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Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm
Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Lutz Küster Themenschwerpunkt: L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven koordiniert von Claudia Riemer und Kathrin Wild FLuL 45. Jahrgang (2016) · 2 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgeber: Claus Gnutzmann (Braunschweig) · Frank G. Königs (Marburg) · Lutz Küster (Berlin) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Claus Gnutzmann, TU Braunschweig, Englisches Seminar, Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik, Bienroder Weg 80, D-38106 Braunschweig, E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Prof. Dr. Frank G. Königs, Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Straße, D-35032 Marburg/ Lahn, E-Mail: koenigs@staff.uni-marburg.de Prof. Dr. Lutz Küster, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin, E-Mail: lutz.kuester@rz.hu-berlin.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Stephan Breidbach (Berlin) · Eva Burwitz-Melzer (Gießen) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Daniela Elsner (Frankfurt) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Karen Schramm (Wien) · Laurenz Volkmann (Jena) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 54,- (print) bzw. € 68,- (print + online), das Einzelheft € 34,-. Vorzugspreis für private Leser € 44,- (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, E-Mail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG (Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven Koordination: Claudia R IEMER und Kathrin W ILD C LAUDIA R IEMER , K ATHRIN W ILD Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ............................................................ 3 K IMBERLY A. N OELS , K ATHRYN E. C HAFFEE , N IGEL M ANTOU L OU , A LI D INCER Self-Determination, Engagement, and Identity in Learning German. Some Directions in the Psychology of Language Learning Motivation ............................ 12 C LAUDIA R IEMER L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache. Länderspezifische und länderübergreifende Einsichten ............................................................................... 30 M OSTAFA M ALEKI L2-Motivation und „Possible Selves“. Ein vergleichender Blick in die Motivationsprofile von iranischen Deutsch- und Englischlernenden ...................... 46 G ABRIELE S CHMIDT Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land: Das Beispiel Australien .................................................................................. 62 M ACIEJ M ACKIEWICZ Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA .................... 78 Y UAN L I Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China ........... 93 45. Jahrgang (2016) • Heft 2 Herausgeber: Claus G NUTZMANN (Braunschweig), Frank G. K ÖNIGS (Marburg), Lutz K ÜSTER (Berlin) © 2016 Narr Francke Attempto Verlag www.periodicals.narr.de/ index.php/ flul 45 (2016) • Heft 2 Ni c ht t h e m a ti s c h e r T e il K ATHARINA W IELAND Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik für die Entwicklung von Strategien und Techniken zur Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht ............. 108 P r o u n d C o ntr a : Englischdidaktische Seminare in der Zielsprache 124 P r o u n d C o ntr a : Französisch-/ spanischdidaktische Seminare in der Zielsprache 126 B u c h b e s pr e c h u n g e n • R e z e n s i o n s artik e l Wolfgang H ALLET , Carola S URKAMP (Hrsg.): Handbuch Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Trier: WVT 2015 (K ATHARINA W IELAND ) ........... 128 Ulrike J ESSNER , Claire K RAMSCH (Hrsg.): The Multilingual Challenge. Cross-Disciplinary Perspectives. Berlin/ Boston: Walter de Gruyter 2015 (S TEFFI M ORKÖTTER ) ................ 130 Petra K NORR : Kooperative Unterrichtsvorbereitung. Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrer. Tübingen: Narr 2015 (U LRIKE S CHUH -F RICKE ). 133 Gabriela F ELLMANN : Schüleraustausch und interkulturelle Kompetenz: Modelle, Prinzipien und Aufgabenformate. Frankfurt/ M. [u.a.]: Lang 2015 (A NTJE S TORK †) ...................... 135 Lutz K ÜSTER , Christiane L ÜTGE , Katharina W IELAND (Hrsg.): Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht. Theorie - Empirie - Unterrichtsperspektiven. Frankfurt/ M. [u.a.] 2015 (E VA L EITZKE -U NGERER ) ................................................................ 137 Martina N IED C URCIO , Peggy K ATELHÖN , Ivana B AŠIĆ (Hrsg.): Sprachmittlung - Meditation - Mediazione linguistica. Ein deutsch-italienischer Dialog. Berlin: Frank & Timme 2015 (A NDREA R ÖSSLER ) ....................................................................................................... 