Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2014
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Gnutzmann Küster Schramm(Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: Multilit e r a lit ä t Koordination: Lutz K ÜSTER L UTZ K ÜSTER Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ............................................................ 3 D IANE R. C OLLIER , J ENNIFER R OWSELL A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On ...................................................................................................... 12 J EAN -P AUL N ARCY -C OMBES De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues: quelle place pour les multilittéracies ......................................................................... 29 A LICE C HIK Visual Literacy .......................................................................................................... 43 J UDITH B ÜNDGENS -K OSTEN , D ANIELA E LSNER Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings ......................................................................................... 56 L UTZ K ÜSTER Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext Ergebnisse einer empirischen Erhebung ................................................................... 74 S TEPHAN B REIDBACH , J OSÉ M EDINA , A NNE M IHAN Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education ....................... 91 43. Jahrgang (2014) • Heft 2 Herausgeber: Claus G NUTZMANN (Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Marburg), Lutz K ÜSTER (Berlin) © 2014 Narr Francke Attempto Verlag www.flul-online.de 43 (2014) • Heft 2 Ni c ht t h e m a ti s c h e r T e il R EBECCA H OLEWA „Ich bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher mit türkischem Migrationshintergrund ..................................................................... 107 P r a xi s s e m e s t e r 126 P r o u n d C o ntr a : B u c h b e s pr e c h u n g e n • R e z e n s i o n s artik e l Manuela F RANKE , Frank S CHÖPP (Hrsg.): Auf dem Weg zu kompetenten Schülerinnen und Schülern. Theorie und Praxis eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts im Dialog. Stuttgart: ibidem 2013 (M ARKUS B OHNENSTEFFEN ) ................................................. 128 Julia H AMMER , Maria E ISENMANN , Rüdiger A HRENS (Hrsg.): Anglophone Literaturdidaktik. Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht. Heidelberg: Winter 2012 (C AROLA S URKAMP ) .............................................................................................................. 130 David G ERLACH : ‚wordly‘-Rechtschreibtraining. Konzeption und Evaluation eines Interventionsprogramms für lese-rechtschreib-schwache Englischlerner. Münster: Waxmann 2013 (G ÜNTHER T HOMÉ ) ........................................................................................................ 133 Eva B URWITZ -M ELZER , Frank G. K ÖNIGS , Claudia R IEMER (Hrsg.): Identität und Fremdsprachenlernen: Anmerkungen zu einer komplexen Beziehung. Arbeitspapiere der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 2013 (D AGMAR A BENDROTH -T IMMER ) ............................................................................................ 135 Andreas G RÜNEWALD , Jochen P LIKAT , Katharina W IELAND (Hrsg.): Bildung - Kompetenz - Literalität. Fremdsprachenunterricht zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch. Seelze: Klett/ Kallmeyer 2013 (F RANK S CHÖPP ) ..................................................................... 138 Inf orm a ti o n e n • Vo r s c h a u 142 43 (2014) • Heft 2 © 2014 Narr Francke Attempto Verlag L UTZ K ÜSTER * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Mit der Multiliteralität bzw. den multiliteracies (im Plural) widmet sich der Schwerpunkt einem Konzept, das im deutschsprachigen Raum in den vergangenen ca. zehn Jahren an Bekanntheit gewonnen hat, ohne allerdings bisher einem Nischendasein entkommen zu sein. Deswegen sollen im Folgenden in aller Kürze seine Grundzüge umrissen werden, um auch jenen den Zugang zu den nachfolgenden Einzelbeiträgen zu erleichtern, die mit der Thematik noch wenig vertraut sind. In die deutsche Bildungslandschaft hat der Begriff literacy vor allem mit der PISA- Studie Einzug gehalten. Wenn er ins Deutsche übersetzt wurde, dann z.T. mit ‚Grundbildung‘. Das jedoch trifft das Bezeichnete nur sehr ungenau. Im Kern meint der englische Terminus die Fähigkeit, Symbolsprachen unterschiedlicher Art - außer der Schriftsprache auch die Formelsprachen von Mathematik und Naturwissenschaften, die Sprache der Bilder etc. - zu verstehen und zu nutzen. Zentral ist dabei die Zielvorstellung, dass diese Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht als träges Wissen gespeichert werden, sondern in konkreten Problemlösungen ihre Anwendung finden müssen. Und nicht zuletzt umfasst literacy auch Haltungsaspekte bzw. solche der Persönlichkeitsbildung, die ihrerseits in kritischer und ästhetischer Urteilsfähigkeit zum Ausdruck kommen. Wie sehr das Umfassende von Bildung im Bereich bspw. naturwissenschaftlicher „Grundbildung“ mit dem Begriff der ‚literacy‘ in den Blick genommen wird, zeigt anschaulich ein Zitat aus einem kanadischen Regierungsdokument des Jahres 1997: „Scientific literacy is an evolving combination of the science-related attitudes, skills, and knowledge students need to develop inquiry, problem-solving, and decision-making abilities, to become lifelong learners, and to maintain a sense of wonder about the world around them (F OUNDATION FOR THE A TLANTIC C ANADA S CIENCE C URRICULUM 1998: 11). Neugier und die Fähigkeit zu staunen sind etwas, das mit dem Kompetenzbegriff, der sich bekanntlich hierzulande in der Folge von PISA in den bildungspolitischen, erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Diskursen durchgesetzt hat, gemeinhin nicht in Verbindung gebracht wird. Trotz der viel zitierten weiten Fassung des Kompetenzbegriffs nach W EINERT (2001: 27 f) dominiert vielmehr ein instrumentelles Ver- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Lutz K ÜSTER , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: lutz.kuester@hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Literatur- und Mediendidaktik, Didaktik des (inter)kulturellen Lernens, Kompetenzentwicklung im Bereich der multiliteracies. M u l t i li t e r a l i t ä t 4 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 ständnis, das sich leichter empirisch erfassen lässt. Dabei gerät das, was allen Zielbereichen schulischer Bildung und Erziehung gemeinsam ist, tendenziell in den Hintergrund. Genau dies herauszuarbeiten, war jedoch das ambitionierte Ziel einer Gruppe nordamerikanischer, britischer und australischer Forscher und Pädagogen, die sich nach dem Ort ihres ersten Treffens im Jahre 1994 „New London Group“ nannte und anknüpfend an das o.g. weite Literalitätsverständnis das Konzept der multiliteracies entwickelte. Die Ergebnisse ihrer sich über ein Jahr erstreckenden Arbeit führte die Gruppe in einem Manifest zusammen, das im Frühjahr 1996 erstmals veröffentlicht (N EW L ONDON G ROUP 1996), in einem Sammelband (C OPE / K ALANTZIS 2000) erneut abgedruckt und Jahre später (C OPE / K ALANTZIS 2009) reformuliert abgedruckt wurde. Das multiliteracies-Konzept versteht sich als pädagogisch-didaktische Antwort auf die vielfältigen Veränderungen, die sich aus den Folgen der Globalisierung und denen der sog. „digitalen Revolution“ ergeben. Deren gemeinsamer Nenner ist ‚Pluralität‘: Infolge weltweiter Migrationsströme ist die Schülerschaft in den entwickelten Gesellschaften der postindustriellen Ära bekanntlich von zunehmender ethnischer, sprachlicher und kultureller Heterogenität geprägt. Gleichzeitig sind die technischen Möglichkeiten computerbasierter Kommunikation so sehr gewachsen, sie haben so viele unterschiedliche, z.T. hybride Textformen hervorgebracht und im Alltagsleben so breiter Bevölkerungsteile verankert, dass eine traditionelle, am Gutenberg-Zeitalter orientierte Schrift-Literalität und ein Lehr-Lernverständnis, das von einem monolingualen, monokulturellen Schüler ausgeht, aus Sicht der N EW L ONDON G ROUP nicht mehr zeitgemäß ist. Deren wesentliches Anliegen richtet sich zum einen darauf, die Schüler individuell auf die gewandelten Herausforderungen des beruflichen, des öffentlichen und des privaten Lebens vorzubereiten, zum anderen folgt es einer gleichermaßen individualemanzipatorischen wie soziopolitischen Perspektive. Letzteres wird im Untertitel des Manifests von 1996 „Designing social futures“ deutlich. Ziel ist es, den Einzelnen zu wachsender Partizipation an vielfältigen Formen sozialer Praxis zu befähigen. Das wiederum setzt ein starkes Subjekt voraus. Sozialität und Subjektivität schließen einander keineswegs aus, sie werden vielmehr als einander bedingend angesehen: „The role of pedagogy is to develop an epistemology of pluralism that provides access without people having to erase or leave behind different subjectivities“ (N EW L ONDON G ROUP 2000: 18). Der emanzipatorische Anspruch des Programms wird ferner daran deutlich, dass Critical Literacy im Grundungsmanifest eine wichtige Rolle einnimmt. Ohne sie erscheint - m.E zu Recht - eine verantwortungsvolle Teilhabe am öffentlichen Leben nicht möglich. Diesem Anspruch kommt gerade vor dem Hintergrund der veränderten Kommunikationsbedigungen, die ja von der N EW L ONDON G ROUP im Wesentlichen bejaht und als Chance begriffen werden, eine besondere Bedeutung zu. Wie in der Folgezeit in wachsendem Maße deutlich geworden ist, stellt die ständige Verfügbarkeit des Einzelnen im digitalen Netz nicht nur einen Segen, sondern vielfach zugleich einen Fluch dar, führt die Beschleunigung der Informationsflüsse zu einer Verdichtung von Arbeitsprozessen, kommen die Multiliteralitäten am intensivsten im Multitasking zur Anwendung - kurzum: Die Janusköpfigkeit des technologischen Fortschritts verdient Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 43 (2014) • Heft 2 ihrerseits eine kritische Haltung, die die Ansprüche des Einzelnen verteidigt gegen die Anforderungen, nicht selten gar Anmaßungen, die ihm im Zuge allgegenwärtiger Beschleunigungs- und Effektivierungsdiskurse begegnen. Diese Gefahr einer Unterordnung des Individuums unter die Imperative einer globalisierten Wirtschaft werden von den Gründungsmitgliedern sehr wohl erkannt: „Our job is not to produce docile, compliant workers. Students need to develop the capacity to speak up, to negotiate, and to be able to engage critically with the conditions of their working lives“ (ebd.: 13). Sowohl das Menschenbild als auch das Gesellschaftsbild der N EW L ONDON G ROUP durchziehen dem Anspruch nach (basis)demokratische Prinzipien. Zu ihnen zählen wesentlich die Anerkennung von Pluralität und Diversität und eine Einebnung von Hierarchien. Konsequenterweise entwirft die pedagogy of multiliteracies daher nicht nur eine Gegenvorstellung von veränderten Zielen schulischer Bildung und Erziehung, sie beschreibt zugleich auch eine Vision von transformierten Lehr- und Lernverfahren. Dass in beiden Feldern ‚Partizipation‘ einen Schlüsselbegriff darstellt, verweist auf den Einfluss soziokultureller und soziokonstruktivistischer Lerntheorie. Lernen wird nicht primär als ein individueller, rein kognitiver, sondern als eine Art „ganzheitlicher“ und zugleich gemeinschaftlicher Prozess verstanden, in dem kollektive Bedeutungsaushandlungen einen festen Platz haben. „Our view of mind, society and learning“ - schreiben die Forscher - „is based on the assumption that the human mind is embodied, situated and social“ (ebd.: 30). Die Spezifik des von der N EW L ONDON G ROUP entwickelten Programms macht sich nicht zuletzt an dessen diskurstheoretischen Prämissen fest. Ihnen entsprechend wird der Einzelne einerseits in seinen Erkenntnis- und seinen kommunikativen Handlungsmöglichkeiten als in die herrschenden Diskurse eingefasst und von ihnen bestimmt gesehen, andererseits erscheint er aber ebenso als aktiv die Diskurse gemeinschaftlich transformierendes Subjekt. Diese Sicht mündet in ein Lehr-/ Lernverständnis, das vom Design-Gedanken geprägt ist. Mit ‚Design‘ sind zunächst einmal generell alle Formen von Bedeutung gemeint, wobei der Begriff in den Augen der Forscher den Vorzug einer Doppelbedeutung hat. Er kann sich sowohl auf ein Produkt, folglich etwas vorwiegend Statisches, als auch auf einen Prozess, mithin ein dynamisches Geschehen, beziehen (vgl. ebd.: 20). Letzteres wird auch mit ‚designing‘ beschrieben. Entscheidend für unterrichtliche Zusammenhänge ist die Vorstellung, dass alle Akteure, also Lehrende und Lernende gleichermaßen, an der Bedeutungsgenerieung beteiligt sind. Dieser Prozess wird als Dreischritt beschrieben, der von Available Designs („Resources for meaning; Available Designs of meaning“) ausgeht und über Designing („The work performes on/ with Available Designs in the semiotic process“) in The Redesigned („The resources that are reproduced and transformed“) einmündet (ebd.: 23). Mit den Available Designs sind in erster Linie diskursive Muster, Text-Genres etc. gemeint. Nur wer über ein breites Spektrum von ihnen verfügt, vermag an den gegenwärtigen sozialen Diskursen mit eigener Stimme zu partizipieren. Hieraus leitet sich ein Kernanliegen der pedagogy of multiliteracies ab, nämlich den Lernern zu einem selbstbestimmten Umgang mit Texten unterschiedlicher sprachlicher und medialer Verfasstheit zu verhelfen. Als Design Elements werden im Einzelnen genannt: 6 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 „Linguistic Design, Visual Design, Audio Design, Gestural Design, Spatial Design and Multimodal Design“ (ebd.: 25). Die Besonderheit des letzteren wird in der Vernetzung der vorgenannten Elemente gesehen; ‚Hybridität‘ und ‚Intertextualität‘ gelten hier mithin als Schlüsselbegriffe des Verstehens. Aus europäischer Sicht ist es allerdings bedauerlich, dass innerhalb des Linguistic Designs in den Multiliteralitäts-Forschungen die immigrationsbezogene gegenüber einer genuin fremdsprachendidaktischen Perspektive dominiert - diese wird namentlich von Joseph L O B IANCO (2000) vertreten. Sprachliche Diversität wird zumeist eher als Lernvoraussetzung im Rahmen eines Unterrichts des Englischen als Zweitsprache, weniger als Ziel eines auf eine breitere Mehrsprachigkeit ausgerichteten Fremdsprachenunterichts gesehen. 1 Hinsichtlich der Unterrichtsformen werden vier Merkmale hervorgehoben, die in ihrem Zusammenwirken die Komplexität des Lehr-/ Lernvorgangs kennzeichnen (vgl. N EW L ONDON G ROUP : 31): „Situated Practice based in the world of learner’s Designed and Designing experiences; Overt Instruction through which students shape for themselves an explicit metalanguage of Design; Critical Framing, which relates meanings to their social contexts and purposes; and Transformed Practice in which students transfer and re-create Designs of meaning from one context to another“ (ebd.). Wie im Einzelnen sich die wissenschaftlichen Diskurse zur Multiliteralität in der englischsprachigen Welt im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre entwickelt haben, zeichnen Jennifer R OWSELL und Diane C OLLIER in ihrem Beitrag zum vorliegenden Heft nach. Ich möchte daher an dieser Stelle lediglich der Rezeption im deutschsprachigen Raum nachgehen. Diese fand ganz überwiegend (meinem Kenntnisstand nach sogar ausschließlich) im Kontext der Fremdsprachendidaktik statt. In spezifischer Weise wurden beide Zentralaspekte des Multiliteralitäts-Programms, die Fokussierung sprachlicher Vielfalt und die Erweiterung traditioneller Schriftlichkeit auf visuelle, audiovisuelle und computerbasierte Kommunikationsformen herangezogen, um sie für eigene Forschungslinien nutzbar zu machen, so vor allem im Bereich der Mehrsprachigkeits- und der fremdsprachenbezogenen Mediendidaktik. Dabei bestimmte der letztgenannte Bereich die Anfänge hiesiger multiliteracies-Rezeption (vgl. K UPETZ / Z IEGENMEIER 2004, K UPETZ / S CHNELLER 2005 und K UPETZ [et al.] 2005), später dann auch der Umgang mit hybriden Texten im Rahmen einer Textdidaktik (vgl. B LELL 2004, M ÜLLER -H ARTMANN 2007). Eine umfassendere Aufarbeitung der Multiliteralitäts-Ansätze im deutschen Sprachraum geht auf eine von Gerhard B ACH 2006 an der Universität Bremen organisierte Tagung zurück, deren zentrale Beiträge in E LSNER / K ÜSTER / V IEBROCK (2007) publiziert wurden. Die in ihr behandelten Themen betrafen im Wesentlichen den Erwerb von Mehrsprachigkeit in lebensweltlichen und institutionellen Kontexten, die Bedeutung mehrsprachlicher Literalität im Rahmen eines Gedankens europäischer Identität und die Entwicklung von Kompetenzen der Mediennut- 1 Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass eine Trennung von zweit- und fremdsprachlichen Lernkontexten in Schriften des anglophonen Raums wenig üblich ist. Spezifisch sprachlernbezogene Forschungen in einem übergreifenden Sinn finden wir u.a. bei K ERN (2000), K ERN / S CHULTZ (2005), S TEVENS (2005, 2006), L AMY / H AMPEL (2007) und U NSWORTH / H EBERLE (2010). Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 43 (2014) • Heft 2 zung. In der Folgezeit sind viele weitere Beiträge erschienenen, die explizit oder implizit auf das Multiliteralitäts-Konzept Bezug nehmen. Auch wenn es schwer ist, einzelne Gegenstände zu isolieren, da alle miteinander eng verflochten sind, lassen sich doch folgende thematische Schwerpunkte erkennen: • literatur- und mediendidaktische Aspekte im Kontext visueller und multimodaler Texte wie Graphic Novels oder Filme (vgl. u.a. den Sammelband von E LSNER / H ELFF / V IEBROCK sowie verschiedene Beiträge von Wolfgang H ALLET , zuletzt ders. 2012 a-b, 2013, ferner E LSNER 2013 und V IEBROCK 2013) • die Bedeutung des Design-Gedankens im Hinblick auf generisches Lernen (vor allem H ALLET 2009, 2011) • die Nutzung digitaler Medien in einer Multiliteralitäts-Perspektive, u.a. in der Lehrerausbildung (vgl. div. Beiträge in A BENDROTH -T IMMER / H ENNIG 2014 sowie in F UCHS / H AUCK / M ÜLLER -H ARTMANN 2012) • Mehrsprachigkeit bzw. die Vernetzung von Sprachen in print-basierten und digitalen Medienumgebungen (vgl. E LSNER 2012 a-b, 2013, 2014 und H ALLET 2010 sowie diverse Beiträge in A BENDROTH -T IMMER / H ENNIG 2014) • die Fokussierung von Komplexität und Vernetzungen (M ÜLLER -H ARTMANN 2011, K ÜSTER 2011) • Multiliteracies im aufgabenorientierten Unterricht (vgl. K ÜSTER 2009, M ÜLLER - H ARTMANN / S CHOCKER - VON D ITFURTH 2008) • individuelle Identitätskonstruktionen im Rahmen mehrsprachig-multimedialer Kontexte (div. Beiträge in A BENDROTH -T IMMER / H ENNIG 2014) Das vorliegende Heft versucht, Einblicke in aktuelle theoretische und empirische Arbeiten der Fremdspachenforschung zur Multiliteralität zu vermitteln. Auch wenn dabei selbstverständlich nicht die gesamte Breite des thematischen Feldes abgedeckt werden kann, sollen doch unterschiedliche Kernaspekte zur Geltung kommen. Ein vorgesehener Beitrag zur Computer Literacy musste aus Krankheitsgründen bedauerlicherweise entfallen. Gleichwohl durchzieht die Bedeutung der digitalen Medien einen Großteil der nachfolgend vorgestellten Aufsätze. Den Anfang machen J ENNIFER R OWSELL und D IANE C OLLIER (beide Brock University, Canada), die die Entwicklung der multiliteracies-Forschungen in den zwanzig Jahren seit ihrer Grundlegung einer kritischen Analyse unterziehen. Sie machen darauf aufmerksam, dass bestimmte Bereiche, die am Anfang eine wesentliche Rolle spielten, vor allem die Ansätze einer Critical Literacy, zugunsten anderer Schwerpunktsetzungen vernachlässigt wurden. Beispiele aus der eigenen Forschungspraxis, in denen sozio-kulturelle Fragen, insbesondere zu individuellen Identitätskonstruktionen, im Vordergrund stehen, beschließen den Beitrag. In einer wissenschaftstheoretischen Perspektive verortet J EAN -P AUL N ARCY -C OMBES (em. Université Sorbonne Nouvelle, Paris 3) die epistemologischen Setzungen des multiliteracies-Programms in einem größeren Horizont. Er vertritt die These, dass die unterschiedlichen, im Beitrag diskutierten Diziplinen bzw. Ansätze (Humanistische Psychologie, Emergentismus, Mehrsprachigkeitsansatz, Soziokulturelle Theorie und 8 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Multiliteralität) jeweils nur unvollständige theoretische Fundierungen zur Erforschung fremdspachlicher Lernumgebungen und Aufgaben bilden, dass sie einander jedoch in hohem Maße ergänzen. Es sei folglich eine wichtige Aufgabe der Fremdsprachenforschung als einer auf konkrete Praxen gerichteten Disziplin, diese Komplementarität anzuerkennen und zu nutzen. Dies gebiete der Anspruch von accountability. Mit dem Teilbereich der Visual Literacy befasst sich anschließend A LICE C HIK (Maquarie University, Sydney). Vor dem Hintergrund eines wachsenden Stellenwerts des Visuellen in einer Vielfalt unterschiedlicher Medienformate und Textsorten beleuchtet sie eingehend die theoretischen Arbeiten, die diesem Konzept in der jüngeren Vergangenheit gewidmet wurden. Am Beispiel einer Infografik, die sich auf MOOCs und TED Talks bezieht, entfaltet sie ihre eigenen Überlegungen zu der Thematik. Insbesondere legt sie ihre Überzeugung dar, dass Visual Literacy sich unter jungen Menschen nicht urwüchsig „von selbst“ entwickele, sondern einer gezielten Schulung bedürfe. Ebenfalls unter Einbeziehung des Visuellen, mit besonderer Betonung allerdings der Mehrsprachigkeit als Lernvoraussetzung und Lernziel im Englischunterricht, stellen D ANIELA E LSNER und J UDITH B ÜNDGENS -K OSTEN (beide Goethe-Universität Frankfurt/ M.) die Ergebnisse einer empirischen Erhebung vor. Diese gilt dem Sprachwechsel mehrsprachiger Kinder im Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe I bei der netzbasierten Arbeit mit dem mehrsprachig-multimodalen digitalen Storybook MuVit (vgl. u.a. E LSNER 2014). Das Forschungsinteresse richtet sich darauf, wie mehrsprachige Kinder ihre sprachlichen Ressourcen in den Sprachunterricht einbringen und welche Konsequenzen sich daraus für das Verständnis eines Einsatzes der Erstsprache/ n beim Fremdsprachenerwerb ggf. ableiten ließen. Eine benachbarte Fragestellung verfolgt eine dreiteilige empirische Studie, deren Ergebnisse der Beitrag von L UTZ K ÜSTER (Humboldt-Universität, Berlin) vorstellt. Sein Ziel ist zunächst, über den Weg einer online-Befragung ein Bild von der Breite und der Art mehrsprachlicher und multimedialer Praktiken unter studentischen Fremdsprachenlernern zu gewinnen. In einer Laborsituation wird ferner untersucht, wie intensiv und auf welche Weisen eine kleinere Zahl von Probanden ihren oft weit gestreuten Sprachbesitz bei der Arbeit mit dem Computer, hier speziell im Rahmen von Internetrecherchen, nutzen. Die Auswertung der individuellen logfiles wird ergänzt durch stimulated recall-Einzelinterviews. Insgesamt fördern die Analysen ein breites Spektrum unterschiedlicher persönlicher Profile zu Tage, das in der Zusammenschau einen hohen Grad an sprachlich-medialen Vernetzungen erkennbar werden lässt, die sich ihrerseits als Ausdruck von Multiliteralität beschreiben lassen. Den Abschluss bildet ein Artikel von S TEPHAN B REIDBACH , A NNE M IHAN und J OSÉ A. M EDINA S UÁREZ (alle Humboldt-Universität, Berlin) zu den Critical Literacies. Sie zeichnen die Entwicklung des Konzepts zunächst unabhängig von derjenigen des Multiliteralitäts-Konzepts nach, um dann die Verbindungen zwischen beiden im Rahmen fremdsprachlichen Lehrens und Lernens zu beleuchten. Während das Programm der multiliteracies sowohl als die gesellschaftlichen Ansprüche affirmativ aufgreifend als auch non-affirmativ ihnen entgegen tretend verstanden werden könne, beziehe Critical Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 43 (2014) • Heft 2 Literacy eindeutig einen kritisch-reflexiven Part. Beide - so die Autoren - sind notwendig aufeinander zu beziehen. Hierfür biete gerade der Fremdsprachenunterricht durch die in ihn eingeschriebene sprachlich-kulturelle Distanz besondere Möglichkeiten.Wenn wir Selbstreflexivität für die hier vorgelegte Publikation einfordern und fragen, inwieweit sich in ihr Elemente des Multiliteralitätsgedankens wiederfinden lassen, sei zweierlei kurz angerissen: Zum einen ist erkennbar, dass in Abhängigkeit vom Schwerpunktthema im gegebenen Format traditioneller Print-Medien auch andere Darstellungsformen integriert werden, so v.a. Screenshots und Bild-Textkombinationen. Ferner kommen nicht nur in den Literaturverzeichnissen, sondern z.T. auch in den Texten selbst Verlinkungen mit Internetseiten zum Tragen. Dies macht in nuce deutlich, dass sich die Print-Medien selbst wandeln und erweiterte Literalitäten erfordern. Zum anderen spiegelt sich in den Beiträgen eine gewisse sprachliche Vielfalt, da zu den Publikationssprachen neben Deutsch auch Englisch und Französisch zählen. In einem Fall, dem zuletzt vorgestellten, ist Englisch nicht die durchgängige Publikationssprache der Beteiligten, sondern als lingua franca der gemeinsame Nenner, welche die Zusammenarbeit erst ermöglichte. Die Hintergründe sprachlicher Diversität und ihrer Beachtung bzw. Nivellierung zu hinterfragen, stellt ein wichtiges Aufgabenfeld Kritischer Literalität dar, wie sie im Konzept der Multiliteralität angelegt ist. Literatur A BENDROTH -T IMMER , Dagmar / H ENNIG , Eva-Maria (Hrsg.) (2014): Plurilingualism and Multiliteracies: International Research on Identity Construction in Language Education. Frankfurt/ M.: Lang. B LELL , Gabriele (2004): „(New) Media Literacy: Gedanken zur Entwicklung von fremdsprachiger Lesekompetenz bei der Arbeit mit Hyperfiktion“. 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Drawing out theoretical and conceptual strands, they present parts of the original manifesto and how these parts have been situated (or not situated) within contemporary research agendas. Offering two case studies as vignettes of multiliteraciesin-action from their own research, the authors contextualize their argument that there has been an overemphasis on design to the neglect of social-cultural and linguistic approaches to adoption of the multiliteracies pedagogy. 1. Introduction The term ‘multiliteracies’ has been used in ubiquitous and multiple ways in educational research and this has caused us to pay attention to its history and evolution. Within this article, we speculate on some of the big questions that the N EW L ONDON G ROUP confronted when they forged the multiliteracies pedagogy, and assess their traction and impact after twenty years. Over time, ‘multiliteracies’ has been connected with many fields, but particularly research that focuses centrally on design and technology. However, the field is more complex than this rendering offers and, building on H ALLIDAY and K RESS ’ work, it is important to signal such key events as the assembling of the N EW L ONDON G ROUP in New London, New Hampshire in September, 1994 when they met to flesh out the multiliteracies pedagogy. It has been nearly twenty years since they cast their charter in the much-quoted manifesto (N EW L ONDON G ROUP 1996) and tome (C OPE / K ALANTZIS 2000) and in this article we unravel some of the convening history, the state of contemporary multiliteracies, and some potential directions researchers and educators can consider as they move forward with their research. The article will proceed in four parts: the first part * Addresses for correspondence: Diane R. C OLLIER , PhD., Assistant Professor, Faculty of Education, Brock University, St. Catharines, Canada, 500 Glenridge Ave, S T . C ATHARINES , ON L2S 3A1. E-Mail: dcollier@brocku.ca Research areas: Multimodality, home-school literacies, ethnography. Jennifer R OWSELL , PhD., Canada Research Chair in Multiliteracies, Professor, Faculty of Education, Brock University, St. Catharines, Canada, 500 Glenridge Ave, S T . C ATHARINES , ON L2S 3A1. E-Mail: jrowsell@brocku.ca Research areas: Multimodality, literacy studies, ethnography. A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 13 43 (2014) • Heft 2 accounts for the fall-out from the meeting and resultant publications; the second part documents contemporary multiliteracies; the third part illustrates an argument that we put forth in the article, and the fourth and final part looks ahead at future directions and implications for such research and intellectual work. The article rests on one central argument: the original mission of the multiliteracies pedagogy offered a coupling of linguistic diversity and attendant commitments to equity and social justice with a push for scholarship on multimodal meaning making and design epistemologies. With the passage of time, the braiding together of these “twin goals of access and critical engagement” (N EW L ONDON G ROUP 1996: 67) has loosened, perhaps even been fractured, and it is only recently that there has been a return to them in response to various critiques of the ways in which the original ideas have developed and been applied (cf. J ACOBS 2013/ 2014; L EANDER / B OLDT 2013). 2. Late 20 th century literacies and the New London Group’s manifesto A multimodal approach to literacy was at least partly inspired by H ALLIDAY ’s work on social semiotics (1978) and was followed up on by the New Literacy Studies (e.g. B ARTON / H AMILTON 1998; G EE 1996; H EATH 1983; S TREET 1984). Originating with S AUSSURE ’s notion of language as a sign system of arbitrary relationships between words and their meanings, these ideas were taken up by P EIRCE (1977) who focused on how signs come to mean, and the process of meaning-making rather than the structure of language as a system. P EIRCE proposed how meaning was expanded when language is used. In the 1970s, H ALLIDAY ’s (1978) approach to social semiotics described how language is socially negotiated and socially constructed. The elevation of written print text is described by G OODY / W ATT (1968), who emphasized the development of literate cultures and the ways in which they are different from oral cultures. G OODY and W ATT were particularly interested in describing how a culture’s use of a written literature changes, and how that culture views itself and its history. They also focused on the ways in which history is represented and the interest in, and criticism and representations of facts, in print, that accompany a literate culture. They argued that it is the individual focus, and the social stratification that becomes more apparent in literate culture between the writers and non-writers, that distinguishes many oral cultures from those who have developed a literature. Brian V. S TREET (1984) takes up these interpretations in Literacy in Theory and Practice, a good portion of which is a critique of Jack G OODY and Ian W ATT ’ S work. He introduces the terms ideological and autonomous literacy to describe what he argues as the primary division between schooled, academic literacy (autonomous) and local, specific, literacies (ideological). S TREET argues that autonomous literacy, the literacy that he believes that G OODY and W ATT , as well as much of the academic world, support, is decontextualised, elitist, and removed from everyday life. He contrasts autonomous literacy with the rich and context-specific literacies related to a particular context or group, including literacy practices that have developed for local pur- 14 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 poses and that serve people’s day-to-day needs for both oral and written language and communication. Similarly, G RAFF (1991) questions the inherent value of a print-based Western version of literacy as a source of social mobility, further probing societal arguments for literacy for all people as a goal that will lead to socially and economically transformed lives. G RAFF , in a history of the 19 th century literacy movement in England, The Literacy Myth, considered how many other elements, such as social class, gender, and other influences, must be considered in understanding how people’s employment and economic circumstances might be open to change, in addition to the fact of learning to read and write print. In the years before the meeting of the N EW L ONDON G ROUP and their pedagogical manifesto of multiliteracies, questions about the authority of print over other modes of communication were being raised in linguistic and educational circles, and the contributions mentioned thus far signal some of the key players who had begun to raise questions of equity and propose other ways of pushing back on dominant literacies. Literacy educators and researchers, according to S IEGEL (2006), have been interested in other modes, besides print, since the 1970s (cf. e.g. C LAY 1975) and the 1980s (cf. e.g. D YSON 1982; H ARSTE / W OODWARD / B URKE 1984). It would seem from the multiliteracies charter that the N EW L ONDON G ROUP ’ S overall goals were twofold: 1) to change what counts as literacy; and, 2) an acknowledgement of the multimodal nature of literacy practice. Broadly speaking, they were interested in how language and other modes are undergoing change; more specifically, their work applied to how individuals use modes as communicative resources in texts that they create and in the worlds that they inhabit. An output from the landmark weeklong conference in the United States were three strands embedded within the multiliteracies framework: 1) linguistic and discursive accounts of language and of meaning making; 2) critical pedagogy, accounts of power, and Freirean values; and 3) digital, design-based, multimodal epistemologies. With the passage of time, the third strand in the framework has been privileged and emphasized in research over the other two. Multiliteracies: Literacy Learning and the Design of Social Futures, the edited collection by C OPE and K ALANTZIS published in 2000, which resulted from the gathering, is evenly structured around the three strands and aspects of the multiliteracies pedagogy. Gunther K RESS ’ work on the multiliteracies pedagogy was central to the multiliteracies mission; his voice, amongst those in the group, leveraged the design/ available design/ redesign argument. Many of the other voices within the group would contribute to the design framework, but K RESS had the longest history of theorizing multimodality and design from his early work on social semiotics with H ODGE (H ODGE / K RESS , 1988) alongside his work in the mid-nineties with V AN L EEUWEN and on his own. K RESS ’ work with V AN L EEUWEN (1996) on Reading Images offered a grammar of visual design and his work on children’s multimodal meaning making stood out as an ideological stance that challenged the status quo. Over time multiliteracies has been yoked with design and seen as taking a design- A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 15 43 (2014) • Heft 2 based, multimodal perspective on meaning-making. However, multiliteracies is equally informed by sociolinguistic, social justice, and critical dimensions with whose histories we begin. Design plays a key role in adopting multiliteracies perspectives, but the original N EW L ONDON G ROUP manifesto equally encouraged critical, social justice framing as it did engagement with design, technology, and multimodality. Some of this more activist work has been lost over the years, with the ascendance and ubiquitous presence of technology and digital worlds. 3. Contemporary multiliteracies research and responses to the N EW L ONDON G ROUP Within the broader ambit of contemporary multiliteracies research is research that takes a critical approach to literacy. In particular, critical literacy and the work of such scholars as Peter F REEBODY and Allan L UKE have pushed for research that takes account of power and how text genres leverage power. Indeed, early literacy studies scholars working in critical literacy such as C OMBER (i.e. 1994), V ASQUEZ (i.e. 1994), and M USPRATT , L UKE and F REEBODY (1997) challenged cognitive and neuroscience explanations for how literate behaviour is developed by framing different texts socially, politically, and ideologically. Projects such as C OMBER ’ S (2010) Learnscapes project exemplified critical multiliteracies work where students designed a school garden to demonstrate a relationship between environmental communicative practices and literacy education. This kind of work pushes for a situated, ecological, and design-based approach to literacy learning. Rooted in a Freirean approach to learning, amongst other theories, these scholars and others exposed hidden agendas, political overlays, and topdown discourses. These theorists teased out the local and global meanings embedded within the design and content of diverse genres of texts. These scholars engaged with school and out-of-school contexts to examine issues of marginalization and disempowerment, and they interrogated texts as sites of power imbalance (cf. J ANKS , 2010). Many of these scholars researched and wrote contemporaneously with the N EW L ONDON G ROUP and their influential manifesto. One trajectory of critical research looked at the connection between local and global contexts. In 2002, B RANDT and C LINTON noted that the focus on local literacies may not adequately account for all of the literate activities in which we engage. Building on previous approaches, they argued for a consideration of the global, as well as the local, in a sociocultural consideration of literacy when they pointed to an exaggeration of the “power of local contexts to set or reveal the forms and meanings that literacy takes” (338). Alluding to S TREET ’s ideological model here, B RANDT and C LINTON contend that it is rare when local practices are not inflected with global ideals, values, and beliefs. In particular, they ask literacy researchers to consider the materiality of literacy, the ways that literacy ideas and objects travel across contexts in ways that they describe as “transcontextual” (343). Similarly, Mary K ALANTZIS and Bill C OPE describe ‘productive diversity’ as “instead of attempting cultural homogeneity upon people …” 16 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 [schooling/ education] approaches culture as “variegated internally as the local and global markets it serves” (2000: 130). Within the New London Group’s edited collection, education is critically interpreted as a local-global practice through four fundamental archetypal forms of modern education: exclusion, assimilation, multiculturalism, and pluralism (cf. ibid.: 123). In addition to the above, and building on the N EW L ONDON G ROUP ’ S manifesto (1996), a wide range of researchers and educators have considered how educational contexts include local literacies, multiple language groups and ethnicities, and multiple modes of meaning-making as language and literacy practices (cf. B ERNARD [et al.] 2006; P AHL / R OWSELL 2006). The research projects described through C UMMINS ’ work (C UMMINS 2000, C UMMINS [et al.] 2005, and C UMMINS [et al.] 2006) involved teacherresearcher collaborations. In the B ERNHARD [et al.] study, children who were English language learners wrote and illustrated identity texts about their lives outside of school and their experiences moving to a new country, although students were encouraged to write about anything in their daily lives. Multimodal literate identities - traditionally how one might view oneself as a reader or a writer but possibly expanded to include one’s engagement in a range of communicative practices - can be observed or found in texts as traces of literacy practices. R OWSELL / P AHL (2007) contend that “identities can be found within practices and […] it is possible to trace the sedimentation of these practices into text making” (393). They elaborate how literacy practices - the kinds of practices that are valued and promoted in particular contexts - become layered in the texts produced. Following M OLL / D WORIN (1996), many have attempted to draw on community funds of knowledge to build bridges between community and school. Family members have come to schools to share knowledge and stories and teachers have researched community interests, ethnic backgrounds, and linguistic resources (cf. B LOOME [et al.] 2000). Bilingual schools have attempted to have children develop a second language (usually English) by building on the resources of a first language, often Spanish (cf. M OLL [et al.] 2005). Others have attempted to use “authentic” or “real-life” forms and functions of print literacy in classrooms (cf. P URCELL -G ATES / J ACOBSON / D EGENER 2004; P URCELL -G ATES / D UKE 2007). In addition to the previously mentioned studies, many models of multiliteracies teaching certainly exist in the literature (cf. e.g. H EALY 2007; K ALANTZIS / C OPE 2005; M ILLER / M C V EE 2012; U NSWORTH 2001; Z AMMIT 2010). These researchers call for explicitly teaching affordances of various modes of representation. However, these models, sometimes neglect the social justice side of multiliteracies. An influential and important study of multiliteracies-in-use is C HANDLER -O LCOTT and M AHAR ’s (2003) study, in which researchers took a multiliteracies approach to adolescent girls’ use of digital technologies in their literacy practices. At the time, their study was unique and innovative in applying multiliteracies to a particular population in a certain context. There are two major themes that emerged from their well-cited article: 1) the centrality of multimedia and popular culture; 2) the importance of online relationships to young people. A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 17 43 (2014) • Heft 2 4. Multiliteracies and our research To illustrate our argument, we draw on two of our research studies - one of an English language learner designing his Facebook page and one of a child designing her digital poster. They are quite distinct portraits, but we believe that they equally portray the strength of combining broader multiliteracies strands, and they represent a commitment to linguistic and discursive diversity as well as to social justice and critical engagement. 4.1 Vignette #1: Thinking about English Language Learners and multiliteracies pedagogy Jennifer R OWSELL ’ S vignette draws from a research study that she and a graduate student, Julianne B URGESS , conducted on ways that individuals materialise themselves within digital spaces, specifically social media spaces. R OWSELL and B URGESS interviewed youth in a language college course about how they design their Facebook pages. The young man featured in this vignette is a student at a community college in the province of Ontario who was completing an English-as-a-Second-Language program called LINC - Language Instruction for Newcomers to Canada. Data collection for this modest study of four language learners in the LINC program involved in-person interviews and observational fieldnotes collected when R OWSELL visited Julianne’s college class and spoke informally with case study participants. Before each interview, case study participants logged onto their Facebook pages and throughout interviews, participants referred to their pages. Later, B URGESS and R OWSELL met with case study participants to clarify aspects of their Facebook pages. During discussions about Facebook pages, participants pointed out specific parts of their Facebook pages such as photographs and written texts that were germane to interview dialogues and to the theme of sedimenting identity within their particular Facebook designs. Phenomenology played a role in highlighting affect, emotional essence, and embodiment within designed pages. For data analyses, R OWSELL / B URGESS (2014) applied an im/ material conceptual framework as a way of isolating and extrapolating themes in the interview data. By ‘materialities’ and ‘immaterialities’, R OWSELL refers to things that are physically present such as screens, clothing, bodies, objects and things that are more intangible such as memories, histories, feelings, and values. The argument rests on a belief that in order to fully capture the thought and communicative repertoires used to design, researchers should have a closer eye on naturalized processes of combining material effects such as colour, framing, camera angle, and lighting with immaterial effects such as kindness, loyalty, joy, and religious convictions (cf. B URNETT [et al.] 2014). Where the concept of ‘play’ was often associated with material objects, nowadays with sundry devices and technologies, play can be constituted within immaterial contexts and objects. Moving images, sounds, touching, image reception, etc., although clearly possessing material qualities, do not always have concrete, physical features. Even more so, material things such as the image of a rapper on a Facebook page would signal cer- 18 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 tain associations, belief systems, and predilections. These material qualities are experienced as individuals view and produce texts. Certainly Sam, in the focal case study below, moves easily in and out of material and immaterial literacy practices. When looking briefly at one case study, texts produced by Sam (a pseudonym) illustrate what we are attempting to say about multiliteracies as a body of work that benefits from an equal emphasis on linguistic diversity, social justice, and design. Sam is a soft-spoken young man who has faced many struggles in his life and he has, at times, felt marginalised in different environments; yet he remains an idealist and a romantic, and, according to Sam, his music and faith sustain him. Sam identifies as Burmese although his family is ethnically Chinese, having escaped the war in China in the 1960’s. At the age of 16, Sam was forced to flee Burma for Malaysia by himself after a violent encounter with the Burmese military. He lived with relatives in Malaysia and worked while studying network engineering. He completed his program but was refused a diploma because he was not a Malaysian citizen. At the age of 23, Sam left Malaysia and came to Canada on his own. Sam is multilingual; he speaks Burmese, Chinese and Malay. As well, Sam is a dedicated musician and he dreams of being a musician and composer as a profession. His preferred instrument is the guitar and he writes love songs in Burmese and English. He brought his guitar to class often for various celebrations, and he plays his own music with intensity and emotion. Sam changed religions after leaving his homeland, converting from Buddhism to Christianity. His Christian identity is reflected in the large cross he wears around his neck and in his online presence. He is an avid Facebook user and uses the social networking site to keep in touch with friends in several countries and to share his music. Although he faces many challenges as a newcomer, Sam is comfortable with his life in Canada. We examined how individuals in the same college language class use Facebook to materialize and sediment parts of their identities in social media. Multiliteracies offers a fitting conceptual framework to analyze Sam’s Facebook design in that it: 1) shows how he applies the principles of design, available design and redesign within this extrapolation of the ways in which he plans out his Facebook page; 2) signals his linguistic repertoires and socio-cultural diasporic identity practices; and, 3) demonstrates how Sam leverages both design and cultural/ religious/ linguistic diversity to materialize a particular identity. In terms of our over-arching argument, Sam exemplifies sophisticated communicative practices by carving out an identity in a new place, while still existing within former ones. That is, Sam relies on his diasporic experiences to design and materialize self in digital worlds (i.e., design enhanced through linguistic diversity and socio-cultural capital). Sam is detailed, definitive and excited when he talks about how he designs his Facebook pages: I use Facebook for my (long pause), how do you say, like for my home, my music, or something, like most of the time I use it for my music, and sometime I use for friendship (J - for friendship? ) Yeah for friendship, and sometimes I use for, like to for international news. April 2013 A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 19 43 (2014) • Heft 2 He continues in this vein - focusing particularly on music as a source of inspiration within this Facebook profile: Music is uhhh, the people who share their music, also I comment and I watch their music and I give feedback and I comment some, writing if it is good or bad, and I sometimes also share my own music, and I also want to know what, what the feedback about my music, I want to get the feedback. April 2013 Sam shifts from music to talk about his other inspiration, religion. Sam converted to Christianity after being a Muslim for many years. Sam regularly shares excerpts from The Bible. Quite symbolically, Sam strictly uses his Christian name on Facebook even though many of his friends and family around the world only know him by his Burmese name. Figure 1: Sam’s Facebook Design (page 20) There is a definite conflation of his experiences within Figure 1. Across his different Facebook pages there are images of Aung San Suu Kyi, who leads a democratic league in Burma - an image of his favourite rapper and movie - images of his favourite food - friends - technology - and more. These are pastiches of his ruling passions (cf. B ARTON / H AMILTON 1998). Sitting with Sam in his college classroom and observing him play the guitar and interact with classroom peers, it is clear that he has eclectic tastes and that these tastes are materialized on his Facebook page. There is something important, sophisticated and under-theorised within education about the naturalised practice of taking a physical form and transforming it into an ephemeral, vaporized self. The process of breaking down identity into fractal parts tied to linguistic systems, cultural practices, social class, and aesthetic preferences and then materialising these very same ideologically laden constructs into aesthetic, physical features is sophisticated in ways that are not well understood. Figure 1 captures a few pages from Sam’s Facebook pages (different pages for different purposes) that have since changed. That is, these designs, although they sediment key ideas, discourses, and ideologies, are temporary, iterative and constantly remixed. As a part of his communicative repertoire, Sam is in the habit of projecting his identity and shifts in identity through designs. But, these designs are far more than simply having savvy with technology or technical design skills, these designs are heart-felt sentiments and deeply held views about his positions and convictions. 