke‘, Literaturbericht, Beschreibung der Methode, Darstellung und Diskussion der Ergebnisse, Zusammenfassung verbalisiert werden. • Internationale, in der Mehrzahl englischsprachige Studiengänge (vgl. C OLEMAN 2006, M OTZ 2005a und 2005b, G NUTZMANN / L IPSKI -B UCHHOLZ 2008 und 2012, W ILKINSON 2008), haben ihre Anfänge in Deutschland Ende der 90er Jahre und erstrecken sich vor allem auf den Master- und Promotionsbereich. Sie verdanken ihre Entstehung zunächst dem Bemühen, im ‚Wettbewerb um die besten Köpfe‘ deutsche Universitäten attraktiver für ausländische Studierende zu machen, und spiegeln die Vorherrschaft des Englischen als europäische Wissenschaftssprache wider (A MMON / M C C ONNELL 2002). Wenn auch häufig geäußerte Kritikpunkte hinsichtlich der sprachlichen- und interkulturellen Kompetenzen 2 von Studierenden und Lehrenden sowie zur Verdrängung des Deutschen als Wissenschaftssprache und zum Abbau wissenschaftlicher Mehrsprachigkeit (E HLICH 2005) bis heute nicht ausgeräumt sind, so ist andererseits ebenso festzustellen, dass diese Kritik angesichts der dynamischen Entwicklung bei der Einrichtung internationaler Studiengänge mittlerweile kaum noch Wirkungen hervorruft, wie an der Zahl der mittlerweile über 1000 angebotenen Studiengänge abzulesen ist (DAAD-Datenbank 2012). • Binationale und zu einem doppelten Abschluss führende Studiengänge („Dual Degree programmes“) involvieren ein Studium in zwei Ländern und erfordern von den Beteiligten somit hohe (fach-)sprachliche Kompetenzen in zwei Sprachen. Exemplarisch sei hier die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) genannt, die derzeit 130 binationale Studiengänge betreut, deren Studienleistungen und -dauer in gleicher Verteilung an den jeweiligen Partnerhochschulen absolviert werden (DFH 2012). Das vorliegende FLuL-Themenheft möchte einen exemplarischen Einblick in das Vorkommen und die Wirkungen von Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen bereitstellen. Das Heft vereinigt in seinem Thementeil sechs Beiträge, von denen sich vier mit unterschiedlichen Fragen der Anglifizierung („Englishisation“) des europäischen und des deutschen Hochschulwesens befassen. Ein weiterer Beitrag hat die binationalen Studiengänge der DFH zum Gegenstand, der sechste Artikel diskutiert fachli- 2 Vgl. hierzu insbesondere die Aufsätze in K NAPP / S CHUMANN (2008) in den Rubriken „Kulturelle Vielfalt im Studium“ und „Verstehen und Verständigung im Studium mit Englisch als Studiersprache“. 6 Claus Gnutzmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 che und strategische Aspekte zur Vermittlung von interkultureller Kommunikationsfähigkeit. Es ist kein Geheimnis, dass die Bereitschaft zum Fremdsprachenlernen in Großbritannien eher schwach ausgeprägt ist, und so überrascht es nicht, dass ‚rein‘ fremdsprachliche Studiengänge immer weniger studiert werden. Bezug nehmend auf hohe Studiengebühren von im Allgemeinen 9000 £ im Jahr und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das Englische als Handelssprache und als Sprache für internationale Studiengänge in Europa durchgesetzt hat, beschäftigt sich James A. C OLEMAN in seinem Beitrag zu „Non-specialist linguists in the United Kingdom in the context of the Englishisation of European Higher Education“ mit den Rahmenbedingungen von nichtsprachlichen Studiengängen mit Fremdsprachenanteilen sowie den Motiven der Studierenden, diese zu wählen. Er kommt zu dem Schluss, dass Studierende Fremdsprachenkompetenzen als lohnende Investition für ihre spätere (nicht-lehramtsbezogene) Berufstätigkeit empfinden und deshalb entsprechende Studiengänge auch zukünftig nachgefragt werden. Bei dem Beitrag von Christian F ANDRYCH und Betina S EDLACZEK über „Englisch und Deutsch in ‚internationalen‘ Studiengängen: Kompetenz, Verwendung und Einschätzung bei Studierenden und Lehrenden“ handelt es sich um eine empirische Studie zur Rolle des Englischen und Deutschen in internationalen Masterstudiengängen an sieben deutschen Universitäten. Während für lange Zeit mehr oder weniger stillschweigend angenommen wurde, dass der Gebrauch einer Fremdsprache als Unterrichtssprache kein Problem für die Studierenden und die Lehrenden darstellen würde, können die Autoren zeigen, dass diese Annahme einer Überprüfung in der Studienrealität in keiner Weise standhält. Sie sprechen deshalb von einem „erschreckenden Ausblenden von Sprache und Sprachlichkeit“, eine Charakterisierung, die nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden wie auch die anderen am Studiengang mitwirkenden Akteure betrifft. Der Beitrag schließt mit einigen Überlegungen zu didaktischen, sprachlichen und sprachpolitischen Implikationen der Befunde. Ansatzpunkt des Aufsatzes von Annelie K NAPP und Silke T IMMERMANN zum Thema „UniComm English - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation“ ist das von ihnen konstatierte Faktum, dass die Anwendung des Englischen als Sprache in internationalen Studiengängen für nicht-muttersprachliche Studierende und Lehrende mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Dabei geht es den Autorinnen jedoch nicht um eine Erhebung und Analyse der vorhandenen Kommunikationsschwierigkeiten, sondern um die Bereitstellung von konkreten Hilfestellungen zur Verbesserung der Verständigungsmöglichkeiten der Beteiligten. Der Beitrag geht davon aus, dass sich die Kommunikation in Lehrveranstaltungen zu einem großen Teil durch die Verwendung von feststehenden Redemitteln bzw. Phraseologismen auszeichnet, die entsprechenden kommunikativen Funktionen in Inventarlisten zugeordnet werden können. Das Konzept des online verfügbaren Formulierungswörterbuchs wird vorgestellt und seine Nutzung an Beispielen illustriert. Dass Sprache, sprachliche Herkunft und Identität eng miteinander verflochten sind, ist bzw. war seit Langem eine linguistische Grundüberzeugung, die sich allerdings im Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Wesentlichen aus der Annahme einer einsprachigen Gesellschaft bzw. Nation herleitete. Angesichts der Globalisierung und des Zusammenwachsens Europas laufen Kommunikationsprozesse zunehmend mehrsprachig ab mit der Folge, dass Identitätsentwürfe junger Europäer vielfältiger und komplexer werden. In ihrem Beitrag „Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? “ gehen Claus G NUTZMANN , Jenny J AKISCH , Joana K OENDERS und Frank R ABE der Frage nach, inwieweit insbesondere durch den vermehrten Gebrauch des Englischen eine neue Situation entstanden ist, in der die Verwendung des Englischen als Lingua franca als Indikator für die Herausbildung einer europäischen Identität fungieren könnte. Diese Frage wurde im Rahmen einer Fragebogenerhebung, an der 1061 Studierende der Fachrichtungen Anglistik, Germanistik, Lebenswissenschaften und Maschinenbau teilnahmen, empirisch untersucht. Der Beitrag von Jochen H ELLMANN über „Binationale Integrierte Studiengänge: Akademischer Mehrwert durch Bilingualität und Bikulturalität am Beispiel der Studiengänge der Deutsch-Französischen Hochschule“ vermittelt einen Einblick in internationale Studiengänge, bei denen als Medien die französische und die deutsche Sprache fungieren, aber auch das Englische eine Rolle spielt, da, wie der Autor ausführt, „das Englische aus der Lehre in den meisten Fächern gar nicht hinwegzudenken ist“. Der besondere Mehrwert der hier beschriebenen internationalen Studiengänge liegt vor allem in der Möglichkeit für die Studierenden, interkulturelle Kompetenzen, u.a. in den beiden Hochschulsystemen, und eine Mehrsprachigkeitskompetenz für die Kommunikation in nicht-philologischen Fächern zu erwerben. Zur realistischen Sachbeschreibung gehört es, dass in dem Aufsatz nicht nur die positiven Potenziale, sondern auch gewisse Hindernisse solcher Studienprogramme beschrieben werden. Der Beitrag von Andreas H ETTIGER über „Interkulturelle Kompetenz in nichtsprachlichen Studiengängen: Fachliche und strategische Überlegungen“ befasst sich mit einigen Grundsatzfragen zur Vermittlung von interkultureller Kommunikationsfähigkeit, insbesondere an Studierende nichtsprachlicher Studiengänge. Der Autor, der sich dafür ausspricht, dass ihre Vermittlung den Sprachenzentren der Hochschulen angesiedelt sein sollte, diskutiert verschiedene Zugangswege zum Konzept der interkulturellen Kompetenz, greift die Frage ihrer Messbarkeit auf und erörtert die Beziehung von interkultureller Kompetenz und Fremdsprachenlehre im Hochschulkontext, nachdem er zu Recht darauf hingewiesen hat, dass in einschlägigen Publikationen die sprachliche Seite von interkultureller Kompetenz häufig vernachlässigt wird. 8 Claus Gnutzmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 Literatur A MMON , Ulrich / M C C ONNELL , Grant (2002): English as an Academic Language in Europe. Frankfurt/ M.: Lang. C OLEMAN , James A. (2006): „English-medium teaching in European higher education“. In: Language Teaching 39, 1-14. DAAD-Datenbank (2012): „International programmes in Germany 2012“. http: / / www.daad.de/ idp/ , 04.09.2012. D AVISON , Chris / T RENT , John (2007): „Contradictory discourses: learning and teaching in and through English in an English-medium university in Asia“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 36, 200-216. DFH = Deutsch-Französische Hochschule (2012): Die Deutsch-Französische Hochschule im Überblick. http: / / www.dfh-ufa.org/ ueber-die-dfh/ uebersicht/ , 04.09.2012. E HLICH , Konrad (2005): „Deutsch als Medium wissenschaftlichen Arbeitens“. In: M OTZ (Hrsg.), 41- 51. G NUTZMANN , Claus (Hrsg.) (2008): English in Academia. Catalyst or Barrier? Tübingen: Narr. G NUTZMANN , Claus / L IPSKI -B UCHHOLZ , Kathrin (2008): „Englischsprachige Studiengänge: Was können sie leisten, was geht verloren? “ In: G NUTZMANN (Hrsg.), 147-168. G NUTZMANN , Claus / L IPSKI -B UCHHOLZ , Kathrin (2012, im Druck): „Fremdsprachige Studiengänge“. In: H ALLET , Wolfgang / K ÖNIGS , Frank G. (eds.) Handbuch Bilingualer Unterricht / Content and Language Integrated Learning. Seelze: Klett Kallmeyer. H ÜLLEN , Werner: (1998): „Methoden im fachbezogenen Fremdsprachenunterricht“. In: H OFFMANN , Lothar / K ALVERKÄMPER , Hartwig / W IEGAND , Herbert Ernst (1998): Fachsprache: ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. Berlin [etc.]: de Gruyter, 965-969. K NAPP , Annelie / S CHUMANN , Adelheid (Hrsg.) (2008): Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium. Frankfurt/ M.: Lang. M OTZ , Markus (2005a): Ausländische Studierende in Internationalen Studiengängen: Motivation, Sprachverwendung und sprachliche Bedürfnisse. Bochum: AKS. M OTZ , Markus (Hrsg.) (2005b): Englisch oder Deutsch in Internationalen Studiengängen? Frankfurt/ M.: Lang. V OSS , Bernd (Hrsg.) (2010): UNIcert Handbuch 2. Stand - Entwicklungen - Perspektiven. Bochum: AKS Verlag (FLF 45). W ILKINSON , Robert (2008): „English-taught study courses: principles and practice“. In: G NUTZMANN (Hrsg.), 169-182. FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag J AMES A. C OLEMAN * Non-specialist linguists in the United Kingdom in the context of the Englishisation of European Higher Education Abstract. This paper explores why, in the context of high tuition fees and of the expansion of English as both the language of international trade and more specifically the language of European higher education, students at British universities still wish to acquire language skills alongside a quite different specialist discipline. The paper traces the development of non-specialist language provision in UK universities, including at the Open University, over the past two decades, seeking to identify how many students are opting for non-compulsory language courses, and who they are. 1. Why? A cost-benefit analysis of university study and graduate language skills English remains the principal mother tongue for the majority of those born in the four nations which comprise the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland. But devolution of powers, which saw elections to the Scottish Parliament and Welsh National Assembly in 1999, has created growing disparity across the four nations, not least in the domain of education. For courses beginning in autumn 2012, future students have to negotiate a new landscape of annual tuition fees (see Figure 1). Study in England Study in Scotland Study in Wales Study in NI Domiciled in England £9000 £9000 £9000 £9000 Domiciled in Scotland £9000 0 £9000 £9000 Domiciled in Wales £3465 £3465 £3465 £3465 Domiciled in Northern Ireland £9000 £9000 £9000 £3465 Other EU domicile £9000 0 £9000 £3465 Figure 1: Maximum fees for 2012 entry for UK and other EU applicants * Address for correspondence: Prof. James A. C OLEMAN , MA, PhD, FHEA, FCIL, FRSA, Chevalier des Palmes Académiques, The Open University, Faculty of Education and Language Studies, Department of Languages, Milton Keynes, MK7 6AA, UK. Email: j.a.coleman@open.ac.uk Research areas: University language learning and teaching, policy, pedagogy, study abroad. 10 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 Although loans with long repayment schedules are available, the changes seem to have influenced student choice, with applications down more steeply for England (9.9%) than for Northern Ireland (4%), Wales (1.9%) or Scotland (1.5%). Students from elsewhere in the European Union seem to have reacted cautiously, with overall applications to UK universities down 11.2% (England down 16.5%, Wales down 14%, Northern Ireland down 8%) but up 6% for Scotland. For specialist language degrees, applications are down by 11.2% for European and 21.5% for non-European languages - the largest drop of any discipline. However, these figures conceal big differences: applications to French have fallen by 14.0%, German 23.0%, Spanish 13.4%, and Japanese 35%, but Chinese just 1.9%. There is generally a high conversion rate in language from applications to acceptances, so it looks as if the move to much higher tuition fees will cause only a temporary blip in recruitment to languages: this, at least, is what I have recently argued in the specialist press in order to counter alarmist stories which manage somehow to exaggerate Britain’s monolingualism (C OLEMAN 2012). The marketisation of higher education within the UK can be seen as either a dangerous and anti-egalitarian experiment which risks damaging the high global status of British universities and their ability to attract the best international students and contribute to national wealth creation, or alternatively as an inevitable recognition that national prosperity correlates with a workforce predominantly educated to graduate level, that state funding from general taxation cannot be sufficient to finance the expansion in student numbers, and that it is right and proper that higher education should be paid for by those individuals who will benefit from it through a lifelong ‘graduate premium’ of higher salaries. In support of the latter argument, the most recent OECD Education at a Glance (2011) suggests that on average, worldwide, graduates are more likely to be in employment, especially during economic downturns, than non-graduates, and that their salary will be 50% higher than those with only upper secondary or post-secondary nontertiary education (2011: 138). A UK male in a skilled occupation can anticipate a graduate premium of at least $300,000, and a UK female of $200,000, so higher education looks like a good investment, and not just financially: “Adults aged 25 to 64 with higher levels of educational attainment are, on average, more satisfied with life, engaged in society and likely to report that they are in good health, even after accounting for differences in gender, age and income” (OECD 2011: 192). How do foreign languages fit into this overall picture? Although educated adults across the rest of the world, and especially the rest of Europe where the UK conducts most of its business, are moving towards functional bilingualism, UK graduates with foreign language skills continue to be sought after by employers, and make a substantial contribution to the national economy, as successive reports make clear: • a 2004 survey of Human Resources managers in 2,700 companies for the Michel Thomas organisation; Non-specialist linguists in the United Kingdom 11 FLuL 41 (2012) • Heft 2 • the 2006 ELAN: Effects on the European Economy of Shortages of Foreign Language Skills in Enterprise (http: / / ec.europa.eu/ languages/ languages-meanbusiness/ files/ elan-full-report_en.pdf); • the 2007 study by economist James F OREMAN -P ECK , Costing Babel: The Contribution of Language Skills to Exporting and Productivity (http: / / www.ucml.ac. uk/ sites/ default/ files/ shapingthefuture/ 101/ CardiffBusSch_2007_Costing_Babel_ Jan2012.pdf) which sees the UK’s under-investment in language skills as equivalent to a ‘language tax’ of at least £9 billion a year; • the 2007 DEMOS survey report As You Like It. Catching up in an age of global English (http: / / www.demos.co.uk/ publications/ asyoulikeitpamphlet); • the 2009 ICM poll for Rosetta Stone (http: / / www.rosettastone.co.uk/ global/ press/ releases/ 20090920-public-sector-can-swap-language-translation-formultilingualism); • UCML’s extensive 2010 Labour Market Intelligence analysis (http: / / www.ucml. ac.uk/ sites/ default/ files/ shapingthefuture/ 101/ 17%20-%20Anne%20Marie%20 Graham%20emp%20resource%20template_0.pdf), which found demand to be highest for German, French, Spanish, Italian and Dutch; • a December 2011 Education and Employers Taskforce report, The Economic Case for Language Learning and the Role of Employer Engagement (http: / / www. educationandemployers.org/ research/ taskforce-publications/ economic-case-forlanguage-learning/ ). The consistent message is that using the customer’s or partner’s language, even when they speak English fluently, is essential for building business relationships. The point was already made two decades ago (S WIFT 1991: 44) in an article, which even then could list several supporting empirical studies. The British Academy has brought together the arguments for greater investment in foreign languages in two reports, Language Matters (2009) and Language Matters More and More (2011). Annual reports from the Confederation of British Industry (CBI) endorse the message. The most recent (CBI 2011) finds that • only a quarter (27%) of businesses say they have no need for foreign language skills among their employees. • language skills are particularly important in sectors such as manufacturing and banking, finance and insurance, reflecting the globalisation of organisations • the greatest demand is for a level of language skills that can help in building relations with overseas contacts • the major European languages are still those in greatest demand, but there are also widespread requirements for languages to help business in the major emerging economies. In 2009, Michael W ORTON ’ S review of Modern Languages in UK Higher Education for the Higher Education Funding Council for England (HEFCE), in comparing languages with other subjects classified by HEFCE as Strategically Important and Vulnerable (SIV), trumpeted: 12 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 Modern Foreign Language graduates go into a wide variety of careers, where their many skills are recognised by employers. This is reflected in the fact that the mean salary of language graduates 3.5 years after graduation is £26,823, the highest mean salary of all of the SIV subjects - ahead of that of graduates of Engineering, Mathematical Sciences, Physics and Astronomy and Chemistry (HEFCE 2009: 21, citing HEFCE 2008: 28). On the other hand, more recent analyses of graduates at six and forty-two months after graduation, undertaken by the Higher Education Statistics Agency, paint a less glowing picture, suggesting (HESA 2011) that language graduates have lower salaries than the average graduate, are more likely to be unemployed and less likely to be in full-time employment, are less satisfied with their career, and are less convinced that their degree was good value for money or that they were well prepared for a career. It should be stressed, however, that the differences are often marginal, that HESA’s data collection methods are likely to miss the most internationally mobile and successful, and that the data apply to language specialists (i.e. with a degree in Modern Languages) rather than those for whom language is an ancillary skill to a degree in, for example, Law or Economics. Salary levels may also reflect employer ignorance of the value of employees with languages: ‘If firms incorrectly do not see profit opportunities from exploiting language skills, then they will not demand them, and private returns - primarily wages - will be lower’ (F OREMAN -P ECK 2007: 23). One perverse impact of the monolingualist climate in the British Isles (C OLEMAN 2009a) has been a reduction of language learning opportunities at schools. In updating for a French audience the state of non-specialist provision in the UK (C OLEMAN 2008), I noted that even one foreign language had been dropped in 2004 from the compulsory curriculum at ages 14 to 16. The CBI commented: “The combination of an increasingly global economy and heightened cultural sensitivities is making new demands on many people at work. Weaknesses in foreign language skills are nothing new, but are tending to be exacerbated since the requirement to take a language at GCSE level was ended (76% of employers are not satisfied with young people’s language skills). In addition, well over half of employers (61%) perceive shortfalls in international cultural awareness among school and college leavers” (CBI 2011: 22). Economic studies concerning graduate language skills have often been ignored by linguists, perhaps because we feel uncomfortable with complex statistical analyses. Three recent publications deserve attention. K LEIN (2007) explored multilingualism in a small open European economy, namely Luxembourg, and found that, other things being equal, multilingualism enhances both job prospects and earnings, but only for speakers of English and to a small extent of French. K LEIN recommends that the European Union multilingualism policy “MT + 2” should formally become “MT + English + 1” (2007: 278), and expects the market advantage of English-speaking graduates to diminish as supply grows. W ILLIAMS ’ (2011) survey of language use and earnings in Western Europe echoes these conclusions, finding that “the use of a second language in the workplace raises earnings by 3 to 5 per cent in several Western European nations, with even greater returns in some” (2011: 372). W ILLIAMS finds that “the language most widely rewarded Non-specialist linguists in the United Kingdom 13 FLuL 41 (2012) • Heft 2 across countries is English” (2011: 387), but that “the usage of other languages, including French, Italian and German, is rewarded in some countries” (2011: 387-388). The bad news for British graduates is that “only in the UK is there apparently no income return to using a second language on the job” (2011: 388). W ALKER and Z HU (2010) studied net returns on undergraduate study across discipline groups, based on UK Labour Force surveys. Stressing that their results indicate correlation and not causality, they found that, over a lifetime’s employment, tuition fees of even up to £7,000 a year will become insignificant, that all graduates out-perform non-graduates, and that subject of study is irrelevant for women. In terms of salary, Law, Economics & Management offer the highest returns, followed by “Combined Subjects” and then by Science, Technology, Engineering and Maths (STEM), with Social Sciences, Arts and Humanities providing the lowest returns, which can even be negative for men with a poor degree classification. On balance, then, it appears that graduates with language skills are in demand and can look forward to a varied and often well-paid career, and that this may be still more the case for non-specialist linguists, those who have completed a degree in a subject other than Modern Languages but can also offer one or more additional languages. 2. Englishisation, EU policy and the higher education market The increase in tuition fees for English universities is merely one step in the marketisation of higher education, echoing a similar process at both European and global level. My overview of English-medium teaching in European Higher Education (C OLEMAN 2006a) is now merely historical, and I plan an update which will cover both the expansion in numbers - W ÄCHTER and M AIWORM (2008) found a tripling of English-taught programmes between 2002 and 2007 - and a review of the intertwined factors which are together driving an acceleration of Englishisation: graduate employability; academic mobility for teachers, researchers and students; the market in international students who now number 3.7 million a year (OECD 2011); global university rankings based on proportions of international students and academic staff and on research status; research rankings which favour English-language publication; the globalisation of scientific disciplines which pushes academics to work together in English (even at applied linguistics conferences such as AILA). Studies of individual countries continue to appear. Whilst northern Europe leads, even southern European countries such as Italy are introducing English-taught programmes (C OSTA and C OLEMAN 2012). In the present volume, the task of updating the overall picture is expertly fulfilled by W ÄCHTER ’s chapter. I therefore simply note that while the Hochschulrektorenkonferenz (HRK) felt so threatened by galloping Englishisation as to issue a 2011 policy statement (in both German, and English, incidentally), its equivalent Universities UK has made no statement whatever on languages. I also note the CercleS 2011 position statement in favour of multilingualism, echoing the HRK in claiming that “the exclusive use of English as a Lingua Franca threatens the 14 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 quality of cultural and academic exchange”, and calling for every Higher Education Institution (HEI) to have a language policy (http: / / www.nut-talen.eu/ documenten/ CercleS%20Language%20Policy%20Position%20Statement%20Nov%202011.pdf). It should be noted, however, that in the newly competitive market of £9,000 fees, some UK institutions have seen an advantage in promoting their international profile, for example in offering a sharply reduced fee for the compulsory year abroad of a language degree (e.g. Portsmouth), in guaranteeing the possibility of a study experience abroad within every degree (Central Lancashire) or offering free language tuition to students of all disciplines (Aston). The Bologna Process must also be mentioned. I have repeatedly argued (C OLEMAN , 2003, 2005, 2009b) that, far from promoting the European ideal of Mother Tongue + 2 languages, Bologna has favoured Englishisation, and others have agreed (A LEXANDER 2008; G OODMAN 2010; G NUTZMANN 2011; P HILLIPSON 2006; R ÄSÄNEN and F ORTA - NET -G ÓMEZ 2008; T OSI 2006). As soon as the primarily economic Lisbon agenda overtook the primarily academic desire to create a European Higher Education Area, market competition has ensured that internationalisation and Englishisation go hand in hand. While many European countries, as signatories to the Bologna Process, undertook very fundamental reform of their higher education systems, the UK, whose Anglo- American schema of Bachelor, Master and Doctoral qualifications underpinned Bologna, and whose quality assurance agenda and terminology came to dominate the definition of course content and “learning outcomes”, has barely acknowledged the existence of the process. Its implementation of the Diploma Supplement (DS), for example, continues to be patchy; E URYDICE (2010: 143) lists the UK alongside Armenia, Azerbaijan, Ireland, Russia and the Holy See as guilty of only “partial and gradual introduction” of the DS, which is seen as an administrative burden and not prioritised by many British HEIs. Developments promoted by EU policy include academic mobility. Preparation for Erasmus exchanges has also motivated non-specialist language provision in the UK as elsewhere. But although UK Erasmus participation, after a period of decline, has risen in recent years (Figure 2,  p. 15), partly thanks to the inclusion of work placements (the UK has a higher proportion of Erasmus participants on work placements than any other participating country), the proportion of non-specialist linguists is markedly lower than elsewhere thanks to low motivation and inadequate language skills. Overall, specialist language students consistently comprise 15% of all Erasmus students; in the UK alone, specialist language students consistently comprise over 40% of all participants, and the figure rose to nearly half (48.28% in 2008/ 09) once work placements and assistantships were included. Non-specialist linguists in the United Kingdom 15 FLuL 41 (2012) • Heft 2 00/ 01- 01/ 02 01/ 02- 02/ 03 02/ 03- 03/ 04 03/ 04- 04/ 05 04/ 05- 05/ 06 05/ 06- 06/ 07 06/ 07- 07/ 08 07/ 09- 08/ 09 08/ 09- 09/ 10 Total +3.91 +7.39 +9.38 +6.23 +7.21 +3.18 +14.67 +5.33 +8.29 UK -6.06 -6.16 -5.25 -4.30 -1.15 +1.46 +42.06 +8.66 +7.43 Figure 2: Year-on-year percentage changes in number of Erasmus participants 3. The development of provision for non-specialist language students The awareness of demand for language skills from specialists in other disciplines emerged in the 1960s and 1970s with the expansion of higher education (C OLEMAN 1996a), and met with varied responses (C OLEMAN 1994a). The short-lived Government-funded Language-Export Centres sought to link universities and businesses at a time when neither was really ready. The institutional autonomy which UK universities have always enjoyed allowed individual universities to set up Joint or Combined Honours courses, for example in German and Business or French and Law, and these continue to recruit today. But initial responses tended to be of a service nature, with powerful disciplines such as Economics or Engineering demanding Language for Special Purposes (LSP) courses tailored specifically to their needs. It was in the then Polytechnics (which became ‘new universities’ in 1992) that more systematic initiatives began in the late 1980s, under the banner of Languages For All or Institution-Wide Language Programmes (IWLPs). Ad hoc service provision was proving too fragmented and costly (F AY and F ERNEY 2000; F ERNEY 2000), and IWLPs drew on the flexibility provided by modularised curricula (which had been introduced on a predominantly US model along with semesters) to establish centralised provision of several foreign languages at multiple levels, with a standard progression replacing the LSP model. A communicative approach was adopted, alongside enhanced levels of tutor training and quality assurance (F ERNEY 2005). A series of annual IWLP conferences, with published proceedings, took place for a decade from 1991. The level of take-up in the earliest days is impossible to establish, since the Universities Statistical Record (HESA published its first statistics in 1995) concerned itself only with ‘old’ universities and old-style degree classifications. But by 1992, the year in which specialist language student numbers peaked, the first comprehensive survey of non-specialist language learners (T HOMAS 1993) showed that the latter actually outnumbered the specialists, although only 47% of UK students were entitled to elective language study (T HOMAS 1993: 21), and only 23% in ‘old’ universities. While numbers tended to be unstable (C OLEMAN 1994b, 2004), especially as devolved budgets led students’ ‘home’ department to reclaim resources lost to the IWLP, the non-specialists continued to outnumber the specialists (T RANS L ANG 1997, M ARSHALL 2001). Although the IWLP movement had disappeared by 2002 (S HEPPARD 2003, C OLEMAN 2004: 152), along with much of the specialist modern language provision in the new 16 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 universities, and partly because of resource constraints fuelled by falling numbers of specialists in surviving departments, non-specialist student numbers by then were robust in every sense. HESA records separately language specialists on a named degree and “other undergraduates”, i.e. students taking accredited language modules. Although such modules may represent up to 40% of an individual’s timetable, accredited language modules normally make up between 10% and 20% of the student’s total study time. In 2007/ 08, a total of 58,900 undergraduate and postgraduate students from non-language disciplines were recorded by HESA to be studying a language at university, not at degree level, but as an accredited language course. The total is almost identical to that of 2002/ 3, although numbers had varied in the interim, climbing above 60,000 in 2003/ 4 and dropping below 56,000 in 2004/ 5 and 2006/ 7. In each year, the figure for language specialists was a few thousand higher, but this figure is misleading as it includes Linguistics, Classics and English. Even today, while HESA theoretically captures all accredited modules, every estimate of non-specialist language learners in UK universities begins with a caveat: it is nearly impossible to give precise numbers, since definitions vary, provision at individual institutional level may be in different locations, and no single body has the responsibility to collect the information. For many non-specialist language students, language credits are not awarded, or are supernumerary, or do not count towards a university award; other students are not seeking accreditation and may not bother to take exams, or are paying separately for language classes. Dedicated national surveys are thus still relevant, as even the funding agency recognises. “It is difficult to establish how many non-specialist linguists are studying a language alongside their degree programme; estimates suggest that there are at least as many non-specialists studying a language at universities as there are students on Modern Foreign Language degree programmes” (HEFCE, 2009: 2-3). The Association of University Language Centres (AULC, formerly Directors of University Language Centres, and one of the founders of the European Confederation of University Language Centres, Cercles, in 1991) conducted a survey over several years. In 2003, 44 members reported growing numbers, two were stable and only one was falling. For four years from 2003, actual numbers at UK universities were divided into accredited (contributing to the degree profile, but counting for less than 50%) and non-accredited (or extra-mural); despite some inconsistencies such as the (non-) inclusion of Open University students, the data give a good overall picture (Figure 3). Responses Accredited Non-accredited Total 2003/ 04 42 27,986 25,516 53,502 2004/ 05 40 22,123 30,538 52,661 2005/ 06 66 38,194 30,402 68,596 2006/ 07 76 40,255 33,144 73,399 Figure 3: Numbers from the AULC surveys of non-specialist language students Non-specialist linguists in the United Kingdom 17 FLuL 41 (2012) • Heft 2 As recently as 2009, the Worton report asserted that “several universities are closing down or reducing their provision of language teaching for non-specialists” (HEFCE 2009: 6), and the University of the West of England notoriously closed its University Language Programme in 2011. Yet the most recent snapshot survey of 19 Language centres by Manchester’s John M ORLEY (personal communication, February 2012) shows 15 reporting expansion of provision and numbers, 3 steady state and only 1 declining. In 4 cases, the increase was over 20%. Internationalisation can thus mean more than just recruiting international students paying high fees. Institutional backing for non-specialist language provision appears buoyant; one respondent notes “increasing levels of central University support for this area of (IWLP type) activity as it ticks the employability and internationalisation boxes”, although there are concerns that students already paying high fees may be less willing to incur additional expense for optional language modules. UCML (the University Council of Modern Languages, the overarching body which represents virtually all university departments and professional associations in modern languages, linguistics and area studies in the UK) and AULC plan a major national survey in 2012. 4. Non-specialist provision and profiles British attitudes to language learning are very much linked to socio-economic status. At school, in public examinations, and at university, it is often the more privileged who recognise the social capital bestowed by foreign language competence. Whereas specialist Modern Language degrees, with mutual selection at entry (students choose the university, the university chooses its students) and generally high entry requirements, can typically count on over 90% of entrants continuing through to graduation in the minimum time, non-specialists, who have often opted in to courses providing zero or only supernumerary credits, and who have registered for a one-semester or at most one-year module, have little to lose by dropping out again as their specialist workload grows and the language assignments become more demanding. The usual pattern is therefore pyramidal, with far more classes at lower levels and by no means all starters completing each module (R EIMANN 2004). Demand across languages is unpredictable. Yet fixed costs, for specialised facilities, staff development, quality assurance and administration of teaching and assessment can be high. One consequence is that staffing has to be flexible, meaning that short-term and temporary contracts are common, even though tutors are typically highly qualified specialist language teachers. There is no single administrative model, although centralised language provision for specialists in other disciplines, mostly delivered by the Language Centre, remains the most common. Many Language Centres benefit from central university funding, or at least central funding of premises and staff salaries. Traditionally there have been “tensions” (HEFCE 2009: 29) between “content” specialists in literary, cultural and area studies, on open-ended full-time contracts including research leave, who have more or less willingly and more or less competently taught the target language to specialist stu- 18 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 dents, and Language Centres, whose staff of qualified language teachers faced much less favourable contracts of employment. But today the Language Centre teaching brief may also extend to the language element of specialist Modern Language degrees, and in the face of so many external pressures, nearly all university linguists now eschew the old sectarianism, as the AULC Chair opted to do more formally (http: / / www.aulc. org/ documents/ academic.doc). Innovative solutions have been adopted at Birmingham, where the Director of the Language Centre is also Head of the School of Languages, and at Bristol where a Director of Foreign Language Teaching is to be appointed within the School of Modern Languages to oversee both specialist and non-specialist teaching. Comparing specialists and non-specialists in 1996 (C OLEMAN 1996b), I found that science specialists were on average less proficient than linguists, more likely to be male, and more likely to be instrumentally rather than integratively motivated. Career orientations remain a more common reason for following a language course than lifestyle choices. The 2005/ 06 AULC survey (http: / / www.llas.ac.uk/ resourcedownloads/ 2406/ byrne. pps) of sample institutions found that non-specialist language students were 61% female, 30% postgraduate, and only 70% British. No less than 14% were students from other EU countries (who pay fees at UK levels unless they are on Erasmus exchanges, in which case they pay no fees) and 16% non-EU international students (who pay far higher fees than UK or EU students). HESA data tells the same story of a growing share of non-UK students on non-specialist language modules, rising from 7% (other EU) and 9% (non-EU) of takers in 2002/ 03 to 10% and 13% respectively in 2007/ 08. It seems that students who do not have English as a mother tongue not only appreciate the career importance of mastering English, but also the value of adding additional languages to their portfolio, while too many UK-born English native speakers, as I have often lamented (e.g. C OLEMAN 2009a), fail to grasp the importance of learning even one foreign language, especially within less advantaged socio-economic groups. UKbased students thus made up a decreasing proportion of non-specialist students on accredited language modules, falling from 83.6% in 2002/ 3 to 77.1% in 2007/ 8. The prominence of EU students among Language Centre clients has even received national press coverage (Times Higher Education 26 January 2012), when Reading’s Vice-Chancellor testified to a House of Lords enquiry that overseas students who were often already proficient linguists were far keener to take extra language modules in UK universities than their British peers: ‘The greatest take-up of foreign language courses is from foreign-students taking up a four [sic] or fifth language’. (http: / / www.times highereducation.co.uk/ story.asp? sectioncode=26&storycode=418824). HESA data for 2002-2008 show that most students took just one language module, although one in five took two and one in ten opted for three or more. Over the six years, women consistently made up three-fifths, and full-time students around twothirds of the cohort. Their home discipline, if not an unspecified ‘Combined’ degree programme, was likely to be Business, Linguistics, a Social Science or a Humanity. Target languages were not always specified, but whereas in 2002/ 3 French outperformed Spanish, German, Italian, Japanese, Russian and Chinese, by 2007/ 8 Spanish had Non-specialist linguists in the United Kingdom 19 FLuL 41 (2012) • Heft 2 overtaken French, Italian had overtaken German, and both Chinese and Russian had overtaken Japanese. Forty percent of non-specialist language students were on the first year of their degree course, and a further 28% on the second year, although all years of study were represented. The language element typically counted for between 10% and 20% of their total credits. European languages remain most popular, with French, Spanish, German, and Italian leading the list. At the end of the academic year, in each of 2010 and 2011, an online survey of nonspecialist language students was carried out on behalf of the Department for Business, Innovation and Skills (BIS) by LLAS (the Centre for Languages, Linguistics and Area Studies based at the University of Southampton) through two networks: UCML and AULC. The link to the online survey was sent to individual learners. The respondents were self-selected, their numbers represented only about 2% of the whole population, and the sample was opportunistic rather than structured: it therefore cannot be considered truly representative. Nonetheless, the numbers of respondents, and the fact that they were attending a range of tertiary institutions, does lend some validity to the data. For the surveys, a ‘non-specialist’ was defined as a student who was not taking a fullor part-time undergraduate or postgraduate degree in which a language is either named (e.g. BA French, BSc Mathematics with Spanish) or implied (e.g. BA European Studies, BA Applied Languages). These non-specialist learners thus include • undergraduate or postgraduate students taking language courses as part of their degree, but not in a quantity sufficient for the language to be named in or implied in the student’s programme title. The amount of language study necessary to be part of a named degree is likely to vary by institution; • undergraduate or postgraduate students taking university accredited language courses in addition to (and not counting towards) their programme of study; • learners who are undertaking a university accredited language course, but are not registered for any undergraduate or postgraduate study; • a learner undertaking a language course provided by an HEI, but accredited by another organisation or not accredited at all. 1255 students responded to the 2010 survey (http: / / www.ucml.ac.uk/ news/ 104), representing more than twenty institutions, and 1191 to that in 2011 (of whom 174 were studying more than one language). In order of popularity, Spanish was ahead of French, German and Italian, with Japanese and Chinese very close to each other and ahead of Arabic. One in five 2011 respondents, and one in three in 2010, were aged over 35. While nearly all 18-21-year-olds were full-time undergraduates, older students were more likely to be taking just the language module (overall about one in three students was not following any other courses), and more likely to be regular visitors to a country where the language was spoken. Women made up 63.8% of respondents. More than a quarter were not native speakers of English. A majority of students of French, and, to a lesser extent, those of German and Spanish, had learned the language before, mainly at school, and often unsuccessfully. Those seeking a new language were likely to opt for Spanish. 20 James A. Coleman FLuL 41 (2012) • Heft 2 The adoption of the Common European Framework of Reference (CEFR) in order to benchmark proficiency levels is probably less advanced in the UK than elsewhere in Europe, but it was nonetheless surprising that nearly half were unable to articulate in any way their current or target level - although less surprising once the wide range of locally consistent but nationally incoherent course labels is taken into account. Most students intended to continue their study at a higher level, but there were concerns about availability, and in fact, as all those involved with University Language Centres know well, the road to hell is paved with good intentions, and the number actually continuing is far lower. Although fewer than one in ten believed that language skills were essential for their job, three-quarters recognised their generic importance for employability. Virtually all respondents (over 96%) claimed to be enjoying the course, but, as is typical of all opt-in surveys, many of the open comments were either very enthusiastic or very critical towards the teacher. Students’ main subject was likely to be Business, a Social Science or a Physical Science rather than a Humanity. While most students were earning credits for their language modules, and a few students were even more focused on getting credits than on attending the classes, for a substantial minority what counted was the pleasure and achievement of language learning, with assessment and certification an irrelevance or even a distraction. 5. The Open University The Open University is the UK’s largest university, with over 250,000 students. Because of the perceived difficulty of learning a language at a distance in the days before easy real-time many-to-many communication online or by telephone, a programme of languages was initiated only in 1991, with the first module offered in 1995. By 2010, The Open University (OU) was recruiting 10,000 students a year to its language modules in French, Spanish, German (all available from beginners to degree level) and to beginner and intermediate modules in Italian, Chinese and Welsh. The particular approach to teaching languages at a distance, and its evolution to match rapidly developing technologies, has been described at different stages (e.g. B AUMANN 1999 [in press], C OLEMAN 2006b, C OLEMAN [et al.] 2010, C OLEMAN and V IALLETON 2011), and an intensive research programme instituted since 2001 has led to over 300 publications related to multimedia and distance language learning. With its “open to all” policy recruiting a wide range of students from the completely unqualified to highly qualified academics (C OLEMAN and F URNBOROUGH 2010), the OU now represents 7.5% of language students on first degrees, and 10.3% of those on other undergraduate courses - in other words one in ten of all non-specialist language learners in UK higher education. Since openness to places and to student preferences means that attendance at face-toface and online tutorials is voluntary, the learning materials must be of the highest quality. It is said that every British University uses some pirated OU materials in its language courses, and international demand is extraordinarily high. During its three Non-specialist linguists in the United Kingdom 21 FLuL 41 (2012) • Heft 2 years on iTunesU (http: / / open.edu/ itunes/ ), the OU has become the world’s most popular source of online university learning materials, with over 40 million worldwide downloads. Languages consistently feature in the top ten, with Beginners French usually leading; but, interestingly, with Chinese more popular than Spanish in global terms. The OU app Chinese Characters First Steps for iPhone and iPod Touch (http: / / itunes.apple.com/ us/ app/ chinese-characters-first-steps/ id441549197? mt=8) also reflects the constant innovation, which is changing the landscape for non-specialist language learners. 6. Conclusion As L ANVERS (2012) has shown, awareness of the role of English as an international Lingua Franca need not dissuade UK-based native speakers from taking an interest in acquiring foreign languages. While recruitment to specialist Modern Language degrees has shown a consistent year-on-year increase since 2004, albeit to a shrinking number of surviving departments, numbers of non-specialist language students also remain buoyant overall, in spite of administrative and financial changes. I am confident that under the new fee regime, with students ever more aware of university education as an investment, the demonstrated employability advantages of acquiring language skills will attract growing numbers of specialists in other disciplines to add one or more foreign languages to their Curriculum Vitae - especially as increasingly internationalised campuses provide the glowing example of non-UK students taking full advantage of the courses on offer. Literature A LEXANDER , Richard (2008): “International Programmes in the German-speaking World and Englishization: a Critical Analysis”. In: W ILKINSON , Robert / Z EGERS , Vera (eds.): Realizing Content and Language Integration in Higher Education. Maastricht: Maastricht University, 77-95. B AUMANN , Uwe (1999): “Deutsch im Fernstudium an der Open University”. In: K ISCHEL , Gerhard / G OTSCH , Eva (eds.): Wege zur Mehrsprachigkeit im Fernstudium. Hagen: FernUniversität Hagen, 209-220. 