140 Jenny J AKISCH : Mehrsprachigkeit und Englischunterricht. Fachdidaktische Perspektiven, schulpraktische Sichtweisen. Frankfurt/ M.: Lang 2015 (F RANZ -J OSEPH M EIßNER ) ................ 142 Meike S TROHN : Binnendifferenzierung im Englischunterricht. Die Lehrerperspektive. Bochum/ Freiburg: projektverlag 2015 (M ATTHIAS T RAUTMANN ) ............................................. 145 Inf orm a ti o n e n • Vo r s c h a u 148 45 (2016) • Heft 2 © 2016 Narr Francke Attempto Verlag C LAUDIA R IEMER , K ATHRIN W ILD * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Die Erforschung des individuellen Lernerfaktors Motivation spielt in der internationalen Fremdsprachenforschung eine bedeutende Rolle für die Entwicklung von Fremdsprachenerwerbs-/ -lerntheorien, die unterschiedlichen Lernerfolg erklären wollen. Solche Erklärungsansätze sind von hoher Relevanz für die Didaktik/ Methodik des Fremdsprachenunterrichts, da Motivation ein (auch) von lernerexternen Einflüssen, also von unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Faktoren abhängiger - damit auch positiv (wie negativ) zu beeinflussender - Faktor ist. Dieser Punkt ist bedeutsam, da der andere big factor des Fremdsprachenlernens, die Sprachlerneignung (language aptitude), weitgehend unabhängig von äußeren Einflussmöglichkeiten ist. Bei der L2-Motivation handelt es sich um einen affektiven Lernerfaktor, der sich aus verschiedenen, sich überlappenden, komplementären Komponenten, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen, zusammensetzt. Beeinflusst wird die L2-Motivation durch die Biographie und Persönlichkeit eines Lernenden sowie durch dessen Einstellungen und Orientierungen gegenüber der/ den zu erlernenden Sprache/ n und der dazugehörigen Kultur/ en, die Lernumgebung und das sozio-kulturelle Milieu. Motivation kann unterschiedlicher Natur sein, sich über Zeit und Raum verändern und dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein (vgl. R IEMER 2010). Aus mehr als 50 Jahren intensiver empirischer Erforschung des Faktors Motivation in der internationalen Fremdsprachenerwerbsforschung und -didaktik sind vielfältige Ansätze und Konzepte hervorgegangen. Das Spektrum reicht dabei von sozial-psychologischen über pädagogisch-psychologische und kognitive bis hin zu prozessorientierten Ansätzen. Dabei werden psychologische und spracherwerbstheoretische Konzepte miteinander verknüpft. Jahrzehntelang wurde im Zusammenhang mit dem sog. socio-educational model (vgl. resümierend G ARDNER 2010) das Konzept der integrativen Motivation intensiv erforscht, die aus einem starken Interesse für die zu erlernende * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Claudia R IEMER , Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Universitätsstr. 25, 33615 B IELEFELD . E-Mail: claudia.riemer@uni-bielefeld.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lernforschung/ Zweitsprachenerwerbsforschung (mit Schwerpunkt auf individuellen Lernprozessen), Forschungsmethodologie in der empirischen Fremdsprachenforschung. Dr. Kathrin W ILD , Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Universitätsstr. 25, 33615 B IELEFELD . E-Mail: kathrin.wild@uni-bielefeld.de Arbeitsbereiche: Aussprache, frühes Fremdsprachenlernen, Mehrsprachigkeit. L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven 4 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 Sprache und Kultur sowie der Neigung besteht, Teil der Zielsprachenkultur zu werden. Das für die Mehrzahl der in diesem Themenheft versammelten Beiträge relevante Konstrukt der sog. instrumentellen Motivation, die stärker auf die Nützlichkeit der zu erlernenden Sprache zielt, wurde eher als Nebenprodukt des sozio-psychologischen Ansatzes behandelt. Inzwischen tritt das Konzept der integrativen Motivation immer mehr in den Hintergrund bzw. wird von anderen Konzepten abgelöst. Ein zentraler Grund dafür ist, dass die Relevanz der integrativen Orientierung (integrativeness) bzw. der integrativen Motivation vornehmlich in Kontexten ermittelt wurde, die durch ein besonderes Zweisprachigkeitsmilieu geprägt sind (z.B. das frankophone Kanada). Integrativität in Bezug auf eine bestimmte Zielkultur wird daher eher im Zusammenhang mit dem Zweitspracherwerb, aber weniger für das Fremdsprachenlernen unterstellt (vgl. D ÖRNYEI 1990). Mit entsprechenden Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass insbesondere für das Englischlernen in Zeiten der Globalisierung weniger der direkte zielkulturelle Bezug von Bedeutung ist, sondern generelle und auch instrumentelle Orientierungen überwiegen (vgl. exemplarisch L AMB 2004 für Indonesien). Gerade für das Fremdsprachenlernen in Ländern, in denen die Zielsprache außerhalb des Unterrichts wenig(er) präsent ist, wurde deutlich, dass sich die L2-Motivation aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt, wobei ein ausgeprägtes Interesse für das Zielsprachenland ein zwar wichtiger, aber nicht allein ausschlaggebender Faktor ist (vgl. exemplarisch D ÖRNYEI 2009). Parallel zu dieser Entwicklung wurden verstärkt Theorien und Konzepte der Pädagogischen Psychologie in die L2-Motivationsforschung integriert (vgl. D ÖRNYEI / S CHMIDT 2001), darunter sind die Adaption der Selbstbestimmungstheorie auf der Basis von D ECI und R YAN (1985; vgl. insbesondere N OELS et al. in diesem Themenheft) und der Attributionstheorie nach W EINER (1986; vgl. exemplarisch W ILLIAMS / B URDEN / A L -B AHARNA 2001) hervorzuheben. Seit ca. 20 Jahren wird der Zusammenhang von L2-Erwerb, Motivation und der Identitätsentwicklung und -entfaltung der Lernenden in ihrem sozio-kulturellen Milieu betont. Hier sind soziolinguistische Forschungen innerhalb des socio-cultural approach zu benennen, die sich insbesondere für den Zweitspracherwerb im Rahmen von Migrationsbiographien interessieren (vgl. exemplarisch N ORTON 1995, 2013). L2-Motivation wird dabei als investment der lernenden Person konzeptualisiert. Diese Ansätze finden aktuell in der deutschen DaZ-Forschung großen Nachhall (vgl. exemplarisch O HM 2004; P IETZUCH 2015). Bezüglich des Fremdsprachenlernens findet in jüngerer Zeit D ÖRNYEI s Theorie des L2 Motivational Self System (L2MSS) besondere Beachtung, das auf der psychologischen Theorie der Possible Selves von M ARKUS und N URIUS (1986) aufbaut, dabei aber systematisch an die bisherige L2-Motivationsforschung anknüpft (vgl. D ÖRNYEI 2009; D ÖRNYEI / U SHIODA 2009; C SIZÉR / M AGID 2014). Dem L2MSS zufolge spiegeln sich mit der L2 verbundene Identitätsprozesse im optimalen Fall in der Ambition von L2-Lernenden wider, die L2 als Teil eines angestrebten (Ideal L2 Self) oder sozial erwünschten Selbstkonzepts (Ought-to L2 Self ) beherrschen zu wollen und damit Mitglied einer Gruppe zu werden, die über diese Sprache als Kommunikationsmittel (und dabei nicht zwangsläufig als L1) verfügt. Hieraus würden insbesondere dann eine ausgeprägte L2-Motivation und Lernanstrengungen resultieren, wenn Ler- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 45 (2016) • Heft 2 nende Diskrepanzen zwischen ihrem aktuellen und angestrebten Selbstkonzept wahrnehmen. Ob dieser theoretische Ansatz etwas grundsätzlich Neues darstellt, ist durchaus (noch) umstritten: M AC I NTYRE / M AC K INNON / C LÉMENT (2009) machen darauf aufmerksam, dass Possible Selves und Integrativität sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sehen beide Konzepte als komplementär zueinander an, die das gleiche Phänomen betreffen. D ÖRNYEI (2009) selbst weist auf eine Nähe zwischen dem L2MSS und den Hauptkonzepten des socio-educational model hin, was wiederum von G ARDNER (2010: 222-226) zurückgewiesen wird. U SHIODA und D ÖRNYEI (2009) führen aus, dass Identifikation und ethnolinguistische Identität, die immer auch sozial konstruiert werden, schon jeher Teil des integrativen Konzepts waren. Jedoch bezweifeln sie, dass es im Lichte des sich ändernden Englischlernens, nämlich dem Frühbeginn und dem Ansehen der Beherrschung des Englischen als universaler Grundfertigkeit, noch sinnvoll ist, von integrativen Orientierungen zu sprechen. Auf der Basis der Ergebnisse einer groß angelegten longitudinalen Untersuchung von 1993 bis 2004 in Ungarn (vgl. D ÖRNYEI / C SIZÉR / N ÉMETH 2006) vermuten U SHIODA und D ÖRNYEI (2009: 3), dass Identifizierung besser als internaler Prozess von Identifikation mit dem Selbstkonzept als mit einer fremden Referenzgruppe gesehen werden sollte. Das Ideal L2 Self und das Ought-to L2 Self nimmt das Autorenteam als mächtige Motivatoren für das Erlernen von Fremdsprachen an. In aktuellen Publikationen werden vielfältige Forschungsdesiderata formuliert. Diese reichen von der Berücksichtigung dynamischer und temporärer Aspekte, über Identität(en), gesellschaftliche Kontexte, interkulturelle Variationen, verschiedene Gesichtspunkte der Selbstregulierung und Sprachlernerfahrung (vgl. H ENRY 2015; M AGID / C SIZÉR 2014; U SHIODA / D ÖRNYEI 2009) bis hin zu allgemeinen kontextuellen Faktoren. Es interessiert ferner die Interaktion von Motivation mit Kognition, Affekt und Kontext (vgl. W ANINGE 2015) sowie Instruktionen und interaktionale Praktiken von Lehrkräften, die zur Ausformung von Motivationsprozessen im Fremdsprachenunterricht beitragen (vgl. U SHIODA 2013b). Diese neueren Entwicklungen führen auch zum Überdenken von methodischen Vorgehensweisen in empirischen Untersuchungen in diesem Forschungsbereich, der jahrzehntelang - möglicherweise auch aufgrund seiner disziplinären Verortung vorrangig in der Psychologie und SLA - maßgeblich durch psychometrische Forschungsansätze und