20 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 Figure 1: Sam’s Facebook Design A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 21 43 (2014) • Heft 2 4.2 Vignette #2: Reflecting on gender, class, popular culture, and multimodal composition Diane C OLLIER ´ S vignette describes how a girl in the middle years of elementary school (10 years old) created a digital poster designed to tell “all about her”. Stephanie, the creator of the poster, was a participant in a two-year ethnographic study of children’s multimodal text-making practices at home and at school. The larger study explored how children’s everyday resources (A LVERMANN / H ONG -X U 2003), identities, and texts are constructed across time and space at home and at school. The digital poster, using EDUGlogster™, was a culminating task for the research project and was completed in Stephanie’s Grade 4 class, primarily in the computer lab. All of the children in Stephanie’s class created a digital poster, although Stephanie, and one other student who was a participant in the study, had access to the digital images and video generated throughout the study. All students were able to bring images and objects from home and had access to images, video, and websites from the internet. Data for the study was generated at all stages of children’s multimodal compositional processes: introductory exploration of the website, several days of drafting the digital poster, receiving feedback from adults and peers, and presentation of the posters to the class. Children were not taught any elements of design for this project, and no specific models or exemplars were used in preparation for using the digital poster. C OLLIER , the researcher, did show the children the features of the tool using posters created for other purposes and then children were give one class session to explore the menu items that they could add to the digital poster - word boxes, images/ photographs, video, audio, and graphics. As well as looking at the textual product, as one would a finished piece of writing, this project highlights the important of textmaking histories (cf. K ENDRICK / M C K AY / M UTONYI 2009; S IEGEL / P ANOFSKY 2009) and connections to other texts (cf. L EANDER [et al.] 2010; P ENNYCOOK 2010). An important consideration in this poster-making process, and the larger study, was how children consume and produce multimodal texts that connect to elements of popular culture, or everyday culture (cf. B UCKINGHAM 2003; A LVERMANN 2012). In this particular case, C OLLIER was concerned with how the practices and discourses of low-income girls might be viewed with respect to literacy practices and how certain kinds of texts, related to the interest of some girls and often originating out of school, might be seen as less valuable (cf. B AKHTIN 1981; H ICKS 2002, 2005). Starting from a stance that girlhood is socially constructed (cf. M ITCHELL / R EID -W ALSH 2005; W OHLWEND 2009), in this vignette, C OLLIER critiques autonomous models of literacy and looks toward the everyday as source for thinking about multiliteracies and multimodal text-making. Stephanie attended a neighbourhood school that served a public housing development in Eastern Canada. Most of the children in Stephanie’s school received free lunch and the school often scored in the bottom tier in provincial literacy and math assessment. Stephanie lived at home with her parents and had an older brother and sister who no longer lived at home. Stephanie engaged in dance lessons and her participation was 22 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 funded through a non-profit organization and she was also enrolled in a free cadet leadership program. Stephanie’s mother worked at a bakery chain, only during the hours that Stephanie was in school. At home, Stephanie’s home was a beehive of activity; her mother had knitting and photo album projects in progress, and the kitchen table often was set up with a craft project that she and Stephanie were engaged in together (bedazzling T-shirts, for example). Stephanie’s bedroom was crammed and organized with sets of Barbies (many still in the package), stuffed toys, posters of boy bands and Miley Cyrus as Hannah Montana, and, in many ways, exemplified pink and purple packaged popular girlhood. In her room, Stephanie played cards and board games, coloured pictures, read joke books, and worked on re-organizing her room. At school, Stephanie found it difficult to get along with her peers, boys and girls alike, and needed a great deal of support with her school work. She was viewed as a child who could follow or imitate teacher models, with little capacity for independent or creative thought. The contrast between Stephanie and home and at school became one of C OLLIER ´ S chief concerns throughout the project. An introductory analysis of this multimodal text (see Figure 2, page 23), its production, and implied audiences suggests that the identities that Stephanie projects in her digital text are complex. The combined elements of her digital text often display the purple and pink colours of consumer goods targeted at girls. She included a puppy that perhaps looks like a stuffed toy, and a friendly Taylor Lautner (not in his werewolf form from the Twilight book and movie series). The centre-piece of the poster is a video of Stephanie performing an upcoming dance number that we videotaped during a lunch period. Stephanie’s final poster shows a cross-section of interests, some that represent popular interests and other that represent her competencies outside of formal classroom settings. Although Stephanie had access to many classroom texts that included other visual and print formats, she did not choose any for this poster. One might wonder what images and representations Stephanie might have chosen without access to the images and video from her home and the research project in which she was involved. A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 23 43 (2014) • Heft 2 Figure 2: Stephanie’s Digital Poster - All About Me 24 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 During early poster-making sessions Stephanie frequently asked questions of her teacher and asked her peers to help her save drafts and remove images. Over sessions, Stephanie spoke less and less as she confidently added text, resized images and video, and selected images collected throughout the research study. She also quickly considered and rejected various images as inadequate to the self-portrait she was trying to paint. In contrast to many children’s reluctance to revise print-based texts, Stephanie easily inserted, removed, and rearranged the components of her digital poster. Although Stephanie and her classmates did not have formal instruction on the features of a ‘good’ poster, they implicitly created work with elements of design in mind. Stephanie included a clear title in a frame at the top of the poster, created spaces between the individual elements, and places the most powerful piece, the dance video, in the centre. With the audio narration, Stephanie guided the future viewer through the piece. Not all children included this element in their poster. Stephanie also appeared to be an audience for her own poster, as she worked through and tried out different possibilities. There seemed to be a desire, on her part, to represent herself authentically by including a range of her experiences and identities rather than only present a glamorous and savvy persona, as Stephanie (and implicitly her mother) often appeared to do with many coordinated and trendy outfits that she often wore to school and that she and her mother picked out each evening. Stephanie’s consumption of popular culture and concern with appearance are strategically used and rejigged (cf. C ARRINGTON 2003) for her own purposes in the identities she presents in her digital poster. Positioning herself inside of this research, the representation that Stephanie presented rang true for C OLLIER , and showed sides of Stephanie that were not always apparent in the identities she appeared to inhabit in her classroom or at school. The ways in which multimodal texts are made and remade is not straightforward, especially when the anticipated audience can go far beyond the classroom. Looking at texts through ethnographic observations that considers textmaking processes offers information about histories and identities that may be invisible in the finished/ final text. As mentioned earlier our main argument is to move beyond design and digital literacies and, here, to consider what might happen when one can’t see a wide-open future for children who might not engaged with text and interests most valued by school (cf. N IXON / C OMBER 2006). In order to provide equitable classroom contexts for all children, it is necessary at first to learn about how resources and texts from everyday culture shape their textmaking and social identities. The interests and out-of-school resources of low income girls are sometimes overlooked, sometimes in the shadow of current popular interest in boys’ reading and success at school (cf. E PSTEIN [et al.] 1998; S MITH 2003). In order to learn from all children, it is necessary to look up close and then, to find ways to solicit, validate and include these stories in classroom practices. Flanking one vignette of a case study next to the other they are quite different: one is an adult male - the other is an adolescent girl; one is a culturally and linguistically diverse language learner - the other is a white monolingual Canadian. Nonetheless, there are some similarities that, admittedly tenuously, can be teased out to illustrate our A Room with a View: Revisiting the Multiliteracies Manifesto, Twenty Years On 25 43 (2014) • Heft 2 point about a more robust multiliteracies perspective. Sam is aesthetically attuned and a self-proclaimed musician and spiritualist. Stephanie feels inspired by dance, popular culture, and fashion. In this way, for both Sam and Stephanie, the arts, aesthetics, design give them power and allow them to emote. They have many interests and these interests are sedimented into texts, but actually more is going on here, as they exist in a sea of texts, images, songs, clothing, etc. They enact themselves as a way of being - not necessarily or always for others but as a response to the figured worlds (cf. H OLLAND [et al.] 1998) that they enter and exit. Sam and Stephanie command attention because they signify themselves both digitally and non-digitally. Sometimes they pull others, such as friends or a parent, into their signifying, but usually they imagine and react through designs. Certainly looking across both vignettes, we can see a number of intersections and differences but both argue for the importance of design - taught both explicitly and in open-ended fashions. Some of the critique of the centrality of design discourse (cf. e.g. L EANDER / B OLDT 2013) in multiliteracies research focuses on the intentionality of designers and the slippery and watered-down ways in which the original intentions have been taken up by classroom teachers and researchers alike. In these two examples, we see how design might occur in less intentional and more fluid ways and argue for an evolving understanding and application of multiliteracies pedagogy. Like J ACOBS (2013/ 2014) we see schools as often lacking “playfulness and exploration” (272) and encourage less bounded approaches to literacy that engage bodies, objects, and texts. Although textmakers may follow a “conscious and deliberate design process” (S TORNAIULO / H ULL / N ELSON 2009: 386) their design may also be less intentional, more recursive, influenced by relationships, and less designed in advance. 5. Future directions and implications The multiliteracies pedagogy has a strong following, and is represented by many farreaching theoretical frameworks. It has come dressed in many clothes and not all of them consistent with the original mission (albeit, how we as scholars read and interpret it). We might ask ourselves if an exact alignment with the original vision or principles or tenets is even necessary or desirable. As ethnographers, we have both conducted longitudinal research with a range of learners, and we both feel strongly that something quite nuanced, embodied, and sensory-led happens when an individual invests in contemporary design work. 26 Diane R. Collier, Jennifer Rowsell 43 (2014) • Heft 2 Literature A LVERMANN , Donna E. / H ONG X U , Shelley (2003): “Children’s everyday literacies: Intersection of popular culture and language arts instruction”. In: Language Arts 81.2, 145-155. A LVERMANN , Donna E. 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Implementing institutional learning environments cannot be done without accounting for the decisions made and therefore involving citizens, decision-makers and learners in the process, our assumption is that ideological positions are stronger when supported by scientific arguments. 1. Positionnement Les langues de scolarisation soulèvent des interrogations fondamentales qui expliquent l’intérêt que les nouvelles littéracies ont éveillé chez un didacticien des langues pour qui, langue, contenu et société/ culture sont indissociables (cf. N ARCY -C OMBES 2005). Précisons d’emblée que, chercheur en didactique de l’intervention en suivant la méthodologie de la recherche-action (ibid.), l’auteur voit la science comme un discours socialement/ nationalement situé, où l’observateur doit être intégré dans sa recherche (cf. B OURDIEU 1980). L’engagement dans l’intervention, souvent suite à des demandes institutionnelles, sensibilise au construit d’accountability (idem) sans équivalent français, ce qui n’est peut-être pas anodin. Suivre ce construit modifie le comportement du chercheur qui se trouve parfois dans l’obligation de concilier des phénomènes contradictoires dans les actions qu’il entreprend avec ses partenaires. Ce texte s’inscrit dans le mouvement épistémologique qui s’oppose à la notion de science “universelle” et “objective” et rejoint l’épistémè actuelle qui contrairement à l’épistémè positiviste, est celle de la complexité (cf. V ARELA 1993, M ORIN / L EMOIGNE 1999) qui repose sur la déstructuration et l’incertitude (cf. F OUCAULT 1966; D ERRIDA 1967; M ORIN 2000). La notion de progrès est rejetée comme le fait P OPPER (1999) pour qui tout est résolution de problèmes. Le problème épistémologique actuel est d’ac- * Adresse pour correspondances: Jean-Paul N ARCY -C OMBES , Professeur émérite des universités, Université Sorbonne nouvelle - Paris 3. E-Mail: jean-paul.narcy-combes@wanadoo.fr Domaines de spécialité: Didactique, épistémologie, dispositifs, tâches. 30 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 cepter qu’une incertitude bien gérée dans un cadre complexe est plus « raisonnable » qu’une certitude « naïve » que les faits contrediront sans cesse (cf. G IGERENZER 2009), néanmoins, par besoin de sécurité, les humains se réfèrent souvent à une doxa (B OURDIEU 1980) qui rassemble en désordre les opinions générales, les préjugés et les hypothèses hâtives sous formes de représentations collectives (cf. D ÜRKHEIM 1898), comme le rappellent le politique et la société civile qui proposent des certitudes (idéologies, religions) plus rassurantes. Il parait ainsi difficile de nier l’influence du contexte de production sur les connaissances scientifiques et sur la construction de l’objet de recherche (cf. B OURDIEU 1987, C ALLON / L ATOUR 1991, M ORIN 2000). Il faut aussi reconnaître que l’influence de la psychologie humaniste; Carl R OGERS (1969) - regard positif inconditionnel sur autrui, attitude de non-jugement, ouverture (disclosure), reflexivité - a été d’autant plus apprécié que ses positions suivaient un authentique travail scientifique. L’éducation des humains est vue sous deux dimensions; cognitive/ intellectuelle et affective/ émotionelle. Pour les théories de l’émotion (D AMASIO 1999) et l’émergentisme (cf. V ARELA 1993), il s’agit d’une dimension unique, ce qui confirme le concept de whole person de la psychologie humaniste (compréhension des autres, création de relations positives, identification personnelle au processus d’apprentissage). L’éducation est un processus de réalisation de soi ce qui assigne à l’enseignement/ l’institution la tâche de créer des apprentissages et des environnements qui favorisent la réalisation du potentiel complet des apprenants. Dans ce cadre M ASLOW (1967), entre autres, souligne les besoins clés des humains dont la non-satisfaction génère de la frustration conduisant à l’agressivité ou à la résignation, et à des jeux où s’opposent besoin de sécurité et besoin de pouvoir. On peut ainsi mieux comprendre les phénomènes sociologiques au niveau individuel. Admettre que la science n’est que résolution de problèmes conduit à déconstruire les phénomènes soumis à l’observation afin de favoriser l’intervention didactique. Ce lent processus de déconstruction a été influencé pour l’auteur par les traditions intellectuelles qui influençaient le chercheur et a fini par lui donner un cadre épistémologique et méthodologique. Ont joué, d’une part la recherche de l’universel, d’autre part l’attention portée à ce qui relève de l’idiographie, alliance de positionnements complémentaires que la rencontre avec les écrits de L E D OUX (2003: 38) allait conforter: « […] si nous partageons à la base les mêmes processus mentaux assurés par des structures cérébrales identiques, la façon dont ces processus et ces mécanismes se déroulent est déterminée par notre fonds génétique propre et notre expérience de la vie ». Il convient de chercher ce que les humains partagent et comprendre ce qui les conduit à être tous différents et uniques, et établir une liste de problèmes posés de façon scientifique, selon des théories reconnues (cf. B ACHELARD 1938). Précisons ici que toute assimilation entre universel et spécifique et « global » et « local » serait hâtive. Sans vouloir entrer dans un débat qui ne rélève que superficiellement de la problématique de cette contribution, rappelons que, dès N ARCY 1998, nous écrivions que le global est de l’ordre du technologique au sens large de ce qui relève de l’inventivité humaine, mais que le regard que l’on porte sur lui reste local, c’est-à-dire particulier. De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues 31 43 (2014) • Heft 2 Dans des recherches interventionnistes, une question initiale est de distinguer ce qui relève de la nomothétie et est prévisible. On peut affirmer qu’il existe des domaines essentiellement nomothétiques (cf. L E D OUX 2003 supra) même si les résultats de ces domaines n’échappent pas aux effets de leur contexte de production (neurolinguistique, psycholinguistique, acquisition, par ex.). Dans ces domaines, plusieurs théories sont en concurrence ce qui limite les conclusions et conduit le chercheur qui s’appuie sur elles à se positionner. De plus, si, comme l’affirme P OPPER (1995), une théorie n’est plus pertinente quand elle est invalidée, que penser quand les théories sont concurrentes ? Enfin, en didactique, il est difficile d’énoncer des lois universelles tant les variables contextuelles sont nombreuses. Il reste donc au chercheur à expliciter son positionnement en fonction du contexte où il œuvre, puis, en fin de recherche, à s’assurer que ce positionnement n’a pas été invalidé, et ceci s’impose également dans des projets institutionnels. Pour des chercheurs (H OFSSTADTER / S ANDER 2013) le fonctionnement de la pensée est essentiellement analogique, avec des variations selon les cultures sur la forme que prend l’analogie. On rejoint P IAGET (1970) qui oppose assimilation (analogique) et accommodation. Un cheminement cognitif fréquent part de l’assimilation pour aller vers une projection (prédiction projective, donc analogique) qui guide la réaction qui sera justifiée par une rationalisation, terme à prendre avec son sens analytique de justification. Or, pour être efficace, le cheminement pourrait plutôt commencer par une distantiation, en lien avec une réflexion ou une/ des description/ s théorique/ s, afin de parvenir à une accommodation qui permette une prédiction pour enclencher une action qui soit explicable et rationnelle. Le jeu de nos émotions conduit parfois à préférer le conditionnement et la rationalisation au recul et à la réflexion (cf. N ARCY -C OMBES 2005), afin de nous protéger de la menace du changement (cf. R OGERS 1969), et ceci est sensible chez le chercheur comme chez les apprenants qui risquent de refuser tout apprentissage trop éloigné de leur connu initial. La neurophysiologie (cf. L E D OUX 2003, D AMASIO 1999) s’annonce nomothétique, comme le font les sciences de la cognition et en cela l’émergentisme. Il est des champs qui relèvent à la fois partiellement de la nomothétie et de l’idiographie selon le type de recherche qu’ils suscitent, ici nous pensons aux études sur le plurilinguisme selon qu’elles ont une inclinaison psycholinguistique ou sociolinguistique. L’arrêt sur ces domaines n’est pas fortuit, il correspond aux problèmes relevés et déconstruits en didactique de l’intervention. Depuis longtemps les pratiques pédagogiques dans les dispositifs d’apprentissage de langues ont été influencées, explicitement ou non, par les recherches en linguistique, linguistique appliquée et en didactique. Le béhaviorisme a favorisé des exercices répétitifs visant l’automatisation, plus récemment, les approches communicatives et actionnelles ont été développées au travers initialement de la théorie des actes de paroles (S EARLE 1969), avec une prise en compte progressive du constructivisme (P IAGET 1970) et du socioconstructivisme (V YGOTSKI 1934-1997). Toutefois, concevoir l’apprentissage de l’objet langagier, de manière purement mécanique ou sociale, ne semble pas apporter les outils nécessaires à une appropriation “réussie”. Dans les années 90, 32 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 l’émergentisme a pris une place importante dans la recherche en acquisition du langage permettant de réintroduire l’importance des contraintes biologiques dans les apprentissages. Néanmoins, cette approche a peu à peu décliné dans les années 2000, car elle ne permettait pas d’introduire, en plus d’une réflexion sur des phénomènes ascendants, l’influence du caractère social dans la construction de l’individu. Le plurilinguisme a mis l’accent progressivement sur le fait que la faculté de langage correspondait à ce qu’on appelle encore la compétence plurilingue (cf. C OSTE [et al.] 1997). Le lien entre le langagier et les savoirs et les formes que l’accès à ceux-ci peut prendre a interpellé les chercheurs en didactique des langues, diverses réponses ont été données comme, p.ex., immersion, CLIL, Emile, enseignement bilingue (cf. D ALTON -P UFFER 2007), mais la prise en compte de l’environnement technologique a modifié les conceptions mêmes de la littéracie à propos de laquelle une réflexion s’est fait jour sous le nom de multilittéracies en particulier parce que l’accès à la littéracie semblait être inégalitaire, et que les bénéfices du plurilinguisme étaient clairement liés au statut socio-économique des individus (cf. B ÜNDGENS -K OSTEN / E LSNER dans ce numéro). Notre réflexion aura pour but de proposer un regard complexe, mesurant les apports que ces cinq champs théoriques proposent afin de les déconstruire pour déterminer s’ils peuvent s’intégrer dans une réflexion holistique, mais non-exhaustive, de l’intervention. Nous commencerons par préciser les notions de ‘langage’, ‘langue’ et ‘discours/ parole’. Dans notre perspective, le langage est la faculté que les humains ont développée pour communiquer, mais également organiser leur monde. La réalisation physique en est la parole ou discours (cf. S AUSSURE 1967). Les groupes humains ont donné au langage des réalisations physiques différentes qui ont été codifiées en langue(s), construit social complexe selon qu’il est traité par les linguistes, les politiques ou les locuteurs, car chacun construit cette objectivation du discours/ de la parole à sa façon. De plus, il ne nous parait pas possible de dissocier l’apprentissage langagier de celui des disciplines, ou des contenus, ni de le dissocier du contexte culturel de l’énonciation. L’intérêt d’une réflexion conjointe entre psychologie humaniste, émergentisme, théories socioconstructivistes, plurilinguisme et multilittéracies réside dans la prise en compte des phénomènes universels (génétique, biologique, neurologique, etc.) et spécifiques (sociologique, psychologique, etc.) dans le processus (de développement) langagier. Rappelons, avant d’aborder l’émergentisme, qu’à l'origine de la neuropsychologie, on trouve un postulat central; les conduites et les processus mentaux sont sous-tendus par des événements physico-chimiques ayant leur siège dans le cerveau (cf. L EDOUX 2003). 2. L’émergentisme L’émergentisme est une approche processuelle des phénomènes cognitifs, et donc langagiers. Ce que nous appelons ‘syntaxe’, ‘lexique’, ‘phonologie’ sont un ensemble de processus organisés de telle manière que l’information peut être traitée entre individus De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues 33 43 (2014) • Heft 2 de façon efficace, rapide et économique (cf. O’G RADY 2010). De plus, ces caractéristiques permettent à un système qui est plus que la simple somme de ces parties (cf. E LLIS 1998) d’émerger de manière non-linéaire et donc non-prévisible, susceptible d’être facilitée par entraînement dont les technologies de l’information et de la communication (TIC) modifient radicalement les conditions. En ce qui concerne la cognition, d’une conception symbolique (un objet équivaut à un signe) avec une organisation en représentations on est passé à une conception connexioniste où il n’y a ni signes, ni représentations (cf. B ERTIN / N ARCY -C OMBES 2012). Les recherches confirment le fait que nos sens sont conditionnés par nos expériences préalables, et que notre cerveau réagit aux sensations en fonction des connexions déjà en place, avec des ajustements plus ou moins efficaces car des réseaux parallèles donnent des signaux divergents (cf. E AGLEMAN 2012; N ARCY -C OMBES 2005). Des chercheurs avancent que penser c’est prédire (par analogie ? ) (cf. G IGERENZER 2009). V ARELA (1993) a souligné la différence entre le cognitivisme, ou computationnalisme, qui travaille avec l’hypothèse que le niveau cognitif est autonome et une approche dynamique qui travaille avec des variables biologiques et des activités neuronales plutôt qu'avec des symboles et qui ne reconnait pas de séparation entre la cognition et son incarnation. Le concept de propriétés émergentes est une des conséquences clés de cette approche, qu’on ne trouve pas dans la vision computationnaliste. L’activité que l’on appelle « symbolique » fait toujours partie d'une situation, d’un contexte, qui produit certains types de récurrences sensori-motrices que le discours traduira en symboles. Quand l'unité des modules cognitifs s'est construite, le sujet a une perspective particulière sur le monde dont son discours lui donne conscience. Le langage qui fait la différence entre avoir une expérience, reflétée par un comportement neuronal, et la capacité réflexive. L'homme primaire n’avait pas de conscience réflexive, celle-ci est liée à l’apparition du langage. Dans la vie quotidienne, cependant la plus grande partie de l'expérience est primaire, pas réflexive (cf. V ARELA 1993), la rationnalisation permet de la justifier dans le discours à postériori (voir supra). Si l’organisation cognitive interne se limite à des connexions synaptiques, et à des événements physico-chimiques (voir ci-dessus), en restant conscients que le connexionisme n’explique pas tout, il reste à mesurer ce que cela implique. Notre hypothèse est que ce n’est ni la description, ni le classement symboliques qui importent (la grammaire et le vocabulaire), mais les actions sociales prévisibles qui mettent en action les processus et dont les jeux émotionnels modifient la prévisibilité. De ce fait, dans notre conception d’une tâche, celle-ci est initialement une (inter)action sociale sur du contenu qui soulève des problèmes. Résoudre ces problèmes enclenchera la création et la stabilisation de processus internes qui modifieront le système langagier et cognitif de l’individu. Il se peut que l’interaction conduise à des échanges sur les formes, et que ces échanges stabilisent des réseaux, comme il se peut qu’un entraînement soit nécessaire pour le faire (exercices ou autres). Des recherches ont également montré que l’emploi des outils informatiques de production de texte permettait de stabiliser les formes attendues chez des apprenants peu sensibles au travail métacognitif abstrait (cf. N ARCY -C OMBES 2005). 34 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 Les recherches auxquelles nous venons de nous référer ouvrent des voies sur l’intrapsychique et le cognitif, la complémentarités imprévisibles des tâches, les liens entre processus et tâches, la nécessités d’(inter)actions, la valeur et limites de l’entraînement et donc ce qui est universel en neurophysiologie, mais elles ne nous permettent pas de définir une approche pour prendre nettement en charge les composantes affectives et psychosociales de ces phénomènes qui en modifieront les développements. Restent donc sans réponse les problèmes individuels et les situations où le développement ne se déclenche pas comme souhaité. Pour résoudre les problèmes que cela soulève, tournons nous vers les autres théories. 3. Les théories socioconstructivistes Ces théories nous apportent une vision sociale des phénomènes langagiers. Le constructivisme de P IAGET (1970) reste centré sur l’individu, il nous introduit aux notions d’assimilation-accommodation qui restent pertinentes (voir plus haut), mais les structures biologiques sont activées par l’interaction constante entre un organisme et l’environnement physique et historico-social dans lequel il vit comme le postule le socio-cognitivisme de V YGOTSKI (1934-1997) traitant du déclenchement social des opérations cognitives. Sous l’appellation en anglais de « sociocultural theory », les effets de ce déclenchement sont amplement documentés dans la littérature comme le montre P EKAREK D OEHLER (2000). En s’appuyant sur cette auteure, et en renvoyant le lecteur à son texte pour les nombreuses références, disons que ces approches se concentrent sur le fonctionnement interactionnel même (le processus discursif) comme le lieu où se mobilise et se construit le discours. Issue ou inspirée des travaux sur la conversation exolingue entre locuteurs natifs et non natifs, cette recherche a apporté des bases empiriques à une perspective nouvelle sur l’acquisition des L2. S’appuyant sur la sociolinguistique et l’analyse conversationnelle et sur les recherches de V YGOTSKI (1934-1997), les études conduites se penchent sur les conditions et les mécanismes socio-interactifs qui cadrent les processus d’apprentissage. Parallèlement se développe, dans le monde anglo-américain, la théorie socioculturelle de l’acquisition des L2 (voir les auteurs cités par P EKAREK D OEHLER 2000. Les travaux interrogent aussi l’interaction en face-à-face comme lieu potentiel d’apprentissage, mais soulignent la dimension socio-historique des activités liées à l’apprentissage. Leur intérêt porte à la fois sur cette nature socio-historique, conventionnalisée des ressources communicatives déployées dans les interactions et sur l’emploi situé de ces ressources au cours de la pratique même. Les études menées dans ce contexte portent sur la nature à la fois émergente et conventionnalisée des tâches, des motivations pour apprendre, des relations interlocutives et des expertises ou se proposent d’analyser l’emploi situé de ressources communicatives dans les pratiques des communautés de la langue cible. La conception des recherches interactionnistes et socioculturelles pour lesquelles le développement langagier (tout comme le développement cognitif) est foncièrement lié à des pratiques sociales s’oppose strictement à d’autres approches de l’acquisition dans De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues 35 43 (2014) • Heft 2 l’interaction, et opère du même coup une redéfinition radicale de l’objet de l’acquisition qui ne peut être réduite à l’apprentissage ni d’un système ni de règles communicatives, mais résulte du développement de la capacité même de participer à une pratique sociale à l’intérieur de laquelle il doit être étudié. Cette position néglige les phénomènes d’assimilation (voir supra) comme ceux liés à la stabilisation potentielle de connexions, c’est-à-dire la pertinence d’un entraînement. L’intérêt porté à la variation ne va pas de pair avec une recherche de ce qui peut être régulier dans cette variation ni le pourquoi de cette variation. Les résultats des recherche sur des interventions soulignent que, suivant les individus, les environnements mis en place selon ces théories ne permettent pas d’atteindre tous les objectifs institutionnels fixés, en particulier au niveau de l’accès aux savoirs savants (contenus disciplinaires) et au respect des normes académiques (cf. par ex. M C A LLISTER -P AVAGEAU 2013) et que les phénomènes d’assimilation ne semblent pas tous se résoudre sans observation et/ ou entraînement spécifiques. Pour synthétiser rappelons que ce domaine nous éclaire sur l’interpsychique, le déclenchement social des apprentissages, ce que fait l’émergentisme sans s’y arrêter, et donc à la motivation sociale qui permet de les déclencher, sans nous éclairer sur les conditions de cette motivation. Il souligne que tout apprentissage est situé, et que c’est la prise en compte de cette situation qui rend légitime les alternances de codes chez un individu. S’il y a arrêt sur ce qui est idiographique dans les comportements, les causes, les savoirs, et la gestion de l’assimilation/ accommodation en fonction des objectifs individuels ou collectifs restent en suspens. Il nous faut problématiser ces questions à l’aide d’autres théories. 4. Le plurilinguisme Divers travaux (cf. par ex. H ERDINA / J ESSNER 2006; C ENOZ / G ORTER 2011), comme notre adhésion au paradigme connexionniste, nous conduisent à accepter la non-modularité du cerveau, vu alors comme une unité unique de traitement (cf. R ANDALL 2007). Nous rejoignons H ERDINA / J ESSNER (2006), en pensant que toute production langagière est une modalité de l’intercompréhension et de l’alternance codique, et que l’activation d’un code ne va pas de pair avec la désactivation des autres. Nous postulons également que la « multicompétence langagière » que nous appellerions tout simplement faculté de langage (voir supra) n’est pas dissociable des contenus véhiculés dans des contextes variables. Selon ces recherches, le plurilinguisme conduit à un changement qualitatif du système psycholinguistique, met en place un monitoring, une gestion spécifique des codes disponibles, avec une sensibilité contrastive, épiou métalinguistique, où une forme d’intentionalité guide le choix du code ou de l’alternance codique en fonction des contextes sociaux et des visées du locuteur, en cohérence avec l’émergentisme (cf. ibid.) V YGOTSKI (1934-1997) distingue les apprentissages linguistiques formels et informels de la langue, mais souligne plutôt les liens que les différences entre les différents types d’apprentissage. La réflexion sur ces liens entre apprentissages informels et formels 36 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 rejoint les concepts de BICS (Basic intercommunmication skills) et de CALP (Cognitive academic language proficiency) définis par C UMMINS (1994) et les conditions de leur transfert d’une langue de scolarisation à l’autre, sachant que pour cet auteur la scolarisation est liée à l’acquisition de CALP. Nous reprenons à notre compte l’affirmation de l’unicité profonde qui lie à la fois le développement de L1, de L2, de Ln et de l’écrit, et donc de la littéracie. L’acquisition de plusieurs langues peut avoir des répercussions bénéfiques sur la compétence en L1, dans la mesure où cette acquisition constitue, pour l’apprenant, une occasion de décontextualiser ses usages en L1. La mise en perspective de L1 par l’acquisition de L2 peut entrainer un développement des capacités métalinguistiques favorables aux apprentissages formels. Les recherches sur le plurilinguisme, même si elles s’intéressent parfois aux contenus, ne répondent pas aux interrogations sur le passage de BICS à CALP en particulier, ni sur celles concernant les phénomènes sociaux ou psychologiques qui complexifient ou bloquent ce passage, de plus un regard émique complémentaire est nécessaire (cf. V AN L IER 2004). Elles éclairent partiellement les effets de la motivation, de la confiance en soi et de l’anxiété sur les processus de développement en des termes proches de ceux de la psychologie humaniste. 5. Les multilittéracies Dans la mesure où ce domaine est développé dans l’ensemble du numéro, il ne sera abordé ici que sous les points sur lesquels il répond aux problèmes que nous avons soulevés et que les autres domaines théoriques n’abordent que de façon incomplète pour nos besoins. Ces études se sont clairement positionnées sur un plan idéologique et politique en opposant la littéracie scolaire et académique à des formes moins normées et moins élitistes de la littéracie (cf. D AGENAIS 2012). Notre pratique nous a confronté à des phénomènes de ce type tant en France qu’en Afrique, et il reste à déterminer en quoi l’appui initial sur des formes de littéracie plus proches de l’environnement culturel et social des individus favorise le passage crucial à des capacités CALP (voir supra) qui permettent aux individus d’accéder aux savoirs disciplinaires plus aisément. On peut faire l’hypothèse qu’en partant du connu des apprenants on évite une déstabilisation, voire un rejet (cf. supra). Si les enfants créent du sens à partir d’une infinité de modes (cf. D AGENAIS 2012), s’appuyer sur les modes qu’ils apprécient et qui sont liés à leur environnement (available design) leur permettra d’aller vers une accommodation progressive (design) aux attentes de l’école et de la société s’ils comprennent et acceptent ces attentes. Cette accommodation permettra, quand le besoin s’en fera sentir pour eux, que le produit fini (redesigned) corresponde à des normes extérieures. Le plurilinguisme nous montre que ce travail peut se faire en alternant les codes, ce qui est contraire à la doxa. Les tâches sociales que proposent les pratiques de multilittéracies peuvent mettre les apprenants en contact (en ligne ou hors ligne) avec le monde extérieur De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues 37 43 (2014) • Heft 2 ce qui légitimise pour eux un travail scolaire trop décontextualisé pour beaucoup en permettant de sortir d’une salle de classe coupée du monde. Si la littéracie est vue comme une pratique sociale, il y aura authentiquement action, et cette action révélera ce qui mérite entraînement, comme l’affirme l’hypothèse émergentiste. Nous ne discuterons pas ici les liens entre global et local, mais nous reviendrons sur les enjeux sociaux, identitaires, culturels de ces pratiques (cf. ibid.). Les domaines que nous avons passé en revue jusqu’ici ne posent pas les problèmes en termes sociaux et politiques, mais les décrivent. La réflexion sur les multilittéracies le fait, sans entrer néanmoins sur les déterminants psychologiques qui permettent de sortir du déterminisme (cf. ibid.), alors que la psychologie humaniste, sur le plan affectif, et l’émergentisme, sur le plan cognitif, le font. Souligner la validité scientifique d’arguments politiques les légitimise. Comme nous l’avons déjà écrit (voir supra), dans l’intervention, le didacticien a des comptes à rendre, et le concept d’ascenseur social est très prégnant dans l’idéologie éducative française. Respecter les caractéristiques originelles des individus ne saurait signifier les enfermer dans ces caractéristiques, mais aller au-delà en toute connaissance de cause (cf. M ARQUILLÓ L ARRUY 2012). Devant l’échec des tentatives d’alphabétisation en créole dans les pays créolophones alors que les propositions d’enseignement de la langue d’origine font l’objet d’une réception enthousiaste chez les Créoles de la diaspora, M ARQUILLÓ L ARRUY (2012) nous dit que loin d’être naïves, ces résistances témoignent d’une claire représentation de ce qui peut constituer cet ascenseur social. Colette N OYAU (2014) montre, par contre, qu’en associant les parents aux décisions éducatives, ils comprennent mieux que le refus de la langue de première socialisation à l’école peut avoir des conséquences négatives sur le développement langagier et cognitif de l’enfant sans que cela signifie qu’une langue de scolarisation normée ou des formes de littéracie plus conventionnelle soient exclues. Les multilittéracies conjuguées avec le numérique nous éclairent sur le possible, et le lien avec la cognition apparait chez certains chercheurs et peut se comprendre en termes émergentistes d’une part, et socio-interactionnistes d’autre part. Le développement de compétences critiques d'ordre cognitif et de compétences et connaissances techniques permet d'accéder à l'information, de la gérer, de l'intégrer, de l'évaluer, et de la créer dans un environnement particulièrement approprié pour le développement des capacités d'ordre supérieur (cf. P ENLOUP 2012). L'exposition aux outils et dispositifs numériques et leur pratique continue et soutenue dans toutes les couches sociales facilitent éventuellement l'acquisition des différentes littératies (traditionnelle, numérique), comme l'apprentissage se trouve facilité par le potentiel d'accès aux ressources, de personnalisation et de collaboration propre aux environnements numériques (cf. ibid.). Le traitement de texte, à lui seul, modifie la production écrite à deux niveaux; (1) il joue un rôle facilitateur dans l'enseignement-apprentissage des pratiques de révision et de réécriture (cf. ibid.), grâce à ses fonctions d’édition qui familiarisent avec la transformation du texte; (2) il libère le scripteur du poids cognitif de certains aspects de la production propres à l’écriture manuscrite (cf. ibid.) et du travail d’édition (cf. émergentisme). Des expériences montrent même un rôle facilitateur des outils de traduction (B USSIÈRE / N ARCY -C OMBES 2014) dans le déclenchement des 38 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 processus métacognitif. L’usage des TIC diminue donc l’insécurité scripturale des apprenants. Grâce à des pratiques de communication authentiques (P ENLOUP 2012), plus motivantes, cet usage incite l’élève à tenir compte des conditions de réception et en particulier, des destinataires (déclenchement social du respect des normes). Notre hypothèse qu’un résultat plus harmonieux de l’enseignement provient de la complémentarité des domaines se confirme progressivement. 