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The first section outlines the design and methodological approach of the study. This is followed by a summary of the students’ language test results in English and German. The second section presents some of the major findings of our study, drawing on data from the student and teacher questionnaires and interviews. The final section provides a brief discussion of some pedagogical, linguistic and language policy implications of the present study. 1. Kontext und Zielstellungen Der vorliegende Beitrag 1 präsentiert die Ergebnisse einer empirischen Studie zu den Sprachverwendungserfahrungen, zum Sprachstand und zum Sprach(förder)bedarf internationaler Studierender in ganz oder dominant englischsprachigen Studiengängen an deutschen Hochschulen. 2 Das Ziel der Studie war es, einen Einblick in die reale Sprachensituation in derartigen Studiengängen zu erlangen und durch die Interpretation der * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Christian F ANDRYCH , Universität Leipzig, Herder-Institut, Philologische Fakultät, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-Mail: fandrych@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Wissenschaftssprache, Textlinguistik, Sprachdidaktik. Betina S EDLACZEK , M.A., Universität Leipzig, Herder-Institut, Philologische Fakultät, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-Mail: betina.sedlaczek@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Wissenschaftssprache, Grammatik, Sprachdidaktik. 1 Für einen detaillierten Gesamtüberblick über die Ergebnisse der Studie vgl. F ANDRYCH / S EDLACZEK (2012). 2 Sie werden in der Folge in diesem Beitrag auch - eigentlich unzulässig verkürzt - als „internationale“ Studiengänge bezeichnet. Das Attribut „international“ wird häufig verwendet, um rein oder dominant englischsprachige Bildungsangebote zu bezeichnen. Gegen diesen Sprachgebrauch ist einzuwenden, dass es auch viele andere Studiengänge gibt, die „international“ sind, was die Teilnehmenden anbelangt; zum anderen suggeriert das Attribut „international“ eine Vielfalt in kultureller und sprachlicher Hinsicht, die in der Realität durch die alleinige Nutzung des Englischen gerade nicht gegeben ist. 26 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 erhobenen Daten einen Beitrag zur Diskussion um sprachliche Fördernotwendigkeiten bzw. Qualitätsmerkmale von internationalen Studiengängen zu leisten. Die Studie wurde in den Jahren 2008-2009 mit Unterstützung des DAAD und der Universität Leipzig durchgeführt. 3 Sie kann keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, sondern versteht sich als Fallstudie; die vorliegenden Ergebnisse scheinen aber durchaus Tendenzen aufzuzeigen, die über die hier untersuchten Studiengänge hinaus gültig sind. Im Mittelpunkt der Studie stehen dabei die internationalen Studierenden, daneben auch die Erfahrungen der Dozentinnen und Dozenten sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren, die an solchen Studiengängen maßgeblich beteiligt sind. Studierende deutscher Muttersprache wurden von der Studie nicht erfasst 4 , denn es war ein Hauptziel der vorliegenden Untersuchung, empirisch zu untersuchen, wie die nicht-deutschen Studierenden sprachlich agieren und welche Rollen dabei insbesondere dem Englischen und dem Deutschen zukommen. Aus sprachenpolitischer Sicht ist auch interessant, inwieweit derartige Studienangebote dazu beitragen, das Deutsche als Wissenschaftssprache zu fördern und so eine sprachlich vermittelte nachhaltige Bindung von Stipendiatinnen und Stipendiaten an den deutschen Wissenschaftsraum zu schaffen. 5 Bei der Auswahl der Studiengänge war uns wichtig, möglichst verschiedene Typen von Hochschulen (Universitäten, Technische Hochschulen, Fachhochschulen) sowie eine gewisse Streuung bei der geographischen Verteilung (neue und alte Bundesländer) zu berücksichtigen. Dabei erwies es sich aber als eine zentrale Herausforderung, überhaupt genügend geeignete Studiengänge für eine Kooperation zu gewinnen, so dass die Wahl der verschiedenen Studiengänge und Hochschulen am Ende teils von der Kooperationswilligkeit der Studiengangskoordinatoren und Hochschulen abhing. Die Studie wurde vom Herder-Institut der Universität Leipzig in Verbindung mit dem Sprachenzentrum der Universität Leipzig durchgeführt. 6 Insgesamt wurden sieben deutsche Hochschulen mit je einem dominant englischsprachigen Masterprogramm untersucht. Konkret standen folgende Forschungsfragen im Mittelpunkt der Untersuchung: • Welche Rolle(n) spielen Deutsch und Englisch in den ausgesuchten internationalen postgradualen Studiengängen? • Über welchen Sprachstand verfügen internationale Studierende im Englischen und Deutschen? • Welche Spracheinstellungen und -lernbiografien weisen Lehrende und Studierende internationaler Studiengänge auf? 3 Dem DAAD sei an dieser Stelle nachdrücklich für die Förderung gedankt. 4 Dass dies auch eine sehr interessante Untersuchungsperspektive darstellt, zeigt u.a. die Studie von A M - MON / M C C ONNELL (2002). 5 Vgl. „Deutsch als Wissenschaftssprache - Gemeinsame Erklärung“ von AvH, DAAD, Goethe-Institut und HRK 2009 - www.daad.de/ portrait/ presse/ pressemitteilungen/ 2009/ 10005.de.html (08.04.2011). 6 Neben den Verfassern waren daran Erwin T SCHIRNER , Beate R EINHOLD , Olaf B ÄRENFÄNGER , Antje F RÖHLICH , Erin B OGGS sowie Abigail S CHNITZLEIN beteiligt. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 27 FLuL 41 (2012) • Heft 2 • Wie sieht die sprachliche Realität von internationalen Studierenden in solchen Studiengängen aus? Wie wird die Mehrsprachigkeitskonstellation inner- und außerhalb der Hochschule erfahren (Dozenten, Studierende)? • Welche Sprachlernangebote gibt es? Wie werden diese genutzt und bewertet? • Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die Sprachsituation von Studierenden und Lehrenden zu verbessern? 2. Methodisches Vorgehen Für die Kontaktaufnahme mit in Frage kommenden Studiengängen nutzten wir die Datenbank des DAAD. 7 Wichtig war neben den oben angeführten Kriterien auch, zumindest einige Studiengänge mit einzubeziehen, bei denen Sprachkurse bzw. die Sprachförderung im Deutschen als Fremdsprache obligatorischer Bestandteil des Studiengangs waren. 8 Folgende Studiengänge konnten schließlich für die Studie gewonnen werden: • TU Dresden: Tropical Forestry and Management • Universität Stuttgart: Master’s Programme Infrastructure Planning • Humboldt-Universität zu Berlin: Master’s Program in Economics and Management Science • TU München: International Master’s Programme Land Management and Land Tenure • Universität zu Köln: International Master of Environmental Sciences • Leibniz-Universität Hannover: Master of Science in International Horticulture • Justus-Liebig-Universität Gießen: Master of Transition Studies. In der Studie wurden drei aufeinander abgestimmte Forschungsinstrumente verwendet: der Hochschulsprachtest (HST), Online-Fragebögen sowie Leitfadeninterviews. Zunächst wurden in einem ersten Schritt Fragebögen für Studierende und Dozenten entwickelt (teils in Anlehnung an andere bereits durchgeführte Studien, etwa die von A MMON / M C C ONNELL 2002). Nach einer Pilotierung und Revision wurden diese dann mithilfe von LimeSurvey 9 online umgesetzt. Über die Studiengangskoordinator/ inn/ en wurden die Studierenden und Lehrenden an allen Standorten kontaktiert und um Unterstützung gebeten. Die Daten wurden sodann mithilfe von LimeSurvey und SPSS aufbereitet und ausgewertet. Der Rücklauf war sehr zufriedenstellend: er betrug durchschnittlich zwischen 40 und 60% der Befragten. Insgesamt liegen Fragebogenergebnisse von 84 Studierenden und 58 Dozentinnen und Dozenten vor. Zentrale Konstrukte des Fragebogens für die Studierenden waren die Sprachlernbiografie, die Selbstein- 7 Vgl. www.daad.de/ deutschland/ studienangebote/ international-programmes/ 07535.de.html (08.04.2011). 8 Die vom DAAD geförderten Studiengänge an der Universität Stuttgart und an der HU Berlin wiesen entsprechend obligatorische Sprachmodule bzw. -kurse auf. 9 Vgl. www.limesurvey.org (08.04.2011). 28 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 schätzung der Sprachkenntnisse im Englischen und Deutschen, die Gründe für die Wahl des Studiums, die Wahrnehmung von sprachpraktischen Angeboten vor Beginn und während des Studiums, die Situationen und Kontexte, in denen das Deutsche und das Englische verwendet werden und die dabei gesammelten Erfahrungen, sowie die Einschätzung der Sprachkenntnisse der Kommilitonen und Dozenten. Für die Dozenten stand vor allem der Umgang mit dem Englischen und dem Deutschen im universitären Alltag, die Einschätzung der Sprachkompetenzen der Studierenden und der Kolleginnen bzw. Kollegen sowie die Einschätzung der bilingualen Studiensituation im Vordergrund. Der Hochschulsprachtest kam nur an drei Standorten zum Einsatz, da die Durchführung dieses Tests mit hohem organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden ist. Ursprünglich war geplant, an diesen drei Standorten zusätzlich auch die englische Sprachkompetenz der Dozentinnen und Dozenten zu erheben. Dies musste allerdings aufgrund mangelnder Bereitschaft auf Dozentenseite aufgegeben werden, so dass deren Englischkompetenz nur über Selbst- und Fremdeinschätzungen indirekt rekonstruiert werden kann. Dies ist sehr bedauerlich, spricht aber vielleicht auch für sich selbst. Die Sprachtests wurden vor Ort von Projektmitarbeiterinnen durchgeführt und am Sprachenzentrum der Universität Leipzig ausgewertet. Die semistrukturierten Leitfadeninterviews wurden als Instrument zur Vertiefung bestimmter Themen und Fragestellungen, die auch schon in den Fragebögen angesprochen wurden, entwickelt. Hier standen insbesondere die Erfahrungen mit der Sprachverwendung und mit den sprachpraktischen Angeboten bzw. der Bedarf und das Interesse an entsprechenden Angeboten im Vordergrund. Insgesamt wurden 27 Studierende und 10 Dozenten und Dozentinnen - verteilt auf alle Standorte - interviewt. Die Interviews wurden im Anschluss vollständig transkribiert 10 und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet. 3. Ergebnisse des Hochschulsprachtests (HST) Der Hochschulsprachtest (HST), der zwischen 2006 und 2008 an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Bildungsportal Sachsen entwickelt wurde 11 , erlaubt es, die vier Fertigkeiten sowie den Wortschatzstand für verschiedene Sprachen - u.a. auch für das Englische und Deutsche - webbasiert zu testen, was eine hohe Vergleichbarkeit der Testergebnisse erlaubt. Der Einsatz des HST wurde wesentlich von der Universität Leipzig (Sprachenzentrum) unterstützt. 12 Für das Deutsche wurde auf den Niveaustufen B1 / B2, für das Englische auf den Niveaustufen B2 / C1 getestet, da wir davon ausgegangen waren, dass aufgrund der Eingangsvoraussetzungen der Stu- 10 Die Transkriptionskonventionen für die Studierenden- und Dozenteninterviews befinden sich im Anhang (  S. 41). 11 Vgl. www.hochschulsprachtest.de (08.04.2011). 12 Unser Dank gilt hier insbesondere Olaf B ÄRENFÄNGER und Erwin T SCHIRNER . Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 29 FLuL 41 (2012) • Heft 2 diengänge alle Studierenden zumindest über B2-Kenntnisse im Englischen verfügten und dass die Deutschkenntnisse auf einem niedrigerem Niveau angesiedelt seien. Insgesamt wurden HST-Ergebnisse von 48 Studierenden ausgewertet (allerdings nahmen nicht alle Studierenden an allen Testteilen teil). Diese befanden sich zum Messzeitpunkt am Ende des ersten Semesters des Studienprogramms. Testteil (1) überprüfte den produktiven und rezeptiven Wortschatz und die Fertigkeiten Lesen und Schreiben, Testteil (2) die Fertigkeit Hören, Testteil (3) die Fertigkeit des freien Sprechens der Teilnehmer. Die Ergebnisse waren insgesamt ernüchternd: Deutsch - Keiner der Studierenden erreichte durchweg für die produktiven Fertigkeiten des deutschen Tests ein B2-Niveau. Beim produktiven Wortschatz wurde das Niveau B1 von 42 (95,5%, N=44) Studierenden nicht erreicht. Beim Testteil Schreiben erreichten 38 Studierende (90,5%, N=42) das Niveau B2 nicht. Mit Blick auf die rezeptiven Fertigkeiten Lesen und Hören und den rezeptiven Wortschatz ergab die Testdurchführung, dass die Mehrheit der Studierenden nicht über Kenntnisse auf dem Mittelstufenniveau B1 verfügte. Insgesamt wird deutlich, dass ein Großteil der Teilnehmer unterhalb des Niveaus B1 lag und somit allenfalls ein Grundstufenniveau vorweisen konnte. Dies zeigt deutlich, dass ohne starke Förderung der deutschen Sprache die Studierenden keine angemessene alltagssprachliche produktive Kompetenz und keine rezeptive Grundkompetenz im Wissenschaftsdeutschen erreichen können. Die - mancherorts gehegte - Hoffnung, die Studierenden könnten zumindest ausreichende alltagssprachliche Kenntnisse auch ohne institutionelle Förderung erwerben, ist ebenfalls mehr als unwahrscheinlich - schließlich hatten die getesteten Studierenden schon mindestens ein Semester lang in Deutschland gelebt. Englisch - Für das Englische kann man davon ausgehen, dass die Niveaustufe B2 den zentralen Richtwert darstellt, da sie Zugangsvoraussetzung für alle von der vorliegenden Studie untersuchten Studiengänge war. Im Bereich der produktiven Fertigkeiten wurden wiederum die Wortschatzkompetenz und die Fertigkeiten Schreiben und Sprechen getestet. Lediglich eine Person erzielte im Wortschatz und für die Fertigkeit Sprechen ein Ergebnis auf Niveau B2 und im Testteil Schreiben das Niveau C1. Keine der übrigen Personen konnte durchgängig das geforderte B2-Niveau für die produktiven Fertigkeiten erreichen. Insgesamt konnten nur zwölf Teilnehmer für alle rezeptiven Fertigkeiten ein B2-Niveau erreichen. Es sind demnach bei den internationalen Studierenden nicht nur gravierende Schwierigkeiten im Deutschen, sondern auch sehr besorgniserregende Defizite im Englischen zu verzeichnen. Die Ergebnisse des HST stehen zudem zum Teil in starkem Kontrast zu den positiven Selbsteinschätzungen der Lerner bezüglich der eigenen Englischkenntnisse, die den Ergebnissen des Fragebogens zu entnehmen sind. Im Folgenden gehen wir auf die Ergebnisse der Online-Fragebögen sowie der semistrukturierten Leitfadeninterviews ein. 30 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 4. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung für Studierende Was die Herkunft anbetrifft, so war die Gruppe der Studierenden, die an der Fragebogenstudie teilnahm, recht heterogen, jedoch lässt sich erkennen, dass der Großteil der Herkunftsländer in Afrika (bspw. Äthiopien, Kenia, Ghana, Ägypten) und Asien (bspw. Nepal, VR China, Myanmar) liegt. Nur 15,5% der befragten Studierenden waren englische Muttersprachler (davon stammten drei Personen aus den USA, drei Personen aus Ghana, drei Personen aus Kenia, zwei Personen aus Kamerun und eine Person jeweils aus Jamaika und Nigeria). Der hohe Anteil von Studierenden aus unterschiedlichen Ländern legt daher nahe, dass die untersuchten Studiengänge in Schwellen- und Entwicklungsländern besonders hoch nachgefragt zu sein scheinen. Ein wichtiger Schwerpunkt des Fragebogens waren die Beweggründe und die Motivation der Studierenden für ein Studium in Deutschland. Tabelle 1 verdeutlicht die Gründe, welche die Studierenden für die Wahl eines Studiums in Deutschland nannten: Gründe für ein Studium in Deutschland Häufigkeit weil mich das Studienangebot fachlich anspricht 73 weil das Studienangebot auf Englisch ist 71 weil deutsche Hochschulen international allgemein einen guten Ruf haben 68 weil meine Bewerbung an dieser Hochschule erfolgreich war 44 weil ich im Rahmen dieses Studiums die Möglichkeit habe, Deutsch zu lernen 42 wegen des Renommees meiner jetzigen Hochschule 37 weil es in Deutschland keine/ nur geringe Studiengebühren gibt 36 um meine Kenntnisse und Fähigkeiten in der englischen Sprache zu verbessern 35 um später in einem englischsprachigen Land arbeiten zu können 33 um meine Kenntnisse und Fähigkeiten in der deutschen Sprache zu verbessern 32 um später in einem deutschsprachigen Land arbeiten zu können 27 um in einem anderen Land arbeiten zu können 18 Tabelle 1: Gründe für ein Studium in Deutschland 13 Die Tabelle zeigt, dass die Studierenden als Hauptgründe für ein Studium in Deutschland das fachliche Studienangebot (N=73) und die Tatsache, dass das Studium auf Englisch angeboten wird (N=71), angaben. Des Weiteren sind der Ruf deutscher Hochschulen (N=68), die erfolgreiche Bewerbung an der Hochschule (N=44) und das Renommee der jetzigen Hochschule (N=37) für die Wahl des Studiengangs entscheidend. 42 Studierende gaben als ein Motiv für das Studium in Deutschland auch das Erlernen der deutschen Sprache an, 32 nannten das Motiv, ihre Deutschkenntnisse verbessern zu 13 N=83, Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten möglich. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 31 FLuL 41 (2012) • Heft 2 wollen. Die geringen bzw. nicht vorhandenen Studiengebühren wurden von 36 Personen als wichtiger Grund genannt. 35 Personen erhofften sich die Verbesserung ihrer Kompetenz in der englischen Sprache. Immerhin 27 Studierende gaben als Motiv an, später in einem deutschsprachigen Land arbeiten zu wollen. Bei aller Vorsicht bezüglich dieser Angaben wird doch deutlich, dass durchaus ein substanzielles Interesse an der Verbesserung der eigenen Deutschkenntnisse besteht. Man könnte diese Zahlen so interpretieren, dass die Deutschkompetenz sicher nicht immer das wichtigste Motiv für ein Studium in Deutschland ist, dass sie jedoch zumindest ein wichtiges zusätzliches Ziel darstellt, das mit dem Studium in Deutschland verbunden wird. 14 Dieses Ziel lässt sich aber in den von uns untersuchten Studiengängen kaum realisieren, denn die dort angebotenen Deutschförderangebote waren unzureichend oder gar nicht in die Studiengänge integriert und kaum passgenau (s.u.). Dass Kenntnisse in der deutschen Sprache von den Hochschulen nicht hoch angesetzt werden, wird auch daran deutlich, dass Deutsch bei keinem der in der Studie untersuchten Studiengänge als Zugangsvoraussetzung eine Rolle spielte. Lediglich für DAAD-Stipendiaten war die Teilnahme an einem zweimonatigen Kurs im Vorfeld obligatorisch. Im Gegensatz dazu waren Kenntnisse der englischen Sprache für alle Studierenden aus nicht-englischsprachigen Ländern auf den Niveaustufen B2 / C1 als Zugangsvoraussetzung nachzuweisen (Berlin: IELTS: band 6,5; TOEFL: 560/ 230/ 89; für alle übrigen Studiengänge IELTS: band 6; TOEFL: 550, 213, 79). Den Ergebnissen des Fragebogens ist jedoch zu entnehmen, dass insgesamt 47 (58,8%) Studierende für die Zulassung keinen Sprachtest nachweisen mussten (s. Tab. 2). Dies kann zum einen darin begründet sein, dass ein englischsprachiger Bachelorabschluss als Ersatz anerkannt wurde (wie das laut S OLTAU 2008 häufiger der Fall ist) oder dass bei Herkunft aus Ländern, in denen die Amtssprache Englisch ist (bspw. Kamerun, Kenia, Ghana), kein Sprachtest gefordert wurde. Sprachtest für Englisch als Eingangsvoraussetzung N=80 Ja 33 Nein 47 Gesamt 80 Tabelle 2: Mussten Sie bzw. müssen Sie englische Sprachtests für Ihren Studiengang vorweisen? Es stellte sich die Frage, ob das Deutsche in dominant englischsprachigen Studiengängen überhaupt eine Rolle spielt, und wenn ja, bei welchen Aktivitäten und in welchen Bereichen (etwa in Lehrveranstaltungen, bei der Lektüre von Fachliteratur, bei der Studienorganisation). Daneben interessierte uns, ob es dabei dann aus Sicht der Studierenden zu Schwierigkeiten kam. Tabelle 3 (  S. 32) verdeutlicht zunächst, welche 14 Dies bestätigt sich auch in den ausgewählten Leitfadeninterviews, s. u. 32 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 sprachlichen Schwierigkeiten die Studierenden bei der Verwendung des Deutschen wahrnahmen: 79,2% der Studierenden (N=77) nannten sprachliche Schwierigkeiten bei der Lektüre von Fachliteratur, 61,8% (N=76) bei der Organisation ihres Studienalltags, 60,5% (N=76) bei der Kommunikation auf Deutsch im privaten Bereich sowie 53,9% (N=76) bei der Organisation des Alltagslebens (bspw. bei Behördengängen oder Abschluss eines Mietvertrages). Dies zeigt, dass die mangelnde Sprachkompetenz die Bewältigung des Alltags stark beeinträchtigt (vgl. auch G NUTZMANN / L IPSKI -B UCH - HOLZ 2008: 157). Sprachliche Schwierigkeiten im Deutschen Häufigkeit N bei Lektüre von Fachliteratur auf Deutsch 61 77 bei der Organisation meines Studiums (z.B. im Studentensekretariat, in der Bibliothek) 47 76 bei der Kommunikation auf Deutsch mit privaten Kontaktpersonen 46 76 bei der Organisation meines Alltagslebens (z.B. Meldebehörde, Mietvertrag) 41 76 Tabelle 3: Sprachliche Schwierigkeiten im Deutschen 15 Indirekt wird so auch deutlich, dass in den verschiedenen Studiengängen auch studienrelevante deutschsprachige Anteile vorhanden sind. Dies wird durch die Leitfadeninterviews bestätigt (s.u.). Diese Anteile sind aber nicht Teil eines bewussten Mehrsprachigkeitskonzepts, sondern ungeplant und den Umständen geschuldet. Wir möchten im Folgenden exemplarisch eine Auswahl an verschiedenen Studierendenäußerungen aus den Leitfadeninterviews zu konkreten Situationen vorstellen. Die Studierenden Ja Nein Teilweise Keine Angabe N ... sagen, dass deutliche Schwierigkeiten verursacht werden, weil internationale Studierende manchmal Deutsch im Rahmen des Masterprogramms verwenden müssen 8 16 8 0 11 27 Tabelle 4: Leitfadeninterview: Sprachverwendung Deutsch Aus Sicht der Studierenden wären für das Studium insbesondere rezeptive fachbezogene (Lese-)Kompetenzen relevant. Die Interviews geben einen detaillierten Einblick in die Sprachrealität der Studierenden, wie das folgende Zitat aus einem Telefoninterview mit einem/ einer Studierenden zeigt: 15 Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten. 16 Setzt sich aus den Stimmen sieben ausländischer Studierender und eines bilingualen Studenten mit deutschem Pass zusammen. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 33 FLuL 41 (2012) • Heft 2 And if I go to library, there may be 25 per cent or 30 per cent literature in English, and maybe, 60 per cent, 70 per cent of literature available in German, and when I study here, I can use only, how say, 25 per cent of library. […] Another part, that's future contacts with Germany. I think I learn and I will keep for the future... there are a lot of things I can get if I will improve scope of my language. Shouldn't be only English, I think. (D_13S): 4/ 31 17 Deutsch spielt nicht nur eine wichtige Rolle in administrativen, studienorganisatorischen Angelegenheiten (etwa bei Briefen, E-Mails, in der Kommunikation mit der Universitätsverwaltung). Auch schriftliche Lehrmaterialien, (wie z. B. Skripte und Präsentationen) waren häufig auf Deutsch verfasst, was aus Sicht der Studierenden problematisch war. In den Studiengängen wurde teils kompensatorisch versucht, etwa Vortragsfolien mündlich ins Englische zu übersetzen und somit das Verständnisproblem zu beheben, vgl.: [W]e have to deal with many problems in some of the materials from the lectures that it's remaining in German, and sometimes it's very difficult to understand the graphs and the pictures and all the materials. […] I mean, we have a specific situation last semester, in the first semester that on a specific matter we received all the reader, all the script to study, and we found that there was a lot of difference in the notation and the quotation of the formulas; it was in German, so sometimes it's really complicated. And in the very beginning sometimes it's a stress.. very stressful. (B_03S): 4/ 21 E_27S: Well, they try to translate it for us orally. And basically that's it. And usually they say, "Oh this slide is not important and that's why it's still in German and not in English." So, that's why. I: Okay. Do you feel that the way things are now, that you're satisfied with the level of English that's used in class by the professors, or would you say that it could be improved or that it should be improved? E_27S: From the professors, it could be improved, yes. Because we have some professors that, they're good, but since they don't have enough English, they don't um... They cannot really communicate. Can't send the message that they want to. (E_27S): 5/ 27 Aus den Interviewauszügen wird deutlich, dass ein sprachliches Dilemma besteht. Einerseits erwarten die Studierenden, dass die Lehre vollständig auf Englisch stattfindet. Zum anderen würden ausreichende Deutschkenntnisse helfen, die deutschen Unterrichtsmaterialien zu verstehen und an deutschen Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Weitere Äußerungen zeigen, dass auf Seiten der Studierenden der Wille und die Motivation vorhanden sind, Deutschkurse zu besuchen und so auch in die Lage zu kommen, deutsche Studieninhalte zu verstehen, vgl.: A_20S: Uh, the lectures are given in English, the professors teach in English, although sometimes there are some complications with the university, maybe letters or emails, some of them are in German. That can be a bit frustrating. I: What do you do in that case? 17 Konkret steht das Kürzel „(D_13S): 4/ 31“ für einen/ eine Studierende. Dabei ist „D_13“ das Kürzel für den Probanden/ die Probandin, „S“ ist die Kennzeichnung als Student/ Studentin, „4“ steht für die Seite in der Transkription (hier Seite vier) und „31“ steht für die Zeile, in diesem Beispiel Zeile 31. 34 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 A_20S: Well, sometimes get a friend to translate it for me or put it on the web and see if I can translate it. I: And do you think that it should be the programme's responsibility to make sure that things come through in English? A_20S: Yes. And I think it should also be a privilege that the programme should give students from the start, to learn German so that they can get more integrated into society, even though they are not being taught in German. (A_20S): 4/ 25 F_09S: But we only have two months of German language course, and it's not enough for us to really be able to speak and understand the language. So, it works that way. If we still are not capable of understanding everything in German then I think it will be better if materials are to be translated in English. (F_096): 6/ 38 Unser Fragebogen zeigt zudem, dass die Mehrheit der Studierenden zumindest gewisse Deutschkenntnisse besaß und diese ausgebaut werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, näher nach der im Studium erfahrenen Sprachförderung für das Deutsche zu fragen. 61% der internationalen Studierenden besuchte zum Zeitpunkt der Befragung einen Deutschkurs; ernüchternd war aber, dass über die Hälfte von ihnen den besuchten Deutschkurs als „nicht hilfreich“ einschätzte, wobei die Gründe hierfür unterschiedlich waren, wie die Telefoninterviews zeigten. Insgesamt scheinen die Deutschlernangebote viel zu wenig passgenau und auch zeitlich mit dem Studienangebot nicht abgestimmt zu sein, vgl. exemplarisch das folgende Zitat: The [German] courses could be better. [...] I would say that they're like slow, for me. (D_14S): 2/ 28 Daneben stellt sich die Frage, warum knapp 40% der Studierenden keinen Deutschkurs besuchten. Der wichtigste Grund bestand im Zeitdruck und der fehlenden Integration der Deutschlernangebote in den Studiengang, vgl.: We are really constrained with time here. And I wanted to take extra German lessons, but my load in school wouldn't allow me now, because it's really very stressful now, so we can't learn German anymore. (F_09S): 11/ 8 Zusätzlich wurde im Fragebogen ein Schwerpunkt auf die Sprachverwendung des Englischen gelegt. Aus den Antworten ging hervor, dass gerade einmal neun von 80 Personen im vergangenen Semester ein englisches Kursangebot genutzt hatten - trotz der ernüchternden Ergebnisse des Hochschulsprachtests, die deutlich den in Wirklichkeit bestehenden Sprachförderbedarf der Studierenden aufzeigen. Die Richtigkeit dieser Einschätzung zeigte sich ebenfalls plastisch in den durchgeführten Telefoninterviews, vgl. exemplarisch eine studentische Fremdeinschätzung: Yeah, it's a challenge, because we have mates who can't really speak the English well, but I will say my class, we are very supportive of each other… you know what the person is trying to say. You could express it to the lecturer, ‘Oh, this is what he means, this is what he's trying to say.’ So, it's not really bad. (F_10S): 6/ 1 Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 35 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Das Zitat zeigt, dass sich viele Studierende zwar irgendwie zu behelfen wissen, aber weit von einer ausreichenden Sprachkompetenz im Englischen entfernt sind. Es ist ebenfalls symptomatisch für die Sprachsituation in internationalen Studiengängen insgesamt: Es fehlt an durchdachten Sprachkonzepten, die der Sprachrealität der Studierenden Rechnung tragen und die gleichzeitig sprachliche Zielsetzungen (im Deutschen wie im Englischen) und Fördermöglichkeiten zu einem Qualitätsmerkmal von Studiengängen machen. 5. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung für Dozenten/ -innen Die Bandbreite der Herkunftsländer der Dozenten ist deutlich begrenzter. Von den 58 befragten Dozenten hatten 13 eine andere Muttersprache als das Deutsche, lediglich drei waren englische Muttersprachler. Ein erster vertiefender Schwerpunkt des Fragebogens galt der Untersuchung der Sprachverwendung im universitären Alltag. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten die Tätigkeit im Englischen im Vergleich zum Deutschen als „genauso aufwändig“ (N=33) oder „aufwändiger“ (N=20) empfand (siehe Tab. 5). Fünf Personen beurteilten den Arbeitsaufwand als „weniger aufwändig“, wobei eine derartige Einschätzung zumindest von den englischsprachigen Muttersprachlern zu erwarten war. Häufigkeit Prozent Aufwändiger 20 34,48 genauso aufwändig 33 56,89 weniger aufwändig 5 8,62 Gesamt 58 100,00 Tabelle 5: Wie empfinden Sie den Arbeitsaufwand bei Tätigkeiten im Englischen im Vergleich zum Deutschen? Die Ergebnisse des Fragebogens lassen sich wiederum durch die Telefoninterviews genauer präzisieren. Einige der Dozenten unterstrichen, dass sie ihre Lehrveranstaltungen in internationalen Studiengängen zusätzlich zu ihrem regulären Lehrdeputat hinaus anböten. Dies führt leicht zu Überlastungserscheinungen, zudem fehlt meist jegliche sprachlich-kommunikative Hilfestellung: Viele Hochschullehrer fahren schon ihre... sind schon mit ihrer regulären Lehre ausgelastet. Dieser [Studiengang] ist ja sozusagen ein Bonus-Studiengang. Den macht hier jeder zusätzlich zu seinem regulären Deputat, aus reinem Interesse oder... ne? ! D.h. also (lacht) man ist dann auch angewiesen auf den guten Willen und eben... ja... (zögert) so etwas dann neu auszuarbeiten. (A_03D): 10/ 11 36 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 Diejenigen Dozenten, für die Englisch nicht Muttersprache war, beschrieben die Vorbereitung teilweise als „Übersetzungsleistung“, was zeigt, dass sie die Fachinhalte zunächst in deutscher Sprache konzeptualisierten. Im Vergleich dazu haben englische Muttersprachler diesbezüglich Vorteile: B_07D: Grundsätzlich ist es schwerer natürlich. Natürlich ist gut. Also, es ist vor allem deswegen schwerer, weil ich... ich denke auf Deutsch. Ja, und dann muss ich mir das sozusagen übersetzen. Ja, also ich denke nicht auf Englisch, wenn ich so ’ne Vorlesung überlege, sondern ich denke auf Deutsch. I: Und das ist dann quasi wie ’ne Übersetzung, die… B_07D: Ja! (B_07D): 4/ 37 Ein weiterer Schwerpunkt der Interviews war die Frage, ob die Mehrsprachigkeitskonstellation die Qualität der Lehre in den internationalen Studiengängen beeinflusse. Insgesamt halten sich hier die Meinungen die Waage, vgl.: Ja Nein N Die Nutzung einer Fremdsprache (Englisch) als Unterrichtssprache wirkt sich (im weiteren Sinne) negativ auf die fachliche Qualität des Studiums aus. 5 5 10 4 Dozenten/ Dozentinnen berichten, dass es ihrer Erfahrung nach zu Sprachbarrieren im universitären Alltag, d.h. außerhalb der Veranstaltungen, durch die Mehrsprachigkeitskonstellation komme. 4 Dozenten/ Dozentinnen berichten, dass ein zeitlicher Mehraufwand bei Lehrenden durch die Mehrsprachigkeitskonstellation entstehe. Tabelle 6: Probleme aufgrund der Mehrsprachigkeitskonstellation Es scheint den Dozenten schwer zu fallen einzuschätzen, wie durch die Mehrsprachigkeitssituation die Qualität der Lehre beeinträchtigt wird. Es entstehen häufiger Verständnisschwierigkeiten und Missverständnisse durch die Verwendung des Englischen als Lingua Franca, vgl.: [I]ch kann […] ganz schlecht beurteilen, ob das auch die Qualität in irgendeiner Weise beeinflusst. Grundsätzlich würde ich aber schon sagen: Ja! Wobei, das ist natürlich ein Problem, das auch dann auf der Empfängerseite entsteht, weil die Studenten ja auch zum Teil Englisch als Fremdsprache haben und dann... Naja, und wenn sich dann zwei Fremdsprachler miteinander unterhalten (schmunzelt), kommt halt nicht alles rüber. (B_07D): 2/ 28 Aber ich denke, die Situationen [Missverständnisse], wo's wirklich am Sprachlichen liegt, sind in den englischsprachigen Masterveranstaltungen schon häufiger das Problem als der inhaltliche Verständniszugang. (B_08D): 3/ 24 Ein weiteres Problem entsteht bei Praktika und berufsbezogenen Aktivitäten der Studierenden. Hier treffen sie häufiger auf ein Umfeld, in dem kein oder nur unzureichend Englisch gesprochen wird. Auch hierfür scheinen die Studiengänge keine zufriedenstellenden Konzepte ausgearbeitet zu haben: Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 37 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Hinzu kommt noch, dass wir zum Teil so Module anbieten, oder eben auch ja die Module eben so organisiert sind, dass das sehr praktisch stattfindet. Also wir dann direkt rausgehen mit den Leuten, vor Ort. Und dort die Personen, die Verantwortlichen kontaktieren, die eigentlich soweit mit Englisch überhaupt nichts zu tun haben. Also ganz normale Arbeitende, um dann von denen direkt 'nen Eindruck zu haben, um von denen Erfahrungen zu hören. Und da ist es dann so, dass die natürlich große Schwierigkeiten haben, sich auf Englisch auszudrücken. (E_02K): 9/ 5 Auch im Hinblick auf die berufliche Zukunftsperspektive der Studierenden müssen Konzepte erarbeitet werden, die die Studierenden in die Lage versetzen, auch sprachlich solche Praxiserfahrungen zu bewältigen. Gerade für Studierende, die nach ihrem Studienabschluss einen Beruf in Deutschland anstreben, sind Deutschkenntnisse gänzlich unumgänglich. Für eine Berufswahl im Herkunftsland und somit eine Rückkehr würden entsprechende Sprachkenntnisse im Deutschen die Aussichten auf eine Arbeitsstelle etwa in einem deutschen Unternehmen verbessern und ein besonderes Qualifizierungsmerkmal darstellen. Was die englischen Sprachkompetenzen der Dozentinnen und Dozenten anbetrifft, stellte sich uns die Frage, wie diese von ihnen selbst und von den Studierenden eingeschätzt wurden und inwiefern die Dozenten Fördermöglichkeiten zur Verbesserung ihrer Englischkompetenz nutzten bzw. solche Fördermöglichkeiten an den Hochschulstandorten überhaupt angeboten wurden. Zunächst gilt es hervorzuheben, dass die englischen Sprachkompetenzen der Dozenten von zehn der zwölf befragten Studierenden in den Telefoninterviews insgesamt als zufriedenstellend bewertet wurden. Dies relativiert sich aber etwas, wenn man die Selbsteinschätzung und den Bedarf an sprachlicher Förderung auf Seiten der Dozenten betrachtet: Bei der Frage nach der eigenen Einschätzung der Sprachkompetenz sahen nur 17 (29,8%) der 57 befragten Dozentinnen und Dozenten keinen Verbesserungsbedarf, wie den Ergebnissen in Tabelle 7 zu entnehmen ist. Des Weiteren würden, sofern angeboten, 26 (45,6%) Personen einen Sprachkurs im Wissenschaftsenglischen besuchen und das Korrekturlesen von wissenschaftlichen bzw. akademischen Texten in Anspruch nehmen. Zusätzlich würden 23 (40,4%) Teilnehmer einen Kurs für wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache besuchen, und elf (19,3%) Personen würden Übersetzungsdienste nutzen. Sprachförderangebote Häufigkeit Sprachkurse für Wissenschaftssprache 26 Korrekturlesen von wiss./ admin. Texten 26 Kurs für wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache 23 Übersetzungsdienste 11 Keines 17 Tabelle 7: Sprachförderangebote für Dozentinnen und Dozenten (N=57, Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten) 38 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 Dieses Ergebnis kann durch die Telefoninterviews sowohl aus der Perspektive der Studierenden als auch aus der Dozentenperspektive präzisiert und illustriert werden. Zunächst verdeutlichen die folgenden Äußerungen typische Meinungen der Studierenden: [S]ome of the [teaching staff] are not that good [in English]. That's why sometimes they even switch into German during the lecture. And when you're in the first semester and you don't know anything about German language, I mean, it's quite annoying. (D_14S): 4/ 28 For professors, I have no complaint [about their English ability]. They are really, really helpful. (B_11S): 7/ 14 Aus der Perspektive der Dozenten zeigt sich ebenfalls, dass in Lehrveranstaltungen teilweise durchaus Schwierigkeiten auf Dozentenseite auftreten können, wie folgende Aussage aus einem Telefoninterview verdeutlicht: Dazu muss man natürlich auch sagen, das ist die andere Seite der Medaille, dass es natürlich auch ne ganze Reihe auch gerade der älteren Dozenten gibt, die […] deutschen Dozenten gibt, die auch Probleme haben. Also der eine oder andere fühlt sich da nicht so sicher […] Ich möchte mal annehmen, dass unter den 30 Dozenten hier in [nennt Fach], unter denen ja auch einige Fremdsprachige sind, also englischsprachig sind, dass das vielleicht fünf, sechs betrifft. (A_03D): 11/ 24 Ungefähr 20% der in der Lehre tätigen Dozenten haben nach dieser Aussage Probleme mit dem Wissenschaftsenglischen. Auch wenn dies nur punktuelle Eindrücke sind, kann man keinesfalls davon ausgehen, dass die Lehre auf Englisch problemlos funktioniert - im Gegenteil, man darf annehmen, dass dieses Bild durch eine Überprüfung mithilfe von Sprachtests noch wesentlich deutlicher würde (vgl. ähnlich G NUTZMANN / B RUNS 2008: 16; W ILKINSON 2008: 175 f). Man kann nur darüber spekulieren, was dies für die Qualität von Lehre und Studium für alle Beteiligten bedeutet. 6. Fazit Bei aller Vorsicht lassen die vorliegenden Daten doch einige deutliche Tendenzen erkennen, und vieles deutet darauf hin, dass unsere Befunde keine Einzelergebnisse darstellen. Die vorliegende Studie hat den Vorteil, dass sie verschiedene Perspektiven (Studierende, Lehrende/ Koordinatoren) und verschiedene Instrumente (Fragebogendaten, semistrukturierte Leitfadeninterviews, Sprachstandstest-Daten) miteinander kombiniert und so ein recht dichtes Bild der Sprachverwendung, des Sprachbedarfs und der realen Sprachkompetenzen vor allem der internationalen Studierenden bereitstellt. Wünschenswert wäre eine Ergänzung durch Aufnahmen und Analysen realer Sprachverwendung, etwa in Seminaren und Vorlesungen oder Sprechstunden, um die Selbsteinschätzung und Reflexion mithilfe diskursanalytischer Ansätze überprüfen zu können. Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse der vorliegenden Studie wie folgt skizzieren: In allen von uns untersuchten Studiengängen wird ein erschreckendes Aus- Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 39 FLuL 41 (2012) • Heft 2 blenden von Sprache und Sprachlichkeit deutlich. Dies betrifft sowohl das Englische als auch das Deutsche, und es betrifft Studierende, Lehrende und auch weitere am Studiengang beteiligte Akteure. Konkret äußert sich dieses Ausblenden unter anderem in den folgenden Bereichen: • Es herrscht eine große Uneinheitlichkeit bezüglich der Anforderungen an das Sprachniveau und die entsprechenden Nachweise über die Sprachkompetenz, die für die Zulassung zum jeweiligen Studiengang erforderlich ist; hier bestätigt sich das Bild, das S OLTAU (2008) für das Englische bereits skizziert hat. • Die Studierenden weisen uneinheitliche, insgesamt aber sehr unbefriedigende Englischkenntnisse auf. Die Sprachkenntnisse liegen teils deutlich unter den offiziell geforderten Eingangsniveaus. • Gleichzeitig fehlt ein übergreifendes Sprachförderungskonzept für die Studierenden. Seitens der Hochschulen scheint man von einer problemlosen Englischkompetenz der Studierenden auszugehen (was im Widerspruch zu den vorliegenden Ergebnissen der Sprachtests steht). Wo der Erwerb von Deutschkenntnissen als (Teil-)Ziel des Studiengangs benannt wird, ist häufig unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Studienvorbereitende und -begleitende Deutschlernangebote sind teils gar nicht vorhanden, teils sind sie unzureichend in die Studiengänge integriert, wenig auf die Zielgruppe hin orientiert und in ihren Zielsetzungen diffus. Selbst in Institutionen, die Sprachlernangebote zum integralen Bestandteil des Studiengangs machen, scheinen diese unzureichend auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmt und zu wenig in die Studiengänge integriert zu sein. • Auch bei den Lehrenden wird (zu Unrecht) vorausgesetzt, dass für sie die Verwendung des Englischen in der Wissenschaftskommunikation weitgehend problemlos sei. In den hier untersuchten Studiengängen äußert aber ein beträchtlicher Teil der befragten Lehrenden ein Bedürfnis nach spezifischer Sprachförderung bzw. -unterstützung im Wissenschaftsenglischen. Dem wird, soweit wir sehen, von den Hochschulen bisher nicht Rechnung getragen. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass vielfach unter dem Druck einer schnellen Internationalisierung davon ausgegangen wurde, dass eine Umstellung auf das Englische als Sprache der Lehre das Sprachproblem an sich lösen werde - in der Annahme, dass internationale Studierende des Englischen schon in angemessener Weise mächtig seien und die Dozenten ohnehin durch ihre internationale Ausrichtung mit dem Englischen in der Wissenschaftskommunikation keine Probleme haben würden. Zusätzlich wurde offenbar davon ausgegangen, dass die Studierenden „nebenbei“ - mit studienbegleitenden Sprachkursen oder einfach im Alltag - ausreichende Basisdeutschkenntnisse erwerben würden. Keine dieser Annahmen hat sich in der vorliegenden Studie bestätigt. Die Deutschkenntnisse der Studierenden sind für den Lebensalltag meist vollkommen unzureichend; auf das Fach bezogene Deutschkenntnisse werden kaum gefördert und sind überwiegend nicht vorhanden (ähnlich A MMON 2005: 81). Dies steht in eklatantem Widerspruch zu den Bedürfnissen und Interessen, wie sie von den Studierenden in unserer Studie geäußert wurden: Sie erwarten sich von einem Stu- 40 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 dium in Deutschland auch eine dezidierte Förderung ihrer Deutschkenntnisse (vgl. auch M OTZ 2005: 140), gleichzeitig ist es aber für viele nicht möglich, die bestehenden Sprachlernangebote wahrzunehmen, weil diese nicht mit dem Studienplan koordiniert und vor allem nicht über die Vergabe von Leistungspunkten in das Studium integriert sind (vgl. auch G NUTZMANN / L IPSKI -B UCHHOLZ 2008: 157). 18 Die Motivation der Studierenden, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, scheint dabei jedenfalls teilweise auch darin begründet zu sein, dass sie sich durch den Spracherwerb langfristige Bindungen an den deutschen Sprachraum erhoffen. Man verbindet, kurz gesagt, mit einem Studium in Deutschland auch langfristige strategische Ziele. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen entsprechender Angebote und insgesamt die Ausblendung der Sprachförderung aus den internationalen Studiengängen aus der Sicht der auswärtigen Kulturpolitik (aber auch der deutschen Hochschulen) als äußerst problematisch einzuschätzen. Eine langfristige Bindung an die deutschsprachigen Länder und den deutschsprachigen Wissenschaftsraum erfordert eine sprachliche Kompetenz, die es etwa auch erlaubt, den deutschsprachigen öffentlichen Diskurs wahrnehmen und einschätzen zu können, wissenschaftliche Diskurstraditionen zu erkennen und sich darin bewegen zu können, mit Vertretern und Vertreterinnen deutscher Institutionen auch auf Deutsch kommunizieren zu können. Diesen Zusammenhang sehen auch viele der befragten Studierenden. Insgesamt ist so ein eklatanter Widerspruch zwischen den Bedürfnissen und Interessen der Studierenden und der Mittlerorganisationen einerseits und den fachorientierten, auf schnelle Internationalisierung ausgerichteten Praktiken der Fachbereiche an den Hochschulen und vieler Hochschulleitungen andererseits festzustellen. Im Sinne einer nachhaltigen Förderung des Deutschen als Wissenschaftssprache und auch unter dem Aspekt des besonderen Profils von Studiengängen in den deutschsprachigen Ländern kann es nur verwundern, dass den Interessen der Studierenden nach einer langfristigen (auch sprachlichen) Bindung an den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland kaum oder gar nicht Rechnung getragen wird. Stattdessen sind viele der internationalen Studierenden offenbar auch nach einem zweijährigen Studiengang auf Deutsch noch sprachlos. Dagegen wird wenig unternommen, und was dagegen unternommen wird, ist offenbar meist wenig hilfreich. Um es mit den Worten eines/ r Studierenden zusammenzufassen: So I really think that they should learn Deutsch, as far as possible … 18 Dass hier schon seit längerem auch andere Modelle vorliegen, ist offenbar in den verschiedenen Fachbereichen unbemerkt geblieben; vgl. etwa die bei K URTZ (2000) vorgeschlagenen Modelle zum studienintegrierten DaF-Unterricht; für geisteswissenschaftliche Studiengänge vgl. auch den Ansatz der „aufgeklärten Zweisprachigkeit“ bei F ANDRYCH (2007). Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 41 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Literatur A MMON , Ulrich (2005): „Welche Rolle spielt Deutsch als Wissenschaftssprache neben Englisch? “ In: M OTZ (Hrsg.), 67-86. A MMON , Ulrich / M C C ONNELL , Grant (2002): English as an Academic Language in Europe. A Survey of its Use in Teaching. Frankfurt/ M. u.a.: Lang. F ANDRYCH , Christian (2007): „Aufgeklärte Zweisprachigkeit als Ziel und Methode der Germanistik nicht-deutschsprachiger Länder“. In: S CHMÖLZER -E IBINGER , Sabine / W EIDACHER , Georg (Hrsg.): Textkompetenz. Tübingen: Narr, 275-298. F ANDRYCH , Christian / S EDLACZEK , Betina (2012): ‚I need German in my life ...‛ Eine empirische Studie zur Sprachsituation in englischsprachigen Studiengängen in Deutschland. Unter Mitarbeit von Erwin Tschirner und Beate Reinhold. Tübingen: Stauffenburg [im Druck]. G NUTZMANN , Claus (Hrsg.) (2008): English in Academia. Catalyst or Barrier, Tübingen: Narr. G NUTZMANN , Claus / B RUNS , Miriam (2008): „English in Academia - Catalyst or Barrier? Zur Einführung in eine kontroverse Diskussion“. In: G NUTZMANN (Hrsg.), 9-24. G NUTZMANN , Claus / L IPSKI -B UCHHOLZ , Kathrin (2008): „Englischsprachige Studiengänge: Was können sie leisten, was geht verloren? “ In: G NUTZMANN (Hrsg.), 147-168. K NAPP , Annelie / S CHUMANN , Adelheid (Hrsg.) (2008): Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium. Frankfurt a. M.: Lang K URTZ , Gunde (2000): „Studienbegleitender und studienintegrierter DaF-Unterricht in internationalen Studiengängen“. In: Informationen Deutsch als Fremdsprache 27.6, 584-597. M OTZ , Markus (2005): „Internationalisierung der Hochschulen und Deutsch als Fremdsprache“. In: M OTZ (Hrsg.), 131-152. M OTZ , Markus (Hrsg.) (2005): Englisch oder Deutsch in Internationalen Studiengängen? Frankfurt/ M.: Lang. S CHUMANN , Adelheid (2008): „Interkulturelle Fremdheitserfahrungen ausländischer Studierender an einer deutschen Universität“. In: K NAPP / S CHUMANN (Hrsg.), 29-50. S OLTAU , Anja (2008): „Englischsprachige Masterprogramme in Deutschland: Qualitätssicherung in der akademischen Lingua-Franca-Kommunikation am Beispiel von sprachlichen Zulassungskriterien“. In: K NAPP / S CHUMANN (Hrsg), 155-169. W ILKINSON , Robert (2008): “English-taught study courses: principles and practice”. In: G NUTZMANN (Hrsg.), 169-182. Transkriptionskonventionen für die Studierenden- und Dozenteninterviews: IE_27S D_02D .. …(schmunzeln) [Studiengang] […] [wird] Interviewer Probandenkürzel für einen Studenten/ eine Studentin Probandenkürzel für einen Dozenten/ eine Dozentin mittlere Pause lange Pause nonverbale Vorgänge Anonymisierung des Studiengangs Auslassung im Transkript Einfügungen im Transkript © 2012 Narr Francke Attempto Verlag FLuL 41 (2012) • Heft 2 A NNELIE K NAPP , S ILKE T IMMERMANN * UniComm English - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 1 Abstract. There is conclusive empirical evidence by now that using English as a medium of instruction at universities is anything but unproblematic for non-native speakers of English. To support students and lecturers alike in coping with the communicative requirements of university courses, the authors have developed an online phrasal dictionary for university communication (UniComm English). Based on the assumption that many of the recurring communicative requirements in university courses can be met by prefabricated phrases, it offers a vast collection of such phrases, arranged according to their communicative function. The particular challenges of this approach lie in the identification and definition of such functions as well as in finding terms for their description which are not only user-friendly but also adequate in terms of linguistic systematics. The article will give an insight into the process of developing UniComm English and into its structural features. 