Fragebogen-Designs geprägt war. Wichtige Impulse liefert dabei die Frage nach der Operationalisierung von dynamischen Konzepten und Possible Selves (vgl. M AC I NTYRE / D ÖRNYEI / H ENRY 2015; M AC I NTYRE / M ACKINNON / C LÉMENT 2009). So geht der Trend langsam in Richtung qualitativer Forschungsansätze sowie mixedmethods-Ansätzen, in denen neben quantitativen Fragebogendaten auch Interview-, Feldbeobachtungsdaten und experimentelle Daten kombiniert werden. Solchen Ansätzen, insbesondere wenn sie longitudinal angelegt sind, werden Vorteile bei der Untersuchung komplexer und dynamischer Motivationsprozesse bescheinigt. Der sog. narrative turn in den SLA und Applied Linguistics (vgl. B ARKHUISEN / B ENSON / C HIK 2014; P AVLENKO 2007) unterstützt diese Neuorientierung. Noch sind qualitative Forschungs- 6 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 arbeiten in der L2-Motivationsforschung allerdings deutlich in der Minderheit (vgl. B OO / D ÖRNYEI / R YAN 2015). Die Mehrheit der vorhandenen Forschungsarbeiten zum Faktor L2-Motivation bezieht sich vorrangig auf die L2 Englisch (ESL und EFL). Zentrale Ansätze wie die oben genannten wurden in Forschungsdesigns mit Untersuchungsteilnehmern mit Englisch als L2 entwickelt. So kommt eine jüngst publizierte Meta-Studie zu dem Resultat, dass sich knapp 73 % der Arbeiten der L2-Motivationsforschung auf die L2 Englisch beziehen (ebd.: 151). Regionenspezifische Aspekte des Sprachenlernens werden bis dato nur selten systematisch und vergleichend in den Blick genommen. Erst in jüngerer Zeit werden angesichts der gewachsenen Bedeutung des Englischen als internationaler lingua franca häufiger Fragen nach der regionalen Kontextgebundenheit des Englischlernens und den Verquickungen schulischer und außerschulischer Ziele des Englischlernens sowie nach den damit verbundenen Auswirkungen auf die Sprachlernmotivation gestellt. Eine Auswahl vielfältiger Berichte über das Englischlernen in unterschiedlichen Ländern liefert U SHIODA (2013a). Motive, die direkt mit den mit der Zielsprache Englisch repräsentierten Zielkultur(en) (z.B. Großbritannien, USA) verbunden sind, rücken in diesen Untersuchungen spürbar in den Hintergrund. Deutlich wird in solchen Forschungsbeiträgen die Tendenz, dass Englisch in vielen Ländern der Welt zunehmend alltäglicher Teil von sozialen Kontakten, Medien, Bildung etc. geworden ist bzw. dabei ist zu werden, woraus anders profilierte Erwartungen an den Fremdsprachenunterricht entstehen: Lernende wollen ihre aktuellen und langfristigen Ziele und außerunterrichtlichen Sprachgebrauchsmöglichkeiten in der Unterrichtsrealität wiederfinden, was herkömmlichen Englischunterricht in vielen Regionen vor ganz neue, auch motivationale Herausforderungen stellt (vgl. zusammenfassend U SHIODA 2013b). Der Umfang der Forschungen zu anderen Fremdsprachen - soweit er international sichtbar ist und wahrgenommen wird - ist deutlich schmaler. Der internationale Forschungsdiskurs hat bislang die Genese und Bedeutung von Motiven und Motivation für das Erlernen spezifischer Fremdsprachen, die nicht als allgemeine internationale Sprache (also Englisch) oder aufgrund spezifischer regionaler Bedingungen (z.B. Englisch und Französisch im frankophonen Kanada) gelernt werden, deutlich weniger in den Blick genommen. Daher erscheint es uns gerechtfertigt, exemplarisch eine andere Fremdsprache in das Zentrum der hier versammelten Beiträge zu stellen: Das vorliegende Themenheft fokussiert vornehmlich auf das Lernen des Deutschen als Fremdsprache in unterschiedlichen inner- und außereuropäischen Ländern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass sich mit Blick auf die steigende Globalisierung, die Umgestaltung Europas, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen, politische und ökonomische Migration und der damit einhergehenden Forderung nach Mehrsprachigkeit heutzutage zahlreiche Fragen zur Relevanz von L2-Motivation(en) und der Variablen, die Motivation für das Erlernen von Zweit- und Fremdsprachen bedingen, in neuer Gestalt stellen. Im Zeichen von Mehrsprachigkeit steht nicht mehr nur das Englische im Vordergrund, sondern es werden - auch bildungspolitisch begründet - vermehrt weitere Sprachen gelernt und Herkunftssprachen gepflegt. Deshalb sucht das Themenheft Antworten auf Fragen wie die folgenden: Lassen sich Konzepte und Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 45 (2016) • Heft 2 Ansätze zur L2-Motivation, die vorrangig für die L2 Englisch entwickelt wurden und Geltung für sich in Anspruch nehmen können, auch auf andere Fremdsprachen mit verschiedener regionaler und herkunftsbezogener Bedeutung sowie in Hinblick auf unterschiedliche Ziele übertragen? Inwieweit lassen sich diese auf die Fremdsprache Deutsch im inner- und außereuropäischen