6. Un point de synthèse Avec notre position de didacticien de l’intervention, nous avons trouvé des pistes complémentaires dans les différents domaines théoriques que nous avons considérés sans qu’aucun de ces domaines ne réponde seul à toutes les questions qui se posent. Le concept d’éducation plurilingue dans un contexte où l’objectif des écoles est le plurilinguisme et la multilittéracie, en lien avec la multimodalité vue comme l’emploi conjugué de différents médias et dont les apports, soutiennent le développement plurilingue (cf. K ALANTZIS / C OPE 2007), mais sous certaines conditions sociales et cognitives (cf. B ÜNDGENS -K OSTEN / E LSNER dans ce numéro) prises en compte par les multilittéracies. La technologie multimédia permet une littératie multimodale plus riche qu‘auparavant (voir les articles de C ENOZ / G ORTER 2011), et dans un curriculum intégré, offre de meilleures conditions pour développer une sensibilité métalinguistique qui renforce l’acquisition des différentes langues. Selon C UMMINS (1994), l’école doit pouvoir soutenir le développement langagier des apprenants en transformant leur répertoire langagier, fonctionnel du point de vue de la communication quotidienne et de la socialisation première (BICS), en un répertoire qui permet le développement des fonctions cognitivo-langagières liées à la construction des savoirs disciplinaires en situation formelle (CALP), mais il est préférable de partir des représentations initiales que se font les apprenants de la littératie. Les recherches sur l’éducation bilingue montrent que travailler des concepts en deux langues est efficace si une des deux langues est familière à l’élève, mais elles rappellent, par ailleurs, qu’un pidgin de classe se crée si on n’est pas attentif à la structuration du code (cf. D ALTON -P UFFER 2007), et l’émergentisme nous aide à comprendre comment des tâches d’entraînement peuvent faciliter cette structuration si elles sont justifiées par une interaction sociale. Les outils TIC d’accompagnement de l’écriture, en allégeant le travail de bas-niveau, mettent en place des automatismes métacognitifs (que l’émergentisme prédit). Il est clair que la salle de classe fermée sur le monde, ne saurait rester le dispositif type de ce fait, même si elle l’est encore à ce jour. Notre hypothèse est que ce n’est pas le savoir savant qui importe initialement, mais les actions sociales prévisibles dont les jeux d’émotions modifient la prévisibilité. Dans notre conception d’une tâche, celle-ci est une (inter)action sociale sur du contenu qui soulève des problèmes. Résoudre ces problèmes enclenche la création et la stabilisation de processus internes qui modifient le système langagier et cognitif de l’individu, grâce aux tâches qu’elles proposent, les multilittéracies ouvrent de nombreuses pistes. De la complémentarité des domaines pour un didacticien des langues 39 43 (2014) • Heft 2 Le rôle des théories reste grand pour le concepteur de formations de langues/ contenus, il permet d’anticiper les problèmes, d’y répondre, et de savoir ce que ce que devront accomplir les processus métacognitifs. Ces processus fonctionnent de façon plus ou moins élaborée chez les locuteurs plurilingues (voir supra). Dans le but d'obtenir des actions sociales pertinentes (production langagière intentionnelle en contextes sociaux), conformes aux savoirs ou savoir-faire, en respectant les parcours et les origines diversifiés des humains, il importe de créer une sensibilisation au lien entre ce qui se passe entre les humains et ce qui se passe en eux (cf. V YGOTSKI 1934-1997), suivie d’une explicitation peut-être, puis d’une stabilisation de ce lien permettant des réactions adéquates. Il convient de créer des situations sociales et psychologiques d’apprentissage qui permettent aux apprenants de stabiliser la saisie des régularités sur lesquelles s’appuyer pour réagir, puis agir dans d’autres situations. La pratique (cf. R ANDALL 2007) montre que décrire ou nommer ces régularités ne permet pas de les produire de façon automatisée nécessairement satisfaisante, mais elle montre aussi que des formes d’entraînement spécifiques peuvent stabiliser la réception ou production de discours d’une façon plus satisfaisante pour l’individu s’il a pris conscience que d’authentiques besoins sociaux justifiaient cet entraînement (cf. ibid.; B ERTIN [et al.], 2010). Dans son cerveau s’activent des réseaux neuronaux qu’il serait propice de stabiliser mais qui ne sont pas tous contrôlables. 7. Conclusion Nous avons mené une réflexion sur les apports réciproques des théories convoquées dont nous avons souligné la complémentarité. Aucun apprentissage ne saurait être efficace sans que son sens social et affectif ne soit perçu par l’individu, sans qu’il s’y sente valorisé et respecté. Un dispositif qui n’offrirait que des tâches d’entraînement ne servirait que les apprenants qui auraient pris la mesure des bénéfices sociaux que ces tâches leur apporteraient; l’émergentisme nécessite une prise en compte du psychologique individuel et social. L’interaction ne conduit pas nécessairement aux résultats escomptés non sans conséquences sociales et psychologiques pour les individus, néanmoins se trouver confronté aux contraintes d’une scolarité conçue pour des apprenants d’origines culturelles et sociales différentes risque de susciter des résistances néfastes qui seront sans doute augmentées si la scolarisation ne permet pas à l’individu d’utiliser au mieux pour lui son répertoire langagier. Suivant les contextes et les attentes, les dispositifs prendront ces phénomènes en compte de façons différentes. Pour finir, soulignons que la mesure des complémentarités et de la responsabilité des partenaires permet de mieux gérer les dispositifs humains. Apprenants, comme enseignants, ont un rôle à jouer (cf. N OYAU 2014) et disposent d’outils pour le faire, comme la méthode d’analyse en groupe (cf. V AN C AMPENHOUDT [et al.] 2009), la pratique réflexive, ou la rechercheaction. Cela permettrait à la communauté éducative de jouer un rôle social, voire politique, de façon plus légitime en impliquant parents, ou apprenants, et éducateurs dans les décisions relatives à l’enseignement (accountability). Nous savons que les domaines 40 Jean-Paul Narcy-Combes 43 (2014) • Heft 2 de recherche que nous avons parcourus dans cet article relèvent de paradigmes épistémologiques et méthodologiques différents, la didactique de l’intervention n’a pas besoin de se positionner sur ces paradigmes, elle a besoin de construire des pistes théoriques et méthodologiques rigoureuses pour œuvrer dans la cité, et avec les citoyens, de façon satisfaisante pour tous, en validant ses interventions selon ses propres critères scientifiques et sociaux (cf. D ÖRNYEI 2007, N ARCY -C OMBES 2014). Références bibliographiques B ACHELARD , Gaston (1938): La formation de l’esprit scientifique. Paris: Vrin. B ERTIN , Jean-Claude / N ARCY -C OMBES , Jean-Paul (2010): Second Language Distance Learning and Teaching; Theoretical Perspectives and Didactic Ergonomics. Hershey (Penn): IGI Global. B ERTIN , Jean-Claude / N ARCY -C OMBES , Jean-Paul (2012): « Tutoring at a distance, modeling as a tool to control chaos ». 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This paper will discuss one particular aspect of multiliteracies: the emphasis on the visual in texts. Infographics, a growing popular genre in media, will be used to illustrate visual literacy in operation. 1. Introduction The ability to read and write, or the definition of literacy, appears to be deceitfully simple, especially in the dominance of printed media era. It has traditionally been decoded as the ability to read and write the linguistic component in texts. And literacy was thought to be a relatively static condition that could be addressed by instructions and educational policies. However, this conceptualization has been challenged since the late 1970s by the impact of technology on communication, most notably from page to screen (cf. T HE N EW L ONDON G ROUP 1996; S NYDER 1998). In this article, the definition of literacy will be introduced, and expanded to include visual literacy, and its impact on foreign language learning. Literacy has traditionally been understood as the ability to read and write (cf. O LSON 1993) and is viewed as a physiological and cognitive process of skills acquisition. When literacy is perceived as a process of skills acquisition, it has also frequently been framed as a neutral process that can be universally taught. Consequently, the product of such process, literacy, is a dichotomous condition between literate and illiterate (M CKAY 1993). However, this conceptualization of ‘autonomous’ acquisition of literacy through education did not take into consideration of inequality in social and cultural structures (cf. S TREET 1995, 2000). In opposition, S TREET (1995, 2000) proposed an ‘ideological’ model that takes into account the impact of social and cultural power structures. From this perspective, literacy development does not just happen in the vacuum of schooling and educational policies. Literacy development is as relevant to being situated in specific social and cultural communities and practices as being * Address for correspondence: A LICE C HIK , Doctor of Philosophy, Senior Lecturer in The School of Education, Macquarie University, N ORTH R YDE , NSW 2109, Australia. E-Mail: alice.chik@gmail.com Research areas: New media literacy, literacy study, and popular culture in second language education. 44 Alice Chik 43 (2014) • Heft 2 taught in school. The inclusion of functional literacy and social relevancy as dimensions to understanding literacy as ‘a set of social practices that exploit the affordances of writing for particular ends’ situates literacy as a dynamic construct rather than a mere skill set (cf. O LSON 2006: 177). The conceptualization of foreign language literacy is further complicated by references to first language literacy: at which point is a foreign language learner considered to be literate, in the first or second or third language? Is literacy in a foreign language the ability to read and write fluently or the ability to operate in a particular language? (cf. M CKAY 1993). The blurry definition of literacy is further complicated by advancement in communication technology. The use of the Internet has a fundamental impact on conceptualizing literacy in two dimensions: from word to image and from page to screen. Even in traditional print media like newspapers and magazines, we are seeing a growing proportion of the visual to texts. L EMKE (1998: 283) asserts that literacy is “a set of cultural competencies for making socially recognizable meanings by the use of particular material technologies”. As suggested, literacy needs to be rethought as a social phenomenon; and because the inherent nature of new technology use will bring out the “local diversity and global connectedness” (N EW L ONDON G ROUP 1996: 64), literacy needs to be reconceptualised in its full multimodal forms. The change in medium from page to screen does not simply imply the transfer of reading and writing skills from page to the computer screen, but it is a radical rethinking of the ways emerging technologies change the reading and writing processes (cf. K RESS 2003). As K RESS (2003) argues, the shift from words to images is not simply a translation process, to use a metaphor, but a transduction, “the move of semiotic material from one mode to another” (B EZEMER / K RESS 2008: 169). This shift from pure textual to multimodal in digital communication also requires users to combine semiotic resources for new creative expression (B ARTON / L EE 2013). However, this “turn to the visual” (K RESS 1998: 56) is not something totally new, as S TÖCKL (2004: 9) describes multimodality as “the late discovery of the obvious” further arguing that purely linguistic texts are the exceptions, rather than the norms. 2. Visual literacy All written texts are visually designed (cf. N EW L ONDON G ROUP 1996; S TÖCKL 2004: 19), texts can acquire ‘image qualities’ through typography and layout. For instance, readers have no doubt that it is easy to tell the difference between a ‘serious’ broadsheet from a tabloid newspaper simply by looking at the amount of texts and photographs, the layout, and the typography. A Google Image search for the front page of The Guardian, a broadsheet, and The Sun, a tabloid, will yield two very different types of visual images. The print version of The Guardian is text heavy with usually only one news photograph, while there is usually only a simple headline with a large photograph in The Sun. The density of texts, or the amount of words, on the front page can be an indicator of the direction of, or the lack of, journalism of a newspaper. By the same Visual Literacy 45 43 (2014) • Heft 2 token, readers also expect fashion magazines to be formatted differently from financial magazines. Textual density is not the only indicator. At university, one of the instructions that teachers frequently give to students is not to submit their assignments in Comic Sans or cursive fonts, because they either show a sense of ‘not being serious about the assignment’ and irrelevance, as in the case of Comic Sans; or it is difficult to read, as in the cases with all cursive fonts. However, can a typeface really change our perception of the quality of an assignment? A Google search of the question yields more than seven million results ranging from news reports by the BBC and Huffington Post to typeface enthusiast discussion groups to professional advices. At university, the formatting of assignments and dissertations, and in particular postgraduate dissertations, is serious enough a matter to warrant the issuing of official guide to dissertation submission. Surveying dissertation submission guides may find slight differences to formatting, but they all serve to ensure that the dissertations submitted look like dissertations, rather than say, textbooks or comic books. These very simple examples highlight several different modes which are influencing how the readers are reading. Simple formatting requests from the publisher can create a new visual interpretation, as K RESS (1998: 56) suggests that when the possibilities to manipulate visual components like font-types and size and layout through technologies, even though “the major element, quantitatively speaking, is writing, its visual aspects are more in the foreground”. This ‘pictorial turn’ or visual turn (cf. M ITCHELL 1995) is not something new or confined to contemporary culture, M ITCHELL (2008) uses the invention of photography to demonstrate that such a social and cultural re-emphasis surfaced when a new technology of reproduction became available. When visual aspects are placed in the foreground in the digital age, then what counted as visual literacy? As aforementioned, literacy has traditionally been framed as a binary dichotomy of either being literate or illiterate. The N EW L ONDON G ROUP (1996) criticized this restriction as “formalized, monolingual, monocultural, and rulegoverned forms of language” (p. 61), and chose “multiliteracies” to reflect the growing diversity in literacy conceptualization due to “multiplicity of communication channels and media, and the increasing saliency of cultural and linguistic diversity” (p. 63). The N EW L ONDON G ROUP argues for a pedagogy that includes language and other modes of representation which engage learners to remake the meaning for situated political, social and cultural purposes. Different modes of meaning representation mentioned by the group include linguistic, visual, audio, gestural, spatial, and multimodal. Visual meanings refer to images, page layouts and screen formats, which all embody the different uses of visual grammars. Take magazine reading as an example, the understanding of only the linguistic meanings on a magazine page would not have provided the full enjoyment of the magazine. And the visual grammars employed by a magazine will vary according to their social and cultural content, which explains the visual differences between fashion magazines and news magazines. It is not only magazines that employ visuals to convey messages, B EZEMER and K RESS (2008) found that there has been a much greater use of visual elements in English language textbooks between 46 Alice Chik 43 (2014) • Heft 2 1935 and 2005. The visual elements are not limited to illustrated images and photographs, but also typography and spacing. It is not only with English language textbooks, the changes of visual representations in science textbooks have also pointed to the need to address the issue of visual literacy in education (cf. K RESS 1998, 2005; L EMKE 1998). What is visual literacy? M ITCHELL (2008: 13-14) distinguishes between ‘visual competence’ and ‘visual literacy’, which is a “connoisseurship: rich, highly cultivated, and trained experiences and techniques of visual observation”. To understand this term, we have to understand the multimodal perspectives on literacy. The approach to multimodality in the domains of New Literacy Studies derives from the work of Michael H ALLIDAY (1978). From this perspective, language and language use is the product of the constant shaping in its use by people in particular social and cultural settings to realize their purposes. The social contexts and purposes for making meaning of texts are shaped by the readers’ social and cultural knowledge and experiences. Social semiotics expands this perspective to other resources for representation, or modes, for their use in communication. A mode is a “socially and culturally shaped resource for meaning making” (B EZEMER / K RESS 2008: 171). K ALANTZIS [et al.] (2010: 66) extend visual representation to include “still or moving image, sculpture, craft (representing meaning to another); view, vista, scene, perspective (representing meaning to oneself)”. J EWITT and K RESS (2010) summarize the six key concepts in understanding multimodality as metafunctions, mode, semiotic resource, affordance, interest, and multimodal orchestration. Following H ALLIDAY (1978), metafunctions refer to three different but interrelated operations: ideational meaning, interpersonal meaning and textual meaning. Ideational meaning refers to the social and cultural representations of certain aspects of the world, including objects and relations. In choosing a representation, the writer (or composer) of the text positions the readers (or viewers) to produce interpersonal meanings. Finally, every component plays a role in achieving coherence for textual meaning. In multimodal texts, a visual grammar can demonstrate how images work like language (cf. K RESS / V AN L EEUWEN 2006). A visual grammar is particular to a group in its relation to the knowledge and uses within the group, so it is not universal. However, K RESS and V AN L EEUWEN (ibid.) suggest that the grammatical principles are general enough to apply across different genres from scientific graphics to comics, which include: • Given and new - similar to written texts in which given information is introduced before new information in the clause structure in a sentence, placement of given and new visual information is arranged from left to right position. This structure is mostly applicable to texts produced in the cultures of left-to-right viewing; • Ideal and real - the ideal, the promise, and the real, the factual is arranged in a top and down placement; • Centre and margins - the central space presents the nucleus of information and all images in the margins are dependent elements. Visual Literacy 47 43 (2014) • Heft 2 Images can also be understood like language. Vectors guide the direction of reading, for instance, horizontally, vertically, or diagonally. The foregrounding and backgrounding in images is similar to prepositions of location. In addition, the sizing and placement in images give readers the comparative perspective. In a text with both visual and linguistic modes, sometime one mode re-represent the same meaning, that is called synesthesia. Meaning expressed in one mode cannot be directly translated into another, at least not completely, and K RESS (1997) proposes the concept of transduction. In the following section, I will use the example of infographics to illustrate the operation of visual literacy. 3. Infographics: Visual literacy in action Infographics, short for information graphics, are “visual cues to communicate information” (L ANKOW 2012: 3), and have become increasingly popular among governments, corporates and non-profit organizations to disseminate complex sets of data (cf. A NGELO 2012). Infographics usually combine data visualizations, texts, illustrations, and images to provide a narrative to data sets, and are characterised by large typography and a vertical display orientation (cf. L ANKOW 2012). Infographics are growing in popularity because the information providers can communicate complex data sets visually and the attractive visual presentations encourage social media users to pass them around via websites and social media platforms. Of course, using graphics to present information is nothing new, as the early seminal work by T UFTE (1983) demonstrated the principles of visualizing data effectively and efficiently in print media. However, emerging technologies provide greater affordances to professional designers, and less experienced amateurs, to create more attractive infographics (cf. K RUM 2014). While technologies have made it easier to create an infographic there are certain shared characteristics to a well-designed infographic: • Engaging topic • New, surprising information • Visually appealing and distinctive • Simple, focused message • Quick and easy to read • Easy to share • Clear, easy to understand data visualizations • Credible data sources (K RUM 2014: xvii - xviii) And T UFTE (1983: 194) suggests that it is the job of the designer to “give visual access to the subtle and the difficult - that is, the revelation of the complex” while warning that visuals and texts should be integrated otherwise “we may come to see only through the lenses of word authority rather than with our own eyes”. 48 Alice Chik 43 (2014) • Heft 2 In this section, I will use one example to illustrate the visual literacy required in ‘decoding’ the infographics Why We’re All Ted Heads (O NLINE C LASSES 2012) 1. . The infographic intends to explain the growing popularity of TED (Technology, Entertainment, Design) Talks videos. TED Talks videos are short presentations (18 minutes or less) recorded at conferences held by the Sapling Foundation. TED Talks videos are hosted on ted.com and are freely available to any users with Internet access. TED Talks presentations cover topics on technology, entertainment, design, business, science and global issues…etc. The popularity of TED Talks videos is evident in its billionth video view (T ED 2012), which surpasses other informational and educational talks and presentations hosted on many of the university open access educational platforms and massive open online courses (MOOCs) platforms. The infographic Why We’re All Ted Heads is composed by OnlineClasses and the full infographic is available online as Creative Commons Attribution-NoDerivs, which means it can be used for “redistribution, commercial and non-commercial, as long as it is passed along unchanged and in whole with credit” (C REATIVE C OMMONS 2014). The whole infographic is relatively long for its genre, and can be read as a long article with essential information about TED Talks videos. In his introduction to creating efficient and effective infographics, K RUM (2014: 27) suggests a simple ‘structure’ to content presentation in a vertical display orientation: Introduction/ Foundation, Ah-Ha! The Main Event, and Conclusion/ Call-to-Action. Why We’re All Ted Heads (‘Why’ hereafter) follows a similar structure (Figure 1, page 49]). ‘Why’ is meant to be read on a computer screen in which viewers have to scroll down to view the whole infographic. ‘Why’ also uses a simple colour scheme: red, grey, beige and turquoise. The red colour is the same shade used on the TED.com website. Visually it is also easy to see that thick black horizontal lines are used to divide the content or the main event into five chunks of information. There is no specific allocated placement of the visuals and texts. The introduction section starts with the title “WHY WE’RE ALL TED HEADS: TED culture is hitting critical mass, here’s how it happened and why it matters: ”, which is followed by a visual similar to a pie chart. At this point, the readers have no linguistic cue to what the pie-chart visual may represent. As mentioned, a thick black line is used to divide the content into chunks, similar to the use of spacing to separate paragraphs in a written essay. At the top of each section is a short sentence (e.g. TED TALKS ARE SPECTACLES FOR SMART PEOPLE , Figure 1 [ page 49]), which serves the same function as a topic sentence in a paragraph. This topic sentence is printed all in capital letters and the keyword (SPECTACLES) is presented in bigger typography and in red while the rest of the sentence is presented in black. From this point onwards, the visual division deviates from a traditional written essay, and is comprised of two or three columns of information presented either as texts or visuals. 1 “WHY WE’RE ALL TED HEADS: TED culture is hitting critical mass, here’s how it happened and why it matters: ” is released by OnlineClasses.org and is available from http: / / www.onlineclasses.org/ 2012/ 11/ 05/ ted-talks/ (July 21, 2014). Visual Literacy 49 43 (2014) • Heft 2 Figure 1: Screen capture of a section of ‘Why’ (Created by OnlineClasses.org 2012) 50 Alice Chik 43 (2014) • Heft 2 To further examine the interaction between texts and visuals, we will focus on the section titled ‘SPECTACLES’. Immediately underneath the topic sentence, readers can see the separation of two sets of information: a double quotation mark with a name and a sentence (‘ I JUST WANTED TO THROW THE WORLD ’ S BEST DINNER PARTY ’). Even though a vertical turquoise line separates the double quotation mark and the sentence, it is immediately understood that the sentence is a quote from Richard Saul Wurman, TED conference creator. The coherence is carried over to the next sub-section which started with ‘ HIS IDEA ’, whose idea? The only person mentioned in this section is Richard Saul W URMAN , thus immediately provided the reference point. Here the visual of a light bulb surrounded by quotation marks illustrates rather than interact with the text (‘Invite the best and brightest to come “ GIVE THE GREATEST TALK OF THEIR LIVES ” in 18 minutes’). The next sub-section presented two different ways of using visuals and texts to disseminate information. This section is presented as two columns, with “ DÉCOR AT THE FIRST TED CONFERENCE ” on the left-hand side and “ GUESTS SINCE THEN INCLUDE ” on the right. Let us read the first item in the left hand column (the décor): the visual of a document is placed next to the text (“A $25 million copy of the Declaration of Independence”). It can be said that the visual simply illustrates and repeats the text without providing additional information. Now, let us turn our attention to the first item in the right hand column (the guests): the visual of a flag of the United States of America is placed on top of the text (“Bill Clinton”). The American flag complements the identity of the presidential speaker, Bill Clinton. Here, different from the previous example in the left-hand column, both the visual and the text provide information or each provides information to supplement the understanding of the other. In this infographic, we have to ask a question about visualization: are the visuals and texts doing the same or different thing? Interestingly, the answer is both yes and no. In some instances, the visuals and texts represent different concepts; but there are also instances that they are representing the same information. When both visuals and texts are trying to provide the same information, for instance, in the case of the flag and Bill Clinton, the visual and the text have to be treated as one unit of information. At the same time, the design of the infographic also follows what we understand as the information giving structure of the given and the new with left and right placement of both visuals and texts. However, in other instances, the visuals and the texts are doing what they are supposed to do. The thick black lines that divide the body of content into shorter sections are only mimicking the function of space between paragraphs, except being presented in a new graphical form. Of course, as much as I would like to argue for the effectiveness of infographics, like other examples from the argumentative genre, infographics can be biased in the sense that the graphic designers are shaping the perception of the readers by using the visuals effectively (cf. K RUM 2014). In addition, the comprehension of ‘Why’ is culturally situated - the viewers have first to know the existence of TED Talks and its formats and contents to appreciate the infographic. Without any prior knowledge of TED Talks the rhetoric of this infographic may well be lost on the viewers. Visual Literacy 51 43 (2014) • Heft 2 The combined composition of visuals and texts prompt infographic designers (writers) to be more aware of their expressions and intentions of their compositions. At the same time, this example also illustrates that the comprehension of an infographic requires the comprehension of both the visual and textual data and the interaction between the visual and textual data. Or in a more radical move, G RUBER (forthcoming) suggests using infographics to replace scientific reports in academic settings for the exact arguments. In his advocacy of infographics for scientific presentations, G RUBER suggests that the compositional process of infographics forces students to select, summarize and condense information and research without hiding behind the veils of academic jargons. Infographics may require technological knowhow and are not currently included in many language curriculums worldwide. However, the application of infographics by governments, corporates and non-profit organization to persuade their citizens and customers has increased exponentially. The information conveyed in these infographics, just like any propagandas and advertisements, are not neutral. In this regards, teachers have the responsibility to introduce students to better understand them as rhetorical texts through both the texts and the visuals. Of course, we can not ignore the fact that infographics have become popular because it is easy for social media users to share them on different online platforms. Take our infographic as an example, while the print medium has the limitation of framing it to one page, viewing it on screen simply means scrolling the curser further down. It can then be argued that more social media users are sharing biased arguments more quickly and efficiently. This is one aspect of modern day digital practices that language teachers must become more aware. 4. From print to digital medium: Visual literacy for learning The infographic cited earlier does not exist in a cultural and social vacuum, it is part of an expanding digital landscape of online practices. TED videos are watched by millions of online users, as evident by the number of views on YouTube and TED.com. Unavoidably a good percentage of these TED Talk videos viewers are learning English as a second and foreign language. As more people have better access to Internet connection and technical knowhow, foreign language learners are gradually expanding their learning beyond the traditional language classrooms. In the past, the opportunities for foreign language learning and use might be limited: classrooms, study abroad, library, radio and television programmes, films, pop songs and other popular cultural artefacts. However, learners’ access to foreign language learning materials and opportunities could be highly limited by socio-economic resources, for instances, not every foreign language learner could afford to study overseas or buy a book. In the case of English learning, social class is a determining factor in shaping learning practices (cf. B LOCK 2014; B ESSER / C HIK 2014). Yet, engaging in digital practices may rectify the situation. Twitter, Facebook, YouTube, Instagram, blogs and wikis now provide globalized online affinity spaces (cf. G EE 2004), and learners with special interests in digital gaming and fan fiction reading and writing also find spaces for playing and learning 52 Alice Chik 43 (2014) • Heft 2 (cf. T HORNE / B LACK / S YKES 2009). Many of these online platforms provide multilingual platforms, but English is still the most used language (cf. C HIK 2012). The virtual worlds of digital media are now the new learning contexts for language learning, and the reading, writing and communicative skills required are different from traditional print media or taught in the language classroom. A quick look at any websites will highlight the dominance of visual elements, and this applies to almost all contemporary websites, such as search engine (e.g. Google.com), media (e.g. Guardian.co.uk, DieZeit.de, or CNN.com), government, educational, institutional or corporate websites. In particular, user-generated online social media platforms, like YouTube and Flickr, encourage interaction that is grounded in understanding of both visual and textual elements. The work by B ARTON and L EE (2013) on Flickr communities shows that the photographs shared might have initiated topics of discussion, but it is only through the understanding of all the semiotics and textual resources available on the website which allows full participation and learning. B ARTON and L EE show that looking at a Flickr page is a reading, and there is more than one reading paths. Using a photograph of ‘Look at me in the eye’, B ARTON and L EE each described their reading paths: B ARTON looks at the photograph, the most recent comment and information tags about where the photograph was taken, but L EE looks at the photograph, read all the comments, and then the photograph description. In both reading paths, the dominance of the visual text (the photograph) directed the reading order. In addition to written comments, social media platforms have in-built features to encourage users to express their opinions through multimodal means. For instance, users can click on the ‘thumb up’ icon on YouTube or the star icon on Flickr to signal their positive rating for the video or photograph they viewed. Users do not necessarily have to use linguistic means to express their preferences and stances (cf. B ARTON / L EE 2013). Other forms of digital practices also draw heavily on visual elements, especially digital gaming. Researchers have started to argue that digital gaming provide abundant affordances for foreign language learning and use (cf. for example G EE 2003; C ORNILLIE / T HORNE / D ESMET 2012; R EINDERS 2012; S YKES / R EINHARDT 2013). Contemporary digital games are more than the arcade games of earlier days. Digital games can also be viewed as digital narratives that the visual aspects direct the enjoyment and understanding of gameplay. G EE (2003) describes reading a modern digital game is a split-screen reading act that the game players have to pay attention to multiple sources of information on screen. In addition, the visual cues frequently complement the linguistic understanding to allow foreign language learners to play games without feeling inadequate (cf. C HIK 2014). For instance, in a role-playing adventure game, a gamer frequently has to shift between different menus to equip the avatar to fight a monster or advance forward in the gameworld. The visual literacy required for digital gaming is both sophisticated and demanding, and gamers learn to navigate over their game playing careers. Visual Literacy 53 43 (2014) • Heft 2 5. Concluding thoughts The visual turn must be understood not as something ‘new’, but as re-emergence, as K RESS (1998) puts it “not as new in itself, but as new in the light of the recent history of representation, and of the nearly unshakeable commonsense that developed along with writing’s preeminence” (p. 60). It must also be warned that the flourishing of visual images does not mean our students will automatically pay more attention to these visual images, and it also does not mean that they will suddenly develop the ability to critically interpret their visual surroundings. K RESS and V AN L EEUWEN (2006: 3) argue that “‘Visual literacy’ will begin to be a matter of survival” because of technological changes, visual communication is becoming “less and less the domain of specialists”. Visual literacy is not only reserved for artists, painters, sculptors and graphic designers, it is part of our daily communication landscape, so it is an essential skill for everyone who needs to communicate. This is the part that educators need to take up the responsibility to include visual literacy in our literacy lessons. To educate our students to handle the communicative needs for tomorrow, visual literacy should be the cornerstone of literacy curriculum. Literature A NGELO , Fernando (2012): “Killer infographic! But does it solve TMI? Tech Talk”. In: Communication World 29.2. http: / / discovery.iabc.com/ page_image.php? cid=3183&page_num=0&type=.pdf &print=true (May 2, 2014). 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Cheshire, CN: Graphics Press. © 2014 Narr Francke Attempto Verlag 43 (2014) • Heft 2 J UDITH B ÜNDGENS -K OSTEN , D ANIELA E LSNER * Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings Abstract. This paper looks at receptive code-switching in elementary school dyads working with digital multilingual and multimodal storybooks (‘MuViT’). Learners with diverse linguistic backgrounds collaboratively read an English story that allowed for receptive code-switching to German (L1/ L2, school language) and/ or to Turkish (L1 of some learners) at any point. Analyzing the receptive language choice of four dyads, four approaches to receptive code-switching could be observed: macroswitches (pupils read a story first in one language, then in the other language), focused switches (pupils switch from English to another language for a short duration to resolve non-comprehension), and open switches (short switches where the focus seems to lie on curiosity and enjoyment rather than on non-comprehension). A final option was to refrain from code-switching. German seems to play a bigger role in receptive code-switching from English than Turkish did: no focused switches to Turkish were observed. 1. Bedingungen individueller Mehrsprachigkeit Ein Kind, das in der Grundschule Englisch als Fremdsprache erlernt, ist in Sprachlernhinsicht kein unbeschriebenes Blatt. Es bringt auf jeden Fall seine erworbenen Muttersprache(n)/ Erstsprache(n) mit. Es hat im Urlaub, im Kindergarten, in den Medien erlebt, dass Menschen verschiedene Sprachen sprechen. Vielleicht hat es bereits eine erste direkte Instruktion von Fremdsprachen erfahren: Eine Freundin, die ihm die Zahlen in einer anderen Sprache beigebracht hat, der Vater, der im Flieger nach Spanien einige spanische Grußformen mit ihm geübt hat, der Chinesischunterricht im Kindergarten (vgl. D EUTSCHE W IRTSCHAFTSNACHRICHTEN 2012). Was für jedes monolinguale Kind gilt, gilt natürlich auch - und in besonderer Hinsicht - für mehrsprachige Kinder, die neben ihrer Mutter- oder Erstsprache noch eine oder mehrere andere Sprache/ n (auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus) beherrschen und täglich mit diesen Sprachen auf unterschiedlichste Art und Weise umgehen. * Korrespondenzadressen: Dr. Judith B ÜNDGENS -K OSTEN , Goethe Universität Frankfurt, Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung, Senckenberganlage 31, 60486 F RANKFURT / M. E-Mail: buendgens-kosten@em.uni-frankfurt.de Arbeitsbereiche: Computer-assisted language learning, Mehrsprachigkeit, Mediendidaktik. Prof. Dr. Daniela E LSNER , Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Grüneburgplatz 1, 60323 F RANKFURT / M. E-mail: elsner@em.uni-frankfurt.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachendidaktik, Multiliteralität, Mehrsprachigkeit. Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 57 43 (2014) • Heft 2 In diesem Aufsatz beschäftigen wir uns damit, wie sie die sprachlichen Ressourcen, über die sie verfügen, in den Sprachunterricht einbringen. Dabei werden wir uns auf das Phänomen des Code-Switchings, und hier insbesondere auf das rezeptive Code- Switching, also die gezielte Wahl der Inputsprache, konzentrieren. Dabei betrachten wir ein kollaboratives Lernsetting, in dem mit multimodalen, multikodalen und multilingualen Geschichten inhaltsorientiert gearbeitet wird. 1.1 Einfluss vorgelernter Sprachen auf das Sprachenlernen Während einige Studien zeigen, dass Lerner/ innen, die bereits Erfahrungen mit dem Lernen einer zweiten Sprache haben, von dieser bei der Aneignung einer dritten Sprache profitieren können, zeigen andere Studien, dass Mehrsprachigkeit per se kein Garant dafür ist, dass man automatisch höhere Kompetenzen in der Fremdsprache erlangt als Einsprachige. Der Stand der empirischen Forschung zum Einfluss von vorgelernten Sprachen auf das weitere Sprachenlernen und die damit verbundene Kompetenzentwicklung lassen keine einheitlichen Schlussfolgerungen zu. So fasst C ENOZ (2003: 79) zusammen: „The studies on specific areas of language proficiency tend to evidence mixed results, and their comparability is severely limited by their diversity regarding the specific areas of language proficiency tested and their different research techniques“. Doch nicht nur der methodische Zugang zum Forschungsfeld mag die unterschiedlichen Ergebnisse in Bezug auf den Effekt von Mehrsprachigkeit im Hinblick auf das weitere Fremdsprachenlernen erklären. In der Literatur werden zudem viele Faktoren benannt, von denen angenommen wird, dass sie den Einfluss einer vorgelernten Sprache auf nachgelernte Sprachen mitbestimmen, u.a.: • Fragen der Sprach- und Lesekompetenz sowie weiterer kognitive Faktoren: − Kompetenz in den vorgelernten Sprachen (threshold hypothesis, C UMMINS 2001) − Lesekompetenz (literacy) in den vorgelernten Sprachen (für Drittspracherwerb: S WAIN [et al.] 1990) − Sprachbewusstheit (metalinguistic awareness) (z.B. J ESSNER 2006, 1999) • Soziale und soziolinguistische Aspekte − Status/ Prestige der vorgelernten Sprachen (subtractive/ additive bilingualism, C ENOZ 2003) − Intensität des Kontakts mit der vorgelernten Sprache (exposure, T REMBLAY 2006) − sonstige soziale und soziolinguistische Aspekte („Domäne“ einer Sprache; activation dieser Sprache in einem konkreten Kontext) • Eigenschaften der Sprache selbst − language distance: typologische bzw. psychotypologische Verwandtschaft (S INGLETON / A RONIN 2007, O DLIN / J ARVIS 2004) 58 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 Unterschiedliche Sprachlernsettings und gesellschaftliche Kontexte, in denen diese Studien durchgeführt wurden, erschweren manchmal die Übertragung von Studienergebnissen auf den hier untersuchten Kontext (Türkisch-Deutsch bilinguale sowie Deutsch-monolinguale Schüler/ innen im nicht-immersiven Englischunterricht der Grundschule). Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Mehrsprachigkeit und Erfolg im Englischunterricht, speziell für den hier interessierenden Kontext, finden sich jedoch in einigen nationalen Lernstandserhebungen. So wurde z.B. in der DESI Studie festgestellt, dass - bereinigt um Bildungsgang, sozioökonomischen Hintergrund, kognitive Grundfähigkeit und Geschlecht - Jugendliche in der neunten Klasse mit einer anderen/ zusätzlichen Erstsprache als Deutsch signifikant bessere Werte im Englischen erreichten als ihre monolingual deutschsprachigen Klassenkamerad/ innen. 1 Auch in der Hamburger KESS Studie zeigte sich, dass mehrsprachige Kinder, selbst wenn sie im Englischen der einsprachig deutschen Gruppe nicht überlegen waren, in diesem Fach zumindest geringere Defizite aufwiesen als in anderen Fächern (vgl. S CHWIPPERT 2007). Auffällig ist, dass verschiedene Sprachgruppen durchaus unterschiedlich abschnitten. So fassen G ÖBEL [et al.] für die DESI Studie zusammen: „Unter Berücksichtigung des Bildungsgangs, des sozioökonomischem Hintergrunds, der kognitiven Grundfähigkeiten und des Geschlechts stellt es für die Englisch-Kompetenz keinen Nachteil dar, Türkisch oder Kurdisch als Erstsprache erworben zu haben und es ist tendenziell sogar von Vorteil, Russisch oder Polnisch als Erstsprache erworben zu haben“ (G ÖBEL [et al.] 2011: 61). In der KESS Studie fanden sich im Vergleich mit anderen Sprachgruppen (einsprachig Russisch bzw. zweisprachig Deutsch-Russisch aufwachsende Schüler/ innen) erneut, wenn auch nur leichte, Unterschiede zum Nachteil für die türkischen Lerner (vgl. K EßLER / P AULICK 2009: 271). Signifikante Unterschiede zum Nachteil der mehrsprachigen und nicht-deutschsprachigen Fremdsprachenlerner gegenüber ihren monolingualen Klassenkameraden zeigten sich in der Studie von W ILDEN / P ORSCH (2014 i.Dr.). Zudem schnitten Kinder mit mehrsprachigem häuslichen Hintergrund schlechter ab als Kinder, die zuhause nur eine andere Sprache als die deutsche sprachen. Den Autorinnen zufolge erweist sich jedoch für alle Gruppen die Kompetenz in (der Zweitsprache) Deutsch als ausschlaggebender Faktor für das Abschneiden im Englischen, während der Faktor Mehrsprachigkeit allein keinen Einfluss auf die unterschiedlichen Leistungen der Mehr- und Einsprachigen hatte. Bei der Betrachtung des (relativen) Vorteils von mehrsprachigen Schüler/ innen beim Englischlernen muss einerseits in die Überlegung einbezogen werden, dass Mehrsprachigkeit nicht gleich Mehrsprachigkeit ist - Faktoren wie etwa literacy in der/ den Muttersprache(n) oder das Prestige der Muttersprache(n) können hier wichtige Faktoren sein. Andererseits taucht Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer selbst natürlich nicht 1 Unbereinigt von den oben angegebenen Faktoren trifft dies immer noch auf die Gruppe der „Mehrsprachigen“ (simultane Mehrsprachigkeit), jedoch nicht mehr auf die Gruppe der „nicht deutsch“ sprechenden Kinder (sukzessive Mehrsprachigkeit) zu; vgl. H ESSE / G ÖBEL (2009). Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 59 43 (2014) • Heft 2 als von Drittvariablen isoliertes Phänomen auf, sondern als Phänomen bei Kindern, die mit ihren jeweils individuell geprägten Spracherfahrungen, Kompetenzen und sozialen Umfeldern (vgl. E LSNER 2007) eine besondere Lerngruppe darstellen. Grundsätzlich gilt: Der Einfluss vorgelernter Sprachen auf das Sprachenlernen kann als Bereicherung, aber auch als Problem verstanden werden. Wir nehmen hier eine Ressourcenperspektive ein, d.h. wir gehen davon aus, dass Mehrsprachigkeit vorhanden ist, und - genau wie die Muttersprache bei monolingualen Kindern (vgl. B UTZ - KAMM 1973) - prinzipiell positiv/ fördernd eingebracht werden kann, ohne daraus aber eine allgemeine Überlegenheit von mehrsprachigen versus einsprachigen Sprachlerner/ innen zu folgern. 1.2 Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer Welche Rolle spielen nun die mehrsprachigen Ressourcen der Schüler/ innen im Englischunterricht? Es gibt Hinweise darauf, dass für viele Klassen die Antwort eine einfache ist: Gar keine. H U (2010: 67) etwa konstatiert: „Während für die Schüler/ innen Mehrsprachigkeit und sprachlich-kulturelle Identität zentrale Kategorien darstellten, spielten diese für die Fremdsprachenlehrer/ innen kaum eine Rolle.“ Auch die von K OLLMEYER (2007) befragten Realschul- und Gymnasiallehrer/ innen äußerten sich zurückhaltend über den Einsatz der vielfältigen Muttersprachen im Sprachunterricht: „[Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit] wird den Lehrkräften zufolge im Schulalltag, weder negiert noch [...] in irgendeiner Form nutzbar gemacht. [...] es stört keinen weiter, aber es freut auch keinen sonderlich [Il/ C.L.]“ (K OLLMEYER 2007: 262). Ausnahmen mögen hier internationale bzw. bilinguale Schulen darstellen (vgl. N EU - MANN 2009, J ESSNER 2008). 2 Ein Grund für diese Vermeidung eines expliziten Einbezugs nicht-schulisch vorgelernter Sprachen könnte der monolinguale Habitus (G OGO - LIN 2008) sein, also die tiefverwurzelte Annahme und das darauf basierende Handeln, dass Schule in erster Linie einsprachig, hier: deutschsprachig, sei. Dabei weist G OGOLIN (2008: 256) jedoch auch darauf hin, dass dieser Habitus „nicht mehr unangefochten in allen Räumen das Monopol“ besitzt. Ein weiteres Element mögen Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung eines solchen Einbezugs sein, etwa ein Mangel an Materialien, die ohne große sprachliche Kenntnisse von Lehrkräften in den Unterricht eingebunden werden können. 2. Mehrsprachigkeit in Aktion: Die Arbeit mit MuViT In dieser Studie betrachten wir, wie Kinder mit Multilingual Virtual Talking Books - kurz MuViT (E LSNER 2011, http: / / www.mu-vit.eu/ ) - Englisch lernen. MuViT ist eine 2 Auch im Kontext von schulisch vorgelernten Sprachen gibt es in dieser Hinsicht Skepsis und Zurückhaltung, vgl. etwa B AHR [et al.] (1996). 