0. Einleitung Der Anteil englischsprachiger Lehre an deutschen Hochschulen hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Dies ist zum einen eine Konsequenz der wachsenden Dominanz von Englisch als Publikationssprache und damit auch des größer werdenden Anteils englischsprachiger Fachliteratur als Textgrundlage für Lehrveranstaltungen. Zum anderen spielt das Bestreben eine Rolle, internationalen Studierenden mit der Verwendung von Englisch als Lingua franca ein attraktives und sprachlich adäquates Lehrangebot zu machen sowie Studierende mit deutscher Muttersprache auf eine durch zunehmende Dominanz des Englischen geprägte Arbeitswelt vorzubereiten, in der sie über fachliche Inhalte (auch) in englischer Sprache kommunizieren müssen. Die Verbreitung englischsprachiger Lehre an deutschen Hochschulen wird inzwischen mit guten Gründen auch kritisch betrachtet (vgl. z.B. E HLICH 2000), was aber nicht Gegenstand dieses Beitrags sein soll. Ausgangspunkt für die Entwicklung des in diesem Bei- * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Annelie K NAPP , Universität Siegen, Fakultät I, 57068 S IEGEN . E-Mail: knapp@anglistik.uni-siegen.de Arbeitsbereiche: Interkulturelle Kommunikationskompetenz, CLIL, Mehrsprachige Kommunikation in Institutionen. Silke T IMMERMANN , M.A., Universität Siegen, Fakultät I, 57068 S IEGEN . E-Mail: timmermann@anglistik.uni-siegen.de Arbeitsbereiche: English for Specific Purposes, Lexikografie, CALL. 1 UniComm English wurde im Rahmen des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekts „Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium (MuMiS)“ entwickelt (s. www.mumis-projekt.de). UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 43 FLuL 41 (2012) • Heft 2 trag vorgestellten Formulierungswörterbuchs für englischsprachige Lehre war vielmehr die Überlegung, dass - wenn denn schon englischsprachige Lehre an deutschen Hochschulen ein nicht wegzudiskutierender Tatbestand ist - diese Lehre qualitativ so hochwertig wie möglich und nicht durch mangelnde Sprachkompetenz negativ beeinflusst sein sollte. 1. Englisch in der Lehre - eine Herausforderung für Lehrende und Studierende Nun mag man angesichts der Tatsachen, dass das Abitur - mit dem Anspruch von Englischkenntnissen auf B2-Niveau - in der Regel Zulassungsvoraussetzung zum Studium ist und dass Lehrende an Universitäten ja praktisch täglich mit englischsprachigen wissenschaftlichen Texten konfrontiert sind, zum großen Teil selbst auf Englisch publizieren und an wissenschaftlichen Kongressen mit Englisch als Veranstaltungssprache teilnehmen, argumentieren, dass englischsprachige Lehre kein Problem darstellen sollte. Die Realität sieht anders aus. Befragungen von Lehrenden sowie Analysen sprachlicher Interaktion in Lehrveranstaltungen, in denen Englisch von Nichtmuttersprachlern als Veranstaltungssprache verwendet wird, haben gezeigt, dass Lehrende - bei relativ wenig Problemen mit englischem Fachvokabular und der Darstellung fachlicher Inhalte auf Englisch - Schwierigkeiten haben, die Moderation von Lehr-Lerndiskursen, die Klärung von mit Lehrveranstaltungen verbundenen organisatorischen Fragen sowie - was ja auch Realität an den Hochschulen ist - die Lösung von Konflikten, die im Kontext von Lehrveranstaltungen entstehen können, in englischer Sprache zu bewältigen (C OLEMAN 2006; K NAPP 2011a, b). Bei den Studierenden ist die Problemlage etwas anders. Sie haben - sowohl produktiv als auch rezeptiv - erklärlicherweise häufig Probleme mit Fachvokabular, mit allgemeiner wissenschaftlicher Terminologie und adäquater wissenschaftlicher Ausdrucksweise. Ihnen fällt es aber häufig auch schwer, im Rahmen von Lehr-Lerndiskursen ihre Redebeiträge adäquat auf Englisch einzuleiten - etwa wenn sie um ein weiteres Beispiel bitten, ein Gegenargument oder Kritik vorbringen oder auf eine frühere Äußerung oder eine Textstelle verweisen möchten. Ihnen fehlen häufig auch sprachliche Mittel, um die Klärung organisatorischer Fragen zu initiieren, etwa sich auf Englisch nach Leistungsanforderungen, Literaturangaben etc. zu erkundigen. Das unterstellte B2-Niveau ihrer Englischkompetenz impliziert ja nicht notwendig die Fähigkeit, sich in einem ganz bestimmten Genre und über bestimmte fachliche Sachverhalte klar und detailliert, spontan und fließend auszudrücken, und sagt insgesamt wenig aus über die Fähigkeit zu akademischem Sprachgebrauch. Diese Situation mag sich mit der weiteren Verbreitung von bilingualem Sachfachunterricht (CLIL) an Schulen demnächst ändern, ist aber derzeit noch für einen nicht unerheblichen Teil der Studierenden als problematisch anzusehen. Sie führt aus der Sicht der Studierenden zu zusätzlichem Lernaufwand (ein bei der Kritik an der Überforderung von Studierenden in Bachelor- 44 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 studiengängen noch kaum berücksichtigter Faktor), potenziell aber auch zu mangelndem Verständnis der behandelten Inhalte und zu geringerer aktiver Partizipation an der Lehrveranstaltungskommunikation (A IREY 2009, D OIZ / L ASAGABASTER / S IERRA 2011, K NAPP / M ÜNCH 2008). 2. Charakteristika von Lehrveranstaltungskommunikation 2.1 Typische Kommunikationssituationen Lehrveranstaltungen sind zwar die zentralen, aber nicht die einzigen Kommunikationssituationen, in denen Lehrende und Studierende miteinander interagieren. In Kontexten, in denen englischsprachige Lehre von deutschsprachigen Lehrenden für deutschsprachige Studierende angeboten wird, reduziert sich die englischsprachige Interaktion allerdings in der Regel auf die Lehrveranstaltungen selbst. Wenn aber - wie häufig bei internationalen Studierenden an deutschen Hochschulen - Englisch die einzige gemeinsame Sprache ist, also als Lingua franca genutzt wird, sind auch andere, die Lehrveranstaltung flankierende Kommunikationssituationen zu bewältigen: Interaktionen zwischen Lehrenden und einzelnen Studierenden vor oder nach der Lehrveranstaltung und in Sprechstunden. Auch hier sind Schwierigkeiten bei der Kommunikation in englischer Sprache zu erwarten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf die Kommunikation in Lehrveranstaltungen selbst. 2.2 Wiederkehrende kommunikative Anforderungen Universitäre Lehrveranstaltungskommunikation (im Folgenden: LV-Kommunikation) ist ein Genre, das durch spezifische kommunikative Anforderungen sowie durch spezifische sprachliche Mittel zur Bewältigung dieser Anforderungen gekennzeichnet ist. Da die kommunikativen Charakteristika von LV-Kommunikation für die Gestaltung des Formulierungswörterbuchs UniComm zentral sind, sollen sie hier zunächst näher dargestellt werden. • LV-Kommunikation ist ein Genre, das sich überwiegend aus zwei zentralen Diskurstypen konstituiert: dem „Lehr-Lerndiskurs“, dessen vorrangiges Ziel die Konstruktion von akademischem Wissen ist, und dem „Organisationsdiskurs“, der die Verständigung über Leistungserwartungen, Arbeitsformen, zeitlich-räumliche Aspekte der Lehrveranstaltung u.Ä. zum Ziel hat. Diese Diskurstypen werden während einer Lehrveranstaltungssitzung in teilweise mehrfachem Wechsel, mit unterschiedlichen Anteilen, mehr oder weniger dialogisch bzw. monologisch realisiert. • In LV-Kommunikation werden typischerweise bestimmte kommunikative Funktionen realisiert, während andere wiederum eher unüblich sind. Häufig in der Alltagskommunikation anzutreffende Sprechhandlungen, wie z.B. Versprechen, Komplimente, Glückwünsche, sind hier eher untypisch. Hingegen spielen in der UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 45 FLuL 41 (2012) • Heft 2 LV-Kommunikation charakteristischerweise kommunikative Funktionen wie Beschreiben, Erklären, Definieren, Bewerten, Einwenden, Vergleichen, Bezweifeln, Widerlegen etc. eine herausragende Rolle. Diese häufig als „academic language functions“ bezeichneten Funktionen (D ALTON -P UFFER 2007, ²2009) und die damit verknüpften sprachlichen Handlungen dienen spezifisch der Konstruktion von Wissen, und das Erlernen sprachlicher Mittel zu ihrer Realisierung ist ein wichtiger Teil fortgeschrittener Sprachlernprozesse, im Muttersprachenerwerb ebenso wie im Fremdsprachenerwerb (vgl. D ALTON -P UFFER ²2009). Darüber hinaus werden sprachliche Handlungen, die die Diskursstruktur explizieren, wie z.B. der Rückverweis auf etwas vorher Gesagtes („wir haben dieses Problem schon bei der Analyse von Tabelle x thematisiert“) oder die Ankündigung demnächst folgender sprachlicher Handlungen („ich werde das gleich noch genauer erläutern“; „ich habe da noch eine Frage“) sowie weitere Sprechhandlungen, die der Verständnissicherung dienen („ist das jetzt klar geworden? “), in LV-Kommunikation mit hoher Frequenz realisiert. 2 • Charakteristisch ist weiterhin, dass diese „academic language functions“ nicht nur sprachlich realisiert, sondern häufig auch explizit metakommunikativ thematisiert werden, z.B. durch folgende Äußerungen: Let’s illustrate this with an example. Would somebody like to comment on this? I will start by explaining X’s position and we will then compare it to Y’s approach. Could you please explain that again? We will analyze this in more detail later on. • Allerdings findet eine explizite Thematisierung nicht für jede Art von Sprechhandlung in gleichem Maße statt. So ist es z.B. eher ungewöhnlich, bewertende Sprechhandlungen, etwa Lob für gute Antworten von Studierenden, explizit anzukündigen. Einige wenige Sprechhandlungen werden auch unter Nutzung eines performativen Verbs gleichzeitig thematisiert und ausgeführt (z.B. I‘d like to welcome you …) • Charakteristisch für LV-Kommunikation sind nicht nur die sprachlichen Handlungen selbst, sondern auch die jeweiligen Inhalte, mit denen sie verknüpft sind. So sind z.B. Fragen, Antworten oder Bitten - kommunikative Funktionen mit großer Relevanz sowohl für Alltagsals auch für LV-Kommunikation - mit typischen Inhalten verknüpft. In einem universitären Seminar geht es also normalerweise nicht darum, um das Salz zu bitten, sondern - wie in den Äußerungen oben - eher um die Bitte, etwas noch einmal zu erläutern, ein Beispiel zu geben, einen bestimmten Abschnitt eines Textes zu fokussieren, oder auch darum, aufmerksamer zuzuhören oder das Fenster (und nicht etwa die Autotür) zu schließen. 2 Dem Explizieren der Diskursstruktur und der Ankündigung sprachlicher Handlungen kommen in der Kommunikation mit Englisch als Lingua franca besondere Bedeutung zu, da auf diese Weise Missverständnisse vermieden werden können (vgl. B JÖRKMAN 2010: 81). 46 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 • Gleichzeitig ist charakteristisch für LV-Kommunikation, dass nur ein spezifisches sprachliches Register, in dem bestimmte Sprechhandlungen realisiert sind, als angemessen angesehen wird. So werden z.B. positive Bewertungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen eher nicht durch Formulierungen wie „echt Spitze“ „toll“ oder gar „geil“ realisiert, sondern stattdessen durch Formulierungen wie „ein sehr interessanter Vorschlag“, „gute Idee“, „genau - richtig“. Was sprachlich-kommunikativ in einer Lehrveranstaltung geschieht, ist also sowohl in pragmatischer als auch in semantischer Hinsicht charakterisierbar und darüber hinaus als spezifische Varietät, ein spezifisches Register. 2.3 Formulierungen: Standardlösungen für die Realisierung kommunikativer Funktionen Wir gehen davon aus, dass es häufig die angemessene Realisierung der lehrveranstaltungstypischen kommunikativen Funktionen in englischer Sprache ist, die Lehrenden und Studierenden Schwierigkeiten bereitet. Wir gehen weiterhin davon aus, dass Äußerungen zur Realisierung dieser kommunikativen Funktionen von Sprechern nicht jeweils neu konstruiert werden müssen, sondern dass es vielmehr „vorgefertigte Standardlösungen“ gibt, die als Ganze gelernt und abgerufen, bei Bedarf aber auch variiert werden können. Die Erforschung vorgefertigter, formelhafter Äußerungen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen (z.B. A GUADO 2002, W RAY 2002, 2008, S CHMITT 2004, W OOD 2010). Inzwischen beschäftigt sich eine Fülle von Arbeiten mit der Erforschung unterschiedlicher Aspekte formelhafter Äußerungen. Sie betreffen sowohl Spracherwerb als auch Sprachverwendung, in muttersprachlicher ebenso wie in lernersprachlicher Kommunikation. Weitere Aspekte betreffen die Untersuchung der Idiomatizität (vgl. C OWIE 1998) und der Häufigkeit solcher Formulierungen in bestimmten Genres (vgl. B IBER et al. 2004). In unserem Zusammenhang ist vor allem relevant, dass das Verfügen über fertige Formulierungen insbesondere Sprecher einer Fremdsprache bei der Produktion längerer und komplexerer mündlicher Äußerungen entlastet. So werden mentale Kapazitäten frei, die für die Konzentration auf die Inhalte und/ oder die Formulierung problematischerer Teile der Äußerung verwendet werden können. Für Fremdsprachenlerner ist zudem von Vorteil, dass sie auf die sprachliche Korrektheit und stilistische Angemessenheit solcher fertigen Formulierungen vertrauen können, sofern ihr Erwerb auch mit spezifischen Kommunikationssituationen und -funktionen verknüpft wurde. 3 3 Vgl. D ECHERT (1983: 18): „islands of reliability“. UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 47 FLuL 41 (2012) • Heft 2 3. Ziele von UniComm English Charakteristische kommunikative Funktionen in LV-Kommunikation und englischsprachige Formulierungen zu ihrer Realisierung sind also Gegenstände des Formulierungswörterbuchs UniComm English. 4 Mit diesem online verfügbaren Wörterbuch haben wir ein Instrument entwickelt, das Lehrenden und Studierenden dabei helfen kann, größere und flexibler einsetzbare Handlungsfähigkeit beim Gebrauch der Fremdsprache Englisch in einem spezifischen Verwendungskontext, nämlich universitären Lehr- Lernsituationen, zu erlangen. Insbesondere soll UniComm English dazu beitragen, dass Studierende Sicherheit bei der Produktion eigener Redebeiträge in Seminaren gewinnen und sich auf dieser Grundlage aktiver produktiv an der LV-Kommunikation beteiligen. Auch Lehrenden soll UniComm English dabei helfen, mit größerer Sicherheit in englischsprachigen Lehrveranstaltungen zu agieren. Hier steht im Vordergrund, dass sie stärker dialogisch-interaktive Lehrveranstaltungsphasen souverän meistern und dabei ihre fachliche Kompetenz ebenfalls sprachlich angemessen demonstrieren können. Das Verfügen über sprachliche Mittel zur Verständnissicherung und Bedeutungsaushandlung soll weiterhin Studierenden und Lehrenden gleichermaßen dabei helfen, eine erfolgreiche Konstruktion akademischen Wissens im Studium bei englischsprachiger Lehre zu erreichen. 4. Makrostruktur - Auswahl der Formulierungen und funktionale Zuordnung Bei der Gestaltung der Struktur des Wörterbuchs waren zunächst einige theoretische, empirische und anwendungsbezogene Fragen zu klären: • Wie gelangt man zu einer Liste lehrveranstaltungsrelevanter kommunikativer Funktionen? • Wie lassen sich die kommunikativen Funktionen strukturieren/ systematisieren? • Wie geht man mit den beiden Ebenen „sprachliche Realisierung einer kommunikativen Funktion“ und „Thematisierung (metasprachliche Realisierung) einer kommunikativen Funktion“ um? • Wie geht man mit den Verknüpfungen von kommunikativen Funktionen und lehrveranstaltungstypischen Inhalten um? • Wie gelangt man zu adäquaten englischsprachigen Formulierungen für die Realisierung der kommunikativen Funktionen? • Welche Varietät(en) des Englischen sollen die Formulierungen repräsentieren? • Wie soll die Zuordnung von kommunikativen Funktionen und Formulierungen erfolgen? • Wie soll man die kommunikativen Funktionen benutzerfreundlich benennen? 4 UniComm English ist kostenlos verfügbar unter: www.mumis-unicomm.de 48 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 4.1 Auswahl der Formulierungen Ausgangspunkt für die Sammlung der in UniComm English zusammengestellten Formulierungen waren die Korpora MICASE 5 und BASE 6 . Hinzu kamen im Internet frei verfügbare Mitschnitte universitärer Lehrveranstaltungen, wie sie mittlerweile in großer Anzahl verfügbar sind, und eigene Mitschnitte aus englischsprachigen Lehrveranstaltungen der Universität Siegen. Die Formulierungen für die Sprechstundenkommunikation sind dem Korpus des von Kolleginnen in Hamburg durchgeführten MuMiS- Teilprojekts zu Sprechstundenkommunikation entnommen. Im Vorfeld musste möglichst genau bestimmt werden, wonach auf welche Weise gesucht werden sollte. Zunächst wurde die Entscheidung getroffen, nur solche Formulierungen zu sammeln, die von Sprechern der Standardvarietäten des britischen und amerikanischen Englisch produziert wurden, und weder Äußerungen von Sprechern anderer Varietäten des Englischen noch lernersprachliche bzw. Lingua-franca-Formulierungen aufzunehmen. Grundlage dafür war unsere Annahme, dass Nutzer von UniComm English überwiegend erwarten, Formulierungen präsentiert zu bekommen, die aus ihrer Perspektive als „richtiges“ Englisch gelten. Dass die Verarbeitung der angebotenen Formulierungen durch die Benutzer des Wörterbuchs dann auch zu nicht in diesem Sinne zielsprachenkonformen Äußerungen ihrerseits führen kann, steht auf einem anderen Blatt. Die Analyse der Daten wurde mit dem Ziel durchgeführt, eine möglichst umfangreiche Liste mit Formulierungen zu erstellen, die zur Realisierung der für LV-Kommunikation und lehrveranstaltungsbezogene Kommunikation charakteristischen Funktionen verwendet werden. Als Verfahren ergab sich ein kombinierter top-down-/ bottom-up-Prozess: Ausgangspunkt für die top-down-Suche war ein grobes Vorverständnis von für LV-Kommunikation relevanten kommunikativen Funktionen. Dieses Vorverständnis basierte auf den oben unterschiedenen beiden zentralen Diskurstypen innerhalb von LV-Kommunikation (Lehr-Lerndiskurs und Organisationsdiskurs), vorliegenden wissenschaftlichen Analysen von LV-Kommunikation (z.B. C ASPER -H EHNE 2005 und G RÜTZ 2002), dem Konzept der „academic language functions“, wie oben kurz dargestellt, dem Institutionenwissen der Analysatoren sowie eigenen Erfahrungen mit diesem Genre und resultierte in den folgenden übergeordneten Suchkategorien: • Explizieren der Diskursstruktur (z.B.: Let’s go on to the next point.) • Explizieren der Funktion einer nachfolgenden Äußerung (z.B.: To elaborate on that a little…) • Ausführen einer sprachlichen Handlung an sich, u.a. durch die Verwendung einer explizit performativen Formel (z.B.: I‘d like to welcome you …) • Initiieren einer sprachlichen Handlung (z.B.: Could you give an example? ) 5 Michigan Corpus of Academic Spoken English. 6 British Academic Spoken English. UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 49 FLuL 41 (2012) • Heft 2 • Initiieren einer außersprachlichen Handlung (z.B.: Get together in groups of three, please.) • Begleiten einer außersprachlichen Handlung (z.B.: Let’s switch off the computer for a moment.) Bei der Suche nach geeigneten Formulierungen lag ein besonderer Fokus auf solchen sprachlichen Handlungen, mit denen akademische Sprachfunktionen realisiert wurden. Ein weiteres Suchkriterium war der weitgehend fachunabhängige Charakter der Formulierungen und damit deren Verwendbarkeit in möglichst vielfältigen fachlichen Kontexten. Dieses Kriterium führte dazu, dass zwar auch Formulierungen mit fachspezifischen Inhalten prinzipiell berücksichtigt wurden, dann aber auf Formulierungsmuster mit Leerstellen reduziert wurden, die mit unterschiedlichen fachspezifischen Inhalten aufgefüllt werden können. Die so identifizierten Formulierungen bzw. Formulierungsmuster ergaben die Grundlage für eine weitere, auf funktionalen Kriterien beruhende Subklassifizierung der kommunikativen Funktionen innerhalb dieser Grobkategorien - eine Klassifizierung, die später für die Entscheidung über Spezifizierung und Benennung der kommunikativen Funktionen im Formulierungswörterbuch relevant wurde (siehe 4.3). Unser Fokus bei der Suche lag dabei nicht auf hochfrequenten idiomatischen Formulierungen. Im Gegenteil: Teilnehmern an englischsprachigen Lehrveranstaltungen mangelt es insbesondere an Vertrautheit mit weniger frequenten Formulierungen, die aber gleichwohl für die Erreichung bestimmter kommunikativer Ziele in Lehrveranstaltungen extrem wichtig sein können, z.B. für die nicht häufig vorkommende, aber doch sehr konsequenzenreiche Aufgabe, in einer Lehrveranstaltung entstandene Konflikte zu lösen. Eine rein frequenzbasierte Identifikation von Formulierungen wurde daher als nicht zielführend verworfen. Um die Aufnahme idiosynkratischer Formulierungen in UniComm zu vermeiden, wurde nach weiteren Vorkommen der entsprechenden Formulierungen bzw. Muster in den Korpora gesucht. Es muss aber betont werden, dass keine irgendwie geartete Vollständigkeit der Erfassung geeigneter Formulierungen angestrebt war, zumal keine quantitative Analyse erfolgen sollte, sondern lediglich Beispiele für die englischsprachige Realisierung von für LV-Kommunikation relevanten kommunikativen Funktionen gesucht wurden. Inwiefern sich die auf diese Weise erarbeitete Struktur sprachlicher Handlungen in LV-Kommunikation als benutzerfreundlich erweist, wird in einer Benutzerstudie zu klären sein. Ziel dieser Studie ist es, das Verständnis der Teilnehmer an LV-Kommunikation für die von ihnen in Lehrveranstaltungen ausgeführten Sprechhandlungen zu analysieren und die für das Wörterbuch gewählten Kategorien und Bezeichnungen ggf. anzupassen. 4.2 Zuordnung von kommunikativer Funktion und Formulierungen Eine 1: 1-Zuordnung von kommunikativer Funktion und Formulierung ist im Prinzip nicht möglich, da kommunikative Funktionen immer auf mehr als eine Weise sprach- 50 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 lich realisiert werden können und da eine sprachliche Äußerung je nach sprachlichem und situativem Kontext unterschiedliche Funktionen erfüllen kann. Als weitere Probleme kommen Phänomene wie Indirektheit von Sprechhandlungen oder Ironie hinzu. Teilweise helfen prosodische Merkmale als Kontextualisierungshinweise, doch sind gerade diese Phänomene von Mündlichkeit in einem Wörterbuch kaum abbildbar. Für die Zuordnung von Formulierungen zu Sprachfunktionen - und umgekehrt - in UniComm English ist zunächst festzuhalten, dass in der Regel mehrere Formulierungen angeboten werden, mit denen eine bestimmte kommunikative Funktion realisiert werden kann und zwischen denen die Benutzer wählen können. Wir können dabei davon ausgehen, dass nicht alle diese Formulierungen für die Benutzer völlig neu sind, sondern dass sie sie zu einem großen Teil durchaus wiedererkennen oder zumindest rezeptiv verarbeiten und bezüglich der Brauchbarkeit für ihre speziellen kommunikativen Zwecke in den jeweiligen Kontexten einschätzen können. Anders und problematischer für die meisten Benutzer wäre dies allerdings bei einem Formulierungswörterbuch in einer Sprache, die sie gar nicht beherrschen. Für die Zuordnung von Funktionen und Formulierungen bei der Erstellung des Wörterbuchs ist hilfreich, dass die Formulierungen aus einem bestehenden Kommunikationskontext entnommen und bei ihrer Funktionsbestimmung im Zweifelsfall wieder darauf zurückführbar sind. Hilfreich für unsere Zwecke ist außerdem, dass alle ausgewählten und dann im Wörterbuch angebotenen sprachlichen Äußerungen in einem klar definierten Kontext, nämlich LV-Kommunikation, verortet sind - ein Kontext, in dem Teilnehmerrollen ebenfalls klar definiert und kommunikative Zwecke begrenzt sind. Zudem wird eine Zuordnung dadurch erleichtert, dass - wie oben dargestellt - LV-Kommunikation durch einen erheblichen Anteil von Metakommunikation und damit auch die explizite Thematisierung sprachlicher Handlungen gekennzeichnet ist und dass viele Handlungsabläufe rekurrent auftreten. Gleichwohl muss im Blick bleiben, dass Phänomene wie Ironie oder Indirektheit jenseits konventionalisierter Formen im Wörterbuch nicht berücksichtigt werden können. 4.3 Benennen der kommunikativen Funktionen In wissenschaftlichen Untersuchungen, deren vorrangiges Ziel die terminologische Abgrenzung von Sprechhandlungen ist, findet die Benennung der Sprachfunktionen ausschließlich zu Zwecken der Kategorisierung statt und wird zudem durch die häufig sehr enge Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vereinfacht, da sich auf diese Weise die Anzahl der zu identifizierenden Funktionen einschränken lässt. Das Benennen der Funktionen von Sprechhandlungen ist in einem Wörterbuch aber zwangsläufig diffiziler. Die Benennungen dienen nicht allein der Abgrenzung der Funktionen voneinander, sondern stellen gleichzeitig als Anordnungskriterium auch den Zugangsweg zu den ihnen zugeordneten Formulierungen dar. Sie müssen daher • so detailliert und aussagekräftig sein, dass Wörterbuchbenutzer in der Lage sind, möglichst genau zu bestimmen, in welchen Situationen universitärer Kommunikation die zugeordneten Formulierungen zu verwenden sind, UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 51 FLuL 41 (2012) • Heft 2 • so gewählt sein, dass auch Nicht-Linguisten den bezeichneten Kommunikationszweck erkennen können. Bei der Benennung der sprachlichen Funktionen war u.a. das Problem zu lösen, zwischen der kommunikativen Funktion, die die jeweiligen Sprechhandlungen selbst haben, und sprachlichen oder außersprachlichen Handlungen, auf die sie verweisen bzw. die sie begleiten, zu unterscheiden. Wir haben uns hier wiederum an den sechs bereits unter 4.1 genannten Suchkategorien orientiert und auf dieser Basis einheitliche Benennungen gewählt - nicht zuletzt auch, um den Benutzern eine Orientierungshilfe bei der Suche nach geeigneten Formulierungen zu geben. Sprechhandlungen, die den Zweck verfolgen, die Diskursstruktur zu explizieren, beginnen mit den Verben indicating oder introducing (introducing the summary). Dasselbe gilt für Formulierungen, die die Funktion der nachfolgenden Äußerung explizit markieren, wie z.B. indicating an explanation. Für Sprechhandlungen, die durch eine explizit performative Formel und damit unter Verwendung eines illokutiven Verbs vollzogen werden können, bot es sich an, dieses Verb als Bezeichnung für die Sprechhandlung zu wählen. Das Initiieren einer sprachlichen oder außersprachlichen Handlung wird durch encouraging oder asking for (encouraging discussion participation) und daran anschließend die Benennung des performativen Effekts gekennzeichnet, während der Zweck einer Sprechhandlung, die eine außersprachliche Handlung begleitet, mit commenting on (commenting on technical problems) eingeleitet wird. Die Benennungen weisen dabei einen unterschiedlichen Grad an Komplexität auf. Neben Sprechhandlungen, die mit Hilfe eines illokutiven Verbs treffend bezeichnet sind, wie z.B. concluding, finden sich auch komplexere Konstruktionen, wie etwa announcing the subject for the next lesson. Diese stellen inhaltlich näher spezifizierte Sprechhandlungen dar. Gerade im Bewusstsein der an universitärer Kommunikation beteiligten Sprecher spielen nämlich nicht nur wiederkehrende Handlungen eine Rolle, sondern insbesondere auch wiederkehrende Themen und/ oder Kommunikationsinhalte. Dies wurde durch die Vorstudie zu der noch laufenden Benutzerstudie bestätigt. Die Teilnehmer eines hochschuldidaktischen Kurses zu englischsprachiger Lehre wurden gebeten, Kommunikationszwecke zu benennen, denen sie in der alltäglichen Hochschulkommunikation begegnen. Neben weniger komplexen Benennungen wie concluding oder greeting fanden sich auch thematisch spezifizierte Sprechhandlungen wie announcing the subject for the next session. Der Schwerpunkt dieser noch laufenden Benutzerstudie liegt u.a. auf der Anwendbarkeit der von uns gewählten Kategorien. Durch die Flexibilität, die die elektronische Publikationsform bietet, ist es möglich, aufgrund der Ergebnisse der Studie Änderungen und Anpassungen vorzunehmen, um die Benutzerfreundlichkeit weiter zu verbessern. Mit ihrer konsequenten Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Benutzer und dem Angebot konkreter Lösungen für deren Kommunikationsprobleme unterscheidet sich die Formulierungssammlung in UniComm English von anderen, streng korpuslinguistisch arbeitenden quantitativen Ansätzen, wie z.B. der „Academic Formulas List“ von 52 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 S IMPSON -V LACH / E LLIS (2010), deren Anwendungsbezug weniger unmittelbar ersichtlich wird. Die Relevanz der Orientierung an Benutzerbedürfnissen wird auch an der folgenden Darstellung der Makrostruktur von UniComm English deutlich. 5. Makrostruktur - Anordnung und Suche Die Qualität eines Wörterbuchs wird einerseits über die dort angebotenen Informationen bestimmt, andererseits aber auch über die Zugriffsmöglichkeiten auf dieses Angebot. In elektronischen Wörterbüchern besteht die Möglichkeit, mehr als einen Zugangsweg zu den Informationen anzulegen. Dadurch ergibt sich eine bessere Orientierung an den Bedürfnissen potentieller Benutzer, die je nach Benutzungssituation sehr unterschiedlich sein können. Für UniComm English haben wir zunächst zwei primäre Benutzungssituationen angenommen: • Benutzer haben einen kommunikativen Zweck identifiziert und suchen nach einer Formulierung, um diesen in der Fremdsprache umzusetzen. Für diesen Fall bietet sich die Suchfunktion des Wörterbuchs an (siehe 5.1). • Benutzer können eine beabsichtigte Sprechhandlung nicht exakt benennen, haben aber eine Vorstellung davon, wo diese situativ im Kontext von universitärer Kommunikation einzuordnen ist. Für diesen Fall bietet sich der Zugang über die Diskursstruktur der Kommunikationssituationen an (siehe 5.2). Darüber hinaus sind weitere Benutzungssituationen denkbar, in denen das Wörterbuch sinnvoll eingesetzt werden kann. 5.1 Suchfunktion Suchen Benutzer Formulierungen, mit deren Hilfe sie eine spezifische Sprechhandlung ausführen können, so erlangen sie Zugang zu den Formulierungen über die Suchfunktion. Als Volltextsuche sucht das Programm nach sämtlichen Vorkommen des Suchstrings im Wörterbuch und berücksichtigt nicht nur die Bezeichnungen der Sprechhandlungen selbst, sondern auch sämtliche im Wörterbuch verzeichneten Formulierungen. Die Eingabe von conclude führt somit zu folgendem Ergebnis (  S. 53): Beim Benennen der Sprechhandlungen wurde größter Wert auf die Eindeutigkeit der Benennungen gelegt. Diese drücken möglichst unmissverständlich aus, für welchen Kommunikationszweck die ihnen zugeordneten Formulierungen verwendet werden können. Wie bereits erwähnt wurde, gibt es keinen Mechanismus, der Formulierungen über ihre Funktion automatisch mit einer für alle Kommunikationsteilnehmer aussagekräftigen Benennung verknüpfen könnte. Aus diesem Grund wurden alle Sprechhandlungen mit zusätzlichen alternativen Bezeichnungen versehen. Diese werden in die Suche ein- UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 53 FLuL 41 (2012) • Heft 2 bezogen und tragen dazu bei, dass eine Suchanfrage auch dann erfolgreich verläuft, wenn die Benennung, die ein Benutzer für die Suche nach einer Sprechhandlung eingibt, nicht identisch mit der im Wörterbuch verzeichneten ist. Dabei wurden sowohl morphologisch verwandte als auch in diesem Kontext synonym verwendbare Bezeichnungen berücksichtigt. So führt nicht nur die Suche nach conclude zum Artikel concluding, sondern auch die Eingabe von finish oder finishing. Als zusätzliche Hilfestellung kann der Benutzer die Suche in deutscher Sprache durchführen, was insbesondere dann von Vorteil ist, wenn die Fremdsprachenkompetenz des Benutzers nicht zulässt, den Kommunikationszweck in englischer Sprache zu benennen. Über die Volltextsuche werden Benutzern auch sämtliche Vorkommen des Suchstrings in den Formulierungen angezeigt. Ausgehend von diesen Formulierungen besteht wiederum die Möglichkeit, zu den Sprechhandlungen zu gelangen, denen sie zugeordnet sind. Dies ermöglicht u.a. das Auffinden alternativer Formulierungen für einen Kommunikationszweck, ohne diesen näher benennen zu müssen. Die Eingabe von rephrase im Suchfeld zeigt u.a., dass dieser String in der Formulierung Let me rephrase that. auftaucht. Unter der hier zugeordneten Sprechhandlung indicating a paraphrase findet sich aber auch die Formulierung To put it another way…, die alternativ verwendet werden kann, um eine Paraphrase zu markieren bzw. einzuleiten. 54 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 5.2 Kommunikationssituationen - Struktur Um Kommunikation in Institutionen so effektiv wie möglich zu gestalten, haben sich Diskursstrukturen herausgebildet, die einen möglichst reibungslosen Kommunikationsablauf fördern. Derartige Diskursstrukturen lassen sich u.a. als Aneinanderreihung sprachlicher Handlungen in einer mehr oder weniger festgefügten Reihenfolge begreifen. Dabei kann den sprachlichen Handlungen ein mehr oder weniger fester Platz in der Struktur zugewiesen werden. Im Laufe des institutionellen Sozialisationsprozesses gewinnen die Teilnehmer an LV-Kommunikation Vertrautheit mit derartigen Strukturen, und so erwartet jeder Teilnehmer an LV-Kommunikation eine Begrüßung oder auch die Einführung in das Thema zu Beginn einer Lehrveranstaltung und nicht etwa an deren Ende. Ebenso erwarten erfahrene LV-Teilnehmer beim Aufbau einer Argumentation, dass eine These oder Hypothese eingeführt wird, der Sprecher dazu Stellung nimmt und anschließend Schlüsse daraus zieht. Die Ziele der beiden bereits kurz charakterisierten Diskurstypen „Lehr-Lerndiskurs“ und „Organisationsdiskurs“ führen zu einer für beide je charakteristischen Strukturierung im Wörterbuch. In Lehr-Lerndiskursen lassen sich übergeordnete Aufgaben oder Zwecke definieren, denen entsprechende Sprechhandlungen oder Sprechhandlungssequenzen zugeordnet werden können, wie z.B. beim Aufbau einer Argumentation (s.o.). Da das Ziel des Organisationsdiskurses die Verständigung über Themen ist, die im gegebenen institutionellen Rahmen unmittelbare (z.B. ein Handout austeilen) und/ oder weitreichende (z.B. Verständigung über Leistungsanforderungen) Handlungsrelevanz haben, bietet sich hier eine thematisch orientierte Anordnung der jeweiligen Sprechhandlungen an. Die Vertrautheit der Teilnehmer an LV-Kommunikation mit derartigen Diskursstrukturen ermöglicht es, einen zweiten Zugangsweg zu den Formulierungen anzubieten. Auf der Grundlage des Institutionenwissens der Analysatoren wurden Diskursstrukturen für Lehrveranstaltungs- und Sprechstundenkommunikation erarbeitet, die mit Hilfe der vorliegenden Datenbasis validiert wurden. Um eine geeignete Formulierung zu finden, arbeiten sich die Benutzer schrittweise auf immer tiefere Ebenen der Struktur vor, bis sie schließlich an der von ihnen gesuchten Sprechhandlung angelangt sind. Sucht ein Benutzer nach Formulierungen, mit denen er die Präsentation einer grafischen Darstellung einleiten kann, so klickt er sich über university courses und presentation weiter in den Hauptteil main part einer Präsentation. Dort geht er die Liste mit Themen und Aufgaben durch, bis er zu talking about visualized data gelangt. Hier findet er neben referring to parts of a graph und describing trends dann auch die Sprechhandlung introducing visualized data und die ihr zugeordneten Formulierungen (  S. 55). Diese Form der makrostrukturellen Anordnung kann nebenbei auch das Bewusstsein der Wörterbuchbenutzer für das Vorhandensein derartiger Strukturen schärfen. Benutzer aus dem Kreis der Lehrenden haben bestätigt, dass sie, angeregt durch die Darstellung in UniComm English, die dort abgebildete Struktur in Zukunft bei der Vorbereitung von Lehrveranstaltungen und Präsentationen nutzen werden. UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 55 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Bei der Erarbeitung der Struktur wurde wiederum besonderer Wert darauf gelegt, zu einer möglichst fachunabhängigen Form der Darstellung zu gelangen. Dabei ist durchaus vorstellbar, in Zukunft eine Ergänzung um fachspezifischere Strukturen vorzunehmen. 56 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 In der sogenannten „Library“ sind noch einmal alle Sprechhandlungen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Neben der Volltextsuche bietet sich Benutzern hier eine weitere Möglichkeit, unmittelbar auf von ihnen gesuchte Sprechhandlungen zuzugreifen. 6. Mikrostruktur Aspekte der Mikrostruktur beziehen sich auf die im jeweiligen Wörterbuchartikel angebotenen Informationen und deren Anordnung. Die Wörterbuchartikel in UniComm English bestehen aus einer Liste von Formulierungen, denen eine gemeinsame Sprechhandlung zugeordnet wurde. Die Reihenfolge der Formulierungen innerhalb des Artikels ist durch zwei Kriterien bestimmt: • aufsteigende Komplexität der Formulierungen • Markiertheit der Formulierungen; so stehen z.B. durch einen höheren Grad an Formalität gekennzeichnete Formulierungen am Ende des Artikels. Diese Kriterien sind als Leitlinien zu verstehen. Sie basieren auf eher intuitiven Einschätzungen von Komplexität und Formalität und nicht auf irgendeiner Form der Messung. Die Formulierungen weisen unterschiedliche Grade an Idiomatizität auf. Neben solchen, die keinerlei Variation zulassen, finden sich auch Formulierungsmuster, die variabel zu füllende slots enthalten, wie z.B. In the following [30 minutes] I will introduce you to ... Gegenwärtig wird daran gearbeitet, ausgewählte Wörterbuchartikel durch „cultural and stylistic notes“ zu ergänzen. Damit tragen wir zwei möglichen Problemen Rechnung: Zum einen ist dies die Tatsache, dass unsere Datenbasis überwiegend aus dem US-amerikanischen und britischen Kontext stammt und die ausgewählten Formulierungen u.U. kulturspezifisch andere Grade von Formalität widerspiegeln, als im deutschen Kontexten angemessen sind. Zum anderen weisen wir hier auf kulturbedingte Unterschiede in der Angemessenheit von bestimmten Sprechhandlungen - z.B. „Kritik äußern“ - hin. 7. Weitere Besonderheiten und Möglichkeiten von UniComm English 7.1 Individualisierungsmöglichkeiten Nach erfolgreicher Registrierung können Benutzer von UniComm English eigene Listen mit Formulierungen anlegen. Durch Anklicken können Formulierungen ausgewählt werden, die dann automatisch in eine entsprechende Liste exportiert werden. Dies ermöglicht es Benutzern, zur Vorbereitung auf für sie relevante Kommunikationssituationen individuelle Sammlungen von Formulierungen anzulegen. UniComm Englisch - ein Formulierungswörterbuch für die Lehrveranstaltungskommunikation 57 FLuL 41 (2012) • Heft 2 7.2 Erweiterbarkeit des Wörterbuchs Die Arbeit an UniComm English ist nicht abgeschlossen. Wir haben einen Grundstock an Formulierungen gesammelt und eine Struktur bereitgestellt, die es Benutzern erlauben soll, über verschiedene Zugangswege möglichst schnell zur gesuchten Information zu gelangen. Benutzer können nach erfolgreicher Registrierung nun aktiv in den Prozess der Erweiterung des Wörterbuchs um weitere Formulierungen und den daran anschließenden Validierungsprozess einbezogen werden. Unter der jeweiligen Sprechhandlung können Formulierungen für die Aufnahme in diesen Artikel vorschlagen werden. Die entsprechende Formulierung wird als „noch nicht validiert“ markiert und gleichzeitig in die Liste neu vorgeschlagener Formulierungen eingetragen. Auf diese Weise erhält man einen Überblick über die kürzlich vorgeschlagenen und noch nicht abschließend begutachteten Formulierungen. Hier besteht nun die Möglichkeit, ein Votum für oder gegen die Aufnahme der Formulierung in das Wörterbuch abzugeben und dies bei Bedarf zu kommentieren. Erst wenn sich eine bestimmte Anzahl von Benutzern für die Aufnahme der Formulierung ausgesprochen hat oder ggf. kommentierte Fehler behoben sind, wird sie endgültig in das Wörterbuch aufgenommen. Es ist geplant, UniComm English in einem nächsten Schritt um Formulierungen aus Lehrveranstaltungsankündigungen zu ergänzen und damit auch schriftsprachliche Formulierungen und über die Satzgrenze hinausgehende Formulierungsmuster anzubieten. Lehrveranstaltungsankündigungen als eine die mündliche LV-Kommunikation flankierende schriftliche Textsorte sind thematisch sehr eng mit dem Organisationsdiskurs verbunden, was eine Aufnahme in UniComm English nahegelegt hat. 7.3 Qualitätsoptimierung und Benutzerorientierung Die Publikation als Online-Wörterbuch ermöglicht nicht nur die bereits erwähnte quantitative Erweiterung des Formulierungsbestandes durch die Benutzer. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, auf der Grundlage noch zu erhebender Daten die Qualität des Wörterbuches weiter zu verbessern. So lässt sich z.B. leicht nachvollziehen, wie häufig einzelne Sprechhandlungen von Benutzern angewählt werden. Für Sprechhandlungen mit auffällig geringer Benutzerfrequentierung wird dann im Einzelfall zu analysieren sein, ob z.B. eine ungeeignete Benennung der Sprechhandlung, eine unangemessene Zuordnung von Formulierungen oder eine unangemessene Platzierung in der Wörterbuchstruktur ein Grund dafür sein kann. Auf diese Weise kann eine weitere Validierung der Wörterbucheinträge erfolgen. All diese Maßnahmen zielen darauf ab, UniComm English weiter den Benutzerbedürfnissen anzupassen. Parallel zur Arbeit am Wörterbuch haben die Mitarbeiterinnen des MuMiS-Projekts einen Starterkurs zur Vorbereitung auf englischsprachige Lehre für Studierende entwickelt, der auf den Formulierungen von UniComm English basiert. In acht unabhängig voneinander einsetzbaren Modulen, die in Lehrveranstaltungen unterschiedlicher Fachrichtungen integrierbar sind, geht es darum, die Verwendung von 58 Annelie Knapp, Silke Timmermann FLuL 41 (2012) • Heft 2 Formulierungen aus UniComm English einzuüben, um insbesondere Studierende noch besser auf die Herausforderungen englischsprachiger Lehre vorzubereiten. 7 Literatur A GUADO , Karin (2002): „Formelhafte Sequenzen und ihre Funktionen für den L2-Erwerb“. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 37, 27-49. 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Against the backdrop of globalisation and the European integration process, identity concepts of young Europeans are becoming more diverse and complex. It is commonly assumed that language and identity are closely connected and that identities are shaped to a large extent through discursive practices. These interactions no longer take place in the mother tongue alone; in many instances, they are increasingly affected by the wide use of English as a lingua franca (ELF) in Europe. This raises the question whether a European identity should be built upon linguistic diversity, as officially promoted by the European Union, or whether the use of ELF could help to fulfil this unifying function. Drawing on a questionnaire survey conducted at the University of Braunschweig with 1061 students, the article investigates the potential role of ELF in the formation of a common European identity. 1. Einleitung Vor dem Hintergrund der Globalisierung und des Zusammenwachsens Europas werden Identitätsentwürfe junger Europäer zunehmend vielfältiger und komplexer. Unter dem vielschichtigen Geflecht von Faktoren, die den Prozess der Identitätsbildung beeinflussen und zur Entwicklung dynamischer Identitätskonstrukte beitragen, scheint insbesondere der Sprache eine zentrale Bedeutung zuzukommen. So nimmt man an, dass Sprache und Identität untrennbar miteinander verbunden sind und Identitäten durch * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Claus G NUTZMANN , Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Das Englische als Welt- und Wissenschaftssprache und seine Vermittlung, Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen. Jenny J AKISCH , wissenschaftliche Mitarbeiterin, Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: j.jakisch@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englisch als europäische Verkehrssprache, Mehrsprachigkeitsdidaktik, Praktika und Praxis in der Lehrerbildung. Joana K OENDERS , Studienreferendarin am Studienseminar Braunschweig. E-Mail: joana.koenders@gmx.de Arbeitsbereiche: Englisch als Lingua franca in Europa, Darstellendes Spiel als bilinguales Sachfach. Frank R ABE , wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: f.rabe@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englisch als Wissenschaftssprache, Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache Englisch, Didaktik des Bilingualen Sachfachunterrichts. Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 61 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Sprechhandlungen beeinflusst werden. Sprachliches Handeln findet jedoch nicht mehr nur in den jeweiligen Nationalsprachen statt, sondern wird zunehmend auch von anderen Sprachen, insbesondere durch das Englische in seiner Funktion als Lingua franca in Europa, beeinflusst (vgl. J ENKINS 2007; S EIDLHOFER 2011a). Offiziell hat sich die Europäische Union der Förderung individueller Mehrsprachigkeit verschrieben, um die Europa kennzeichnende Situation der sprachlichen und kulturellen Vielfalt („unity in diversity“) bewusst zu erhalten, Verständigung und Mobilität über Sprachgrenzen hinweg zu ermöglichen und die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität auf Grundlage der verschiedenen Nationalsprachen unter Europäern zu fördern. Gemäß den Vorgaben der europäischen Sprachenpolitik soll jeder Bürger Europas daher zusätzlich zur Muttersprache über ausbaufähige Kenntnisse in zwei weiteren, vorzugsweise europäischen, Fremdsprachen verfügen („M+2“). Aufgrund des hohen kommunikativen Nutzens des Englischen sowie seiner Präsenz im Alltag junger Europäer ist Englisch allerdings schon längst die de facto Lingua franca Europas. Dass das Englische in interkulturellen Begegnungssituationen das zentrale, nicht selten einzige, Kommunikationsmedium ist, lässt vermuten, dass nicht das Nebeneinander vieler Sprachen, sondern die Verwendung einer gemeinschaftlich geteilten Sprache wie dem Englischen die Kommunikation erleichtern und das gegenseitige Verstehen unter Europäern befördern kann. Insbesondere wenn sich in Europa eine eigene Form des Englischen herausbilden sollte (z.B. Euro-Englisch), die sich beispielsweise in Aussprache, Grammatik und Wortschatz vom britischen und amerikanischen Englisch unterscheidet und somit zur Abgrenzung vom angloamerikanischen Bezugsraum beiträgt, könnte Englisch als Verkehrssprache in Europa zur Entstehung einer gemeinsamen europäischen Identität beitragen. Um zu untersuchen, welche Rolle Englisch als Lingua franca (ELF) in diesem Prozess einnimmt, wurden im Rahmen einer an der Technischen Universität Braunschweig durchgeführten Studie mittels eines anonymisierten Fragebogens Daten von Studierenden des 1. und 2. Studienjahres aus vier verschiedenen Fachrichtungen (Anglistik, Germanistik, Lebenswissenschaften, Maschinenbau) erhoben. 1 Folgende Untersuchungsfragen standen dabei im Vordergrund: 1. Welche Bedeutung messen die Teilnehmer der Studie dem Englischen als Lingua franca bei? 2. Gibt es für die Studierenden bereits so etwas wie eine europäische Identität, und wenn ja, wodurch zeichnet sich diese aus? 3. Was begünstigt aus sprachlicher Perspektive die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität: sprachliche Vielfalt oder eine Gemeinschaftssprache wie Englisch? Um diese Fragen beantworten zu können, wird im vorliegenden Beitrag zunächst der Identitätsbegriff in seiner individuellen (Abschn. 2.1) und europäischen Bedeutung 1 Wir danken allen Studierenden und Lehrenden der TU Braunschweig, die an der Erhebung mitgewirkt haben. 62 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 (Abschn. 2.2) genauer gefasst. Anschließend stellen wir unterschiedliche Positionen zur Rolle des Englischen vor (Abschn. 2.3) und diskutieren das Potenzial von (Euro-) Englisch als Quelle für eine gemeinsame europäische Identität (Abschn. 2.4). Es folgt die Beschreibung des methodischen Vorgehens bei der empirischen Erhebung (Abschn. 3), bevor deren Ergebnisse anhand obiger Leitfragen dargestellt (Abschn. 4) und die zentralen Erkenntnisse der Untersuchung zusammengefasst werden (Abschn. 5). 2. Englisch als identitätsstiftendes Medium in Europa - theoretische Vorüberlegungen 2.1 Sprache als identitätsstiftendes Medium Nach alltagssprachlichem Verständnis gibt der Begriff Identität Auskunft darüber, wer man ist, wie man über sich selbst denkt und wie man von anderen gesehen wird. Fachsprachlich formuliert stellt Identität „das Bewusstsein dar, das ein Individuum von sich selbst hat und ist sowohl auf das Erleben seiner Einmaligkeit als auch auf seine individuelle soziale Verortung bezogen“ (T ENORTH / T IPPELT 2007: 331). Die kulturelle Identität von Individuen und Gemeinschaften wird geprägt von moralischen, gesellschaftlichen und politischen Wertvorstellungen, Religion, der alltäglichen Lebenswelt und der Sprache. Letztere vor allem deshalb, weil Identität durch Abgrenzung gegenüber anderen entsteht und Sprache diese separierende Funktion übernehmen kann, und weil sich Identität durch sprachliches, aber auch nicht-sprachliches, Kommunizieren konstituiert, verändert und weiterentwickelt. Sprachliche Identität bzw. „linguistic identity“ 2 wird von B LOCK (2007: 43) definiert als „relationship between one’s sense of self and different means of communication, understood in terms of language, a dialect or sociolect, as well as multimodality”. Charakteristisch für diese Definition ist, dass sie über das Sprachliche weit hinausgeht, denn der Autor plädiert sogar dafür, „linguistic identity“ durch „multimodal identity“ zu ersetzen, um so den multisensorischen Begleiterscheinungen des Sprachlichen wie „hairstyle, clothing, facial expressions, gait“ (ebd.: 41) besser gerecht zu werden. Wenngleich es richtig ist, dass diese Faktoren für die Identitätsbildung von Individuen und Gruppen von Belang sein können, so erscheinen sie im Rahmen der hier verfolgten und auf die europäische Sprachenpolitik gerichteten Fragestellungen weniger relevant. Aus diesem Grund wurde der vorliegenden Untersuchung ein engerer Begriff sprachlicher Identität zugrunde gelegt, und es wird davon ausgegangen, dass Identität sich durch sprachliches Handeln in verschiedenen Kontexten und unterschiedlichen Formen herausbildet - die Nutzung einer oder mehrerer Fremdsprachen eingeschlossen. Während man in früheren Ansätzen, die von der Einsprachigkeit und Einheitskultur von Sprachgemeinschaften ausgingen, eine Eins-zu-Eins Beziehung von Sprache und 2 Zum Thema Sprache und Identität seien exemplarisch E DWARDS (2009), J ANICH / T HIM -M ABREY (2003), J OSEPH (2004) und K RESIC (2006) genannt. Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 63 FLuL 41 (2012) • Heft 2 ethnischer Identität annahm, scheint in Zeiten der Internationalisierung und Globalisierung sowie der damit verbundenen Zunahme von Mehrsprachigkeit eher ein dynamischer, plurielle Identitäten einschließender Identitätsbegriff angemessen zu sein, denn „[a]t any given time a person’s identity is a heterogeneous set made up of the names or identities, given to and taken up by her“ (T ABOURET -K ELLER 1997: 316). Allerdings bleibt auch bei einem solchen flexibleren Identitätsverständnis offen, in welchem Umfang und mit welcher Qualität sich Veränderungen ergeben: Ist davon auszugehen, dass die Identität eines Menschen im Kern stabil bleibt, sodass sich lediglich Facetten wandeln, oder kann beispielsweise das Erlernen und die häufige Verwendung einer Fremdsprache bewirken, „die linguistisch konzeptualisierten und kulturell präfigurierten narrativ-diskursiven Typen von monokulturellen Identitätskonstrukten grundlegend zu erschüttern“ (W ITTE 2008: 136)? 3 Als Reaktion auf eine solche Bedrohung der eigenen Identität kann eine Distanzierung gegenüber der fremden Sprache erfolgen, aber auch eine zunehmende Akzeptanz derselben und damit ein stärkeres Sich-Einlassen auf das Fremde, ein Sich-Mit-Ihm-Identifizieren, sind vorstellbar (vgl. ebd.). Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen die hohe Verbreitung des Englischen auf die Identitätskonstrukte von Europäern hat. 2.2 Gibt es bereits Formen einer europäischen Identität - und wenn ja, wodurch sind sie gekennzeichnet? Im Anschluss an die Überlegungen des vorherigen Abschnitts muss für die Frage, ob bereits Formen einer europäischen Identität existieren, zunächst geklärt werden, was konkret unter dem Begriff ‚europäische Identität‘ verstanden wird. N ISSEN (2004: 21) geht beispielsweise davon aus, dass man von europäischer Identität sprechen kann, wenn „sich Menschen in Europa kognitiv und emotional mit Europa als einem abgrenzbaren Raum verbunden fühlen“. Ist eine solche Verbundenheit mit Europa aber überhaupt vorhanden? 57% der Deutschen gaben in der Eurobarometer-Studie im Herbst 2006 an, sich ‚manchmal‘ oder ‚oft‘ als Europäer zu fühlen, europaweit sind es im Vergleich 54% (vgl. E UROPÄISCHE K OMMISSION 2006: 37). Trotz dieser Zahlen und eines feststellbaren Trends zu einer wachsenden Verbundenheit mit der Europäischen Union unter jungen Europäern (ebd.: 38) ist jedoch fraglich, ob sich diese Haltung auf eine gemeinschaftlich geteilte Auffassung von europäischer Identität gründet. Es ließe sich vermuten, dass viele Bürger sich unter diesem Begriff, der zweifelsohne noch kein feststehender ist, wenig vorstellen können und die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Identität noch in den Anfängen steckt. 4 Eine generelle Verbundenheit mit der EU ist also bei einem Teil der Europäer vorhanden. Bedeutend schwieriger wird es jedoch bei der Frage, wodurch diese Verbun- 3 Zum Verhältnis von Identität und Sprachenlernen vgl. N ORTON (1997, 2000). 4 Vgl. dazu G NUTZMANN (2008: 19) und M OLLIN (2006: 60f.). Ähnlich kommt auch K ÜSTER (2007: 43) zu der Einschätzung, „dass in weiten Teilen der Bevölkerung die Identifikation mit dem Europa-Gedanken nicht bzw. noch nicht sehr ausgeprägt ist“. 64 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 denheit zustande kommt bzw. welche Werte, Normen, Institutionen usw. diese Identifikation hervorrufen. In der Eurobarometer-Studie von 2011 nennen die Europäer bei dieser Frage mit Abstand die Reisefreiheit (45%) und den Euro (38%) (E UROPÄISCHE K OMMISSION 2011: 36) auf den vorderen Plätzen. Aber auch Geldverschwendung, Frieden, mehr Mitsprache in der Welt, Bürokratie, kulturelle Vielfalt und Demokratie (24-20%) sind Vorstellungen, die die EU-Bürger mit Europa assoziieren (vgl. ebd.: 36). Zudem ist es wahrscheinlich, dass das Christentum als kulturelles Erbe Europas, die gemeinsame Geschichte, kulturelle Ähnlichkeiten und gemeinsame wirtschaftliche und politische Interessen eine wichtige Rolle spielen. Dass Bezugspunkte für eine europäische Identität nicht genau zu bestimmen sind, zeigt jedoch erneut, dass sie erst im Entstehen begriffen ist. Für die meisten Europäer ist zudem die eigene nationale Identität nach wie vor wichtig. Die Europäische Union ist daher darum bemüht, die Identitäten der einzelnen Nationalstaaten zu erhalten (vgl. C AVIEDES 2003: 249). Eine gemeinsame europäische Identität als übergeordnetes Konstrukt muss jedoch nicht im Konflikt mit den nationalen Identitäten stehen und wird diese kaum ablösen oder ersetzen können (vgl. F IELD 1998: 246ff.), zumal ein dynamisches Konzept von Identität, wie es zuvor beschrieben wurde, multiple Identitäten zulässt. 2.3 Englisch als Lingua franca vs. Mehrsprachigkeit - unterschiedliche Positionen zur Rolle des Englischen in Europa Ohne Frage ist die englische Sprache in Europa von zentraler Bedeutung. Allerdings wird dies von der Europäischen Union nur bedingt anerkannt und teilweise sogar tabuisiert (vgl. H OUSE 2006: 91; G NUTZMANN 2008: 21; S EIDLHOFER 2011b: 134), ist doch das Englische offiziell nur eine Nationalsprache unter vielen. Inoffiziell hat sich Englisch jedoch schon längst zur faktischen Lingua franca Europas entwickelt und findet nicht nur Anwendung in interkulturellen Begegnungssituationen, sondern wird in der Regel auch als erste Fremdsprache in den verschiedenen EU-Mitgliedsländern gelernt. Obgleich die Vielfalt der Sprachen und Kulturen ein typisch europäisches Charakteristikum ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Sprachenvielfalt umgegangen werden sollte. Kann die Kommunikation in Europa auf den Nationalsprachen der einzelnen Staaten basieren, oder braucht Europa eine gemeinsame Verkehrssprache, wie z.B. Englisch? Was begünstigt aus sprachlicher Perspektive die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität: Der bewusste Erhalt der sprachlichen Vielfalt, wie von der EU-Sprachenpolitik intendiert, oder eine Gemeinschaftssprache wie das Englische, insbesondere in seiner europäischen Ausprägung als Euro-Englisch? Wie bereits oben dargestellt, hat sich die EU dem Erhalt und der Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in Europa verschrieben und setzt sich für das Konzept der Mehrsprachigkeit ein. Die von ihr anvisierte individuelle Mehrsprachigkeit ist dabei nicht zuletzt auch Ausdruck der Sorge vor einer angelsächsischen Vormachtstellung bzw. einer zunehmenden Dominanz angloamerikanischer Werte. Mit dem Anspruch, alle Europäer in die Lage zu versetzen, in mindestens zwei Sprachen kommunizieren zu können (von denen eine Englisch sein kann), ist damit auch das Ziel ver- Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 65 FLuL 41 (2012) • Heft 2 bunden, der drohenden Übermacht des Englischen ein Gegengewicht entgegenzustellen und die europäischen Sprachen zu stärken (vgl. C AVIEDES 2003: 254; F IELD 1998: 251). Zudem spielt bei den sprachenpolitischen Bestrebungen der EU die Sorge um eine mögliche Benachteiligung von Nichtmuttersprachlern des Englischen eine Rolle, müssen diese doch z.T. erheblichen Aufwand betreiben, um entsprechende Kompetenzen im Englischen zu erwerben. Ferner könnte der extensive Gebrauch des Englischen zu Domänenverlusten in den jeweiligen Muttersprachen führen und somit Auswirkungen auf die Entwicklung individueller Identitätsentwürfe haben. So argumentierte M UNDSCHAU (1995: 345) schon vor vielen Jahren: Die Sprache ist […] der Schlüssel zur europäischen Einigung. Der Wille dahin wird an der Qualität des zukünftigen Sprachverhaltens gemessen. Eine europäische Einheitssprache wird es niemals geben. Sprache bedeutet Identität, und mit dem Verlust der eigenen Identität möchte niemand zum Europäer werden. Die Nutzung einer gemeinsamen Sprache innerhalb Europas könnte folglich die existierenden sprachlichen und kulturellen Besonderheiten nicht in angemessener Form widerspiegeln und daher dem plurilingualen Charakter Europas nicht ausreichend Rechnung tragen. Gleichwohl ist zu fragen, inwiefern die beteiligten Europäer sich von einem Sprach- und damit verbundenen möglichen Identitätsverlust betroffen sehen. Gerade junge Europäer, in deren Leben das Englische eine wachsende Bedeutung einnimmt und die häufig in ihrem Alltag vom Englischen umgeben sind, definieren ihre Identität - vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein - schon längst zu einem Teil durch die englische Sprache („Englisch ist cool“). Von vielen Seiten wird die Umsetzbarkeit des Mehrsprachigkeitskonzepts der EU daher in Frage gestellt. So bezeichnen es D E F LORIO -H ANSEN / H U (2007: X) beispielsweise als „utopisch“, dass jeder EU- Bürger über handlungsbezogene Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen verfügen soll. Dieser zwar wünschenswerte Anspruch wird momentan tatsächlich noch nicht einmal durch die Schulbildung verwirklicht, da in Deutschland beispielsweise nur Abiturienten zwei Fremdsprachen erlernen müssen, von denen zudem eine Latein sein kann. Des Weiteren wird die Praktikabilität des Anspruchs nach gelebter Mehrsprachigkeit in Europa angezweifelt. Individuelle Mehrsprachigkeit nütze nichts, so S EIDLHO - FER (2011b: 134), wenn sie vom Gegenüber nicht geteilt wird oder wenn man mit einem Sprecher der vielen anderen europäischen Staaten kommunizieren will, deren Sprache man selbst nicht beherrscht. Immerhin gibt es in Europa derzeit 23 offizielle Amtssprachen, von denen in der EU-internen Kommunikation vor allem Englisch, Französisch und Deutsch als Arbeitssprachen verwendet werden. Angesichts der daraus folgenden potenziellen Sprachenkonstellationen erscheint die Möglichkeit, auf eine gemeinsam geteilte Sprache wie das Englische zurückgreifen zu können, weitaus erfolgversprechender. Auch die von der EU präferierte Gleichberechtigung aller europäischen Sprachen hat in der Realität kaum Bestand, denn „it is common knowledge that some languages in the European context are more equal than others“ (H OUSE 2008: 64). So dominiert Englisch nicht nur das schulische Fremdsprachenlernen, sondern fin- 66 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 det innerhalb Deutschlands auch Einsatz im bilingualen Sachfachunterricht, obwohl dieser ursprünglich - als Resultat des Deutsch-Französischen Kooperationsvertrages von 1963 - auf das Französische ausgerichtet war. Diese sprachliche Hierarchie kann durch das schulische Fremdsprachenangebot nur bedingt durchbrochen werden, da Lerner vor allem Interesse an solchen Sprachen haben, die weit verbreitet und somit in ihren Augen nützlich sind (vgl. S EIDLHOFER 2011b: 139; C OULMAS 1992). Dass das Englische hier eine Sonderrolle einnimmt und im Allgemeinen mit hohen beruflichen Chancen und einem großen persönlichen Nutzen in Verbindung gebracht wird, liegt auf der Hand. Es erscheint daher fraglich, inwiefern ein von der EU gegen den Willen der Bürger auferlegtes Mehrsprachigkeitskonzept von nachhaltigem Erfolg sein kann, denn es gilt: Mehrsprachigkeit lässt sich […] nicht ‚verordnen‘. Die Vorstellung von der zentralen Bedeutung von Verständigung und wechselseitigem Verstehen in Europa wird sich nur dann verwirklichen lassen, wenn die beteiligten Menschen - Schüler, Lehrer, Eltern - für diese Leitidee gewonnen werden können (N EUNER 2005: 176). Trotz der Bestrebungen der EU, Mehrsprachigkeit in Europa zu fördern und zu erhalten, sollte die herausragende Rolle des Englischen in Europa nicht ignoriert werden. 2.4 Das Potenzial von (Euro-)Englisch als Quelle einer gemeinsamen europäischen Identität Es ist deutlich geworden, dass die Quellen einer europäischen Identität oder dem, was sich gerade dazu entwickelt, mannigfaltig und noch unbestimmt sind. Darüber hinaus stellt sich angesichts der zuvor beschriebenen Vormachtstellung des Englischen innerhalb Europas zunehmend die Frage, ob sprachliche Gemeinsamkeiten, wie sie zum Beispiel der Gebrauch des Englischen als europäische Lingua franca herstellen könnte, die Basis für eine europäische Identität bilden, oder ob nicht vielmehr sprachliche Unterschiede, wie im Mehrsprachigkeitsansatz der europäischen Sprachenpolitik verankert, identitätsstiftend sein können. An diesem Vorhaben der EU-Sprachenpolitik kann jedoch kritisiert werden, dass eben jene Vielfalt der Sprachen in der EU die Bildung einer europäischen Kultur verhindere, weil ein wichtiger Aspekt von Kultur, nämlich die gemeinsame Sprache, fehle. Um Gemeinschaft herzustellen, so S EIDLHOFER (2011b: 138), müssen auch Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise die Nutzung einer gemeinsamen Sprache, geschaffen werden. Daher wäre es ebenso vorstellbar, dass von der Verwendung der englischen Sprache ein identitätsstiftendes Potenzial für Europa ausgeht. Deshalb sollte überlegt werden, ob die Rolle des Englischen als europäische Verkehrssprache aus (sprachen-)politischen Erwägungen weiterhin eingeschränkt oder ob ihre de facto-Position nicht nur toleriert, sondern sogar unterstützt werden sollte. Ein identitätsstiftendes Potential könnte insbesondere auch von einem sogenannten Euro-English ausgehen, d.h. einer Form des Englischen, die in Europa gesprochen wird und sich bezüglich Aussprache, Grammatik und Wortschatz vom amerikanischen und britischen Englisch unterscheidet. So nehmen Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 67 FLuL 41 (2012) • Heft 2 einige Forscher an, dass ELF nicht nur Medium der paneuropäischen Kommunikation ist, sondern von den Nutzern unter Loslösung von den inner circle-Normen englischer Muttersprachler (K ACHRU 1985) weiterentwickelt und eigenständig geprägt wird. Anhand der Daten des VOICE (Vienna Oxford International Corpus of English) stellten beispielsweise S EIDLHOFER und ihr Team fest, dass ELF-Verständigung von bestimmten strukturellen Merkmalen und Formulierungen gekennzeichnet ist, „which by native-speaker standards would be ,errors‘ but are generally unproblematic and no obstacle to communicative success“ (S EIDLHOFER 2005). Dazu zählen u.a. die Reduzierung der Verbkonjugation durch Verzicht auf das „third-person singular present tense -s“ (she like) oder die Pluralbildung für Nomen, die im Standardenglischen keine Mehrzahl haben (informations, advices) (vgl. ebd.). Zudem kann bereits beobachtet werden, dass gängige Ausdrücke aus den europäischen Sprachen durch den Prozess der discoursal nativization (M ODIANO 2001: 14), d.h. die kommunikative Akzeptanz vormals inkorrekter Phrasen und Ausdrucksweisen, Eingang in das in Europa gesprochene Englisch gefunden haben. Das Englisch, das hier gesprochen wird, weist also bereits einige charakteristische Merkmale 5 auf. Vor dem Hintergrund eines veränderten Anwendungskontextes des Englischen erhalten die damit verbundenen Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit möglicherweise besonders in Lehr-Lern-Kontexten eine andere Bedeutung, denn „learners may well need to be able to talk ,to‘ native speakers of English, but they will not need to be able to talk ,as‘ native speakers of English“ (A LE - XANDER 1999: 27). Es gibt also durchaus Anzeichen für eine spezifische Anpassung des Englischen an nichtmuttersprachliche Kontexte. Ob Euro-Englisch jedoch den Status einer eigenen Varietät für sich beanspruchen kann, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob es überhaupt von den Europäern akzeptiert wird oder werden könnte. So argumentiert beispielsweise J AMES (²2008: 140), dass sich die Europäer an den Standardvarietäten des britischen und amerikanischen Englisch orientieren und somit Belege für die Entwicklung eines Euro-English fehlen. Und M ODIANO (2003: 35) gibt zu bedenken, dass ein Euro-Englisch nicht als eigenständige Form des Englischen anerkannt werden würde, solange ein Muttersprachlerideal als Vorbild für das Englischlernen in Europa dominiert und damit eine Sprachenhierarchie besteht. Auch empirische Beweise für die Existenz von Euro-Englisch als endonormative Varietät sind rar, sodass M OLLIN (2006: 1) festhält: „Euro-English seems to be the Yeti of English varieties: everyone has heard of it, but no one has ever seen it“. Wenngleich sich also das in Europa gesprochene Englisch vom britischen und amerikanischen Englisch unterscheidet, kann der Prozess zur Bildung und besonders zur Akzeptanz eines Euro-Englisch - sollte es existieren - jedoch bestenfalls als in den Anfängen befindlich beschrieben werden. Ungeachtet dessen, ob es ein solches Euro-Englisch bereits gibt, könnte in ihm ein besonderes identitätsstiftendes Potential liegen, da es als eigene europäische Form des Englischen eine „neutrale“ Sprache wäre, die unabhängig von den englischen Muttersprachlern und den damit verknüpften Kulturen existieren würde (vgl. G NUTZMANN 5 Weitere Beispiele finden sich bei A LEXANDER (1999: 27 f). 68 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 2008: 26). Somit wäre es ein vorstellbares Identifikations- und Abgrenzungsmedium für Europäer. Eine eigene Form des Englischen in Europa, die von Nichtmuttersprachlern geformt wird, wäre also ein möglicher Lösungsweg aus dem Dilemma, dass einerseits eine gemeinsame europäische Sprache einer europäischen Identität zuträglich wäre, andererseits aber eine einzige Verkehrssprache in Europa als Bedrohung der Mehrsprachigkeit gesehen wird (vgl. S EIDLHOFER 2011b: 133). Euro-English böte die Möglichkeit, fremdbzw. zweitsprachliche Identitäten zu schaffen, die den sozialen und kulturellen muttersprachlichen Hintergrund der Einwohner der verschiedenen Mitgliedsländer berücksichtigen. Grundlage dafür ist jedoch, dass Euro-English von den Europäern als eigenständige Varietät des Englischen anerkannt und einer Mehrheit der Nutzer des Englischen verwendet wird. Dafür müsste es aber auch in prestigeträchtigen Kontexten, beispielsweise als Unterrichts- und Behördensprache, verwendet werden (vgl. G NUTZMANN 2008: 30). Dies ist allerdings insofern problematisch, als Euro-English häufig mit mangelnder Sprachbeherrschung in Verbindung gebracht wird (vgl. M ODIANO 2003: 35). Folgt man dieser Argumentation, so kann man annehmen, dass Englisch in Europa eher funktionales Kommunikationsmedium bleiben wird, anstatt als eigene Form Symbol einer kulturellen europäischen Identität zu werden. 3. Die empirische Erhebung: Methodisches Vorgehen Um den zuvor diskutierten Fragen nachzugehen, wurden in einer empirischen Erhebung an der Technischen Universität Braunschweig 1061 Studierende aus den Fachrichtungen Anglistik, Germanistik, Lebenswissenschaften und Maschinenbau im 1. und 2. Studienjahr befragt. Die Wahl fiel aus verschiedenen Gründen auf die genannte Zielgruppe: Das Aufwachsen in alltäglicher Präsenz des Englischen lässt vermuten, dass sich ein Einfluss der englischen Sprache auf eine europäische Identität am deutlichsten bei jungen Europäern zeigt. In dieser Hinsicht könnten die Auffassungen der Studierenden als Indikator für einen sprachlich-sozialen Wandel verstanden werden. Zum anderen ist vorstellbar, dass Teilnehmer, die ein sprachliches Fach studieren, eine andere Einstellung zum Themenkomplex haben als Studierende technischer und naturwissenschaftlicher Fächer. Um das entsprechende mögliche Meinungsspektrum einzufangen, erschien es daher wichtig, Studierende verschiedener Studienrichtungen bzw. Wissenschaftskulturen in die Erhebung einzubeziehen. Dass für die Untersuchung ein Fragebogen und somit ein eher quantifizierendes Erhebungsinstrument gewählt wurde, liegt u.a. im Wunsch begründet, über exemplarische Einzelfälle hinausgehende Aussagen treffen zu können und in kurzer Zeit Daten einer großen Anzahl von Teilnehmern zu einem begrenzten thematischen Feld zu erheben. Hinzu kommt die Vertrautheit der Studierenden mit diesem Erhebungsinstrument 6 , sodass Erklärungen zum Ausfüllen auf ein Minimum beschränkt werden können. 6 Bekannt sind Umfragen z.B. aus den am Ende eines Semesters stattfindenden Lehrevaluationen. Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 69 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Die Entwicklung des Fragebogens vollzog sich in mehreren, teilweise rekurrierenden Schritten: Basierend auf der wissenschaftlichen Literatur zu den Themenfeldern sprachliche Identität und Englisch als Lingua franca wurden Fragestellungen entwickelt, die im Anschluss in Fragebogenitems überführt wurden. Dieses Vorgehen, auch als „analytisch-nomologisch“ charakterisiert (G ROTJAHN 2003: 495), lässt sich als „die systematische Überprüfung von Hypothesen an der Realität“ (ebd.) beschreiben. Im Gegensatz zu einer explorativ-interpretativen Methodik (ebd.) stehen hier zentrale Annahmen bereits vor der Erhebung fest und sollen mithilfe des Erhebungsinstruments an der Zielgruppe überprüft werden. Die aus den Fragestellungen operationalisierten Items wurden im anschließenden Pretest mit einer Gruppe von Studierenden getestet und danach erneut überarbeitet. Diese Testung hatte u.a. als Ziel, etwaige Verständnisprobleme beim Ausfüllen vor der eigentlichen Erhebung zu klären. Der so entstandene Fragebogen wurde mithilfe der webbasierten Software EvaSys in digitale Form gebracht und für die Umfrage ausgedruckt. Ausschlaggebend für die Umsetzung mit EvaSys war neben der Verfügbarkeit eines attraktiven Layouts vor allem die Möglichkeit, die große Zahl an Fragebögen automatisch einscannen und einer ersten Auswertung unterziehen zu können. Die von EvaSys angebotene Datenaufbereitung beinhaltet u.a. eine Darstellung der absoluten bzw. relativen Häufigkeiten sowie die Berechnung des Mittelwertes, der Standardabweichung und der Enthaltungen. Die Nutzung vorgegebener Antwortoptionen ermöglicht eine dem Gegenstandsbereich angemessene thematische Fokussierung. Eine Erweiterung ausgewählter Items durch die halboffene Antwortkategorie „Sonstiges“ bot den Befragten jedoch die Gelegenheit, zuvor nicht Angegebenes zu ergänzen und so ihre eigene Sichtweise zum Ausdruck zu bringen. Durch eine abschließende offene Frage wurden die Studierenden zudem animiert, sich zum Themenkomplex in eigenen Worten zu äußern und eine individuelle Begründung zu entwickeln, sodass dieses Vorgehen als Kompromiss zwischen der notwendigen Strukturierung des Fragebogens und der Möglichkeit eigener Relevanzsetzung betrachtet werden kann. Die Antworten auf diese Frage werden aus Platzgründen in diesem Beitrag allerdings nur randständig thematisiert. Inhaltlich ist das Erhebungsinstrument in drei Teile gegliedert: Der erste Teil („Allgemeine Angaben“) erfasst personenbezogene Daten (z.B. Semester, Geschlecht) sowie Daten zur Fremdsprachennutzung und (Fremd-)Sprachenkompetenz der Befragten. In Teil zwei („Europa und Sprachenpolitik“) werden die Studierenden zu sprachenpolitischen Ideen wie dem „M+2“-Konzept und zur Rolle Europas für ihre Identitätsbildung befragt. Der dritte und letzte Teil („Englisch in Europa“) befasst sich mit der zukünftigen Rolle des Englischen als Lingua franca in der EU und behandelt Fragen zur Verwendung und Kodifizierung des Englischen. Angesichts des Umstandes, dass nicht alle Studierenden mit dem Thema der Untersuchung vertraut sein dürften, wurde der Begriff „Lingua franca“ durch den leichter verständlichen Ausdruck „Verkehrssprache“ ersetzt und das Konzept „Euro-Englisch“ zunächst kurz erläutert. In der Umfrage werden folgende Fragetypen verwendet: Items, die eine Einordnung zwischen zwei Polen verlangen, wie z.B. „Englisch sollte die einzige offizielle Behördensprache der EU sein“, wurden mit Skalafragen eruiert. Für die meisten Fragen die- 70 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 ses Typs wurde eine 4-stufige Likert-Skala verwendet (z.B. stimme vollkommen zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu). Das Erzwingen einer Positionierung durch das Vermeiden einer neutralen Antwortkategorie (forced choice) soll den „Informationsgehalt“ des Fragebogens erhöhen (vgl. R AAB -S TEINER / B ENESCH 2008: 55) bzw. die Tendenz zu einem mittleren Ankreuzverhalten verringern. Als Ausgleich für diesen ‚Zwang‘ wurde aber eine zusätzliche „weiß nicht“-Kategorie eingeführt. Diese Kombination macht einerseits eine Entscheidung der Befragten erforderlich, andererseits bietet sie den Studierenden die Option auszudrücken, dass sie sich zu diesem Item nicht positionieren können oder wollen. Dadurch sollte vor allem eine fragentypbedingte Verfälschung der Ergebnisse des Fragebogens verhindert werden. Single Choice-Fragen ähneln Skalafragen darin, dass sie nur eine Antwort zulassen. Im Unterschied zu Skalafragen sind die Antwortoptionen nicht skalierbar. Dieser Fragentyp wurde beispielsweise für die Frage nach dem Geschlecht der Teilnehmer eingesetzt (männlich, weiblich). Multiple Choice-Fragen wurden dort verwendet, wo mehrere Antworten zulässig bzw. erwünscht sind, wie z.B. in dem Item „Wo benutzen Sie die englische Sprache? “ (im Studium, im Nebenjob, in der Familie, in der Freizeit, im Urlaub, Sonstiges). Es wird jeweils explizit darauf hingewiesen, welche Fragen mehrere Antworten zulassen. Im Vorfeld der Erhebung wurden der Kontakt zu Lehrenden der ausgewählten Fächer hergestellt, Informationen über das Vorhaben vermittelt und Erhebungstermine festgelegt. Durch die sehr gute Zusammenarbeit mit den Lehrenden gelang es, eine große Anzahl von Studierenden aus den vier Fächern zu befragen. Um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu gewährleisten, wurde der anonyme Fragebogen entweder zu Beginn oder gegen Ende der ausgewählten Lehrveranstaltungen persönlich verteilt und nach dem Ausfüllen wieder eingesammelt. Die Bearbeitungszeit betrug durchschnittlich zehn Minuten. Nach der automatisierten Aufbereitung der erhobenen Daten durch EvaSys wurden die so erzielten Resultate unter Rückgriff auf die vorab formulierten Leitfragen und Vorannahmen ausgewertet und analysiert. 4. Ergebnisse Beschreibung der Gruppe: An der Befragung nahmen 53% männliche und 47% weibliche Studierende teil. Dieses scheinbar ausgewogene Geschlechterverhältnis spiegelt allerdings nicht die existierenden disziplinspezifischen Unterschiede zwischen den Fächern wider: Während der Studiengang Maschinenbau vorwiegend von Männern gewählt wird (90% männlich), ist das Geschlechterverhältnis bei den Lebenswissenschaftlern relativ ausgeglichen (43,4% männlich). In den Geisteswissenschaften Anglistik und Germanistik findet sich hingegen ein deutlich höherer Frauenanteil (75,6% und 81,9%). Die sprachliche Zusammensetzung der Teilnehmergruppe gestaltet sich wie folgt: 93% der Befragten geben an, das Deutsche als Muttersprache zu sprechen und über die deutsche Staatsangehörigkeit zu verfügen. Andere stärker vertretene Muttersprachen sind Russisch (1,9%) sowie Polnisch und Türkisch (je 1,7%). Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 71 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Die Selbsteinschätzung der Englischkompetenz auf einer Skala von 1 (ausgezeichnet) bis 5 (unzureichend) ergibt für das Mündliche einen Mittelwert von 2,6, die schriftlichen Fähigkeiten werden mit einem Mittelwert von 2,7 nur geringfügig schwächer bewertet. Dies deutet darauf hin, dass die Studierenden sich im Umgang mit dem Englischen verhältnismäßig kompetent fühlen. Es überrascht nicht, dass eine fachspezifische Betrachtung des Ergebnisses Unterschiede offenbart und sich die Gruppe der Anglisten mit einem Mittelwert von 2,3 für das Schriftliche und Mündliche von den anderen Studienfächern abhebt. Dass die Anglisten sich nicht deutlich besser als die anderen Teilnehmer einschätzen, könnte auf eine kritischere Selbsteinschätzung in Bezug auf die eigenen Sprachkenntnisse zurückzuführen sein. Zwischen den anderen Studiengängen ergeben sich keine größeren Differenzen hinsichtlich der vorgenommenen Selbstbeurteilung. Im Folgenden werden die Ergebnisse unter Berücksichtigung der Leitfragen dargestellt. 4.1 Welche Bedeutung messen die Teilnehmer der Studie dem Englischen als Lingua franca bei? Einen ersten Anhaltspunkt für die Bedeutung, die die Teilnehmer der Studie dem Englischen als Lingua franca zuschreiben, bietet die Frage „Wie häufig verwenden Sie das Englische (lesen, schreiben, hören, sprechen)? “, bei der die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, zwischen den Kategorien ‚täglich‘, ‚mehrmals wöchentlich‘, ‚mehrmals im Monat‘, ‚mehrmals im Jahr‘ und ‚überhaupt nicht‘ auszuwählen. Letzteres wurde lediglich von 3,4% der Studierenden gewählt und ist somit vernachlässigbar. Es dominieren die Angaben ‚täglich‘ (34,5%) und ‚mehrmals wöchentlich‘ (33,2%), sodass davon auszugehen ist, dass über die Hälfte der Befragten regelmäßig mit dem Englischen in Kontakt kommen. Da fachspezifische Lehrveranstaltungen mit Ausnahme der Anglistik in den gewählten Studiengängen zu diesem Zeitpunkt nicht auf Englisch stattfinden, ist anzunehmen, dass sich Berührungspunkte mit der Fremdsprache für die Studierenden vor allem im Privatleben oder in universitären Sprachkursen ergeben - eine Vermutung, die durch die Ergebnisse der nächsten Teilfrage („Wo benutzen Sie die englische Sprache? “) gestützt wird. (  Abb. 1, S. 72). Es zeigt sich, dass sowohl die Kategorie ‚Freizeit‘ (Durchschnitt aller Disziplinen: 73,5%) als auch die Option ‚Urlaub‘ (Durchschnitt: 63,1%) sehr häufige Antworten sind, während die Nutzung des Englischen im Studium in Abhängigkeit von der gewählten Fachrichtung wie zu erwarten stärker variiert. In erster Linie verdeutlichen die fächerübergreifend hohen Werte für die Nutzung des Englischen in der Freizeit und im Urlaub, dass Englisch Teil der Lebenswelt der Studierenden ist. Offenbar ist also die Verwendung des Englischen im Privatleben unabhängig vom gewählten Studienfach selbstverständlich. Der Gebrauch von Englisch auf Urlaubsreisen spricht zudem für eine verstärkte Anwendung der Sprache in Lingua franca-Situationen. 72 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 Abb. 1: „Wo benutzen Sie die englische Sprache? “ Dass Englisch als Lingua franca von den Studierenden für den interkulturellen Austausch genutzt wird, findet sich durch die Ergebnisse des nächsten Items bestätigt. Auf die Frage, ob eine europäische Kommunikation ohne gemeinsame Verkehrssprache auskommen könnte, reagiert die Gruppe ablehnend: 55% wählen die Antwortoption ‚nein‘, 30% entscheiden sich für die ebenfalls Ablehnung zum Ausdruck bringende Kategorie ‚eher nein‘. Dies spricht eindeutig für die Relevanz einer gemeinsamen Lingua franca - und zwar unabhängig vom studierten Fach. Lediglich 15% der Studierenden können sich für Europa ein Kommunikationsmodell, das nicht auf einer gemeinsamen Verkehrssprache basiert, vorstellen. Die von den Studierenden verschiedener Fächer geäußerten Einstellungen variieren hier nur minimal, woraus geschlossen werden kann, dass dem Englischen als Lingua franca ungeachtet des gewählten Studienfaches eine hohe Akzeptanz entgegengebracht wird. Ähnlich deutliche Positionierungen erreicht das Item „Der Gebrauch des Englischen als europäische Verkehrssprache erleichtert die Kommunikation unter Europäern deutlich“: 95% der Befragten stimmen der Aussage zu und wählen die Kategorien ‚ja‘ und ‚eher ja‘; ‚ja‘ kreuzen mit 60% sogar mehr als die Hälfte der Studierenden an. Es gibt bei dieser Frage kaum Enthaltungen (n=13), was als weiterer Indikator dafür gesehen werden kann, dass sich die Befragten einig sind, dass das Englische eine deutliche Erleichterung in der europäischen Kommunikation darstellt. Dies gilt jedoch nicht für die Frage, ob Englisch die einzige offizielle Behördensprache der EU sein sollte. Hier zeigt sich ein insgesamt ablehnendes Bild (64,7% stimmen eher nicht und gar nicht zu). Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 73 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Abb. 2: „Englisch sollte die einzige offizielle Behördensprache der EU sein“ Auffällig ist, dass die Antwort der Studierenden des Faches Maschinenbau von den anderen Gruppen abweicht: Fast 20% stimmen dieser Aussage vollkommen zu - ein hoher Wert im Vergleich zu den anderen Gruppen. Selbst die Anglisten, die über eine durchschnittlich höhere Kompetenz im Englischen verfügen dürften, reagieren verhaltener; nur 8% stimmen vollkommen zu. Dies könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass die Gruppe der Maschinenbauer einen ‚unbefangeneren‘ Umgang mit dem Englischen bzw. ein stärker instrumentell geprägtes Sprachverständnis hat 7 , während die Anglisten die Grenzen ihrer Fremdsprachenkompetenzen u.U. bereits erfahren haben. In keiner der vier Gruppen ist jedoch ein deutlicher Wunsch nach behördlicher Einsprachigkeit vorhanden, sodass festgehalten werden kann, dass English only in institutionellen Kontexten von der überwiegenden Mehrheit nicht befürwortet wird. Setzt man dieses Ergebnis mit den Aussagen zur Nutzung des Englischen als europäische Lingua franca (Abb. 1, S. 72) in Verbindung, ließe sich die These aufstellen, dass die Studierenden Englisch als Lingua franca im Privaten als hilfreich empfinden, behördliche Einsprachigkeit jedoch für sie zu weit führt. Möglicherweise resultiert die überwiegend ablehnende Haltung der Studierenden aus dem von der Formulierung der Frage suggerierten Ausschluss aller anderen Sprachen als offizielle europäische Behördensprachen. Man könnte somit vermuten, dass die Nutzung des Englischen - besonders in seiner Funktion als Lingua franca - als positiv und effizient bewertet, ein auf europäischer Ebene verordneter Ausschluss anderer Sprachen aber kritisch gesehen wird. 7 Englisch ist somit für sie eher ein ‚kulturneutrales‘ Medium der Kommunikation als eine Möglichkeit zur Identifikation mit anglophoner Kultur (vgl. die Unterscheidung zwischen Identifikationssprachen und Kommunikationssprachen von H ÜLLEN 1992). 74 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 Die hohe Akzeptanz des Englischen wird darüber hinaus dadurch offenkundig, dass die Studierenden ihre eigene Muttersprache durch den Gebrauch des Englischen als europäische Verkehrssprache nicht bedroht sehen. Trotz der Tatsache, dass ein Großteil der Befragten das Englische häufig gebraucht (siehe oben), nehmen 72% der Befragten keine Gefahr durch Englisch als Verkehrssprache für ihre L1 wahr. Dieses Ergebnis könnte weiterhin darauf hindeuten, dass die Teilnehmer ihre eigene Muttersprache als gefestigt und gesichert empfinden. Zusammenfassend lässt sich für die 1. Leitfrage (Welche Bedeutung messen die Teilnehmer der Studie dem Englischen als Lingua franca bei? ) festhalten, dass die Studierenden im Englischen als Lingua franca ein effizientes Medium der internationalen Kommunikation sehen, ohne das ein Gemeinwesen wie die EU nicht funktionsfähig wäre. Viele nutzen darüber hinaus aktiv Englisch in ihrer Freizeit und im Urlaub. Trotz dieser gewachsenen Bedeutung und Präsenz des Englischen nehmen die meisten Befragten keine Bedrohung der Muttersprache durch das Englische wahr, sondern scheinen es als Bereicherung zu empfinden. Dieser Aussage, die sich auf das lebensweltliche Umfeld der Studierenden bezieht, steht die überwiegende Ablehnung einer institutionellen Einsprachigkeit auf europäischer Ebene gegenüber. 4.2 Gibt es bereits so etwas wie eine europäische Identität, und wenn ja, wodurch zeichnet sich diese aus? Um der Frage nachzugehen, ob es bereits Formen einer europäischen Identität gibt, sollten die Studierenden zunächst angeben, ob sie sich selbst als Europäer fühlen. 63% der Befragten antworten mit ‚ja‘, 24% mit ‚eher ja‘, sodass insgesamt 87% der Teilnehmer aussagen, sich Europa zugehörig zu fühlen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Europa in der Identitätskonstruktion der Studierenden einen relevanten Bezugspunkt darstellt. Dass keine größeren Unterschiede zwischen den vier Fachrichtungen feststellbar sind, lässt darauf schließen, dass das europäische Selbstverständnis der Befragten sich unabhängig von der gewählten Studienrichtung und den daraus resultierenden (fremd-)sprachlichen Anteilen und Fachkulturen entwickelt. Anders gestaltet sich das Meinungsbild hingegen im Fall der Frage „Gibt es Ihrer Ansicht nach eine europäische Kultur? “ (  Abb. 3, S. 75) Zwar lässt sich hier ein leicht positiver Trend ausmachen, aber der Mittelwert von 2,3 deutet ein annäherndes Gleichgewicht zwischen zustimmenden und ablehnenden Reaktionen an. Die hohe Bandbreite der Antworten zeigt, dass die Studierenden zu diesem Thema offenbar unterschiedlicher Meinung sind. Bezieht man die Ergebnisse der vorherigen Frage mit in die Interpretation ein, wäre vorstellbar, dass die Studierenden sich zwar eindeutig Europa zugehörig fühlen, aber nicht sicher sind, ob man von der Existenz einer gemeinsamen europäischen Kultur ausgehen kann. Obwohl Europas kulturelle Konturen offensichtlich vage bleiben, hat es als Konstrukt einen Einfluss auf die Identität der Befragten. Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 75 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Abb. 3: „Gibt es Ihrer Ansicht nach eine europäische Kultur? “ Um Europa als Größe genauer zu fassen, sollten bei der nächsten Frage („Was ist für Sie typisch europäisch? “) aus einer Liste mit 15 vorgegebenen Items 3 Nennungen ausgewählt werden. Es ergibt sich folgende Rangliste 8 : Rang 1: ‚der Euro‘ (58%) Rang 2: ‚Reisefreiheit‘ (47%) Rang 3: ‚Demokratie‘ (38%) Rang 4: ‚Sprachenvielfalt‘ (29%) Rang 5: ‚Menschenrechte‘ (28%) Danach folgen ‚Multikulturalität‘ (25%), ‚Christentum‘ (19%), ‚die Wirtschaftsunion‘ (18%) sowie weitere Nennungen unter der 15%-Grenze. 9 Dass sich der Euro mit deutlichem Vorsprung auf Platz 1 findet, ist u.a. über seine hohe Präsenz in den Medien sowie seinen Symbolcharakter für die EU erklärbar. Über die auf Platz 2 befindliche Reisefreiheit scheint Europa im Gegensatz zu abstrakteren Konzepten besonders für junge Europäer unmittelbar erfahrbar, wie bereits die Nennung von ‚Urlaub‘ als einer der Hauptkontexte für die Benutzung des Englischen verdeutlicht (siehe Abb. 1, S. 72). Darüber hinaus spielen Prinzipien des demokratischen Zusammenlebens offenbar für die individuellen Europa-Entwürfe der Teilnehmer eine wichtige Rolle. Die von der 8 Bei dieser Frage waren drei Antworten auszuwählen, wodurch sich die Summe der Antworten auf insgesamt 300% statt der üblichen 100% beläuft. Die fünf aufgelisteten Aspekte ergeben zusammen 200% und damit zwei Drittel aller gegebenen Antworten. 9 Dazu gehören ‚Mobilität‘, ‚Integration von vielen Staaten‘, ‚eine gemeinsame Politik‘, ‚viele Museen und Theater‘, ‚kritisches Denken‘, ‚Migration‘ und ‚Sonstiges‘. 76 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 EU dezidiert geförderte Sprachenvielfalt taucht dagegen erst an vierter Stelle auf und erhält nahezu gleich viele Stimme wie das Item ‚Menschenrechte‘. 10 Für die 2. Leitfrage (Gibt es bereits so etwas wie eine europäische Identität, und wenn ja, wodurch zeichnet sich diese aus? ) kann daher zusammenfassend festgehalten werden, dass sich die Studierenden selbst als Europäer sehen, obwohl sie sich uneinig sind, ob eine europäische Kultur überhaupt existiert. Ihr Verständnis einer europäischen Identität scheint eher von Symbolen (wie der europäischen Einheitswährung), individuellen Rechten (‚Reisefreiheit‘) sowie gesellschaftspolitischen Ideen (‚Demokratie‘) als von sprachenpolitischen Vorstellungen (‚Sprachenvielfalt‘) beeinflusst zu sein. Während aus EU-Perspektive der Aspekt der Sprachenvielfalt ein für Europa konstitutives Element ist, sind in der Wahrnehmung der Befragten andere Elemente wichtiger. An diese Überlegungen anknüpfend, widmet sich die 3. Leitfrage der Rolle der Sprache(n) für den Prozess der europäischen Identitätsbildung. 4.3 Was begünstigt aus sprachlicher Perspektive die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität: sprachliche Vielfalt oder eine Gemeinschaftssprache wie Englisch? Um herauszufinden, welchen Stellenwert die Studierenden der Sprachenvielfalt in Europa beimessen, wurden sie u.a. mit der Forderung nach individueller Mehrsprachigkeit der Unionsbürger konfrontiert und zu einer Einschätzung der Praktikabilität dieser Vorgabe aufgefordert: (  Abb. 4, S. 77) Etwa die Hälfte der Studierenden hält den Anspruch nach „M+2“ für realistisch, die andere Hälfte glaubt jedoch nicht daran, dass dies umsetzbar ist (Mittelwert 2,4). Da das Abitur als Zulassungsvoraussetzung für ein Hochschulstudium erwarten lässt, dass alle Studierenden zusätzlich zur Muttersprache über Kenntnisse in zwei weiteren Fremdsprachen verfügen und somit prinzipiell mehrsprachig sind, wäre eine positivere Einschätzung der Umsetzbarkeit der Vorgabe denkbar gewesen. Die eher skeptischen Reaktionen könnten jedoch auch auf ein schulisch tradiertes Kompetenzverständnis zurückzuführen sein, d.h. die Vorstellung, man benötige ‚volle‘ Kompetenzen in allen Skills, um als mehrsprachig zu gelten. Dies deckt sich allerdings nicht mit dem Mehrsprachigkeitsverständnis der EU, nach dem auch Teilfertigkeiten zur Erfüllung von „M+2“ ausreichend sind. Darüber hinaus wäre ebenso vorstellbar, dass die Befragten trotz der Tatsache, dass sie selbst mehr als eine Fremdsprache in der Schule gelernt haben, nicht der Meinung sind, dass man dies von allen EU-Bürgern fordern könne. Es 10 Aus methodologischer Perspektive ließe sich hier anmerken, dass die Befragten bei dieser Frage lediglich vorgegebene Antwortoptionen auswählen konnten. Möglicherweise hätte eine offene Frage („Was ist für Sie typisch europäisch? Bitte nennen Sie drei Aspekte.“) zu anderen Ergebnissen geführt und zusätzlich negative Facetten europäischer Kultur beleuchtet. So finden sich beispielsweise in der Eurobarometer-Studie auch Nennungen wie ‚Bürokratie‘ und ‚Geldverschwendung‘. Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 77 FLuL 41 (2012) • Heft 2 ergibt sich also ein gemischtes Meinungsbild hinsichtlich der praktischen Implementierung der von der EU vorgebrachten sprachenpolitischen Vorstellungen. Abb. 4: „Die europäische Union (EU) fordert, dass jeder Europäer zusätzlich zu seiner Muttersprache über Kenntnisse in zwei weiteren Sprachen verfügen soll. Halten Sie diese Forderung für realistisch? “ Weiterhin wurden die Studierenden gefragt, wie sehr sie ihre eigene Identität durch das Englische bestimmt sehen: (  Abb. 5, S. 78) Die Kategorie „ein bisschen“, die von den Befragten mit 39,6% am häufigsten gewählt wird, sticht hervor. Fasst man für eine nach Studiengängen differenzierte Auswertung die Kategorien ‚zu einem großen Teil‘ und ‚deutlich‘ zusammen, zeigt sich, dass Anglistikstudierende ihre eigene Identität erheblich vom Englischen bestimmt sehen (52%), wohingegen die Werte für die Germanisten (19%), Maschinenbauer (15%) und Lebenswissenschaftler (13%) deutlich geringer ausfallen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Studierende der Anglistik viele Berührungspunkte mit angloamerikanischen Inhalten und Themen haben und sich infolgedessen mit diesen identifizieren, wohingegen bei den anderen Gruppen möglicherweise der instrumentelle Charakter des Englischen in seiner Funktion als Lingua franca stärker im Vordergrund steht. Darüber hinaus muss die mit dem Identitätskonzept einhergehende konzeptuelle Vagheit bei der Auswertung der Frage berücksichtigt werden; es ist zu vermuten, dass die Studierenden, auch in Abhängigkeit von der gewählten Disziplin, unterschiedliche Auffassungen davon haben, was Identität ist und wie Sprache die Identitätsbildung beeinflusst. Ob die 78 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 Verwendung des Englischen als Verkehrssprache aber auch zu einer europäischen Identität beiträgt, wird in der Gruppe unterschiedlich beurteilt: Abb. 6: „Die Verwendung des Englischen als Verkehrssprache trägt zu einer europäischen Identität bei“ Abb. 5: „Die englische Sprache bestimmt meine Identität …“ Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 79 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Die Befragten vertreten hier kein einheitliches Meinungsbild, reagieren aber insgesamt leicht ablehnend (Mittelwert 2,6). Die relativ hohe Enthaltungsquote (n=89, 8,4%) könnte auf eine gewisse Unsicherheit bei der Beantwortung der Frage deuten, für die wiederum verschiedene Ursachen denkbar wären, wie z.B. eine bisher eher geringe bewusste Auseinandersetzung mit Identität als Konzept im Allgemeinen sowie dessen europäischer Dimension. Unterschiede zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern werden von den Studierenden anerkannt: Das Item „Das Englisch, das in Europa von Nichtmuttersprachlern gesprochen wird, unterscheidet sich vom amerikanischen und britischen Englisch (z.B. bezüglich Aussprache, Grammatik, Wortschatz)“ erhält mit 91% für ‚stimme voll zu‘ und ‚stimme zu‘ große Befürwortung (vgl. Frage 1 in Abb. 7). Dies bedeutet aber nicht, dass die Gruppe deshalb eine eigene Form des Englischen innerhalb Europas für legitim oder gar wünschenswert erachtet. Im Gegenteil: Auf die Aussage „In Europa sollte es eine eigene Form der englischen Sprache geben (z.B. Euro- Englisch), die sich in Aussprache, Grammatik und Wortschatz vom britischen oder amerikanischen Englisch unterscheidet“ wird mit heftiger Ablehnung (79% stimmen ‚gar nicht zu‘, 16% stimmen ‚eher nicht zu‘) reagiert (vgl. Frage 2 in Abb. 7). Obwohl sich die Befragten also möglicher Unterschiede zwischen Muttersprachler- und Nichtmuttersprachler-Varietäten bewusst sind, leiten sie daraus keinen Anspruch ab, eine eigene Varietät zu lernen und zu sprechen, sondern bevorzugen eindeutig die Orientierung an native speaker-Standards. Dies könnte damit zusammenhängen, dass der Standardsprache eine höhere Leistungsfähigkeit zugeschrieben wird als der Verwendung von Euro-English. Es verwundert daher nicht, dass sich mit 84% die deutliche Mehrheit der Gruppe dagegen ausspricht, dass ein solches Euro-Englisch dazu beitragen könnte, eine eigene europäische Identität zu schaffen. Die verhältnismäßig hohe Zahl der Enthaltungen (n=121, 11,4%) deutet zudem auf mögliche Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage hin. (  Abb. 7, S. 80) Die Intensität der Zurückweisung einer solchen europäischen Form des Englischen bekam das Forscherteam in der Erhebungssituation unmittelbar zu spüren: So dachten die Studierenden häufig, es sei Absicht der Projektgruppe, Euro-Englisch einzuführen, und brachten ihre diesbezügliche Kritik in den Freitext-Antworten zum Ausdruck. Hier wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Antwort auf das letzte Item des Fragebogens (vgl. Frage 3 in Abb. 7: „Euro-Englisch kann dazu beitragen, eine eigene europäische Identität zu schaffen“) zu erklären („Begründen Sie bitte kurz Ihre Antwort auf die letzte Aussage“). Das Unverständnis äußerte sich beispielsweise in Anmerkungen wie den folgenden 11 : 11 Die Äußerungen der Studierenden wurden im Original-Wortlaut übernommen. Es handelt sich bei den hier abgedruckten Freitext-Antworten um eine Auswahl aus dem Gesamtkorpus. 80 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 Abb. 7: „Englisch in Europa“ (Fragen 1, 2 und 3) • „Was soll das? Funktioniert doch auch so….“ • „[M]an könnte genauso gut Klingonisch einführen“. • „English ist English! Wenn eine eigene europäische Sprache erfunden werden soll, dann soll es auch eine eigene sein, und kein abgekupfertes English! “ • „Euro-Englisch wäre genauso künstlich wie Esperanto und würde sich deshalb - meiner Meinung nach - nicht durchsetzen, geschweige denn eine europäische Identität schaffen.“ Nur wenige Studierende können dem Vorschlag etwas Positives abgewinnen: • „Englisch ist eine weltweit verbreitete Sprache, die aber längst nicht jeder beherrscht, geschweige denn gut und fließend spricht. Wenn man ein einfacheres Englisch entwickelt (wie es mit „Globish“ einmal versucht wurde), verbindet das auch die, die den Ansprüchen eines nahezu muttersprachlichen Niveaus nicht gewachsen sind.“ • „Ein sog. ‚Bad-Englisch‘ würde als einfaches Kommunikationsmittel aller Europäer vollkommen ausreichen.“ Für die 3. Leitfrage (Was begünstigt aus sprachlicher Perspektive die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität: sprachliche Vielfalt oder eine Gemeinschaftssprache wie Englisch? ) kann folgendes Resümee gezogen werden: Die Befragten sind hinsichtlich der Umsetzung der Mehrsprachigkeitsvorstellungen der Europäischen Union geteilter Meinung. Sie sind sich dessen bewusst, dass das Englisch von Nichtmuttersprachlern und somit ihr eigenes Englisch sich vom britischen und amerikani- Englisch als Verkehrssprache in Europa - identitätsstiftendes Medium für junge Europäer? 81 FLuL 41 (2012) • Heft 2 schen Englisch unterscheidet. Gleichwohl spricht sich die überwiegende Mehrheit deutlich gegen die Aufhebung muttersprachlicher Standards sowie die Einführung einer eigenen Form des Englischen in Europa aus und glaubt nicht, dass ein solches Euro- Englisch zur Entwicklung einer europäischen Identität beitragen könnte. 5. Zusammenfassung Ausgehend von der Frage, ob Englisch als Verkehrssprache in Europa eine identitätsstiftende Wirkung entfalten kann, wurden zunächst verschiedene Identitätskonzepte im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Identität diskutiert sowie sprachenpolitische Spannungsfelder in der EU erörtert. Die aus dieser Darstellung entstandenen Leitfragen wurden in einen Fragebogen überführt, der anschließend für eine Umfrage an einer niedersächsischen Universität eingesetzt wurde. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: • Die Studierenden schätzen ELF als Kommunikationsmedium, wollen jedoch nicht, dass es in Form eines Euro-English den Status einer Varietät erhält. Sie halten vielmehr an muttersprachlichen Normen der inner circle varieties fest und sehen in diesen die legitimen Vertreter des Englischen. Obwohl sie Unterschiede zwischen muttersprachlichem und nichtmuttersprachlichem Englisch feststellen, leiten sie daraus nicht den Anspruch ab, eine eigene nichtmuttersprachliche Form des Englischen einzufordern. Die Idee des Euro-English als europäisierende und daher identitätsstiftende Alternative zu muttersprachlichen Standards wird von den Studierenden entschieden zurückgewiesen. • Die Studierenden sehen sich selbst als Europäer. Es fällt auf, dass ihre europäische Identität, obwohl unscharf, sich in erster Linie an Gesellschaftsvorstellungen (Reisefreiheit, Demokratie) und Symbolen (Euro) orientiert. Sprachenpolitische Zielvorstellungen wie Sprachenvielfalt nehmen dabei nicht die vordersten Plätze ein, werden aber von den Studierenden als Teil der europäischen Kultur anerkannt. • In Bezug auf individuelle Mehrsprachigkeit sind die Studierenden geteilter Meinung, was mit dem hohen Kommunikationswert von ELF zusammenhängen könnte, den die Teilnehmer fast einstimmig bestätigen. Hier zeigt sich allerdings eine gewisse Ambivalenz in den geäußerten Einstellungen: Obwohl Mehrsprachigkeit zumindest für einen Teil der Befragten als europäischer Wert gelten kann und eine behördliche Einsprachigkeit weitestgehend abgelehnt wird, halten die Studierenden es für unrealistisch, dass alle EU-Bürger zwei Fremdsprachen lernen und die gewünschte Mehrsprachigkeit aktiv leben. Diese Einstellung lässt auf eine Akzeptanz europäischer Zweisprachigkeit schließen, in diesem Fall Deutsch und Englisch. Ob eine europäische Sprachenpolitik, die Mehrsprachigkeit fordern und fördern will, mit diesen Vorstellungen kompatibel ist, darf bezweifelt werden. 