Kontext beziehen? Welche Bedeutung haben dabei die Region, in der Deutsch gelernt wird, und ihre geographische Nähe zu deutschsprachigen Ländern? Welche Rolle spielt die Kultur, in der gelernt wird, und welche Rolle der Kulturraum der Zielsprache? Im Zuge des immer früher einsetzenden Fremdsprachenunterrichts und gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der gelernten Fremdsprachen muss auch gefragt werden: Welche bildungs- und sprachenpolitischen Rahmenbedingungen, von denen u.a. der Umfang und die Anzahl der unterrichteten Fremdsprachen an Schulen abhängt, spielen eine Rolle? Wie hängen diese zusammen mit der individuellen L2-Motivation bei Lernenden? Nicht zuletzt wird die Frage aufgeworfen, inwieweit der fremdsprachliche Unterricht solche Entwicklungen in den unterschiedlichen Sprachen und Ländern aufgreift bzw. aufgreifen sollte. Den Auftakt zum vorliegenden Themenheft gestalten N OELS / L OU / C HAFFEE / D INCER mit einem theoriebasierten Beitrag zu „ Self-Determination, Engagement, and Identity in Learning German: Developments in the Psychology of Language Learning Motivation“. Das Autorenteam nähert sich der Motivation zum Deutschlernen aus psychologischer Richtung; dem komplexen Phänomen des Sprachenlernens legen sie die Selbstbestimmungstheorie zugrunde - dies ganz in der Weiterführung der Forschungsarbeiten von Kimberly N OELS , die die Hauptvertreterin der Integration der Selbstbestimmungstheorie in die L2-Motivationsforschung war (vgl. exemplarisch N OELS 2001) und nach wie vor ist. Neben der klassischen Gruppe der Fremdsprachenlernenden nimmt der Beitrag auch Herkunftssprachenlernende (heritage language learners), die u.a. aus Gründen der in einer länger zurückliegenden Migrationsgeschichte begründeten Familientradition die deutsche Sprache lernen, in den Blick. Gleichzeitigt gibt er einen Überblick über aktuelle Theorieentwicklungen in der L2-Motivationsforschung und berichtet über neuere Forschungsergebnisse. Dabei werden Selbstkonzepte, die Rolle des Engagements ebenso wie Einflüsse auf das Engagement von Fremdsprachenlernenden, kontextuelle Faktoren sowie neure Ansätze der SLA zu komplexen dynamischen Systemen (vgl. D ÖRNYEI / M AC I NTYRE / H ENRY 2015) und jüngere Entwicklungen wie die Positive Psychology (vgl. M AC I NTYRE / G REGERSEN / M ERCER 2016) näher beleuchtet. Mit dem Aufzeigen unterschiedlicher Forschungsperspektiven in den Bereichen Individualität, interpersonelle Beziehungen, gesellschaftliche und kulturelle Dynamiken öffnet der Aufsatz auch den Blick auf die weiteren Forschungsberichte in diesem Themenheft. Die weiteren Beiträge des Themenhefts liefern auf der Basis unterschiedlicher empirischer Untersuchungen Einblicke in die sprachspezifischen Besonderheiten der Motive und Motivation(en) zum Deutschlernen in unterschiedlichen Regionen und Ländern, wobei auch die Rolle anderer gelernter Fremdsprachen in einigen Beiträgen mit in den Blick genommen wird. An den länderübergreifenden Überblick R IEMER s 8 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 schließen sich Beiträge zu Motivationsstudien an, die in den Ländern Iran (M ALEKI ), Australien (S CHMIDT ), Polen (M ACKIEWICZ ), den USA (M ACKIEWICZ ) und China (L I ) durchgeführt wurden. Es werden Länder- und Sprachenvergleiche gezogen und auch aktuelle Entwicklungen, die durch Politik und Gesellschaft geprägt sind, berücksichtigt. Als Grundlage der empirischen Studien dienen dabei vornehmlich Daten, die durch Befragungen (standardisierte Fragebögen, qualitative Interviews, schriftliche Sprachlernbiographien) erhoben wurden. Somit stellt das Themenheft Untersuchungen sowohl aus dem quantitativen als auch qualitativen Forschungsparadigma vor. Das grundsätzliche forschungsmethodische Problem, dass Motivation nicht auf einfache Weise zu messen oder reinen Beobachtungsverfahren zugänglich ist, spiegelt sich in den Beiträgen in der Verwendung von self report-Daten der Lernenden wider, die prinzipiell Einschränkungen hinsichtlich möglicher Befragungsfehler und der Ausdruckmöglichkeiten der Befragten unterliegen, folglich immer nur eine Annäherung an den Forschungsgegenstand sein können. R IEMER berichtet in ihrem Beitrag „L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache - länderspezifische und länderübergreifende Einsichten“ über eine Langzeitstudie, für die vorrangig mittels schriftlicher Sprachlernbiographien qualitative Daten von (inzwischen) knapp 1.200 DaF-Lernenden aus 20 unterschiedlichen Ländern erhoben wurden. Auf der Basis von Datenanalysen, die an den Forschungsstil der Grounded Theory angelehnt sind, werden zentrale länderübergreifende Motivationstendenzen von DaF-Lernenden ermittelt, die darauf hindeuten, dass insbesondere positive Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, instrumentelle