60 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 Softwareanwendung, die im Rahmen des Comenius Projekts „Multiliteracy Virtual Project“ entstand. Grundlage ist ein kindgerechter Viewer, in dem multimodale und multikodale (Bild, geschriebener Text, gesprochener Text/ Geräusche) Geschichten betrachtet werden können (siehe Abbildung 1). Abb. 1: Screenshot aus der adaptierten Version von „Ruben and the magic stones“ (dreisprachige Version) Für diese Studie wurde eine der vorinstallierten Geschichten - „Ruben and the magic stones“ - mit Hilfe des dazugehörigen Authoring Tools überarbeitet. Die ursprünglich vorhandene Vokabelvorentlastung wurde gestrichen, vier Prompts, die zur gemeinsamen Bedeutungsaushandlung anregen sollen, wurden ergänzt. Auf zusätzliche akustische Reize wie Umgebungsgeräusche wurde verzichtet. Die Geschichte wurde in zwei Versionen erstellt: eine dreisprachige Version (Englisch, Deutsch, Türkisch) sowie eine einsprachig englische Version für die Kontrollgruppe. In diesem Aufsatz wird nur auf die Arbeit mit der dreisprachigen Version eingegangen, bei der die Kinder jederzeit die Möglichkeit hatten, die genutzte Sprache einfach zu wechseln. Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 61 43 (2014) • Heft 2 2.1 Projekt „LIKE“ Die Daten, auf denen dieser Aufsatz basiert, sind dem noch laufenden Projekt „LIKE“ („Bedeutung der L1 (Türkisch) und L2 (Deutsch) für die Entwicklung kommunikativer Kompetenz in der L3 (Englisch) bei mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern“) entnommen. LIKE untersucht mit Hilfe von MuViT-Geschichten, wie Grundschüler/ innen sich über Negotiation of form/ Negotiation of meaning und Code-Switching multimodale/ multikodale englische Texte erschließen und welche Rolle in diesem Kontext die (familiär) vorgelernten Sprachen spielen. Zu diesem Zweck werden die Faktoren mehrsprachiger vs. einsprachiger Input (eine multimodale Geschichte auf Englisch/ Deutsch/ Türkisch bzw. nur auf Englisch), sowie Mehrsprachigkeitsstatus (Dyaden mit Türkisch und Deutsch sprechenden Schüler/ innen, mit ausschließlich Deutsch sprechenden Schüler/ innen, sowie gemischte Dyaden mit sowohl einer/ einem Deutsch, und einem/ einer Deutsch sowie Türkisch sprechenden Schüler/ in) systematisch variiert. Die hier besprochenen Daten entstammen der Pilotierungsphase und wurden in einer fünften Klasse des Gymnasiums in den ersten zwei Unterrichtswochen erhoben. Insgesamt erhoben wurden 24 Kinder in zwölf Dyaden, davon 18 Kinder/ neun Dyaden im dreisprachigen Treatment. Für den Abschnitt über rezeptives Code-Switching werden vier Dyaden im Detail betrachtet: Name der Dyade Geschlecht Sprachenkombination Treatment Manul MM Deutsch Deutsch & Türkisch dreisprachig Karakal JM Deutsch & Persisch & Kurdisch & Türkischkenntnisse 3 Deutsch dreisprachig Puma MM Deutsch Deutsch dreisprachig Leopard JJ Deutsch & Türkisch Deutsch & Türkisch dreisprachig Tab. 1: Übersicht über die vier Dyaden der Detailstudie 2.2 Versuchsaufbau Alle Versuchspersonen durchliefen folgenden Prozess: Im Vorfeld wurde eine schriftliche Einverständniserklärung bei den Eltern und Kindern eingeholt. Die Kinder füllten zunächst jeweils in Gruppen von sechs Personen einen Pretest-Fragebogen aus. Danach 3 Der Junge hatte bei der Erhebung seiner Sprachkenntnisse Türkischkenntnisse nicht erwähnt, wechselte aber während der Bearbeitung der Geschichte selber (produktives Code-Switching) ins Türkische. 62 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 wurden sie in Dyaden eingeteilt. Zuerst bearbeiten sie eine Information Gap-Aufgabe, bei der die Kinder jeweils leicht unterschiedliche Versionen eines Bildes hatten und durch die Beschreibung der jeweiligen Bildversion - bevorzugt auf Englisch, aber auch unter Rückgriff auf Deutsch und Türkisch - die Unterschiede identifizieren sollten. Nach der Information Gap-Aufgabe arbeiteten sie in der gleichen Konstellation an Laptops weiter, auf denen MuViT installiert und die modifizierte Version von „Ruben and the magic stones“ bereits geöffnet war. Die Kinder erhielten eine kurze Einführung in die Benutzung der Software sowie die Anweisung, die Geschichte auf Englisch durchzuarbeiten und dabei ggf. auch die deutsche oder türkische Version zu nutzen, wenn sie die englische nicht verständen. Diese Teilanweisung fiel für die Gruppe mit monolingualem Treatment, die nur die englische Version zur Verfügung hatte, weg. Die Bearbeitung der MuViT Geschichte wurde via Webcam und Screencapturing (beides inklusive Audio) aufgezeichnet. In einem Logfile wurden alle Interaktionen mit der Software aufgezeichnet. Nach der Arbeit an MuViT füllten die Kinder zwei Posttest- Bögen aus. Fokus der vorliegenden Analyse sind die Screencapture-Videos sowie die Logfiles. Die Daten aus Pre- und Posttests werden hier - über demographische Angaben hinaus - nicht in die Betrachtungen einbezogen. 3. Rezeptives Code-Switching (CS) bei der kollaborativen Arbeit mit MuViT Der Begriff ‚rezeptives Code-Switching‘ bzw. receptive Code-Switching wird in unterschiedlichen Bedeutungen genutzt. N EMOIANU (1980) beschreibt damit die Reaktionen eines Kindes auf das produktive Code-Switching seiner Mutter, Q UINTERO und R UM - MEL (1998) beschreiben hiermit die Fähigkeit einer Mutter, ihren Sohn in einer Sprache, die sie selber nicht produktiv verwendet, zu verstehen. In diesem Aufsatz nutzen wir den Begriff, wie er von E LSNER / L OHE zuerst 2013 im Kontext des MuViT-Projekts verwendet wurde (vgl. hierzu Flyer zum MuViT Projekt, E LSNER / L OHE 2013): „In the context of MuViT, Code-Switching is understood as the receptive and productive use of and alternation between two or more linguistic varieties in discourse situations, including interaction with others and texts.“ Wir unterscheiden: • rCS 1 : die Reaktion auf das produktive CS anderer • rCS 2 : die Fähigkeit, das produktive CS anderer zu verstehen • rCS 3 : das aktive Wechseln der Inputsprache Nur im dritten Sinne, bei rCS 3 , können wir also sagen, dass jemand aktiv rezeptives Code-Switching ausübt, anstatt lediglich auf das produktive Code-Switching einer anderen Person zu reagieren. Rezeptives Code-Switching in diesem Sinne ist auf multilinguale Medien angewiesen. Es müssen mehrere Sprachversionen verfügbar sein, zwischen denen mit vergleichsweise geringem Aufwand gewechselt werden kann. Oft Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 63 43 (2014) • Heft 2 wird es sich dabei um digitale Medien handeln. Neben dem kulturellen Kontext (z.B. „Englischunterricht“) spielt auch die konkrete Aufgabenstellung eine große Rolle für rezeptives Code-Switching-Verhalten. In der hier vorgestellten Studie wird durch Aufgabestellung und in die Geschichte eingebaute Prompts eine verständnisorientierte Bearbeitung der Geschichte angeregt. Dennoch entstand ein unbeabsichtigter Nebenfokus auf Wortschatzitems dadurch, dass einige Kinder die im Pretest abgefragten Vokabelitems in der Geschichte wiedererkannten. Im Folgenden betrachten wir im Detail das Code-Switching-Verhalten von vier Dyaden, die sehr unterschiedlich an die mehrsprachige Geschichte herangegangen sind. Wir versuchen, das Code-Switching-Verhalten von Manul, Karakal, Puma und Leopard mit Hilfe quantitativer Daten (Logfiles) sowie qualitativer Daten (Transkription der Gespräche, die während der MuViT-Bearbeitung geführt wurden) zu beschreiben, und auf dieser Basis vier grundlegende Herangehensweisen an die Bearbeitung mehrsprachiger Geschichten zu beschreiben. Die vier Dyaden wurden für diesen Zweck ausgewählt, weil sie gut die unterschiedlichen Herangehensweisen illustrieren können. Mischformen, sowie Muster die letztlich auf eine Verweigerung gegen die Aufgabenstellung oder den Gesamtkontext der Aufgabenbearbeitung zurückzuführen sind, wurden hier bewusst außen vor gelassen. 3.1 Logfile-Analysen Betrachten wir in einem ersten Schritt, wie viele Seiten je Sprache die einzelnen Dyaden aufgerufen haben. Abbildung 2 (S. 64) zeigt die Anzahl an types (Seitenaufrufe insgesamt je Sprache, jeweils exklusive Mehrfachaufrufe einer Seite). Manul hat die Geschichte ausschließlich auf Englisch rezipiert, Karakal hat jede Seite auf Deutsch und auf Englisch betrachtet sowie einzelne Seiten auf Türkisch. Puma und Leopard haben beide vereinzelte Switches in eine - oder beide - nicht-englische Sprachen. Ergänzen wir diese Auswertung durch eine Analyse der Häufigkeit von Switches, wird der Unterschied zwischen Karakal auf der einen und Puma und Leopard auf der anderen Seite noch einmal deutlicher. Während Puma und Leopard vergleichsweise oft wechseln (je 18 und 21 Wechsel) hat Karakal nur sehr wenige Wechsel (4) obwohl diese Dyade viele Seiten auf Deutsch und einige auf Türkisch aufgerufen hat. Es ist also anzunehmen, dass nach einem Sprachwechsel Karakal viele Seiten in der jeweiligen Sprache betrachtet, während Puma und Leopard nach jedem Sprachwechsel wieder schnell weiter wechseln. 64 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 Abb. 2: Anzahl englischer, deutscher, türkischer Seiten, die aufgerufen wurden (types) In Abbildung 3 ( S. 65) wird ausschnitthaft die Bearbeitung der Geschichte im zeitlichen Verlauf dargestellt. Jedes Kästchen stellt dabei eine aufgerufene Seite dar, beginnend von der ersten Seite (unten) bis zur letzten Seite (oben). Die Farbe der Kästchen stellt dabei die gewählte Sprache dar (schwarz: Englisch, grau: Deutsch, weiß: Türkisch). Die Größe der Kästchen ist hier ohne Bedeutung, sie schwankt in der Darstellung lediglich in Abhängigkeit von der Anzahl der aufgerufenen Seiten (mehr aufgerufene Seiten, etwas kleinere Kästchen). Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 65 43 (2014) • Heft 2 Abb. 3: Visualisierung Seiten/ Sprache für die vier Dyaden (Ausschnitt) An den vollständigen Visualisierungen finden sich die bisherigen Analysen bestätigt. Manul rezipiert die Geschichte ausschließlich auf Englisch, Karakal dagegen betrachtet die vollständige Geschichte auf Englisch, wechselt dann auf Deutsch, blättert in der deutschen Version zurück bis an den Anfang der Geschichte, betrachtet daraufhin die Geschichte von Anfang bis Ende auf Deutsch, blättert dann wieder zurück an den Anfang der Geschichte (ebenfalls auf Deutsch), und wechselt nun zur türkischen Version zur Geschichte, deren Bearbeitung auf Seite 2 abgebrochen wurde. Puma und Leopard dagegen scheinen die Geschichte auf Englisch zu betrachten und dann an mehreren 66 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 Punkten in der Geschichte in (die) andere(n) Sprachen zu wechseln. Bei Puma sehen wir etwa, wie Seite 18 erst auf Englisch betrachtet wird, dann ein Wechsel auf die deutsche Version dieser Seite stattfindet, und anschließend auf die englische Version zurückgewechselt wird. Die Bearbeitung wird daraufhin auf Englisch fortgesetzt. Während Manul also durch den Verzicht auf Switches gekennzeichnet ist, könnte man Karakals Code-Switching-Verhalten als „Makro-Switches“ und Pumas und Leopards Wechsel als „Mikro-Switches“ bezeichnen. Dabei bezeichnet „Makro-Switches“ solche Switches, die zum dauerhaften Wechsel der Sprache führen (etwa nach dem Modell „Erst Sprache a, dann Sprache b“), während Mikro-Switches dadurch charakterisiert sind, dass für einen Moment in eine Sprache gewechselt wird, worauf aber eine schnelle Rückkehr in die Ausgangssprache folgt. Im nächsten Schritt sollen die Transkripte ausgesuchter Switching-Stellen einbezogen werden, um die Unterschiede zwischen Puma und Leopard herauszuarbeiten. 3.2 Screencast-Analyse Wir haben in der Analyse der Logfiles sehen können, wie sehr sich die Nutzung der mehrsprachigen Ressourcen innerhalb der MuViT Software unterscheidet. Neben der grundsätzlichen Differenz Switches (Manul) - keine Switches (Karakal, Puma, Leopard), konnte schon zwischen denen, die zu Makro-Switches neigen (Karakal), sowie denjenigen, die zu Mikro-Switches tendieren (Puma und Leopard) unterschieden werden. Im folgenden Abschnitt werden wir ergänzend die Transkripte der Screencastvideos hinzuziehen, um die verschiedenen Typen von Mikro-Switches bei Puma und Leopard zu illustrieren. 4 Die Dyade Puma nutzt den Wechsel zwischen Sprachen gezielt, um das Verständnis der Geschichte oder einzelner sprachlicher Einheiten zu sichern. A USSCHNITT I (Puma) 5 [MuViT: Seite 6 (Englisch) ist geöffnet] MuViT: Did you understand everything? If not: Ask your partner for help. [Wechsel auf Seite 7] KIND 1: Mach das mal auf Deutsch (.) geh zurück und mach's auf Deutsch wenn wir's nicht verstanden haben (…) [Wechsel auf Seite 6, Wechsel zu Deutsch] [KIND 1 liest vor] Hast du alles verstanden / wenn nein bitte deinen Partner um Hilfe (.) okay doch wir haben alles verstanden oder / [Wechsel zu Englisch] oder hast du was nicht verstanden / KIND 2: Ich hab was ver (.) ich hab alles verstanden also er geht zur Schule und er hat ein roten Stein gefunden 4 Die Transkripte wurden von Charlotte Stemp im Rahmen ihrer Ersten Staatsarbeit erstellt und von Christine Suchan überarbeitet. 5 Für die Transkripte wurden Schüleräußerungen, Versuchsleiteräußerungen und der akustische MuViT- Output gleichberechtigt transkribiert. Eine Aufschlüsselung der Transkriptionsregeln findet sich im Anhang ( S. 73). Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 67 43 (2014) • Heft 2 KIND 1: Ja und er stellt sich vor was er damit machen könnte [Wechsel auf Seite 5] KIND 2: Ja er könnte Bauarbeiter werden KIND 1: Ja genau [Wechsel auf Seite 6, 7] Ausschnitt 1 stellt die erste Code-Switching-Episode dieser Dyade dar. Die ersten fünf aufgerufenen Seiten beinhalteten den Anfang der Geschichte und wurden ausschließlich auf Englisch betrachtet. Seite 6 nun enthält den ersten Prompt und damit die erste Handlungsaufforderung. In einem ersten Schritt geht die Dyade zur nächsten Seite weiter, erst nach dem Wechsel auf Seite 7 fordert Kind 1 dazu auf „Mach das mal auf Deutsch“. Erst nachdem das Mädchen die deutsche Übersetzung vorgelesen hat, scheint sie die Aufgabenstellung verstanden zu haben, zumindest reagieren die Kinder nun inhaltlich auf den Prompt. Noch während der mündlichen Bearbeitung des Prompts wechseln sie wieder ins Englische, in dem sie die darauf folgenden Seiten rezipieren. Ein weiterer Switch wird bei Seite 7 ausgeführt. A USSCHNITT II (Puma) [MuViT: Seite 7 (Englisch) ist geöffnet] MuViT: The stone sparkles. Suddenly Ruben is in the middle of diggers and trailers. KIND 2: Diggers / was heißt das diggers / diggers / KIND 1: Mach das mal jetzt auf Deutsch [Wechsel zu Deutsch] MuViT: Der Stein funkelt. KIND 2: Diggers Bagger [Wechsel zu Englisch] MuViT: The stone sparkles. Suddenly [Wechsel auf Seite 8] KIND 2: Mann oh ich bin so doof [unverständlich] Ein konkretes Wort - diggers - ist nicht verstanden worden. Vermutlich lag ein besonderer Fokus auf dem Begriff, da dieses Wort auch im Vokabel-Pretest abgefragt worden war. Die Kinder wechseln die Sprache und identifizieren erfolgreich das deutsche Äquivalent zu digger. Das Problem scheint nun für die Kinder erfolgreich gelöst zu sein, da sie mit dem Anhören der nächsten Seite - nun wieder auf Englisch - fortfahren. Beide Vorgehensweisen - der Wechsel zum Deutschen, wenn etwas allgemein nicht verstanden wurde, sowie der gezielte Wechsel, um einzelne Worte zu übersetzen - ziehen sich auch durch die weitere Bearbeitung der Geschichte. Diese Strategie muss dabei nicht immer erfolgreich sein, zumindest nicht aus der Perspektive einer zielsprachnahen Übersetzung. Das Datenmaterial enthält Beispiele, in denen ein Aushandlungsprozess zwar objektiv betrachtet in einer sachlich falschen Übersetzung endet, subjektiv gesehen für die Kinder aber zufriedenstellend ist. Puma, so ließe sich dies zusammenfassen, wechselt gezielt vom Englischen ins Deutsche, um konkrete Verständnisschwierigkeiten oder Wortschatzlücken zu bearbeiten. Im Gespräch zeigt sich dabei eine Struktur parallel zu V ARONIS / G ASS ’ (1985) Beschreibung von non-understanding routines als einer Abfolge von trigger („the trigger is that utterance or portion of an utterance on the part of the speaker which results in some indication of non-understanding on the part of the hearer“; ebd.: 74), indicator 68 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 („an utterance on the part of the hearer that essentially halts the horizontal progression of the conversation and begins the downward progression, having the effect of ‘pushing down the conversation’ rather than impelling it forward“; ebd.: 75), response („speaker’s response (R) to the indicator, acknowledging the non-understanding in some way“; ebd.) und einer reaction to response, die die Sequenz abschließt. Während in dem Modell von V ARONIS / G ASS die Aushandlung immer auf die Äußerung eines Gesprächspartners bezogen ist, findet in Ausschnitt II eine gemeinsame Bedeutungsaushandlung eines externen Textes statt. Das rezeptive Code-Switching erfüllt dabei z.B. die Funktion der response, die auf einen Ausdruck des Nicht-Verstehens, den indicator, folgt. Vergleichen wir dies nun mit rezeptiven Code-Switching-Episoden bei Leopard. In dieser Dyade wird gleich zu Beginn der Arbeit am Computer - noch während die Aufgabenstellung erläutert wird - von den Kindern ins Türkische gewechselt. A USSCHNITT III (Leopard) [MuViT Seite 1 (Englisch) ist geöffnet, während noch die Aufgabenstellung erklärt wird, Wechsel zu Türkisch] KIND 1: [liest flüsternd vor; überlappend zur Aufgabenerklärung durch VL] Ruben ve sihirli taşlar. KIND 2: [lacht] [Aufgabenerklärung durch VL1 und VL2 gehen weiter. Rückfragen von anderen Kindern.] KIND 1: Wir machen jetzt auf Türkisch oder / KIND 2: Was denn / VL1: That is Turkish, yes. You can you can start in English [Wechsel zu Türkisch] KIND 1: [überlappt] machen wir einfach auf Türkisch (.) machen wir lieber Türkisch (…) [Wechsel zu Englisch] was / mach (.) [unverständlich] KIND 1: You can start in English and then if you want to change to Turkish you can change MuViT: Ruben and the magic stones. [Wechsel auf Seite 2] Noch vor Beginn der Lektüre wechseln die Kinder somit ins Türkische, woraufhin die Versuchsleiterin die Erwartung expliziert, dass Türkisch und Deutsch als Hilfen für die Bearbeitung des englischen Texts dienen und daher auf Englisch begonnen werden solle. Beide Kinder in dieser Dyade sind zweisprachig Türkisch-Deutsch, ihre ursprüngliche Entscheidung, auf Türkisch zu beginnen, zeigt ihre starke Motivation, diese Sprache zu nutzen. Leopard ist auch im Vergleich zur Gesamtgruppe (12 Dyaden) diejenige Dyade, die die meisten Seiten auf Türkisch aufruft. Da direkt zu Beginn der Bearbeitung ein Verständnisproblem eher unwahrscheinlich ist, ist an dieser Stelle der Sprachwechsel vermutlich eher identitäts- oder neugierdebezogen. Da keine explizite Begründung für den Wunsch nach Sprachwechsel angegeben wird, kann hier jedoch nur spekuliert werden. Im nächsten Ausschnitt sind intensive Sprachwechsel zu beobachten. Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 69 43 (2014) • Heft 2 A USSCHNITT IV (Leopard) [Seite 9 ist auf Englisch geöffnet] MuViT: Ruben can’t hold on to the pipe. [Wechsel zu Deutsch] Ruben kann das Rohr [Wechsel zu Englisch] Ruben can’t hold [lachen] on to the [Wechsel zu Deutsch] Ruben kann [Wechsel zu Englisch] Ruben can’t hold on to the pipe. It falls on his foot. “I wish I were at school! ” KIND 1: Mach ma Türkisch [Wechsel zu Türkisch] MuViT: Ruben boruyu tutamaz. Boru ayaginin üzerine düser. KINDER: [lachen] MuViT: Ruben can’t [Wechsel auf Seite 10] Auch hier gilt wieder: Die Aufforderung zum Sprachwechsel wird nicht begründet. Die einzige Reaktion, die beobachtbar ist, ist das Lachen der Lernenden. Lachen kann viele Funktionen haben und ist als solches schwer zu interpretieren. In Kombination mit den verschiedenen Sprachwechseln - Englisch nach Deutsch nach Englisch nach Türkisch - könnte es als Indikator für eine Lust am Wechseln, eine Freude an/ Belustigung durch die verschiedenen Sprachversionen gedeutet werden. Ein konkretes Verständnisproblem scheint den Switches auch hier nicht zugrunde zu liegen. Wir haben gesehen, wie Sprachwechsel ins Türkische, aber auch ins Deutsche und Englische, aktiv gesucht wurden, auch wenn kein Verständnisproblem evident war. Lachen, die große Motivation, zu wechseln, bevor die eigentliche Aufgabenbearbeitung begonnen hat, sind Indikatoren für einen spielerischen neugierde- oder identitätsbezogenen Umgang mit den unterschiedlichen Sprachangeboten i.S. von Code-Switching- Affordanzen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Dyade Switches nicht auch für Verständnisaushandlungen nutzen kann. So findet sich auch bei Leopard eine Struktur, die stark an die typischen Code-Switching-Episoden von Puma erinnert. Die hier aufgezeigten Unterschiede zwischen Puma und Leopard haben viel mit der diskursiv etablierten Motivation für rezeptives Code-Switching an einer konkreten Stelle zu tun. Das gezielte Switchen zum Zwecke der Bedeutungsklärung werden wir als „fokussiertes rezeptives Code-Switching“, ein Switchen ohne einen solchen Zweck als „offenes rezeptives Code-Switching“ bezeichnen. Fokussiertes Switchen dient einem konkreten Wissensinteresse, sein Einsatz ist an Probleme mit dem Verständnis des Textes geknüpft, die im Gespräch der Kinder auch erkennbar werden müssen. Ein fokussierter Switch ist dann ‚geglückt‘, wenn das diskursiv etablierte Verständnisproblem zur Zufriedenheit der Beteiligten gelöst wurde. Beim offenen Code-Switching wird das Ziel der Switches ein mehr spielerisches, entdeckendes. Es ist „offen“ in dem Sinne, dass es kein vordefiniertes „Ergebnis“ der Switches gibt. Würde immer dort, wo für Switches keine (verständnisorientierte) Funktion diskursiv etabliert wird, von offenen Switches ausgegangen, entstünde die Gefahr, dass diese Kategorie zur ‚Reste-Kategorie‘ verkommt. Daher gilt, dass es auch für offene Switches Belege für das Fehlen einer verständnisorientierten Funktion geben sollte, etwa Gelächter oder andere Anzeichen für einen offenen, spielerischen, entdeckenden Umgang mit dem rezeptiven Code-Switching. Abbildung 4 ( S. 70) fasst die verschiedenen Typen von rezeptivem Code- Switching-Verhalten noch einmal zusammen: 70 Judith Bündgens-Kosten, Daniela Elsner 43 (2014) • Heft 2 Abb. 4: Grundtypen von rezeptivem Code-Switching-Verhalten 4. Fazit Dieser Beitrag betrachtet, wie Kinder in Dyaden mit den technischen Möglichkeiten für rezeptives Code-Switching umgehen. Vier grundlegende Herangehensweisen wurden dabei beschrieben: kein Code-Switching, Makro-Switches, offene Mikro-Switches sowie fokussierte Mikro-Switches. Unter Rückgriff auf eine größere Datenbasis wird sich in Zukunft beurteilen lassen, ob in unserer Stichprobe etwa fokussierte Switches zu einem höheren Vokabelzuwachs führen als offene Switches. Auch ob die verschiedenen Herangehensweisen rein persönliche oder momentane Vorlieben widerspiegeln oder ob sie mit Faktoren wie etwa besonders hoher Englischkompetenz oder hohem Rezeptives Code-Switching ein- und mehrsprachiger Lerner/ innen in multilingualen Settings 71 43 (2014) • Heft 2 Sprachbewusstsein korrelieren, wird zu einem späteren Zeitpunkt beurteilt werden können. Dann lässt sich auch sagen, ob „Strategische Mehrsprachigkeit“, also der gezielte Einsatz verschiedener (Mutter-)Sprachen im Sprachunterricht, eine sinnvolle Ergänzung zur „Aufgeklärten Einsprachigkeit“ (B UTZKAMM 1973) darstellen kann. Literatur B AHR , Andreas / B AUSCH , Karl-Richard / H ELBIG , Beate / K LEPPIN , Karin / K ÖNIGS , Frank G. / T ÖNSHOFF , Wolfgang (Hrsg) (1996): Forschungsgegenstand Tertiärsprachenunterricht: Ergebnisse eines empirischen Projekts. Bochum: Brockmeyer. B UTZKAMM , Wolfgang (1973): Aufgeklärte Einsprachigkeit: Zur Entdogmatisierung der Methode im Fremdsprachenunterricht. 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Seitenwechsel, Sprachwechsel) © 2014 Narr Francke Attempto Verlag 43 (2014) • Heft 2 L UTZ K ÜSTER * Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachigmultimedialen Kontext Ergebnisse einer empirischen Erhebung Abstract. This paper presents the findings of an empirical research on practices of multiliteracies, especially on the interplay of linguistic diversity and multimodal use among young adult learners. On the basis of quantitative and qualitative data the study gives a detailed insight in how multilingual language learners use their linguistic competences in digital environments. It shows that these practices are closely interconnected, which might lead to a rather integrative than additve understanding of multiliteracies. 1. Einführung Pluralität der Modi medialer Wirklichkeitsaneignung, Heterogenität der Lernvoraussetzungen, Mehrsprachigkeit - es sind allesamt Erscheinungsformen von Vielzahl und Vielfältigkeit, welche die N EW L ONDON G ROUP (1996, 2000) als Ausgangspunkte ihres pädagogisch-didaktischen Konzepts wählt. Ihre Gegenwartsdiagnose deckt sich mit unserer Alltagserfahrung und wird in den knapp 20 Jahren seit ihrer Begründung in eindrucksvoller Weise bestätigt. Ziel der hier vorgestellten Untersuchung ist es nun, diese Alltagswahrnehmung auf den Prüfstand empirischer Forschung zu stellen und differenzierte Einblicke in jene Praktiken von Multimodalität und Mehrsprachigkeit zu gewinnen, die für das Konzept der multiliteracies kennzeichnend sind. Unabhängig zunächst von didaktischen Zielsetzungen, wie sie von der Forschergruppe im Rahmen ihres pädagogisch-didaktischen Programms vorgenommen werden, geht es darum, die Mikroebene mehrsprachig-multimedialer Praxis näher zu erforschen. Abweichend von der Mehrzahl englischsprachiger Forschungsarbeiten verfolgt die Untersuchung eine spezifisch fremdsprachendidaktische Perspektive, wenn sie danach fragt, wie individuelle Mehrsprachigkeit in medialen Kontexten genutzt wird. Das hierbei zugrunde gelegte Verständnis von ‚Medien‘ orientiert sich an G ROEBEN (2002: 14), der Medien eine materielle Natur zuschreibt, sie zugleich aber mit ihren kommerziellen, politischen und ideologischen Implikationen sowie ihren ästhetischen Codes * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Lutz K ÜSTER , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: lutz.kuester@hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Literatur- und Mediendidaktik, Didaktik des (inter)kulturellen Lernens, Kompetenzentwicklung im Bereich der multiliteracies. Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 75 43 (2014) • Heft 2 und Konventionen in den Blick nimmt und als Instanz ebenso individueller wie kollektiver Wirklichkeitskonstruktionen betrachtet. Ein solcher Zuschnitt ist mit dem der N EW L ONDON G ROUP in hohem Maße kongruent. Die Studie setzt des Weiteren bei dem Verständnis von Vielheit im Konzept der Multiliteralität an: Inwiefern haben wir es mit im Wesentlichen getrennten, sich in der Summe addierenden Literalitäten oder vielmehr mit einem genuin eigenständigen, integrativen Konstrukt zu tun? Im Englischen wird gemeinhin der Pluralbegriff benutzt, was auf ein additives Verständnis schließen lässt. Welche Vernetzungen der einzelnen Literalitäten lassen sich - so die zweite Untersuchungsfrage - in konkreten Anwendungskontexten beobachten und inwiefern lässt sich daraus ein eher integratives Verständnis des Konzepts ableiten? Für die empirische Erhebung wurde der Adressatenkreis fortgeschrittener studentischer Fremdsprachenlerner ausgewählt, da vermutet werden kann, dass die zur Rede stehenden Praktiken in dieser Population besonders ausgeprägt sind. Aus Platzgründen muss sich der Beitrag auf die Darstellung der empirischen Erhebung und ihrer Ergebnisse beschränken. Hinsichtlich der theoretischen Fundierungen sei auf die Einleitung des vorliegenden Themenschwerpunkts, auf den Beitrag von C OLLIER / R OWSELL in diesem Heft sowie auf E LSNER / K ÜSTER / V IEBROCK (2007) verwiesen. 2. Untersuchungsdesign Die empirische Erhebung wurde im Januar 2014 durchgeführt. Sie umfasste drei Teile, eine online-basierte Fragebogenerhebung, eine Prozessanalyse und rekonstruktive Einzelfallstudien (vgl. auch K ÜSTER 2012). Die quantitativ ausgerichtete Fragebogenerhebung richtete sich an Studierende aller Fachrichtungen des Sprachenzentrums der Humboldt-Universität (HU), aber - über den Verteiler des „Arbeitskreises der Sprachenzentren“ (AKS) - auch anderer Universitäten im deutschsprachigen Raum. Sie fußte auf einer mit Studierenden des Lehramts an der HU durchgeführten Pilotstudie aus dem Jahre 2012. Anders als diese, die in Papierund-Stift-Form erfolgte, nutzte die im Folgenden vorgestellte Untersuchung das onlinegestützte Werkzeug Limesurvey. Mit ihm war zugleich die Anonymität der Datenerhebung gewährleistet. Die Stichprobe erfasste 403 gültige Antwortsätze und gliederte sich in vier Rubriken: zu personenbezogenen Basisinformationen (A), zum Profil sprachlicher Kompetenzen und sprach-/ kulturraumbezogener Präferenzen (B), zum Profil der Medienutzungsgewohnheiten und -präferenzen (C) sowie eine kombinierte Rubrik (D) zur Verwendung der individuell verfügbaren Sprachen bei der Mediennutzung. Geschlossene Fragen zum Ankreuzen sollten den Zugang zur Fragebogenerhebung niedrigschwellig halten. Bei Abfragen mit Skalierungen wurde eine vierstufige Likert-Skala verwendet, jeweils ergänzt um die Möglichkeit der Nichtbeantwortung. Über die Selbsteinschätzungen der Fremdsprachenlerner hinaus sollte eine in Absprache mit den Lehrenden und Lernenden dreier Sprachkurse für Hörer aller Fachbereiche im Multimedia-Raum des HU-Sprachenzentrums durchgeführte Prozessanalyse 76 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 (n = 26) Aufschluss geben über die Frage, welche sprach- und medienbezogenen Strategien die Lerner bei einer Internetrecherche verwenden und in welchem Maße sie diese vernetzen. Hier war die Stichprobe im Wesentlichen auf Lernende romanischer Sprachen begrenzt. 1 Teilnehmer/ innen eines Französisch-, eines Spanisch- und eines gemischten Italienisch-/ Englischkurses 2 jeweils auf dem Niveau B 2 / C 1 wurde eine Aufgabe vorgelegt, deren Lösung in besonderer Weise die Aktivierung von Kompetenzen in unterschiedlichen Sprachen und die Nutzung digitaler Medienformate voraussetzte. Die Studierenden erhielten die Aufforderung, sich im Internet über eine Persönlichkeit der Musikszene, alternativ auch der Filmbranche oder der Politik - einmal aus dem Sprachgebiet ihrer jeweils für den Kurs ausschlaggebenden Zielsprache und ein weiteres Mal aus dem Sprachgebiet einer anderen ihnen verfügbaren Fremdsprache - zu informieren. Dabei sollte sie die Zielvorstellung leiten, später im Kurs die von ihnen ausgewählte Person mündlich zu porträtieren. Da die Recherchezeit auf 2 x 30 Minuten beschränkt war, sollte sie lediglich einer ersten Orientierung dienen und nicht bereits in die Erstellung von Notizen oder dergleichen einmünden. Die Studierenden waren ermuntert, sich in der Wahl der herangezogenen Seiten und Sprachen zudem völlig frei zu fühlen; die Recherche im Raum der Universität sollte soweit wie möglich der am heimischen Rechner nahekommen. Die Suchbewegungen im Netz wurden - gesteuert über das Programm Morae® - anonymisiert für jeden Arbeitsplatz in log files sowie in einem Videostream der Bildschirmbewegungen im Zentralrechner des Multimedia-Raums gespeichert. Zur weiteren Bearbeitung wurden die digitalen Protokolle anschließend ins Microsoft-Excel- Format konvertiert. Ihnen ist v.a. zu entnehmen, auf welchen Seiten in welchen Sprachen sich die Studierenden wie lange aufgehalten und wie häufig sie zwischen unterschiedlichen Seiten und Sprachen gewechselt haben. Auf einem zu Beginn der jeweiligen Sitzung verteilten Erhebungsblatt hatten die Studierenden zudem Angaben zu ihrem individuellen Sprachbesitz gemacht. Dies diente als Basis für die spätere Unterscheidung zwischen in der Recherche genutzten Erst- oder Zweitsowie Fremdsprachen. Um die individuellen Nutzungsprofile besser rekonstruieren zu können, habe ich mit 8 Studienteilnehmer/ innen zu einem späteren Zeitpunkt die Videostreams ihrer Recherchen angesehen und diese in Form eines stimulated recall kommentieren lassen. 1 Eine vorab durchgeführte Erhebung mit einem Kurs in Deutsch als Fremdsprache, an dem nur sehr wenige Studierende teilnahmen, fungierte als Probelauf, der half, die Modalitäten der technischen Durchführung zu optimieren. Die hierbei gewonnenen Daten wurden aufgrund ihrer Unvollständigkeit jedoch nicht in die Ergebnisanalysen einbezogen. Selbstverständlich war die Teilnahme an der Erhebung freiwillig; das Einverständnis wurde per Unterschrift bestätigt. Einige der Kursteilnehmer/ innen gaben die Zustimmung nicht, sie sind demzufolge in der Studie auch nicht berücksichtigt worden. 2 Das vorliegende Format ist gewiss ungewöhnlich: Eine Italienisch-Lektorin und ein Englisch-Lektor leiteten gemeinsam diesen Sprachkurs, der Studierenden die Gelegenheit bot, ihre Kompetenzen in beiden Zielsprachen gleichzeitig zu erweitern. Dazu wurden bezogen auf beide Sprachen Aufgaben gestellt und in variabler Reihenfolge in der Kurszeit behandelt, so dass das Unterrichtsgeschehen von einer Vielzahl von Sprachwechseln geprägt war. Allem Anschein nach wurde dieses Angebot von den Studierenden, die ihrerseits unterschiedlich erst prachlich sozialisiert waren, sehr positiv aufgenommen. s Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 77 43 (2014) • Heft 2 Hierbei wurden primär die Prozesse der Internetrecherche, darüber hinaus aber auch die individuellen Sprachlernbiographien beleuchtet. Die Gespräche wurden in Audiodateien festgehalten und anschließend transkribiert (nach K UCKARTZ [et al.] 2008: 27 f). Aus Platzgründen werde ich nicht alle Einzelergebnisse detailliert aufführen und auf sie eingehen können. Sämtliche Auswertungen in Tabellenform sind jedoch einsehbar unter https: / / www.romanistik.hu-berlin.de/ fachdidaktik/ multiliteralitaet). 3 Auf dem Wege der Triangulierung sollten die Potenziale der einzelnen Erhebungsverfahren genutzt und ihre Begrenzungen minimiert werden. So ist offensichtlich, dass eine Fragebogenerhebung subsumtionslogischen Verkürzungen unterliegt, gleichzeitig aber einen breiten Überblick über Praktiken im Gegenstandsfeld erlaubt. Die Prozessanalyse wiederum ermöglicht auf der Basis der Protokolle detaillierte Einblicke in einzelne Arbeitsverläufe, die ebenfalls quantitativ auswertbar sind, sie gibt jedoch keine Aufschlüsse über individuelle Handlungsmotive. Dies vermag ansatzweise die Auswertung der qualitativen Daten des dritten Unterschungsschritts zu leisten. Sie erfolgte anhand der Kriterien, die von den Forschungsfragen vorgegeben waren. Eine detaillierte Kategorienbildung (vgl. K UCKARTZ 2014: 59-69) erschien angesichts der thematischen Ausrichtung an den individuellen Rechercheverläufen und des relativ geringen Umfangs des Datenmaterials nicht sinnvoll. 3. Auswertung der Fragebogenerhebung Die Auswertung der gültigen Antworten (n = 403) ergab im Feld personenbezogener Auskünfte (Rubrik A) folgendes Bild: Der überwiegende Teil der Befragten war weiblichen Geschlechts (75 %) und im Alter von 20-25 Jahren (70 %); die Altersgruppen von unter 20, von 26-30 bzw. von über 30 Jahren waren mit 9, 13 bzw. 7 % vertreten. Hinsichtlich der Zuordnung zu Studienrichtungen zeigt sich ebenfalls eine deutliche Polarisierung: 45 % der Teilnehmer/ innen stammten aus dem Bereich der Sprach- und Literaturwissenschaften, 18 % aus anderen Geisteswissenschaften, 16 % aus den Naturwissenschaften oder der Medizin und 14 % aus dem Feld der Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. 4 Inwieweit diese Zusammensetzung repräsentativ für diejenige der universitären Sprachkurse des fächerunspezifischen Angebots insgesamt ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Repräsentativ für die Gesamtheit der Studierenden im deutschsprachigen Raum sind diese Zahlen gewiss nicht. Hinsichtlich der Streuung des individuellen Sprachbesitzes der Befragten (Rubrik B) liefert die Studie interessante Daten. Dass auf die Frage nach der Erstbzw. lebensweltlich erworbenen Zweitsprache 89 % Deutsch angeben, ist zwar ebenso wenig verwunderlich wie die Tatsache, dass auf den nachfolgenden Rängen Russisch (4,7 %) vor 3 Aus datenschutzrechtlichen Gründen können die Transkripte der Einzelinterviews allerdings nicht online gestellt werden. 4 Die jeweils zum vollen Hundert fehlenden Prozentzahlen verteilen sich auf die Antwortmöglichkeit „Andere“ und „Keine Angaben“. 78 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Englisch (3,7 %) Französisch (3,5 %) und weiteren europäischen Sprachen rangiert, wohingegen außereuropäische Sprachen mit nur 1,5 % zu Buche schlagen. Allerdings liegt die Zahl der von den Befragten in fremdsprachlichen Kontexten erworbenen Sprachen mit einem Mittelwert von über 3.5 deutlich höher als erwartet: Anzahl der Fremdsprachen Anzahl der Nennungen 1 1 2 65 3 130 4 122 5 und mehr 85 Tab. 1: Anzahl der als Fremdsprache erlernten Sprachen Verständlicherweise differierten die erreichten Kompetenzstufen von Sprache zu Sprache (Erst-/ Zweit- und Fremdsprachen) erheblich. Die Selbsteinschätzungen ergaben folgendes Bild: Sprache Anzahl der Sprecher % Median Deutsch 353 87,59 C2 Englisch 400 99,26 C1 Französisch 330 81,89 B1 Spanisch 220 54,59 B1 Portugiesisch 41 10,17 A2 Italienisch 96 23,82 A2 Türkisch 12 2,98 A1 Kurdisch 3 0,74 A1 Arabisch 18 4,47 A1 Russisch 66 16,38 A2 Polnisch 21 5,21 A2 and. slaw. 24 5,96 A2 and. europ. 1 127 31,51 A2 and. europ. 2 35 8,68 A1 and. außereurop. 1 53 13,15 A1 and. außereurop. 2 11 2,73 B1 Tab. 2: Selbsteinschätzungen der erreichten sprachlichen Kompetenzstufen x‾ 3,56 s² 1,01 s 1,00 Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 79 43 (2014) • Heft 2 Wie an den absoluten Zahlen der Sprecher und dem Median der angegebenen individuell erreichten Kompetenzstufen abzulesen ist, verfügen die Befragten im Mittel über hohe Niveaus sprachlicher Kompetenzen (proficiency-level des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens GER) nicht nur im Deutschen, sondern auch im Englischen, wohingegen im Französischen und Spanischen der mittlere und in den weiteren Sprachen der untere Kompetenzbereich dominant vertreten ist. 5 Die Angaben zu Zahl und Dauer der individuellen Aufenthalte in den jeweiligen Sprachgebieten (vgl. Excel-Tab. B 4) 6 lassen eine ähnliche Verteilung erkennen. Der englischsprachige Raum rangiert hier (nach dem deutschsprachigen) an oberster Stelle, gefolgt von denen des Französischen, Spanischen, Italienischen und Russischen sowie weiterer, nicht näher differenzierbarer europäischer Sprachen. Um auch die Ebene persönlicher Einschätzungen und Haltungen einzubeziehen, wurden die Umfrageteilnehmer/ innen aufgefordert, auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 4 (hoch) „Sympathiewerte“ für die Sprachen ihres individuellen Sprachbesitzes (und nur für diese) zu verteilen (vgl. Excel-Tab. B 5). Die Resultate weichen leicht von denen zur zuvor genannten Frage ab: Deutsch (Mittelwer t x‾ = 3,60) führt die Liste an, gefolgt von Englisch (3,22), Spanisch (3,21), Italienisch (3,20), Französisch (3,08) und Portugiesisch (3,04). Noch vor Russisch (2,85) und Polnisch (2,79) sind zudem in den Rubriken „andere außereuropäische Sprachen 1 und 2“ und „andere europäische Sprachen 1 und 2“ überwiegend höhere Werte zu verzeichnen (3,15 und 3,10 bzw. 2,93 und 2,68). Zur Ergänzung der o.g. Angaben im Bereich affektiver Einstellungen wurde weiterhin gefragt, in welchem Sprach-/ Kulturraum sich die Einzelnen vorstellen könnten, längere Zeit (i.e. mehr als ein Jahr) zu leben. Auffallend ist, dass sich der englische Sprachraum in seiner Attraktivität für die Befragten noch deutlich vor dem deutschen und französischen ansiedelt. Die Werte für den spanischen und italienischen Raum zeigen auf der anderen Seite den geringsten Abstand zwischen Zahl der Sprecher und den Personen, die im betreffenden Sprachraum gerne längere Zeit leben würden. Die Ergebnisse im Einzelnen ( Tab. 3, S. 80): 5 Eine Verzerrung der Ergebnisse zugunsten der romanischen Sprachen ist nicht auszuschließen, da in den Probandengruppen der anderen Studienteile für eine Teilnahme an der Online-Befragung geworben wurde und die Rücklaufquote hier sicherlich höher lag als auf der Basis der Aufrufe über digitale Verteilerkreise. Die Auswahl der einzeln aufgeführten Sprachen erfolgte auf der Basis jener Daten, welche die Pilotstudie des Jahres 2012 zu Tage gefördert hatte. Im vorliegenden Rahmen erwies sie sich jedoch als unglücklich, da 40,2 % der Befragten Kompetenzen (auch) in anderen als den angebotenen europäischen Sprachen angaben. 6 Die Hinweise zu den Excel-Tabellen beziehen sich auf die Auswertung der Fragebogenerhebung, zu finden auf der oben angegebenen Internetseite. 80 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Tab. 3: Sprachraumpräferenzen in Relation mit der Sprecherzahl Nach der Vielfalt der Sprachen geraten im dritten Teil der Erhebung (Rubrik C) die Vielfalt der Mediennutzungen sowie die affektiven Einstellungen zu ihnen in den Blick. Das Auswahlmenü stellte unterschiedliche Formate digitaler und traditioneller Medien einander gegenüber. 7 In Bezug auf die Häufigkeit der Nutzung kann nicht verwundern, dass der online-Modus der Computerverwendung an erster Stelle steht: Der Mittelwert liegt hier sehr hoch, die Standardabweichung ist zudem sehr gering. Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Probanden vom Alter her als digital natives zu betrachten sind, ist hingegen erstaunlich, dass Bücher bereits an zweiter Position rangieren. Dieses klassische Medium des Gutenberg-Zeitalters erfreut sich folglich 7 Eine Abgrenzung beider Bereiche stößt allerdings auf die Schwierigkeit, dass der Computer nahezu alle traditionellen Medienformate emulieren kann, Differenzierungen somit immer mehr an Bedeutung verlieren. Gerade in Bezug auf das Fernsehen scheint eine klare Unterscheidung zwischen der Nutzung analoger und digitaler Technik kaum mehr sinnvoll, weswegen TV in der Liste nicht gesondert auftaucht; eine entsprechende Antwortkategorie hätte voraussichtlich keine verwertbaren Daten geliefert. Anders verhält es sich - so die zugrunde gelegte Vermutung - beim Buch, das zwar auch in digitaler Form als E-book verfügbar ist, gemeinhin aber nach wie vor mit dem Printprodukt assoziiert wird. Innerhalb der Computernutzung wiederum sollte die Differenzierung zwischen den Modi offline und online Auskunft darüber geben, wie intensiv Betätigungsfelder außerhalb des Internet (z.B. Textproduktion im Rahmen studentischer Hausarbeiten) von den Befragten wahrgenommen werden. Unter ‚Computernutzung‘ wurde auch der Gebrauch von Tablets verstanden, ohne dass darauf allerdings explizit verwiesen worden wäre. 311 230 228 189 115 111 81 52 46 35 23 10 400 353 330 220 96 250 41 66 18 21 12 3 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Aufenthalt Anzahl der Sprecher Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 81 43 (2014) • Heft 2 nach wie vor einer hohen Verbreitung. Handschriftliche Mitteilungen in Form von Briefen oder Postkarten weisen zwar mit Abstand den niedrigsten Mittelwert auf, sind jedoch unter den Befragten keineswegs „ausgestorben“. Häufigkeit der Nutzung 1 2 3 4 g. A. I-Wert x‾ s² s PC offline 87 131 91 66 375 886 2,36 1,05 1,02 PC online 2 20 83 295 400 1471 3,68 0,35 0,59 Smartphones 72 31 64 145 312 906 2,90 1,48 1,22 trad. Telefon/ Handy 124 98 72 40 334 696 2,08 1,06 1,03 Bücher 11 72 141 173 397 1270 3,20 0,69 0,83 Radio 121 107 88 55 371 819 2,21 1,11 1,06 Briefe/ Postkarten 170 132 43 19 364 639 1,76 0,73 0,86 Tab. 4: Häufigkeit der Mediennutzung 8 Über die Häufigkeit der Mediennutzungen hinaus erstreckten sich die Fragen in diesem Themenfeld auch auf die Einstellungen der Probanden. Dabei zeigte sich, dass die Sympathiewerte bei einigen traditionellen Medien höher lagen als bei den computerbasierten. Die auffälligste Diskrepanz ist bei der zuletzt angesprochenen Nutzung von Briefen und Postkarten zu verzeichnen. Doch auch bei den Büchern legt die Erhebung den Schluss nahe, dass die Befragten sie gerne intensiver nutzten als sie es realiter tun. Hier die Ergebnisse im Einzelnen: In der Beliebtheit wird die Rangliste von Büchern angeführt (x‾=3,37/ s=0,62), danach erst folgen PC online (x‾ =3,29/ s=0,88) sowie Briefe/ Postkarten (x‾ =3,26/ s=0,99), sodann mit deutlichem Abstand Radio (x‾ =2,74/ s=1,00), Smartphones (x‾ =2,59/ s=1,15), traditionelles Telefon/ Handy (x‾ =2,47/ s=1,05) und PC offline (x‾ =2,44/ s=1,05). Dies offenbart, wie hoch das Ansehen auch herkömmlicher medialer Praktiken und dementsprechend Literalitäten unter den Befragten ist - selbst wenn man eine geringfügige Verzerrung durch den Aspekt sozialer Erwünschtheit der Antworten berücksichtigt. Im vierten und letzten Fragebogenteil (Rubrik D, vgl. Excel-Tab. D 1-D 6) wurden beide Felder, das der Mehrsprachigkeit und das der Multimedialität, zusammengeführt. Leitend war hierbei die Frage, wie die auf sie bezogenen individuellen Praktiken und Kompetenzen miteinander vernetzt werden. Es wurde erfragt, welche Sprachen die Umfrageteilnehmer in welchen Medienformaten in welcher Intensität nutzen, und zwar getrennt zum einen nach computerbasierten und herkömmlichen Medienformaten und zum anderen nach den Funktionsbereichen ‚Informationsbeschaffung‘, ‚Unterhaltung‘ und ‚interpersonale Kommunikation‘. Die Zahlen der Antworten in den jeweiligen 8 Die Abkürzung „g.A.“ steht für „gültige Antworten“, während der „Intensitätswert“ (I-Wert) die Summe der mit dem Skalenwert multiplizierten Einzelangaben ausweist. 82 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Sprachfeldern variieren zwar geringfügig in den verschiedenen Tabellen, ihre proportionale Verteilung entspricht aber im Wesentlichen der bereits in Rubrik B festgestellten Reihenfolge: Deutsch rangiert knapp vor Englisch, in größeren Abständen dahinter Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch, gefolgt von weiteren europäischen und außereuropäischen Sprachen. Wie schon zuvor gaben die Befragten die Intensität der Nutzung in einer vierstufigen Skala von 1 (sehr selten) bis 4 (sehr häufig) an. Hinsichtlich der Nutzung des Deutschen in den verschiedenen Mediensparten und Funktionsbereichen sind keine signifikanten Unterschiede zu beobachten. Anders verhält es sich in Bezug auf das Englische: Hier liegen die Mittelwerte in allen drei Funktionsbereichen deutlich höher in der Nutzung der computerbasierten im Vergleich mit den herkömmlichen Medienformaten (x‾ =3,30 gegenüber 2,84 im Feld der Informationsbeschaffung, 3,34 gegenüber 2,98 in demjenigen der Unterhaltung und 2,72 gegenüber 2,06 in interpersonaler Kommunikation). Für die romanischen Sprachen lassen die Ergebnisse jeweils gleiche Tendenzen erkennen: In ihnen liegen die Mittelwerte bei der Informationsbeschaffung und in der interpersonalen Kommunikation durchweg höher bei der Nutzung digitaler Medienformate, lediglich im Funktionsbereich der Unterhaltung zeigen sich bei den traditionellen Medien vergleichsweise leicht höhere Werte - dies alles auf einem absteigenden Niveau in der Reihenfolge der o.g. Sprachen. Für das Russische hingegen weist nur der Bereich der Informationsbeschaffung einen leicht höheren Mittelwert bei den computerbasierten Anwendungen auf, während in Bezug sowohl auf die Unterhaltungsfunktion als auch die interpersonale Kommunikation traditionellen Formaten eine intensivere Nutzung zugeschrieben wird. Unabhängig von diesen internen Differenzierungen offenbart die Studie, dass die Befragten - den Angaben zufolge - ihren individuellen, oft sehr breit angelegten Sprachbesitz in hohem Maße mit einer ebenfalls differenzierten Mediennutzung vernetzen. Dies bestätigt die Grundannahme der N EW L ONDON G ROUP und der auf ihr basierenden Arbeiten, dass gegenwärtige Praktiken gesellschaftlicher und sozialer Teilhabe in privaten und beruflichen Kontexten über die Vielfalt medialer und sprachlicher Codes unterschiedliche literacies ansprechen und diese somit zur Voraussetzung haben. Dies gilt zumindest für die hier vorliegende Stichprobe studentischer Fremdsprachenlerner. Als Fazit zur Umfrageerhebung lässt sich festhalten, dass „alte“ Medien bei ihnen keineswegs ausgedient haben, sondern in den individuellen Nutzungsprofilen in der Summe einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wie die digitalen Medienformate. Wichtig erscheint mir nicht zuletzt auch die Feststellung, dass Englisch sich unter den Umfrageteilnehmern keinesfalls als „killer-language“ erwiesen hat: Trotz seiner dominanten Stellung in den individuellen Sprach- und Mediennutzungsprofilen der Befragten erkennbar verdrängt es keineswegs andere Sprachen, wie die (für mich überraschend) große Breite und Diversität der dokumentierten individuellen Mehrsprachigkeit offenbart. Die einschlägigen Angaben lassen ferner erkennen, dass im Sample die romanischen Sprachen breit vertreten und die Einstellungen zu ihnen und den jeweiligen Sprachräumen überwiegend von hohen Sympathiewerten gekennzeichnet sind. Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 83 43 (2014) • Heft 2 4. Analyse von online-Rechercheprozessen In den digitalen Protokollen der Internetrecherchen werden der exakte Zeitpunkt des Seitenaufrufs, die Kennzeichnung des Arbeitsplatzes und -abschnitts, die Art des Vorgangs (Seiten- oder Tabwechsel), die genaue URL, der verwendete Browser und der Titel der jeweiligen Seite ausgewiesen. 9 Die Tabellen konnten im weiteren Verlauf der Studie zur raschen Überblicksgewinnung auch bei den Interviews herangezogen werden, vor allem aber wurden sie einer kriteriengeleiteten Auswertung unterzogen. Hierzu wurde ein Raster entwickelt, das folgende Kategorien enthielt: I. Untersuchungstitel und in Klammern die gewählte öffentliche Person; II. Anzahl der unterschiedl. aufgerufenen Seiten; III. Anzahl der Sprachwechsel; IV. Anzahl der Seiten in der Erstbzw. Zweitsprache / Welche? ; V. Anzahl der Seiten in der Zielsprache / Welche? ; VI. Anzahl der Seiten in anderer Fremdsprache / Welche? ; VII. Verfügbare Moderne Sprachen; VIII. Anzahl genutzter Sprachen; IX. Welche nicht? ; X. Anzahl der Wikipedia-Anfragen; XI. Anzahl der YouTube-Aufrufe; XII. Anzahl der Online-Wörterbuch-Aufrufe. Zur Illustrierung sei hier ein Beispiel 10 gezeigt: I II III. IV. V VI. VII. VIII IX. X. XI. XII F 04 A (Marine Le Pen) 8 1 7 F 2 D (2 Gg) 7 F - 4 (D, E, F, K) 2 (F, D) E, K - 6 - F 04 B (Julius Nyerere) 17 7 7 D (7 Gg) 4 K 6 E 3 (D, K, E) F 1 6 - Tab. 5: Auswertung der Online-Protokolle nach Untersuchungsabschnitten Die Unterscheidung in einen A- und einen B-Teil folgt der in Kap. 2 genannten Trennung in einen Rechercheabschnitt, in dessen Zentrum eine öffentliche Person aus dem Gebiet der Zielsprache des Kurses und einen, der einer Person aus einem Raum einer Sprache stammt, welche für den/ die Unterschungsteilnehmer/ in eine Fremdsprache darstellt. Das Sprachenprofil der Probanden erweist sich dabei als ähnlich breit gestreut wie dasjenige, das die Fragebogenerhebung - allerdings auf der Basis anderer Kategorien - ergeben hatte: Inclusive der Erst- und Zweitsprachen, exclusive ggf. erlernter alter Sprachen, liegt der Mittelwert individuell verfügbarer Sprachen unter den Teilnehmer/ innen der Prozessanalyse bei 4,4. Die häufigsten Nennungen erhalten erneut die Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portgiesisch und Russisch, daneben aber auch vereinzelt Sprachen wie Schwedisch, Norwegisch, Holländisch, 9 Ein Beispiel findet sich auf der o.g. Internetseite unter dem Titel „Auswertung der Prozessanalyse, Auszug aus der Datei Span. A“. 10 Zur Erläuterung der Abkürzungen: F=Französisch; D=Deutsch; Gg=Google; E=Englisch; K=Kisuaheli. Die gesonderte Auflistung der Google-Aufrufe dient der Relativierung der vorstehenden Angabe zur Zahl der in deutscher Sprache angewählten Seiten. Da Google.de auf den Einzelrechnern voreingestellt war, bedeutet ein Aufruf nicht automatisch, dass der/ die betreffende Studierende sich bewusst für eine deutschsprachige Quelle entschieden hat. 84 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Sorbisch, Tschechisch, Ukrainisch, Bulgarisch, Kisuaheli, Mandarin, Hindi, Rajasthani 11 und Japanisch. Die Zusammenschau der Einzelrecherchen offenbart einen sehr breiten Fächer individuell unterschiedlicher Verhaltensweisen. Bezogen auf insgesamt 51 vollständig protokollierte Rechercheabschnitte ergibt die Auszählung aufgerufener Seiten folgendes Bild, das im 5. und 6. Item um eine Gegenüberstellung der Mittelwerte individuell verfügbarer und in den Recherchen genutzter Sprachen ergänzt wird: N absolut x‾ s Spannbreite Anzahl aufgerufener Seiten insgesamt 847 16,61 7,07 3 - 35 Anzahl Seiten in Erst-/ Zweitsprache 192 3,76 4,11 0 - 15 Anzahl Seiten in Fremdsprache 684 13,41 6,87 4 - 29 Anzahl indiv. verfügbarer Sprachen 4,42 1,31 3 - 8 Anzahl genutzter Sprachen 2,35 0,79 1 - 4 Anzahl Wikipedia-Aufrufe 86 1,69 1,98 0 - 9 Anzahl YouTube-Aufrufe 94 1,84 2,11 0 - 9 Anzahl Aufrufe online-Wörterbücher 16 0,31 0,64 0 - 3 Tab. 6: Summarische Auswertung der Online-Protokolle An der Durchschnittsquote von 1,69 Aufrufen pro Einzelrecherche bei gleichzeitig relativ niedriger Standardabweichung wird die Regelmäßigkeit der Wikipedia-Nutzung augenfällig, zu der später die Einzelintervies näheren Aufschluss geben. Allerdings wird die hier errechnete Zahl noch von derjenigen der YouTube-Aufrufe überflügelt. Dies illustriert, wie stark das Visuelle bzw. Audiovisuelle in den studentischen Internetnutzungen verankert ist und entsprechende visual literacies erforderlich macht. Dass hingegen die Möglichkeit schneller Vokabelklärung über Online-Wörterbücher recht wenig genutzt wird, mag an der Zeitbegrenzung der Recherchen liegen. Vielleicht zeigt sich hier aber auch, dass die Angebote des Internet den Probanden eher eine Flüchtigkeit der Rezeption nahelegen, welche wenig Raum für intensivere Sprachlernaktivitäten lässt. Unten erwähnte Ergebnisse der Einzelinterviews deuten in diese Richtung. Die Tatsache, dass mehr in Fremdsprachen recherchiert wurde als in der Erst- oder Zweitsprache, lässt sich aus der Perspektive einer späteren mündlichen Präsentation ableiten (s. auch nächstes Kapitel). Überraschend hingegen sind die hohen Werte der Standardabweichung, die auf sehr heterogene Nutzungsprofile verweisen. Wie ein Blick auf die Einzelerhebungen (in der eingangs genannten Internetquelle unter dem Titel „Auswertung der Prozessanalyse - Fokus Sprachen“ gespeichert) zeigt, nutzen einige ihre Fremdsprachenkenntnisse in breitem Umfang, andere hingegen nur recht 11 Die Frage, ob Hindi und Rajasthani als zwei getrennte Sprachen anzusehen sind oder ob letztere eine dialektale Variante der ersteren bildet, kann hier nicht geklärt werden. Die Probandin führt beide als gleichberechtigte Teile ihres Sprachbesitzes auf (s. Interview B2). Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 85 43 (2014) • Heft 2 eingeschränkt. Innerhalb des Einsatzes verfügbarer Sprachen wiederum offenbart eine detaillierte Auszählung, deren Ergebnisse der Tab. 8 zu entnehmen sind, dass Französisch den größten Abstand zwischen verfügbaren und genutzten Sprachressourcen aufweist, ganz anders als beim Spanischen und Italienischen. Auch hier bieten sich Verbindungen zu den stimulated recall-Gesprächen an, in denen einzelne Studierende eine deutliche Aversion gegen das Französische zum Ausdruck brachten. Hier wird ein zentrales Problem deutlich, vor das der Französischunterricht und die Französischdidaktik gestellt sind. Dass hingegen unter den hier aufgeführten Sprachen Russisch und Mandarin nicht zum Zuge kamen, ist angesichts der unterschiedlichen schriftsprachlichen Kodierungen verständlich. Sprache Anzahl Verfügbarkeit Französisch 7 20 Russisch 5 5 Englisch 2 26 Italienisch 2 11 Mandarin 2 2 Spanisch 2 14 Deutsch 1 26 Tab. 7: Rangliste nicht-genutzter Sprachen des individuellen Sprachenbesitzes 12 5. Einzelfallanalysen Vor Eintritt in das Verfahren des stimulated recall richteten sich die Fragen in allen Interviews zunächst auf die Sprachlernbiographie der Gesprächsteilnehmer/ innen. Allein in diesem Punkt folgten die Gespräche ausschließlich dem Typus eines leitfadengestützten Interviews. In allen nachfolgenden Phasen war die gemeinsame Betrachtung des Rechercheverlaufs anhand eines Videostreams leitend. Ich habe bewusst auf eine genaue Vorstrukturierung verzichtet und mich in den Zwischenfragen oft von spontanen Assoziationen leiten lassen, um den Gesprächsverlauf möglichst offen zu halten und den Interviewpartner/ innen zugleich eigene Thematisierungen nahezulegen. Gleichwohl hatte ich als Interviewer meine Forschungsfragen selbstverständlich im Hinterkopf, auf die ich an mir passend erscheinenden Stellen zurückgekommen bin. Sie spiegeln sich in den Kategorien, die der Inhaltsanalyse zugrundegelegt wurden: 1. Sprachlernbiographien (welche Sprachen wurden in welcher Reihenfolge, in welchen Kontexten, ggf. zu welchen Zielen erworben bzw. gelernt? ) 12 Nicht einzeln aufgeführt sind jene Sprachen, die nur von einer Person gesprochen und nicht genutzt wurden. 86 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 2. Sprachennutzung im Internet (welche Sprachen des eigenen Sprachbesitzes werden aus welchen Gründen in den einzelnen Recherchephasen vorrangig herangezogen? ) 3. Nutzung medialer Angebote (welche Arten von Internetquellen, wie z.B. Wikipedia oder YouTube, werden aus welchen Gründen bevorzugt aufgerufen? ) 5.1 Sprachlernbiographien Es mag daran liegen, dass sich nur diejenigen Studierenden zu einem Vertiefungsgespräch bereitfanden, die eine besondere Affinität zu Fragen der Mehrsprachigkeit haben. Tatsache ist, dass der Reichtum des von den Interviewpartnern genannten Sprachbesitzes sich als weit überdurchschnittlich erwies. Insbesondere stellte sich in den Gesprächen heraus, dass viele Befragte (im Folgenden B1-B8) über Kompetenzen in einer deutlich höheren Zahl von Fremdsprachen verfügen, als sie zuvor schriftlich angeben hatten. Sie erklärten dies in der Regel damit, dass sie die Sprachen nur eingeschränkt beherrschten und in Internetkontexten nicht verwendeten. Vier der Befragten (B3, B6, B7 und B8) waren erstsprachlich deutsch sozialisiert, zwei hatten Russisch bzw. Ukrainisch (B1 und B2), eine Bulgarisch (B4) und der einzige männliche Gesprächspartner (B5) Französisch als Erstsprache. Bei den erstsprachlich nichtdeutsch Sozialisierten war die Breite der individuellen Mehrsprachigkeit besonders beeindruckend. So gab B1 neben Russisch und Ukrainisch als Erstbzw. Zweitsprache Kompetenzen in Englisch, Französisch, Deutsch, Chinesisch, Norwegisch und Schwedisch an. B2 als Studentin der Historischen Linguistik (MA) mit BA-Abschluss in der Klassischen Philologie wiederum verwies auf (überwiegend fundierte) Kompetenzen in so unterschiedlichen Sprachen wie Italienisch, Englisch, Hindi, Rajasthani, Sanskrit, Latein, Altgriechisch und Altkirchenslawisch. B5 lernte Deutsch als erste Fremdsprache in Frankreich, es folgten Englisch, Italienisch und Spanisch sowie, noch sehr im Anfangsstadium, Russisch und Chinesisch. Interessant ist auch die Sprachbiographie von B6, die mit Deutsch als L1 im sorbischen Sprachgebiet aufwuchs, weswegen sie im schulischen Unterricht Sorbisch als Pflichtfach ab Jg. 7 hatte, ergänzt durch Englisch (ab Jg. 5), Russisch (ab Jg. 8) und Französisch (ab Jg. 9). Ein Auslandsjahr (in Jg. 11) verbrachte sie in Schweden, woraus sie fließende Schwedischkenntnisse behalten hat; durch Reisekontakte motiviert lernte sie ferner Niederländisch sowie später auf der Universität Spanisch; sie verbrachte ein Freiwilliges Soziales Jahr in Chile und belegt derzeit einen Spanischkurs auf dem Niveau C 1 des GeR. Diese Beispiele untermauern die Erfahrungstatsache, dass eine früh angelegte Mehrsprachigkeit nicht selten dazu führt, dass die Betreffenden sich mehrere weitere Sprachen zu eigen machen. Als Wege zur Mehrsprachigkeit werden neben institutionellen Lernkontexten autodidaktische Zugänge (B4) und computergestützte Programme wie Duolinguo angeführt. Was die von Einzelnen angesprochenen Sprachlernmotive angeht, werden instrumentelle Orientierungen (v.a. Vorbereitung auf Auslandsaufenthalte oder Aspekte beruflicher Nützlichkeit, letzteres fast ausschließlich in Bezug auf Englisch), aber auch ästhetisch-affektive Einstellungen angeführt. B7 z.B. begründet die Abkehr vom schu- Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 87 43 (2014) • Heft 2 lisch gelernten Französisch mit einer Aversion gegen Klangqualitäten französischer Alltagskommunikation („dann höre ich immer extrem laut: ‚oui, ähh‘, ‚parce que ähh‘, ‚je ne sais pas, ähh‘ und dieses Bestimmte [sic.] geht mir so auf die Nerven“), Spanisch hingegen habe sie angefangen zu lernen, weil sie „die Sprache so schön finde“. Ein Sonderfall von Sprachlernmotivation begegnet uns bei B3. Als entscheidend schildert die Studentin die biographische Prägung durch den sozialen Vater, der seinerseits als Sohn eines ihm unbekannten französischen Vaters in Deutschland aufgewachsen war, dann aber auf „der Suche nach seinen Wurzeln“ nach Frankreich ging und dort lange lebte. Seine spät, aber intensiv entwickelte Bindung an Sprache und Land habe er der Ziehtochter nahe gebracht. Hieraus erklärt sich eine in ihrer Sprachlernbiographie und Studienwahlentscheidung (BA Französisch und Deutsch mit Lehramtsoption) wie auch in ihren Zukunftsplänen manifeste bilingual-bikulturelle Fokussierung, die in ihrer Ausschließlichkeit einen deutlichen Kontrast zur Vielsprachigkeit anderer Interviewpartner bildet. Französisch, so wird deutlich, ist ihr zu einer Herzensangelegenheit geworden und nimmt in ihrem Freizeit-Medienverhalten einen großen Raum ein. Dass „Le Monde“ ihre Startseite im Internet ist, kann vor diesem Hintergrund nicht verwundern. Auch bei Vielsprachigen kann sich ein gewisser monolingualer Habitus einstellen, wie das Beispiel von B4 zeigt. Mit Bulgarisch als Erstsprache verfügt die Studentin über Kompetenzen im Englischen, Deutschen, Italienischen, Russischen und Spanischen, legt aber großen Wert darauf, sich auf jeweils nur eine Sprache zu konzentrieren. Lehrbücher, an denen sie sich bei Selbstlernaktivitäten orientiert, dürfen z.B. nicht sprachkontrastiv angelegt sein. Diese Haltung spiegelt sich in ihren Internetrecherchen, zu denen sie kommentierend anführt: „Ich finde es schwierig, die Sprachen so zu wechseln, es ist einfacher, wenn man in einer Sprache bleibt und da ich längst nicht von meiner Muttersprache abhängig bin, ist es dann irgendwie egal, welche Sprache verwendet wird.“ 5.2 Sprachennutzung im Internet Zwar wurden, wie in Kap. 2 beschrieben, die Untersuchungsteilnehmer/ innen explizit aufgefordert, sich in der Wahl der bei den Rechercheaufgaben zu nutzenden Sprachen völlig frei zu fühlen, andererseits gab die Aufgabenstellung mit der gedachten - in einem der drei Kurse in der Folge auch umgesetzten - Perspektive einer späteren mündlichen Präsentation eine bestimmte Richtung vor. So wird in den Einzelgesprächen deutlich, dass die meisten sich in dem ersten Rechercheteil, der auf die Zielsprache des Kurses gerichtet war, von dieser Verwertungsperspektive leiten ließen und bewusst Quellen in der entsprechenden Sprache aufsuchten (z.B. B1, B2, B6, B8). Ferner machen einige Befragte einen engen Nexus von Gegenstand und Sprache für sich geltend. B5 z.B. führt explizit eine Unterscheidung von transversalen Themen, für die er vorrangig das Englische nutze, und kulturraumspezifische Fragestellungen an, bei denen die jeweilige Landessprache Vorrang habe. Dies lässt sich an den Rechercheverläufen oftmals, allerdings keineswegs durchgehend bestätigen. Vielmehr griffen 88 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 verschiedene Probanden auch gerne auf ihre Erstbzw. Zweitsprache zurück und begründeten dies (wie B1) mit erworbener Gewohnheit oder mit Zeitersparnis (B7). Letzteres Motiv wird von mehreren Interviewpartnern vielfach als Grund für die Wahl des Englischen herangezogen, da ihnen das Lesen in dieser Sprache zumeist leichter falle als in anderen. Aus Gründen der Zeitökonomie in der Informationsgewinnung und -verarbeitung spielen Sprachlernmotive interessanterweise für die Befragten keine explizit genannte Rolle im Internet, bei der Entscheidung für private Buchlektüren im Falle von B6 hingegen sehr wohl. Weitere Motive der Sprachenwahl betreffen die Quantität und die Qualität der Informationen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Befragten aus rein pragmatischen Erwägungen bevozugt jene Quellen aufsuchten, die im Hinblick auf ihr thematisches Interesse sich als besonders ergiebig erwiesen. Einzelne Probanden suchten jedoch auch speziell nach Seiten, bei denen sie divergierende politisch-kulturell geprägte Tendenzen vermuteten, um sich in deren Kontrastierung ein möglichst objektives Bild zu verschaffen (so z.B. B1 zu Vladimir Putin oder B3 zur Darstellung und Wertung von Sexaffairen französischer Politiker). In dieser Hinsicht zeigen sich die Untersuchungsteilnehmer/ innen in unterschiedlichem Maße sensibilisiert: Während B5 aus dem genannten Grund bewusst Wikipedia-Seiten in verschiedenen Sprachen heranzieht, wird B7 erst im Zuge des Interviews darauf aufmerksam, dass Wikipedia-Artikel nach sprachlich-räumlicher Provenienz in je eigener Weise tendenziös sein können. 5.3 Nutzung medialer Angebote Gerade in Bezug auf die Verlässlichkeit von Internetquellen ist eine medienkritische Haltung besonders relevant. Durchgängig lassen die Befragten erkennen, dass ihnen die Umstrittenheit von Wikipedia als Informationsquelle in akademischen Kontexten sehr wohl bekannt ist. Überwiegend wird die online-Enzyklopädie jedoch als sehr hilfreich v.a. für eine erste Orientierung genannt. B7 gibt an, in 95% Recherchevorgänge am heimischen Rechner mit einem Blick in Wikipedia zu beginnen. Dort aufgeführte Links werden von vielen als Ausgangspunkte für weitere Seiten geschätzt, insbesonde Links zu YouTube (B2, B4, B5, B8) sind sehr beliebt. Skepsis gegenüber Wikipedia-Nutzung wird namentlich von B3, B7 und B8 geäußert. Letztere formuliert den Anspruch an sich selbst, Wikipedia-Informationen anhand anderer Quellen zu überprüfen. Gerade in diesem Punkt ist allerdings relativierend zu bedenken, dass Angaben vom Kriterium sozialer Erwünschtheit (mit)bestimmt sein können. Auffälligerweise zeigt sich in den Rechercheverläufen und Kommentaren von B6, die nicht als erstes auf Wikipedia geht und im Gespräch den Vorsatz benennt, auch andere Quellen zu nutzen, dass sie später gleichwohl recht häufig Wikipedia-Seiten aufruft. Skepsis äußert B3 z.B. ebenfalls in Bezug auf YouTube, das sie als „das Wikipedia der Videos“ bezeichnet. Auch hier sieht sie die Gefahr mangelnder Objektivität, weswegen sie nach „neutralen Quellen“ wie der ARD suche. Diese Haltung ist allerdings eher die Ausnahme. Denn YouTube mit den eigenen Verlinkungen wird ähnlich wie Wikipedia von verschiedenen Befragten als Ausgangspunkt für weitere Recherchen Praktiken der Multiliteralität in einem mehrsprachig-multimedialen Kontext 89 43 (2014) • Heft 2 angeführt. Andere Anbieter wie Twitter und Facebook spielen in den Interviews nur eine marginale Rolle. B8 als Studentin der Sozialwissenschaften nutzt z.B. Twitter nicht selbst als Medium interpersonaler Kommunikation, wohl aber als ergiebige Informationsquelle zu Politikern der Gegenwart; diese bezögen dort oft klarere Positionen als in anderen medialen Kontexten. Der mit YouTube oder Videoanbietern wie BMTV oder TV5 (B3) verbundene Modus audiovisueller Rezeption wird gerade unter der Leitperspektive späterer mündlicher Präsentationen als Vorteil gesehen. Ähnliches gilt für Fotos (B1, B2, B8), die z.B. über Google Pictures oder IMDb (B4) im Netz gesucht werden. Nur ein Befragter (B5) hebt explizit eine Nützlichkeit von Online- Wörterbüchern hervor; er verweist namentlich auf die Anbieter WordReference und Linguee. Das klassische Printmedium Buch spielt lediglich für B7 eine ausgewiesene Rolle in ihren Recherchen, mit der Begründung, dass nicht wenige bereits auszugsweise im Internet einsehbar sind. Die Gespräche zu den medialen Nutzungsprofilen gaben nicht nur mir, sondern z.B. im Falle von B8 auch der Gesprächspartnerin neue Einsichten. So fällt der Studentin anhand ihrer Recherverläufe auf, dass die gleichzeitige Öffnung sehr vieler Tabs sich für sie als nicht zielführend erwiesen hat. Insofern hat das Interview einen Beitrag zur Schärfung von media awareness geleistet. 6. Fazit und Ausblick Insgesamt wird an der Studie deutlich, in welchem Umfang und auf welche Weise die Probanden mediale und mehrsprachliche Kompetenzen sowie Kenntnisse über diskursive Muster und Genres digitaler Kommunikation, mithin available designs in der Terminologie des Multiliteralitätsprogramms (vgl. N EW L ONDON G ROUP 2000: 23), in Alltag und Studium nutzen. Literalitäten bzw. Kompetenzen sind nicht beobachtbar, und Vernetzungen, die intraindividuell im Gehirn verortet sind, sind es ebensowenig. Dennoch gibt die vorgestellte Studie deutliche Hinweise darauf, dass unter den Probanden Praktiken von Mehrsprachigkeit und Multimedialität nicht nur breit gestreut sind, sondern auf je eigene Weise und in variablem Maße miteinander verbunden werden. Dies erhärtet die Vermutung von der Vernetzung unterschiedlicher Literalitäten in einem Komplex, der als Multiliteralität bezeichnet werden kann. Insgesamt bildet die Untersuchung einen Beitrag zu fremdsprachenbezogener Lerner(er)forschung, der den Blick schärfen kann für die Komplexität individueller sprachlich-medialer Praktiken und Lernvorgänge. 90 Lutz Küster 43 (2014) • Heft 2 Literatur E LSNER , Daniela / K ÜSTER , Lutz / V IEBROCK , Britta (Hrsg.) (2007): Fremdsprachenkompetenzen für ein wachsendes Europa. Das Leitziel „Multiliteralität“. Frankfurt/ M.: Lang. G ROEBEN , Norbert (2002): „Anforderungen an die theoretische Konzeptualisierung von Medienkompetenz“. In: G ROEBEN , Norbert / H URRELMANN , Bettina (Hrsg.): Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim/ München: Juventa, 11-22. K UCKARTZ , Udo ( 2 2014): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. K UCKARTZ , Udo / D RESING , Thorsten / R ÄDIKER , Stefan / S TEFER , Claus ( 2 2008): Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. K ÜSTER , Lutz (2012): „Vernetzendes Lernen: Eckpunkte eines Forschungsvorhabens zu Zielen und Praktiken der Multiliteralität in ihrer Relevanz für Lerneridentitäten“. In: L EITZKE -U NGERER , Eva / B LELL , Gabriele / V ENCES , Ursula (Hrsg.): English-Español: Vernetzung im kompetenzorientierten Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem, 315-328. N EW L ONDON G ROUP (1996): „A pedagogy of multiliteracies: Designing social futures“. In: Harvard Educational Review 66.1 [http: / / www.pwrfaculty.net/ summer-seminar/ files/ 2011/ 12/ new-londonmultiliteracies.pdf (13.08.2014)]. N EW L ONDON G ROUP (2000): „A pedagogy of multiliteracies: Designing social futures“. In: C OPE , Bill / K ALANTZIS , Mary (Hrsg.): Multiliteracies: Literacy Learning and the Design of Social Futures. London: Routledge, 9-37. 43 (2014) • Heft 2 © 2014 Narr Francke Attempto Verlag S TEPHAN B REIDBACH , J OSÉ M EDINA , A NNE M IHAN * Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education Abstract. This article aims at analysing the relationship between the concepts of Critical Literacy and both Multiliteracies and foreign language education. A definition of Critical Literacy and an overview of the process of how this concept has developed are given. We understand Critical Literacy as an educational approach and an ideology. It is an inherent part of the concept of Multiliteracies, to which it contributes a necessary querying element. Finally, we explore political, pedagogical and didactic consequences of teaching for Critical Literacy within the context of school-based foreign language education. 1. Introduction For a person to be critically literate means, in a broad sense, that she or he is able to take a step back from the obvious, from what is perceived as normal, from established practices with regard to the use of language. In the following, we will argue that, from a critical perspective, ‘use of language’ can be located within two analytical domains: one is the social, the other is the individual. Concerning the social domain, language practices (=use) denote the ‘normal’, i.e. the mainstream view of how to make sense of the world and give meaning to mundane affairs by using linguistic symbols. The same would be true for other symbolic systems. Concerning the individual domain, personal language practices signify practical statements of identity and membership within particular discourse communities using the same symbolic system. In brief, critical literacy (CL) will, in our case, denote a person’s awareness of these two domains as such, * Addresses for correspondence: Prof. Dr. Stephan B REIDBACH , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Fachdidaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: stephan.breidbach@hu.berlin.de Research areas: Foreign language education and pedagogy, CLIL, language teacher and learner identities, teacher professional development. Dr. José M EDINA , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Fachdidaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: jose.medina@hu-berlin.de Research areas: English as a foreign language learning and teaching, bilingual education. Dr. Anne M IHAN , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Fachdidaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: anne.mihan@hu-berlin.de Research areas: Teaching and learning English as a foreign language, didactics of literary and cultural studies, gender and race studies in teaching English as a foreign language. 92 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 including the implications both of ‘conforming’ and ‘divergent’ language use, and the language users’ ability to initiate a transformation of the status quo of linguistic - and thus social - practices through transformative language use. Therefore, it will be necessary to introduce the concepts indigenous to CL and to present an overview of the development of this approach. Continuing this train of thought, we will then argue that CL can be linked with the concept of Multiliteracies in so far as it continually emphasises the double-edged nature of the fundamental changes happening in the wake of globalisation and the rapid development of digital media technology in the business world and the work place, in the community at large and in individual life worlds in particular. The effects of these changes have been analysed by the N EW L ONDON G ROUP as inherently ambivalent: On the one hand, they can be considered as potentially positive and emancipatory, regarding the improvement of the communication among individuals and communities in the world, and on the other hand, as potentially negative, as they are also complicit in propelling the dynamics of capitalist individualism, especially regarding economic deregulation, communal individualism, and the gradual perforation of people’s private sphere (N EW L ONDON G ROUP 2000). Seen from this perspective, in order for literacy education to be able to address the ambivalences inherent in these changes, a critical dimension for the concept of literacy is needed. The stance we take in this paper is that literacy education in the sense described above is also a relevant task for foreign language pedagogy. We will therefore argue that CL-oriented foreign language pedagogy will have far-reaching implications at various levels, such as the curriculum, the power relations within the classroom and the language itself, as it is taught and used. Teaching for CL would therefore change the face of language teaching to a certain extent, as other than the ‘traditional’ aims will be brought to the fore. 1 2. Critical Literacy: Definition and movement The concept of CL is, as will be shown below, inherent in the concept of Multiliteracies, a factor often overlooked if not forgotten. Therefore, it is necessary to define CL, as its importance is such that we cannot consider Multiliteracies to be complete without CL. L UKE defines it as the “use of technologies of print and other media of communication to analyse, critique, and transform the norms, rule systems, and practicing governing the social fields of everyday life” (2012: 5). Already in this definition we can find notions that connect the concept of CL to the theory of Multiliteracies, especially when linked with, as in Luke’s definition, communication media and their continuous 1 The authors are indebted to Gerhard Bach and Jean-Paul Narcy-Combes, who were true critical friends and provided numerous very helpful comments on an earlier version of this text. The responsibility for any remaining shortcomings of this text is, of course, ours. Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 93 43 (2014) • Heft 2 developmental changes. At the same time, the concept of CL is not that new; it has been present in the social and educational sciences for many years. 2.1 CL and the Banking Model Many authors identify the beginning of CL in the studies conducted by F REIRE in Brazil in the 1970s. Grounded in Marxist and phenomenological philosophies, his research materialized in a series of diverse educational projects. One basic concept developed by F REIRE is the “banking model” which describes a type of education in which an individual learner’s life and his or her ethnic or cultural background are considered to be irrelevant for learning. F REIRE (1970) argues that traditional schooling is based on this model of education. It describes a type of education in which students are considered an empty bank account and receive ‘knowledge’ through deposits made by the teacher. Knowledge then becomes a general and supposedly ‘neutral’ currency as it is stripped off its specific relation to the context of how it was generated or what it is needed for. Teaching students according to this model means to “[transform] students into receiving objects”, as it “attempts to control thinking and action, leads men and women to adjust to the world, and inhibits their creative power” (ibid.: 77). L UKE refers to F REIRE ’s concept as the beginning of the field of Critical Pedagogy and reflects FREIRE’s ideas about the banking model when he says that “school literacy creates a receptive literacy, involving a passive reproduction of knowledge” (L UKE 2012: 7). According to W ALLOWITZ (2008: 3), in the banking model. introduced by F REIRE as a criticism of current practices, “students were trained to adapt to their world of oppression”. This view is shared by the N EW L ONDON G ROUP (2000: 9 ff) in their criticism of traditional schooling and the more affirmative responses in teaching to a new understanding of literacy, i.e. one which is compatible with the individual’s workplace and life world in “fast capitalist” and globalised societies. 2.2 Antecedents of CL and its double nature as an ideology and teaching programmatic Throughout the 20th century, a number of poststructuralist schools, including Critical Theory, Critical Race Studies, poststructuralist Gender Studies, and Queer Studies, have contributed to and shaped the approach of CL. They share a focus on cultural analysis geared at questioning the status quo and recognizing the histories and experiences of marginalized communities. Poststructuralist models of education have focused on ideology critique and cultural analysis as key elements of an education that aims at giving a voice to marginalized communities. Examples would be working class communities and minorities related to culture and language, as well as groups of people and individuals marginalized on the basis of gender, sexuality, ethnicity, social class and other types of difference. With regard to educational contexts, the development of CL was influenced by a general shift of emphasis from behaviourism towards cognitivist models of meaning- 94 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 making (L UKE 2012: 6). These foreground literacy as the result of an “internal cognitive process reliant upon readers’ background knowledge or schemata” (ibid.). Drawing among others on systemic functional linguistics, the development of so-called higher-order thinking skills became one core feature in these literacy concepts (ibid.). Other models of critical reading responded to the increasing influence of reader-centred literary theories which operate under the assumption that textual meaning is fundamentally diverse and is actualised only in the act of reading and thus depends to a large extent on the reader’s “background knowledge, acknowledging the cultural bias of the resources children bring to school” (ibid.: 7). These early models of approaching text and canonical meaning through an attitude of critical reasoning and of accepting individual response helped to move school curricula “beyond F REIRE ’s typification of school as a banking model” (ibid). Bearing this conceptual expansion in mind, it can be said that CL relates to practices of analysis, criticism and transformation but is also a moral and political program for education. In fact, both aspects can be seen as the different sides of the same coin. As an educational programmatic, CL functions as a corrective idea or as a counterideology, while seen as a practice of textual and/ or discursive criticism and transformative action, it can be regarded as a competence of the subject which has to be acquired by the individual through learning. 2.3 Moving CL beyond the Zone of Proximal Development (ZPD): The discursive construction of the self and the questioning of truth claims in discourse R USSEL (1995) related the idea of critical literacy to the concept of ZPD derived from V YGOTSKY (1962, 1978). In this zone, individuals who do not have the full capacity to achieve a goal in their learning process will interact with a teacher, who will help them to achieve the goal they could not have achieved on their own. According to S HOR (2009: 291), critical teaching is reflective in the way that both the teacher and the student will ‘progress’, whereas in Vygotsky’s description of ZPD it is only the student who advances owing to the teacher’s mastery. Besides, V YGOTSKY does not consider power relations as the social backdrop in front of which learning takes place. As S HOR (2009: 291) puts it, CL brings together the socio-cognitive model of individual learning and development put forth by V YGOTSKY and the “F REIRE an” notion of “mutual learning” for the development both of teachers and learners. CL implies looking critically at the established power relations and the status quo within a society. A more detailed answer to the question of what CL precisely questions will lead us to refer to two complementary approaches. Firstly, CL questions the notion of truth, or rather, wonders “what truth is, how it is represented and by whom and in whose interests” (L UKE 2012: 4). This idea is closely linked to the notion of language as a means to construct meaning. Consequently, “knowledge is not a hidden and invariant truth, but is inseparable from the language that it gives birth to and from its social use” (M C L AREN 1992: 13). Secondly, we can point out with S HOR that CL is Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 95 43 (2014) • Heft 2 essentially “language use that questions the social construction of the self” (2009: 282). This is echoed by the N EW L ONDON G ROUP in their presentation of Multiliteracies: “Each discourse involves producing and reproducing and transforming different kinds of people [...] One and the same person can be different kinds of people at different times and places” (2000: 21). 3. Multiliteracies and Critical Literacy C OPE / K ALANTZIS (2000: 5) refer to the creation of meaning as a process that is “increasingly multimodal”, and to how the new communication media reform the use of language by individuals. These media allow the crossing of and communication across cultural and national borders. Also, the multiplicity of communication channels and media increases cultural and linguistic diversity. Following the N EW L ONDON G ROUP , B REIDBACH / K ÜSTER (2014: 136) describe Multiliteracies as “the capacity of learners to negotiate and generate (new) meaning in linguistically and culturally heterogeneous life worlds, using ‘old’ and ‘new’ media and adopting responsibility for themselves as well as for the community”. The link between Multiliteracies and CL is made clear by N ORTON (2007: 6), who argues that CL is not only concerned with written text, but with “any other type of representation of meaning.” CL questions texts as parts of the discourse in which groups of people as well as individuals transmit a ruling ideology within a given power structure with the purpose of challenging that power structure (W ALLOWITZ 2008). Considering the nature of texts a little closer, M ORGAN / R AMANATHAN (2005: 153) describe texts as “multidimensional, informational or genre-specific and also person-formative” carrying “a dual materiality [...]”. They “carry and address the rules of exchange of the social milieu in which they circulate, giving voice to the tensions of their times by means of both implicit and explicit reference” (ibid.), and this materiality also makes reference to the particular modality used (written, spoken, photographic, digital etc.). “Texts shape what we mean and how the experience of those meanings will be understood and retained over time” (ibid.). In non-CL education, as was stated before, the discursive transmission of ideology occurs as a matter of default. However, a critical pedagogy and a teaching for CL can permit what M ORGAN / R AMANATHAN (2005: 154) call a “process of unlearning internalized and habitual ways of seeing and being, naming the world and imagining social futures”. W ALLOWITZ (2008: 2) thus extends the definition of CL to include, apart from an engagement with print and non-print texts, “attitudes, behaviors, and values that accompany each discourse event, or the way of using language associated with any given genre, culture or vocation”. According to her, we cannot ignore the negotiation of meaning present in communication media such as TV, music, film, advertising and the Internet, among others. When dealing with literacy issues, teachers nowadays must work with the notion of multiple literacies. Literacy practices of whatever kind are therefore almost by definition a site of con- 96 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 stant contest and conflict (N ORTON 2007), and CL in addressing this struggle cuts across the range of literacies. Even though we find it inherent in the concept of Multiliteracies as it has been proposed by the N EW L ONDON G ROUP , it seems important to us to point out the nature of CL as a transversal concept. Seen from this perspective, no concept of literacy or model of literacy education can be considered complete without incorporating a critical dimension. 4. CL and foreign language education So far, we have looked at CL as a theoretical concept or ideology. We will now inquire into CL as a pedagogic approach with pertinent consequences on multiple levels of education. Before we move into a deeper analysis of the relationship between CL and foreign language education, relevant questions regarding the presence (or absence) of CL in the education field need to be raised. 4.1 Educational implications of CL The presence of CL in education has effects at multiple levels: the level of educational policy and administration, the curriculum and the level of interaction between teachers and students as well as students among themselves, and the level of texts and topics chosen by teachers and students. According to S HOR (2009: 300), “the position taken by critical literacy advocates is that no pedagogy is neutral, no learning process is value-free, no curriculum avoids ideology and power relations”. At the political level, the C OUNCIL OF E UROPE (2010) developed the concept of Education for Democratic Citizenship and Human Rights Education, and makes reference to the importance of including in this specific education the values of diversity and equality, appreciating differences in aspects such as gender and ethnicity. Any concept based on difference that is employed by the powerful to marginalize others and preserve the status quo (race, gender, class, age, sexuality, religion, etc.) can be brought into the focus of critical analysis and thus become the subject of the teaching for CL. CL is then a critical investigation into how these “differences” are written into the cultural text, i.e. how they are created, defended, invested with hierarchies, but also subverted by marginalized groups. The C OUNCIL OF E UROPE warns against reducing learning in this field to only knowledge and skills, pointing to the importance of empowerment and action. Therefore, we see a close relationship between CL as a pedagogical approach and Education for Democratic Citizenship, understanding such education as social action (M IHAN 2012). When W ALLOWITZ (2008: 4) relates the idea of teaching for CL to a “pedagogy of discomfort” (B OLER 1999) that moves students - and teachers - out of their comfort zones, she also links this idea to an education for responsible citizenship in a democracy. She argues that this type of pedagogy “propels students and teachers into social action and prepares citizens in a democracy to understand multiple points of view” Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 97 43 (2014) • Heft 2 (ibid.). 2 In the same line of argument, M C L AREN (1992) suggests that if teachers take into account F REIRE ’s ideas, they will question the dominant culture and power. What is more, “educators need to examine cultural choices and consider the degree to which they are liberating or oppressive” (ibid.: 23). The N EW L ONDON G ROUP (2000) calls for a pedagogy of Multiliteracies because of the fundamental changes in people’s private, community and working worlds and the inherently ambivalent nature of these changes. The pedagogical responses to these changes, such as developing a new understanding of literacy teaching, can turn out to be affirmative (i.e. non-critical, non-transformative) or non-affirmative (i.e. criticaltransformative) in their intentions and their outcomes. In effect, neither of these two ways can be seen as the only source of responsible pedagogies. If teaching is, as we argued earlier, an inherently political act, it follows that “remaining neutral - or silent - in the face of discrimination always condones the behavior of the oppressor” (W ALLOWITZ 2008: 5). Teaching one way after the other may be acceptable in a temporal, but not in a conceptual sense: Affirmative teaching does not have precedence over critical teaching. Rather, both are mutually supplementary. This brings into view the context of schooling and the classroom in particular. “Classrooms are not simply the physical location where learning takes place; they are also the site of teachers’ embodiment in theory/ discourse and disposition as theorists, within a specific politics of location” (M C L AREN 1992: 19). S HOR (2009) stresses the importance of the teacher when transmitting values and ideas through the content and subject matters she or he chooses. This role of the teacher as the provider of the curriculum could be questioned if we regard teachers also as learners. If teachers and students engage in a shared learning process, teachers will begin to share their power of choice and interpretation and will negotiate the curriculum with the learners (ibid.: 291). Of course, a possible criticism of this view might be that it is divesting the teachers’ authority as an educator. F REIRE places this difficulty not on the authority itself, but on when the teacher would make use of it and how she or he would use it in order to stimulate the student’s agency. For W ALLOWITZ (2008: 5), […] the teacher’s role is always changing; at a moment’s notice s/ he is a guide, a facilitator, a devil’s advocate, and/ or a learner. However, one behavior is imperative - self-reflection. Critical pedagogues continually self-reflect (on their own and with their students) and critically read their own classrooms as spaces of unequal power relationships, conflicting ideologies, resistance, and possibility. P RATT (1991: 34) coined the term “contact zones” for “social spaces where cultures meet, clash, and grapple with each other, often in contexts of highly asymmetrical relations of power [...]”. W ALLOWITZ (2008) refers to this zone as the one where educators should teach. Teachers would place themselves and their students into these zones, thereby moving students out of their comfort zones. B OLER / Z EMBYLAS (2010: 111) define the comfort zone as “the inscribed cultural and emotional terrains that we occupy 2 See also K UMASHIRO ’s (2002) concept of “troubling education” in the service of an anti-oppressive education. 98 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 less by choice and more by virtue of hegemony”. According to these authors, the comfort zone is related to emotional factors that the individual has stitched into what they call “the everyday fabric of what is considered common sense” (ibid.). All individuals are subjects of this hegemony, as we all have been exposed to media publications, laws as well educational curricula, which convey existing power structures. A pedagogy of discomfort will enhance teachers’ and leaners’ abilities to use critical thinking to question these structures and the knowledge transported within certain power relations, “subverting the comfort offered by the endorsement of particular norms” (ibid.: 131). In this situation, “teachers should recognize that the knowledge and understanding that students are prevented from bringing up is as important as the knowledge and understanding that students are permitted to narrate” (M C L AREN 1992: 16). 