82 Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch, Joana Koenders, Frank Rabe FLuL 41 (2012) • Heft 2 Insgesamt zeigen die Ergebnisse eine wachsende Bedeutung des Englischen für junge Europäer, die bei sprachenpolitischen Überlegungen nicht länger von der Europäischen Union ausgeklammert werden dürfen. Trotz der Dominanz des Englischen geht von ihm auch eine verbindende Funktion aus, die junge Europäer zweifelsohne bereits für sich entdeckt haben. Literatur A LEXANDER , Richard J. (1999): „Caught in a global trap, or liberated by a lingua franca? Unravelling some aims, claims and dilemmas of the English teaching profession“. In: G NUTZMANN , Claus (Hrsg.): Teaching and Learning English as a Global Language. Native and non-native perspectives. Tübingen: Stauffenburg, 23-39. B LOCK , David (2007): Second Language Identities. London: Continuum. 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It also explains what sets them apart from other forms of internationalised university instruction, in particular, ERASMUS-like student exchange, international degree programmes, which were unilaterally created for the purpose of “getting international students to come to our country”, and so-called “export degree programmes”, which function well with partners in the partner country, but are not based on academic equivalence. The article describes the special added value which comes with binational integrated degree programmes, particularly for acquiring intercultural competence and helping graduates achieve multilingual proficiency in non-philological subjects. Using the example of various German-French degree programmes at the Franco-German University (DFH), the article highlights both the opportunities, as well as potential pitfalls, of systematically providing students with a binational and multilingual university education. 1. Einleitung Binationale Integrierte Studiengänge (in der Folge abgekürzt als BIS) sind Studiengänge, die über ein integriertes Curriculum verfügen und gemeinsam von Hochschulpartnern in zwei verschiedenen Ländern durchgeführt werden. Die Deutsch-Französische Hochschule unterhält ein Netzwerk von ca. 140 Studiengängen, die zu diesem Typ gehören. 1 Es geht im Folgenden vor allem darum, diese Studiengänge genauer zu beschreiben und im Hinblick auf den Zusatznutzen der Mehrsprachigkeit sowie auf den Erwerb interkultureller Kompetenz zu untersuchen. Wer sich im Kontext der deutschfranzösischen Hochschulkooperation auskennt, weiß um die erstaunlich großen Unterschiede hinsichtlich der Lehr- und Lernkultur zwischen beiden Ländern. Auch entwickelt sich die Sprachkompetenz, was die Kenntnis der Sprache des jeweiligen Nachbarn betrifft, bekanntlich angesichts der Dominanz des Englischen in beiden Ländern * Korrespondenzadresse: Dr. Jochen H ELLMANN , Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule, Villa Europa, Kohlweg 7, 66123 S AARBRÜCKEN . E-Mail: hellmann@dfh-ufa.org Arbeitsbereiche: Wissenschaftsmanagement, Internationalität von Hochschulen, Bologna-Prozess. 1 Die DFH fördert auch eine Reihe trinationaler Kooperationen. Dieser Aspekt soll hier jedoch, um das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren, vernachlässigt werden. Binationale Integrierte Studiengänge 85 FLuL 41 (2012) • Heft 2 nicht gerade dynamisch. 2 Kann unter diesen gar nicht so einfachen Bedingungen die besondere Studiengangsform der BIS in einem Sprachpaar wie Deutsch-Französisch wirklich gedeihen, und welches ist der spezifische Mehrwert solcher Studiengänge? Diesen Fragen soll in der Folge nachgegangen werden. 2. Binationale Integrierte Studiengänge (BIS) Bevor der Untersuchungsgegenstand, die Binationalen Iintegrierten Studiengänge, genauer unter die Lupe genommen werden kann, muss der Klarheit halber zunächst abgegrenzt werden, wovon hier nicht die Rede ist. 2.1 BIS und „ERASMUS“ Seit Ende der Achtziger Jahre, als das ERASMUS-Programm seinen Erfolgslauf begann, hat dieses Austauschmodell an den europäischen Hochschulen, und sogar darüber hinaus weltweit, Furore gemacht und wurde zum Grundmodell für den internationalen Studentenaustausch schlechthin. Hochschullehrer verschiedener europäischer universitärer Einrichtungen „vernetzen“ sich untereinander, beantragen über die Vermittlung einer „Nationalen Agentur“ 3 europäische Fördermittel, die überwiegend als Mobilitätsbeihilfe an mobile Studierende ausgezahlt werden, und können sich dabei auf eine je nach Hochschule mehr oder minder gut ausgebaute institutionelle Infrastruktur stützen, die die einzelnen Programmverantwortlichen bei der unvermeidlichen Bürokratie, aber oft auch bei der Vorbereitung der „outgoing students“ und Aufgaben wie der Unterbringung und Betreuung der „incoming students“ entlastet. Dieses Schema wurde seit 1987 nicht grundsätzlich verändert, jedoch immer wieder angepasst und verfeinert. Das „ERASMUS-Schema“ 4 konnte ein so großer Erfolg werden, weil alle an einem solchen Mobilitätsprogramm Beteiligten sich als Gewinner sehen können: • Die Studierenden werden in die Lage versetzt, ohne mühsamen Papierkrieg schwierige individuelle Studienplatzbeantragung und meist auch ohne allzu viel Zeitverlust ein Semester oder Studienjahr im Ausland in ihr Studium „einzubauen“; die Relation Aufwand-Ertrag ist günstiger und studierendenfreundlicher als bei der Realisierung rein individuell organisierter Auslandsprojekte. Zudem ist ERASMUS ein „Massenprogramm“ in dem Sinne, dass es quantitativ ehrgei- 2 Freilich sollte die Lage auch nicht dramatisiert werden. Die Hinwendung zur „Trendsprache“ Spanisch ist real, bedeutet aber nicht, dass die Zahl der Französisch-Lerner an deutschen Schulen zurückgegangen wäre. „In Französisch erhöhte sich die Zahl von 1 643 961 Schülern der Sekundarstufe I im Jahr 2002/ 03 auf 1 694 173 Schüler im Jahr 2009/ 10 […]. Im Spanischen ist der Anstieg bei 151 692 Schülern im Jahr 2002/ 03 auf 337 297 im Jahr 2009/ 10 um 122% am bedeutendsten“ (C HRIST 2011: 9). 3 In Deutschland nimmt der DAAD für das BMBF diese Funktion seit 1987 wahr. 4 Hier wird der Begriff ERASMUS verwendet als pars pro toto und schließt alle Mobilitäts-Förderungsmodelle ein, die nach demselben Grundprinzip konzipiert sind. 86 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 zig ausgebaut wurde und insofern längst nicht nur für eine kleine und exzellente Minderheit die Chance zum Auslandsaufenthalt bietet. 5 • Die Hochschullehrer und -lehrerinnen können aufgrund der institutionellen Infrastruktur - fast überall existiert ein ERASMUS-Büro oder eine entsprechende Arbeitseinheit im Akademischen Auslandsamt - sowie aufgrund des eingespielten, beinahe ritualisierten Austausch-Verfahrens ohne allzu erheblichen Energieeinsatz an einem internationalen Austauschprogramm teilnehmen. • Die Hochschulen selbst sehen im oft sehr eindrucksvollen Netzwerk, das quer über alle Fakultäten nicht selten den Kontakt mit Dutzenden renommierter internationaler Hochschulen verbürgt, einen wichtigen Nachweis erreichter Internationalität und somit internationaler Attraktivität. Bei allem Respekt vor der fraglos eindrucksvollen Leistung von ERASMUS, dessen Name auch in der breiteren Öffentlichkeit als Chiffre für studentische Internationalität verwendet wird, muss dennoch in Abgrenzung zum Modell der Binationalen Integrierten Studiengänge, der BIS, auf einige potentielle Defizite hingewiesen werden, die dazu führen, dass ERASMUS-Aufenthalte gelegentlich etwas geringschätzig als Auslandserfahrung minderer Ordnung aufgefasst werden. Diese Geringschätzung ist als solche ungerecht 6 , aber auch in diesem Vorurteil liegt ein kleiner „wahrer Kern“: • Die häufig nur vierbis sechsmonatigen ERASMUS-Studienaufenthalte erlauben meist kein vertieftes Eintauchen in Landessprache und Landeskultur. • Die Kehrseite der multilateralen Netzwerk-Infrastruktur ist gelegentlich eine Art „Über-Organisation“ des Austausches; große multinationale Gruppen von ERASMUS-„incomings“ leben zusammen in Wohnheimen und integrieren sich nicht in das einheimische Studentenleben, im schlimmsten Fall entstehen sogar nationale Untergruppen, was dann in der Folge auch den Spracherwerb erheblich reduziert. • Die Kehrseite des unkomplizierten Austausches ist mitunter eine mangelnde Sorgfalt im Hinblick auf die Vorbereitung der eigentlich obligatorischen Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen. Da die Curricula selbst zwischen den beteiligten Partnern nicht abgeglichen werden müssen, soll ein 5 „Fast drei Millionen Frauen und Männer haben dank des EU-Bildungsprogramms in den vergangenen 25 Jahren einen Studienaufenthalt oder ein Praktikum in einem anderen europäischen Land absolvieren können. 4.000 Hochschulen in 33 Ländern beteiligen sich heute an ERASMUS […].“, stellt das DAAD-Online-Magazin, Ausgabe 27.02.2012, fest. 6 Als ein Beispiel der öffentlichen Wahrnehmung mag der SPIEGEL-Online-Beitrag vom 16.04.2012 dienen, in dem es heißt: „Doch häufig haben Hochschüler in der Ferne dabei mehr Kontakt zu anderen Austauschstudenten als zu einheimischen Kommilitonen. Man feiert viel zusammen, spricht Englisch statt der Landessprache. ‚Man bleibt in einer Blase‘, sagt Jule Türke vom International Office der Universität Frankfurt am Main“. Symptomatisch im Ton freundlicher Harmlosigkeit ist auch folgendes Zitat aus dem Beitrag eines online-Portals: „Wer ein Auslandssemester absolviert, will auch Spaß haben und neue Leute treffen. Häufig bleiben Austauschstudenten dabei aber unter sich. Um wirklich etwas von Land und Leuten zu sehen, sollten Hochschüler in der Ferne früh Kontakt zu Einheimischen suchen“ (rp-online vom 29.04.2012). Binationale Integrierte Studiengänge 87 FLuL 41 (2012) • Heft 2 vorab zwischen den Beteiligten abgeschlossenes „learning agreement“ im Prinzip für ausreichende Sicherheit sorgen; in der Praxis funktioniert dies aber nicht immer. Für viele ERASMUS-Studierende war das Auslandssemester dann im Nachhinein ein interessantes und sicher horizonterweiterndes Intermezzo, das aber nicht zu einer intensiven forschenden Teilnahme an der Gast-Wissenschaftskultur genutzt und entsprechend weder in anerkannte Credits umgemünzt werden konnte, noch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Sprachkenntnisse geführt hat. Die BIS sind im Grunde die Antwort auf diese Unzulänglichkeiten. Sie sind ein Versuch, das generell wertvolle ERASMUS-Schema um eine „Variante für Fortgeschrittene“ zu ergänzen, die die genannten Einschränkungen und potentiellen Defizite nicht mehr enthält: Das Kernelement ist dabei das gemeinsame Curriculum, das dafür sorgen soll, dass eine Unterscheidung zwischen „Gast-Studierenden“ und „Einheimischen“ gar nicht mehr sinnvoll entsteht, da ein gemeinsamer Studiengang an verschiedenen Standorten studiert wird. Freilich bedeutet dies, dass bei allen Teilnehmern Kenntnisse der Unterrichtssprachen auf dem Niveau der Studierfähigkeit schon bei Vorlesungsbeginn vorhanden sein müssen. 2.2 BIS und „Internationale Studiengänge“ „Internationale Studiengänge“ sind eine Kategorie von Studiengängen, die in der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre, also ein Jahrzehnt nach ERASMUS, en vogue kamen (H ELLMANN / P ÄTZOLD 2005). Hier ging es darum, der damals heiß diskutierten „mangelnden Attraktivität des Studienstandortes Deutschlands“ (so die damals allgemein verwendete expression consacrée) etwas entgegenzusetzen. Die „Internationalen Studiengänge“ sollten so konzipiert werden, dass internationale, insbesondere auch nicht-europäische Studienbewerber den „Studienstandort Deutschland“ als attraktive Alternative zum Studium in anglophonen Ländern entdecken würden. Dazu gehört vielfach, neben besonderen Betreuungsformaten, Propädeutika und anderen speziell auf internationale Kundschaft zugeschnittenen Angeboten, die damals revolutionäre - und erwartungsgemäß umstrittene 7 - Besonderheit, dass die Unterrichtssprache nicht Deutsch, sondern Englisch sein sollte. Zur Abgrenzung vom Untersuchungsgegenstand, den BIS, kann also festgehalten werden, dass die „Internationalen Studiengänge“ nicht auf Reziprozität aufbauen und im Grunde ohne internationale Partner auskommen. Sie stehen in tapfer angenommener Konkurrenz zu Studienangeboten, die Studierende aus Asien, Lateinamerika und anderen Regionen ins Vereinigte Königreich, in die USA und nach Australien ziehen. Die Entscheidung für Englisch als Unterrichtssprache wird manchmal durch eine gemäßigte „Lockvariante“ modifiziert, bei der nur zu Beginn Englisch unterrichtet wird, um dann beispielsweise vom zweiten Jahr an, nachdem studienbegleitende Kurse in der Landes- 7 Zur Diskussion um die englischsprachigen Studiengänge vgl. M OTZ (2005). 88 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 sprache besucht wurden, sukzessive in diese auch als „language of instruction“ überzugehen. Es geht hier nicht um eine Neuauflage der Diskussion um die Legitimität einer solchen „Sprachpolitik“, für und gegen die manches anzumerken wäre und mehr als genug auch in hitzig geführten Debatten angemerkt wurde. Auch die Frage, inwieweit das Englische, das als Sprache der Forschung seine dominante Stellung längst erkämpft hat, diesen Sieg insofern vervollkommnen kann, als es zugleich allgemein die Sprache der Lehre wird, muss hier unbeantwortet bleiben. 8 Es geht vielmehr um die Abgrenzung der „Internationalen Studiengänge“ vom Konzept der BIS. Dieses zeichnet sich aus durch eine binational-partnerschaftliche Studienstruktur, in der es nicht in erster Linie um „Brain Gain“ geht, sondern in der Bilingualität und interkulturelle Kompetenz als über die fachliche Ausbildung hinausgehendes zusätzliches Lernziel zur eigentlichen raison d’être werden. In den BIS werden in der Regel die beiden Sprachen der beteiligten Institutionen zu gleichberechtigten Unterrichtssprachen; wenn allerdings Partner aus sehr „kleinen“ Sprachen involviert sind, wird natürlich mitunter auch hier auf das Englische ausgewichen. 2.3 BIS und „Transnational Education“ im Sinne von Studiengangs-Export Eine wiederum andere, ebenfalls dem Internationalisierungsziel verpflichtete, aber von den BIS abzugrenzende Variante sind die Studiengänge, die in andere Länder „exportiert“ werden; hier wird zwar mit einem dortigen Hochschulpartner kooperiert (vgl. C LAUSEN / S CHINDLER -K OVATS / S TALF 2011), von echter Reziprozität kann aber auch bei diesem Typus nicht die Rede sein. 9 Von ihrer Anlage her sind diese Studiengänge vor allem dazu geeignet, Studierenden in Entwicklungs- und Schwellenländern selbst dann zu einer qualitativ am deutschen bzw. europäischen Studienkonzept orientierten Hochschulausbildung zu verhelfen, wenn ihre finanziellen Mittel nicht reichen bzw. ihr Lebensplan es nicht vorsieht, zum Studium in ein hochentwickeltes Land zu „migrieren“. Die exportierende Hochschule sieht ihr Interesse darin, ihre eigene internationale Marke auf dem weltweiten Hochschul-Bildungsmarkt zu etablieren 10 , an Prestige zu gewinnen und das eigene internationale Netzwerk engmaschiger zu knüpfen. 8 W ÄCHTER / M AIWORM (2008: 91) haben bei ihrer Untersuchung hierzu folgende Feststellung getroffen: „Yet, despite the steady growth, in no country are English-taught programmes anywhere near challenging the survival of the domestic language. […] English-medium education will have its place in European higher education, a smaller or larger one depending on the country we are talking about. Not more, but also not less“. 9 „In most degree export programmes the foreign partner essentially provides its infrastructure and, together with the German home institution, elaborates curricula, a system of shared teaching, and student services; the German partner, meanwhile, is responsible for the academic and the remaining administrative contents and necessities“ (C LAUSEN / S CHINDLER -K OVATS / S TALF 2011: 4). 10 „Any transnational degree programme should convey a special and unique national profile that facilitates recognition by the potential partner and by prospective students and helps create a brand for the university“ (ebd.: 15). Binationale Integrierte Studiengänge 89 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Die BIS können im Gegensatz zu diesem Ansatz nur zwischen Partnern konzipiert werden, die akademisch auf Augenhöhe miteinander kooperieren und vor allem bestrebt sein müssen, gemeinsame gemischte Studierenden-Kohorten zu bilden, was sowohl für die Frage der Sprachverwendung im Unterricht als auch für das Lernziel „Interkulturelle Kompetenz“ vollständig andere Voraussetzungen erzeugt. 3. Die Studiengänge der Deutsch-Französischen Hochschule Ca. 140 integrierte Studiengänge sind unter dem Dach der Deutsch-Französischen Hochschule 11 zusammengeschlossen und werden von der DFH nach ausgiebiger Qualitätskontrolle auch mit Zuschüssen unterstützt. Betrieben werden sie aber dezentral von den jeweils verantwortlichen Hochschulen in Deutschland und Frankreich, die als Mitgliedshochschulen der DFH ihre jeweiligen Studiengänge mit dem direkten Kooperationspartner im jeweils anderen Land ausgestalten. Die 140 Studiengänge sind sehr heterogen, und zwar im Hinblick auf das sehr breite Fächerspektrum, auf den Hochschultyp, auf die Form des Abschlusses (Licence/ Bachelor, Staatsexamen, Master etc.), den Umfang der Studierendengruppe und die Modulstruktur. Alle diese ganz unterschiedlichen Studiengänge besitzen jedoch einige Gemeinsamkeiten, die den Kern des Konzeptes der DFH darstellen 12 : • Die Absolventen erhalten nach erfolgreicher Beendigung des Studiums, das idealerweise zu gleichen Anteilen an beiden Partnerinstitutionen stattgefunden hat, Abschlusszeugnisse sowohl der französischen als auch der deutschen Partnereinrichtung. • Das Curriculum ist „integriert“, d.h. die im Partnerland absolvierten Module sind nahtlos in den gemeinsam beschlossenen Studienplan eingefügt, und es bedarf daher keiner besonderen Verfahren zur Anerkennung, wie dies bei ERASMUS der Fall ist, wo die im Ausland erworbenen Credits bzw. Leistungsnachweise ja 11 Ausführliches zur DFH, zu ihrem Aufbau und ihren Förderprogramm findet sich bei H ELLMANN (2010). Eine deutsche (und natürlich auch eine französische) Fassung dieses Aufsatzes („Die Deutsch-Französische Hochschule. Modell für ein Netzwerk bilateraler integrierter Kooperationen“) ist auf den Seiten der DFH abgelegt und kann eingesehen werden unter: http: / / www.dfh-ufa.org/ de/ ueber-die-dfh/ deutsch-franzoesische-hochschulpolitik/ die-deutsch-franzoesischehochschule-modell-fuer-ein-netzwerk-bilateraler-integrierter-kooperationen/ 12 Vgl. hierzu die „DFH-Grundsätze der Antragsbewertung und Qualitätssicherung für Studienprogramme“, die sog. „Evaluationscharta“ der DFH. In der Präambel heißt es: „Die Exzellenz der Studien- und Forschungsprogramme der DFH ergibt sich aus den Prinzipien der Integration und der Komplementarität der Studieninhalte und Lehrmethoden beider Seiten. Eine hohe fachliche Qualität wird darüber hinaus mit der Ausbildung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen auf hohem Niveau verbunden. Der innovative Mehrwert der Programme und Studiengänge der DFH liegt somit in der Vermittlung einer erweiterten fachlichen Qualifikation, der Mehrsprachigkeit und einer auch über den deutsch-französischen Rahmen hinaus anwendbaren interkulturellen Kompetenz.“ Die „Evaluationscharta“ ist auf den Seiten der DFH einsehbar (http: / / www.dfh-ufa.org/ uploads/ media/ dfh_evaluationscharta_ studienprogramme.pdf). 90 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 gleichsam in einer fremden Währung ausbezahlt werden, die nach Rückkehr in die einheimische Währung zurückgetauscht werden muss. • Die Studiengänge haben, wenn sie in den DFH-Verbund aufgenommen zu werden beantragen, über den Anspruch an hohe fach-inhaltliche Qualität hinaus auch den Nachweis zu erbringen, dass die zusätzlichen Lernziele Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Kompetenz ebenfalls erreicht werden. In Fächern, die das Thema Sprache und Kultur nicht selbst zum Gegenstand haben, also ganz besonders in technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, ist ein solcher das Fach-Inhaltliche transzendierender Ansatz nicht ohne weiteres mit dem traditionellen curricularen Aufbau vereinbar. Hierdurch entsteht dann für die Verantwortlichen (aber auch die Studierenden) sogar eine doppelte Herausforderung: Die in Deutschland und Frankreich divergierenden Fachtraditionen müssen bilateral in Übereinstimmung oder doch zumindest in einen kompatiblen Studienplan gebracht werden, und noch dazu muss der unorthodoxe Ansatz einer „Explizit-Machung“ der interkulturellen Differenz im Curriculum seinen Niederschlag finden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es nicht genügt, allein darauf zu vertrauen, dass das Lernziel Interkulturelle Kompetenz en passant erreicht wird, wenn nur die Lernumgebung hierfür geeignet ist. Die gemischten deutsch-französischen Studierendengruppen sowie die abwechselnde Immersion in deutsche und französische Sprache und Unterrichtstradition bieten natürlich eine ausgezeichnete Grundlage für einen einschlägigen Kompetenzzuwachs, der im „normalen“ Hochschulalltag kaum denkbar wäre. Dennoch ist es erforderlich, das Thema Interkulturalität und die in beiden beteiligten Ländern abweichenden Verhaltensmuster, Lehrmethoden, Erwartungshaltungen, Rollenerwartungen, Präsentationstechniken etc. nicht nur nebenbei zur Kenntnis zu nehmen, gelegentlich eben in interkulturelle Fettnäpfchen zu treten und sich dann schon seinen eigenen Reim auf den Vorgang zu machen, sondern es ist sinnvoll, auf einer Metaebene die interkulturelle Situation zu reflektieren und dies zum curricularen Bestandteil zu machen. Es dürfte zugleich auch deutlich geworden sein, dass ebenso in ERASMUS-artigen Mobilitätserfahrungen - so sinnvoll und fruchtbar sie sein mögen - aufgrund fehlender Integrationstiefe nur selten eine vergleichbare Lernerfahrung erzielt werden kann: Der Gast-Status des Austauschstudenten lässt das Beobachten zwar zu, aber es ist etwas anderes, als Mitglied der Gruppe mit gleichen Rechten und Pflichten der anderen Sprache und Unterrichtskultur „ausgeliefert“ zu sein. 13 Auch erschwert die kulturelle Multilateralität der ERASMUS-Erfahrung die Chance zur kontrastiven Bewusstwerdung von interkulturell beschreibbaren Vorgängen immer dann, wenn die multinationale Beobachtergruppe sich nur über die Besonderheit bzw. Unzulänglichkeit der Gastgeber- Kultur einig werden kann, im Sinne von „Die spinnen, die …! “. 14 In den DFH-Studien- 13 Hierzu aus einem internen Studierendenbericht die Aussage des Teilnehmers an einem DFH-Studiengang: „Besonders gefällt mir die Idee, in Frankreich zu 100% als französischer Student und in Deutschland zu 100% als deutscher Student behandelt zu werden“. 14 Bei K UMBIER / S CHULZ VON T HUN (2008: 34 ff) wird hierfür der Begriff „Obelix-Verzerrung“ eingeführt. Binationale Integrierte Studiengänge 91 FLuL 41 (2012) • Heft 2 gängen (wie überhaupt in den BIS) ist der nächste Erkenntnisschritt erleichtert durch die Spiegelung der Erfahrung von Abweichung vom Gewohnten, indem die andere Hälfte der Gruppe ja gerade dasjenige als ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig ansieht, was einem selbst bisher als das „Normale“ erschienen war. Die BIS besitzen ein weiteres wichtiges Merkmal im Hinblick auf die „language of instruction“ und den Spracherwerb. In den Studiengängen der DFH ist die Unterrichtssprache in der Regel die L1 der jeweiligen Lehrenden; dies ist zugleich die L1 eines Teils der Studierenden. Beim Wechsel in die Partnerinstitution ist die bisher „bevorzugte“ Gruppe dann die „benachteiligte“, was innerhalb der Gruppe zu insgesamt ausbalancierten Erfahrungen führt. Zugleich entfällt der Nachteil, der leicht entstehen kann, wenn die Lehrenden nicht in ihrer L1 unterrichten. 15 4. Deutsch-Französische Missverständnisse In einem aufschlussreichen Aufsatz (K ÜHNEN / V AN E GMONT / H ABER / K USCHEL / Ö ZEL - SEL / R OSSI 2009) wurden kürzlich die Ergebnisse einer Untersuchung präsentiert, die durch Befragung der sehr multikulturell zusammengesetzten Studierendenpopulation und auch der Lehrenden auf dem Campus der Bremer Jacobs University unterfüttert wurde. Die Ergebnisse wurden interpretiert im Kontext eines angenommenen Dualismus von „sokratischer“ und „konfuzianischer“ Lehr- und Lerntradition. Der sokratischen Orientierung wird der Begriff „mind“ zugeordnet, der konfuzianischen demgegenüber „virtue“. 16 Den Lehrenden wurden einschlägige Fragen gestellt: „Professors were asked how much they valued certain class-room behaviors among students, such as displaying critical thinking, challenging the professor on content matters or formulating their own ideas“ (ebd.: 33). Die genannten “behaviors” werden natürlich der “sokratischen” Lerntradition, im Gegensatz zur “konfuzianischen”, zugeordnet. Ohne hier gegen den besagten Dualismus polemisieren zu wollen, der ja auch ohne Zweifel etwas Reales abbildet, muss doch im Lichte der Erfahrungen der deutsch-französischen BIS darauf hingewiesen werden, dass nahezu alle ursprünglich im deutschen Bildungskontext sozialisierten Studierenden der DFH (also unsere „Deutschen“) bei der Erstberührung mit dem Unterricht in der französischen Partnerinstitution mehr oder weniger erschrocken das weitgehende Fehlen der genannten „behaviors“ („critical thinking“ etc.) festzustellen pflegen. Der eine oder andere mag dann - soweit in Kenntnis des be- 15 Vgl. hierzu W ILKINSON (2011: 8). Es ist dort u.a. die Rede von „Reduced nuances, Less humour, Reduced idiomatic expression, Reduced ,accuracy‘“. Vgl. auch z.B. T RABANT (2005). Dort wird allerdings das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Hinausgehend über die durchaus realistische Beschreibung der Schwierigkeiten, in einer fremden Sprache zu unterrichten, erscheint bei T RABANT die Lehre in einer Sprache, die nicht die L1 des Lehrenden ist, als von vornherein zum Scheitern verurteilt. 16 „In the socratic tradition, the central tenet of education in not behavioral reform of the student, but on the development of mental functions to understand the world, develop personal skills and realize personal goals“ (ebd.: 29). Für chinesische Lernende hingegen, im Sinne der konfuzianischen Lernkultur, „the learning process is a lifelong pursuit of developing oneself morally and socially, of achieving mastery of the material to be learned, and of contributing to society“ (ebd.: 30). 92 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 grifflichen Dualismus zwischen konfuzianischer und sokratischer Lernorientierung - maliziös anmerken, dass dann ja wohl die französische Hochschule der konfuzianischen Tradition zugeordnet werden muss, in Anbetracht der geringen Wertschätzung, die Lehrende und Lernende dem kritischen Diskutieren und Hinterfragen des Lehrstoffes im Unterricht entgegenbringen. Allein hieran lassen sich die Grenzen der begrifflichen Unterscheidung sokratisch vs. konfuzianisch zeigen. Welchen Sinn macht es, dem Land von Descartes und somit des kartesianischen Denkens par excellence ausgerechnet den Begriff des Konfuzianischen zuzuordnen? Und doch, es kann nicht bezweifelt werden, dass die deutschen Studierenden zu Beginn in Frankreich meist einen Kulturschock erleiden, der allerdings in der umgekehrten Reiserichtung keineswegs geringer ausfällt: Während die Deutschen zunächst verstimmt auf einen Unterricht zu reagieren pflegen, den sie als lehrerzentriert und frontal empfinden, ohne Raum für kritische Erörterung und auf das Auswendiglernen von Fakten hin ausgerichtet, sind junge Franzosen oft zunächst alles andere als begeistert, wenn in Deutschland die Zumutung an sie herangetragen wird, selbst in das Gelingen des Lernprozesses zu investieren, durch einen Grad an Selbstbestimmtheit, der auch als Beliebigkeit bzw. Orientierungs- und Führungslosigkeit, sowie durch aktive Teilnahme, die auch als Überforderung erlebt werden kann. Etwas vereinfachend auf den Punkt gebracht ließe sich feststellen, dass in Frankreich und im französischen Lehr- und Lernsystem das „Wissen“ einen besonders hohen Stellenwert einnimmt, während umgekehrt in Deutschland - zumindest in den Jahrzehnten, die die DFH-Studierenden, aber auch ihre akademischen Lehrer geprägt haben - das Handeln mit Wissen, der kommunizierende Umgang mit Wissen im Vordergrund stehen. Wobei anzumerken wäre, dass viele französische Lehrende sich des Eindrucks nicht immer erwehren können, dass das glatte Kommunizieren bei entsprechender Übung auch ohne solide Faktengrundlage praktiziert werden kann, eine Technik, die sie ihren Studierenden ungern durchgehen lassen. Die französischen Studierenden wiederum empfinden die Neigung ihrer deutschen Kommilitonen zum Sich-Melden und Mitdiskutieren nicht selten als streberhaft und anbiedernd, während die Deutschen umgekehrt das - wie sie es empfinden - kritiklose und unhinterfragte Mitschreiben der Franzosen für Unterwürfigkeit halten. Diese auf unterschiedlichen Lerntraditionen basierenden gegenseitigen Vorwürfe lassen sich vielleicht am besten in der Form des „Kulturquadrats“ nach Schulz von Thun darstellen und veranschaulichen 17 : 17 Vgl. z.B. K UMBIER / S CHULZ VON T HUN (2008: 37 ff). Binationale Integrierte Studiengänge 93 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Franzosen Deutsche Vorwürfe Der Vorteil der BIS, wie das Beispiel der DFH-Studiengänge zeigt, besteht darin, dass durch das „integrierte“ Curriculum, die Intensität der Auslandserfahrung, die Notwendigkeit zur Anpassung (niemand kann sich auf die Rolle des beobachtenden Gastes zurückziehen! ) und die Vorgabe der reflektierenden Interkulturalität zumeist die gegenseitige Vorwurfshaltung mit der Zeit einer differenzierten Sicht auf die Vor- und Nachteile beider Systeme Platz macht. Deutsche DFH-Absolventen haben in aller Regel den Wert gründlicher Faktenkenntnis genauso schätzen gelernt wie ihre französischen Studiengenossen die Vorteile des kommunikativen Seminarstils. 5. Der Mehrwert aus Sicht der Absolventen Die DFH analysiert gründlich die Erfahrungsberichte ihrer Studierenden, deren Einreichung obligatorisch ist, wodurch Jahr für Jahr ein recht aussagefähiges Corpus zustande kommt. Natürlich kann den subjektiven Eindrücken der Studierenden nicht der Rang objektiver Erkenntnis zugesprochen werden; die Studierendenberichte stellen aber für die DFH dennoch ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung dar. Ein wiederkehrendes Moment zahlreicher Berichte ist die Feststellung der abweichenden Lehr- und Lernmethoden in beiden Ländern und die daraus abgeleitete Chance, die „eigene“ Methode kritisch zu überdenken: „Être conscient de la façon dont travaillent nos voisins allemands ne peut que nous faire réfléchir sur la façon dont nous travaillons et nous permettre d’améliorer notre propre système“ (zitiert aus einem der genannten Studierendenberichte, in diesem Fall aus einem geisteswissenschaftlichen Studiengang). Die Feststellung abweichender Methodik wird in vielen Berichten verknüpft mit kritischen Bemerkungen über abweichende Verhaltensnormen: „[…] sehr unterschiedliche Arbeitsmethoden (mémoire und dissertation ohne ausreichende Vorbereitung, kulturell unterschiedliche Standards/ Erwartungen v.a. bei dem mémoire) und Dozent- Student-Verhältnis geprägt von „soumission“, gewisse Verhaltenscodes, die ich zu Beginn nicht kannte [….]“ 18 ; hier findet sich die bei vielen deutschen Studierenden typi- 18 Zitiert wird aus Studierendenberichten verschiedener Studiengänge. Die Berichte stammen aus der Zeit zwischen 2009 und 2011. Kommunikationsorientierung Unseriöses „Gelaber“ Faktenhuberei Wissensorientierung 94 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 sche Reaktion auf einen als „soumission“ empfundenen hierarchischen Abstand zwischen Lehrenden und Lernenden. Oft wird später dann der Wert der zunächst als Mangel erfahrenen Differenz erkannt: „Es war wertvoll, die unterschiedlichen Herangehensweisen […] kennenzulernen. Ich habe […] viel gelernt. Gerade auch Dinge, die in Frankreich zunächst frustrierend, unverständlich und sinnlos erschienen, sind dennoch als kulturelle Erfahrung und als Wissen darüber, wie Ausbildung in Frankreich (nicht) funktioniert, wertvoll.“ Betont wird von vielen Studierenden der zusätzliche Aufwand, die besondere Belastung und auch die hohen Anforderungen, die an die Sprachkompetenz der Teilnehmer gestellt werden: „Geeignet für Leute, die wissen, wie es an französischen Universitäten zugeht und die in der Sprache absolut sicher sind. Auch sollte man unbedingt schon mal in Frankreich gelebt haben. Dieser Studiengang ist nichts für Frankreich-Anfänger, sondern man muss sich sofort zurechtfinden und bereit sein, viel für die Uni zu arbeiten.“ Solche Aussagen müssen natürlich nicht unbedingt zum Nennwert genommen werden. Es ist aber zweifellos richtig, dass viele BIS, und darunter auch einige der DFH, ein so hohes Maß an Sprachkompetenz von Beginn an voraussetzen, dass nur ein eingeschränkter Kreis potentieller Teilnehmer überhaupt zur Verfügung steht. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass die Abbrecherquote in den Studiengängen der DFH sehr gering ist. Vermutlich lassen sich aber auch nur überdurchschnittlich leistungsbereite Studieninteressenten auf eine Herausforderung ein, die über das Übliche hinausgehende Anforderungen an die Studierenden stellt. Hinzu dürfte allerdings noch kommen, dass durch die besondere Gruppenstruktur und die identitätsstiftende „Besonderheit“ des Ansatzes sich unter den Teilnehmern oft eine Art verschworene Gemeinschaft herausbildet, in der Durststrecken leichter verkraftet und individuelle Schwierigkeiten eher überwunden werden können. Dem Spracherwerb kommt eine solche der Vereinzelung entgegenwirkende Gruppenidentität natürlich ebenfalls zugute. 6. Bilingualität ist eigentlich Trilingualität Ein letzter Aspekt sollte noch berührt werden: Die Studiengänge der DFH 19 erzeugen insofern meist de facto eine trilinguale Lernumgebung, als das Englische aus der Lehre in den meisten Fächern gar nicht hinwegzudenken ist. Ein nicht geringer Teil der Unterrichtsmaterialien (Fachbücher, Publikationen, didaktische Hilfsmittel) liegt nur auf Englisch vor; Gastdozenten aus Drittländern tragen auf Englisch vor; bei Begegnungen mit internationalen Forschern und Studierenden bei Sommerschulen und Fachkonferenzen ist die zumindest passive Beherrschung des Englischen unabdingbare Voraussetzung. Hinzu kommt, dass die Teilnehmer von BIS - und die Studierenden in den DFH-Studiengängen stellen da keine Ausnahme dar - ihre berufliche Zukunft in einer globalisierten Arbeitswelt sehen und insofern keineswegs begrenzt auf das engere Ge- 19 Das gilt übrigens auch für andere BIS innerhalb eines Sprachpaares ohne Beteiligung des Englischen. Binationale Integrierte Studiengänge 95 FLuL 41 (2012) • Heft 2 biet der beiden beteiligten Länder. 20 Ihnen ist daher klar, dass die Beherrschung von Deutsch und Französisch allein nicht genügt; das Englische muss dabei sein, um die Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilhabe an der globalen Arbeitsgesellschaft zu erfüllen. Im Hinblick auf den interkulturellen Mehrwert der besonderen Ausbildungsform BIS ist diese „Triangularität“ aber auch unbedingt wünschenswert. Eine gewisse Gefahr gerade im jahrzehntelang gut eingeschwungenen deutsch-französischen Spezialverhältnis besteht nämlich darin, dass bei manchen Akteuren des „Franco-Allemand“ eine Neigung zur fixierenden Absolutsetzung des deutsch-französischen Dualismus besteht, eine Haltung, in der alles und jedes mit dem interkulturellen Unterschied zwischen diesen beiden Ländern erklärt wird. 21 Hier können Studien- und Forschungsaufenthalte in Drittländern und auch die Beschäftigung mit einer Drittsprache sehr heilsam auswirken. Gar nicht wenige Studierende der DFH, auch aus nicht-philologischen Studienrichtungen, lernen sogar noch eine Viertsprache, da sie das Englische als Selbstverständlichkeit, als Zivilisationstechnik, ansehen und durch die Erfahrung des BIS bei ihnen die Neugier auf Sprachen und interkulturelle Erfahrungen nun einmal geweckt worden ist. Da ließe sich dann sagen: Mit dem Essen kam der Appetit. Literatur B ERNINGHAUSEN , Jutta / G UNDERSON , Connie / K AMMLER , Eva / K ÜHNEN , Ulrich / S CHÖNHAGEN , Renate (Hrsg.) (2009): Lost in Transnation. Towards an Intercultural Dimension on Campus. Bremen: Kellner. C HRIST , Ingeborg (2011): „Auf dem Weg zum ‚Lernziel Mehrsprachigkeit‘“. In: Die Neueren Sprachen Jahrbuch 2, 6-20. C LAUSEN , Anne / S CHINDLER -K OVATS , Beate / S TALF , Nina (2011): „Transnational education ,made in Germany‘: an introduction“. In: Journal of the European Higher Education Area 1.4, 1-20. H ELLMANN , Jochen (2010): „The Franco-German University (DFH)“. In: Supplement 6 for the Handbook Internationalisation of Higher Education (2010), Stuttgart: Raabe. H ELLMANN , Jochen / P ÄTZOLD , Mathias (2005): „Internationale Studiengänge: Wer braucht so etwas? Überlegungen zu einem Trend, der sich fortsetzen wird“. In: MOTZ (Hrsg.), 17-29. K ÜHNEN , Ulrich / V AN E GMONT , Marieke / H ABER , Frank / K USCHEL , Stefanie / Özelsel, Amina / R OSSI , Alexis (2009): „Mind and virtue - The meaning of learning across cultures“. In: B ERNINGHAUSEN / G UNDERSON / K AMMLER / K ÜHNEN / S CHÖNHAGEN (Hrsg.), 27-37. 20 Die DFH hat 2011 eine Absolventenstudie angefertigt. Sie kann auf den Seiten der DFH eingesehen werden unter http: / / www.dfh-ufa.org/ alumni/ absolventenstudie/ . In der Auswertung der Daten heißt es: „Die aktuelle Arbeitsstelle von rund 32% der DFH-Absolventen hat einen direkten deutsch-französischen Bezug. Unter den Umfrageteilnehmern, die nicht im deutsch-französischen Bereich arbeiten, ist über die Hälfte (53%) in einem international ausgerichteten Arbeitsumfeld tätig“. Dies zeigt deutlich, dass der Arbeitsmarkt den akademischen Mehrwert von BIS im Hinblick auf den Einsatz im internationalen Kontext insgesamt, und eben nicht nur im engen Bereich des betreffenden Länderpaares zu schätzen weiß. 21 Vgl. hierzu auch den Beitrag „War das nun ein interkulturelles Missverständnis? Von der Gefahr, vor lauter Kultur die Person aus dem Blick zu verlieren“ (W IECHELMANN 2006). Dort wird u.a. der Begriff der „Kulturifizierung“ verwendet (S. 331). 96 Jochen Hellmann FLuL 41 (2012) • Heft 2 K UMBIER , Dagmar / S CHULZ V ON T HUN , Friedemann (Hrsg.) (²2008): Interkulturelle Kommunikation: Methoden, Modelle, Beispiele. Reinbek: Rowohlt. M OTZ , Markus (Hrsg.) (2005): Englisch oder Deutsch in internationalen Studiengängen? Frankfurt/ M.: Lang N IES , Fritz (Hrsg.) (2005): Europa denkt mehrsprachig. Tübingen: Narr. T RABANT , Jürgen (2005): „Der eigenen Sprache bedürftig“. In: N IES (Hrsg.), 63-70. W ÄCHTER , Bernd / M AIWORM , Friedhelm (2008): English-Taught Programmes in European Higher Education. The Picture in 2007. Bonn: Lemmens. W IECHELMANN , Sarah (2006): „War das nun ein interkulturelles Missverständnis? Von der Gefahr, vor lauter Kultur die Person aus dem Blick zu verlieren“. In: K UMBIER / S CHULZ V ON T HUN (Hrsg.), 323-335. W ILKINSON , Robert (2011): „What can we learn from practice about changing the instructional language? Impacts and teaching techniques“. In: Supplement 10 for the Handbook Internationalisation of Higher Education (2011). Stuttgart: Raabe. FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag A NDREAS H ETTIGER * Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen: Fachliche und strategische Überlegungen Abstract. This article deals with the necessity of intercultural training at German universities. The author sees its proper place at the University Language Centres. In this context, the article explores the various facets of “intercultural competence”, the question of its measurability and the extent to which it is embedded in language teaching. 0. Einleitung „Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? “, fragt ein für die Hochschulausbildung konzipiertes Handbuch aus dem Jahr 2010 (W EIDEMANN / S TRAUB / N OTHNAGEL 2010). Diese Frage führt zu weiteren Fragen: Wozu soll interkulturelle Kompetenz an Hochschulen gelehrt werden? Wo soll sie gelehrt werden? Was ist überhaupt interkulturelle Kompetenz? Antworten vor allem auf die letztgenannte Gretchenfrage bleiben theoretisch und methodisch oft nebulös. Obwohl sie für ein erfolgreiches Arbeiten in international vernetzten Unternehmen vehement eingefordert wird, stehen Hochschullehrer entsprechenden Wünschen aus der Wirtschaft oft hilflos gegenüber. Wer ist zuständig, und wie wird es gemacht? Der Deutsche Akademische Austauschdienst hat auf diese Unsicherheit reagiert und bietet in seiner Internationalen DAAD-Akademie (IDA) seit 2010 eine „Fortbildung zur Trainerin/ zum Trainer für interkulturelle Qualifizierung an Hochschulen“ an. In diesem Konzeptpapier für die Rolle und Möglichkeiten von Sprachenzentren argumentiere ich für eine Verankerung des Trainings interkultureller Kompetenz im Kontext des Fremdsprachenunterrichts und institutionell an den Sprachenzentren deutscher Hochschulen. Einen Bedarf sehe ich insbesondere für Studierende nicht-philologischer Fächer, für die das Sprachenzentrum als hochschulübergreifende Einrichtung einen direkten Zugang bietet. An vielen deutschen Hochschulen ist die Verankerung interkulturellen Trainings an den Sprachenzentren bereits Normalität und spiegelt sich von Fall zu Fall auch in der Namensgebung wider (z.B. beim „Zentrum für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz“ der Fachhochschule Kiel). Etliche Hochschulen gehen * Korrespondenzadresse: Dr. Andreas H ETTIGER , Leiter des Sprachenzentrums der Technischen Universität Braunschweig, Pockelsstraße 4, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: a.hettiger@tu-braunschweig.de Arbeitsbereiche: Interkulturelle Kommunikation, Deutsch als Fremdsprache, bildungspolitische Themen. 98 Andreas Hettiger FLuL 41 (2012) • Heft 2 mit der Einrichtung eigener entsprechender Studiengänge sogar noch einen Schritt weiter. So bietet die Hochschule Pforzheim in ihrem Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/ International Management“ technische Inhalte mit integrierter Vermittlung interkultureller Handlungskompetenz an. Ähnliches für den Bereich BWL hat sich der Studiengang „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ an der Universität Jena vorgenommen. Intercultural Engineering hat sich als Begriff etabliert und ist für Absolventen technischer Fächer, die auf den internationalen Arbeitsmarkt drängen, zum Inbegriff einer zentralen Schlüsselqualifikation geworden. Im globalisierten Arbeitskontext vor allem größerer Unternehmen ist internationales kollaboratives Lernen für technische Arbeitsfelder heute nicht mehr wegzudenken. Wo es einschlägige Studiengänge nicht gibt, sind weiterhin die Sprachenzentren als zentrale Hochschuleinrichtungen erste Anlaufstellen und Kompetenzzentren. Daneben existieren „Zentren für Hochschul- und Weiterbildung“, „Zentren für Schlüsselqualifikationen“ und andere Einrichtungen, die sich ebenfalls des Themas annehmen. 1. Training für den international classroom Gerade in nicht-sprachlichen Studienfächern ist bereits während des Studiums der international classroom Realität. Deutschland ist eines der beliebtesten Zielländer für internationale Studierende, dies gilt ganz besonders für die Ingenieurwissenschaften und insgesamt die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer, in denen deutsche Hochschulen weltweit einen exzellenten Ruf genießen. Interkulturelle Differenzen sind im Hochschulalltag, in dem in Vorlesungen, Seminaren und Forschungsprojekten unterschiedliche Lehr-, Lern- und Wissenschaftskulturen aufeinander treffen, Alltag. Allerdings ein Alltag, der nicht reibungslos verläuft, wovon auch die noch immer hohe Rate jener ausländischen Studierenden zeugt, die an deutschen Hochschulen nicht erfolgreich zu Leistungsnachweisen oder gar einem Studienabschluss geführt werden können. Interkulturelles Training ist für Outgoings ebenso wichtig wie für Incomings - und für jene Studierenden, die erst einmal an ihrer deutschen Hochschule bleiben, aber ebenfalls für den internationalen Arbeitsmarkt vorbereitet werden wollen. Nicht zuletzt wird interkulturelles Training auch immer wieder von jenen Lehrenden nachgefragt, die Interaktion mit internationalen Studierenden und Forschern mitunter als Konfliktfeld erleben. Dabei geht es nicht nur um Sprachkenntnisse. Der international classroom erfordert von Lehrenden eine flexible Didaktik, deren Konzepte sich auf verschiedene Realitäten einstellen müssen: Lerngruppen, in denen ausländische und einheimische Studierende gemeinsam auf Deutsch unterrichtet werden; multinationale Lerngruppen, in denen ausländische und einheimische Studierende gemeinsam auf Englisch unterrichtet werden; Kurse, die speziell für ausländische Studierende angeboten werden. Um diese Settings zu meistern, bedarf es spezifischer Kenntnisse über die Kulturen der Studierenden, über verschiedene Lehr- und Lernstile und internationale Bildungssysteme. Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen 99 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Neben diesen Kenntnissen können spezifische Haltungen wie Offenheit, Flexibilität und Neugierde genauso geschult werden wie spezifische Fertigkeiten (Anpassung des Lehrstils, Analyse kultureller Unterschiede, Explizieren einer Lehrmethode, Bewältigung interkultureller Konfliktsituationen etc.). Auch die Sprachlehrer selbst benötigen diese Kenntnisse, Haltungen und Fertigkeiten. Denn auch ein kommunikativ orientierter Fremdsprachenunterricht folgt ja einem typisch westlichen Modell, das in anderen Kulturen und somit auch bei ausländischen Studierenden nicht notwendigerweise vorausgesetzt werden kann. Vor allem asiatische Studierende haben in den Kursen und Seminaren deutschsprachiger Hochschulen immer wieder Schwierigkeiten mit kommunikativ ausgerichtetem Unterricht (vgl. B OECKMANN 2006b: 5). Interkulturelle Trainings werden auf dem Trainings- und Weiterbildungsmarkt flächendeckend nachgefragt, an den Hochschulen im Kontext ehrgeiziger Internationalisierungsziele stärker denn je. Wie jede Handlungskompetenz lernt sich auch interkulturelle Kompetenz am besten durch eigenverantwortliches Handeln. Sie ist kein abstraktes Wissen, sondern eine Fähigkeit, die sich nur im Handlungsvollzug realisieren lässt. Deswegen sind für Studierende noch immer Auslandsaufenthalte und der direkte Kontakt mit Vertretern anderer Kulturen, der an der Heimatschule unter dem Stichwort der internationalisation at home 1 ermöglicht wird (z.B. durch Sprachtandems), die besten Optionen. Dies immer wieder zu betonen, ist gerade in den verengten Strukturen der Bachelor-Studiengänge eine Verpflichtung für alle, die sich professionell um die Internationalisierung deutscher Hochschulen bemühen. Neben Auslandsstudium und Sprachtandems bietet auch das formellere Lernsetting des Fremdsprachenunterrichts vielfältige Möglichkeiten. Das eingangs zitierte Handbuch führt die genannten Orte (Sprachunterricht, Sprachtandems, Auslandssemester) an prominenter Stelle ins Feld. Winfried T HIELMANN beschreibt darin den Fremdsprachenunterricht als „per se interkulturellen Unterricht“ (T HIELMANN 2010: 463), der aber als solcher nicht überall betrieben werde. Gerade an den Hochschulen sollten Studierende auf ein Studium nicht „nur sprachlich“, sondern auch „interkulturell“ vorbereitet werden. Dazu gehören Fragen allgemeiner Art zum Studium im Ausland und die Thematisierung anderer Lehr- und Lernsowie Wissenschaftskulturen. Hier bieten sich gemeinsame Angebote von Sprachenzentrum und International Office an. Studierende profitieren dabei gleichermaßen von beiden Institutionen. Durch die Integration von Sprachmodulen in die Fachcurricula und durch Auslandsaufenthalte werden kombinierte Internationalisierungspotentiale kreiert. Sinnvoll sind gemeinsame Angebote, z.B. Outgoing-Veranstaltungen („Go China! “, „Go Russia! “ etc.). T HIELMANN sieht „besonders gute Chancen für die Vermittlung interkultureller Kompetenz an den Universitäten und Hochschulen […] in dem Bereich der bereits z.T. recht gut komparativ verstandenen Wissenschaftskommunikation“ (ebd. 483). Dies gilt insbesondere für die Vermittlung der 1 „Dieser Begriff steht für das Potential, das die Internationalisierungsprozesse auf dem eigenen Campus mit sich bringen, etwa in Bezug auf internationale Erfahrungen, die (nicht-mobile) Studierende auch vor Ort machen können. Das heißt u.a., dass interkulturelle Kompetenzen, die durch ein Auslandsstudium erworben werden sollen, bereits vor Ort erworben werden“ (T HOMAS 2010: 22). 100 Andreas Hettiger FLuL 41 (2012) • Heft 2 deutschen Wissenschaftssprache für die ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen. 2. Interkulturelle Kompetenz - Was ist das eigentlich? Obwohl die Notwendigkeit interkulturellen Trainings an den Hochschulen gerne und oft betont wird, besteht eine fundamentale Unsicherheit darüber, was mit dem Begriff „interkulturelle Kompetenz“ gemeint ist. Manche Fremdsprachendidaktiker sind verständlicherweise versucht, Interkulturalität an ein Konzept von Kulturen als Sprachgemeinschaften zu binden. 