Motive, aber auch der Status der „besonderen“ Sprache Deutsch zur Wahl und zum motivierten (Weiter-) Lernen der Sprache entscheidend beitragen. Kontrastiv werden Daten von befragten Lernenden aus Pilotstudien herangezogen, die sich gegen das Lernen der deutschen Sprache entschieden haben. Die im Rahmen der Studie ermittelten Ergebnisse werden mit Informationen über die DaF-Lernendenzahlen in den Ländern und dem internationalen Forschungsstand abgeglichen. Zur Motivation zum Englischlernen im iranischen Kontext existiert bereits eine Vielzahl von Studien; für DaF stellt dies noch eine Forschungslücke dar. Zur Motivation zum DaF-Lernen im Iran präsentiert M ALEKI mit seinem Beitrag „L2-Motivation und ‚Possible Selves‘ - Ein vergleichender Blick in die Motivationsprofile von iranischen Deutsch- und Englischlernenden“ erstmalig eine (sich noch im Forschungsprozess befindliche) Studie. In seinem hier im Themenheft abgedruckten Beitrag vergleicht er eigene Untersuchungsergebnisse mit solchen für das Englischlernen im Iran. Diese wurden v.a. von P API auf der Grundlage von quantitativ erhobenen und ausgewerteten Daten ermittelt. Dabei legt M ALEKI die Theorie des L2 Motivational Self System zugrunde. Der Beitrag kommt zum Ergebnis, dass die Ausprägung des L2MSS sich bei beiden Zielgruppen ähnelt und die soziokulturelle Umgebung einen entscheidenden Einfluss auf die Motivation, Deutsch oder Englisch zu lernen, ausübt. Der Autor schlägt vor, den Begriff Integrativeness im iranischen DaF-Kontext durch den Begriff der idealisierten Selbstvorstellungen (Ideal L2 Self) in und mit der deutschen Sprache zu ersetzen. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 45 (2016) • Heft 2 Der Beitrag von S CHMIDT „Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land: das Beispiel Australien“ thematisiert den steigenden Stellenwert von Fremdsprachen in Australien. Da bereits quantitative Daten zur australischen Motivationsforschung vorliegen und vermutet wird, dass das L2 Motivational Self System sich auch auf Sprachen und Kulturen bezieht, deren geographische Verortung weit entfernt liegt, verfolgt die Autorin das Ziel, mit einer qualitativen Interviewstudie mit 16 Deutschlernenden die in früheren Studien gewonnenen Forschungsergebnisse zu vertiefen. Es lassen sich ihren Analysen zufolge drei Hauptmotivgruppen bei den von ihr befragten Studierenden ausmachen: 1. Englisch allein wird als nicht mehr ausreichend erachtet, 2. Affinität zu deutscher und europäischer Kultur, 3. identitätsbezogene Motive. S CHMIDT leitet aus diesen Ergebnissen ab, dass im australischen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen die Zielsprache in Verbindung mit kulturellen Inhalten angeboten werden sollte. M ACKIEWICZ diskutiert in „Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA“, inwieweit sich Motivationen zum Deutschlernen in den zwei genannten Ländern voneinander unterscheiden bzw. gleichen. Als Datengrundlage der quantitativen Studie dienen Fragebögen, die von 1.009 Deutschlernenden an elf polnischen Hochschulen sowie 671 Deutschlernenden an zwölf US-amerikanischen Hochschulen erhoben wurden. Die zentralen Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass bei polnischen Lernenden eher eine instrumentelle Motivation dominiert und die von ihm so benannte „interkulturelle Motivation“ nur durchschnittlich zum Tragen kommt, während sich bei DaF-Lernenden in den USA neben einer instrumentellen vor allem die interkulturelle Motivation als besonders wichtig erweist. Hingegen spielen extrinsische Motive im polnischen Kontext eine größere Rolle als in den USA. Ähnlich wie S CHMIDT stellt M ACKIEWICZ fest, dass die geographische Nähe zu Deutschland eine untergeordnete Rolle bei interkulturellen Motiven spielt. Der Beitrag von L I zur „Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China“ beschäftigt sich mit der Entwicklung von Motivationsstrukturen von Studierenden an der Zheijiang University in Hangzhou, die Deutsch als zweite Fremdsprache studienbegleitend neben dem Fachstudium lernen. Anhand von zwei quantitativen Studien werden Motivationsveränderungen während einer Zeitspanne von zwölf Jahren nachvollzogen. Dazu wurden im Jahr 2003 85 Studierende und im Jahr 2015 107 Untersuchungsteilnehmer befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Motive ,Studium in Deutschland‘ und ,bessere Berufschancen‘ weniger bedeutsam geworden sind, während ,Interesse an Deutschland‘ einen Aufschwung erlebt. Neu hinzugekommene Motive zum DaF-Lernen sind der Studie zufolge ,Selbstherausforderung‘ und ,Wunsch nach einer andersartigen Sprache‘; des Weiteren sind ,Deutschvorkenntnisse in Schulen‘ von Vorteil für die Wahl des Deutschunterrichts. L I geht davon aus, dass die sich wandelnden Motive