4.2 CL and foreign language teaching/ learning When we are now turning to CL and foreign language learning, we will readdress the levels discussed in the previous section on CL and education: the political, the curricular and the level of teaching methodology and classroom interaction. To this list, we will add the cognitive level to start with. At the cognitive level, one important question has to do with the capacity of the learner to be critical in a language which is not his or her first language. With respect to the language level necessary for using the target language in a critical fashion, we need to remember that CL developed in a context of learning and teaching with the L1 as vehicle of communication and transmission of knowledge. In this case, we need to ascertain whether and under what conditions CL can be translated to fit foreign language teaching and learning, with students with limited means of expressing themselves in the foreign language. This is first and foremost a question of cognitive development, but also linguistic challenges have to be overcome. Learners can face grammatical structures or lexis they do not understand and miss the meaning of parts of the discourse. Of course, this will vary depending on the level of competence of the learner. To our knowledge, no attempt has been made to define and empirically validate a linguistic ‘threshold’ level for CL teaching and learning. Still, the question brings to attention the theoretical underpinnings of communicative language teaching, which can be considered as the dominant method informing foreign language teaching in the past two decades. N ORTON points out that neither the four-dimensional model described by C ANALE / S WAIN (1980), nor the notional-functional model of communicative competence, which were both influential in North America and Europe, “address relations of power between language learners and target language speakers” (N ORTON 2000: 138). To this, we can add S CHMENK ’s (2005: 66) observation that H YME ’s concept of communicative competence, which also became important for communicative language teaching approaches, was intentionally descriptive rather than critically analytical. The attempt to incorporate CL into communicative language teaching, therefore, will mean to rethink this approach in a way to accommodate opportunities for critical analysis of the linguistic curriculum, as well as of the discourses in and for Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 99 43 (2014) • Heft 2 which the foreign language is used. Rethinking communicative language teaching would then imply, among other things, to accept a more central role in the learning process for further languages other than the language taught, in particular the languages the learners bring to the classroom. It would also imply to reconsider the relation of the learners’ proficient and developing languages (i.e. their first, second and ‘foreign’ languages) and the function they have for the different elements of the curriculum. We cannot deny that much more thought will have to be given to this, but what we propose here is that CL-oriented communicative (foreign) language teaching can - and should - be based on a two-dimensional curriculum: the ‘traditional’ language curriculum on the one hand, and on the other a curriculum of discourse addressing issues of critical analysis. Here, the foreign language can take over as medium of communication in relation to the learners’ growing proficiency. The analytical differentiation of a language curriculum and a curriculum of discourse seems helpful to understand that learners at all stages of language learning - including the early ones - can and should be allowed and guided to analyse discourse related to the foreign language critically, and that communicative language teaching will need a second focus besides providing tasks for functional language use and simulating a quasi-natural environment for language acquisition. B REIDBACH (2011) suggests distinguishing between firstand second-order tasks in language teaching. Whilst first-order tasks are considered nonreflexive and refer to the language curriculum in the sense just mentioned, secondorder tasks take a reflexive structure and “are open for and the product of negotiations of content, aim, structure, and mode of learning with respect to specific learners and learning contexts” (ibid.: 107). Conceptually, it is not a long shot to extend the descriptive models of communicative competence by a critical dimension. The notional-functional approach derives from systemic functional linguistics, which in terms of CL have inspired rationalist educational models that focus on systematically teaching developing cognitive operations - “higher-order thinking skills” - and their linguistic exponents (L UKE 2012: 6). Also drawing from systemic functional linguistics as its “explicitly political derivative” (ibid.: 8), F AIRCLOUGH (2001) advocates the use of critical discourse analysis in teaching for what he calls ‘critical language awareness’ (ibid.: 198 ff). Similarly, the four-dimensional model put forth by C ANALE / S WAIN (1980), who describe communicative competence in terms of grammatical, sociolinguistic, strategic and discourse competences, underlies the model of intercultural communicative competence developed by B YRAM (1997). B YRAM adds to the four dimensions by C ANALE / S WAIN a fifth one, which he calls intercultural competence and which itself splits into five domains. While four of them refer to knowledge and strategic skills in intercultural communication, the fifth makes explicit reference to political education, bringing thus into the model the learner’s ability to make critical judgments. Here, we find another argument to advocate the expansion of the foreign language teaching curriculum and its differentiation into a language curriculum and a curriculum of discourse from the early stages on. Foreign language teaching could be a site particularly suitable for critical reflection. As students learn a new language, they will be more aware of specific characteristics of 100 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 that language than L1 users. Teachers and learners have the opportunity to create in their language classroom a discursive community (H ALLET 2002) that uses anti-oppressive language (M IHAN 2012). Yet, “[t]he space that a teacher might create will vary across educational domains, subject to the application of standardized curricula and high-stakes testing and the relative autonomy afforded local administrators and educators” (M ORGAN / R AMANATHAN 2005: 155). What seems to be far more difficult is to transport CL pedagogies to the level of language education policy. Within the European context and basing on a functional understanding of communicative competence, the Common European Framework of Reference for Languages (CEFR) has become the core-document for language teaching in the new millennium. Within our context, one of its important limitations is that the competences the CEFR describes are by and large non-reflexive. All syllabi based on the CEFR alone must therefore be lacking in developing reflexive competences relevant for CL. A striking example is the case of the national achievement standards (Bildungsstandards, K MK 2004) in Germany. These achievement standards describe the average level of competence which learners are expected to have reached by the end of compulsory education, i.e. at the end of grade 10. They have also subsequently been defined and used as a yardstick for appropriate student learning and an indirect measure for the quality of teaching, which is why they are implemented through a series of large-scale tests. Regarding CL, there are several issues with standardising language learning outcome. The first and most obvious is that the standards make only weak reference to Byram’s model of intercultural competence, and none at all to critical discourse analysis or critical language awareness. Consequently, tasks addressing skills and capacities for critical judgment or action are not within the scope of the large-scale testing. The fundamental assumption made not only in language education to justify the heavy if not exclusive focus in testing on functional competences is that these constitute a necessary condition for social and economic participation for foreign language learners. The claim made is that such ‘basic competences’ (Basiskompetenzen) can be considered universal in so far as they form the knowledge-base for reflectively accessing various forms of rationalities, which in turn constitute the fundamental modi of understanding the world (B AUMERT / S TANAT / D EMMRICH 2000: 21). Nevertheless, this argument leaves two crucial points undiscussed which should be addressed from a CL perspective: The first query is that if basic (communicative) functional competences in the domains defined are the necessary conditions for social participation, this does not automatically imply that they are also sufficient. We assume that they are not, and we find ourselves in agreement with the same authors of the PISA survey, who strongly emphasise that the functional competences tested in PISA “do not cover the full range of skills and attitudes deemed elementary for a fully developed personality in the sense of general education (Allgemeinbildung)” (ibid. [our translation]). The second point that raises our scepticism is that functional approaches tend to accept the factual as the prime source of educational norms. This often leads to a latent and often manifest delegitimisation of critical, transformative thought. It can, for example, be shown that Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 101 43 (2014) • Heft 2 choices made in central standardised tests in Germany carry a pertinent bias privileging dominant middle-class learners (B REIDBACH 2011, for an overview of the discussion of the effects of high-stakes testing in language education cf. S HOAMY 2007). The bias may be subtle but it exists nonetheless if, for example, in tests communicative tasks are set within an imaginary holiday-trip to Britain. In this case of test items used in standards-based assessment tasks, the choice for British culture is made on methodological grounds to capture the real-life experiences of what the authors argue to be the majority of learners in German schools (R UPP / V OCK / H ARSCH / K ÖLLER 2008: 38-39). The implication, of course, is that learners who are lacking the relevant experience with this kind of holidaymaking are less well catered for by the context of the tasks. It seems at least justified to suspect that they are less likely to perform equally well in the task as learners who can draw on such experience first-hand. We do not wish to advocate large-scale testing for CL. However, the absence of any CL-related tasks we observe in nationwide tests in countries like Germany is problematic, as it reduces competences associated with CL to the status of sunshine-competences. Once this happens, they can easily be downplayed at the political and administrative level as competences to be addressed only once the nitty-gritty work of developing basic functional competences has been done. Considering the washback-effect of large-scale testing (in particular if it happens in combination with high-stakes testing), this leaves the implementation of CL-oriented pedagogies to the teachers more or less exclusively. Thus, universities may find it necessary to respond to this situation in taking sides with teachers, by highlighting and developing teacher autonomy and reflective practice in their teacher education programs. Also, clearly, learning to teach for critical language awareness (F AIRCLOUGH ) and critical culture awareness (B YRAM ) is an option for teacher education. Policies for standards-oriented foreign language teaching also quite clearly (and sometimes deliberately) overlook the question of power relations. We will explore two perspectives regarding this point. Firstly, foreign language teaching is traditionally based on the notion of linguistic mastery. Even though this does not necessarily imply teaching for full bilingualism, the notion of mastery still works as a corrective idea. B YRAM refers to this as the native speaker norm. The problem with the native speaker norm for (foreign) language learners is, as B YRAM argues, that it is tantamount to an “impossible target” (1997: 11). Not only does it eventually lead to “inevitable failure” (ibid.), but it would also “create the wrong kind of competence” (ibid.). Thus, the learner would be disallowed to be a person with multiple languages and linguistic identities, which “suggests separation from one’s own culture and the acquisition of a native sociocultural competence, and a new sociocultural identity” (ibid.: 12). Besides, in a native-speaker type of view, learners are put and kept in the inferior position by definition. From a CL perspective, there would be a need to subvert this view. In so doing, learning the dominant standard form of (foreign) languages becomes a tactical move, as S HOR (2009: 299), following F REIRE , explains: “[S]tandard usage, rhetorical forms, and academic discourse make democratic sense only when taught in a critical curriculum explicitly posing problems about the status quo based on themes from the 102 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 students’ lives”. Teaching for CL in foreign languages, therefore, should entail a reflection on how the language taught and learned is entangled within processes of globalisation and embedded into local (or national) language education policies. This brings to the fore the second perspective on power relations in foreign language teaching, namely the issue of linguistic ownership. S EIDLHOFER (2007) observes that it has been stated oftentimes that English in particular has developed into a European, if not a global, lingua franca. In practical terms, this means that speakers of different languages increasingly use English between them. S EIDLHOFER explores the implication of this phenomenon for the teaching of English (or any other lingua franca) in stating that language teaching cannot reasonably ignore and will have to address such ‘new’ communicative situations with which language users will have to cope. Therefore, the language curriculum will have to move beyond the traditional frame restricted to (mostly national) language communities of any particular language. In this context, B ACH / B REIDBACH (2013) argue that the teaching of English will have to redefine its inherited conception of the so-called English-speaking world and move beyond topics related to the Anglo-American cultural sphere. Possibly, also the language itself taught in classrooms will gradually change, as linguistic descriptions might draw on lingua franca versions (e.g. ELF) of national languages. After all, the use of English as a lingua franca (ELF) plays an important part in how Europeans conduct their everyday lives, and the existence of such a widespread use of English will have to be acknowledged as common and appropriate linguistic behaviour. It will, therefore, be inappropriate to simply decry this means of communication as bad English and to dismiss the users of ELF as mere language learners striving to emulate endo-normative models of English. Teaching ELF, for example, implies reflecting about notions such as ‘RP’, ‘BBC English’, ‘Queen's English’ and other normalized views of standard language as the desirable goal to achieve. It is true that there is an active debate regarding the role of Standard English as the norm-giving variety for teaching English as a foreign language (e.g. H ÜLLEN 2005; G NUTZMANN / I NTEMANN 2005). In any case, seen from a CL-perspective, learning standard usage of languages is not a self-sufficient aim but a means to an end, which is different from affirmation of the social status quo. Not only in European post-industrial, knowledge-based societies, English language proficiency (and to a slightly lesser degree foreign languages in general) is valued to the extent that it has gained currency as what B OURDIEU would call ‘symbolic capital’. Foreign language teaching geared to CL - including English as a foreign language in particular - will have to address this, both open-fronted as a topic to be taught and at the level of classroom pedagogy. Such a move towards ELF may carry some potential for critical language learning, as D ECKE -C ORNILL suggests: “But within a multilingual educational framework, the shift from Standard English to ELF may, indeed, open up new possibilities - both by transcending the cultural and symbolic weight of English […] and by facing it” (D ECKE -C ORNILL 2008: 169). We would like to conclude this section with another look at the role of teachers and the structure of classroom interaction in CL-oriented foreign language teaching. As an “expert” on the selected topics, the teacher will be able to analyse critically the dis- Critical Literacies, Multiliteracies and Foreign Language Education 103 43 (2014) • Heft 2 course and the material used in the teaching activity. Therefore, there is a responsibility on his or her side in the transmission of knowledge through these teaching-learning situations in which the autonomy of the learner to do so may be restricted due to linguistic limitations. In the wake of F REIRE , Critical Pedagogy and CL stress the importance of teachers’ working out solutions and thus learning together with the learners, instead of pouring knowledge into their heads. However, as CL is clearly a normative approach to teaching and learning, the question about who sets the norm of what and how is to be learned is an important one. In the same vein, it needs to be considered who points out what is to be considered problematic, calling for critical-deconstructive analysis. This is not at all an easy task, and when it comes to teaching for CL, teachers are always walking on thin ice, as M ORGAN / R AMANATHAN (2005: 155) point out: “In this respect, the preferred goal of critical literacies is to create space for the agency of others and not to determine if or how that agency will be realized”. Following from our previous discussion, creating space for agency can in fact include to teach and learn the ‘discourses’ of power, albeit embedded in a continuous attempt to keep them open for transformation and change (in the classroom and beyond). Complementary to agencyrelated approaches are voice-oriented approaches to CL, which in terms of curricular decisions focus on leaners’ life worlds and/ or on marginalised communities. These approaches revolving around agency and voice (we follow the systematic in L UKE 2012) are complementary with the pedagogical styles of ‘enabling’ and ‘allowing’. Finally, we would like to draw the attention towards a practice that N ORTON suggests for teachers of second language learners, which she terms “classroom-based social research”. From our point of view, this classroom practice has the potential of combining both pedagogical styles: Through social research, the learners will become increasingly aware of the opportunities available to them to use the target language in the wider community and how they might transform such possibilities in keeping with their desires for the future. As well, […] learners are encouraged to investigate the conditions under which they interact with target language speakers, how and why such interactions take place and what results follow from such interaction. In this way, learners will develop insight into the way in which opportunities to speak are socially structured, and how social relations of power are implicated in the process of social interaction. As learners develop an understanding of how power acts on and through social interaction, they might learn to challenge social practices of marginalization (N ORTON 2000: 152). While it is true that Norton has second language learners in mind, we can see that a slightly modified but similar approach will also be suitable in foreign language education in order for teachers to help learners to get in touch with their actual position as foreign language learners, but also their learning experiences and learning needs - and for teachers to be able to explore with their students the possibilities for their learning investments. 104 Stephan Breidbach, José Medina, Anne Mihan 43 (2014) • Heft 2 5. Further questions and research Several questions need to be considered for future research and study. The first one concerns the effects of teaching for CL in English as a foreign language. Specifically, this analysis would include the subjects and topics covered, the selection of texts, the tasks given to students, and the use of classroom language, among others. Concerning appropriate texts, research can be done with canonical texts but also with new texts that have a high potential in terms of highlighting and commenting on specific social issues. A second question concerns possible guidelines for the teaching of CL. If such guidelines can be determined, this begs the question whether or not the notion of CL is actually compatible with the existence of - ultimately restrictive - guidelines. As CL and the concept of Multiliteracies are closely related, we can also wonder if the pedagogical guidelines of the latter can be useful for the teaching for CL. Finally, the effect of the concept of CL on the hierarchies between teacher and students, as well as assessor and assessed, also needs to be considered for a deeper analysis. This would also include an inquiry into teacher education at university, and how future language teachers can learn to teach for CL. Any assumption that the development of CL will follow automatically from language learning is little convincing. Rather, purposeful pedagogies for the development of CL are required, and these need to be grounded in reflective theory and solid empirical work. The many published case studies and project reports in the field of CL education in English-speaking countries - although most of them not from foreign language classes - indicate that waiting for CL to emerge coincidentally is hardly a responsible option for language educators. Literature B ACH , Gerhard / B REIDBACH , Stephan ( 5 2013): “Fremdsprachenkompetenz in der mehrsprachigen Wissensgesellschaft”. In: B ACH , Gerhard / T IMM , Johannes-Peter (eds.): Englischunterricht. Tübingen: Narr, 280-303. B AUMERT , Jürgen / S TANAT , Petra / D EMMRICH , Anke (2001): “PISA 2000: Untersuchungsgegenstand, theoretische Grundlagen und Durchführung der Studie”. In: D EUTSCHES PISA-K ONSOR - TIUM (eds.): PISA 2000. 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Since cultural differences and acculturative challenges are often ignored within such research studies, the following study attempts to gain an insight into teenagers’ subjective perceptions of their own cultural identity as bicultural individuals. Furthermore, a potential link between cultural identity and bilingualism will be examined in order to identify positive and negative factors which could lead to more harmonious linguistic and cultural integration and successful careers in the German educational system. 1. Zur Einführung: Problemaufriss Im gegenwärtigen Bildungsdiskurs steht die Pluralisierung der Schülerschaft im Zentrum vieler Debatten. Insbesondere kulturelle Heterogenität aufgrund der hohen Zahlen von Schüler/ innen mit Migrationshintergrund rückt häufig in den Fokus bildungspolitischer Diskussionen. Innerhalb dieser kulturell heterogenen Schülerschaft machen Schüler/ innen mit türkischem Migrationshintergrund eine besonders große Gruppe aus. Migration, Integration und die sogenannte Eingliederung von Migranten innerhalb der deutschen Gesellschaft ist in gesellschafts- und bildungspolitischen Kontexten nunmehr seit fast einem halben Jahrhundert eine immer wiederkehrende Debatte. Dass Deutschland sich zunächst schwer tat, „Gastarbeiter“ und deren Familien als langfristige Bürger der Bundesrepublik zu betrachten und ihnen dementsprechend Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe zu bieten, zeigt ein gelungener Überblick von M ECHERIL / K ALPAKA (2010). Des Weiteren zeigen zahlreiche bildungswissenschaftliche Studien, * Korrespondenzadresse: Rebecca H OLEWA , Lehrkraft an der Carl-von-Ossietzky-Schule Berlin, Blücherstraße 46/ 47, 10961 B ERLIN . E-Mail: rebecca_holewa@web.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachendidaktik, Interkulturelle Pädagogik, Bilingualitätsforschung. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 108 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 nicht zuletzt die PISA-Studie oder der kürzlich veröffentlichte Bildungsbericht (H AS - SELHORN [et al.] 2014), dass insbesondere Schüler/ innen mit türkischem Migrationshintergrund immer noch eine der leistungsschwächsten Schülergruppen ausmachen. In bildungspolitischen Debatten werden vor allem sprachliche Schwächen für diese Schlusslicht-Position verantwortlich gemacht. Häufig soll die Förderung der deutschen Sprachkompetenz zur Lösung des Problems führen, jedoch beleuchtet G OGOLIN mit ihrer Kritik am „monolingualen Habitus der multikulturellen Schule“ schon 1994 auch eine andere Sichtweise und fordert die deutsche Schullandschaft zu mehr Selbstkritik im Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität auf. Während vielerorts problemorientierte Analysen der schulischen Leistungsfähigkeit der Jugendlichen das Erkenntnisinteresse ausmachen, sollen ihre subjektive Lebenssituation und ihre individuellen kulturellen und sprachlichen Herausforderungen im Zentrum der vorliegenden explorativen Studie stehen. Wie entwickeln die Jugendlichen eine kulturelle Identität, und welche Parameter können dabei als Einflussfaktoren festgestellt werden? Welche Rolle spielen Sprache und Bilingualität? Eine theoretische Diskussion dieser Fragen soll mögliche Vorannahmen hervorbringen, vor deren Hintergrund Leitfadeninterviews mit Jugendlichen geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Dabei ist das Ziel der Studie 1 , Erkenntnisse zur aktuellen bildungswissenschaftlichen Diskussion über sprachliche und kulturelle Heterogenität beizutragen und ihnen mögliche Schlussfolgerungen für die Unterrichtspraxis, insbesondere für den Sprach- und Fremdsprachenunterricht, abzugewinnen. 2. Fragestellung und Methodenwahl 2.1 Auswahl der Interviewpartner und Interviewsituation Die Interviews wurden im November und Dezember 2013 an einer Berliner Sekundarschule durchgeführt. Die Auswahl der Schule begründet sich vor allem in ihrer geographischen Lage im Bezirk Neukölln, welcher für seine kulturelle Heterogenität und den hohen Bevölkerungsanteil von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bekannt ist. Es wurden sechs Schüler/ innen einer 10. Klasse interviewt, deren Eltern der Teilnahme an der Studie schriftlich zustimmten. Der Kontakt wurde über die Klassenleitung hergestellt. Die Befragten haben einen türkischen Migrationshintergrund, sind jedoch alle in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ihr Alter zwischen 15 und 16 Jahren ähnelt dem Zielalter der PISA- Studie. Die Interviews fanden in einem Klassenraum der Schule statt, so dass durch die bekannte Umgebung eine weitestgehend vertraute Atmosphäre geschaffen wurde. 1 Die Studie wurde im Rahmen der Masterarbeit der Autorin an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt. „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 109 43 (2014) • Heft 2 2.2 Fragestellung Das Erkenntnisinteresse der explorativen Studie liegt darin, auf Grundlage der Daten Aussagen über einen eventuellen Zusammenhang zwischen kultureller Identität und Sprache zu ermöglichen. Des Weiteren soll erörtert werden, welchen Schwierigkeiten die Schüler/ innen durch ihr bikulturelles und bilinguales Leben begegnen und welche Faktoren dabei als hilfreich oder hinderlich identifiziert werden können. 2.3 Datenerhebung und -analyse Zur Erhebung der subjektiven Haltungen zur eigenen sprachlichen und kulturellen Identität der Jugendlichen wurde als Erhebungsinstrument das „problemzentrierte Leitfadeninterview“ (W ITZEL 2000) gewählt. Dieses ermöglicht gezielte und gleichwohl offene Fragen, die den Jugendlichen richtungsweisende Erzählanreize bieten. Die offene Gestaltung verhindert darüber hinaus eine zu starke Vorfärbung der Erzählungen durch den Interviewer. Als Auswertungsmethode wurde die „qualitative Inhaltsanalyse“ nach M AYRING (2010) gewählt. Dabei wird das Erzählte in möglichst kleine Sinnabschnitte unterteilt, die mithilfe von Paraphrasierungen und Generalisierungen immer stärker abstrahiert und verdichtet werden. Am Ende werden sogenannte Kategorien gebildet, die die einzelnen abstrahierten Aussagen miteinander verknüpfen und auf Basis derer die Ergebnisse interpretiert werden. 3. Kultur, Migration und Sprache - eine theoretische Einordnung 3.1 Kultur und Migration Im gesellschaftspolitischen Diskurs über Migration und die damit einhergehenden Herausforderungen wird häufig das Wort Kultur zum Platzhalter vager gesellschaftlicher Merkmale, die nicht zuletzt für die Begründung sogenannter „gelungener“ oder „gescheiterter“ Integration zurate gezogen werden. Politisch und medial wurde der Begriff in einer solchen Weise ausgedehnt, dass mittlerweile zwar jedermann glaubt, seine Bedeutung zu kennen, diese semantische Entleerung jedoch jedwede Definitionsversuche fast unmöglich erscheinen lässt. Jedoch scheint Kultur in populärwissenschaftlichen oder politischen Kontexten häufig einen stabilen Bezugspunkt einer homogenen und in sich geschlossenen Gruppe von Menschen zu bezeichnen. Demgegenüber stehen verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, wie die Kulturwissenschaft, die Psychologie, die Pädagogik oder die fremdsprachlichen Fachdidaktiken, innerhalb derer Kultur immer mehr als ein dynamisches Konstrukt identitätsstiftender Merkmale auf der Ebene des Individuums verstanden wird. Im Folgenden sollen diese unterschiedlichen Kulturverständnisse veranschaulicht werden. 110 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 3.1.1 Homogenität als Merkmal von Kultur Im gesellschaftlichen Diskurs, insbesondere wenn über die Folgen wachsender Heterogenität heutiger Gesellschaften diskutiert wird, sind Begriffe wie „kulturelle Andersartigkeit“ oder „Kulturkonflikt“ keine Seltenheit. Eine solche Sichtweise lässt sich auf ein von Herder gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickeltes Modell von Kulturen zurückführen. Herders Motive waren allerdings ganz andere als die heutigen, denn er unternahm seinerzeit den Versuch, das Nationalbewusstsein der damaligen europäischen Völker zu begründen (vgl. R OTH 2001: 16). Er war überzeugt, dass das gemeinsame kulturelle Erbe eines Volkes ein ihm eigenes Orientierungssystem, „a collective soul“, prägt, welches Denken und Fühlen des Einzelnen leitet: „That collective soul gave and received at once nourishment from a shared heritage by virtue of which a nation and each one of his characters possessed, and continued to possess, their distinctive character“ (B ANARD 1983: 242). Herder verglich Nationen mit Kugeln, welche ihre Mitglieder fest an ihren Mittelpunkt binden, während alles Fremde als Bestandteil anderer Nationen (Kugeln) betrachtet wurde, die wiederum ihren eigenen Mittelpunkt haben (vgl. W ELSCH 2010: 41). Diese Betrachtungsweise von Kultur führt automatisch zu einem binären Kategoriensystem entlang der Pole eigen und fremd. Kulturelle Integrität im Herderschen Sinne basiert somit auf Homogenität, jegliche Abweichungen werden notwendigerweise außerhalb der eigenen Kultur positioniert: „Da der moderne Nationalstaat Herderscher Prägung Zugehörigkeit über die gemeinsame Ethnizität, Sprache und Kultur definiert und nach Homogenität strebt, wurde der Nachbar anderer Sprache, Religion, Ethnie oder Kultur… zwangsläufig zum Fremdkörper“ (R OTH 2001: 16). Das Herdersche Modell ist als seinerzeit fortschrittlich und modern zu betrachten, da es Zugehörigkeiten nicht bloß an dem Merkmal Rasse, sondern dem viel komplexeren Merkmal Kultur festmacht. Dass dieser Kulturbegriff besonders in nicht-wissenschaftlichen Kontexten auch heute noch verbreitet ist, wurde bereits angedeutet. Ein solches homogenisierendes Kulturverständnis, welches W ELSCH als „altes Modell klar gegeneinander abgegrenzter Kulturen beschreibt“ (W ELSCH 2010: 40) definiert Individuen als Objekte eines bestimmten sozio-kulturellen Gefüges, welches „in der Regel sozial-geographisch eingrenzbar, häufig staatsterritorial“ (W EIß 2009: 155) ist. Wenn geographische Grenzen in dieser Sicht durch kulturelle gesäumt sind, lassen sich die Konsequenzen für den Fall Migration bereits erahnen. Anders als geographische Grenzen, die in der heutigen Zeit schnell überquert sind, scheinen die kulturellen Grenzen unüberwindbar. Dieses Kulturverständnis liefert politischen Debatten willkommene Antworten auf gesellschaftliche Probleme. Im wissenschaftlichen Diskurs existiert jedoch eine grundlegend andere Definition von Kultur. 3.1.2 Kultur als reflexiver Diskurs Während das oben skizzierte Kulturverständnis noch in vielen Köpfen steckt, erfährt es in sozialpsychologischen und kulturtheoretischen Diskursen insbesondere aufgrund seiner statischen und geschlossenen Natur harsche Kritik, vor allem dann, wenn es auf den Kontext multikultureller Gesellschaften angewandt wird. Ethnisch-kulturelle „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 111 43 (2014) • Heft 2 Gruppierungen als in sich geschlossene und homogene Gemeinschaften zu betrachten, ist aus Sicht zahlreicher Wissenschaftler nicht aufrecht zu erhalten (vgl. A RIES 2003, A UERNHEIMER 2003, S CHMIDTKE 2010). Kultur als kollektiven und homogenen Wertekonsens innerhalb einer Gruppe von Individuen zu definieren, weist auch H A zurück: „Die ethnische Gemeinschaft erweist sich beim näheren Blick als ein äußerst vielfältiges und widersprüchliches Gebilde, das keine monolithische Einheit und einstimmige Loyalitätsbekundungen kennt“ (2000: 382). Ein derartiges Kulturverständnis habe nach H U (2003: 78) „abgedient“, da es die Mitglieder einer kulturellen Gruppe als bloße Objekte eines starren Systems positioniert. A UERNHEIMER stellt ebenso fest: „Außerdem begegnet man innerhalb der Gruppen wiederum verschiedenen Graden und Formen der Akkulturation und Hybridisierung“ (2003: 154). Die Begriffe Hybridisierung oder auch Hybridität wurden im Rahmen der Cultural Studies von H ALL (1990) und B HABA (1985) geprägt und werden im wissenschaftlichen Diskurs über Migration und kulturelle Identität seither häufig rezitiert. Auch W ELSCH , der den Begriff der Transkulturalität etablierte, greift auf den Terminus der „Hybridisierung“ als Merkmal „zeitgenössischer Kulturen“ zurück (2010: 43). In den migrationsbedingten Erfahrungen der kulturellen Entwurzelung, die H ALL (1990: 235) als „Diaspora“ bezeichnet, wird „kulturelle Identität“ als fortlaufender Aushandlungsprozess begriffen. Sie unterliegt in diesem Verständnis einem ständigen Wandel. Auch W ELSCH verdeutlicht, dass Individuen heute eine „patchwork-Identität“ besitzen, so dass „innere Pluralität“ bzw. eine „interne Transkulturalität“ zu den Hauptmerkmalen der Identitätsbildung zählen (2010: 46). Im starken Kontrast zum statisch-geschlossenen, homogenisierenden Kulturbegriff werden hier Dynamik und Aushandlungsprozesse als Kernmerkmale von Kultur definiert: „Kultur als Prozess der Interpretation beinhaltet so auch immer ein Aushandeln von Machtverhältnissen und von Definitionsgewalt über Interpretationen und Praktiken“ (E REL 2004: 38). Jede kulturelle Gemeinschaft unterliegt ihrer eigenen Hybridität, „das heißt, dass innerhalb einer Gruppe kulturelle Formen unterschiedlich verstanden, interpretiert und gelebt werden“ (ebd.). Während im „alten Modell klar gegeneinander abgegrenzter Kulturen“ (W ELSCH 2010: 40) eine derartige Instabilität das Orientierungssystem und gleichsam die Identität der Mitglieder einer Kultur ins Wanken brächte, ist es aus Sicht vieler Kritiker eben dieser dynamische Aushandlungsprozess, der Kultur konstituiert und letztlich ihre Mitglieder von bloßen Objekten zu produktiven und wirkmächtigen Subjekten emanzipiert. Es lässt sich festhalten, dass ein derartiges „diskursiv-reflexives Konzept von Kultur“ (vgl. H U 2003: 78) vor allem im Kontext von Migration seine Bestätigung erfährt, während der Herdersche Kulturbegriff in Zeiten von Globalisierung und multikultureller Gesellschaften kaum mehr zu vertreten ist. 3.1.3 Lebenssituation Migration - Akkulturation nach B ERRY Nachdem Kultur nun als wissenschaftliches Theorem diskutiert und kontroverse Definitionen vorgestellt wurden, soll im Folgenden die Thematik der Migration als Lebenssituation beleuchtet werden. Der dargestellte Kulturbegriff soll dabei als hilfreiche Per- 112 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 spektive auf ein Modell von B ERRY (1997) dienen, der verschiedene Bewältigungsstrategien in der Migration aufzeigt. Der Begriff Akkulturation hat seine Ursprünge in der Cross-cultural Psychology und beschreibt den Erfahrungsprozess, den Individuen und Gruppen bei der Migration durchlaufen. Migration wird dabei als dynamische Lebenssituation begriffen, die den Menschen vor verschiedene soziale Herausforderungen stellt. In diesem Zusammenhang stellte B ERRY vier mögliche Akkulturationsstrategien heraus. Grundlegend ist dabei die Tatsache, dass sich Minderheiten und Individuen in kulturell heterogenen Kontexten immer in einem bipolaren Spannungsgefüge befinden, nämlich zwischen der Bewahrung der eigenen Kultur („cultural maintenance“) einerseits und dem Kontakt mit und der Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft („contact and participation“) andererseits (vgl. B ERRY 1997: 9). Die vier Akkulturationsstrategien zeichnen die möglichen Umgangsformen mit einer derartigen Lebenssituation auf und sollen im Folgenden vorgestellt werden. Die erste Strategie ist die der Assimilation. In diesem Fall wird auf den Erhalt der eigenen Herkunftskultur verzichtet, das Ziel ist eine möglichst große Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft: „When individuals do not wish to maintain their cultural identity and seek daily interaction with other cultures, the Assimilation strategy is defined“ (ebd). Im Gegensatz dazu führt B ERRY die zweite Strategie Separation an. Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft wird in diesem Fall vermieden, stattdessen wird an der Herkunftskultur festgehalten (vgl. ebd.). Neben diesen beiden drastischen Strategien stellte Berry auch die Strategie der Integration fest. Der Erhalt der Herkunftskultur und die Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft werden miteinander verknüpft: „When there is an interest in both maintaining one’s original culture, while in daily interactions with other groups, Integration is the option; here, there is some degree of cultural integrity maintained, while at the same time seeking to participate as an integral part of the larger social network“ (ebd.). H AMERS / B LANC bezeichnen die Strategie der Integration auch mit dem Begriff „harmonious acculturation“ (2000: 205). Wenn durch die Folgen der Migration der Zugang zur Ursprungskultur versperrt ist, gleichzeitig aber auch die Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt oder erschwert wird, kann dies auch zur vierten, unfreiwilligen Strategie Marginalisierung führen: „when there is little possibility or interest in cultural maintenance (often for reasons of enforced cultural loss), and little interest in having relations with others (often for reasons of exclusion or discrimination) then Marginalisation is defined“ (B ERRY 1997: 9). Kulturelle Identität im Falle der Marginalisierung kann somit weder aus der Zugehörigkeit zur Mehrheitskultur noch aus der Zugehörigkeit zur Herkunftskultur erwachsen, da diese für das marginalisierte Individuum nicht mehr zugänglich ist. 3.1.4 Akkulturationsstress Während B ERRY s Modell die vier Akkulturationsstrategien klar voneinander abgrenzt, ist die Trennschärfe in der Realität oft nicht so deutlich. Häufig stellt die Entscheidung für eine der Strategien eine komplexe Lebensaufgabe für das Individuum dar, die oft mit Stress verbunden ist. Das Phänomen des „acculturative stress“ (ebd.: 13) tritt vor allem bei der psychologischen Akkulturation, d.h. auf der Ebene des einzelnen Indivi- „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 113 43 (2014) • Heft 2 duum und weniger als kollektiv empfundenes Phänomen auf der Ebene der ethnischen Minderheitsgemeinschaft auf. Akkulturativer Stress kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Zum einen bewegt sich das Individuum stets in verschiedenen privaten und öffentlichen Lebensräumen, wie bspw. die Familie, die Schule, das soziale Umfeld, in denen die Tendenzen zur Bewahrung kultureller Werte unterschiedlich stark ausfallen (vgl. ebd.: 12). Zweitens weist Berry auf die dynamische Natur von Akkulturation hin. Zwar betont er, dass eine Strategie letzten Endes bevorzugt wird, das Individuum allerdings bis dahin möglicherweise auch andere Strategien erprobt (vgl. ebd.: 11). Des Weiteren muss der Einfluss der Mehrheitsgesellschaft auf individuelle Akkulturationsstrategien berücksichtigt werden. Er hat einen entscheidenden Anteil daran, inwiefern es dem Individuum gelingt, den neuen Lebensraum für sich zu gewinnen. Während eine Gesellschaft mit einer „positive multicultural ideology“ (ebd.: 17) den Boden für die Integrationsstrategie ebnet, gibt es auch jene Gesellschaften, die durch Gesetzgebung und Praktiken des Umgangs mit kultureller Diversität jegliche kulturelle Andersartigkeit ablehnen und außerhalb der herrschenden Normen platzieren. Den durch derartige komplexe Gegebenheiten hervorgerufenen Stress differenziert B ERRY in drei verschiedene Intensitätslevel (vgl. ebd.: 18 f). Mit „adjustment“ wird ein niedriges Stresslevel beschrieben, bei dem das Individuum seine Anpassung in der neuen soziokulturellen Umwelt als eher unproblematisch empfindet und ihm die Aneignung neuer und Anpassung alter Verhaltensformen („culture learning“ und „culture shedding“) leicht fallen. Im Gegensatz dazu steht der Zustand der „psychopathology“ (ebd.: 20), bei dem das Individuum die Kluft zwischen altem und neuen Lebensraum trotz großer Bewältigungsbemühungen als unüberwindbar wahrnimmt. Die Folge ist ein Rückzug in das, was als „Herkunftskultur“ begriffen wird, entsprechend der Strategie Separation. Verliert das Individuum durch die Migration aber zusätzlich den Bezug zur Herkunftskultur, kann dies zu völliger Isolation, also zur Akkulturationsstrategie der Marginalisierung führen. Die dritte Form der psychologischen Akkulturation beschreibt das Erleben von „acculturative stress“. Im Gegensatz zur Psychopathologie ist der erlebte Stress für das Individuum überwindbar. Das Individuum nimmt sich als Fremdkörper in der Mehrheitsgesellschaft wahr und erfährt Kulturkonflikte durch den interkulturellen Kontakt. Diese kulturellen Differenzen lassen sich nicht schnell durch bloße Anpassung oder schnelles „culture learning“ beheben, jedoch kann die Erfahrung des Akkulturationsstresses die eigenständige Entwicklung von Bewältigungsstrategien fördern. Der erlebte Stress führt in dem Fall zur aktiven Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Lebenssituation und fördert die Aushandlung der eigenen kulturellen Identität. Diese Aushandlungen können sowohl zur bewussten Assimilation als auch zur bewussten Separation beitragen. Ebenso kann dieser autonome Aushandlungsprozess aber auch zu einer bikulturellen Identität, d.h. zur Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft ohne Aufgabe der Ursprungskultur führen. „Acculturative stress“ ebnet dem Individuum somit möglicherweise den Weg zur Integration. Betrachtet man Akkulturation jedoch vor dem Hintergrund der zwei oben dargestellten Kulturdefinitionen, ergibt sich eine weitere Hürde zur Integration. Integration bedeutet, „there is some degree of cultural integrity maintained, while at the same time 114 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 seeking to participate as an integral part of the larger social network“ (ebd.: 9). Somit kann als eine Grundbedingung für Integration formuliert werden, dass das Individuum sich selbst auch als ein in zwei Kulturen agierendes und verortetes Individuum zu akzeptieren und diesen Zustand als wünschenswert zu empfinden weiß. Wenn die subjektive Theorie von Kultur und kultureller Zugehörigkeit allerdings einer im Herderschen Sinne homogenisierenden Kulturtheorie entspricht, ist eine solche Selbstwahrnehmung nicht möglich. In diesem Fall begreift das Individuum die verschiedenen Kulturen als geschlossene und homogene Räume, und der Versuch einer doppelten Zugehörigkeit und Teilhabe wird als großer Stressfaktor empfunden, so dass ihm nur die Bewältigungsstrategien einer deutlichen Zuordnung zur Zielkultur (Assimilation) oder zur Herkunftskultur (Separation) bleiben. Als Folge dieser Erkenntnis soll nun in Hinblick auf die qualitative Forschungsstudie eine erste Vorannahme formuliert werden: Die Strategie der Integration ist nur realisierbar für diejenigen Individuen, die ein diskursiv-reflexives Konzept von Kultur verinnerlicht haben, d.h., die Hybridität als eigene Lebensform akzeptieren. Die subjektiven Theorien der interviewten Jugendlichen sind damit bei der Untersuchung der jeweils gewählten Akkulturationsstrategie als essentieller Anhaltspunkt zu betrachten. 3.2 Migration und Sprache 3.2.1 Sprache - Denken, Handeln, Identität? Die Selbstverortung im Geflecht unterschiedlicher kultureller Kodierungen kann im Prozess der Akkulturation zu mehr oder minder großem Stressempfinden führen. Eine der vermutlich sichtbarsten und folgenschwersten Differenzen ist der Bereich der Sprache. Sie ist nicht nur als Schlüssel zur Kommunikation innerhalb kultureller Gruppen zu betrachten. Wissenschaftliche Studien schreiben ihr überdies elementare Bedeutung bei der Konstitution menschlicher Identität/ en zu. In den Diskussionen linguistischer und psychologischer Wissenschaft rückte die Rolle von Sprache insbesondere auf einer sozialpsychologischen Ebene im letzten Jahrhundert mehr und mehr in den Fokus. Die in dieser Diskussion entstandenen, nicht selten kontroversen Ansätze können innerhalb dieses kurzen Überblicks nicht in Gänze aufgeführt werden. L ANTOLF beruft sich in seinen Überlegungen zu Sprache auf V YGOTSKY 2 , dessen entwicklungspsychologische Theorien große Beachtung fanden und vielerorts weiterentwickelt wurden. Darüber hinaus werden hier grundlegende Thesen des Linguisten H ALLIDAY dargelegt, die für die Betrachtung von Sprache in Verbindung mit Kultur und Zweisprachigkeit fundamental zu sein scheinen. V YGOTSKY beschäftigte sich mit der Frage, wie der Mensch mit seiner Umwelt in Verbindung tritt und diese Erfahrungen wiederum mental verarbeitet. Dabei weist er schon im Vorwort seiner Monographie „Denken und Sprechen“ darauf hin, dass sich „das Problem von Denken und Sprechen als das Kernproblem der Psychologie insge- 2 Zum Zwecke der Einheitlichkeit wird für diesen Artikel nur folgende Schreibweise des Namens verwendet: V YGOTSKY . „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 115 43 (2014) • Heft 2 samt herausstellte“ (V YGOTSKY 2002: 40). Seine Forschungen ergaben, dass jegliche Form menschlichen Handelns auf Mediationsprozessen basiert und der Hilfe symbolischer Mittel bedarf (vgl. L ANTOLF 1994: 418). Mediation wird dabei definiert als „the introduction of an auxiliary device into an activity that then links humans to the world of objects or to the world of mental behavior“ (ebd.). Als das wichtigste symbolische Mittel wird dabei die Sprache angesehen (vgl. ebd.). Durch sie wird der Mensch befähigt, „to organize and control such mental processes as voluntary attention, logical problem-solving, planning and evaluation, voluntary memory, and intentional learning“ (ebd.). Darüber hinaus wird betont, dass auch innere mentale Prozesse, d.h. solche ohne direkte Interaktion mit der Außenwelt oder anderen Menschen über Sprache, gelenkt werden. Diese Art mentaler Prozesse bedienen sich des symbolischen Mittels Sprache in Form von sogenannter „inner“ oder „private speech“ (vgl. ebd.: 419). V YGOTSKY schlussfolgert aus seinen Erkenntnissen, dass es „jedoch falsch [wäre] …, sich Denken und Sprechen als zwei einander äußerliche Prozesse vorzustellen, als zwei unabhängige Kräfte, die parallel zueinander verlaufen“ (V YGOTSKY 2002: 387). Ein solch falsches Verständnis bezeichnet er als „grundlegenden methodologischen Fehler“ in dem die „Fruchtlosigkeit“ vieler Untersuchungen begründet sei (vgl. ebd.: 388). Ähnlich argumentiert H ALLIDAY , dass die einzigartige Eigenschaft menschlichen Lernens darin bestehe, „that it is a process of making meaning - a semiotic process; and the prototypical form of human semiotic is language“ (H ALLIDAY 1993: 93). Unter ‚Lernen‘ versteht er sowohl die fundamentalen Prozesse, mit denen der Mensch seiner Umwelt Sinn verleiht und sich zu ihr in Beziehung setzt als auch die „institutionalized form of learning that we call education“ (ebd.). Aus diesem Grund verurteilt er die strikte Trennung von Lernen und Sprache, ebenso kritisiert er die bloße Subkategorisierung von Sprache als eines spezifischen Teils menschlichen Lernens. Stattdessen setzt er Sprache und Lernen in eine untrennbare und wechselseitige Beziehung: „Hence the ontogenesis of language is at the same time the ontogenesis of learning“ (ebd.). Sowohl V YGOTSKY als auch H ALLIDAY positionieren Sprache an der Basis jeglicher mentaler Prozesse. Somit wird Sprache eine fundamentale Rolle im Leben eines jeden Menschen zuteil. Menschen, die Migrationserfahrungen machen, befinden sich nicht nur in einem Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen kulturellen, sondern in den meisten Fällen auch zwischen zwei sprachlichen Prägungen. Das dargelegte Sprachverständnis muss somit jeder Betrachtung von Bilingualität und Bikulturalität zugrunde gelegt werden. 