2 Obwohl damit das Konzept des Interkulturellen für den Fremdsprachenunterricht handhabbar zu werden scheint, spiegelt es nicht die volle Realität aller möglichen interkulturellen Begegnungen. Während manche Ansätze mit „interkultureller Kompetenz" hauptsächlich das Ziel effizienten Handelns in internationalen Kontexten verbinden, fokussieren andere auf ein Bildungsideal im Sinne einer eher allgemeinen menschlichen Weiterentwicklung (vgl. R ATHJE 2006: 6). An diesen beiden Spektren entzündet sich die Frage, ob es überhaupt so etwas wie eine allgemeine interkulturelle Kompetenz gebe, oder ob sich diese nicht immer nur in ganz bestimmten Situationen beweise. So wie es sinnlos sei, allgemeine Kurse in „Fremdsprachenkompetenz“ anzubieten, sondern sinnhaft nur konkrete Sprachkurse wie Französisch, Spanisch oder Italienisch angeboten werden können, so sollten auch interkulturelle Trainings so kultur- und situationsspezifisch wie möglich sein. Anders sieht es Stefanie R ATHJE : „Dies steht […] im Widerspruch zu der Beobachtung, dass bestimmte Menschen mit Fremdheitserfahrungen in unterschiedlichen Kontexten leichter umgehen können als andere, ein Umstand, der überhaupt erst zur Entstehung des Konzepts geführt hat und seine Existenz bis heute rechtfertigt“ (R ATHJE 2006: 7). Welcher Position man sich auch anschließt, in einer Einsicht laufen die unterschiedlichen Auffassungen zusammen: Ganz offensichtlich bezieht sich interkulturelle Kompetenz primär auf Kommunikationsfähigkeiten. Wenn man aber von nationalstaatlichen Stereotypen abweicht - ist dann nicht jede Kommunikation interkulturell? Vereinen sich nicht in jedem Kommunikationspartner eine Vielzahl unterschiedlichster kultureller Einflüsse, egal woher sie oder er stammt? Kann man am Anfang des 21. Jahrhunderts, der durch Globalisierung und multikulturelle Gesellschaften geprägt wird, überhaupt noch in einem klassischen, polaren Sinne von „interkultureller Kommunikation“ sprechen? Diese Fragen stellen herkömmliche Konzepte interkultureller Kommunikation mit ihren relativ einfach handhabbaren kontrastiven Verhaltensregeln (Dos and Don‘ts) nachhaltig infrage. Die Forschung hat auf diese Herausforderungen mit komplexen Kulturmodellen reagiert, welche die Prozesshaftigkeit von Kulturen als Kommunikationsgemeinschaften, ihre Dynamiken und Mehrfachzugehörigkeiten berück- 2 Z.B. B OECKMANN (2006b: 2): „Im Folgenden möchte ich nur dann von Interkulturalität sprechen, wenn es um Kontakte zwischen Kommunikationsgemeinschaften geht, die sich verschiedener Sprachen bedienen - wobei ich ‚Sprache‘ hier auf der Ebene von Standardvarietäten verstehe“. Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen 101 FLuL 41 (2012) • Heft 2 sichtigen, etwa im Konzept der fuzzy cultures (vgl. B OLTEN 2007; B OECKMANN 2006b: 2), deren Handhabbarkeit für das interkulturelle Training sich aber noch erweisen muss. Für die Praxis an den Hochschulen halte ich R ATHJES Konzept der interkulturellen Kompetenz im Kontext eines Kohäsionsmodells, das Kommunikationsprozesse handlungsorientiert in der Perspektive von Normalitätserzeugung beschreibt, für besonders erhellend. Denn um Normalitätserzeugung, im Sinne einer Vorbereitung der Studierenden auf die Arbeitswelt, geht es in der akademischen Ausbildung. Über die Rolle der Fremdsprachen beim Aufbau interkultureller Kompetenz liest man bei wichtigen Akteuren der Interkulturalitätsforschung, so auch bei Stefanie R ATHJE , allerdings erstaunlich wenig. Dies verwundert insofern, weil auch in diesen Theorien gemeinhin Handlungskompetenz im Zentrum interkultureller Kompetenz steht und diese ja immer auch eine sprachliche Handlungskompetenz ist. Zwar stellt beispielsweise Jürgen B OLTEN die Fremdsprachen ins Zentrum seines Kreismodells zur interkulturellen Kompetenz (vgl. B OLTEN 2007) - in den explizierenden Texten zum Modell finden sie aber kaum weitere Erwähnung. Interessanter scheint für die einschlägige Forschung der Wirtschaftskontext zu sein, mit Vorliebe das Forschungsfeld eines interkulturellen Marketings. Kulturstandards, critical incidents und Kulturmodelle bestimmen die aktuelle Forschungsdiskussion, die Rolle der Fremdsprachen wird weitgehend in separaten Forschungszirkeln (der angewandten Sprachlehrforschung) diskutiert. „Die meisten IK-Theorien und IK-Trainings [sind] ‚sprachlos‘. Das aber ist weder theoretisch noch praktisch haltbar. Bis heute kommt in der IK-Theorie und in der Praxis vieler IK-Tranings Sprache nur am Rande vor“ (C AMERER 2007: 2). 3. Das Interkulturelle im Fremdsprachenunterricht Die Unsicherheit über den Trainingsgegenstand „interkulturelle Kompetenz“ reicht bis in die Reihen der Sprachlehrer, für deren pädagogische Zuständigkeit ich in diesem Artikel plädiere. Während Sprachvermittlung auf den Aufbau eines neuen kognitiven Systems zielt und mit der Verwendung von Lexik, Syntax und Grammatik „hartes Wissen“ trainiert (vgl. K AMM 2008: 21; B OECKMANN 2006b: 4), wird interkulturelles Training gemeinhin den soft skills zugeordnet, die zwar ein bestehendes kognitives System erweitern, aber kein neues konstituieren. Wie viele andere soft skills oder „Schlüsselkompetenzen“ weist auch die interkulturelle Kompetenz kein kohärentes System auf. Gerade Fremdsprachenlehrer wehren sich oft vehement gegen die Subsumierung ihrer Fächer unter die soft skills, weil sie (nicht unbegründet) eine Marginalisierung innerhalb ihrer Hochschulen fürchten. Jürgen B OLTEN versteht interkulturelle Kompetenz als Spezialform einer allgemeinen Handlungskompetenz, die sich aus den vier Teilkompetenzen individuelle, soziale, fachliche und strategische Handlungskompetenz zusammensetzt, als „generelle Handlungskompetenz mit interkulturellen Vorzeichen“ (B OLTEN 2003: 157). Besonders sei nur die Situation, in der diese Kompetenzen verlangt werden, die eine interkulturelle ist. Mit einer solchen vermeintlichen „Entzaube- 102 Andreas Hettiger FLuL 41 (2012) • Heft 2 rung“ der interkulturellen Kommunikation, die auch ohne einen geheimnisvollen ‚dritten Ort‘ auskommt und sich im „Zwischen“ eines jeden Kommunikationsprozesse abspielt, kann interkulturelle Kompetenz individuell in konkreten Situationen als bewährtes Kommunikationstraining konzipiert werden. „Wenn interkulturelle Kompetenz […] sich auf konkrete Fähigkeiten konkreter Menschen im zwischenkulturellen Austausch bezieht, steht die interkulturelle kommunikative Kompetenz, ihre Beschreibung und Erzielung durch Bildung und Training, im Mittelpunkt“ (C AMERER 2007: 2). Angesichts der starken Verankerung interkultureller Kompetenz im menschlichen Verhalten verwundert nicht, dass einige Sprachlehrer der Vermittlung interkultureller Kompetenz skeptisch gegenüberstehen, da sie ein Verhaltenstraining en passant als Überforderung ansehen. Zugleich richtet sich aber gerade der hochschulbezogene Fremdsprachenunterricht seit Jahren am Paradigma der Handlungsorientierung aus. Handeln und Sich Verhalten sind zwei Seiten desselben Phänomens. Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet diese Perspektive, „dass die Verwendung von Werkzeugen wie kommunikative Strategien und interkultureller Kompetenz in den Wissenserwerb eingebaut werden muss, wenn selbständiges Sprachhandeln in der interkulturellen Kommunikation das Ziel ist“ (F ISCHHABER 2002: 4). Konkret illustriert C AMERER diese These einleuchtend an den „besonderen Risiken innereuropäischer Kommunikation mittels International English“ und verweist dabei auf Studien, die eine unterschiedliche Verwendung der gleichen Sprache belegen, wenn etwa Deutsche, Franzosen, Italiener, Polen und Ungarn miteinander auf Englisch kommunizieren (C AMERER 2007: 5). Es gibt zumindest in Deutschland wohl nur noch wenige Sprachlehrer, die ihren Unterricht nach dem Vorbild der Grammatik-Übersetzungs-Methode als isolierte Vermittlung von Grammatik und Lexik verstehen. Der Skepsis Winfried T HIELMANNS (2010: 483), wonach „im Sprachunterricht das Sprachprodukt, und nicht die mit ihm vollzogene sprachliche Handlung, zentral steht“, und damit „der Vermittlung sprachlichen Handelns gewisse Grenzen [ge]setzt, die u.U. auch mit modernen Methoden nicht nennenswert zu verschieben sind“, stehen eine intensive Suche und ein umfangreiches Tun unter dem Leitbild handlungsorientierten Sprachunterrichts gegenüber. Nach dem communicative turn in der Fremdsprachenausbildung war der „(inter)cultural turn“ (B OECKMANN 2006a: 2) nur eine Frage der Zeit und quasi unvermeidbar für Ansätze, die Kulturen im Blickwinkel der Kommunikation betrachten. R EISING -S CHAPLER (2003: 7) qualifiziert Kontroversen um die Integration interkultureller und sprachlicher Lernziele als „Scheinkontroversen“, die sie auf ein reduziertes Verständnis von Fremdsprachendidaktik zurückführt, das sich einer weit gefassten Definition kommunikativer Kompetenz nicht geöffnet habe. Die Konfrontation von Eigenem und Vertrautem mit Fremdem und Unbekanntem, Kern der interkulturellen Kommunikation, ist für Fremdsprachenlerner eine zentrale Erfahrung. UNIcert®, das Qualitätssiegel des Arbeitskreises der Sprachenzentren (AKS) an deutschen Hochschulen, reagierte auf diese Entwicklung unter anderem mit einem Workshop zum Thema „Das Interkulturelle in der UNIcert®-Fremdsprachenausbildung“, der im November 2011 am Sprachenzentrum der TU Braunschweig aus- Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen 103 FLuL 41 (2012) • Heft 2 gerichtet wurde. In der dortigen Arbeitsgruppe „Handlungsorientierung bei interkulturellen Trainings im universitären Fremdsprachenunterricht“ gaben alle Teilnehmer an, dass in ihrem Fremdsprachenunterricht regelmäßig interkulturelle Kompetenzen vermittelt werden, und zwar integriert in den allgemeinsprachlichen Unterricht, vor allem ab den Niveaustufen B1 und B2. Auch in Kursen zur Fachsprache Wirtschaft hat demnach das interkulturelle Training einen festen Platz, außerdem im Landeskundeunterricht, bei Ländervergleichen und beim Tandemlernen. Neben Sprachkursen werden fast überall auch eigene interkulturelle Kommunikationskurse angeboten, entweder als kulturunspezifische Sensibilisierungstrainings oder als kulturspezifische Ziellandtrainings (vgl. B ERICHT 2011). Wie alle Kommunikationsfähigkeiten lässt sich aber auch interkulturelle Kompetenz nicht in einem Wochenend-Workshop erwerben - sie setzt die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen voraus (vgl. K AMM 2008: 21). Auch deswegen erscheinen die Sprachenzentren als ideale Orte für ihre Vermittlung, da die dort angebotenen Kurse die Studierenden langfristig während ihres gesamten studentischen Lebenszyklus begleiten. 4. Ist interkulturelle Kompetenz messbar? An den Hochschulen stellt sich die Frage nach der Bewertung der angebotenen Lehrveranstaltungen regelmäßig. Die Fachbereiche gerade nicht-sprachlicher Fächer verlangen für Angebote, für die credit points vergeben werden, Leistungsnachweise. Wie aber lässt sich ein erfolgreicher Erwerb interkultureller Kompetenz nachweisen oder gar benoten? Im Fremdsprachenunterricht ist das Ziel die Progression in den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER). Im interkulturellen Training kann das Ziel aber nicht sein, möglichst „so amerikanisch wie die Amerikaner“, „so deutsch wie die Deutschen“ oder „so chinesisch wie die Chinesen“ zu werden. Auf welchen Referenzpunkt können interkulturelle Trainings dann rekurrieren? Katrin F ISCHHABER skizziert (nach Michael B YRAM ) den Typus des intercultural speaker (anstelle des native speaker), der sich nicht nur an einer Kultur orientiert, sondern auch fähig ist, die angemessenen Formen auszuwählen, die in spezifischen sozialen und kulturellen Kontexten gefordert werden - dies kann die Kenntnis von Sprachvarietäten genauso betreffen wie die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung in Bezug auf Nähe oder Distanz zur Sprache respektive Kultur eines Gesprächspartners (vgl. F ISCHHABER 2002: 2; B YRAM 1997). Während der Fremdsprachenunterricht auf fundierte Testverfahren zurückgreifen kann, klafft für die interkulturellen Trainings eine Lücke. Gleiches gilt für Einstufungsverfahren, die für den Fremdsprachenunterricht grundlegend sind. Lässt sich analog zum in der Fremdsprachendidaktik Erreichten bestimmen, auf welcher Niveaustufe der interkulturellen Kompetenz sich ein Studierender befindet? „Verlässliche Diagnoseinstrumente für interkulturelle Kompetenz gibt es nur wenige“, resümieren H ERZOG und P EÑA in ihrer einschlägigen Studie (2002: 1), wenn auch Anbieter auf 104 Andreas Hettiger FLuL 41 (2012) • Heft 2 dem freien Markt immer wieder das Gegenteil behaupten und die Messbarkeit interkultureller Kompetenz vollmundig versprechen (wobei beträchtliche Geldsummen im Spiel sind). Die Validität solcher Messungen ist wissenschaftlich nicht verbürgt. Am weitesten fortgeschritten sind Forschungen zur Ergebnisskalierung interkultureller Assessment Center. Hier werden Probanden besonders erfolgreiche oder erfolglose Strategien zur Bewältigung interkultureller Situationen präsentiert, um dann ihr Wissen über die Angemessenheit verschiedener Handlungsoptionen im internationalen Kontext beurteilen zu können (vgl. H ERZOG / P EÑA 2002: 8). „Interkulturelle Kompetenz kann von der Plattform der Sprachkompetenz aus beschrieben werden, denn in der kommunikativen Praxis erweist sie sich“ (C AMERER 2007: 3). Dabei kann auf bereits vorhandene Kriterien zurückgegriffen werden. Die Deskriptoren des GER enthalten Formulierungen zu Schnittstellen von Sprachverwendung und interkultureller Kompetenz. Insofern könnte der GER helfen, interkulturell kritische Szenarien zu identifizieren und interkulturelle Kompetenzen systematisch nach den sechs Niveaustufen zu staffeln und so Orientierungspunkte für die Curriculums-, Material- und Testentwicklung für interkulturelle Kompetenz zu liefern (vgl. C AMERER 2007: 4). Die Sprachenzentren mit ihrer Expertise in angewandter Forschung und Praxis und ihren etablierten und auf empirischer Grundlage beruhenden validen, objektiven und reliablen Verfahren zur Einstufung und Leistungsbewertung scheinen mir geeignete Orte zu sein, im Bereich der interkulturellen Kompetenz zukünftig innovative Verfahren zur Einstufung und Bewertung zu entwickeln. Sinnvoller als selbst gestrickte Einzellösungen sind übergreifend entwickelte Lösungen im Kontext des AKS und von UNIcert®, um auf eine flächendeckende Akzeptanz an den Hochschulen bauen zu können. 5. Die Sprachenzentren als Orte interkulturellen Lernens in der Perspektiven eines Lernens 2.0 Neue Technologien und Lernformen des Lernens 2.0 sind besonders geeignet, Fremdsprachenerwerb und den Erwerb interkultureller Kompetenz miteinander zu verbinden. Hier sind Sprachenzentren vielerorts Vorreiter an ihren Hochschulen, weil sie bereits seit Jahren mit elektronischen Lernplattformen (z.B. Moodle) arbeiten. In virtuellen Kursräumen lassen sich authentische Situationen, die für das interkulturelle Lernen am besten geeignet sind, oft noch besser herstellen als in formelleren Lernsettings. Insbesondere Studierende nicht-sprachlicher Studienfächer werden regelmäßig mit internationalen Projektarbeiten konfrontiert, die auf die reale Lebenswelt vorbereiten und für deren Lösung didaktisch sinnvolle Unterstützung bereitgestellt werden muss. Durch die Verbindung solcher Projekte „mit virtuellen Lernumgebungen wie Internet und internationalen Foren (Videokonferenzen, interaktive Datenbanken) kann eine quasi-authentische Lernumgebung geschaffen werden, in der interkulturelle Kommunikation relativ leicht zu verwirklichen ist“ (F ISCHHABER 2002: 5). Blended learning verbindet didaktisch sinnvoll die Effektivität und Flexibilität elektronischer Lernformen mit den Interkulturelle Kompetenz in nicht-sprachlichen Studiengängen 105 FLuL 41 (2012) • Heft 2 sozialen Aspekten der Face-to-Face-Kommunikation. An den Sprachenzentren treffen interkulturelle Trainings zumeist auf bereits entwickelte technische Ressourcen, weil viele Sprachlehrer Online-Learning-Management-Systeme bereits seit längerer Zeit in ihren Unterricht integrieren und sich kontinuierlich auch technisch in der Verwendung von E-Learning-Tools weiterbilden. Kaum ein Einrichtungstyp hat ein so breites Netzwerk und eine so weite und tiefe Verankerung wie die Sprachenzentren aufzuweisen, die im AKS als Interessenverband organisiert sind und mit UNIcert® über ein wissenschaftlich fundiertes Qualitätssiegel ihres Ausbildungskonzepts verfügen, das mehr und mehr auch die interkulturelle Komponente der Sprachausbildung ins Visier nimmt. Als hochschulspezifisches, sprach- und institutionenübergreifendes Zertifikationssystem ermöglicht UNIcert® eine international angesehene akkreditierte Sprachausbildung an europäischen Hochschulen. An einer Zertifizierung auch interkultureller Kompetenzen wird lebhaft gearbeitet, die Sprachenzentren befinden sich mitten in einem zwar kontroversen, aber lohnenden Prozess. Literatur B ERICHT (2011) des 12. Unicert-Workshops zum Thema „Das Interkulturelle in der UNIcert-Fremdsprachenausbildung“ an der TU Braunschweig am 19. November 2011. (http: / / www.unicertworkshop2011.de/ ) B OECKMANN , Klaus-Börge (2006a): „Kritische Anmerkungen und neue Perspektiven zu Interkulturalität und Fremdsprachenunterricht: Einführung“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 11.3, 3 S. B OECKMANN , Klaus-Börge (2006b): „Dimensionen von Interkulturalität im Kontext des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 11.3, 19 S. B OLTEN , Jürgen (2003): „Grenzen der Ganzheitlichkeit - Konzeptionelle und bildungsorganisatorische Überlegungen zum Thema ‚Interkulturelle Kompetenz‘“. In: Erwägen, Wissen, Ethik 14.1, 156- 158. B OLTEN , Jürgen (2007).: Einführung in die Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Stuttgart: UTB. B YRAM , Michael (1997): Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters. C AMERER , Rudolf (2007): „Sprache - Quelle aller Missverständnisse. Zum Verhältnis von Interkultureller Kompetenz und Sprachkompetenz“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 12.3, 11 S. F ISCHHABER , Katrin (2002): „Digitale Ethnographie. Eine Methode zum Erlernen interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 7.1, 23 S. H ERZOG , Julia / P EÑA , Jorge: „Personalentwicklung mittelständischer Unternehmen für internationale Märkte. Ein computergestütztes interkulturelles Assessment Center“. In: Interculture-Online 2/ 2002, 18 S. K AMM , Jürgen.: „Fremdsprachen - Schlüsselqualifikationen der Interkulturellen Kommunikation? “ In: P OLLETI , Axel (Hrsg.): Sprachen als akademische Schlüsselkompetenz? Arbeitskreis der Spra- 106 Andreas Hettiger FLuL 41 (2012) • Heft 2 chenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute. Dokumentation der 25. Arbeitstagung 2008, 14-29. R ATHJE , Stefanie (2006): „Interkulturelle Kompetenz - Zustand und Zukunft eines umstrittenen Konzepts“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 11.3, 21 S. R EISING -S CHAPLER , Martina (2003): „Fremdsprachenlernen und -lehren im virtuellen Klassenraum und in Internetforen: Eine Möglichkeit zum Erwerb kooperativer und (kommunikativ-)interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht? “ In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 8.2/ 3 S. 1-17. T HIELMANN , Winfried: „Fremdsprachenunterricht“. In: W EIDEMANN / S TRAUB / N OTHNAGEL (2010) 463-488. T HOMAS , Alexander (2010): „Geleitwort“. In: G WENN H ILLER , Gundula / V OGLER -L IPP , Stefanie (Hrsg.) (2010): Schlüsselqualifikation Interkulturelle Kompetenz an Hochschulen. Grundlagen, Konzepte, Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften" 4-7. W EIDEMANN , Arne / S TRAUB , Jürgen / N OTHNAGEL , Steffi (2010): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung. Ein Handbuch. Bielefeld: transcript Verlag. FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag W OLFGANG Z YDATIß * „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People: Kompetenzorientierung im Englischunterricht der 6. Klasse Abstract. Drawing upon a functional stylistic analysis of a modern classic in children’s literature, the „Easy Peasy People“ series (consisting of twelve independent but related stories), various arguments are put forward why these stories represent ideal input material for learners aged 11+. The stories are carefully scripted blending witty dialogues perfectly into an entertaining narrative body. Since the series draws upon a humorous and idiomatic use of language its linguistic quality makes it a valuable additional resource (complementing the work with the textbook) bringing elements of natural second language acquisition into a competenceand activity-oriented foreign language classroom. 1. Zielbestimmung Der Einsatz von authentischer Kinderliteratur (= picture books & children’s books) bietet hervorragende Möglichkeiten, zentrale Aspekte des natürlichen Spracherwerbs in den unterrichtlich gesteuerten Frühbeginn der Primarstufe und in den progressionsbasierten Fremdsprachenunterricht der Jahrgangsstufen 5 und 6 zu integrieren. Die Chancen dafür werden zurzeit nicht nur unzureichend genutzt, sie werden sogar - in einem bestimmten Verständnis didaktisierter Bearbeitungen von Geschichten - verbaut. Der Beitrag verweist auf das sprachlich-diskursive Potential, das in der Kinderbuchserie Easy Peasy People steckt (H ARGREAVES / J OLLIFFE 1989), und er plädiert mit spracherwerbstheoretischen Begründungen für einen Einsatz der Serie in einem kompetenzorientierten Englischunterricht der Orientierungsstufe (6. Klasse). Die Reihe zeichnet sich durch das ungewöhnliche Format aus, dass sie aus zwölf eigenständigen Geschichten besteht, die jeweils ein Heft mit 16 Textseiten und 16 Bildseiten von ca. 700 Wörtern umfassen (was 40-50 Wörtern pro Textseite mit etwa zwei unbekannten * Korrespondenzdresse: Prof. Dr. Wolfgang Z YDATIß . Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Didaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: wbkzydatiss@t-online.de Arbeitsbereiche: Bilingualer Sachfachunterricht, Zweisprachigkeitserziehung, Fremdsprachenlehrerausbildung. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 108 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 Wörtern bzw. lexikalischen Fügungen entspricht). Alle Figuren leben auf einer Insel (= Easy Peasy Island) inmitten eines ‚gewaltigen‘ Ozeans (= Terrific Ocean), sodass sie sich alle kennen und mehr oder weniger häufig begegnen. Die Protagonisten sind Tiere, meistens mit alliterierenden Eigennamen (wie Bill Buzz, Molly Moo, Trevor Trunk u. dgl.), die alle ein natürlich-idiomatisches Englisch sprechen und die aufgrund (ironisch gebrochener) Stärken und Schwächen viel Komik produzieren. Die nachstehenden textbezogenen Gegenstandsanalysen folgen einem funktionalstilistischen Ansatz (V ORLAT 1989), wobei für den hier gewählten Fokus der Betrachtung von zwei grundlegenden Diskurswelten die textlinguistisch begründete Unterscheidung von Harald W EINRICH (1964) einer „besprochenen“ (‚diskursiven‘) und einer „erzählten Welt“ maßgebend ist. In Sprachen mit einem ausgebauten Tempussystem werden fiktive, imaginierte Welten über die Tempora der Vergangenheitsgruppe markiert (= Erzählen), während die Tempora der Gegenwartsgruppe entweder auf allgemein gültige, generische Sachverhalte verweisen (= timeless present) oder auf Situationen, deren primärer Bezugszeitpunkt der Augenblick des Sprechens bzw. Schreibens ist (= Besprechen). Die aufgeführten Kategorien der Sachanalyse stellen eine Auswahl unter dem Aspekt der Repräsentativität dar, soweit sie für die spracherwerbstheoretische Begründung der Argumentation und der am Schluss genannten Aufgaben relevant sind. 2. Funktionalistische Analyse der erzählten Welt 2.1 Diskursaufbau Structure of narratives: Den klassischen textpragmatischen Analysen mündlicher Erzählungen zufolge (vgl. L ABOV 1972, W AJNRIB 2003) setzen sich zusammenhängende Erzählungen als Versprachlichung subjektiver Erfahrungen im Wesentlichen aus sechs Elementen zusammen (die jedoch nicht immer realisiert sein müssen): orientation > [abstract] > complication > [evaluation] > resolution > [coda] Die Orientierung auf den Situationskontext und den Protagonisten (= arouse interest) erfolgt in der vorliegenden Serie stets auf der ersten Seite eines Bandes: guess what happened …; guess who / what / how many …; would you like to know? ; s.th. happened; how did that happen? Das fakultative ‚Abstract‘ nennt häufig das spezielle ‚Problem‘ der jeweiligen Hauptfigur (= state and solve problems): this story / it’s (all) about …- that is the problem; (quite) a big problem; the trouble was …; can you imagine? ; disaster! ; what a brilliant idea …- Der Handlungsablauf geht mit complicating actions und Spannungsaufbau (= suspense) einher, der in einer stets witzigen resolution (= denouement) aufgelöst wird. In den narrativen Passagen streut der Autor persönliche Kommentare in Bezug auf Ereignisse und Verhaltensweisen der Textfiguren ein (= evaluation). Die so genannte coda, ein rhetorisches ‚Anhängsel‘, das das Ende der Erzählung bzw. den spezifischen Reiz einer Geschichte für den Erzähler signalisiert, „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 109 FLuL 41 (2012) • Heft 2 wird in den zwölf Bänden immer durch eine kleine Schwarz-Weiß-Zeichnung auf der letzten Textseite realisiert; womit noch einmal die Pointe der jeweiligen story unterstrichen wird. 2.1.1 Verbs of saying Das Versprachlichen von Geschichten ist zwingend auf eine Reihe so genannter „Erzählverben“ (P IEPHO 2007) angewiesen: AMUSEMENT VOCAL SOUND INTERACTION: tell bzw. say LAUGH SMILE ± long & Emotive + loud + silent ± approve + commitment Question- Answer laugh smile Groan call out squeak complain announce ask chortle grin Grunt cry murmur sniff admit enquire chuckle Sob shout mumble promise reply giggle Sigh scream mutter retort snort Wail exclaim whisper add snigger Splutter thunder repeat boom [nod] [wheeze] Zu dieser Übersicht sind zwei Anmerkungen zu machen: Es gibt zum einen zentrale semantische Grundkategorien, die sich einerseits unterscheiden, die sich andererseits aber auch überlagern können (basic values wie ‚amusement / pleasure / joyy‘, ± vocal sound oder ‚interactive‘). Daneben gibt es periphere, semantisch spezifischere Merkmale, die die externalisierte, physische Manifestation und/ oder eine emotionale Assoziation bezeichnen: So verweisen z.B. chuckle auf ein ‚leises Glucksen‘, snort auf ein ‚wütendes Schnauben‘, snigger auf ein ‚leises & abwertendes Kichern‘ und splutter auf ein ,schnelles & wütendes bzw. überraschtes Heraussprudeln von Worten‘. Andere Verben benennen die pragmatische Funktion des Kommunikationsaktes, nicht zuletzt auch die Beziehungsebene der Interaktion (etwa complain, promise oder mutter als ‚leises & kritisches Murren‘). Diese können in den konkreten Verwendungskontexten von Sprache direkt beobachtet oder aus dem textuellen bzw. visuellen Zusammenhang der Abbildung und natürlich über das Weltwissen erschlossen werden. Da ihre genauen Bedeutungsaspekte den Lexemen ‚eingeschrieben‘ sind, sind diese entweder dem Ko- Text der Geschichte zu entnehmen, oder sie müssen situativ-artikulatorisch re-kontextualisiert werden, um voll verstanden werden zu können. Der interaktive Umgang mit Kinderbüchern bietet häufig die Chance, Begrifflichkeiten über Mimik und Gestik in ihrer Bedeutung transparent zu machen (= decomposition of input). Die Semantisierung der distinktiven Bedeutungsmerkmale sollte im Unterricht folglich bewusst inszeniert werden (was Kindern viel Spaß macht). 110 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 2.1.2 Emphasis Eine Reihe von Strukturen sind wiederkehrend (= recurrent) und werden als distinktive stilistische Mittel eingesetzt (= conspicuousness); z.B.: repetitions and parallelisms: creeping very, very, very quietly up behind the bird; years and years and years; after … after … after; and … and … and; apples for breakfast / lunch / tea / supper; she can’t SEE / HEAR as well as she used to …; Charlie Oink thought. And he thought again. And again and again and again. exaggeration: the most amazingly, frightfully, horribly uncomfortable Tuesday night of his life hyperbole: He laughed his head off. And his hands. And his feet. And his nose. capitalization: you know ME! alliteration and rhymes: Harry Hoof was not a happy horse; it was a wet and windy Wednesday morning; Bill Buzz is the busiest bee there is; pig, wig, big 2.2 Charakterisierung Um über eine Textfigur etwas aussagen zu können, muss ihre Existenz etabliert werden: there is a / one person who …; there is nobody (in) …, there aren’t any …; there lives a … Die Beschreibung und Charakterisierung von Personen sind grundlegende Textformen, für die die Geschichten ein breites Ausdrucksspektrum anbieten, bis hin zu humorvollen und affektiven Momenten; z.B.: relative clauses: s.o. who is …, s.o. who talks / forgets … adjectives expressing qualities: a poor / happy fellow, a forgetful / carefree sort of person; sensible, proud, cheerful, eager, rude, miserable, greedy, scatty; large, old, round, fat, tubby informal language use: a / you dopey / daft / silly / dippy (sort of) dog word formation: a doggy / mousy / bear-like / sheepish grin / smile; world-famous; big puddle-sized tears; an elephant-eating mouse neologisms: straightmousefaced [straightfaced = ‘not smiling or laughing’]; she beakdived… [nosedive]; gigglechirp, sniggerchirp, chucklechirp Vergleiche werden eingesetzt, um Dinge und Personen zu beschreiben: comparatives and superlatives: nicer / tastier / better / older than …; the nicest / biggest / silliest X; the most miserable bear, the busiest bee there’s ever been similarity: X looks like …, a bear-like grin „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 111 FLuL 41 (2012) • Heft 2 degree: as big / small as …; even less than … very, so (much), quite, even, nearly, only, almost, fairly, really, not at all, not a / one little bit; extremely, frightfully, extraordinarily, downright Die Realisierung affektiver Sprachfunktionen stellt für Fremdsprachenlerner nicht selten ein Problem dar, kann aber bereits auf dieser Stufe angebahnt werden, da die Geschichten dafür vielfältige Ausdrucksfelder bereithalten: likes and dislikes: I’d like …, I like / don’t like …, I love / hate …; I (don’t) feel like (it) …; enjoy yourself; nice, nicer than nice, fantastic, be partial to s.th.; nasty, horrid, horrible, hateful, terrible; „ugh“ sadness: sad, glum, gloomy, miserable, sorrowful; miserably, drearily; start to cry, big tears plopped onto … fear and anxiety: frighten s.o., be frightened / anxious, I’ll give her the fright of her life, give s.o. a shock wishes: I wish I wasn’t …, I wish you were …; wishfully 2.3 Handlungsablauf Das narrative Darstellungsverfahren ruft hinsichtlich der Umsetzung von plot & action die Tempora der Vergangenheitsgruppe auf; wobei das Nulltempus der Erzählung das simple past ist (für den plot), während die übrigen logisch möglichen Zeitstufen der Vor-, Nach- und Gleichzeitigkeit (bezogen auf diesen sekundären Referenzzeitpunkt in der Vergangenheit) zum einen durch die Tempus- und Aspektformen des past perfect, future-in-the-past (oder conditional) und past progressive realisiert werden und zum anderen durch Redemittel für zeitliche Beziehungen: sequence: first, next, then, later that day, the following day; before, after, and to follow; in between; to finish simultaneity: at the same time (as they were having supper) …, while, X was standing … watching …; he saw a worm move, he watched the grass grow Semantische Konnektoren stiften logische Verbindungen im fortlaufenden Text: conjunctions: and, but, because, so; whether, as, if, as if, neither; when, where, how, until sentence linking adverbs: otherwise, for instance Kohärenz in der zeitlichen Dimension gewinnen Geschichten ferner über temporale Adverbien der verschiedensten Art: 112 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 time-when (= definite time reference): on / one Monday morning / evening, this last Tuesday, that day, just then, this morning; at last, suddenly, all of a sudden. immediately duration: for so long, most of the time, still frequency: twice, three times, (yet) again, again and again, most days, always, never (ever) Irregular verbs: Die gesamte Serie greift auf unterschiedliche Wortformen von 52 unregelmäßigen englischen Verben zurück, was etwa einem Viertel der üblicherweise in den entsprechenden Listen der Lehrwerke zusammengefassten Gesamtmenge entspricht. Die Autoren benutzen insbesondere frequenzstarke Verben wie: awake; be, become, build, buy; cast, catch, come, creep, cut; dig, do; eat; fall, find, fit, flee, fly, forget; get, go, grow; hang, have, hear, hide, hold, keep, know; lead, leap, leave, let, lose; make, meet; put; read, ring, run; say, see, set, sing, sit, shake, shut, stand; take, tell, think, tread Die Schreibung und Lautung der Vergangenheitstempora der unregelmäßigen Verben verweist auf ein bemerkenswertes Paradox im englischen Flexionssystem, was die Opposition zwischen der semantisch-pragmatischen und der formal-phonologischen Markiertheit dieser für das Erzählen essentiellen Ausdrucksmittel betrifft. Während diese Verben im Präsens in ihrer geschriebenen Form und Aussprache stark markiert und hoch variabel sind, kehren sich die Verhältnisse bei den past tense-Formen um. Die Vielfalt in der Schreibung reduziert sich in der Lautung auf vergleichsweise wenige Vokalkategorien, die zum Teil sehr produktiv sind; etwa: [e] crept, fell, fled, held, kept, led, leapt, left, met, read, said, [ ɔ : ] bought, caught, saw, thought Erweist sich das Schriftbild der Vergangenheitsformen als relativ heterogen (d.h. grammatisch markiert), was vermutlich die Vorbehalte im Frühbeginn gegen den Einsatz authentischer Geschichten mit past tense-Verben erklärt, so sind diese Verbformen in der phonetischen Realisierung eher invariant und unmarkiert. Mit einem quasi minimalen Aufwand in der Aussprache wird ein Höchstmaß an semantisch-kommunikativer Wirkung für die Diskurswelt des Erzählens erzielt. Dieses Phänomen des so genannten bulking im englischen Flexionssystem mit einer Umkehrung der grammatischen und der pragmatischen Markiertheit der Präsens- und Präteritumsformen verweist - sprachgeschichtlich gesehen - darauf, dass das Erzählen phylo- und ontogenetisch ein grundlegendes, mündliches Darstellungsverfahren ist (vgl. B RUNER 1986 zum ‚narrativen Denken‘ als der primären Modalität des Denkens des Kindes). „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 113 FLuL 41 (2012) • Heft 2 3. Funktionalistische Analyse der diskursiven Welt Die dialogisch-interaktiven Passagen der zwölf Geschichten zeigen eine Sprache, die geradezu modellhaft distinktive Merkmale der kommunikativen mündlichen Sprachverwendung widerspiegelt. Das Inputmaterial erreicht damit eine Qualität, die sich in didaktisierten Lehrbuchdialogen nicht findet. Da die Sprachgebung von den Autoren bewusst im Hinblick auf Kinder geformt ist, deren Erstspracherwerb noch nicht abgeschlossen ist, repräsentieren die Geschichten (und mit ihnen die Dialoge) einen fokussierten Input, der natürlichen Spracherwerbsprozessen äußerst förderlich ist (vgl. S WAIN / L APKIN 1995). The present tense group: Für den dialogisch-diskursiven Sprachgebrauch ist der primäre Referenzzeitpunkt maßgebend, der Augenblick des Sprechens. Dementsprechend findet sich in den Gesprächspassagen der zwölf Bände nahezu das gesamte Spektrum der Tempus-, Aspekt- und Futurformen der Gegenwartsgruppe: present progressive („what are you doing? “), simple present („it always works“), present perfect („she has lived there for years“), modal perfect („it might have been …“), future time („I’ll go fishing“, „I will be a singer“); „I’m going to teach you …“). Socializing: In Übereinstimmung mit der Kontaktfunktion von Sprache (= interpersonal function, phatic communion) wird in den Dialogen auf Ausdrucksmittel zu folgenden Kategorien zurückgegriffen: salutation and farewell: hello, welcome to …, dear X, m’dear; Love … X empathy: poor X, how sad, what a pity, cheer up, are you all right? you look a bit down in the face politeness markers: excuse me, please …; my pleasure, (so) sorry, never mind; thank you very much Question and answer moves: Zu den Diskurskompetenzen der dialogischen Wechselrede gehört die Realisierung interaktiver Frage-Antwort-Strukturen; z.B.: colloquial questions: what shall I do today? , why don’t you go and see …? , anything you’d like me to do? , you know something? , how to what? , my what? , why not? , why so glum? , what letter? , what is it like, living in a hole? , [= ‘tail’: ein Merkmal der Umgangssprache] question tags: …, have we? ; …, haven’t you? ; …, would I? short answers (= ellipsis): of course, you did; so X did; no, it didn’t; so did I; so you can see; this one; yes, of course; but I have; well, I do; certainly, madam; how sad; love to; Me! 114 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 Communicative lubricants: Die gesprochene Sprache kennt eine Reihe von kommunikationsfördernden ,Schmiermitteln‘, die dazu beitragen, den kooperativen Charakter von Gesprächen zu stärken, die Einstellungen eines Sprechers zu einem Sachverhalt zu markieren, die Eröffnung bzw. den Abschluss eines Themas anzuzeigen u. dgl. mehr: discourse markers: I say; oh dear; oh yes; … good; …, now, …; actually, by the way, incidentally, anyway, in fact, indeed; no wonder, of course, as you know, if you remember, you know, you see, that’s right, mind you hedges (expressing vagueness to soften or downtone the force of an utterance): X is a sort of (crazy) dog; a wheezy sort of a sigh; be somewhat silly Formulaic language: Im Hinblick auf das freie Sprechen geht man heutzutage zunehmend von einem nicht-generativen System der Sprachverarbeitung aus („instancebased learning can account for performance“: S KEHAN 1998: 61); d.h. bei der ungeplanten Rede (besonders bei der Teilnahme an spontanen Gesprächen) kommen in erster Linie gedächtnisgestützte, von lexikalischen Einheiten und strukturellen Versatzstücken getragene Sprachproduktionsprozesse zum Tragen. Diese Modalität des Sprachgebrauchs ist von mehr oder weniger festen Verbindungen über sprachliche Routinen, Satzstämme, Kollokationen, formelhafte Fügungen und idiomatische Wendungen geprägt, die in dieser Form und Häufigkeit in Lehrwerktexten nicht vorkommen; z.B.: lexical routines: you can say that again, it was no use, well done, just like that, apart from anything else, you are what you are, what a funny X, that’s not what I call …, he wouldn’t believe his eyes binomials: head over heels, around and about thinking gambits: I was wondering, I’m not sure, I think I’d better think again, fancy forgetting …, I don’t suppose that … sentence stems: anything you’d like me to do? , I don’t suppose that you’d like to …? , I wouldn’t mind if you did …, off he rushed to … interjections: „ouch“, „whoops“, „achoo / atishoo“, „bang“, „splosh“, „whoopee“, „gosh“, „bother“ informal style: you Silly Billy, easy peasy, you dippy dog, nonsense, top of the bill phrasal verbs: laugh one’s head off, set eyes on s.o., settle down for (the night) collocations: have breakfast / lunch, make coffee / the bed vs. do the crossword, help oneself to coffee, cross one’s fingers idiomatic expressions: „A little bird told me! “ „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 115 FLuL 41 (2012) • Heft 2 4. Anspruchsvolle Kinderliteratur und ,natürliche‘ Erwerbsprozesse im Englischunterricht der Grundschule Eine Serie wie Easy Peasy People ist auf unterhaltsame, interaktive Spracherwerbsprozesse angelegt, wobei die sprachliche Komplexität kein Widerspruch ist. Ganz im Gegenteil - viele Argumente sprechen für den gezielten Einsatz von Kinderliteratur in den ersten Lernjahren des unterrichtlich gesteuerten Fremdsprachenerwerbs (insbesondere in der Grundschule). 4.1 Von der gemeinsamen Aufmerksamkeitshaltung zum wahrgenommenen und verstandenen Input Der sozialkonstruktivistisch inspirierten Spracherwerbsforschung zufolge (etwa dem usage-based model von T OMASELLO 1999, 2003) verwenden Kinder im Erstsprachenerwerb zunächst sprachliche Ganzheiten aus dem ihnen situativ gebotenen Input (= item-based constructions als Einheit von Form und Funktion). Diese werden erst später dekomponiert (= breaking down input chunks); d.h. die linguistischen Kategorien werden aus einer Vielzahl von Begegnungen mit lexikogrammatischen Fügungen und phonologischen Mustern auf induktivem Wege abstrahiert, sodass sich eine zunehmende syntaktische Komplexifizierung vollzieht (= syntacticization). Im Zuge des Erwerbs komplexer holistischer Ausdrücke werden ‚weiter entfernt‘ liegende sprachliche Kontexte ‚mitgelernt‘ (L I / F ARKAS / M AC W HINNEY 2004). Eine Voraussetzung für diesen als ‚Resonanz‘ bezeichneten Prozess, bei dem sprachliche wie nichtsprachliche Wissenselemente zum ‚Mitschwingen‘ gebracht werden (z.B. Ausdrucksmittel, Textschemata, kommunikative Absichten und soziokulturelle Bezüge), ist die Aufmerksamkeitshaltung im Hinblick auf einen für das Kind interessanten, diskursiv vermittelten Inhalt. B RUNER (1986, 1996) spricht hier von „common ground“ und T OMASELLO (1999) von „joint attention“. Das Vorlesen des Textes und das Betrachten der Zeichnungen verlangen vom Kind genaues Zuhören bzw. Hinsehen und die Wiedergabe von Beobachtungen. Die Fragen seitens der Bezugsperson und das Zeigen auf bestimmte Bildstellen führen zu einem immer präziseren Benennen von Sachverhalten, zum Aushandeln von Bedeutungen und zum schlussfolgernden Denken. Über diese gemeinsame Aufmerksamkeitshaltung gegenüber den Inhalten des Textgegenstands können die sprachlichen Inputqualitäten des Kinderbuchs eigene spracherwerbsfördernde Wirkungen entfalten. Man spricht in diesem Zusammenhang von salience, d.h. vom ‚Hervorstechen‘ bestimmter Merkmale im kommunikativen Sprachgebrauch, die den Adressaten in einer Weise lenken, den sprachlichen Input in der jeweiligen Kommunikationssituation sinnentnehmend zu verarbeiten und zu interpretieren. Das Phänomen salience ist eine Frage des Wechselspiels zwischen Sprache-in-Gebrauch, linguistischem Ko-Text, Situationskontext und Sprachverwender. Es obliegt dem Rezipienten (also dem Kind), die Unterdeterminiertheit der gesprochenen Sprache durch entsprechende, dem jeweiligen Verwendungskontext angemessene mentale Operationen ‚aufzulösen‘. Unser Gehirn ist da- 116 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 rauf ausgelegt (und wird in der primären Sozialisation entsprechend ‚trainiert‘), den kontinuierlich einkommenden diskursiven Sprachfluss im Hinblick auf die Wort- und Satzgrenzen zu strukturieren sowie in Bedeutungen zu ‚übersetzen‘. Ein Hörer bekommt dafür vom Gesprächspartner prosodische und lexikogrammatische ,Hilfen‘ (= scaffolding: B RUNER 1986); z.B. über die Wort- und Satzbetonung, die Intonation, Höflichkeitsformeln, Diskursmarker, Abtönungspartikel (hedging), verbal-reflexive Kommentare (die die Interpretation der Redebeiträge ‚lenken‘) und andere gambits. Die für das Verständnis des Gesagten entscheidende kognitive Leistung ist die des Schlussfolgerns (= making inferences). Sie gibt den Ausschlag dafür, dass bestimmten, im Input wahrgenommenen Elementen (= apperceived input) eine formal-strukturelle und/ oder eine semantisch-pragmatische salience zugesprochen wird (= comprehended input). Es ist mit anderen Worten genau dieses Phänomen der Bedeutungszuweisung im Verstehensprozess an den Schnittstellen von Sprachstruktur, Semantik und Pragmatik, das generative Linguisten wie C HOMSKY (1965) im Hinblick auf das ‚Funktionieren‘ des Spracherwerbs zutiefst irritierte: nämlich die formalsprachliche wie pragmatische ‚Unvollkommenheit‘ des Inputs (= deficient, impoverished input). Bekanntlich bewog das ihn, die ‚extreme‘ Position allein angeborener Mechanismen des Erstspracherwerbs zu postulieren, um zu einer Erklärung zu gelangen. Es scheint jedoch gerade die Unterdeterminiertheit der authentischen Sprachverwendung zu sein, die inferencing zur zwingenden Notwendigkeit macht und damit letztendlich das Interpretieren von Sprache-in-Gebrauch sowie die Lernbarkeit von Sprache sichert (als Zeicheninventar und Handlungsfähigkeit). Indem salience gegenüber Merkmalen des Inputs induziert wird, können semantisch distinktive lexikalische Einheiten und Regularitäten der Sprachstruktur Eingang in die Lernersprache finden (input wird zum intake). Anspruchsvolle authentische Kinderliteratur nimmt gegenüber dieser Polarität von semantisch-pragmatischer Unbestimmtheit und lexikogrammatischer Strukturiertheit eine herausragende interface-Position ein. Sie ist zum einen in einem Maße durchkomponiert, dass sie dem Erwerb des Sprachsystems und eines themenbezogenen Wortschatzes dienlich ist. Sie bleibt zum anderen in der Sprachgebung zum Teil wenig explizit, sodass Raum für semantische und pragmatische Schlussfolgerungen entsteht. Zusammen mit den lexikogrammatischen ‚Hilfen‘ im Inputmaterial induziert aktives Inferieren konstruktive Sinnbildungsprozesse, die für den Lerner neue Bedeutungen generieren. 4.2 Die Sprachfähigkeit zwischen internalisiertem Wissen und handlungsfähigem Können Komplex-anspruchsvolle Kinderliteratur stellt meines Erachtens in der Orientierungsstufe (ergänzend zur Lehrwerkarbeit) noch aus einem anderen Grund eine geradezu ideale Inputressource dar. Die Materialien zusammen mit den Aufgaben müssen die wechselseitige Abhängigkeit von Kodeinventar / Sprachsystem und Sprachgebrauch / sprachlicher Handlungsfähigkeit in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht zur vollen Wirkung bringen. Schließlich ist ein comprehended input eine zwar „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 117 FLuL 41 (2012) • Heft 2 notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen qualifizierten Spracherwerb. Die Phasen einer eher semantischen Verarbeitung der Inputmaterialien müssen durch Aufgaben mit einer stärker syntaktisch fokussierten Verarbeitung von Themen und Inhalten ergänzt werden, die insbesondere der diskursiven wie textsortenbezogenen Realisierung sprachlich komplexerer Äußerungseinheiten Raum geben (vgl. S WAIN / L AP - KIN 1995, S WAIN 1998 zur so genannten Outputhypothese). Es ist im Wesen des kommunikativen Sprachgebrauchs begründet, dass das abstrakte, tiefer liegende Bedeutungspotential (die Sprachkompetenz im engeren Sinne) nur ‚manifest‘ wird, wenn diese Disposition für zweckgerichtete, situativ eingebettete, sinnstiftende, sprachlich vermittelte Aktivitäten eingesetzt wird. Umgekehrt wird man als Fremdsprachenlerner in der individuellen Sprachfähigkeit (= proficiency) nicht sehr weit kommen (Phänomen der ‚Fossilisierung‘), wenn die internalisierten lexikogrammatischen Kompetenzen nicht systematisch ausgebaut und ausdifferenziert werden. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass die Konsequenzen, die aus dieser Einsicht folgen, nicht so ganz in die momentane Kompetenzeuphorie in der fremdsprachendidaktischen Theoriebildung passen - zumindest nicht, was das Kompetenzverständnis der so genannten „Bildungsstandards“ (KMK 2003) betrifft. Die Letzteren vertreten in ihren Aufgabenbeispielen eine ausschließliche Fokussierung auf die kommunikativen Fertigkeiten bzw. kommunikativen Aktivitäten, wie diese im Europäischen Referenzrahmen nunmehr heißen (C OUNCIL OF E UROPE 2001), noch dazu nach dem didaktisch wenig überzeugenden und nachhaltigen Prinzip der skill segregation (der strikten Trennung der Fertigkeiten). Meines Erachtens liegt hier ein sehr krudes, nicht akzeptables Verständnis des funktionalen W EINERT ’schen Kompetenzbegriffs vor (2001: 27), denn die wechselseitige Abhängigkeit von internalisierter Disposition und aktualisierter Performanz in Problemlösesituationen (zu denen die konkrete Sprachverwendung einer Fremdsprache zweifellos gehört) wird dabei nicht hinreichend beachtet. Für den Gegenstandsbereich einer kommunikativen (! ) Fremdsprachendidaktik findet sich eine ähnliche Unterscheidung bereits bei W IDDOWSON (1990: 125), der von „mutual dependency“ zwischen „linguistically coded potential“ und „realization in language use“ spricht. Von daher ist es mehr als verwunderlich, dass kontextualisierte Aufgaben zum Wortschatz und zur Grammatik in den KMK-Standards fehlen, obwohl der Referenzrahmen den lexikogrammatischen Kompetenzen gut zehn Seiten widmet (C OUNCIL OF E UROPE 2001: 108-118). Auf diese Weise wird man der Interdependenz von Sprachwissen und Sprachkönnen, von Sprache als hierarchisch gestuftem Zeichensystem / internalisiertem Potential und Sprache als zielgerichteter Tätigkeit / Handlungsfähigkeit in kommunikativen Interaktionen, nicht gerecht. Die Vernachlässigung der lexikogrammatischen Kompetenzen in den Überprüfungsaufgaben der Standards wird über kurz oder lang negative Auswirkungen auf die kommunikativen Kompetenzen haben. Das durchaus spannungsvolle Wechselverhältnis zwischen diesen beiden, für Sprache konstitutiven Kompetenzformen wird in der Kinderliteratur erheblich eleganter, kreativer und befriedigender gelöst. Die Aufmerksamkeitslenkung (= noticing: S CHMIDT 1990) des Sprachnovizen bezieht sich gleichermaßen auf strukturelle, lexikalische und phonologische 118 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 sowie auf illokutionäre, diskursive und soziolinguistische Phänomene. Damit bilden authentische Kinderbücher eine eigentlich unverzichtbare Ressource in den ersten Lernjahren eines kompetenzorientierten Englischunterrichts; denn ihnen gelingt es, Sprache in einem umfassenden Sinne ‚lernbar‘ zu machen, indem konstitutive Merkmale diskursiv-textgebundener Sprache in der Interaktion von Bezugsperson / Lehrkraft und Kind / Lerner gleichermaßen in ihren lexikogrammatisch-systemischen und in ihren sprachfunktional-pragmatischen Aspekten salient werden können. Davon profitiert letztendlich die Ausbildung der Sprachhandlungsfähigkeit. Den grundlegenden Studien von W ELLS (1981, 1985) zufolge zeigen Kinder aus Familien, in denen viele Kinderbücher interaktiv ‚erlesen‘ werden, einen beschleunigten und stärker ausdifferenzierten Erstsprachenerwerb, und sie sind dann später auch die erfolgreicheren Fremdsprachenlerner (S KEHAN 1989). 