und Motivationen für das Deutschlernen nicht nur auf ökonomische Gründe, sondern auch auf die erstarkten bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie die bildungspolitischen Rahmenbedingungen beider Länder und die Bildungskooperationen zwischen chinesischen und deutschen 10 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 Hochschulen zurückzuführen sind. Eine Rolle spielt außerdem das Ansehen der Zielsprache und des Zielsprachenlandes. Die Beiträge des Themenhefts können zu einer den internationalen Forschungsdiskurs um die L2-Motivation bereichernden Diskussion beitragen: Viele Aspekte, die mit Blick auf eine andere Bezugssprache (meistens Englisch) ermittelt wurden, treffen auch für das Erlernen anderer Sprachen (hier: Deutsch) zu. Die Beiträge unterstreichen aber auch die sprachspezifischen Besonderheiten von Motivation zum Erlernen von Sprachen, die eng mit bildungs- und sprachenpolitischen Entwicklungen, aber auch mit dem Image von Zielsprachen und Zielkulturen in den Regionen zusammenhängen. Anzuregen sind konsequent vergleichende Studien, die das Lernen unterschiedlicher Fremdsprachen im selben regionalen Kontext untersuchen, um auf diese Weise die auf die jeweilige Sprache bezogenen und die allgemeinen sprachen- und bildungspolitischen Aspekte genauer zu erfassen - und damit auch zu einer Motivationsforschung beitragen, die das Lernen von Sprachen im Kontext der Entwicklung von Mehrsprachigkeitsprofilen der Lernenden in den Blick nimmt. Literatur B ARKHUISEN , Gary / B ENSON , Phil / C HIK , Alice (2014): Narrative Inquiry in Language Teaching and Learning Research. New York/ London: Routlegde. B OO , Zann / D ÖRNYEI , Zoltán / R YAN , Stephen (2015): „L2 motivation research 2005-2014: Understanding a publication surge and a changing landscape“. In: System 55, 145-157. C SIZÉR , Kata / M AGID , Michael (Hrsg.) (2014): The Impact of Self-Concept on Language Learning. Bristol [etc.]: Multilingual Matters. D ECI , Edward L. / R YAN , Richard M. (1985): Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior. New York: Plenum Press. D ÖRNYEI , Zoltán (1990): „Conceptualizing motivation in foreign-language learning“. In: Language Learning 40, 45-78. D ÖRNYEI , Zoltán (2009): „The L2 Motivational Self System“. In: D ÖRNYEI / U SHIODA (Hrsg.), 9-42. D ÖRNYEI , Zoltán / C SIZÉR , Kata / N ÉMETH , Nóra (2006): Motivation, Language Attitudes and Globalisation: A Hungarian Perspective. Clevedon: Multilingual Matters. D ÖRNYEI , Zoltán / M AC I NTYRE , Peter / H ENRY , Alastair (Hrsg.) (2015): Motivational Dynamics in Language Learning. Bristol [etc.]: Multilingual Matters. 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(2016): Positive Psychology in SLA. Bristol [etc.]: Multilingual Matters. M AC I NTYRE , Peter D. / M ACKINNON , Sean P. / C LÉMENT , Richard (2009): „The baby, the bathwater, and the future of language learning motivation research“. In: D ÖRNYEI / U SHIODA (Hrsg.), 43-65. M AGID , Michael / C SIZÉR , Kata (2014): „The self-concept and language learning: Future research directions“. In: C SIZÉR / M AGID (Hrsg.), 403-407. M ARKUS , Hazel / N URIUS , Paula (1986): „Possible selves“. In: American Psychologist 41, 954-969. N OELS , Kimberly A. (2001): „New orientations in language learning motivation: Towards a model of intrinsic, extrinsic, and integrative orientations and motivation“. In: D ÖRNYEI / S CHMIDT (Hrsg.), 43-68. N ORTON , Bonny (1995): „Social identity, investment, and language learning“. In: TESOL Quarterly 29, 9-31. N ORTON , Bonny (2013): Identity and Language Learning. Extending the Conversation. 2 nd Edition. Bristol [etc.]: Multilingual Matters. 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Drawing from Self-Determination Theory and diverse theories of language learning motivation, we present a framework that (1) represents a range of orientations that students may take towards learning German, and (2) explains how these orientations are connected to language learning engagement and diverse linguistic and non-linguistic outcomes. We maintain that students who invest in learning because it is meaningful to them personally (that is, those who have a self-determined orientation) are more likely to actively engage with the language academically and with its associated community, and in turn they are more likely to become communicatively and culturally competent. We further claim that a self-determined orientation can be fostered in a social environment that is responsive to learners’ need to be active, competent agents who have mutually satisfying relationships with others. We conclude with some alternative avenues of study that would complement the research done to date. I would not rob you of your food or your clothes or your umbrella, but