3.2.2 Subjektive Haltungen zur eigenen Bilingualität Wenn Sprache ein zentrales Element jeglichen Denkens, Handelns und Fühlens ist (siehe 3.2.1), muss Bilingualität nicht zuletzt deshalb aus einer soziokulturellen Perspektive betrachtet werden, da alle diese Prozesse nicht etwa innerhalb eines kulturellen Vakuums ablaufen, sondern in der Regel in soziale Interaktionen eingebettet sind. Aus dieser zentralen Rolle von Sprache ergibt sich die Frage, ob Sprache dadurch nicht selbst als einer der wichtigsten - und offensichtlichsten - Träger von Kultur zu betrachten ist. So stellen beispielsweise H AMERS / B LANC fest, „Speech is a powerful 116 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 factor of identification. Social, cultural and ethnic categorisations and value judgements based upon language can be expressed about individuals and generalised to whole groups“ (2000: 207). Bilingual im Sinne G OGOLIN s „lebensweltlicher Mehrsprachigkeit“ (2011) zu sein, heißt somit, zwei Medien für zwei Kulturen zu besitzen. Daraus lässt sich schließen, dass die sprachlichen Fertigkeiten eines Individuums, sowie seine Haltung in Bezug auf die jeweilige Sprache starken Einfluss auf sein soziokulturelles Handeln und Denken nehmen. Diese Darstellung ist allerdings einseitig in dem Sinne, dass Sprache den bloßen Zweck des Mediums von Kultur zu erfüllen scheint. Schon V YGOTSKY s und H ALLIDAY s Ausführungen deuten aber eine wechselseitige Beeinflussung von Sprache und Kultur an, und auch H AMERS / B LANC (2000) schreiben: „Rather than a one-way causal relationship between language and culture we consider there to be a continuous interaction in which language can at times shape ideas and at other times result from the existing cultural values and behaviour“ (ebd.: 200). An dieser Stelle lässt sich eine zweite Vorannahme in Hinblick auf die nachfolgende Studie formulieren: Sprache und kulturelle Identität stehen in einer wechselseitigen, also interdependenten, Beziehung. Ebenso, wie Sprache kulturelles Denken und Handeln ermöglicht, lenkt und prägt, so nimmt auch die kulturelle Identität des Individuums erheblichen Einfluss auf die subjektiven Überzeugungen, Haltungen und Motivationen zu Sprache. In eigenen Studien beobachten H AMERS / B LANC seitens der Migranten eine gewisse Angst vor der Zweitsprache; ein Phänomen, das sie als „fear that learning L2 may lead to a loss of first culture and language“ (ebd.: 232) begreifen. Nimmt diese Angst mehr Einfluss als der Faktor „integrativeness“, so führt dies zu einer relativen Vermeidung der Sprechergemeinschaft der Zweitsprache. Ist der Faktor „integrativeness“ größer als der Faktor „fear of assimilation“, wird das Individuum sich der Sprechergemeinschaft der Zweitsprache annähern. Diese Ergebnisse zeigen, dass auch Toleranz und Offenheit seitens der Mehrheitsgesellschaft gegenüber der Minderheitensprache Grundvoraussetzungen für eine integrative Sprachmotivation sind. Dies spielt eine umso größere Rolle, je höher das Individuum den Status der eigenen Minderheitskultur und -sprache bewertet. Wenn das Individuum den Erhalt seiner Erstsprache und -kultur nicht von der Mehrheitsgesellschaft bedroht sieht, steigert dies seine Motivation, die Zweitsprache zu erwerben und Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft zu suchen. H AMERS / B LANC fassen daher die Rolle der Gesellschaft folgendermaßen zusammen: „To develop a harmonious bilingual bicultural identity the society must integrate multiculturalism as one of its values“ (ebd.: 214). Für die nachfolgende Studie lässt sich somit eine dritte Vorannahme festhalten: Die Ausprägung der subjektiven Haltung zu sprachlicher Teilhabe in beiden kulturellen Gemeinschaften hängt stark davon ab, ob die Jugendlichen das Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheitsgesellschaft als von Respekt und Offenheit oder aber als von Intoleranz und Konkurrenz geprägt wahrnehmen. Sprachliche Integration im Sinne einer harmonischen Bilingualität ist nur dann möglich, wenn das Subjekt mit seiner kulturellen und sprachlichen Hybridität in beiden Gemeinschaften auf Akzeptanz und Befürwortung stößt. „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 117 43 (2014) • Heft 2 4. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Die Auswertung der sechs Interviews zeigt, dass die Jugendlichen trotz ihres vermeintlich ähnlichen türkischen Migrationshintergrundes ihre jeweilige sprachliche und kulturelle Lebenssituation subjektiv sehr unterschiedlich bewerten. Wie bereits angenommen, erweist sich die Entwicklung einer kulturellen Identität als komplexer und für jedes Individuum einzigartiger Prozess. Aufgrund der relativ kleinen Erhebungsgruppe ist daher darauf hinzuweisen, dass mit der Analyse der beschriebenen Fälle keineswegs der Anspruch gestellt wird, alle möglichen existierenden subjektiven Haltungen Jugendlicher mit türkischem Migrationshintergrund im Sinne einer „Typenbildung“ abzubilden, denn eine solche erhebt schon rein semantisch den Anspruch, ein Kategoriensystem zu entwickeln, dem sich alle Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund unterordnen lassen würden. Unter Berücksichtigung dieser Vorbemerkungen sollen die auf Grundlage der Interviews erarbeiteten subjektiven Theorien der Jugendlichen über ihre kulturelle Identität im Folgenden jedoch so miteinander verglichen werden, dass mögliche Einflussfaktoren freigelegt werden können. 4.1 Der Einfluss eines homogenisierenden Kulturverständnisses auf die individuelle Akkulturation Zum einen wurde untersucht, ob die dargestellten Akkulturationsstrategien im lebensweltlichen Kontext der Befragten erkennbar sind. Dabei ist zunächst zu sagen, dass das Forschungsziel nicht darin lag, die Akkulturationsstrategien innerhalb einer objektiven Betrachtung auf die tatsächlichen Lebenssituationen anzuwenden, da alle Jugendlichen sich alltäglich in verschiedenen kulturellen Lebensräumen bewegen (Schule, Familie, Freundeskreis). Betrachtet man jedoch die individuellen Theorien über kulturelle Zugehörigkeit, so lassen sich die subjektiven Empfindungen über die eigenen Identitäten durchaus in Richtung der verschiedenen Akkulturationsstrategien interpretieren. Hierfür war es notwendig, auch die herrschenden Kulturbegriffe der Jugendlichen herauszuarbeiten. Denn wie sich in der Analyse der Interviews bestätigte, spielen diese in Hinblick auf die Akkulturationsstrategien eine ausschlaggebende Rolle. Dabei ließ sich feststellen, dass nur zwei der Befragten Kultur als diskursiv-reflexiv betrachten (Interview 1 und 2), die vier anderen vertreten ein deutlich homogenisierendes Kulturverständnis. Wie sich durch die Auswertung der Interviews zeigen ließ, sind innerhalb eines solchen Kulturverständnisses keine Formen von Hybridität als Lebenskonzept möglich, so dass vier der Befragten einen großen Wunsch nach einer eindeutigen, d.h. monokulturellen, Zugehörigkeit offenbaren. Dieser Wunsch führt zu unterschiedlichen Identifikationsformen. Einerseits kann es sich in dem Bedürfnis nach totaler Anpassung und Anerkennung als Deutsche/ r äußern. Ein derartiger Wunsch nach Assimilation im Sinne einer monokulturell deutschen Identität erfordert aus Sicht der Interviewpartnerin die Aufgabe der türkischen Kultur. Andererseits kann ein homogenisierendes Kulturverständnis auch zu Separation führen, d.h. zu einer monokulturellen Identifikation mit der „türkischen Kultur“, die nur in Abgrenzung zum Fremden, also zu dem, was als 118 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 „deutsche Kultur“ verstanden wird, möglich ist. Während zwar sowohl die Strategie der Assimilation als auch die der Separation lebenspraktisch nicht umsetzbar sind, lassen sich die verschiedenen Akkulturationsstrategien der Jugendlichen auf einer emotionalen Ebene, also auf der Ebene subjektiver Bewertungen der beiden Kulturen, deutlich herausstellen. Abhängig davon, ob es sich um Separation oder Assimilation handelt, wird eine kulturelle Gemeinschaft als wichtiger Anhaltspunkt für die Entwicklung einer kulturellen Identität betrachtet, während die jeweils „andere Kultur“ lediglich im Sinne einer funktionalen Notwendigkeit geduldet wird. Des Weiteren zeigte sich, dass ein homogenisierendes Kulturverständnis die Jugendlichen in ihrer Identitätsentwicklung erheblich belasten kann. Insbesondere dann, wenn die empfundene kulturelle Zugehörigkeit im sozialen Umfeld der Befragten nicht anerkannt wird, erleben die Jugendlichen großen Stress und sind in der Entwicklung ihrer eigenen Identität stark verunsichert. Diese Problematik zeigte sich zum einen bei zwei Befragten, die sich eine türkische kulturelle Zugehörigkeit wünschen, allerdings innerhalb der türkischen Gemeinschaft nicht als berechtigte Mitglieder akzeptiert werden („Also ich bin auch eine Türkin. Aber manche sagen so, ok, sie hat einen deutschen Pass und ist auch eine Deutsche. Nein, ich bin halt eine Ausländerin“ I. 3). In diesen Fällen ließ sich die subjektive Wahrnehmung der eigenen kulturellen Ausgrenzung als Form von Marginalisierung interpretieren. Zum anderen stößt auch die Befragte, die sich eine deutsche kulturelle Zugehörigkeit zuschreibt, auf harsche Kritik aus der türkischen Minderheitengemeinschaft („Also die würden das auch so, na ich hör’s ja voll oft, dass ich halt nicht so reinpasse, so. Also in deren Vorstellungen, wie eine Türkin sein sollte, aber ich mach mein eigenes Ding“ I. 6). 4.2 Äußere Beeinflussung der subjektiv empfundenen kulturellen Zugehörigkeit Es zeigt sich somit, dass der Wunsch nach kultureller Zugehörigkeit nicht als alleiniger Bestimmungsfaktor kultureller Identität zu betrachten ist. Wie schon in der theoretischen Aufarbeitung betont wurde (siehe 3.1.3), müssen auch äußere Einflüsse, wie die Familie der Jugendlichen und die Mehrheitsgesellschaft 3 mit einbezogen werden, um die Komplexität der Lebenssituationen zu erfassen. Dabei legen die Erzählungen der Jugendlichen offen, dass sie in der Mehrheitsgesellschaft vor allem auf kulturelle Akzeptanz stoßen. Darüber hinaus scheinen die Haltungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft besonders für die Jugendlichen, die sich eine türkische kulturelle Identität zuschreiben, auf einer subjektiv-emotionalen Ebene ohnehin nur eine kleine Rolle zu spielen. Die Haltungen der Minderheitengemeinschaft und ihrer Familien werden hingegen in emotionaler Hinsicht als viel wichtiger empfunden. Einerseits können Eltern die kulturelle Identität der Jugendlichen unterstützen und befürworten. Andererseits erle- 3 Im Folgenden bezeichnet „Mehrheitsgesellschaft“ die Gruppe von Menschen, die die Jugendlichen als die „deutsche“ Gesellschaft wahrnehmen, und „Minderheitengemeinschaft“ die Gruppe, die die Jugendlichen als „türkisch-kulturelle Subgruppe“ innerhalb dieser Gesellschaft empfinden. „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 119 43 (2014) • Heft 2 ben einige Befragte einen erheblichen Druck aus der türkischen Gemeinschaft, sich klar zu jenen religiösen und sprachlichen Normen zu bekennen, die von ihr vertreten werden. („Bei meiner Familie ist es so, wir sollten eher beten, und ich tu das nicht so direkt. Das würden die auch bei mir ändern. Und eben meine Sprache“ I. 4). Separation als Ausprägung einer kulturellen Identität kann somit auch besonders durch familiäre Forderungen bestimmt werden. Aufgrund der Befürchtungen, dass die Jugendlichen die türkische Kultur zugunsten der deutschen Kultur aufgeben könnten, scheinen manche Eltern jegliche kulturelle Vermischung bei ihren Kindern als Gefahr für die eigene Herkunftskultur zu erleben. In diesen Fällen wird deutlich, dass offenbar auch die Eltern Homogenität als Kernmerkmal von Kultur betrachten. Diese elterlichen Forderungen nach einem klaren türkisch-monokulturellen Zugehörigkeitsbekenntnis ihrer Kinder platzieren die Jugendlichen in ein belastendes Spannungsfeld. Insbesondere der Wunsch nach einer erfolgreichen beruflichen Zukunft erfordert ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und steht in starkem Widerspruch zu der von den Eltern geforderten, bedingungslosen Einhaltung herkunftskultureller Verhaltensregeln. Dieser Widerspruch führt zu einem hohen subjektiven Stressempfinden bei den betroffenen Interviewpartnern: Jegliche kulturelle Öffnung, welche die eigene gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, wird von Eltern oder der türkischen Minderheit als Abkehr von der Herkunftskultur gedeutet, so dass die türkische kulturelle Zugehörigkeit der Jugendlichen in Frage gestellt wird. Während also ein homogenisierendes Kulturverständnis bei den Jugendlichen den Wunsch nach einer eindeutigen, türkischen kulturellen Zugehörigkeit hervorruft, ist es eben dieses starre Kulturverständnis der Eltern und der türkischen Minderheit, die den Jugendlichen ihre türkische kulturelle Identität abspricht. Aus diesen Fällen geht hervor, dass das Dilemma kultureller Marginalisierung im Falle der Befragten vor allem durch das vorherrschende Kulturverständnis in Familie und sozialem Umfeld forciert wird. 4.3 Sprache als Parameter kultureller Identität Des Weiteren legen die Untersuchungen offen, dass Sprache in der Tat als kulturelles Unterscheidungsmerkmal betrachtet wird. In allen Interviews stellte sich Sprachkompetenz als Anhaltspunkt kultureller Identität heraus. Für den Fall subjektiv empfundener Assimilation ist es besonders die hohe deutsche Sprachkompetenz, in der sich eine deutsche kulturelle Identität der Befragten manifestiert. Ebenso erachtet die Befragte ihre türkische Sprachkompetenz als Zeichen türkischer kultureller Zugehörigkeit, die im Widerspruch zu ihrem Wunsch nach einer monokulturellen deutschen Identität stehe („Also, in mir steckt glaub ich nicht mehr so viel Türkin. Also nur halt, eigentlich gar nichts mehr, nur die Sprache“ I. 6). Im Fall der subjektiv empfundenen Separation belegt die hohe türkische Sprachkompetenz aus Sicht des Befragten seine türkische kulturelle Identität. In ähnlicher Weise ist mangelnde Sprachkompetenz im Türkischen in den oben beschriebenen Fällen kultureller Marginalisierung der Anlass dafür, die Befragten trotz ihrer subjektiv empfundenen Zugehörigkeit außerhalb der Minderhei- 120 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 tenkultur zu positionieren („Na, mir war es auch eigentlich ganz peinlich, weil ich bin ja jetzt eine Türkin und ich behaupte, dass ich eine Türkin bin und kann nicht so gut Türkisch sprechen“ I. 3, „Eigentlich sollte ich ja meine Muttersprache sehr gut können“ I. 4). Daraus lässt sich schließen, dass Sprache in Verbindung mit einem homogenisierenden Kulturverständnis als entscheidender Faktor kultureller Zugehörigkeit oder kultureller Ausgrenzung zu begreifen ist. Sprache prägt somit in erheblichem Maße die kulturelle Identität der Befragten. In der theoretischen Diskussion konnte eine wechselseitige Beeinflussung von Sprache und Kultur abgeleitet werden. Auch die Forschungsergebnisse veranschaulichen diese große Bedeutung von Sprache im Prozess der Entwicklung einer kulturellen Identität. Ebenso machen sie deutlich, dass der Wunsch nach einer bestimmten kulturellen Zugehörigkeit erheblichen Einfluss auf die subjektiven Haltungen zu den jeweiligen Sprachen nimmt. Demnach bestätigen die Forschungsergebnisse die theoretische Annahme einer interdependenten Beziehung von Sprache und Kultur. 4.4 Akkulturative Chancen eines diskursiv-reflexiven Kulturbegriffs Wie sich oben zeigt, führt der starke Wunsch der Jugendlichen nach einer eindeutigen, also monokulturellen, Identität zu einer hohen emotionalen Wertschätzung einer Kultur und einer Sprache, während Nicht-Zugehörigkeit durch Abgrenzung von der anderen Kultur und durch eine rein pragmatisch-funktionale Bedeutung der anderen Sprache manifestiert wird. Dies begründet sich in einem homogenisierenden Kulturverständnis der Jugendlichen, das keine hybriden Identifikationsformen zulässt. Die zwei Jugendlichen, die ein diskursiv-reflexives Kulturverständnis verinnerlicht haben, äußern hingegen nicht das Bedürfnis, sich einer der beiden Kulturen zugehörig zu fühlen. Sie erleben kulturelle Vermischung und die eigene Hybridität als Selbstverständlichkeit ihrer Lebenssituation. Ferner erfahren die Befragten Befürwortung ihrer bikulturellen Identität durch ihre Familie und ihr soziales Umfeld („Also für die [Eltern] ist das ganz normal…weil wir leben ja in Deutschland und die wollen auch, dass wir hier weiterleben“ I. 1). Für die Eltern scheint die sprachliche und kulturelle doppelte Zugehörigkeit ein ebenso positives wie selbstverständliches Produkt der Migrationserfahrung zu sein. Somit scheinen auch die Eltern der Befragten Kultur als diskursiv-reflexiv zu begreifen.Es ist diesen beiden Jugendlichen daher möglich, beide Kulturen als Anhaltspunkte ihrer bikulturellen Identität zu nutzen und die Zugehörigkeit zu beiden Kulturen als persönliche Bereicherung zu empfinden („Für mich ist beides wirklich gleich wichtig. Also die deutsche Kultur, und die türkische Kultur, ist auch für mich sehr wichtig. Beide“ I. 2). Diese harmonische Vereinbarung beider Kulturen in der eigenen Identität legt die Akkulturationsstrategie Integration offen. Die theoretische Annahme, nur ein diskursiv-reflexives Kulturverständnis ermögliche Integration, wird durch diese Ergebnisse bestätigt. Darüber hinaus ist hier der große Einfluss der Eltern auf das Kulturverständnis der Jugendlichen und auf ihre harmonische Bikulturalität hervorzuheben. Die Akkulturationsstrategie Integration wird auch durch die persönlichen Haltungen der „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 121 43 (2014) • Heft 2 Befragten zu den beiden Sprachen veranschaulicht („Weil, ich habe von beides etwas…sprachlich gesehen“ I. 1). Beide Befragte empfinden Bilingualität als selbstverständliche Erscheinung einer bikulturellen Lebenssituation und als positiv für die eigene Zukunft. Darüber hinaus verfügen sie laut ihrer subjektiven Einschätzung über eine höhere Sprachkompetenz im Deutschen, was in keinerlei Widerspruch zur eigenen bikulturellen Identität wahrgenommen wird. Des Weiteren berichtet einer der beiden, dass die eigene Bilingualität auch durch die Mehrheitsgesellschaft bewertet wird. Schwächen in der deutschen Sprache werden, so empfindet der Befragte, von der Mehrheitsgesellschaft als minderwertig betrachtet. Dieses Empfinden verunsichert den Befragten in seinem Wunsch nach Integration, denn diese negative Bewertung seiner Sprachkompetenz stellt seine Zugehörigkeit in Frage. Darin zeigt sich, dass neben den subjektiven Kulturbegriffen der Befragten und ihrer Familien auch die der Mehrheitsgesellschaft ausschlaggebend für eine erfolgreiche und harmonische Integration sind. Formen hybrider Identitäten, nicht nur auf kultureller, sondern eben auch auf sprachlicher Ebene, müssen gesellschaftlich akzeptiert und befürwortet werden, um Integration zu ermöglichen. Somit lassen sich kulturelle Offenheit und Toleranz seitens der Jugendlichen, der Eltern und des sozialen Umfelds und nicht zuletzt der Mehrheitsgesellschaft als Prämissen für die selbstbestimmte Aushandlung der eigenen kulturellen Identität festhalten. 4.5 Haltungen zum schulischen Fremdspracherwerb Die Jugendlichen äußerten sich auch zu ihrer Haltung zum Fremdsprachenerwerb, insbesondere zur englischen Sprache. Dabei wurde deutlich, dass alle eine gute englische Sprachkompetenz als persönlichen und beruflichen Vorteil erachten, was auch von den Eltern geteilt wird („Ich zähle halt auf, Englisch, Türkisch, Deutsch, und dann bewundern mich alle“ I. 3). Allerdings zeigte sich auch, dass Jugendliche, die sich mit ihrer eigenen Bilingualität überfordert sehen, dieses Überforderungsgefühl auch auf die Fremdsprache übertragen. Sie empfinden die drei Sprachen als schwer vereinbar und ihre subjektiv als schwach bewerteten Kompetenzen im Deutschen und Türkischen werden als Ursache für das Scheitern im Fach Englisch wahrgenommen („Und dann kommt noch Englisch dazu und dann irgendwie die anderen Sprachen, das ist dann voll schwer, das irgendwie einzuordnen“ I. 6). 5. Schlussbemerkung Im Rahmen theoretischer Vorüberlegungen wurden das homogenisierende sowie das diskursiv-reflexive Kulturverständnis als mögliche subjektive Perspektiven auf Kultur dargelegt. Bei der Analyse der subjektiven Theorien der Jugendlichen ließen sich die verschiedenen Kulturbegriffe deutlich zuordnen. Ferner konnten, auf der Ebene subjektiver Wahrnehmungen der eigenen kulturellen Zugehörigkeit, auch die Akkulturationsstrategien nach B ERRY in den Erzählungen der Jugendlichen offengelegt werden. 122 Rebecca Holewa 43 (2014) • Heft 2 Dabei legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, dass ein subjektives homogenisierendes Kulturverständnis lediglich Assimilation und Separation zulässt. Darüber hinaus belegen die Ergebnisse den starken Einfluss sozialer Faktoren auf das individuelle Kulturverständnis, wobei insbesondere durch Forderungen nach kultureller Homogenität (sowohl in der Minderheitengemeinschaft als auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft) ein erheblicher kultureller Druck auf die Jugendlichen ausgeübt wird . Eine selbstbestimmte kulturelle Identität wird dadurch verhindert; stattdessen werden den Jugendlichen kulturelle Zugehörigkeiten von außen auferlegt. In diesen Fällen erwiesen sich Sprache und Sprachkompetenz als bedeutende Anhaltspunkte, wobei Bilingualität und mangelnde Sprachkompetenz in der emotional höher bewerteten Sprache als Zeichen kultureller Illoyalität verstanden werden, was subjektive Unsicherheiten erheblich steigert. Die Ergebnisse haben ferner veranschaulicht, dass eine subjektive innere Verflechtung türkischer und deutscher kultureller und sprachlicher Prägungen innerhalb einer individuellen Identitätskonstruktion tatsächlich nur dann möglich ist, wenn die Jugendlichen hybride Identitätsformen als normal und selbstverständlich begreifen. Es hat sich daher ebenso bestätigt, dass ein diskursiv-reflexives Kulturkonzept die beste Voraussetzung für harmonische Integration und additive Bilingualität bietet. Wenn die Institution Schule das oft formulierte Desiderat der Chancengleichheit tatsächlich umsetzen möchte, so ist es aus bildungspolitischer und entwicklungspsychologischer Sicht eine absolute Notwendigkeit, Sprache nicht nur als kommunikatives Medium zu begreifen, sondern, wie die obige Studie verdeutlicht, auch als bedeutenden Kultur- und Identitätsträger. Viele Sprachförderprogramme erhoffen sich durch eine Stärkung der deutschen Sprachkompetenz der Schüler/ innen eine größere gesellschaftliche Teilhabe und einen höheren Bildungserfolg. Diese Bestrebungen sind sicherlich wichtig, denn Sprachkompetenz im Deutschen - im Sinne einer Bildungssprache - ist eine Grundvoraussetzung für den schulischen und beruflichen Erfolg und sollte daher ein Hauptziel von Schule sein. Die obigen Ergebnisse zeigen jedoch, dass eine einseitige Sprachförderung im Deutschen die Entwicklung einer kulturellen Identität behindern kann und als Bedrohung der türkischen kulturellen Zugehörigkeit wahrgenommen wird, wenn die deutsche Sprache als Konkurrenz zur türkischen Sprache empfunden wird. Insbesondere die von allen Befragten empfundene mangelnde Sprachkompetenz in der türkischen Sprache ist als besorgniserregender Störfaktor im Hinblick auf die Entwicklung von Integration und Bilingualität zu betrachten. Somit sollte Sprachförderung mit dem Ziel bildungssprachlicher Kompetenz im Deutschen die Herkunftssprachen der Jugendlichen so mit einbeziehen, dass ihre Bikulturalität und (additive) Bilingualität bestärkt werden. Während ein derartiges Bewusstsein in allen Bereichen schulischen Wirkens notwendig ist, sollte besonders der Fremdsprachenunterricht sprachliche Vielfalt zulassen und wertschätzen. Eine ganzheitliche Förderung aller Sprachen seitens der Bildungsinstitutionen würde nicht nur eine tatsächliche Wertschätzung kultureller Vielfalt zum Ausdruck bringen, sondern den Jugendlichen hybride kulturelle Identitätsformen und additive Bilingualität, also Integration, ermöglichen. „In bin so in der Mitte“ - Bilingualität und Akkulturation aus Sicht Jugendlicher 123 43 (2014) • Heft 2 Literatur A RIES , Wolf D. Ahmed (2003): „Dialog und interkulturelle Kompetenz - ‚Begegnung‘ versus ‚Sozialtechnik‘? “ In: Erwägen, Wissen, Ethik - Streitforum für Erwägungskultur 14.1, 153-154. A UERNHEIMER , Georg (2003): „Sensibilität für Kulturdifferenz genügt nicht! “ In: Erwägen, Wissen, Ethik - Streitforum für Erwägungskultur 14.1, 154-156. B ACKUS , Ad (2004): „Turkish as an Immigrant Language in Europe“. In: B HATIA , Tej K. / R ITCHIE , William C. (Hrsg.): The Handbook of Bilingualism. Oxford: Blackwell Publishing, 689-719. B ANARD , Frederick M. 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Inken Keim Mehrsprachige Lebenswelten Sprechen und Schreiben der türkischstämmigen Kinder und Jugendlichen 2012, VIII, 264 Seiten €[D] 34,99/ SFr 47,90 ISBN 978-3-8233-6707-9 In vielen Großstädten Deutschlands haben sich in den letzten Jahrzehnten Migrantenwohngebiete entwickelt, in denen ethnische Gemeinschaften in engen Netzwerken leben. Die Kinder wachsen in mehrkulturellen Lebenswelten auf und bilden im Alltag, in den Familien und Peergroups mehrsprachige Kommunikationspraktiken aus. In den deutschen Bildungsinstitutionen treffen sie auf deutschsprachige Anforderungen, auf die sie schlecht vorbereitet sind mit der Konsequenz, dass viele bisher schulisch gescheitert sind. Das Buch, das auf ethnografisch-soziolinguistischen Untersuchungen basiert, liefert Einblicke in die Lebenswelt türkischstämmiger MigrantInnen und in die Vielfalt der sprachlich-kommunikativen Praktiken, die in mehrsprachigen Lebenswelten entstehen. Es stellt das ungesteuert erworbene Deutsch der Elterngeneration vor und zeigt auf der Basis von authentischen Gesprächsbeispielen die kommunikativen Praktiken der Kinder und Jugendlichen und ihre Virtuosität im Umgang mit sprachlichen Ressourcen, die in der Schule nicht berücksichtigt werden. Vor allem aber macht das Buch deutlich, dass die Kinder und Jugendlichen durchaus über mündliche und schriftsprachliche Deutschkompetenzen verfügen, und es zeigt, in welchen Bereichen sie Unterstützung brauchen, damit sie Erfolg in Schule und Beruf haben. 026012 Auslieferung April 2012.indd 6 02.04.12 14: 40 43 (2014) • Heft 2 P r a x i s s e m e s t e r In der Öffentlichkeit wird allzu häufig universitäre Lehrerbildung mit theoretischer Überlast und Praxisfremdheit gleichgesetzt. Diese pauschalen Zuschreibungen sind doppelt ärgerlich. Sie ignorieren, dass eine wissenschaftsbasierte Lehrerbildung notwendigerweise theoriegleitet sein muss, und übersehen gleichzeitig, dass Praxiselemente bereits seit Jahrzehnten zum selbstverständlichen Teil der Lehrerausbildung gehören. So existieren in Berlin bereits seit 1982 drei vierwöchige Praktika, ein Orientierungsbzw. Berufsfelderschließendes Praktikum und zwei Unterrichtspraktika, in denen die Studierenden momentan 12 Stunden unterrichten müssen. Gleichwohl bietet diese Konstruktion immer wieder Anlass zur Kritik, da der jeweils vierwöchige Praktikumszeitraum von zahlreichen Studierenden und nicht wenigen Dozenten als deutlich zu kurz empfunden wurde. Auch die letzte Reform hin zu Bachelor und Master of Education brachte keine substantielle Besserung: Trotz einer (organisatorisch heiklen) Hospitationsphase, trotz intensivierter Vor- und Nachbereitung wurde der Zeitraum der direkten Praxisbegegnung nicht ausgedehnt. Dieser als Mangel empfundene Zustand soll nun durch die Einführung eines Praxissemesters behoben werden, wobei nicht die quantitative Ausdehnung, sondern die qualitative Füllung entscheidend ist. Aus fachdidaktischer Sicht ist besonders wichtig, dass für die Lehrenden die Möglichkeit besteht, ihre Studierenden, die nun über einen längeren Zeitraum Unterricht planen, durchführen und reflektieren können, in einer für ihre Professionalisierung wichtigen Phase kontinuierlich beratend zu begleiten. Zudem wird es erstmals möglich sein, im Rahmen eines fachdidaktischen Begleitseminars eine funktionale und für die Studierenden wirklich augenfällige Verbindung zwischen Theorie und Praxis herzustellen, indem die Behandlung didaktischer Theorie durch eine gleichzeitig situierte, nicht mehr nur punktuell angelegte reflektierte Praxiserfahrung bereichert wird. Besonders innovativ ist ein dritter Aspekt: Die Studierenden sollen in einem überschaubaren Lehr-Lernforschungsprojekt spezifische Fragen des Unterrichts untersuchen und auswerten. Auf diese Weise können nicht nur die Intensität der Praxiserfahrung und ihr Reflexionspotenzial erhöht werden, sondern die Studierenden sollen durch forschendes Lernen Wissenschaftlichkeit als essentiellen Teil ihrer späteren beruflichen Tätigkeit und probates Mittel zur Unterrichts- und Schulentwicklung erleben. Diese Schwerpunktsetzungen erfordern einen weitaus engeren Kontakt der Universitäten zu den Schulen als bisher: So ist die intensive Zusammenarbeit mit speziell geschulten Mentoren an den Praktikumsschulen unerlässlich. Auch Vertreter der zweiten Phase werden einbezogen werden, um den Übergang zum Vorbereitungsdienst anzubahnen. Dabei sollten alle Seiten profitieren: Die Schulen vom forschenden Lernen der Studierenden für die eigene Schulentwicklung, die Mentoren und Seminarlehrer für den eigenen Unterricht bzw. die Lehrerbildung und die Universitäten für eine sinnstiftende Lehre und praxisnahe Unterrichtsforschung. Berlin S TEFAN K IPF © 2014 Narr Francke Attempto Verlag Pro und Contra 127 43 (2014) • Heft 2 Betrachtet man das Praxissemester als eine reine Strukturmaßnahme, in der die bisher bekannten Elemente der Praxisphasen lediglich neu arrangiert werden, wird man sich keine bahnbrechenden Verbesserungen der Lehrerbildung erhoffen dürfen. Interessanter sind da schon die Ansprüche, mit denen das Praxissemester verbunden wird. Hier ist zuvorderst der Versuch einer stärkeren Praxisorientierung des Studiums zu nennen. Diese soll durch das Prinzip des forschenden Lernens erreicht werden, das am besten zu verstehen ist als eine längerfristig angelegte Feedback-Schleife zwischen dem konzeptionell-abstrahierend angelegten Studium und einer eng betreuten Erfahrungsphase im schulischen Feld, aus der sich weiterführende Fragen für den weiteren Studienverlauf ergeben. Zudem wird mit dem Praxissemester der Versuch unternommen, die Kohärenz des Lehramtsstudiums insgesamt zu verbessern. Dies soll erreicht werden über eine intensivere Kooperation der an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen. Gemessen an diesen Ansprüchen, wird es das Praxissemester allerdings schwer haben, erfolgreich zu sein. Nach jetzigem Stand der Dinge ist das Praxissemester überambitioniert und unterfinanziert zugleich: Es ist unrealistisch anzunehmen, dass Schulen, die in der Gesamtheit eine Unterdeckung der Lehrerstunden aufweisen, eine angemessene Betreuung der Praktikant/ innen gewährleisten werden. Sie können es nicht, selbst bei bestem Willen. Es ist auch unrealistisch anzunehmen, dass die Fachdidaktiken es sich werden leisten können, pro Unterrichtsbesuch einen halben Arbeitstag einer Mitarbeiter/ in zu investieren (für An-/ Abfahrt, Unterrichtshospitation und Nachbesprechung). Dies gilt nicht nur, aber insbesondere dann, wenn parallel über den Hebel der Kapazitätsverordnung die Betreuungsgruppen vergrößert, der Anrechnungsfaktor auf das Lehrdeputat herabgesetzt wird, aber die Zahl der geforderten Unterrichtsbesuche unverändert bleibt. Es ist nicht zuletzt unrealistisch anzunehmen, dass sich die Universitäten diesen Realitäten bezüglich der Personalausstattung der Fachdidaktiken anpassen werden. Bleibt noch als Flaggschiff der gestärkten Praxisorientierung das forschende Lernen. Hier erforschen Studierende das Feld, in dem sie tätig sind, in einem eigenen Forschungsprojekt. Allerdings wird dieses Flaggschiff an den Fachdidaktiken vorüberziehen, solange (wie in Berlin geschehen) die anfallenden Studienpunkte für diese Begleitprojekte nur in den Erziehungswissenschaften verbucht werden können. Damit zeichnet sich eine Abwertung der Fachdidaktiken zu Betreuungsdienstleistern im Praxissemester ab. Dies und der fortgesetzte Verzicht, das Lehramtsstudium in den Fächern als eine integrale Einheit zu entwerfen, führen zu einer Herauslösung des fachdidaktischen Studienanteils aus dem Gesamtzusammenhang des Studiums der Fächer. Dies ist nicht nur eine vermutlich kontra-intentionale, sondern auch eine dem Selbstverständnis der Fachdidaktiken als wissenschaftliche Disziplinen vollständig zuwiderlaufende Form der Praxisorientierung. Die zu erwartende Schrumpfform geht zu Lasten der Studierenden, der Lehrer/ innen und einer fachdidaktisch fundierten Sicht auf Lehrerbildung. Dagegen erhebe ich Einspruch. Berlin S TEPHAN B REIDBACH © 2014 Narr Francke Attempto Verlag 43 (2014) • Heft 2 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Manuela F RANKE , Frank S CHÖPP (Hrsg.): Auf dem Weg zu kompetenten Schülerinnen und Schülern. Theorie und Praxis eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts im Dialog. Stuttgart: ibidem 2013, 273 Seiten [Paperback 34,90 €] Der von Manuela F RANKE und Frank S CHÖPP herausgegebene Sammelband ist der Tagungsband des gleichnamigen Fachdidaktischen Kolloquiums, das vom Institut für Romanische Philologie der Philipps-Universität Marburg im November 2012 veranstaltet wurde. Der Sammelband beinhaltet neben dem Vorwort der Herausgeber 12 Beiträge, die sich unterschiedlichen Schwerpunkten des Tagungsthemas annehmen. Manuela F RANKE und Frank S CHÖPP weisen in ihrem Vorwort auf die Omnipräsenz des Konzepts der Kompetenzorientierung in der fachdidaktischen Forschung hin. Sie begreifen Kompetenzorientierung als einen „tiefgreifenden Reformprozess des Lernens im institutionellen Kontext“ (5). Den Schwerpunkt der fachdidaktischen Tagung, nämlich die Verbindung von wissenschaftlicher Theorie und unterrichtlicher Praxis, leiten sie aus den kontroversen Diskussionen über die Kompetenzorientierung im Unterricht ab. Folglich sollen die 12 Beiträge „den kompetenzorientierten Unterricht aus den unterschiedlichsten Perspektiven“ (6) beleuchten, wobei sie den Anspruch stellen, eine „Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu schlagen“ (5). Aus Platzgründen können nicht alle 12 Beiträge einer Würdigung unterzogen werden. Die subjektive Auswahl der Beiträge durch den Rezensenten orientiert sich daran, wie unterrichtspraktisch die Aufsätze angelegt sind. Stéphane H ARDY präsentiert eine praktische Umsetzung mittels einer Unterrichtsreihe für den Französischunterricht in der gymnasialen Oberstufe und weist die „aktive Beschäftigung mit diatopischen Varietäten für den modernen Französischunterricht“ (28) als Ziel ihres Beitrags aus. Ihre Unterrichtsreihe ist für einen Leistungskurs Französisch konzipiert und basiert auf dem Film Bienvenue chez les Ch’tis. H ARDY stellt eine interessante, aber sehr anspruchsvolle Unterrichtsreihe mit einem umfangreichen Materialanhang vor. Es muss allerdings kritisch hinterfragt werden, ob die Reihe, deren Einsatz sie im Übergang von der Lehrbucharbeit zur Arbeit in der gymnasialen Oberstufe ansiedelt, realistisch ist, da zu befürchten ist, dass die Unterrichtsreihe Lernende zu Beginn der Sekundarstufe II sprachlich überfordern wird und dass eine sehr stark linguistisch geprägte Ausrichtung der Unterrichtsreihe das Interesse vieler Lernenden nicht widerspiegelt. Christine M ICHLER thematisiert die Vermittlung von Lernstrategien im Französischunterricht. Auf der Grundlage fachdidaktischer Diskussionen zu Lernstrategien präsentiert sie deren Einsatz im Französischunterricht anhand unterschiedlicher Lehrwerke und kommt zu der Erkenntnis, dass diese mit ihrem „Angebot an Strategien und Übungen, bei denen die Schüler auf die vorgestellten Verfahren zurückgreifen sollen, zur Autonomie eines Fremdsprachenlerners beitragen“ (66). Schade ist, dass sich die Ausführungen M ICHLERS auf ältere bzw. auslaufende Lehrwerke beziehen. Somit ist der Gewinn, den der Leser des Aufsatzes ziehen kann, möglicherweise von nur sehr kurzer Dauer, sofern sich die neue Lehrwerkgeneration mit Blick auf die Lernstrategien von ihren Vorgängern stark unterscheidet. Dorothea G REGER geht der Frage nach, wie Lernende mit albums ihre kommunikativen Kompetenzen erweitern können. Dazu legt sie in nachvollziehbarer Weise die Gründe für die unterrichtliche Behandlung von albums dar, wobei sie auf der Grundlage der Kompetenzorientierung die Förderung interkultureller Kompetenzen sowie der Lesekompetenz hervorhebt. Etwas störend Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 129 43 (2014) • Heft 2 wirkt bei der Lektüre der recht lang geratene theoretische Einschub „Sprachproduktionsprozesse verstehen und stützen“ (89 ff). Die von G REGER ausgeführten Möglichkeiten zum Ausbau der verschiedenen produktiven und rezeptiven sowie methodischen Kompetenzen sind insgesamt durchaus schlüssig. Es wird allerdings nicht deutlich, warum der Einsatz der albums zur Schulung dieser Kompetenzen besonders geeignet ist. Die Beiträge von Sylvia T HIELE , Julia G ERLACH und Manuela F RANKE beschäftigen sich mit Hörverstehen. T HIELE thematisiert auditive Kompetenzen, die sie am Beispiel des Italienischen untersucht. Sie stellt die Komplexität und die Wichtigkeit des Hörverstehens dar und konzentriert sich folglich auf diese, weil „Hörverstehensübungen in der Frequenz im modernen Fremdsprachenunterricht trotz einer deutlichen Aufwertung in den letzten Jahren immer noch ein wenig hinter anderen Übungen oder Trainingsgegenständen zurückstehen“ (110). Sie stellt mögliche Text- und Aufgabentypen für Schüler der Sekundarstufe I und II vor. Die Aufgabentypen werden in Bezug auf die zu schulenden Kompetenzen eingeordnet. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Kompetenzebenen des niedersächsischen Kerncurriculums. Darüber hinaus problematisiert sie die Leistungsbewertung kompetenzorientierter Aufgabenstellungen. Es schließen sich konkrete Unterrichtsbeispiele an, für die „eine Einordnung in Kompetenzraster vorgenommen [und] Bewertungsvorschläge unterbreitet“ (118) werden. Letztere können hingegen nicht überzeugen. Aussagen wie „[z]ur möglichen Bewertung sei hier angemerkt, dass die Textproduktion mit den üblichen Kriterien erfolgen kann“ (122) oder „[e]ine differenzierte Bewertung der Textproduktionen kann mit den gestellten Aufgaben erfolgen“ (123) sind wenig hilfreich. Das Ziel von Julia G ERLACH ist es, drei Strategien für die unterrichtliche Praxis vorzustellen. Unter den Überschriften „Binnendifferenzierung“, „Ganzheitlichkeit“ und „Inhaltsorientierung“ skizziert sie sehr praxisorientiert Möglichkeiten, wie Hörverstehensübungen mittels italienischer Canzoni im Unterricht durchgeführt werden können. Ihre Unterrichtsbeispiele lassen sich problemlos auf andere Fremdsprachen übertragen. Vor allem werden Möglichkeiten des binnendifferenzierten Arbeitens im Bereich des Hörverstehens - nicht zuletzt durch die im Anhang beigefügten Arbeitsblätter - überzeugend vorgestellt. Die Hinweise zur „Vorbereitung auf eine reale Begegnungssituation“ (143) am Ende ihrer Ausführungen sind vor dem Hintergrund der Darlegungen über das Hörverstehen allerdings redundant. Manuela F RANKE präsentiert ein Unterrichtsbeispiel, in dem „nicht auf ein sprachformgerichtetes Feinverstehen, sondern auf ein Verstehen der Inhalte“ (149) abgezielt wird. Im Sinne eines binnendifferenzierten Unterrichts stellt sie analog zum Konzept von Lesebildern das Konzept von Hörbildern vor. Das von F RANKE ausgegebene Ziel, Hörverstehen nicht „direkt in Verbindung mit einer (mündlichen oder schriftlichen) Textproduktion“ (150) zu überprüfen, wird allerdings in letzter Konsequenz nicht erreicht. Hannelore M ARTIN bemängelt die Monolingualität des Fremdsprachenunterrichts. Dies nimmt sie zum Anlass textanalytisch zu untersuchen, inwieweit vernetztes Lernen von Fremdsprachen untereinander in der hessischen Unterrichtspraxis in dort verwendeten Lehrwerken und den entsprechenden Curricula umgesetzt wird. Anhand konkreter im Unterricht erprobter Beispiele zeigt sie auf, wie Lerner bereits nach kurzer Lernzeit über Texterschließungsstrategien weiterer romanischer Sprachen lesend verstehen können. Ihr Vorschlag zur „Förderung der Teilkompetenz Grammatik“ (194) ist zweifelsohne interessant, könnte aber aufgrund der hohen sprachlichen Anforderungen auf Probleme der Realisierbarkeit in der unterrichtlichen Praxis stoßen.Frank J ODL geht von der These aus, „dass awareness-orientierte Ansätze den Lernerfolg erhöhen können und hauptsächlich über traditionelle Unterrichtsmethoden umzusetzen sind“ (205), wobei er unter Verweis auf empirische Untersuchungen moderne Methoden nachvollziehbar kritisch hinterfragt, um daraus konkrete Beispiele vorzustellen. Die Frage, ob das vorgestellte 130 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 Beispiel - eine vergleichende Thematisierung spanischer und englischer Anredeformen - Fremdsprachenlerner nicht überfordert, beantwortet J ODL selbst, indem er in Bezug auf die Umsetzbarkeit auf einen „Praxis-Versuch“ (221) verweist. Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades und der aus Schülersicht wahrscheinlich wenig motivierenden Thematik dürfen Zweifel über eine erfolgreiche Umsetzung dennoch angebracht werden. Die Bereiche der fremdsprachlichen Film- und Literaturdidaktik werden von Simona B ARTOLI -K UCHER thematisiert. Sie legt den Schwerpunkt auf interkulturelle Kompetenzen als „transversal zu verstehende Kompetenzen“ (225). Auf der Folie theoretischer Überlegungen zu Kulturbewusstsein und Migrationsgeschichten stellt sie für den Italienischunterricht Beispiele aus Filmen und literarischen Texten vor. Dabei bleibt es aber bei einer kurzen Skizzierung einer möglichen unterrichtlichen Realisierung. Der vorgestellte rezeptionsästhetische Ansatz von Aufgaben die vor, während und nach der Beschäftigung mit dem Lesebzw. Hörtext oder mit dem Film zu bearbeiten sind, ist allerdings kein neuer. Auch wenn sich jeder Leser des Sammelbandes ein eigenes Urteil darüber bilden sollte, ob der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis gelungen ist, so kommt der Rezensent zu der Einschätzung, dass die Autoren diesem Anspruch nur mit Einschränkungen gerecht werden. Nach seiner Auffassung gelingt es den durchaus praxisorientierten Beiträgen nicht, schlüssig darzulegen, inwieweit die vorgestellten Beispiele dazu beitragen können, Schülerinnen und Schülern auf dem Weg zu kompetenten Lernern hilfreich zu sein. Die verschiedenen Kompetenzen hätten dazu genauer erläutert werden müssen. Auf formaler Ebene wäre eine Strukturierung der Beiträge im Inhaltsverzeichnis zu begrüßen, zumal im Vorwort nur von einem „2. Themenblock“ (6) gesprochen wird. Darüber hinaus muss kritisch angemerkt werden, dass in einigen Beiträgen wissenschaftlich nicht sauber gearbeitet wurde. So fehlen in mehreren Literaturlisten bibliographische Angaben, oder es lassen sich in der Bibliographie Angaben finden, die nicht im Text vorkommen. In der Bibliographie des Beitrags von Hannelore M ARTIN befinden sich beispielsweise nicht weniger als 32 Angaben, die nicht im Text vorkommen. In anderen Beiträgen wirken unterschiedliche Schreibweisen von Namen oder differierende Angaben des Erscheinungsdatums von Sekundärliteratur störend. Fazit: Trotz der kritischen Anmerkungen kann der Sammelband dem Leser durchaus Anregungen für den fremdsprachlichen Unterricht geben, auch wenn deutlich wird, dass die geplante „Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis“ doch eher instabil ist. Darüber hinaus dürften 34,90 € für eine Paperback-Ausgabe ein zusätzliches Hindernis für die Nutzung dieser Brücke sein. Paderborn M ARKUS B OHNENSTEFFEN Julia H AMMER , Maria E ISENMANN , Rüdiger A HRENS (Hrsg.): Anglophone Literaturdidaktik. Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht. Heidelberg: Winter 2012 (Anglistische Forschungen; 430), XX, 494 Seiten, 25 Abbildungen [55.00 €] Ohne Frage: Wer für den Englischunterricht an Schulen, für die Referendariatsausbildung oder für universitäre Seminare im Englischstudium neue Ideen für Themen, Texte und auch Methoden der Literaturarbeit sucht, findet im vorliegenden voluminösen Band eine Fülle von praxisorientierten Vorschlägen. In insgesamt 30, nach Themen in fünf Großkapitel geordneten Beiträgen werden Einblicke in einen modernen Englischunterricht geliefert, der die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenzen zum Ziel hat. Dabei überzeugt der Band durch die Einlösung der seit Jahren bestehenden Forderung nach einer Öffnung des traditionellen Lektürekanons Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 131 43 (2014) • Heft 2 für den Englischunterricht. Es werden nicht nur neue Texte aus verschiedenen englischsprachigen Ländern wie Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien, USA, Südafrika und Indien vorgestellt. Darüber hinaus erfolgt im Sinne des globalen Lernens eine Erweiterung auf anderssprachige Länder - u.a. auf Afghanistan, wie der Beitrag von Christian L UDWIG zum Einsatz der graphischen Adaptation von Khaled H OSSEINIS The Kite Runner zeigt. Zudem wird ausgehend von einem weiten Literaturbegriff eine Vielzahl unterschiedlicher Genres und Medien berücksichtigt: Von Märchen und Kinderbüchern über Kurzgeschichten, (Jugend-)Romane, Autobiographien, graphic narratives und Literaturverfilmungen bis hin zu Lyrik und HipHop sind alle literarischen Hauptgattungen vertreten. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf narrativen Texten - zur Arbeit mit Dramen gibt es lediglich einen eigenen Beitrag (von Karin I KAS zu Theaterstücken der sogenannten New Britons). Positiv hervorzuheben ist, dass der Blick nicht vornehmlich auf die Sekundarstufe II gerichtet wird, sondern dass - angefangen mit Isabel V OLLMUTHS Vorschlag zu modernen Adaptionen von Little Red Riding Hood im handlungsorientierten Englischunterricht der Klassen 3 bis 6 - viele Beiträge aufzeigen, wie die Beschäftigung mit Literatur schon im Englischunterricht der Sekundarstufe I gelingen kann. Und auch dem Potential literarischer Lehrbuchtexte für kulturelle Lernprozesse wird durch die Autorin Daniela A NTON Rechnung getragen. Die in den vorgestellten Texten verhandelten Themen ermöglichen einen Englischunterricht, in dem nicht allein eine Auseinandersetzung mit länderspezifischen Aspekten aus verschiedenen anglophonen Kulturräumen (z.B. das Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften, Migration und Minoritäten oder arranged marriages) stattfindet, sondern der Lernenden auch eine Beteiligung an Diskursen über sogenannte global issues (wie Gewalt und Rassismus, Menschenrechte, Differenzerfahrungen, Geschlechtervorstellungen, Chancenungleichheit, Armut oder Ökologie) ermöglicht. Über neue Themen sind zudem neue Genres entstanden, die weitere Perspektiven für den Englischunterricht eröffnen: Dies veranschaulichen die Beiträge zu sogenannten 9/ 11-Romanen von Michael S ZCZEKALLA (zu Texten von Don D E L ILLO , Mohsin H AMID und John U PDIKE ) und Maria E ISENMANN (zu Jonathan Safran F OERS Extremely Loud and Incredibly Close) ebenso wie der Beitrag von Laurenz V OLKMANN zur Beschäftigung mit ecopoetry. Auch in methodischer Hinsicht bietet der Band ein breites Spektrum an Vorschlägen. Einige Autoren nähern sich Literatur mittels analytischer Zugangsformen, wie z.B. Carsten A LBERS , der ein close viewing von Mira N AIRS Film The Namesake vorstellt, um audiovisuelle Formen der Identitätskonstruktion aufzudecken, oder Matthias M ERKL , der eine Short Story von Thomas K ING einer Diskursanalyse unterzieht. Andere Beiträge konzentrieren sich auf handlungsorientierte Verfahren. So lässt Anja J ÄGER in dem von ihr vorgestellten Unterrichtsvorschlag Lernende, basierend auf der Lektüre des Jugendromans Bend It Like Beckham, Alpträume zu interkulturellen Konflikten inszenieren. Die Verbindung von analytischen und kreativen Methoden zur Förderung des kognitiven, ästhetischen und affektiven Lernens strebt Marianne H ÄUPTLE - B ARCELÓ bei der Arbeit mit der Verfilmung der Kurzgeschichte „New Boy“ von Roddy D OYLE an. Dass man die Beschäftigung mit literarischen Texten im Englischunterricht auch gewinnbringend als Projekt anlegen kann, zeigen Ralf W ESKAMP im Hinblick auf entdeckendes und forschendes Lernen mit dem Roman Mister Pip von Lloyd J ONES und Peter F REESE , der ein internetbasiertes Projekt zur Entstehung des Hip-Hop und insbesondere zum Rap „The Message“ von G RANDMASTER F LASH AND THE F URIOUS F IVE skizziert. Ebenfalls mit dem Internet arbeitet Frauke M ATZ , die die Beschäftigung mit Benjamin Z EPHANIAHS Lyrikband We are Britain durch die Einbeziehung des Portals Britkids, einer Lernplattform für interkulturelles Lernen im britischen Kontext, ergänzt. Eine aus methodischer Sicht äußerst relevante Frage in einem Literaturunterricht, der sich auch als Kulturunterricht versteht, ist die nach den Möglichkeiten der historischen und kulturel- 132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 len Kontextualisierung von Literatur. Die Beiträge von Liesel H ERMES (zur Arbeit mit einer australischen Romantrilogie), von Albert R AU (zum Einsatz einer Kurzgeschichte der kanadischen Autorin Margaret A TWOOD ), von Martina W OLFF (zu den Romanen Saffron Dreams und The Reluctant Fundamentalist), von Albert-Reiner G LAAP (zu zwei südafrikanischen Romanen) und von Rüdiger A HRENS (zu drei postkolonialen Romanen von Autor(inn)en mit unterschiedlichen kulturellen anglophonen Hintergründen) geben zu dieser Frage zwar vereinzelt Hinweise. Wie genau die Verknüpfung von literarischen Texten mit weiteren Materialien allerdings im Sinne eines wide reading möglichst lernerorientiert erfolgen kann, wird von den Herausgeber/ innen leider nicht auf übergeordneter Ebene, z.B. in einer etwas längeren Einleitung, behandelt. Theoretisch-konzeptionelle und auch methodische Weiterentwicklungen einer fremdsprachlichen Literaturdidaktik leisten die einzelnen Beiträge. So zeigen Christiane L ÜTGE (zu den Literaturverfilmungen der Romane Anita and Me und Whale Rider) sowie Lotta K ÖNIG (zur Auseinandersetzung mit dem Thema der Intersexualität am Beispiel von Jeffrey E UGENIDES ’ Roman Middlesex) auf, welches Potential eine kulturwissenschaftliche Öffnung der fremdsprachlichen Literaturdidaktik in Richtung eines gendersensibilisierenden Fremdsprachenunterrichts in sich birgt. Verschiedene Formen der Weiterentwicklung einer interkulturellen Literaturdidaktik in Richtung des Ansatzes der global education veranschaulichen drei weitere Beiträge. Anne M IHAN führt am Beispiel einer Kurzgeschichte von Toni M ORRISON zum Thema Rassismus vor, wie auch der Fremdsprachenunterricht zur education for democratic citizenship beitragen kann. In ähnlicher Weise plädiert Julia H AMMER anhand von Deborah E LLIS ’ Parvana’s Journey zur Friedenserziehung durch Literatur, und Janice B LAND stellt dar, inwiefern die Behandlung der FREE? Stories Celebrating Human Rights zur Beschäftigung mit Menschenrechten und zur Entwicklung einer critical cultural literacy anregen kann. Methodische Weiterentwicklungen der fremdsprachlichen Literaturdidaktik finden insbesondere in den Beiträgen statt, die sich mit mehrsprachigen literarischen Texten beschäftigen. Neben Daniela E LSNERS Artikel zu Gedichten von Pat M ORA und Antoine C ASSAR ist in diesem Zusammenhang der Unterrichtsvorschlag von Werner D ELANOY zu nennen, da in diesem das Konzept eines mehrsprachigen, plurikulturellen Literaturunterrichts nicht allein auf die verwendeten Texte, sondern auch auf die Formen der Textarbeit bezogen wird: Sein Vorschlag zum Einsatz von mehrsprachigen Kinderbüchern zeigt auf, wie produktiv es für das inter- und transkulturelle Lernen sein kann, wenn die Lernenden bei der Arbeit mit diesen besonderen literarischen Texten durch Übersetzungstätigkeiten auch ihre eigene Mehrsprachigkeit einbringen. Ebenfalls innovativ ist der Beitrag von Georg F ÄSSLER , der am Beispiel einer eher ungewöhnlichen subjektiven Textsorte - nämlich Blogs von Drittkulturkindern - überzeugend veranschaulicht, dass die Beschäftigung mit motivierenden Genres zur Förderung sowohl rezeptiver als auch produktiver kommunikativer Kompetenzen beitragen kann. Besonders herauszustellen ist neben den beschriebenen konzeptionellen und methodischen Weiterentwicklungen aber auch die Besinnung auf im Englischunterricht schon etablierte Texte, die aus neuer Perspektive betrachtet werden. So argumentiert Cedric E SSI in seinem Beitrag, dass die teils einseitige Konzentration auf den Leser bzw. die Leserin in rezeptionsästhetisch orientierten literaturdidaktischen Zugangsweisen der letzten Jahre den Blick darauf verstellt habe, dass auch autorbezogene Ansätze ihre Berechtigung in einem auf das interkulturelle Lernen ausgerichteten Literaturunterricht haben: Gerade im Fall von „Black Like Me“, der im Zentrum von E SSIS Beitrag steht, ist die Frage nach dem (weißen) Autor und seiner Ethnizität von Bedeutung, um kritisch zu beleuchten, aus welcher Perspektive das Geschehen dargestellt wird und wer hier für eine marginalisierte Gruppe spricht, die selbst keine eigene Stimme erhält. Auch Jürgen D ONNERSTAG kritisiert einseitige Ausrichtungen im interkulturellen Literaturunterricht, wenn er am Beispiel von The White Tiger dargelegt, dass für die Kompetenzentwicklung der Lernenden Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 43 (2014) • Heft 2 nicht nur die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, sondern auch der Erwerb neuen Wissens notwendig ist. Aus literaturdidaktischer Sicht müssen jedoch auch einige kritische Anmerkungen zum vorliegenden Band gemacht werden. So erläutern die Herausgeber/ innen z.B. nicht, was es mit dem Begriff der ‚Anglophonen Literaturdidaktik‘ auf sich hat. Da dieser Begriff in der anglistischen Literaturdidaktik nicht etabliert ist, wäre es wichtig gewesen zu erfahren, ob damit eine neue Konzeptualisierung eingeführt werden soll oder ob er eher als Sammelbegriff für all das fungiert, was der Band umfasst - auch dann stellt sich allerdings die Frage nach dessen intendierter Rahmung. Auch der recht vage gehaltene Untertitel hilft der interessierten Leserin diesbezüglich leider nicht weiter. Von einem Band, der für sich in Anspruch nimmt, „Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht“ zu liefern, hätte man eine ausführlichere Kontextualisierung in aktuellen literaturdidaktischen Diskussionen - z.B. im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Bildungsbegriff und Kompetenzorientierung - erwartet. Solche Verortungen eines modernen Literaturunterrichts nehmen einzelne Autoren zwar in den Beiträgen vor - allen voran Lothar B REDELLA , der am Beispiel des Themas der arrangierten Ehe zeigt, dass die Beschäftigung mit Literatur auch eine Herausforderung für das interkulturelle Verstehen darstellen kann. Wünschenswert wäre allerdings eine übergeordnete, über die punktuellen Hinweise im Vorwort hinausgehende Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der fremdsprachlichen Literaturdidaktik gewesen, u.a. auch hinsichtlich des genauen Zusammenhangs der verschiedenen Ansätze des interkulturellen, transkulturellen und globalen Lernens im Literaturunterricht. Insgesamt liefert der Band jedoch viele Anregungen und spricht eine breite Zielgruppe an. Vielen Nachwuchswissenschaftler/ innen wurde zudem ermöglicht, ihre Ideen einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Der Band ist sehr leserfreundlich angelegt, da er vor jedem thematisch organisierten Großkapitel eine kurze Einführung in das Thema und die Beiträge liefert und da jedem Beitrag ein Abstract zu dessen inhaltlicher Ausrichtung vorangestellt ist. Dies ermöglicht eine rasche Orientierung und die gezielte Textauswahl für die Lektüre. Göttingen C AROLA S URKAMP David G ERLACH : ‚wordly‘-Rechtschreibtraining. Konzeption und Evaluation eines Interventionsprogramms für lese-rechtschreib-schwache Englischlerner. Münster [etc.]: Waxmann 2013, 297 Seiten [34,90 €] David G ERLACH stellt in seinem neuen Buch die Ergebnisse einer Studie vor, die er im Rahmen seiner Promotion durchgeführt hat. Ziel war es, ein Rechtschreibtraining („wordly“) zu konzeptionieren und zu evaluieren, das junge Englischlerner/ -innen und -lerner mit großen Rechtschreibschwierigkeiten unterstützen und fördern soll. In Kapitel 1 werden die grundlegenden Fragestellungen und das offensichtliche Forschungsdesiderat, die Ziele und die Methoden der Untersuchung vorgestellt. In Kapitel 2 behandelt G ERLACH zunächst die Grundlagen und Voraussetzungen eines unbeeinträchtigten Schriftspracherwerbs, um dann - nach einer Diskussion der verschiedenen Definitionen von Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) - zu einer eigenen Arbeitsdefinition zu gelangen, auf deren Basis er den aktuellen Stand der Legasthenieforschung darstellt. Hier geht er auf die Symptomatik, die Ursachen sowie Interventionsmöglichkeiten ein, bevor er relevante Theorien und Einflussfaktoren des Fremdsprachenerwerbs darstellt, die dann funktional sinnvoll in Beziehung gesetzt werden zum Lernen bei vorhandener LRS. Sein besonderes Interesse gilt dem Erwerb der relativ intransparenten englischen Orthografie, die durch ihre vielfältigen Varianten und komplexen 134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 Verhältnisse von Lautung zu Schreibung das Durchdringen und Lernen dieses Systems eindeutig erschwert. Aufbauend auf diesen Grundlagen diskutiert der Verfasser in Kapitel 3 seine Untersuchungshypothesen und grenzt in diesem Zusammenhang sein methodisches Vorgehen weiter ein. Sein Ziel ist es, ein multimethodisches Rechtschreibtraining auf der Basis der theoretischen und empirischen Ergebnisse der Legasthenie- und Fremdsprachenforschung zu entwickeln (Kapitel 4) und zu evaluieren (Kapitel 5). Zur Entwicklung stellt er in Kapitel 4 seine Zielgruppe unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten vor und baut auf methodisch-didaktischen Überlegungen auf. Unter welchen Rahmenbedingungen kann eine adäquate Förderung stattfinden? Wie soll die Rechtschreibkompetenz konkret gefördert werden und welche Progression soll stattfinden? Welcher Wortschatz ist sinnvoll? Wie kann eine hohe Motivation der Lernenden erhalten werden? Um diese Fragen zu beantworten, greift G ERLACH auf die erarbeiteten theoretischen Grundlagen zurück bzw. führt teilweise weitere Untersuchungen an, um sein Vorgehen zu begründen. Er betritt an vielen Stellen echtes „Neuland“. Die Auswahl des implementierten Wortschatzes ist beispielsweise sinnvoll, wenn auch das später im Rahmen der diagnostischen Testungen verwendete Wortmaterial meines Erachtens linguistisch differenzierter hätte erarbeitet werden sollen - ein Aspekt, der aber angesichts des innovativen Charakters der Arbeit nicht allzu stark ins Gewicht fällt. In Kapitel 5 geht es um das eigentliche Design der Studie. Das wordly-Rechtschreibtraining wurde im Verlauf eines Halbjahres von meist außerschulisch arbeitenden Therapeutinnen und Therapeuten bei Schülerinnen und Schülern vorwiegend aus sechsten und sieben Klassen (verschiedener Schulformen) eingesetzt und der Lernfortschritt der betreuten Englischlernenden zu mehreren Testzeitpunkten überprüft. Sehr positiv fällt auf, dass David G ERLACH neben einer Experimentalgruppe (N = 48) mit zwei Kontrollgruppen (je N = 44) arbeitet: Eine Kontrollgruppe besteht aus Schülern mit LRS und eine Kontrollgruppe aus Schülern ohne LRS. Obwohl die Studie für die Evaluation eines (deutschen) Interventionsprogramms eine recht hohe Probandenzahl aufweist, sichert G ERLACH die quantitativ messbaren und statistisch abgesicherten Effekte mittels qualitativer Methoden ab (z. B. durch Interviews mit den Therapeutinnen und Therapeuten, die mit dem Konzept gearbeitet haben). Diese Ergebnisse stellt er mitsamt den quantitativen Daten dar - aufgeschlüsselt nach den vier untersuchungsleitenden Hypothesen und diskutiert die Daten im Rahmen einer Triangulation in Kapitel 6. G ERLACH sieht seine Untersuchungshypothesen bestätigt. Zum einen weisen starke Korrelationen darauf hin, dass rechtschreibschwache Lernende auch im Englischen ähnliche Probleme wie im Deutschen haben, und gleichzeitig ist festzustellen, dass das wordly-Trainingskonzept bei den untersuchten Probanden eine deutliche Wirksamkeit zeigt. Eine der Untersuchungshypothesen erscheint mir höchst interessant (sicherlich auch aus der Perspektive der Fremdsprachenforschung): Das isolierte Training schriftsprachspezifischer Fertigkeiten im Englischen scheint sogar positive Auswirkungen auf die deutsche Rechtschreibung zu haben - und zwar gemessen im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die weiterhin nebenbei Deutschförderung erhielt, aber dann keine solche deutliche Steigerung ihrer deutschen Rechtschreibung erleben konnte wie die englische Trainingsgruppe. G ERLACH ist hier verständlicherweise vorsichtig genug, um dieses Ergebnis nicht zu verallgemeinern; es scheint aber zumindest ein Indikator für sein Konzept der Sprachlerneignung und der sprachunabhängigen Grundfertigkeiten zu sein, dass sich ein intensives Training basaler Fertigkeiten in einer Sprache implizit auch positiv auf eine andere auswirken kann. In Kapitel 7 zieht G ERLACH ein Untersuchungsfazit und rekapituliert den Studienverlauf sowie die Ergebnisse. Das letzte Kapitel 8 nutzt er, um - durchaus kritisch und damit höchst angemessen - die Folgen seiner Studie für die Schul- und Unterrichtentwicklung zu antizipieren. Zwar ist er sich der deutlichen Restriktionen bewusst, da es aktuell kaum finanzielle wie perso- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 43 (2014) • Heft 2 nelle Möglichkeiten gibt, Englisch-LRS-Förderung an Schulen anzubieten. Er fordert aber zu Recht, dass im Rahmen der Inklusionsdebatte dringend notwendige Hilfsmaßnahmen bei LRS (und bei der Fremdsprachenförderung) mitbedacht werden müssen. Als entscheidenden Faktor sieht er die einzelnen Fremdsprachenlehrkräfte an den Schulen, die hier sehr wertvolle Entwicklungsprozesse initiieren könn(t)en, um auch lese-rechtschreib-schwachen Schülerinnen und Schülern das Lernen einer Fremdsprache zu erleichtern. Die gelungene Publikation verknüpft zwei interdisziplinäre Bereiche und Disziplinen. Weder hat sich die Legasthenieforschung in Deutschland bislang intensiv mit dem Fremdsprachenerwerb beschäftigt, noch hat sich die Fremdsprachenforschung Schülerinnen und Schülern angenommen, die schwerwiegende Schwierigkeiten beim Lesen und/ oder Schreiben zeigen. G ERLACH hat hier mit seinem Ansatz einen guten und wichtigen Weg beschritten, der weiter verfolgt werden sollte - zumal Englisch im Besonderen und Fremdsprachen allgemein in unserer globalisierten Welt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bedenkt man die mangelnden Lese- und Schreibkompetenzen, die die leo.-Level-One- und die DESI-Studien uns Erwachsenen und unseren Schülerinnen und Schülern in erschreckender Weise vor Augen führen, sollte und muss verstärkt darüber nachgedacht werden, wie die muttersprachlichen und die zu erlernenden fremdsprachlichen Fertigkeiten optimal verknüpft und möglicherweise gleichzeitig diagnostiziert und gefördert werden können. Ein wichtiges und sehr empfehlenswertes Buch! Frankfurt/ M. G ÜNTHER T HOMÉ Eva B URWITZ -M ELZER , Frank G. K ÖNIGS , Claudia R IEMER (Hrsg.): Identität und Fremdsprachenlernen: Anmerkungen zu einer komplexen Beziehung. Arbeitspapiere der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr Verlag 2013 (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 330 Seiten [48,00 €] Der Sammelband vereint 29 Beiträge der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Gegenstand der Diskussion waren die Beziehung zwischen Sprache(n) und Identität sowie die Bedeutung von Identität für die (fremd)sprachliche Praxis, das Sprachenlernen und die fremdsprachendidaktische Forschung. Die Beiträger/ innen waren aufgefordert, diese Aspekte aus ihrer jeweiligen Forschungsperspektive heraus zu beleuchten. Dem entsprechend breit ist das inhaltliche Spektrum des Sammelbandes, aus dem zunächst einige Schlagwörter benannt seien: Alter, Aussprache, ästhetische Bildung, Bildungsstandards und Kompetenzen, Bilingualer Sachfachunterricht, Fremdsprachen im Beruf, Interkulturelles Lernen, Lehrerbildung, Lernerbiographien, Lernmaterialien und Aufgaben, Lingua Franca, Literatur, Medien, Mehrsprachigkeit, Migration, Motivationsforschung, Multiliteralität, Narrativität und Performativität, Sprachencurricula, Sprachenpolitik und Partizipation, Spracherwerb, Sprachlernbewusstheit, Unterrichtsprojekte u.v.m. Einig sind sich alle Beiträger/ innen darin, dass Identität ein komplexes und wissenschaftstheoretisch schwer fassbares Konzept darstellt (Adelheid H U ). Grundsätzlich wird unterschieden zwischen einer individual-psychologischen Ebene, der das Selbst als „Aufrechterhaltung einer psychischen Vorstellung von sich selbst“ (Karin V OGT ) zugeschrieben wird, sowie einer sozialpsychologischen Ebene, auf der ein Verständnis von Identität als Ergebnis sozialer und sprachlicher Interaktion beruht (Rüdiger A HRENS ). Der Identitätsbegriff umfasst auf übergeordneter Ebene diese und weitere Erscheinungsformen des Selbst (z.B. auch das Selbstkonzept oder reflexive self; Michael K. L EGUTKE ). Identität wird durchgehend als plurales, dynamisches, also wandelbares oder fluides und fragmentarisches Konstrukt verstanden, das dem Individuum zugleich Stabilität und Handlungs- 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 orientierung bietet (Gabriele B LELL , Claus G NUTZMANN , Friederike K LIPPEL , Christiane L ÜTGE , Nicola W ÜRFFEL u.v.a.). Indem sich Identität über Narrationen konstituiert, ist Identitätsbildung ein ständiger diskursiver und performativer Prozess der unmittelbar mit Sprache und materiellen Realisierungen verbunden ist. Identitätsbildung erfolgt demgemäß in Selbst-Erzählungen oder Selbst-Darstellungen (Wolfgang H ALLET ). Dies hat eine rückgewandte rekonstruktive wie eine zukunftsorientierte prospektive Dimension (Lars S CHMELTER ). Identität steht dadurch zugleich im Spannungsverhältnis von Selbstzuschreibung und der Wahrnehmung von außen (Karin K LEPPIN ). Es ist demgemäß ein „Differenzbegriff“ (Christiane L ÜTGE , Franz-Josef M EISSNER ). Individuen übernehmen Rollen und agieren in veränderten Situationen ggf. in unterschiedlicher Weise. K LEPPIN spricht auch von „Lernersituationsrollen“, in die das Selbstkonzept einfließt und die mit Rollenerwartungen verbunden sind. Der kontextspezifische Gebrauch unterschiedlicher Sprachen beeinflusst ebenfalls die (Möglichkeiten der) Selbstdarstellung und Außenwahrnehmung (Helmut Johannes V OLLMER ). Hier ist die Unterscheidung zwischen einer personalen und einer kollektiven Identität anzuschließen (Adelheid H U ). Frank G. K ÖNIGS betont, dass nicht die Sprache per se identitätsstiftend ist, dies seien vielmehr die sprachbasierten Interaktionen. Mehrsprachigkeitsforschung im Kontext von Migration verweist z.B. auf den bedrohenden Charakter des Sprachgebrauchs, wenn dieser als defizitär bzw. als nicht bereichernd erlebt wird. Umgekehrt kann kulturelle Entwurzelung mit dem Gefühl größerer Freiheit bezüglich kultureller Identifikationsangebote einhergehen (Hans-Jürgen K RUMM , Hélène M ARTINEZ , Grit M EHLHORN ). Sprache wird damit eine „identitätsstärkende“, eine „identitätsverändernde“ und eine „identitätsbedrohende“ Funktion zugesprochen (Hélène M ARTINEZ ). Jede neue Sprache leitet diese Prozesse neu ein, führt zu einer Umstrukturierung und kann Erst-, Zweit- und Fremdsprachen neue Funktionen zuweisen (Grit M EHLHORN ). In diesem Kontext stehen auch Fragen zur identitätsstiftenden Funktion einer Lingua Franca (Claus G NUTZMANN , Franz-Josef M EISSNER ). Zu nennen ist ferner die Rolle der Aussprache im Wechselspiel von Imitation(skompetenz) und Interaktion (Karin A GUADO ). Dabei mag im beruflichen Kontext der Gebrauch einer Fremdsprache nicht selten als unzulänglich und identitätsbedrohend erlebt werden (Karin V OGT ). Jedoch wird infrage gestellt, ob Fremdsprachenunterricht komplexe identitätsstiftende Differenzerfahrungen überhaupt bereitstellen kann, da es an Zeit, Authentizität und entsprechend geschulten Lehrenden mangelt (Jörg R OCHE ). Eine wichtige Verbindung wird zur Sprachlernmotivation gezogen. Dabei wird unterschieden zwischen actual self, ideal self und ougth to-self, d.h. der eigenen Beurteilung aktueller Kenntnisse und der damit einhergehenden Projektion idealer und anzustrebender sprachlicher Kenntnisse sowie schließlich von außen angelegter Ansprüche (Jürgen K URTZ , Lutz K ÜSTER , Claudia R IEMER ). Soziale Identität und das integrative Motiv stehen in diesem Zusammenhang (Friederike K LIPPEL ) und führen zu interkulturellen Fragestellungen. Schließlich wird die Rolle der Lehreridentität betont, die von großem Einfluss auf die unterrichtliche Interaktion und damit auf die Lerneridentität ist (Britta H UFEISEN , Friederike K LIPPEL , Grit M EHLHORN , Andreas M ÜLLER - H ARTMANN , Marita S CHOCKER , Nicola W ÜRFFEL ). Die Vorschläge für die unterrichtliche Praxis sind vielfältig. Zunächst aber werden Grenzen der Identitätsbildung im unterrichtlichen Kontext angeführt, indem hinterfragt wird, bis zu welchem Grad die Beeinflussung der Lerneridentität zulässig (Friederike K LIPPEL , Jürgen K URTZ ) bzw. möglich ist (Britta H UFEISEN ). Dabei wird auf den qualitativen Unterschied zwischen schulischem Fremdsprachenunterricht und dem Spracherwerb im Migrationskontext hingewiesen. Dietmar R ÖSLER verdeutlicht dies darüber hinaus am Beispiel von Lernmaterialien und zeigt, inwieweit die Identität der Lernenden für bestimmte Aufgaben (auf einem Kontinuum zwischen Konjugationsübungen über eigene Stellungnahmen bis hin zu Simulationen) eine Rolle spielt oder (weniger) spielen sollte. Sprachdidaktisch plädiert Karin A GUADO für die Einübung von Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 43 (2014) • Heft 2 Chunks in möglichst authentischen und interaktiven Lernumgebungen, um einen zielsprachigen Redefluss zu fördern und die pragmatische Dimension der Sprache zu vermitteln. Einige Autoren heben die besondere Funktion von bilingualem Sachfachunterricht hervor, der für Schüler/ innen verschiedener Herkunftssprachen ein gleichberechtigtes Lernumfeld schaffe (Jutta R YMARCZYK ). Ferner unterstütze Bilingualer Sachfachunterricht die Beschäftigung mit kollektiven Sichtweisen (Frank G. K ÖNIGS ) sowie eine kritische Identitätsbildung (Lars S CHMELTER ). Einen weiteren Bereich stellen Narrationen dar. Literaturdidaktische, performative Ansätze oder Ansätze ästhetischer Bildung liefern einen breiten Rahmen zur Beschäftigung mit eigener und fremder Identität. Dies leitet über zu Ansätzen interkulturellen Lernens und zur Entwicklung von Sprachlernbewusstheit (Helmut Johannes V OLLMER , Frank G. K ÖNIGS ). Rüdiger A HRENS führt diesbezüglich das Ziel des globalen Lernens an, das besonders von der Einbeziehung anglophoner Literatur profitiert. Gabriele B LELL nennt „real life narratives“ als Aufgabenbeispiel narrativer Identitätsarbeit anhand von medial gestützten Darstellungsformen der Lernenden über sich selbst. Hierüber werden die Lernenden ganzheitlich angesprochen (Karin K LEPPIN ). Eva B URWITZ -M ELZER vertieft dies und nennt die mögliche Veränderung der Textwahrnehmung durch die gemeinsame interkulturelle Arbeit im heterogenen Klassenzimmer. Literatur als Erzählung von Erfahrung (Eva B URWITZ -M ELZER ) gibt zugleich Anlass für eigene Erzählungen oder für „autobiographische Akte“ bzw. „Lernertexte“, für die eine Vielzahl an Text- und Medienformaten im Sinne von Multiliteralität nutzbar gemacht werden können (Wolfgang H ALLET , Lutz K ÜSTER , Michael K. L EGUTKE , Jutta R YMARCZYK ). Dies kann zugleich zur Öffnung des Klassenzimmers und zur Schaffung neuer authentischer Lernorte führen (Claus G NUTZMANN , Wolfgang H ALLET , Britta H UFEISEN , Lutz K ÜSTER , Michael K. L EGUTKE , Christiane L ÜTGE , Hélène M ARTINEZ ). Grundsätzlich scheint Konsens darüber zu herrschen, dass der Fremdsprachenunterricht in Richtung Mehrsprachigkeitskonzepte, fächerübergreifende oder interkulturelle Projekte und Multiliteralität geöffnet werden muss. In welchem Spannungsfeld dies zu Bildungsstandards steht, erscheint jedoch diskussionswürdig. Für den unterrichtspraktischen Kontext ist schließlich zu bemerken, dass Lehrer/ innen prägend auf Lernende wirken (Friederike K LIPPEL ). Lehrerbildung hat somit nicht nur das Ziel, dass (zukünftige) Lehrende ihre Kompetenzen erkennen und weiterentwickeln und sich ihres beruflichen Selbstkonzeptes bewusst werden. Darüber hinaus ist einzubeziehen, welche Rolle Lerneridentitäten im Sprachenunterricht spielen können (Grit M EHLHORN , Jörg R OCHE ). Dies kann durch Kooperationsprojekte erfolgen, in denen (angehende) Lehrende und Lernende gemeinsame identitätsstiftende Erfahrungen sammeln und auswerten (Marita S CHOCKER ). Andreas M ÜLLER - H ARTMANN hebt die Bedeutung des Lehrerkollegiums für Reflexionsprozesse hervor. Nicola W ÜRFFEL schließlich belegt die spezifische Wirkung des jeweiligen Ausbildungssettings, hier mediengestützter Lernbegleitung von Sprachlernenden durch Studierende. Abschließend sollen die im Sammelband benannten Perspektiven für weitere Forschung benannt werden. Die Autor/ inn/ en stellen die Notwendigkeit heraus, geeignete Grundlagentheorien anzuwenden, die der Komplexität von Identität gerecht werden. Dies können - betrachtet man die Ansätze in den verschiedenen Beiträgen - sprach- und kulturwissenschaftliche, sprachphilosophische, sprachsoziologische, soziolinguistische, literatur- oder medienwissenschaftliche Theorien ebenso wie Theorien der pädagogischen Psychologie sein. Es wird nach wie vor die Frage als empirisch unzureichend geklärt verstanden, welche Wirkung Sprache/ n und Mehrsprachigkeit tatsächlich auf Identität haben (Britta H UFEISEN , Hélène M ARTINEZ , Grit M EHLHORN ) und welche Sprachenangebote in der Schule bereit zu stellen sind (Franz-Josef M EISSNER , Jörg R OCHE ). Friederike K LIPPEL weist dabei auf das forschungsmethodologische Problem hin, dass wir als Forschende unsere eigene Identität (verbunden mit positiven Sprachlernerfahrungen) an 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 die Auswahl der Forschungsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Sinne einer Positivselektion herantragen. Weiterhin stellt sich die Frage nach dem Einfluss des Lernkontextes (Hélène M ARTINEZ ) und der Veränderbarkeit von Verhalten (Karin K LEPPIN ). Darüber hinaus wird dafür plädiert, die Erforschung kollektiver Identitäten ebenso in den Blick zu nehmen (Frank G. K ÖNIGS , Lutz K ÜSTER , Christiane L ÜTGE ). Weiterer Erforschung bedarf die Lehreridentität (Lutz K ÜSTER , Andreas M ÜLLER -H ARTMANN ). Daneben sind geeignete Forschungsinstrumente auszuwählen. Hans-Jürgen K RUMM zeigt, was Interviews leisten können, um individuelle Erfahrungen von Lernenden aufzuspüren. Aufschluss über Identitäten können weiterhin unterrichtliche Lernertexte und damit verbundene Unterrichtsbeobachtungen oder -aufzeichnungen geben (Michael K. L EGUTKE , Jutta R YMARCZYK ). Für die Erforschung von Lehreridentitäten werden informelle kollegiale Gespräche (Andreas M ÜLLER -H ARTMANN ) oder selbstreflexive Texte angeführt (Marita S CHOCKER , Nicola W ÜRFFEL ), zu deren qualitativer Analyse Karin V OGT ein phänomenologisches Modell vorstellt. Es ist der Komplexität des Konzeptes Identität wie dem Umfang des Sammelbandes mit den ganz individuellen Zugängen der Autor/ inn/ en zur Thematik geschuldet, dass hier nur ein resümierender Überblick über die abgebildete Diskussion gegeben werden kann. Interessante Einzelaspekte und komplexe Herleitungen theoretischer Zusammenhänge in den Beiträgen mussten zugunsten der größeren Linien vernachlässigt werden. Leser/ innen des Sammelbandes werden mit der Perspektive ihrer Forschung oder Praxis der Lehrerbildung und des Fremdsprachenunterrichts vielfältige Anregungen im reichhaltigen Gedankenspiel um das Konzept Identität finden. Der Sammelband sei allen zur vertieften Lektüre empfohlen, die weit mehr als einen raschen oberflächlichen Überblick über Definitionen und Forschungsansätze suchen und die sich stattdessen auf die Entdeckung neuer Verknüpfungen bekannter und neuerer Konzepte begeben wollen. Alles in allem stellt der Band eine Bereicherung der fremdsprachendidaktischen Diskussion dar. Siegen D AGMAR A BENDROTH -T IMMER Andreas G RÜNEWALD , Jochen P LIKAT , Katharina W IELAND (Hrsg.): Bildung - Kompetenz - Literalität. Fremdsprachenunterricht zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch. Seelze: Klett/ Kallmeyer 2013, 208 Seiten [29,95 €] Die drei titelgebenden Begriffe Bildung, Kompetenz, Literalität stehen einerseits für die Arbeitsschwerpunkte Lutz K ÜSTERS , Professor für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin, dem diese Festschrift aus Anlass seines 60. Geburtstags im Jahr 2013 gewidmet ist, sie verweisen andererseits, wie die Herausgeber in ihrer „Einführung“ (9-17) betonen, auf wichtige Arbeitsfelder der aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskussion. Entsprechend werden diese Arbeitsfelder in den 14 Beiträgen des Bandes aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Während die Autorinnen und Autoren auf der Buchrückseite als „Expertinnen und Experten aus Schule und Hochschule“ angekündigt werden, belegt ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass mit einer Ausnahme alle Beitragenden aus dem Kontext universitärer Fachdidaktik stammen. Dies erklärt die Dominanz theoretisch ausgerichteter Texte. Dennoch, dies sei bereits vorab erwähnt, kommen bei der Lektüre der Aufsätze neben an theoretischer Reflexion interessierten Lesern auch Schulpraktiker auf ihre Kosten, die sich konkrete Anregungen für den Unterricht erhoffen - vorausgesetzt, sie sind bereit, die Beispiele auf ihre jeweiligen Kontexte zu übertragen. Dass kein Aufsatz andere Sprachen als die drei an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland am häufigsten gelernten modernen Fremdsprachen Englisch, Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 43 (2014) • Heft 2 Französisch und Spanisch berücksichtigt, ist aus der Sicht des Rezensenten ein Nachteil dieser Festschrift, der sich durch die sprachliche Aufstellung der Herausgeber erklären lässt. In jedem Fall erfährt der im Titel verwendete Begriff Fremdsprachenunterricht hier eine begrenzte Verwendung. Der ausgesprochen sorgfältig lektorierte Band ist in drei große Kapitel unterteilt, was dem Leser die Orientierung erleichtert: „Fremdsprachendidaktik zwischen Standardisierung und Bildungsanspruch“ (Teil I, fünf Aufsätze), „Kompetenzen und Lernaufgaben“ (Teil II, vier Aufsätze) und „Förderung von (Multi-)Literalität/ literacies durch multimodalen Input“ (Teil III, fünf Aufsätze). Während es sich bei den Autoren der Beiträge in den beiden ersten Kapiteln mehrheitlich um Vertreter der Fachdidaktik der romanischen Sprachen und Literaturen handelt, sind vier der fünf Beiträge im dritten und letzten Kapitel in der Fachdidaktik des Englischen zu verorten. Eröffnet wird Teil I mit einem Beitrag der beiden Englischdidaktiker Andreas B ONNET und Stephan B REIDBACH (20-35) zur Problematik der kompetenzorientierten Vermittlung und Überprüfung nichtsprachlicher Ziele wie literarisch-ästhetische und kulturelle Bildung. Die Autoren legen unterschiedliche Kompetenzbegriffe dar, zeigen die in der Diskussion um das Verhältnis von Kompetenzbegriff und den literarisch-ästhetischen Zielen des Fremdsprachenunterrichts divergierenden Grundpositionen auf und kommen schließlich zu dem Fazit, „dass die elementaren Probleme, welche die Rede von Kompetenzorientierung für einen an Bildungsprozessen der Lernenden interessierten Fremdsprachenunterricht […] aufwirft, gegenwärtig (noch? ) nicht als gelöst oder auch nur entschärft betrachtet werden können“ (34). Ebenfalls den so genannten „weichen Kompetenzen“ widmet sich die romanistische Fachdidaktikerin Christiane F ÄCKE (36- 46), die in ihrem Beitrag die Charakteristika der interkulturellen und der ästhetisch-literarischen Kompetenzen herausarbeitet und untersucht, wie diese zwischen Standardisierung und Individualisierung angelegt sind. Ihrem Fazit, dass diese Kompetenzen sich als „Prüfstein zur Integration von Bildung und Standards“ (45) erweisen werden, kann sich der Rezensent nur anschließen. Nach den sehr theoretischen Überlegungen von Jean-Paul N ARCY -C OMBES [47-59], der eine Modellierung von Lerngruppen als Netzwerke vorschlägt, zeichnet mit Daniela C ASPARI (60-73) eine weitere Vertreterin der Fachdidaktik der romanischen Sprachen den Stellenwert und die Ausrichtung des Umgangs mit literarischen Texten in zentralen bildungspolitischen Dokumenten der vergangenen 30 Jahre aus der Perspektive des Französischunterrichts nach. Die Autorin analysiert in diesem Zusammenhang den Berliner Rahmenplan von 1984, die Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung (1989, 2004) sowie die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) und die Allgemeine Hochschulreife (2012). Während das älteste der untersuchten Dokumente, der Berliner Rahmenplan, vom New Criticism geprägten literaturdidaktischen Vorstellungen von Literaturunterricht folgte, bescheinigt C ASPARI den neuen Abiturstandards die zugrundeliegende Vorstellung literarischer Kompetenz. Zu Recht betont sie die Diskrepanz zwischen den in den Abiturstandards formulierten Zielen für die Auseinandersetzung mit literarischen Texten und dem extrem begrenzten Stellenwert von Literatur in der Sekundarstufe I. Ihre Forderung nach einer gründlichen Überarbeitung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss ist folgerichtig. Abgeschlossen wird das erste Kapitel des Bandes mit einem Beitrag von Marita L ÜNING (74-84), die am Beispiel des Films Diarios de motocicleta - Die Reise des jungen Che konkrete Vorschläge zur Förderung des Bildungsanspruchs im Spanischunterricht sowie zur Persönlichkeitsbildung durch das Medium Film unterbreitet. Thema des Roadmovies des brasilianischen Regisseurs Walter Salles, das u.a. auf dem Tagebuch Diarios de motocicleta - Notas de viaje von Ernesto Che Guevara basiert, ist die Suche junger Menschen nach ihrem Platz im Leben. L ÜNING stellt in ihren Ausführungen überzeugend die Eignung des Films für den schulischen Spanischunterricht in der gymnasialen Oberstufe dar: So betont sie 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 beispielsweise sein Potenzial für die Auseinandersetzung mit anderen Werten und Einstellungen oder die (nicht nur) für junge Erwachsene bedeutende Frage der Realisierung eigenverantwortlichen Handelns. Teil II des Bandes enthält vier Beiträge, die überzeugend darlegen, wie schwer messbare Kompetenzen einen festen Platz in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht einnehmen können, ohne dabei individualisierende Aspekte aus dem Blick zu verlieren. Im ersten Beitrag dieses Kapitels beschäftigt sich Bernd T ESCH (86-97) mit Lernaufgaben zu Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz. Ein diese Kompetenzen nicht explizit berücksichtigendes Aufgabenkonzept bleibt dem Autor zufolge „hinter dem aktuellen Stand der Didaktik zurück“ (89). An einem konkreten Beispiel für den Französischunterricht ab dem Ende des ersten Lernjahres, einer Nouvelle histoire minute von Bernard Friot, führt T ESCH aus, wie sich die der Methodenkompetenz zuzuordnenden Aspekte Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz bereits im Anfangsunterricht operationalisieren lassen. Auch Marcus B ÄR (98-109) setzt sich mit der Rolle von Lernaufgaben in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht auseinander. Er illustriert am Beispiel einer von Studierenden des Spanischen entworfenen Lernaufgabe zu den Fertigkeiten Hör(seh)verstehen und Sprechen sehr anschaulich deren besonderes Potenzial zur Förderung von Individualisierung. Interkulturelle Kompetenzen stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Mark B ECHTEL (110-122). Der Autor stellt eine Aufgabe der Einstiegseinheit des ersten Bandes des im Klett-Verlag erschienenen Französischlehrbuchs Découvertes - Série jaune (2012) vor und untersucht, welche der in den Bildungsstandards zur Förderung der interkulturellen Kompetenz festgeschriebenen Komponenten darin berücksichtigt werden. Abgerundet wird der Beitrag durch Überlegungen zur optimierten Konzeption von Aufgaben zur Förderung interkultureller Kompetenzen. Ein Berliner Weggefährte des Jubilars K ÜSTER , der Englischdidaktiker Wolfgang Z YDATIß (123-136), beschließt Teil II des Bandes mit einem ausführlichen Plädoyer für eine deutschlandweit einheitliche kompetenzbasierte Abschlussprüfung in der ersten Fremdsprache, der er das Konstrukt sachfachrelevanter, aber fächerübergreifender fremdsprachiger Diskurskompetenzen zugrunde legt. Dieses „Kernabitur“ solle sich am Richtziel der Studierfähigkeit der immer heterogener werdenden Gruppe der potenziellen Hochschüler orientieren. Im ersten Beitrags des dritten Teils beschäftigt sich Wolfgang H ALLET (138-149) mit multimodalen Romanen, in denen jugendliche Ich-Erzähler Erlebnisse und Erfahrungen aus bestimmten Phasen ihres jungen Lebens aufzeichnen und darlegen. Der Autor bescheinigt diesen Romanerzählungen eine bedeutende quantitative Entwicklung seit der Jahrtausendwende und legt anhand ausgewählter Beispiele das Potenzial multimodaler fiktionaler Selbsterzählungen für die ästhetische Bildung und die Förderung einer multiliteralen Lese- und Verstehensfähigkeit im Fremdsprachenunterricht dar. Dagmar A BENDROTH -T IMMER und Jose A GUILAR (150-162) stellen in ihrem Beitrag das Projekt „Siegen-Paris“ vor, ein kooperatives deutsch-französisches Lernprojekt mit internationalen Master-Studierenden, die den Beruf des Fremdsprachenlehrers anstreben. Die Schwerpunkte des maßgeblich über die Moodle-Plattform der Universität Siegen laufenden Projekts, in dessen Rahmen die Studierenden in Lerntandems wissenschaftliche Texte zur Spracherwerbsforschung, zur Fremdsprachendidaktik und zum Einsatz digitaler Medien bearbeitet haben, lagen in der Förderung der Lernerautonomie der Studierenden, ihrer mehrsprachigen und interkulturellen Kooperation sowie ihrer Multiliteralität. Anhand einer Fallstudie belegen die Forscher den Einfluss der Lernumgebung auf die Einstellung je einer deutschen und französischen Projektteilnehmerin zum Fremdsprachenunterricht. Die Ergebnisse dieses Projektes, insbesondere im Bereich der Reflexionsebene der Studierenden, sollten Anlass geben, über eine Verankerung ähnlicher Veranstaltungen in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern nachzudenken. Zwei weitere Beiträge aus der Englischdidaktik sind Teilaspekten der Arbeit mit Filmen im Fremdsprachenunterricht gewidmet. Ausgehend von der untergeordneten Rolle literatur- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 43 (2014) • Heft 2 ästhetischer Texte in der aktuellen administrativen Modellierung des Fremdsprachenunterrichts skizziert Helene D ECKE -C ORNILL (161-178) ein an der Universität Hamburg bearbeitetes Forschungsprojekt, in dessen Mittelpunkt Schülergespräche über komplexe literarische oder filmische Texte stehen. Einem vergleichsweise alten Medium, dem Filmposter, ist der Beitrag von Britta V IEBROCK (179-193) gewidmet. Sie zeigt, dass sich das Potenzial von Filmpostern keineswegs in ihrer klassischen unterrichtlichen Verwendung als erster Zugang zu einem Film, auf dessen Basis Hypothesen über Thema und Inhalt angestellt werden, erschöpft. Überzeugend legt V IEBROCK dar, dass insbesondere die Analyse der Machart und der Funktionen von Filmpostern als kulturellen Produkten einen wertvollen Beitrag zur visual literacy leisten kann. Abgeschlossen wird der Band mit einem Beitrag von Daniela E LSNER (194-205). Die Autorin fordert für den Fremdsprachenunterricht eine stärkere Berücksichtigung von Textsorten, die sich durch das Zusammenspiel von Bild, Text und Symbol auszeichnen. Graphic novels, so E LSNER , stellten eine solche Textform dar, „die keineswegs schoolish wirkt“ (196) und sich zur Förderung fremdsprachiger literacies eigne, an deutschen Schulen jedoch bislang unterrepräsentiert sei. Die Ausführungen der Englischdidaktikerin dürften insbesondere Lehrkräfte ermutigen, sich auf diese multimodalen Texte einzulassen und ihr Potenzial für den eigenen Unterricht zu reflektieren. Insgesamt handelt es sich um einen Band, der eine Reihe hochinteressanter Überlegungen zur Frage vereint, wie der Fremdsprachenunterricht mit Standardisierungsansprüchen umgehen kann, ohne dabei einen weit gefassten Bildungsanspruch aufzugeben. Der Wunsch der drei Herausgeber, die Vielfalt der Beiträge möge die zahlreichen Impulse widerspiegeln, „die Lutz Küster zur Diskussion um die Standardisierung des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland beigesteuert hat“ (16), ist, wie die Lektüre des Profils des Jubilars in der Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 1 belegt, aus Sicht des Rezensenten in Erfüllung gegangen. Wer an der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts interessiert ist, wird in diesem Sammelband auf eine Vielzahl von Anregungen zum Weiterdenken stoßen. In diesem Sinne ist der Festschrift eine breite Leserschaft zu wünschen. Frankfurt/ M. F RANK S CHÖPP 1 Vgl. Küster (2013): „Profil: Prof. Dr. Lutz Küster (HU Berlin)“, in: Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 7.2, 273-280. 43 (2014) • Heft 2 I n f o r m a ti o n e n • V o r s c h a u Vorschau auf Jahrgang 44.1 (2015) Der von Claus G NUTZMANN (TU Braunschweig) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 44.1 (2015) trägt den Titel „Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache“. Studierende an deutschen bzw. deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen haben ein Schreibproblem. Nicht nur die persönlichen Wahrnehmungen von Lehrenden, sondern auch empirische Erhebungen bestätigen einen solchen Befund. Dadurch, dass in den meisten Studiengängen die deutsche Sprache als mündliche und schriftliche Unterrichtssprache verwendet wird, tritt dieses Schreibproblem zunächst einmal für das Deutsche als Wissenschaftssprache auf, und zwar sowohl bei Studierende mit deutscher als auch nicht-deutscher Muttersprache. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Studierende mit Schreibschwierigkeiten in der Muttersprache problemloser (wissenschaftliche) Texte in einer Fremdsprache verfassen können. Im Gegenteil, es ist davon auszugehen, dass sich Schreibprobleme durch die ‚Fremdsprachenbarriere‘ in diesem Bereich noch erheblich vergrößern. Insofern haben wir es bei unserem Thema mit einer Problemstellung zu tun, die die erst- und zweitsprachlichen Schreibkompetenzen von Studierenden betrifft. Sie macht sich bemerkbar bei Studierenden, die das Deutsche als Fremdsprache in der Hochschulkommunikation verwenden, die englischsprachige Lehrveranstaltungen in vorwiegend deutschsprachigen Studiengängen besuchen oder in einem internationalen, sehr häufig englischsprachigen Studiengang in Deutschland studieren bzw. einen solchen an einer ausländischen Universität absolvieren (möchten). Darüber hinaus ist das Thema natürlich auch für Lehrende und Wissenschaftler/ innen von Bedeutung. Selbst wenn im öffentlichen Hochschuldiskurs bisher eher wenig darüber kommuniziert wurde, dass auch Wissenschaftler mit den Tücken des fremdsprachlichen Schreibens zu kämpfen haben, so ist das Interesse an der Erforschung dieser Schreibprobleme und wie Wissenschaftler mit ihnen umgehen, inzwischen gewachsen. Fragen, inwieweit etwa Nicht-Muttersprachler des Englischen in der internationalen Wissenschaftskommunikation kommunikativ und fachlich benachteiligt sind, wie die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen auf das Phänomen der kommunikativen Benachteiligung von nicht-muttersprachlichen Autoren reagieren oder welche Nachteile, neben den Vorteilen, möglicherweise mit der Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, werden zunehmend diskutiert. Das geplante Themenheft wird sich mit einer Auswahl der eben skizzierten Probleme des wissenschaftlichen Schreibens in der Fremdsprache beschäftigen. Es wird dabei unterschiedliche Zielgruppen (Studierende und Lehrende), Sprachen (z.B. Deutsch, Englisch, Französisch) und Fächer/ Fächergruppen (Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften) in den Blick nehmen. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor (Arbeitstitel): Anthony B ROWN (TU Braunschweig): Transitivity and nominal grouping in standard engineeringspecific written texts from the field of mechanical engineering. Claus G NUTZMANN , Jenny J AKISCH , Frank R ABE (alle TU Braunschweig): Deutsch und Englisch als Wissenschaftssprachen - Eine Interviewstudie mit Wissenschaftlern, Herausgebern und Verlagsmitarbeitern. Julia H ÜTTNER (University of Southampton): Communicative purpose in student genres: evidence from authors and texts. Informationen • Vorschau 143 43 (2014) • Heft 2 Melanie M OLL (LMU München): Studentische Textproduktionen in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch: Problemanalyse und Vermittlungsmöglichkeiten. Nichola O WTRAM (European University Institute, Florence): Raising awareness of academic writing styles: helping doctoral students find their voices in the Academy. Karlheinz P OGNER (Copenhagen Business School), Dagmar K NORR (Universität Hamburg): Vom Schreiben zum „Texten“. L1- und L2-Schreibforschung und -didaktik zum wissenschaftlichen Schreiben. Dirk S IEPMANN (Universität Osnabrück): Unter- und Überrepräsentation zielsprachlicher Lexiko- Grammatik in englisch- und französischsprachigen Texten deutscher Wissenschaftler: zentrale Befunde und Folgerungen für die Lehre. Christine Simone S ING (Wirtschaftsuniversität Wien): Eine Frage der Disziplin? Schreibprobleme in der Fremdsprache von Studierenden im internationalen Kontext einer Wirtschaftsuniversität. Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 44.2 (2015) Mehrsprachigkeitsdidaktik (koordiniert von Jenny J AKISCH ) Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! JETZT BES TELLEN! VERSATZ 190 MM/ 30 MM Ivo Steininger Modellierung literarischer Kompetenz Eine qualitative Studie im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik 2014, 454 Seiten, €[D] 72,00 / SFr 92,70 ISBN 978-3-8233-6848-9 Das Lesen und Verstehen literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht kann als ‚weißer Fleck‘ auf der kompetenzorientierten Landkarte im Bildungswesen bezeichnet werden. Zu vage sind die Kompetenzbeschreibungen in den Bildungsstandards, zu marginal ist die Rolle, die literarische Texte im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen spielen. Um diese Lücke zu schließen, bedarf es eines eigenständigen Modells literarischer Kompetenz, das Teilleistungen differenziert anführt. Die Studie widmet sich dieser Zielsetzung und generiert ein Modell aus Daten der qualitativen Unterrichtsforschung im Englischunterricht der Sekundarstufe I.