4.3 Freies Sprechen und Wortschatzkompetenzen In der Easy Peasy People-Reihe werden konsequent narrativ-monologische und diskursiv-dialogische Passagen miteinander kombiniert. In den Abschnitten mit interaktiver Wechselrede werden meines Erachtens in sehr gekonnter Weise die Charakteristika der gesprochenen Sprache simuliert. Aufgrund der heute vorliegenden psycho- und korpuslinguistischen sowie neuropsychologischen Forschungsergebnisse müssen wir von der Vorstellung ausgehen (W IDDOWSON 1990, S INCLAIR 1991, S KEHAN 1998), dass dem aktiv-produktiven Sprachgebrauch ein doppeltes System der Sprachverarbeitung zugrunde liegt. Während die analytisch-generativen Prinzipien des regelbasierten Systems (= open-choice model) vor allem beim Schreiben, aber auch beim geplanten monologischen Sprechen zur Anwendung kommen (= scripted speech, prepared talk sowie product-, genre- & creative writing), wird das freie Sprechen in der dialogisch-interaktiven Variante primär von gedächtnisgestützten, lexikalisch basierten Verarbeitungsprozeduren getragen (= idiom principle oder exemplar-based language processing): „It is natural to communicate by lexical means, and we only relinquish this preferred mode if we have to“ (S KEHAN 1998: 33). Hierbei hält sich die bewusste syntaktische Planung der Äußerungseinheiten bei den meisten Sprechern in sehr engen Grenzen. Demgemäß sind die Äußerungen der dialogischen Wechselrede in den Easy Peasy-Bänden eher kurz; denn wir sprechen üblicherweise in Informationseinheiten von sechs bis acht Wörtern mit einer Dauer von zwei bis drei Sekunden (= tone units bzw. bursts of speech), die (wenn überhaupt) primär parataktisch miteinander verbunden werden (and, but). Viele Äußerungen sind elliptisch, also satzgrammatisch unvollständig, aber funktional effektiv. Auffallend ist in der Tat die Differenziertheit des Wortschatzes; mit der Konsequenz, dass die semantischen und diskursiven Bedeutungselemente vorrangig von lexikalischen Ausdrucksmitteln zusammen mit strukturellen Versatzstücken transportiert werden: den so genannten sentence stems wie how / what about …? , tell me what it is that …, how silly of me to …, I’m trying to think of …, there must be … oder what’s wrong with…? Die Autoren der Reihe machen sich ferner die Tatsache zunutze, dass wir uns interessante, ungewöhnliche lexikalische „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 119 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Einheiten sehr viel besser merken als die hochfrequenten, meistens kurzen und ‚unauffälligen‘ Wörter der Alltagssprache. Von daher finden sich in den Geschichten überproportional viele lautmalende Merkmale, Interjektionen, Alliterationen und Reime (oft durch Großbuchstaben oder Fettdruck hervorgehoben); aber auch kreative Wortbildungen und umgangssprachliche Wendungen, die immer wieder neue affektive Assoziationen auslösen. Es ist (vermutlich: ähnlich wie beim frühen musikalischen Lernen des Kindes) die Mischung von ‚statistischem Lernen‘ (über mehrfach wiederkehrende sprachliche Sinneseindrücke) und emotional befriedigenden Erfolgserlebnissen (das Erkennen und Verstehen sprachlicher Ganzheiten und Muster), die dem natürlichen Spracherwerb besonders zuträglich ist. Bezogen auf das fremdsprachliche Curriculum sollten wir Kindern von Anbeginn des Lehrgangs an die Chance bieten, über anspruchsvolle Kinderbücher einen reichhaltigen und differenzierten Wortschatz zu erwerben. Wir sollten ihnen sehr viel mehr Lexik anbieten, als zurzeit in der kleinschrittigen, didaktisch überregulierten Lehrwerkprogression üblich ist (schließlich schlagen sie uns Erwachsene in der Regel in Spielen wie „Memory“). Dabei kann man es dem einzelnen Kind (und dessen Gedächtniskapazitäten) überlassen, was es davon über einen auch bei authentischen Materialien zu bestimmenden Kernwortschatz hinaus behält und eventuell (später) sogar benutzt. Offenbar können unsere Sprachverarbeitungssysteme (vermutlich aufgrund des Phänomens der Resonanz) auch unterbewusste Erinnerungen nutzen, zumindest was das rezeptive Textverständnis angeht. Oder lexikalische Einheiten tauchen mit zeitlicher Verzögerung im produktiven Sprachgebrauch auf. Lehrkräfte sollten realistische Vorstellungen vom quantitativen Umfang des produktiven und des rezeptiven Wortschatzes von Kindern und Erwachsenen haben, als Eingangsvariable für schulisches Lernen und als Ausgangsvariable für die Erfordernisse nachschulischen Lernens. Nur so können sie sinnvolle Gewichtungen in Bezug auf die Grammatik- und die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht vornehmen. Ein altersgerecht entwickeltes englischsprachiges Kind hat beim Schuleintritt etwa 2.300 Wörter aktiv verfügbar, und ein akademisch gebildeter Sprecher verwendet beim Sprechen etwa 5-6.000 Wörter (= Wortformen oder types). Auf der rezeptiven Ebene kommen das schulfähige Kind auf gut 20.000 Wörter und der besagte Erwachsene auf ca. 60-100.000 Wörter (gerechnet als tokens). In meinen Untersuchungen zum Wortschatzumfang im Englischen von Realschülern und Gymnasiasten der 9. / 10. Klasse (N > 430) hatten die Items des nach Häufigkeitslisten gestuften Tests von N ATION (2001) im Intervall der häufigsten 1.000 Wörter eine mittlere (angemessene) Schwierigkeit von 44%, während die des nächsten Intervalls der 2.000 häufigsten Wörter mit 24,5% bereits als zu schwer eingestuft werden mussten (Z YDATIß 2005: 286). Der darauf aufbauenden Staatsexamensarbeit von T RAMM zufolge (2008) kennen Berliner Gesamtschüler der 9. Jahrgangsstufe auf der rezeptiven Ebene (lediglich) 70, 36 bzw. 28% der Wörter in den Intervallen der häufigsten 1.000, 2.000 oder 3.000 englischen Wörter. Es müssen entschieden mehr Wörter gelernt werden, und der Einsatz von Kinderliteratur in der Grundschule ist dafür ein probater und lustvoller Start. Mit einem zu kleinen Wortschatz in der Weltverkehrssprache Englisch wird man weder direkte Ge- 120 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 sprächs- und Begegnungssituationen noch die Lektüre fiktionaler und expositorischer Texte zufriedenstellend bewältigen können; von den Recherchen im Internet einmal ganz zu schweigen. Da die lexikalische Dichte authentischer Materialien beträchtlich ist, muss sich der schulische Englischunterricht verstärkt der Aufgabe stellen, der Wortschatzarbeit einen höheren Stellenwert einzuräumen, um auch auf den Umgang mit nichtdidaktisierten schriftlichen Texten vorzubereiten. Das Globalziel der ‚kommunikativen Mündlichkeit‘ reicht dafür nicht aus. 5. Kompetenzorientierte Aufgaben Als kompetenzorientierte Aufgaben bieten sich im Rahmen einer Unterrichtsreihe die folgenden Aktivitäten an (zur Struktur eines derartigen Vorhabens und Arbeitshilfen vgl. die Vorschläge in Z YDATIß 2009): • Vorstellen der zentralen Textfigur der Geschichte (= introducing the main character): Name, Wohnung / Wohnort, ,Problem‘ des Protagonisten - ggf. unter Verwendung einer mind map (Gruppenarbeit); • Partnerarbeit zu den orthografisch schwierigeren Tier- und Personenbegriffen: z.B. bear, bee, elephant, horse, parrot, (tom)cat, owl; wizard, farmer; • Begegnungen mit anderen Charakteren der Easy Peasy-Reihe, Versuch einer Lokalisierung des Wohnorts dieser Personen auf der Insel (Entwurf einer Kartenskizze); • klanggestaltendes Lesen einer zentralen dialogischen Passage aus der jeweiligen Geschichte (Sprechtempo, Betonung, Intonation, Pausen u. dgl.); • situativ-verbale und gestisch-mimische Semantisierung ausgewählter Lieblingsausdrücke wie etwa atishoo, a silly billy, beakdive, chuckle, wriggle, whoopee! ; • Ratespiel: pantomimische Darstellung der „verbs of saying“ als Re-Kontextualisierung der impliziten semantischen Merkmale (z.B. giggle, whisper, grunt, cry, sniff); • Vorbereitung eines Buchstabierspiels (z.B. „Hangman“) mit orthografisch schwierigen Wörtern (pleasure, delicious u. dgl.); • Zusammenstellen eines word bingo zu unterschiedlichen Wortfeldern; • Umsetzen einer Szene der Geschichte in ein Rollenspiel; • Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit: Transfer einer ausgewählten Textpassage in eine ,reale‘ Situation des Alltags (z.B. going shopping, our favourite meal, at the post office, our favourite jokes, what my bedroom looks like); • Partnerarbeit: „You either do not want to be kept indoors with lots of other animals of your species. Or you do not want to be hunted or killed for food. Make a poster what should be done against this, or design a T-shirt with an effective slogan for what you want“; • „Think of food you like. Rank different kinds of foodstuff on a scale and give rea- „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 121 FLuL 41 (2012) • Heft 2 sons why you (don’t) like them: I love / adore …, enjoy …, like …, don’t like …, can’t stand …, hate / detest …“; • Einzelarbeit: „Create an invitation card inviting your friends to your Easy Peasy dwelling place. Specify the directions as well as when and where to meet. Give a phone number. Don’t forget the salutation and the signing off“; • Arbeitsteilige Gruppenarbeit: „Create a wanted poster for [Wizard Wheeze, Trevor Trunk, Charlie Oink, Harry Hoof, Bill Buzz etc.]. Identify the age, height, weight and looks of the character. Name their interests and activities but also some characteristic features of their (sometimes strange) behaviour“; • Verfassen einer Postkarte von der Easy Peasy Island (Einzelarbeit): „Say whom you met and where, and how you liked it on the island“; • Gruppenarbeit: Rekonstruieren ausgewählter Passagen aus den Easy Peasy-Bänden mithilfe des dictogloss-Verfahrens (Lehrkraft liest vor, Schüler tragen als Gruppe den Text zusammen); • Schreibkonferenz: „Write a letter to the agony aunt on Easy Peasy Island. First state your character’s problems. Then compose an answer from the agony aunt’s perspective“; • Partnerarbeit: „If you were a(n) [bear, bee, cat, dog, elephant, pig etc.], - Where would you live? “ - What would you eat? “ … …p ……… - How would people treat you? “ … …i ……… - Write a poem based on the acrostic of your character. … ...g ……… • mündliche und schriftliche Darstellung des Handlungsgerüsts (Nacherzählung / retold). • Einzelarbeit: „Describe a day in the life of your (favourite) Easy Peasy character“ Die unterrichtliche Verarbeitung von Kinderliteratur kann im Kern das aufnehmen, was die Rezeption von Geschichten einzigartig macht: Geschichten können spannend, witzig, geheimnisvoll oder unterhaltsam sein. Sie wollen den Leser bzw. Hörer fesseln und damit Freude und Begeisterung für das Lesen schaffen und die Vorstellungskraft der Lesenden anreichern - primär ein zweckfreies Unterfangen, das für den Spracherwerb aber äußerst förderlich ist. Diesen Schatz gilt es im fremdsprachlichen Frühbeginn (mit anderen Inputmaterialien) und im Englischunterricht der 5./ 6. Klasse (u.a. mit den Texten der Easy Peasy-Reihe) zu sehen und zu heben. Wir sollten uns deshalb die Chancen für natürliche Erwerbsprozesse nicht gerade dadurch verbauen, dass wir (im gut gemeinten didaktischen Interesse) Geschichten lexikalisch über Gebühr ‚vereinfachen‘ und ins Präsens transponieren. Es wird höchste Zeit, das Spracherwerbspotenzial englischsprachiger Bilder- und Kinderbücher gezielt in den Frühbeginn und den weiterführenden, lehrgangsbasierten Unterricht zu integrieren. Hier zeichnet sich eine tragende Säule für einen stärker kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht ab, der bereits Kinder mit einem zentralen Designmerkmal ‚natürlicher‘ Sprachverwendung vertraut macht (das sinnbildende Interpretieren linguistisch unterdeterminierter Sprache). Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für den selbständigen - außer- und 122 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 nachschulischen, lebensweltlichen - Umgang mit authentischer, nichtdidaktisierter, diskursiv-textgebundener Sprache. Literatur ist für einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht nicht etwa nebensächlich, sie ist essentiell. Für Kinder ist die beste Kinderliteratur gerade gut genug. Literatur B RUNER , Jerome S. (1986): Actual Minds, Possible Worlds. Cambridge, Mass.: Harvard University Press. B RUNER , Jerome S. (1996): The Culture of Education. Cambridge, Mass.: Harvard University Press. C HOMSKY , Noam (1965): Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge, Mass.: MIT Press. C OUNCIL OF E UROPE (2001): Common European Framework of Reference for Languages: Learning, teaching, assessment. Cambridge: Cambridge University Press. H ARGREAVES , Roger / J OLLIFFE , Gray (1989): Easy Peasy People. London: Pan Books. 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However, transferring this idea into practice seems a challenge for language teachers since they often feel insecure of how and also why to include other languages in their classes. The model ,Latein Plus‘ is an example of such an approach between the subjects English and Latin that has been developed by classical grammar schools themselves in order to avoid a gap in English language learning. The research project aims at identifying ways of how to intensify the cross-linguistic approach to teaching and learning vocabulary in ‘Latein Plus’-classes. 1. Ausgangspunkt des Forschungsprojektes Gegenstand des Forschungsprojekts ist die Intensivierung des sprachen- und fächerübergreifenden Ansatzes zwischen den Fächern Englisch und Latein im Rahmen des Modells ‚Latein Plus‘. Das Ende der 1990er Jahre entwickelte Modell kommt bundesweit an altsprachlichen Gymnasien und Gymnasien mit altsprachlichem Zug zum Einsatz (vgl. T HIES 2004). Um an den frühbeginnenden Englischunterricht in der Grundschule anknüpfen zu können, wird die ‚zweite‘ Fremdsprache Englisch in die fünfte Klasse neben den Unterricht in Latein vorgezogen, das weiterhin als erste Fremdsprache gilt. Etliche ‚Latein Plus‘-Schulen nutzen diese Gelegenheit für die inhaltliche Verschränkung der beiden Fächer. Um die Schüler/ -innen beim Sprachenlernen zu unterstützen, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen thematisiert. Somit stellt das Modell ein Beispiel für einen sprachenübergreifenden Ansatz zwischen Fremdsprachenfächern dar, der aus der Praxis heraus entstand und in die Rahmenbedingungen des Handlungsfeldes Schule gut eingepasst ist. Das Modell bietet dem Fach Englisch die Möglichkeit, sein Profil vor dem Hintergrund aktueller bildungspolitischer und fremdsprachendidaktischer Diskurse zu schärfen: Sprachen- und fächerübergreifende Ansätze nehmen in der Mehrsprachigkeitsdidaktik eine große Bedeutung ein, da kontrastiv-komparative Verfahren einen Beitrag * Korrespondenzadresse: Annina L ENZ , Universität Bremen, Studiengang English Speaking Cultures, Fachdidaktik Englisch, Bibliothekstraße 1, 28359 B REMEN . E-Mail: a.lenz@uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Mehrsprachigkeitsdidaktik; sprachenübergreifendes Lehren und Lernen. Vokabeln sprachenübergreifend lehren und lernen 125 FLuL 41 (2012) • Heft 2 zur Einbindung lebensweltlicher Mehrsprachigkeit einerseits und zur Befähigung lebenslangen Sprachenlernens andererseits leisten können (vgl. H ALLET / K ÖNIGS 2010). Der Englischunterricht als fast flächendeckend erstes Fremdsprachenfach ist besonders verpflichtet, sich gegenüber anderen (Fremd-)Sprachen zu öffnen (vgl. D OFF / K IPF 2007). Das Fach Latein wurde in der Vergangenheit bei der Diskussion um vernetztes Lernen vernachlässigt, was vor allem an seiner analytischen Ausrichtung auf eine alte Sprache und der Konkurrenzsituation mit anderen Fremdsprachenfächern liegt (vgl. M ÜLLER -L ANCÉ 2004). Vor dem Hintergrund der Verwandtschaftsbeziehungen der europäischen Sprachen und der grundsätzlichen Weiterentwicklung semantischer Konzepte ist jedoch anzunehmen, dass sich lateinisches Sprachwissen nicht weniger für kontrastiv-komparative Verfahren eignet, sondern dass vielmehr eine Sensibilisierung für interlinguale Beziehungen entscheidend ist. Die dargelegten Aspekte legen eine genauere Untersuchung des Modells ‚Latein Plus’ aus der Perspektive der englischen Fachdidaktik nahe, um in Erfahrung zu bringen, wie das Profil des Englischunterrichts um eine sprachenübergreifende Dimension erweitert werden kann. 2. Erkenntnisinteresse und Forschungsdesign Zur genaueren Erforschung des Modells ‚Latein Plus‘ erfolgte eine Zusammenarbeit zwischen dem interdisziplinären Netzwerk ELiK (Englisch- und Lateinunterricht in Kooperation) und der Projektgruppe ‚Latein Plus‘ aus Rheinland-Pfalz, dem bundesweit einzigen ministeriell koordinierten Zusammenschluss von 15 ‚Latein Plus‘-Gymnasien (vgl. Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz 2006, 2008). Bei einer Arbeitstagung der Projektgruppe wurde deutlich, dass den Lehrkräften hinsichtlich einer Intensivierung des sprachenübergreifenden Ansatzes Grenzen gesetzt sind. Vor diesem Hintergrund richtet sich das Erkenntnisinteresse auf die didaktisch-methodische Weiterentwicklung des Ansatzes im lexikalischen Bereich, da sich dort die Sprachverwandtschaft am deutlichsten zeigt (vgl. M ADER 2000). Es wird untersucht, inwiefern aus der Sicht des Englischunterrichts das Vokabellehren und -lernen bereits zu Beginn der Sekundarstufe systematisch mit dem Fach Latein vernetzt werden kann. Damit widmet sich das Forschungsprojekt der empirischen Erforschung und fachdidaktischen Fundierung des sprachen- und fächerübergreifenden Ansatzes zwischen schulischen Fremdsprachenfächern am Beispiel des Modells ‚Latein Plus’. Insgesamt nahmen rund 100 Schüler/ -innen aus der fünften und sechsten Klasse sowie sieben Englisch- und Lateinlehrkräfte von zwei Gymnasien der Projektgruppe an der empirischen Studie teil. Da der Forschungsgegenstand auf einem von der Schulpraxis identifizierten Handlungsbedarf basiert, bietet sich als Forschungsansatz die Schulbegleitforschung an, die schulische Entwicklungsprozesse aufgreifen und theoretische Diskurse praxisorientiert weiterentwickeln möchte (vgl. A CKERMANN 2011). Es handelt sich um fallbezogene, explorative und prozessorientierte Forschung, die der qualitativ-rekonstruktiven Schul- und Unterrichtsforschung zuzuordnen ist. Nach dem Hamburger Modell, das für die vorliegende Arbeit den Bezugsrahmen darstellt, verbleibt die 126 Annina Lenz FLuL 41 (2012) • Heft 2 Forschung auf Seiten der Wissenschaft, während Lehrkräfte und Schüler/ -innen als Experten für Unterricht angesehen werden (vgl. C OMBE 2002). Orientierung bei der Entwicklung des Forschungsdesigns bietet eine Erweiterung des von P ETERßEN (2000: 208 f) ausgebauten Berliner Modells nach H EIMANN (1970). Das Modell zielt auf die wissenschaftliche Analyse von Unterrichtswirklichkeit ab, weshalb es eine gewisse Nähe zur empirischen Lehr- und Lernforschung aufweist (vgl. T ERHART 2009: 137 ff). Für das Forschungsdesign werden an zwei Stellen Veränderungen vorgenommen, sodass das ‚erweiterte Strukturmodell‘ ein Beziehungsgefüge zwischen den Dimensionen Lehrende, Lernende, Inhalte, Ziele, Methoden, Medien und Organisation herstellt, das wiederum in ein Bedingungsfeld aus anthropologisch-psychologischen Voraussetzung (z.B. lerntheoretische Grundlagen), sozial-kulturellen Voraussetzungen (z.B. Ziele des Fremdsprachenunterrichts) und institutionellen Voraussetzungen (z.B. Sprachenfolge) eingebettet ist. Um also den Forschungsgegenstand adäquat untersuchen und die praktische Relevanz der Forschungsergebnisse sichern zu können, wird die Intensivierung der sprachenübergreifenden Vokabelarbeit aus dem Blickwinkel des Unterrichtsinhalts, der Lehrenden und der Lernenden erforscht, um dadurch mögliche Ziele, lohnenswerte Medien/ Materialien und geeignete Methoden zu identifizieren sowie Erkenntnisse über Fragen der Organisation zu gewinnen. In aufeinander aufbauenden Phasen der Datenerhebung wurden (1) die in den beiden Schulen verwendeten Lehrbücher im Hinblick auf verwandte englische und lateinische Vokabeln analysiert, (2) Experteninterviews 1 mit den Lehrkräften geführt, (3) eine schriftliche Befragung der Lerner vorgenommen sowie (4) eigens entwickelte sprachenübergreifende Vokabelübungen durch kollaboratives Problemlösen erprobt. Hier zeigt sich, dass das gesamte Forschungsprojekt von der Planungsphase über die Datenerhebung bis zur Datenauswertung durch die Triangulation von Perspektiven, Methoden und Daten geprägt ist (vgl. F LICK 2008). So konnten beispielsweise die Ergebnisse aus den Experteninterviews, der Lehrbuchanalyse und dem Fragebogen in die Entwicklung und Erprobung der Vokabelübungen einfließen. Die Triangulation dient dabei nicht der Erhöhung der Validität, sondern stets der Erweiterung und Vertiefung der Erkenntnisse. 3. Erste Ergebnisse Zwar ist die Datenauswertung noch nicht abgeschlossen, jedoch liegen erste Zwischenergebnisse bereits vor (vgl. L ENZ 2012, D OFF / L ENZ 2011). Die Auswertung des Fragebogens zeigt beispielsweise, dass rund zwei Drittel der Lerner den interlingualen Vergleich von Vokabeln aus Gründen einer erleichterten Memorierung begrüßen, während ein Drittel beklagt, dass dies vor allem zu Verwechslungen führe oder nichts bewirke. Bei der Befragung der Lehrkräfte wurde u.a. deutlich, dass das Modell ‚Latein Plus‘ einen Beitrag zu einer umfassenderen sprachlichen Bildung leisten kann, da die Unter- 1 Zur Wahl des Experteninterviews als Interviewform vgl. Lenz (erscheint). Vokabeln sprachenübergreifend lehren und lernen 127 FLuL 41 (2012) • Heft 2 schiedlichkeit des kommunikativen und sprachanalytischen Zugangs genutzt, Bedeutungsverschiebungen sowie kulturgeschichtliche Parallelen verdeutlicht und auch die deutsche Sprache einbezogen werden kann. Es scheint dabei auch auf Seiten der Lehrkräfte auf eine gewisse interlinguale Sprachenbewusstheit anzukommen, die sich aus spezifischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Einstellungen zusammensetzt. Die Analyse der Lehrbücher veranschaulicht, dass ausreichend verwandte Vokabeln auch in dieser frühen Phase vorhanden sind. Beispielsweise können zu 150 Englischvokabeln allein der fünften Klasse entsprechende sprachverwandte Vokabeln im Lateinbuch bis zur achten Klasse gefunden werden. Es kommt dabei nicht so sehr darauf an, dass sie zum selben Zeitpunkt gelernt werden. Vielmehr ist entscheidend, dass das Vorwissen der Lerner bei ihrer Einführung für Erschließungs- und Memorierungsprozesse genutzt wird, wobei Lehrkräfte mit der lexikalischen Progression des jeweils anderen Faches vertraut sein müssen. Die Erprobung der Vokabelübungen zeigt, dass den jungen Lernern kontrastiv-komparative Verfahren durchaus zugetraut werden können. Selbstverständlich beeinflusst der Grad der interlingualen Ähnlichkeit das Antwortverhalten der Lerner. Graphematische und phonologische Gemeinsamkeiten verleiten die Lerner zu Fehlschlüssen (z.B. example - explicare). Durch den häufigen Umweg über die deutsche Sprache kommt es auch auf der semantischen Ebene zu Interferenzen (z.B. people - homines). Jedoch unterscheiden sich die jungen ‚Latein Plus‘-Lerner dabei beispielsweise nicht von Germanistikstudierenden (vgl. M ÖLLER / Z EEVAERT 2011). Im Rahmen der systematischen Datenanalyse werden die verschiedenen Datensätze mithilfe des ‚erweiterten Strukturmodells‘ noch genauer miteinander in Beziehung gesetzt, um Wege für eine Intensivierung des sprachenübergreifenden Ansatzes in der unteren Sekundarstufe am Beispiel des Modells ‚Latein Plus‘ aufzuzeigen und damit einen Beitrag zur praxisorientierten Weiterentwicklung der Mehrsprachigkeitsdidaktik aus der Perspektive der englischen Fachdidaktik zu leisten. Literatur A CKERMANN , Heike (2011): „Die Schulbegleitforschung“. In: M OSER , Heinz (Hrsg.): Forschung in der Lehrerbildung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 129-147. C OMBE , Arno (2002): „Interpretative Schulbegleitforschung - konzeptionelle Überlegungen“. In: B REIDENSTEIN , Georg (Hrsg.): Interpretative Unterrichts- und Schulbegleitforschung. Opladen: Leske + Budrich, 29-37. D OFF , Sabine / K IPF , Stefan (2007): „‚When in Rome, do as the Romans do …‘ Plädoyer und Vorschläge für eine Kooperation der Schulfremdsprachen Englisch und Latein“. In: Forum Classicum 4, 256-266. D OFF , Sabine / L ENZ , Annina (2011): „Ziele und Voraussetzungen eines fächerübergreifenden Fremdsprachenunterrichts am Beispiel von Englisch und Latein“. In: E LSNER , Daniela / W ILDEMANN , Anja (Hrsg.): Sprachen lernen - Sprachen lehren: Perspektiven für die Lehrerbildung in Europa. Frankfurt am Main: Lang, 141-156. F LICK , Uwe (2008): Triangulation - Eine Einführung. 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This article presents a project investigating output and interaction opportunities offered by Task-based Language Learning (TBLL) in a bilingual Montessori context. In a brief summary of the theoretical background covering TBLL and possible effects of oral production and interaction on learner language, the potential of Jigsaw, Information Gap, communicative, and collaborative tasks is also discussed. Relevant factors such as meaningnegotiation and peer assistance (e.g. co-construction) during dyadic task work are considered. The paper ends with the description of a planned qualitative case study on language production and interactive patterns in a bilingual Montessori elementary class without and with tasks. In addition, the development of L2 speaking skills will be examined in pre-, post-, and delayed post-tests. 1. Einleitung Die mündliche Sprachproduktion von Lernern 1 in der Fremdsprache (L2) 2 ist insbesondere für die Freiarbeit in der Montessori-Pädagogik (MP) kein triviales Anliegen. Das hier vorgestellte Projekt 3 hat zum Ziel, Möglichkeiten zu untersuchen, die die mündliche L2-Produktion und -Interaktion von Lernern in der Freiarbeit nach Montessori erhöhen. Der Ansatz des Task-based Language Learning (TBLL) erscheint hierzu besonders geeignet. Dazu ist eine qualitative Untersuchung von Lerneräußerungen mit und ohne Aufgaben 4 (tasks) geplant. Im Folgenden wird der theoretische Hintergrund beschrieben sowie die diesem Projekt zu Grunde liegende Hypothese und das Studiendesign vorgestellt. * Korrespondenzadresse: Jana W INNEFELD , Universität Hildesheim, Promotionskolleg Unterrichtsforschung, Marienburger Platz 22, 31141 H ILDESHEIM . E-Mail: Jana.Winnefeld@googlemail.com Arbeitsbereiche: Task-based Language Learning, Output und Interaktion, Montessori-Pädagogik. 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet; in der Regel wird die männliche Schreibweise verwendet. Alle Personenbezeichnungen gelten grundsätzlich für beiderlei Geschlecht. 2 Der Begriff L2 steht für die Zweitbzw. Fremdsprache, insbesondere Englisch, L1 für die Umgebungssprache wie auch die Muttersprache des Lernenden. 3 Eine ausführliche Beschreibung des Projektes und des theoretischen Hintergrundes ist in W INNEFELD (2012) zu finden. 4 Der Begriff ‚Aufgabe‘ wird in diesem Beitrag im Sinne von task verwendet (vgl. E LLIS 2003; M ÜLLER - H ARTMANN / S CHOCKER - VON D ITFURTH 2005b). 130 Jana Winnefeld FLuL 41 (2012) • Heft 2 2. Theoretischer Hintergrund Als kommunikativer Ansatz stellt TBLL bedeutungsvolle Kommunikation als Mittel zum L2-Erwerb in den Vordergrund (vgl. E LLIS 2003: 9). Konstitutives Element von TBLL sind Aufgaben. Wenn im Folgenden vor allem die angelsächsische Fremdsprachendidaktik in den Blick genommen wird, sei dennoch darauf hingewiesen, dass Aufgaben- und Handlungsorientierung auch in der europäischen Tradition, dem deutschsprachigen Diskurs und der Forschung zum Fremdsprachenunterricht ihren Stellenwert haben (vgl. hierzu B AUSCH [et al.] 2006; C OUNCIL OF E UROPE 2001; E CKERTH 2003; M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - VON D ITFURTH 2005a, 2011). Eine entsprechende Darstellung und Gegenüberstellung würde allerdings den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Aufgaben werden in diesem Beitrag nach E LLIS (2003) definiert. Seiner Definition nach legen Aufgaben ihren Schwerpunkt auf die Bedeutung, weisen ein klar definiertes kommunikatives Ziel auf, sind am Sprachgebrauch der realen Welt orientiert und erfordern vom Lerner zur Lösung der Task, auf die eigenen sprachlichen Ressourcen zurückzugreifen. Während Aufgaben jede der vier kommunikativen Fertigkeiten beinhalten können (vgl. ebd.), beziehen sie sich hier primär auf die mündliche Produktion. L2-Produktion, die u.a. durch Tasks initiiert werden kann, hat verschiedene Vorteile. So wirkt sich die Sprachproduktion zum Beispiel positiv auf den L2-Erwerb aus (vgl. z.B. K ECK [et al.] 2006). Sie kann die Lernersprache sowohl im Bereich des flüssigen Sprechens (vgl. u.a. D E B OT 1996; E LLIS 2003: 112-113) wie auch der korrekten Verwendung der L2 beeinflussen. S WAIN (1985; 2005) nennt folgende drei Funktionen von Output zur Förderung der Sprachrichtigkeit: (1) noticing function, (2) hypothesistesting function, (3) metalinguistic function. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang elizitierter Output (pushed Output, vgl. z.B. I ZUMI 2002), d.h. dass Lerner zu einem präzisen und korrekten Ausdruck angehalten werden. V AN DEN B RANDEN s (1997) Untersuchung mit Kindern zeigte, dass sie von der Möglichkeit zu elizitiertem Output in der aufgabenbasierten Interaktion profitierten. Output-Aufgaben, die interaktiv bearbeitet werden, scheinen vorteilhaft für die L2- Produktion zu sein. In der Interaktion mit einem anderen Lerner sprechen L2-Lerner akkurater, fließender und lexikalisch komplexer als in ebenfalls mündlichen, aber monologischen Aufgaben (vgl. M ICHEL 2011). Die Interaktion spielt zudem eine förderliche Rolle im L2-Erwerb (vgl. u.a. Meta- Analyse von Studien in M ACKEY / G OO 2007). In der Interaktionshypothese von L ONG (1996) wird dies vor allem auf die Rolle von Feedback in der Form von Bedeutungsaushandlung (negotiation of meaning) zurückgeführt. 5 Positive Effekte von Bedeutungsaushandlung auf die Lernersprache zeigen sich in der Menge des Outputs, im Wortschatz und der Morphosyntax (vgl. z.B. M ACKEY / O LIVER 2002; V AN DEN B RANDEN 1997). 5 Siehe u.a. E CKERTH (2003) zur Kritik an der der Bedeutungsaushandlung zugeschriebenen Rolle im L2- Erwerb, insbesondere im Kontext des Fremdsprachenunterrichts. Task-basierte Interaktionsmuster an bilingualen Montessori-Grundschulen 131 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Dies kann verschiedene Gründe haben. Eine Bedeutungsaushandlung kann z.B. dazu führen, dass Lerner ihre Aufmerksamkeit auf die Form richten und ihre ursprünglich inkorrekte oder unverständliche Aussage anpassen (vgl. M ACKEY 2007b: 20). Bislang existieren wenige Studien, die darauf hinweisen, dass dieser modifizierte Output zu längerfristigen Veränderungen im Bereich der Morphosyntax und des Wortschatzes führt (vgl. B ITCHENER 2004; M C D ONOUGH 2005). Hier bedarf es weiterer Forschung. In bisherigen Studien waren die Probanden vor allem erwachsene Lerner. Auch Kinder im Grundschulalter, die Zielgruppe des Projekts, produzieren mit Hilfe von Aufgaben ebenfalls die L2, handeln Bedeutungen aus und modifizieren ihren Output (vgl. z.B. M ACKEY [et al.] 2003; O LIVER 1998). Ob sie auf lange Sicht von Bedeutungsaushandlungen und aufgabenbasierten Interaktionen profitieren, ist weiterhin zu untersuchen. Mit Hinblick auf die Studienergebnisse kann dennoch erwartet werden, dass Gelegenheiten zur Bedeutungsaushandlung auch Vorteile für die L2-Entwicklung von Kindern haben. Bei der Ermöglichung der Aushandlung von Bedeutungen sind die Aufgabentypen ‚Puzzle‘ (Jigsaw) und ‚Füllen einer Informationslücke‘ (Information Gap) besonders ergiebig (vgl. P ICA [et al.] 1993). Ihre Eigenschaften des benötigten Informationsaustauschs im Vergleich zum optionalen und einer möglichen Lösung im Vergleich zu mehreren führen Lerner zu einer größeren Anzahl an Bedeutungsaushandlung (siehe Übersicht in E LLIS 2003: 86-96). Zu den üblichen Aufgaben der Art ‚Puzzle‘ und ‚Informationslücke‘ gehören zum Beispiel eine Picture Placement Task und eine Picture Description Task (vgl. O LIVER 1998). Kritik an der Begrenztheit solcher Bedeutungsaushandlungsaufgaben bezieht sich u.a. auf die Tendenz von Lernern, die sprachliche Form einer Äußerung auf das für die erfolgreiche Aufgabenbearbeitung erforderliche Minimum zu reduzieren (vgl. S EEDHOUSE 1999). Des Weiteren kann eine Konversationsaufgabe zu längeren und komplexeren Äußerungen führen wie auch mehr Gelegenheiten zu elizitiertem Output bieten (vgl. N AKAHAMA [et al.] 2001). Neben Bedeutungsaushandlungs- und Konversationsaufgaben kann auch eine kollaborative Aufgabe, die sich an die dritte von Swain postulierte Funktion von Output anlehnt, Interaktion positiv beeinflussen. Eine solche Produktionsaufgabe kann die Aufmerksamkeit von Lernern auf die Form lenken, Kommunikation über die zu verwendende Sprache auslösen und zu L2-Erwerb führen (vgl. L A P IERRE 1994, zitiert in S WAIN 1996: 101; S WAIN [et al.] 2002: 181). Für die Grundschule ist anstelle einer Schreibproduktionsaufgabe ein mündliches Produkt mithilfe einer Audioaufnahme denkbar. Während der (aufgabenbasierten) Interaktion von Lernern bestehen außer der Bedeutungsaushandlung weitere Gelegenheiten zur L2-Entwicklung. Dazu zählt die gegenseitige Unterstützung von Lernern, wie zum Beispiel die Ko-Konstruktion von Äußerungen (vgl. z.B. F OSTER / O HTA 2005). Positive Effekte von TBLL, d.h. u.a. Möglichkeiten zur Produktion der L2 und potentielle Gelegenheiten für die L2-Entwicklung durch Bedeutungsaushandlung und gegenseitige Unterstützung zu schaffen, erscheinen nicht nur für reguläre Schulformen, 132 Jana Winnefeld FLuL 41 (2012) • Heft 2 sondern auch für Montessori-Schulen vielversprechend. Aufgrund der besonderen Bedingungen an Montessori-Grundschulen stellt sich L2-Lernen als kein unproblematisches Thema dar. Dies liegt unter anderem im Fehlen eines grundlegenden Konzepts für das L2-Lernen in diesem Kontext begründet (vgl. K LEIN -L ANDECK 2004) wie auch in einem nur geringen Bestand an Leitlinien (vgl. W INNEFELD 2012). In der Praxis wurden verschiedene Ansätze, u.a. die Integration bilingualen Lernens in die Freiarbeit, entwickelt (vgl. ebd.). Die Umsetzung der Vorgabe für Grundschulen, L2-Unterricht solle vor allem die Entwicklung kommunikativ-mündlicher Kompetenzen in den Vordergrund stellen (vgl. S CHMID -S CHÖNBEIN 2001: 66), kann sich auf Grund der in der MP vorwiegenden lehrerunabhängigen Aktivität der Schüler als schwierig erweisen. In der Freiarbeit ist ein geringer mündlicher Output in der L2 von Seiten der Lerner insbesondere in der Lerner-Lerner-Interaktion zu vermuten (vgl. W INNEFELD 2012). Diese Annahme bedarf empirischer Überprüfung. 3. Hypothese Die theoretische Erörterung lässt erwarten, dass sich der Einsatz der beschriebenen Aufgaben in einer bilingualen Montessori-Grundschule positiv auf die mündliche Produktion und Interaktion auswirkt. Zu vermuten ist, dass Lerner während der Bearbeitung von Aufgaben zur L2-Produktion und -Interaktion eine größere Output-Menge produzieren und in größerem Maße Interaktionsprozesse wie Bedeutungsaushandlung und Ko-Konstruktion anwenden als in der Arbeit ohne Output-fördernde Aufgaben. 4. Studiendesign Für dieses Forschungsprojekt ist eine intervenierende Fallstudie im Feld geplant. Hierzu werden die Freiarbeit an einer bilingualen Montessori-Grundschule videografiert und die Äußerungen von fünf Lernern Audio aufgenommen, über einen Zeitraum von zwei Wochen ohne Aufgabeneinsatz und vier Wochen unter Aufgabenintegration in die Freiarbeit (vgl. Tab. 1,  S. 133). Eine qualitative Analyse konzentriert sich auf den Output (Sprache: L1/ L2; Interaktionskontext: Schüler-Schüler/ Schüler-Lehrer, task/ nicht-task; Diskursinitiative eines Turns: Schüler-/ Lehrer-initiiert; Länge des Outputs) und die Interaktionsmuster (z.B. Bedeutungsaushandlung, modifizierter Output, Ko-Konstruktion, Fokus auf sprachlicher Form/ Language-Related Episodes) der Lerner (vgl. z.B. F OSTER / O HTA 2005, O HTA 2001, T OGNINI 2008). Bei der Kodierung der Daten wird deduktiv vorgegangen, d.h. dass der Literatur (vgl. ebd.) entlehnte Kategorien auf Sprachproduktion und Interaktionen im Montessori-Kontext angewendet werden (z.B. Ko-Konstruktion in F OSTER / O HTA 2005). Es wird ebenfalls induktiv verfahren, um darüber hinaus für diese Probanden spezifische Interaktionsmuster aufdecken zu können. Task-basierte Interaktionsmuster an bilingualen Montessori-Grundschulen 133 FLuL 41 (2012) • Heft 2 2 Wochen Vor Intervention 4 Wochen (Intervention) Nach Intervention 3 Wochen später 12 Wochen später bilinguale Freiarbeit Prätest bilinguale Freiarbeit + tasks Posttest Folgetest 1 Folgetest 2 Tab. 1: Zeitlicher Rahmen der Untersuchung Ergänzend werden die Effekte von TBLL auf die mündliche L2-Produktion durch Prä-, Post- und Folgetests untersucht und mit der Intensität der Aufgabenverwendung korreliert. Die Tests erfassen die Bereiche Flüssigkeit, Korrektheit, Komplexität des Outputs, lexikalische Vielfalt, Output-Menge und erfolgreiche Kommunikation in Sprechakten (vgl. W INNEFELD 2012). Bislang wurden verschiedene Aufgaben, ‚Informationslücke‘, ‚Puzzle‘ und Konversationsaufgaben, mit erforderlichem Informationsaustausch entwickelt (vgl. ebd.) und mit acht Grundschülern pilotiert. Die Analyse wie auch die Pilotierung einer kollaborativen Aufgabe steht noch aus. Die Hauptstudie zu diesem Projekt findet Ende 2012/ Anfang 2013 statt. Durch den Einsatz von Aufgaben (u.a. Picture Difference Task, Picture Placement Task, Story Sequencing Task, verschiedene Konversationsaufgaben, vgl. hierzu ebd.) in einer (bilingualen) Montessori-Lernumgebung sollten Gelegenheiten zur mündlichen L2-Verwendung in der Freiarbeit geschaffen werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung von Aufgaben in die Freiarbeit ist, dass diese ununterbrochen verlaufen kann. Dies ist ebenso anzunehmen wie auch die Verwendung von Aufgaben nach den Montessori-Prinzipien des Lernens auf der Basis der freien Wahl, von Interesse und Eigentätigkeit (vgl. ebd.). 5. Fazit Es ist zu erwarten, dass Aufgaben Lernern einer bilingualen Montessori-Grundschule zusätzliche Gelegenheiten zur L2-Produktion und -Interaktion bieten können, die sich ebenfalls positiv auf die mündliche L2-Kompetenz auswirken. Die Ergebnisse dieses Projekts sollen einen Beitrag zu zwei Forschungsgebieten leisten, denen bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde: TBLL mit Kindern und L2-Lernen in der Montessori-Pädagogik. Literatur B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. B ITCHENER , John (2004): „The relationship between the negotiation of meaning and language learning. A longitudinal study“. In: Language Awareness 13.2, 81-95. 134 Jana Winnefeld FLuL 41 (2012) • Heft 2 C OUNCIL OF E UROPE (Hrsg.) (2001): Common European Framework of Reference for Language Learning: Learning, Teaching, Assessing. Cambridge: Cambridge University Press. D E B OT , Kees (1996): „The psycholinguistics of the output hypothesis“. In: Language Learning 46.3, 529-555. 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Definiert man Grammatik in einem umfassenderen Sinn und in einem Kontext von unterschiedlichen kompetenzfördernden Dimensionen, so würden neben dem „savoir“, dem deklarativen Wissen, das „savoir-faire“, das prozedurale Wissen und die Strategien, um Wissen in Handlung zu übertragen, sowie das „savoir-être“, die Bewusstmachung und Integration lernerbezogener Komponenten, wie z.B. Einstellungen, und nicht zuletzt die transversale Dimension des „savoir-apprendre“, das Wissen um eigene Lernfähigkeiten, zusammen wirken. Dieses breitere Grammatikverständnis sieht den Lerner mit seiner Subjektivität und personalen Authentizität im Zentrum des Lerngeschehens und findet sich wieder in neueren theoretischen Blickwinkeln auf die Grammatik. Termini aus der aktuellen Fachdiskussion wie Kollokationen, Chunks, lexikalisches Priming, emergierende Prozesse, aber auch Focus on form etc. verweisen zunehmend auf eine aktivere Rolle des Lerners mit einer kreativen Bestimmung bei der Generierung grammatischen Wissens ausgehend von lexikalischen Items über die bedeutungsorientierte Verarbeitung bis zur ‚Grammatisierung’. Probabilistische Sichtweisen und die Betrachtung der Sprache als ein dynamisches, sich ständig entwickelndes quasi organisches komplexes System verbieten einen verkürzten Weg über die rein kognitive explizite Vermittlung von Regeln und Rezepten. Diese neuen Grammatiktheorien mit ihrer - faszinierend - unkonventionellen Interpretation von Grammatik, wie auch die aktive Spracharbeit des Lerners, lassen sich im Unterricht einerseits widerspiegeln durch ein reiches Sprachangebot, aus dem der Lerner seine „Regeln“ allmählich ableiten und sichern kann, sowie durch die Förderung von Sprachbewusstheit, indem Lernende auf die vielfältigen Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden, die eine Sprache zur Realisierung ihrer pragmatischen Potentiale bereit hält. Auf der Unterrichtsebene unterstützen diesen Prozess u.a. Unterrichtsprinzipien wie: • Die sprachliche Produktion der Lerner, ihren ‚output‘ wertschätzen. • Wiederholen und reaktivieren grammatischer Strukturen in sinnvollen Kontexten. • Anregen von Sprechen und Schreiben in Partner- oder Gruppenarbeit zur Unterstützung der Aufmerksamkeit auf die Form. • Erfolgsorientierung statt Defizitorientierung - Häufiger üben, weniger testen. • Flüssigkeit und Automatisierung bei den Lernern unterstützen, da dies u.a. die Sprachmenge erhöht und somit eher Regelfindungsprozesse ermöglicht. Fazit: Ein klares Ja, aber! Die Ergebnisse älterer empirischer Studien zur Grammatiklastigkeit (im traditionellen Sinn) des Fremdsprachenunterrichts werden erstaunlicherweise bis zum heutigen Tag immer wieder bestätigt. Es heißt also wachsam sein, oder, wie Scott Thornbury es einmal in etwa formuliert hat: Teach grammar, love grammar, enjoy grammar, understand grammar but realize, that it is represented in lots of different ways both from the teaching point of view and also from the view of our students. Kassel M ICHAEL K OENIG Pro und Contra 137 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Des Pudels Kern der Diskussion Pro und Contra Grammatik im Fremdsprachenunterricht besteht im Grundverständnis von Lernen. Die Grund-Frage lautet: Ist Lernen Informationsverarbeitung, die von außen durch geeignete Instruktion gesteuert und optimiert werden kann? Oder ist Lernen ein Prozeß der Selbstorganisation, die der Lehrer durch eine für die jeweiligen Lerner passende Mischung von Anregungen und Anforderungen herausfordern kann, wobei die vom Lerner erfahrenen Erfolgserlebnisse seine Motivation erhalten und steigern. Die Erkenntnisse der neueren Kognitionswissenschaften, speziell der Gedächtnis-, der Spracherwerbs-, der Gehirnforschung, der Anthropologie, der allgemeinen Sprachforschung, der Corpuslinguistik, der Entwicklungspsychologie, der empirischen Fremdsprachenerwerbsforschung, der Sprachphilosophie, aber nicht zuletzt der eigenen Unterrichtspraxis, widersprechen der aus dem Unterricht mit toten Sprachen tradierten Praxis und Überzeugung, dass Grammatikinstruktion dem nachhaltigen Lernen lebender Sprachen förderlich sei. Einige wenige Punkte seien angeschnitten: • Der Mensch ist nicht das primär von der Ratio geleitete Wesen, wie es die frühneuzeitliche Konzeption des Menschen annahm. • Deklaratives Sprachwissen wird nicht ohne weiteres, auch nicht durch oftmaliges mechanisches Üben, - wie erhofft - in prozedurales Können übertragen. • Der Lerner lernt bzw. erwirbt Sprachkönnen dank seiner angeborenen Sprachlernfähigkeit implizit, wenn er sich als Person respektiert erfährt und für ihn relevante Inhalte angeboten werden. (Wie die DESI-Studie ausweist, zeigt sich der bilinguale Sachfachunterrichts dem formalen traditionellen Unterricht überlegen. Ein inhaltsorientierter - möglichst einsprachig abgehaltener - Unterricht in nur einem Sachfach bewirkt einen Vorsprung von einem Lernjahr.) • Unsere Schulgrammatiken stellen zu große Vereinfachungen und zugleich eine zu starke sekundäre Abstraktion dar. Sie sind oftmals eher hinderlich, weil für viele Schüler verwirrend, zumal die angeführten Regeln im allgemeinen eine zu beschränkte Reichweite haben. • Spracherwerb erfolgt, das ist Konsens der neueren Linguistik, durch Gebrauch in der sozialen Interaktion. • Die Multidimensionalität der sprachlichen Interaktion mit Mimik, Gestik, Stimme, Körpersprache, Einschätzung der Situation, Weltverständnis u.v.a. stellen für den Lerner Dekodierungshilfen dar, die der simultanen Multidimensionalität der Arbeitsweise des Gehirns entsprechen. • Für den Lerner wird nur produktiv, was er selbst mental konstruiert hat. • Die Reihenfolge des Erwerbs grammatischer Strukturen (und das ist ein oft gewaltsam unterdrückter Sachverhalt) kann durch Instruktion, d.h. durch Bewusstmachung, nicht verändert werden. Je intensiver man sich mit dieser Frage beschäftigt, man kann dem Urteil von Michael Lewis nur zustimmen, wenn er sagt, wie er es in einem Vortrag formulierte: „Teaching grammar is a waste of time“. Esslingen W ERNER B LEYHL FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Stephan B REIDBACH , Daniela E LSNER , Andrea Y OUNG (eds.): Language Awareness in Teacher Education. Cultural-Political and Social-Educational Perspectives. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2011, 275 Seiten [49.80 €] Der Titel dieses Sammelbandes macht neugierig. Um welche Aspekte von Language Awareness (im Folgenden: LA) geht es, und was hat das mit Lehrerausbildung zu tun? Es empfiehlt sich in jedem Fall eine gründliche Lektüre des von den Herausgebern verfassten einleitenden Kapitels, da es die Zielrichtung des Bandes und den Zusammenhang zwischen den zunächst thematisch recht heterogen erscheinenden 14 Einzelbeiträgen zu verdeutlichen versucht. Das inhaltliche Kernstück des Einleitungskapitels ist eine Konzeptualisierung von LA, die neben der traditionellen linguistisch-systematischen (die nicht primärer Gegenstand dieses Buches ist) eine „cultural-political“ und eine „social-educational“ Komponente vorsieht - verbunden mit dem Plädoyer, den beiden letzteren Perspektiven sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen. Die „cultural-political“ Dimension von LA bezieht sich dabei auf die Reflexion über die mit Sprachenpolitik und Sprachgebrauch verbundenen Macht- und Kontrollmechanismen, die „social-educational“ Dimension auf Vorstellungen und Einstellungen bzgl. Sprachen und Sprachenlernen, z.B. hinsichtlich des einzelnen Sprachen zugeschriebenen Status und der Mehrsprachigkeit von Individuen, sowie die Bewusstheit von Sprachlernprozessen und deren Konsequenzen für LA in der Lehrerausbildung. Diese Begriffsbildung erweist sich allerdings nicht als durchgängiges Strukturierungsprinzip oder zumindest terminologische Gemeinsamkeit; vielmehr tauchen in den Beiträgen unterschiedliche Wortbildungen auf, die sich der Komponenten „socio“, „cultural“, „political“ und „educational“ - darüber hinaus auch noch „critical“ bedienen. LA stellt sich damit in diesem Buch als ein facettenreiches Konzept dar. Der Band ist in drei Teile mit überwiegend auf empirischen Untersuchungen basierenden Originalbeiträgen von Autoren aus 10 Ländern gegliedert. Das damit abgedeckte breite Spektrum von sprachlichen, kulturellen und bildungspolitischen Kontexten reflektiert die internationale Relevanz der Thematik. Im ersten Teil („Developing language awareness - language awareness as development“) zeigt Alice C HIK auf der Basis von biografisch-narrativen Interviews mit Englischlernern, wie sich LA im Laufe zunehmender Erfahrungen und sich erweiternder Erfahrungskontexte entwickeln kann. Ana Sofia P INHO [et al.] betonen die Notwendigkeit der Entwicklung soziolinguistischer und soziokultureller „awareness“ sowie einer „self-awareness“ als Voraussetzung für einen adäquaten Umgang von Lehrern mit sprachlicher und kultureller Vielfalt. Die Konzepte „intercomprehension“ und „plurilingualism“ dienen dabei als Ankerpunkte. Paula K ALAJA [et al.] berichten über eine Longitudinalstudie zur Entwicklung professioneller Kompetenz bei Lehrerstudenten. Der Hauptfokus liegt hier auf methodologischen Fragen, speziell auf der Frage nach der Relation von (schriftlichen) verbalen und visuellen narrativen Daten. Die Autorinnen zeigen, dass Aufgabentyp und Modalität einen Einfluss auf die produzierten Inhalte haben und dass die Daten auch Aspekte des jeweiligen kulturellen Hintergrunds der Probanden reflektieren. Marilisa B IRELLO [et al.] nutzen Lernertagebücher als Datenerhebungsinstrumente. Hier interessiert insbesondere, wie die mehrfachen Identitäten der studentischen Probanden (Privatperson, Student, Lehrer oder zukünftiger Lehrer) in den Aussagen jeweils sprachlich repräsentiert sind. Die Ergebnisse werden exemplarisch als Ausdruck eines Professionalisierungsprozesses diskutiert. Der zweite Teil des Buches („Knowing one’s options - issues in critical language awareness“) beginnt mit einem vorwiegend programmatischen Beitrag von Stephan B REIDBACH , in Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 FLuL 41 (2012) • Heft 2 dem sich der Autor kritisch mit der Entwicklung des Konzepts „communicative language teaching“ auseinandersetzt und für eine Rekonstruktion der sozio-politischen Dimension des Konzepts plädiert, die im Laufe der Zeit und unter dem Einfluss einer zunehmenden Test-Orientierung abhanden gekommen ist. Özlem E TUŞ diskutiert die Notwendigkeit der Entwicklung einer „critical media literacy“, verbunden mit „intercultural awareness raising“ anhand von Daten aus einer Studie mit Lehrerstudenten in der Türkei. Yoshimura M ASIHATO setzt sich kritisch mit der sprachen- und bildungspolitischen Situation in Japan auseinander und hier insbesondere mit der unzureichenden Berücksichtigung sprachlicher und kultureller Minoritäten. Vor diesem Hintergrund wird über ein Projekt zur Förderung eines metalinguistischen Bewusstseins für sprachliche und kulturelle Vielfalt bei Studierenden und Schulkindern berichtet. Kangxian Z HAO [et al.] zeigen anhand einer qualitativen Studie mit chinesischen Studierenden, dass deren LA sich überwiegend auf im engeren Sinne sprachliche Phänomene bezieht. Die Autoren fordern eine stärkere Berücksichtigung der sozialen und kritischen Aspekte von LA in der Lehrerausbildung sowie mehr Unterstützung bei der Entwicklung eines Verständnisses für die Kontexte des Fremdsprachenlernens und bei der Entwicklung von mehrsprachigkeitsbezogenen Sprachlernstrategien. Qing M A untersucht in einer Fragebogenstudie Auffassungen chinesischer Englischlehrer bezüglich des Lehrens und Lernens von Wortschatz. Sie folgert, dass Lehrer ein größeres Wissen über erfolgreiche Strategien des Wortschatzlernens erwerben und von deren Nützlichkeit überzeugt werden müssen. Der dritte Teil des Buches („Language awareness as awareness of a multilingual society“) beginnt mit einem Beitrag von Daniela E LSNER , in dem diese sich kritisch mit der unzureichenden Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit von Schülern im Englischunterricht auseinandersetzt. Sie präsentiert Unterrichtsvorschläge, die dazu dienen sollen, die Mehrsprachigkeit von Schülern produktiv für das Lehren und Lernen weiterer Sprachen zu nutzen. Auch im Beitrag von Ana Luísa O LIVEIRA und Maria Helena A NÇÃ geht es um die Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit und die Rolle von LA in diesem Prozess. Auf der Basis einer explorativen Studie kommen die Autorinnen zu dem Schluss, dass es erforderlich ist, Studierende stärker als bisher zu einer Reflexion der politischen, sozialen und historischen Kräfte, die auf Sprachen und ihren Gebrauch einwirken, anzuleiten und dabei unangemessene mentale Repräsentationen von Studierenden zu dekonstruieren. Wasyl C AJKLER und Bernadette H ALL zeigen anhand von Befragungsdaten, dass Lehrer an britischen Grundschulen sich nur unzureichend auf den Umgang mit sprachlicher Vielfalt vorbereitet sehen. Die Autoren diskutieren einige Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Andy H ANCOCK kritisiert einen monolingualen Habitus an schottischen Schulen, der stark mit der tatsächlich dort existierenden Mehrsprachigkeit kontrastiert. Auch hier zeigen sich in den Fragebogendaten die unzureichende Vorbereitung junger Lehrer auf sprachliche Vielfalt an den Schulen sowie auch teilweise erstaunlich unangemessene Konzeptualisierungen zentraler Begriffe (z.B. „bilingualism“) durch Studierende, die einer Korrektur im Sinne von „awareness raising“ bedürfen. Begoña P EDROSA und David L ASAGABASTER schließlich belegen mit Daten von Studierenden einer baskischen Universität, wie gering deren Bewusstsein von ihrer eigenen Mehrsprachigkeit ausgebildet ist und welche positiven Effekte entsprechende Lehreinheiten zur Förderung von LA haben können. Dieser Band ist wichtig, weil er Aspekte des Bildungsauftrags von Fremdsprachenunterricht fokussiert, die im Zuge zunehmender Orientierung an testbarem sprachlichem Können in der Hintergrund geraten sind, die aber gerade in der heutigen globalisierten, medial vernetzten Welt, die von Mehrsprachigkeit und interkultureller Kommunikation gekennzeichnet ist, an Bedeutung gewinnen. Soziale, kulturelle und politische Aspekte von Fremdsprachenerwerb, -verwendung und -lehren verdienen deshalb besondere Aufmerksamkeit - und dies vor allem auf der Ebene 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 der Reflexion: Wie, warum und mit welchen Konsequenzen werden Entscheidungen für eine bestimmte Sprache als Medium der Kommunikation getroffen? Welche Rolle spielen verschiedene Sprachen für die eigene Identität? Was bedeutet der Erwerb zusätzlicher Sprachen für die Erweiterung von Kommunikationsmöglichkeiten? Was kennzeichnet die eigene Sprachlernbiografie? Auch der Grundgedanke, dass die entsprechenden Reflexionsprozesse zunächst bei denen einsetzen sollten, die Fremdsprachen unterrichten, und daher einen Platz in der Lehrerausbildung haben müssen, ist überzeugend. Allerdings zeigt sich auch, wie schwierig es ist, das erweiterte Konzept von LA, um das es in diesem Band geht, klar zu konturieren, terminologisch präzise und konsistent zu fassen und sein breites und vielfältiges Spektrum zu strukturieren. Hier finden sich implizit unterschiedliche Konzeptionen von awareness, die jedoch teilweise wenig klar definiert und voneinander abgegrenzt sind. Auch in forschungsmethodischer Hinsicht erweist sich die Thematik als schwierig und anspruchsvoll. Das Potenzial verschiedener empirischer Verfahren wird zwar deutlich; es zeigt sich aber auch, dass es nicht leicht ist, die Arten von LA, um die es in diesem Buch geht, empirisch valide und reliabel in den Griff zu bekommen. Das Buch konzentriert sich auf LA in der Lehrerausbildung. Mehrere der Arbeiten liefern Evidenz für die Annahme, dass sich LA im hier verstandenen Sinne bei zukünftigen Lehrern nicht automatisch entwickelt, sondern gezielter Förderung bedarf. Auch Ansätze zu möglichen Konsequenzen für die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht werden präsentiert, werfen jedoch noch eine Reihe von Fragen auf. Damit regt der Band zu weiteren Forschungen an, lässt aber auch erahnen, dass es wohl noch ein weiter Weg ist bis zur Entwicklung und Umsetzung überzeugender kreativer Lösungen für die schulische Praxis. Auch wenn es in diesem Buch nur marginal um LA im engeren linguistischen Sinne geht: Ein gründlicheres Korrekturlesen hätte ihm gut getan. Siegen A NNELIE K NAPP Wolfgang H ALLET : Lernen fördern: Englisch. Kompetenzorientierter Unterricht in der Sekundarstufe I. Seelze: Klett | Kallmeyer 2011, 247 Seiten [22,95 €] Der gegenwärtige Englischunterricht sieht sich mit einer Vielzahl neuer Anforderungen und Entwicklungen konfrontiert, die zum einen in Form von Bildungsstandards und curricularen Vorgaben von außen an ihn herangetragen werden, zum anderen aus der veränderten Lebens- und Lernwelt der Schüler resultieren. Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, diese gebündelt darzustellen, mit derzeit in der Fremdsprachendidaktik diskutierten Konzepten in Verbindung zu bringen und sie in ein Gesamtkonzept für einen lernförderlichen Englischunterricht zu überführen. Gemäß der vom Autor vertretenen Prämisse, dass guter Englischunterricht vom Lerner ausgehen und seine individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse im Blick haben muss, erhält der Leser in Kapitel 1 („Lernfördernder Englischunterricht“) zunächst einen Überblick über die wichtigsten gesellschaftlichen, soziokulturellen und medientechnologischen Veränderungen, vor deren Hintergrund fremdsprachiges Lehren und Lernen stattfindet und die daher als Folie für die weiteren Überlegungen des Buches zu verstehen sind: Neben Globalisierung und Migration sind dies u.a. die zunehmende Digitalisierung sowie die Individualisierung und Pluralisierung von Orientierungen - Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit die Lebenswelt heutiger Schüler so nachhaltig beeinflussen, dass sie nicht länger ignoriert werden dürfen. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Kapitel 2 („Fremdsprachliche Bildung und Kompetenzorientierung“) diskutiert die bildungspolitischen Neuerungen der letzten Jahre. Der Verfasser distanziert sich von einem reduktionistischen, weil lediglich Teilfertigkeiten in den Blick nehmenden Kompetenzbegriff, wie er sich in den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache 1 findet, und beschreibt Kompetenzen als vielschichtige, nur in komplexen Anforderungssituationen zu entwickelnde Handlungsdispositionen. Er vertritt die Auffassung, dass ein bildungsstandardadäquater Englischunterricht kein bildungsstandardkonformer Fremdsprachenunterricht sein muss und dies auch nicht sein darf, reicht es doch gerade nicht, sich ausschließlich auf die dort vorgegebenen Kompetenzniveaus zu beschränken. Vielmehr könne nur ein Englischunterricht, der sich am Bildungsanspruch der Entwicklung fremdsprachlicher Diskursfähigkeit orientiert und diese als sein übergeordnetes Ziel versteht, die Schüler in angemessener Form darauf vorbereiten, „sich (auch) in der Fremdsprache zu relevanten Themen und Fragen zu äußern und sich als kulturelle Akteure zu artikulieren“ (55). Werden komplexe Kompetenzen in Teilfertigkeiten aufgebrochen, wie es ohne Frage zu Übungszwecken notwendig ist, dürfe dieser diskursive Bezug dennoch nicht verloren gehen. Trotz der nötigen Fokussierung auf zu erreichende Lernerträge müsse ein lernförderlicher Englischunterricht, wie in Kapitel 3 („Lernvoraussetzungen, Heterogenität und Differenzierung“) argumentiert wird, stets die Lernenden als Individuen mit verschiedenen sprachlichen und kulturellen Hintergründen, Wertvorstellungen und Orientierungen im Blick haben. Die „Homogenitätshypothese“ (58), d.h. die Annahme, die Mitglieder einer Lerngruppe würden annähernd gleich lernen, als Fiktion entlarvend, unterstreicht H ALLET , dass nur ein unterschiedliche Lernangebote zur Verfügung stellender, Differenzierung als grundlegendes Prinzip begreifender Englischunterricht den Lernern gerecht werden und ihr Lernen als individuell-konstruktiven Prozess angemessen fördern kann. Ein Unterricht, „in dem nicht alle im Gleichschritt und nicht alle das Gleiche zur gleichen Zeit be- und erarbeiten müssen“ (93), setze allerdings die Diagnosefähigkeit der Lehrenden voraus und basiere auf einer Lernkultur, in der regelmäßige, kriteriengestützte Lernstandsdiagnosen zum Alltag gehören. In Kapitel 4 („Prinzipien eines lernfördernden Englischunterrichts“) zeigt der Autor auf, dass die in den Bildungsstandards ausgeklammerte ‚Inhaltsfrage‘ vor dem Hintergrund des Ziels der Entwicklung fremdsprachiger Diskursfähigkeit neues Gewicht erhält: Es liegt auf der Hand, dass Lernende nur dann zu echter Teilhabe befähigt werden können, wenn es sich um Diskurse handelt, die, u.a. durch den Erhalt der realweltlichen textuellen und medialen Vielfalt und den damit verbundenen pluralistischen Darstellungsformen, einen Ausschnitt aus ihrer Lebenswirklichkeit abbilden. Ein zeitgemäßer Englischunterricht darf sich also nicht auf die Förderung der klassischen skills beschränken, sondern muss eine wesentlich weitere Bandbreite an multiliteracies zu fördern verstehen wissen. Der Gefahr eines dabei entstehenden Orientierungsverlustes könne u.a. über die Ausrichtung der einzuübenden Kommunikationsformen an Genres erfolgen (generisches Lernen) oder über die Bereitstellung an unterschiedlichen Stellen des Lernprozesses einsetzbarer Unterstützungsmaßnahmen (Scaffolding) geschehen. Die Fremdsprache diene grundsätzlich primär als Medium zur Verhandlung bedeutungsvoller Inhalte, was jedoch Phasen der systematischen Spracharbeit und metasprachlicher Reflexion einschließe. Entscheidend sei, und dies ist im Grunde keine neue Erkenntnis, dass sprachliche Strukturen stets der Bewältigung einer kommunikativen Aufgabe willen gelernt werden und dass das Klassenzimmer ein Ort ist, „in dem sich die Lernenden als verantwortliche Subjekte im Handlungsraum Fremdsprachenunterricht erfahren können“ (134). 1 S EKRETARIAT DER S TÄNDIGEN K ONFERENZ DER K ULTUSMINISTER DER L ÄNDER DER B UNDESREPUBLIK D EUTSCHLAND (KMK) (Hrsg.): Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003. Bonn 2003. 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Da herkömmliche Aufgaben aufgrund des ihnen zugrunde liegenden reduzierten Kompetenzbegriffs nach H ALLET nicht bzw. nur bedingt geeignet sind, fremdsprachliche Diskursfähigkeit zu fördern, werden die bisherigen Überlegungen im 5. Kapitel („Die komplexe Kompetenzaufgabe“) in ein Modell zur Förderung ‚echter‘ Kompetenzen überführt. Die Komplexität solcher Aufgaben beruhe darauf, dass sie nicht einzelne Teilfertigkeiten punktuell herauslösen, sondern, die „übergeordnete Zielsetzung der kulturellen und diskursiven Teilhabe“ (152) stets im Blick behaltend, die Lernenden zur Lösung eines (nahezu) authentischen Problems herausfordern, sodass sie Kompetenzen als mehrschichtige Konstrukte während des Erarbeitungsprozesses gleichzeitig anwenden und neubzw. weiterentwickeln. Die Erläuterung des auf S. 153 zu findenden Modells wirft jedoch z.T. Fragen auf: Wenn z.B. die Aufgabenstellung „Anweisungen und Hinweise zu allen Elementen, die im Modell der komplexen Kompetenzaufgabe enthalten sind“ (162 [Hervorhebung JJ]) aufweist, verwundert es, sie im Modell als gleichwertiges Element neben ebenfalls zu berücksichtigenden Komponenten wie „Kompetenzziele“, „Thema und Inhalte“ oder „Sprachliche Mittel“ zu finden. Ein Beispiel einer Aufgabeninstruktion zum Thema „Good Food - Bad Food at School“, bei dem Lerner einer 7. Klasse dazu aufgefordert werden, einen Menüvorschlag für den Aufenthalt englischer Gastschüler an der Schule zu entwickeln, unterzieht das Modell dem Praxistest. Zusätzlich zur inhaltlichen Füllung der zuvor vorgestellten Bestandteile des Modells und den vom Verlag zur Verfügung gestellten Download-Materialien wäre es hier schön gewesen, Angaben zum zeitlichen Umfang einer solchen Einheit und zur möglichen Verknüpfung mit der Lehrwerkarbeit zu finden. Denn nur noch mit komplexen Kompetenzaufgaben zu lernen, erscheint ebenso wenig sinnvoll wie ein unreflektiertes Festhalten an der bestehenden Aufgabenkultur. Gelingender Englischunterricht braucht, wie Kapitel 6 („Feedbackkultur, Evaluation und assessment“) zeigt, nicht nur ein grundsätzlich lernförderliches Klima, sondern lebt zugleich von stetiger Rückmeldung zum erreichten Lernstand und dessen möglicher Weiterentwicklung (Lehrerfeedback) sowie zum Unterricht (Schülerfeedback). Von dieser allgemeinen, auf unterschiedliche Facetten des Lehrens und Lernens Bezug nehmenden Evaluation sei die Beurteilung von Lernleistungen (assessment) in ihren verschiedenen Formen zu unterscheiden. Insbesondere die immer wichtiger werdende Fähigkeit zur Selbsteinschätzung könne durch eine stärkere Einbindung von Sprachenportfolios zukünftig stärker forciert werden. Da die Gestaltung eines lernförderlichen Englischunterrichts die Möglichkeiten des von einer einzelnen Lehrkraft Leistbaren deutlich übersteige, sei kollegiale Zusammenarbeit unabdingbar: Nur wenn die Beteiligten sich, wie in Kapitel 7 („Kooperative Unterrichtsentwicklung“) skizziert, als Mitglieder einer „professionellen Lerngemeinschaft“ (192) verstehen, können sie die an sie gestellten Anforderungen, wie z.B. die Gestaltung des Übergangs von der Primarzur Sekundarstufe oder die Erstellung eines schulinternen Curriculums für das Fach Englisch einschließlich der Konzeption komplexer Kompetenzaufgaben, als Entwicklungsaufgabe begreifen und gemeinschaftlich meistern. Man fragt sich allerdings, wie dieser zweifelsohne wünschenswerte Zustand angesichts der kaum vorhandenen zeitlichen Freiräume im Lehreralltag auf den Weg gebracht werden soll. Die Forderung der Sprachenpolitik der Europäischen Union nach individueller Mehrsprachigkeit der Unionsbürger sowie die zentralen Annahmen der Mehrsprachigkeitsdidaktik berücksichtigend, wird Englischunterricht im abschließenden 8. Kapitel („Die mehrsprachige Schule“) im Beziehungsgeflecht der anderen Sprachenfächer einer Schule verortet. Zum einen bedeute Mehrsprachigkeit als whole-school policy (216), dass das Lernen der verschiedenen (Fremd-)Sprachen stärker aufeinander bezogen werden müsse, zum anderen sei die bereits von den Schülern mitgebrachte lebensweltliche Mehrsprachigkeit besser zu fördern und für das schulische Fremdsprachenlernen nutzbar zu machen. Vor allem der mittlerweile an vielen Schu- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 FLuL 41 (2012) • Heft 2 len etablierte Bilinguale Sachfachunterricht könne dazu beitragen, die traditionell monolinguale Ausrichtung des Unterrichts zu durchbrechen, und auch der frühbeginnende Englischunterricht schaffe neue Freiräume für das Lernen weiterer Sprachen. Es gelingt Wolfgang H ALLET in der vorliegenden Publikation aufzuzeigen, wie ein zeitgemäßer, kompetenzorientierter Englischunterricht aussehen kann, ohne den umfassenden Anspruch nach Bildung - einschließlich der damit verbundenen literarisch-ästhetischen Dimension - aufgeben zu müssen. Die theoretischen Überlegungen werden dabei, wann immer möglich, im Hinblick auf das Handeln im Klassenzimmer perspektiviert, sodass der Leser nicht nur wertvolle Denkanstöße konzeptioneller Natur erhält, sondern auch den so oft gewünschten Brückenschlag zur Unterrichtspraxis angeboten bekommt. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass der derzeit vorherrschende Trend zur objektiven Messung von learning outcomes die Nutzung individueller Handlungsspielräume der beteiligten Akteure nicht ausschließt, und dass sie gefragt sind, um jenseits externer Standards einen an den Bedürfnissen der individuellen Lerner ausgerichteten lernförderlichen Englischunterricht zu gestalten. Möge man dem Buch daher wünschen, dass es zu einem festen Bestandteil der fremdsprachendidaktischen Diskurse wird. Braunschweig J ENNY J AKISCH Rupprecht S. B AUR , Britta H UFEISEN (Hrsg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Hohengehren: Schneider Verlag 2011 (Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen; Band 6), II + 286 Seiten [25,- €]. Der Sammelband geht aus einer Sektion der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) 2009 in Leipzig hervor. Die Perspektiven, aus denen sich die Beiträger/ -innen der Mehrsprachigkeitsforschung nähern, sind vielfältig: Herkunftssprachen, Tertiärsprachen, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Fachfremdsprachen, unterschiedliche Kontexte wie etwa universitäre Lehrerausbildung, Primar- und Sekundarstufe und Unterrichtsmodelle in anderen Ländern, schließlich Organisationsformen wie bilingualer Sachfachunterricht, Interkomprehension und vernetztes Sprachenlernen. Die Studien richten sich auf die Evaluation der Modelle ebenso wie auf die soziolinguistische oder spracherwerbstheoretische Erklärung von Lernersprachen. Nachfolgend werden die verschiedenen Artikel anhand dieser Kategorien besprochen. Mit Herkunftssprachen und der Förderung der Zweitsprache Deutsch beschäftigt sich Katja Francesca C ANTONE , die Ergebnisse aus der Spracherwerbsforschung bilingualer Kinder zusammenträgt. Aufgrund der Varianzen der Spracherwerbsbedingungen plädiert C ANTONE dafür, von mehrsprachigen Kindern zu sprechen und die Bezeichnung Schüler/ innen mit Migrationshintergrund aufzugeben. Nach der Beschreibung von Erwerbstypen werden Konstellationen benannt, unter denen der Erwerb und die Aufrechterhaltung zweier Sprachen leiden. Zentral ist die Feststellung, der gemäß alle Kinder über ihre Deutschkenntnisse beurteilt werden. Dies führt bei Bilingualen zu der Selbsteinschätzung, die weitere Sprache sei wenig relevant (vgl. ebd.: 237). Sprachbewusstheit spielt eine ebenso wichtige Rolle wie der Erwerb verschiedener Register in beiden Sprachen. Hieran schließt das Projekt von Irina E ZHOVA -H EER zur Entwicklung von Schreibkompetenzen an. Sie wirft den Blick auf Schüler/ -innen mit Russisch als Herkunftssprache, die im Herkunftsland literale Fähigkeiten entwickelt haben. Empirisch belegt ist die Tatsache, dass Lehrende kaum von der herkunftssprachlichen Schreibkompetenz wissen und diese nicht im Unterricht berücksichtigen. Dies ist insofern relevant, als muttersprachliche Schreibstrategien die 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Schreibprozesse in der Zweitsprache beeinflussen, wie die Autorin anhand von Schülertexten darlegt. Nach dem sprachlichen Selbstvertrauen, der Sprachlernmotivation und der Bildungsaspiration von Grundschulkindern mit türkischem und ex-jugoslawischem Migrationshintergrund fragt Katharina B RIZIĆ . Während die türkischen Kinder in der Studie eine hohe Motivation zum Deutschlernen zeigen, haben sie ein niedriges sprachliches Selbstvertrauen. Zugleich bevorzugen die Familien das Deutsche und Türkische gegenüber z.B. dem Kurdischen. Die Verfasserin stellt erklärend fest, dass die Kinder über hohe Sprachkompetenzen verfügen, wenn die Eltern positive Spracherwerbsbedingungen in ihrem Herkunftsland erfahren haben und zum Erhalt der Familiensprache beitragen. Eine thematische Schnittstelle hin zu Artikeln zum Bilingualen Sachfachunterricht bildet die Projektbeschreibung „Sprache durch Kunst“ von Rupprecht S. B AUR und Andrea S CHÄFER . Hierin geht es um die Sprachförderung und kulturelle Bildung von Schüler/ -innen der Klassen fünf bis neun mit Migrationshintergrund. Fachliches Lernen in der Zweitsprache Deutsch bezeichnen die Verfasser als „CLIL multilingual“ und weisen auf Ausbildungsdefizite von Lehrkräften hin. Das Projekt ist ein Ausbildungsmodul, in dem Studierende Materialien für den Besuch eines Kunstmuseums von Schüler/ -innen der Sekundarstufe I entwickeln. Die Museumsarbeit wird von sprachlichen Übungen flankiert. Das Projekt wird über Qualifikationsarbeiten und regelmäßige Sprachtests evaluiert. Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Bilingualen Sachfachunterricht unter Verwendung einer Fremdsprache (hier der Arbeitssprache Deutsch), wie jener von Dieter W OLFF . Der Artikel gibt einen Überblick über Definitionen, Methoden und Lehrerausbildung. W OLFF macht deutlich, dass die Umsetzung einer zweisprachigen Ausbildung für die Entwicklung der Sprachen der Lernenden erforderlich ist. Ferner unterscheidet er zwischen „einer allgemeinen CLIL-Didaktik und einer sachfachspezifischen Komponente“ (ebd.: 36). Einen sprachspezifischen Unterschied sieht er kaum. Der Blick fällt ferner auf Autonomie und Sprachlichkeit im Sachfachunterricht. Ferner werden Vorschläge für die Lehrerbildung entworfen. Eine ergänzende Sicht auf das Thema bilingualer Sachfachunterricht wirft Frank-Günther S POHR in seinem Artikel „CLIL-Unterricht in Frankreich: Ein Überblick zur Stellung des Deutschen als Fremd- und Arbeitssprache im Schulwesen“. Während in Frankreich als erste Fremdsprache überwiegend Englisch gelernt wird, ist das Deutsche rückläufig. F.-G. S POHR beschreibt Organisationsformen bilingualen Sachfachunterrichts und zwar die sections internationales, die sections européennes, Deutsch-Französische-Gymnasien und AbiBac-Zweige. Besonders die sections européennes verzeichnen einen quantitativen Erfolg. Dennoch hat diese Verbreitung bilingualen Unterrichts (noch) keine positive Wirkung auf den weiterhin rückläufigen Deutschunterricht. Um bilingualen Geschichtsunterricht mit der Arbeitssprache Französisch geht es im Beitrag von Stefanie L AMSFUß -S CHENK . Nach einer Diskussion des Begriffs der „Geschichtsbewusstheit“ betrachtet sie die Multiperspektivität und die Reflexion über Sprache als Aspekte des interkulturellen Lernens. Als methodische Ansätze nennt sie die Verbindung von Sprache und Inhalt, die Visualisierung, die Förderung von Lernstrategien und die funktionale Zweisprachigkeit. Eine Unterrichtsreihe konkretisiert dies. Schließlich verweist die Verfasserin auf ihre empirische Studie und stellt fest, „dass die Schüler im bilingualen Untersuchungsunterricht die geschichtlichen Inhalte verstärkt elaboriert haben“ (ebd.: 103). Vernetztes Sprachenlernen und Interkomprehension sind weitere Themen. Agnieszka Z AWADZKA führt im ersten Artikel des Bandes praxisnah in die Thematik der Interkomprehensionsforschung ein. Sie geht davon aus, dass Ähnlichkeiten und Transfermöglichkeiten auch bei Sprachen unterschiedlicher Sprachfamilien bestehen. Anhand des polnischen Wortschatzes ver- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 FLuL 41 (2012) • Heft 2 deutlicht sie dies. Die Beispiele sind ein Fundus für Lehrkräfte aller Sprachen. In Analysen von Lehrwerken für Polnisch als dritte Fremdsprache stellt Z AWADZKA fest, dass diese das genannte Transferpotenzial nicht hinreichend nutzen. In ihrer Befragung von Schülern/ -innen und Lehrern/ -innen zum Transferverhalten kann sie feststellen, dass man Polnisch als absolut anders als die zuvor gelernten Sprachen betrachtet und dass Transfermöglichkeiten daher nicht bemerkt werden. Mit Synergieeffekten zwischen Schulfremdsprachen beschäftigen sich auch Gabriele B LELL und Eva L EITZKE -U NGERER in ihrem Projekt „English-Español als neuer Vernetzungsraum (EEV)“. Ausgangspunkt ist die Frage, wie beide Sprachen jeweils im Unterricht der anderen Sprache genutzt werden können. Den theoretischen Rahmen der Studien bilden mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze, die Multiliteracy-Pädagogik und der Ansatz der Global Education. Beispiele aus dem Projekt beziehen sich auf die Bedingungsgefüge der Sprachenfolge, die Mehrsprachigkeitsdidaktik und das interkulturelle Lernen. Neben der Darstellung eines bilingualen Bildungsprogramms in den USA, ist die Analyse des Transferwortschatzes in Englisch- und Spanischlehrwerken aufschlussreich. Im Weiteren werden Beispiele zum kulturellen Vergleich geliefert. Steffi M ORKÖTTER fragt danach, wie sprachenübergreifendes Lernen in den Klassen 5 bis 7 ermöglicht werden kann. Dabei wird berücksichtigt, dass die Schüler/ -innen über Englischkenntnisse in einem Umfang verfügen, der eine eingeschränkte Transferbasis liefert. Insofern zielt die Studie auf die Sprachlernbewusstheit und die Sprachenbewusstheit ab. Anhand von Interlinearübersetzungen aus dem Italienischen und Laut-Denken-Verfahren kann vermerkt werden, dass die Schüler/ -innen bereits auf verschiedene Sprachen und ihr Weltwissen zurückgreifen und sich dabei „als Sprachenentdecker erfahren und sprachliche Kategorien aufbauen“ (ebd.: 220). Den universitären Kontext betrachten Joachim S CHLABACH und Eeva B OSTRÖM in ihrem zweisprachigen Artikel zu einem deutsch-französischen Pilotkurs an der Wirtschaftsuniversität Turku, Finnland. Gegenstand ist ein Fachsprachenkurs mit Auslandsaufenthalt in der Schweiz, Unternehmensbesuchen u.ä. Die Arbeitssprachen der sprachlich heterogenen Arbeitsgruppen waren Deutsch und Französisch, Schwedisch und Finnisch. Die Studie kann u.a. eine Erhöhung der Sprachlernmotivation durch den mehrsprachigen Kontext nachweisen. Den Abschluss bildet ein Gesamtsprachencurriculum von Britta H UFEISEN . Pointiert beschreibt sie, auf welche Struktur- und Akzeptanzprobleme mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze stoßen. Sie verbindet in ihrem Modell die zuvor dargestellten Ansätze. Im Modell wird der Fremdsprachenunterricht konsequent von bilingualem Sachfachunterricht flankiert, um ihn dann abzulösen und Raum für weitere Sprachen zu schaffen. Zusätzlich werden ein Fach „Interkulturelle Studien“ vorgeschlagen und methodische Überlegungen benannt: Module zu DaZ und Bilingualem Sachfachunterricht in der Lehrerbildung, Sprachenportfolios sowie Kooperationen von Lehrenden verschiedener Fächer. Der Beitrag endet mit Fragen an die weitere Forschung. Der Sammelband führt umfassend in die Mehrsprachigkeitsdidaktik ein. Der erste und der letzte Artikel des Buches bilden eine vor- und nachbereitende Klammer. Insgesamt werden neben theoretischen Grundlagen Unterrichtsbeispiele ebenso wie Einblicke in empirische Studien geliefert. „Vieles ist sehr ähnlich“ spricht eine breite Leserschaft an. Das Buch ist Fremdsprachenlehrenden, Studierenden, Lehrerausbildnern und Forschern/ -innen uneingeschränkt zu empfehlen. Siegen D AGMAR A BENDROTH -T IMMER 146 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Lothar B REDELLA : Narratives und interkulturelles Verstehen. Zur Entwicklung von Empathie-, Urteils- und Kooperationsfähigkeit. Tübingen: Narr 2012 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 151 Seiten [49,00 €] Das vorliegende Buch ist posthum erschienen: Am 10. Juni dieses Jahres ist Lothar B REDELLA für immer von uns gegangen. Damit ist eine Stimme verstummt, die die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik zu einer forschenden Disziplin in hohem Maße mit geprägt hat. Sein überaus umfangreiches wissenschaftliches Schaffen galt zeitlebens vor allem einem Ziel: die Bedeutung literarischer, insbesondere narrrativer Texte für ein fremdsprachliches Lernen, das zugleich und unlöslich mit interkulturellem Lernen verbunden ist, zu erforschen und ihr gegen alle instrumentalistischen Verengungen zu didaktischer Anerkennung zu verhelfen. Triebfeder seines oft streitbaren Engagements war die im Erbe der Hermeneutik verwurzelte Überzeugung, dass Verstehen und Verständigung auch in Zeiten postmoderner Relativierungen bzw. Auflösungen von Sinn nicht nur möglich, sondern zur Entwicklung einer umfassenden Persönlichkeitsbildung sowie zur Gestaltung eines dem Prinzip der Dialogizität verpflichteten Gemeinwesens unverzichtbar sind. Insofern ist Lothar B REDELLA mit Fug und Recht als Humanist zu bezeichnen. Die Leitlinien seines didaktischen Denkens inspirierten das von ihm mitbegründete „Gießener Graduiertenkolleg Fremdverstehen“, das einer Vielzahl von Nachwuchskräften im Feld der Fremdsprachendidaktik eine Schule des Denkens und ein Forum des Austauschs war. Die zahlreichen Bände der „Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik“, die aus dem Graduiertenkolleg hervorgegangen sind, machen dies unmissverständlich deutlich. Die oben skizzierten Grundgedanken durchziehen, wie schon sein im Jahre 2010 erschienenes Werk Das Verstehen der anderen (vgl. die Rezension in Heft 1/ 2011 dieser Zeitschrift), auch das hier zur Rede stehende, deutlich kürzer gefasste Buch B REDELLAS . Es ist in drei Teile unterschiedlicher Länge gegliedert. Der Autor selbst bezeichnet diese Teile als Beiträge. Dass sie demnach auch getrennt voneinander lesbar sein sollen, führt dazu, dass sich die Argumentationen partiell überlappen. Der erste trägt den Titel „Warum Geschichten im Fremdsprachenunterricht? “ Die im Untertitel genannten Zielkonstrukte von Empathie-, Urteils- und Kooperationsfähigkeit geben die Richtung vor, in der sich die nachfolgende Argumentation entfaltet. Der zweite Beitrag verortet das propagierte interkulturelle Verstehen in Abgrenzung von den Konzepten der Transkulturalität auf der einen und der Multikulturalität auf der anderen Seite: Während Transkulturalität in B REDELLAS Sicht auf eine Negierung unterschiedlicher kultureller Prägungen hinausläuft, sieht er das Konzept der Multikulturalität als Ausdruck einer relativistischen Verabsolutierung kultureller Zuschreibungen. Den Zwischenort, den er anstrebt, illustriert der Autor in einem dritten Teil an literaturdidaktischen Überlegungen zu dem (für den Englischuntericht an deutschsprachigen Schulen aufbereiteten) Jugendbuch (un)arranged marriage von Bali R AI (2001) sowie zum Roman Shame von Jasvinder S ANGHERA (2007). Was erwartet die Leserin bzw. den Leser im Einzelnen? Der erste Teil entwickelt zunächst im Rückgriff auf Jerôme B RUNER , Paul R ICŒUR und Karl E IBL die These, dass Geschichten eine „grundlegende Erkenntnisform“ (14) darstellen. Mit ihnen strukturieren wir, so die Überzeugung, unsere Erfahrungswelt, sie helfen uns, ihr Sinn und Bedeutung zuzuschreiben. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das, was im Leben „schief“ gehe, denn „Geschichten regen den Leser an, sich mit dem Ungewöhnlichen zu beschäftigen, um es verständlich zu machen“ (15); in der Diktion von Ricœur verwandeln sie „blinden Zufall“ in „eine intelligible Kontingenz“ (16). Sie befähigen uns, Orientierungen zu gewinnen und Konflikte zu bewältigen. Im Folgenden setzt sich B REDELLA mit Gegenpositionen aus den Literatur- und Kulturwissenschaften auseinander. An formalistischen Literaturverständnissen kritisiert er, dass sie literarische Werke ausschließlich als selbstreferentielle Gebilde betrachteten. Sie demotivierten die Leserschaft, da sie deren emo- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 147 FLuL 41 (2012) • Heft 2 tionale und moralische Involviertheit in den Leseprozess ignorierten. Doch auch der entgegengesetzten Position aus der Tradition der Cultural Studies, welche den politisch-ideologischen Charakter aller kulturellen Artefakte hervorhebt, widerspricht der Autor. Ihr lastet er an, mit Vorab- Gewissheiten eines vermeintlich „richtigen Bewusstseins“ dem erkenntnisgenerierenden Potenzial von Literatur nicht gerecht zu werden. Dass zudem dekonstruktivistische und radikal-konstruktivistische Sichten mit einem hermeneutischen Anspruch unvereinbar sind, macht Bredella anschließend einmal mehr deutlich. Literatur hat in der Sicht des Autors zugleich eine moralische Dimension. Zur Erhellung des Verhältnisses von Ästhetik und Moral bzw. Ethik holt B REDELLA weit aus und spannt einen geistesgeschichtlichen Bogen von A RISTOTELES zu Mieke B AL . Gegen die von letzterer postulierte „moralische Indifferenz“ von Literatur macht er mit Karl E IBL und Martha N USSBAUM geltend, dass zum Verstehen narrativ gestalteter Welten Empathiefähigkeit und moralische Sensibilität nicht nur eine Voraussetzung bildeten, sondern diese zugleich förderten. Diese These untermauert er im Verweis auf jüngere neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Funktion der Spiegelneuronen sowie auf die „Theory of Mind“ (vgl. 42 ff.). Neben Empathiestellt Urteilsfähigkeit für B REDELLA eine wesentliche Bedingung sozialer Verständigung und zugleich individueller Selbstbestimmung dar. Urteilsfähigkeit definiert er als Vermögen, „aus der solipsistischen Welt heraustreten und die Welt als etwas Externes beurteilen [zu] können“ (53), weswegen er ihr den Stellenwert eines zentralen Erziehungs- und Bildungsziels zuschreibt. Gleiches gilt für das dritte Zielkonstrukt der Kooperationsfähigkeit; in ihr konvergieren die zuvor dargestellten Fähigkeiten und erweitern sie zugleich. Denn einfühlsame Hinwendung zum Mitmenschen und kritisch-distanzierende Beurteilung drücken jeweils Haltungen aus, die noch diesseits eines Rubikon liegen, welcher erst mit dem Eintritt in die Sphäre sozialen Handelns überschritten wird. Hier allerdings könne der Mensch auf eine Veranlagung zurückgreifen, die ihm solidarische Verhaltensweisen nahe lege. Gegen Freuds These von der Asozialität der menschlichen Triebstruktur ist B REDELLA mit E IBL der Überzeugung, dass auch Sozialität, Altruismus und Kooperationsbereitschaft gattungsgeschichtlich im Menschen verankert sind. Er verweist auf Schriften der evolutionären Biologie und Psychologie, der Hirnforschung und der Philosophie (u.a. B OYD , DE W AAL , J ANICH und E IBL ), denen zufolge der Mensch von Natur aus weder aggressiv noch friedliebend, sondern immer beides sei. Zwischen diesen Dispositionen gelte es in konkreten Handlungssituationen einen Ausgleich zu finden. Geschichten erwiesen sich hier insofern als Impulsgeber für die Entwicklung sozialer Verantwortlichkeit, als sie die Motive von Akteuren in konkreten Handlungssituationen verständlich machten und uns dazu führten, die narrativ vermittelten Verhaltensweisen moralisch zu beurteilen. Ästhetische Erfahrungen seien stets an ethische Fragen gekoppelt (vgl. 67). Die ethisch-moralische Dimension literarischer Rezeption gewinnt in einem fremdsprachlichen Kontext eine besondere Relevanz im Hinblick auf das Miteinander der Kulturen. Diese Aspekte stehen im Zentrum des zweiten Buchteils. Wie schon in früheren Schriften bezieht B REDELLA hier Stellung für eine interkulturelle Orientierung des Fremdsprachenunterrichts. Die Vorsible „inter“ unterstreicht, dass es um einen Vermittlungsprozess und somit um Aushandlungen von Differenz geht, in denen kulturelle Prägungen sich als Reichtum erwiesen. Demgegenüber begreift der Autor das Konzept der Transkulturalität ausschließlich als Versuch, kulturelle Grenzen in Richtung einer globalen Einheitskultur aufzulösen. Er bezieht sich hier vor allem auf Wolfgang W ELSCH , aber auch auf viele seiner Kritiker (u.a. Bruno L ATOUR ). Mit Jonathan F RIEDMAN kritisiert B REDELLA , dass Hybridität sich zu einer neuen Norm entwickelt habe, der zufolge sich der postmoderne, radikal hybride Mensch ständig neu zu erfinden habe. Dass kulturelle Bindungen somit als ein Übel erschienen, verhindere jedoch gerade, Andere in ihrer kulturellen Andersartigkeit verstehen zu wollen (vgl. 88 ff.). Gleiche Effekte zeitigten, wenngleich 148 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 unter anderem Vorzeichen, relativistische Vorstellungen von Multikulturalität. Da diese von einer Gleichwertigkeit der Kulturen ausgingen und - jede für sich - bestimmten, was in ihnen als human gelte, werde jeglichen Austausch- und Verhandlungsmöglichkeiten ein Riegel vorgeschoben. Die erkenntnistheoretischen Prämissen beider Pole beleuchtet B REDELLA unter Rückriff auf Philosophen wie P LATON , V ICO , M ONTESQUIEU und H ERDER , aber auch auf aktuelle Schriften, insbesondere von Bhikhu P AREKH . Mit Aleida A SSMANN vertritt er die vermittelnde Position eines „aufgeklärten Universalismus“, welche Vielheit anerkennt, sich zugleich aber kritischer Wertungen nicht enthält und diese in einen kulturellen Dialog einbringt. Das Thema „arrangierter Hochzeiten“ als ein Feld, in dem sich kulturelle Wertungskonflikte manifestieren, stellt B REDELLA in den Mittelpunkt seines didaktischen Beispiels im dritten Beitrag des Buches. In bestimmten Kulturkreisen üblich, führen solche Eheschließungen besonders im Kontakt mit westlichen Gesellschaftsnormen zu intra- und interpersonellen Konflikten. Der Autor legt dar, wie die Behandlung der eingangs zitierten narrativen Texte im Englischunterricht den Schülerinnen und Schülern dazu verhelfen kann, sich in fremde Gedanken und Normen einzufühlen, zugleich aber auch sich moralisch-ethisch wertend zu positionieren und Maßstäbe eigenen und fremden Handelns zu reflektieren. Die obige Wiedergabe zentraler Aspekte des rezensierten Buchs soll veranschaulichen, wie breit das Spektrum unterschiedlicher Wissenschaftsdiziplinen ist, mit denen Lothar B REDELLA seine im Kern bekannten Überzeugungen neu formuliert und dabei zugleich neu präzisiert. Auffällig ist, dass er sich des derzeit so populären Kompetenzbegriffs durchgängig enthält. Gleichwohl ist das Buch von hoher Aktualität. Es zu lesen vermittelt auch denjenigen, die sich mit seinen Schriften schon gut vertraut wissen, neue Anregungen und Erkenntnisse. Wir werden diese Stimme sehr vermissen. Berlin L UTZ K ÜSTER Barbara S CHMENK , Nicola W ÜRFFEL (Hrsg.): Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Dietmar Rösler zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2011 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 354 Seiten [48,- €] Anlässlich des 60. Geburtstags von Dietmar R ÖSLER , Professor für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Justus-Liebig-Universität Gießen, ist diese Festschrift erschienen, in der Beiträge internationaler Expertinnen und Experten zu drei Themenbereichen versammelt sind, die in R ÖSLERS Forschungstätigkeit einen wichtigen Platz einnehmen: Grammatik, Interkulturelles Lernen und E-Learning. Nach der Tabula Gratulatoria eröffnen zwei einleitende Beiträge die Festschrift. Die Herausgeberinnen Barbara S CHMENK und Nicola W ÜRFFEL erläutern in ihrem Beitrag die Intentionen des Bandes und gehen dabei auch auf den Titel ein: „Der Titel der Festschrift ist diesem Wirken geschuldet und illustriert zugleich den Röslerschen skeptischen, aber dennoch konstruktiven Blick auf die Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache: ‚Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück…‘ ist nicht nur angelehnt an einen Aufsatztitel von Rösler (2002), in dem er die Entwicklungslinien des Bereichs ‚E-Learning Fremdsprachen‘ einer kritischen Bestandsaufnahme und Begutachtung unterzieht. ‚Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück‘ ist ebenfalls eine provokativ formulierte Diagnose eines wissenschaftlichen Feldes, in dem sich zwar sehr viel tut, in dem sich vermeintliche Fortschritte aber zuweilen auch als wissenschaftliche oder didaktische Rückschritte entpuppen.“ (S. 14) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 149 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Im Anschluss beleuchtet Friederike K LIPPEL kritisch den Fortschrittsgedanken, indem sie sich den Fragen widmet, was ein Fortschritt ist, wie und woran man ihn erkennt und in welchen Aspekten des Sprachenlernens und -lehrens es überhaupt Fortschritte geben kann. Teil I zum Thema „Grammatik“ umfasst sieben Beiträge, die von grundsätzlichen Überlegungen (Rolle der Grammatik, gesteuerter Fremdsprachenerwerb) über Ansätze der Grammatikvermittlung (Dramagrammatik, autonomes Grammatiklernen) bis hin zur Behandlung bestimmter Phänomene (Prinzip der Linksorientierung, Zukunftstempora, Metaphern) im Fremdsprachenunterricht reichen. Elena B ELLAVIA präsentiert nach einer Darstellung theoretisch-linguistischer Zusammenhänge zwei Übungen, die zeigen, wie Metaphern in den DaF-Unterricht mit Lerngruppen auf fortgeschrittenem Niveau integriert werden können. Susanne E VEN argumentiert zunächst, dass der dramagrammatische Ansatz modular und auf unterschiedlichste Lehr- und Lernkontexte hin angelegt ist. Die Autorin veranschaulicht dann die Vorgehensweise anhand eines Beispiels für Lernende der Niveaustufe B1. Christian F ANDRYCH plädiert dafür, das Prinzip der Linksorientierung stärker in der pädagogischen Grammatik zu berücksichtigen. In einem weiteren Schritt werden erweiterte Partizipialattribute erläutert und Anregungen für ihre adäquate Didaktisierung gegeben. Ausgangspunkt des Beitrags von Theo H ARDEN ist die These, dass Fremdsprachenlernende wenig Durchhaltevermögen haben. Unter Rückgriff auf Instrumente, die der Mikroökonomie entlehnt sind, stellt er Überlegungen an, ob der gesteuerte Lernprozess stärker an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden ausgerichtet werden kann. Frank G. K ÖNIGS geht der Rolle der Grammatikvermittlung auf den Grund. Dazu wirft er zunächst einen Blick zurück auf die 1980er Jahre, befasst sich dann mit dem Stellenwert der Grammatikvermittlung in den aktuell diskutierten Themen der Sprachlehrforschung und zieht daraus Konsequenzen für Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts. Im Mittelpunkt des Aufsatzes von Claudio D I M EOLA stehen die Tempora Futur I und Präsens in ihren zukunftsreferentiellen Verwendungen. Der Autor untersucht, welche Arten von Erklärungen in zwölf nicht-sprachenpaarbezogenen Übungsgrammatiken gegeben werden. Danach erläutert er den Forschungsstand in der Sprachwissenschaft und formuliert einige Faustregeln für DaF-Lernende im Allgemeinen und für italienische DaF-Lernende im Besonderen. Barbara S CHMENK geht der Frage nach, inwiefern es sich bei „Autonomie“ um ein sog. Wieselwort handelt, d.h. um ein sinnentleertes Wort, und ob und wie es möglich wäre, den Begriff wieder sinnvoll aufzufüllen. Dies veranschaulicht sie anhand von Beispielen des „autonomen Grammatiklernens“. Teil II zum Thema „Interkulturelles Lernen“ enthält zehn Beiträge, die unterschiedliche Aspekte aufgreifen wie das interkulturelle Lernen in Brasilien, China und Ungarn, die Bedeutung von Geschichten sowie die Rolle der graphic novel im Besonderen, Cork’s World Theatre, Leseprozesse, das mehrsprachige Klassenzimmer sowie das Potenzial digitaler Medien für das interkulturelle Lernen. Katrin B IEBIGHÄUSER und Gabriela M ARQUES -S CHÄFER diskutieren das Potenzial digitaler Medien für die Förderung des interkulturellen Lernens anhand von zwei von den Autorinnen durchgeführten Untersuchungen, und zwar zum didaktisierten Chatraum von JETZT Deutsch lernen und zu Tandemprojekten in Second Life. Lothar B REDELLA geht in seinem Beitrag auf Struktur und Funktionen von Geschichten sowie deren Kulturbegriff ein. Des Weiteren zeigt er den inhärenten Zusammenhang zwischen der Rezeption von Geschichten und dem interkulturellen Verstehen auf, der auf der Anregung zum Einnehmen sowohl einer Innenperspektive als auch einer Außenperspektive gründet. Der Beitrag von Eva B URWITZ - MELZER und Jürgen QUETZ widmet sich der Frage, wie sich interkulturelle Kompetenz in der Auseinandersetzung mit der graphic novel „The Arrival“ von Shaun Tan entwickeln kann. Diese zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass sie keinen Text enthält, sondern die Geschichte allein durch Bilder erzählt. Swantje E HLERS erläutert die Entwicklungen einer fremdsprachlichen Leseforschung und -didaktik sowie den Leseprozess und seine Teilkompetenzen. Darauf aufbauend analysiert sie 150 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Leseaufgaben in Lehrwerken. Tushar C HAUDHURI und Hans-Werner H ESS geben einen Einblick in die Situation des DaF-Studiums im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Studiums Europas an der Hong Kong Baptist University. Neben Motivation und Inhalten des Studiums thematisieren sie die Web-Projekte mit Studierenden an der Universität Gießen, in denen es um die Förderung einer „Kultur des Dialogs“ geht. Grit L IEBSCHER plädiert für einen Abschied vom monolingualen native speaker-Ideal für den Fremdsprachenlerner, da das Lernen einer zusätzlichen Sprache die Ausbildung und den Umgang mit multilingualen Kompetenzen zum Ziel hat. Nach einem Überblick über die Forschung zu bilingualen Sprechern und Fremdsprachenlernern bietet sie anhand von drei Unterrichtsexzerpten Einblicke in die Praxis mehrsprachiger Klassenzimmer. Maria M ONTEIRO setzt sich im Kontext von Brasilien mit dem Begriff „interkulturell“ auseinander und diskutiert, ob und inwieweit die in Brasilien verwendeten Lehrwerke zum interkulturellen Lernen beitragen können. Anschließend formuliert sie auf der Basis einer Umfrage unter Studierenden Desiderate in der brasilianischen universitären DaF-Lehrerausbildung. Katalin P ETNEKI und Anna Z ALÁN -S ZABLYÁR skizzieren die Entwicklungen in Ungarn in den vergangenen 20 Jahren und gehen auf den interkulturellen Ansatz im ungarischen DaF-Unterricht ein. Manfred S CHEWE fordert eine stärkere Nutzung des Potenzials der Künste in der (Fremdsprachen-) Pädagogik und eine „performative Ausrichtung“. Als Beispiel beschreibt er das Projekt „Cork‘s World Theatre“ und die Umsetzung in zwei Seminaren. Ulrich S TEINMÜLLER fokussiert in seinem Beitrag die Diskussion um interkulturelle Kommunikation im Bereich Deutsch als Fremdsprache in China. Dazu stellt er eine Reihe von einschlägigen Arbeiten chinesischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor. Teil III zum Thema „E-Learning“ besteht aus neun Beiträgen, die sich mit medientheoretischen Überlegungen, Blended Learning-Modellen, dem Online Writing Lab (OWL), der Lernumgebung SKOLA, Interkomprehension auf Galanet, Web-basierten Projekten in Schule und Studium, dem Master-Studiengang „Sprachtechnologie und Fremdsprachendidaktik“ sowie fremdsprachendidaktischen Lehrerbildungsprogrammen unter Nutzung digitaler Medien beschäftigen. Wolfgang H ALLET behandelt die Performativität von Akten der Mediennutzung. Anschließend beschreibt er Modelle der medialen Re-Iteration und symbolischen Re-Konstitution von Wirklichkeit und nennt didaktische Implikationen eines performativen Medienkonzepts. Der Beitrag von Britta H UFEISEN widmet sich dem 2006 an der Technischen Universität Darmstadt gegründeten Online Writing Lab (= OWL). Erläutert werden die Arbeit des SchreibCenters, dessen Teil das OWL werden soll, sowie das OWL mit seinen Komponenten. Michael K. L EGUTKE beschreibt in seinem Beitrag Brennpunkte der Lehrerfortbildung und stellt dar, wie „zwei fremdsprachendidaktische Lehrerbildungsprogramme unter Nutzung digitaler Medien reflektiertes Erfahrungslernen und theoriegeleitete Erörterung von eigenem und fremdem Unterricht zu realisieren suchen“ (S. 260). Der Autor zieht eine kritische Bilanz und zeigt Perspektiven für die Lehrerfortbildung DaF auf. Helmuth F EILKE und Katrin L EHNEN befassen sich mit den Umgebungsbedingungen für wissenschaftliches Schreiben sowie mit dem Produktionsbereich und der Toolbox der Lernumgebung SKOLA und skizzieren, wie man Studierende an der Entwicklung von Lernumgebungen beteiligen kann. Henning L OBIN stellt die Entwicklung des Master-Studiengangs „Fremdsprachendidaktik und Sprachtechnologie“ von den Anfängen bis zur Akkreditierung und zur Reakkreditierung dar. Konzeptionell richtet sich der Studiengang an Bachelor- Absolventen, die einen fremdsprachendidaktischen oder einen computerlinguistischen Hintergrund oder beides mitbringen. Franz-Joseph M EIßNER und Tanja P ROKOPOWICZ diskutieren Interkomprehension auf der Internetplattform Galanet. Darüber hinaus wird eine kurze Chatsequenz im Hinblick auf sprachliche, transund/ oder interkulturelle Disambiguierungsprozesse analysiert. Csilla P USKÁS und Volha K AMAROUSKAYA widmen sich der dritten Generation des eAustausches, der als ein „stark gesteuertes, interkulturelles, Web 2.0-basiertes Projekt“ (S. 302) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 151 FLuL 41 (2012) • Heft 2 beschrieben werden kann. Nach einer Erläuterung der Rahmenbedingungen und des Projektverlaufs werden die eingesetzten Kommunikationsmedien (Schreibchat, Voice-Chat, Webkonferenz) einer Einzelbetrachtung unterzogen. Torben S CHMIDT geht nach einer Definition und Einordnung des Begriffs „Web 2.0“ auf Potenziale entsprechender Anwendungen für die Unterstützung von Fremdsprachenlernprozessen ein. Anschließend stellt er zwei Projektbeispiele aus dem gymnasialen Englischunterricht vor, die insbesondere hinsichtlich der Authentizität des Fremdsprachenlernens beschrieben werden. Nicola W ÜRFFEL unterzieht in ihrem Beitrag zwei Blended Learning-Modelle einer genaueren Betrachtung, und zwar die sechs Beschreibungsskalen nach S CHULMEISTER et al. (2008) und die sechs Beschreibungsparameter nach K IRCHHOFF (2008). Diese beiden Modelle wendet die Autorin auf ein konkretes Blended Learning-Seminar an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg an und arbeitet problematische Aspekte der genannten Beschreibungsversuche heraus. Die Beiträge des Sammelbandes sind in jedem der drei Teile alphabetisch angeordnet. Hier hätte eine thematische Reihung Brücken innerhalb des jeweiligen thematischen Schwerpunkts schlagen können. Einige der Beiträge beschäftigen sich nur am Rande mit dem jeweiligen Schwerpunkt, z.B. der Beitrag von B ELLAVIA zu Metaphern im Teil „Grammatik“ oder der Beitrag von E HLERS zu Leseprozessen im Teil „interkulturelles Lernen“. Insgesamt handelt es sich nichtsdestotrotz bei der Festschrift zweifellos um einen Sammelband, der sehr interessante und vielfältige Einblicke in drei wichtige Themenbereiche des Faches Deutsch als Fremdsprache bietet. Mainz A NTJE S TORK FLuL 41 (2012) • Heft 2 I n f o r m a ti o n e n • V o r s c h a u Vorschau auf Jahrgang 42.1 (2013) Der von Jenny J AKISCH (Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Marburg) und Lutz K ÜSTER (Berlin) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 42.1 (2013) trägt den Titel „Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung“. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Frank G. K ÖNIGS (Philipps-Universität Marburg): Was hat die Sprachlehrforschung eigentlich gebracht? Plus- und Minuspunkte aus subjektiver Sicht Friederike K LIPPEL (Ludwig-Maximilians-Universität München): Übung macht den Meister - practice makes perfect. Von den langweiligen Aspekten des Sprachenlernens Annelie K NAPP (Universität Siegen): Still aware of language awareness? Jürgen K URTZ (Justus-Liebig-Universität Gießen): Der Kommunikative Ansatz und seine Bedeutung für die Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts zu Beginn des 21. Jahrhunderts Lutz K ÜSTER (Humboldt-Universität zu Berlin): Bildungsanspruch und Bildungsgehalt schulischen Fremdsprachenunterrichts - ein kritischer Rückblick auf Postulate und Praktiken Dieter W OLFF (Bergische Universität Wuppertal): Der bilinguale Sachfachunterricht (CLIL): Anmerkungen zu seinem möglichen Innovationspotenzial Wolfgang Z YDATIß (Freie Universität Berlin): A coy ‛kiss of life’ for the notion of the error index: Zum Für und Wider des Fehlerquotienten in der Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 42.2 (2013) Tasks revisited (koordiniert von Wolfgang H ALLET und Michael K. L EGUTKE )