if I caught your German out, I would take it. But I don’t study anymore, - I have given it up. M ARK T WAIN , Letter to Bayard Taylor * Addresses for correspondence: Prof. Kimberly A. N OELS Ph.D., P350 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, Department of Psychology, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: knoels@ualberta.ca Research areas: Intercultural communication; language learning motivation; cultural psychology. Kathryn C HAFFEE , PhD candidate in Psychology, P359 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: kathryn.chaffee@ualberta.ca Research areas: Gender and language learning; motivation; cultural psychology Nigel Mantou L OU , PhD candidate in Psychology, P357 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: mantou@ualberta.ca Research areas: Language motivation; social psychology; cultural psychology Ali D INCER Ph.D., Assistant Professor and Head of the Department of Foreign Languages, Department of English Language Teaching, Faculty of Education, Erzincan University, E RZINCAN , Turkey. E-Mail: adincer@erzincan.edu.tr Research areas: Foreign language learning; language teaching; motivation Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German 13 45 (2016) • Heft 2 1. Introduction Learning another language can be an arduous, time-consuming process, that for even the linguistically astute like Twain, ultimately ends in frustrated abandonment. In contrast, others find the process thrilling, both for the stimulation provided by the language and the process of mastering it and/ or because of the cultural opportunities that this communicative tool affords. Understanding these extreme motivational positions and the myriad of experiences between and developing ways for teachers and students to arrive at more successful outcomes has occupied researchers for many decades. The purpose of this paper is to describe some of the contemporary research that facilitates the achievement of this goal, with a particular emphasis on one theory, Self- Determination Theory (SDT) (D ECI / R YAN 1985, 2011), which we think provides a particularly simple, useful, comprehensive tool for examining the socio-cultural and psychological dynamics involved in learning a new language. To this end, we outline the theory and present a model to represent a range of orientations that students may take towards learning a language. We argue that students who invest in learning because it is meaningful to them personally (that is, those who have a self-determined orientation) are more likely to actively engage with the language and its associated community and in turn they are more likely to become communicatively and culturally competent. We also claim that a self-determined orientation can be fostered in a social environment that is responsive to learners’ need to be active, competent agents who have mutually satisfying relationships with others. Throughout this discussion, we exemplify these developments where possible with reference to scholarship on the learning of German as a heritage and as a foreign language. 2. The Self Perhaps the most prominent theme in contemporary research on motivation in language learning is that of self and identity (C SIZÉR / M AGID 2014; D ÖRNYEI / U SHIODA 2009; M ERCER 2011). This guiding concept was anticipated in early work on motivation, as many of the foundational scholars maintained that there was a close relation between the acquisition of a language and the acquisition of a culture, and particularly an ethnolinguistic identity (N OELS / G ILES 2009). More specifically a person’s identity as a member of an ethnolinguistic group and the perceived intergroup relations between one’s own group and other groups could be at least as important for understanding social behavior as inter-individual differences in personality and the interpersonal dynamics of relationships with others from the same ethnolinguistic background, such as teachers and family members. The Socio-Educational Model. Among the most influential social psychological frameworks for understanding language learning to derive from this school was Robert G ARDNER ’s socio-educational model (G ARDNER 2010). This model included the notion of an integrative orientation, defined as the desire to learn another language in order to , 14 Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 45 (2016) • Heft 2 interact with and potentially identify with members of that language community. With considerable consistency, G ARDNER and his colleagues’ research shows that an integrative orientation and positive attitudes towards the target language (TL) community are associated with more positive attitudes towards language learning, greater motivational intensity, and proficiency (G ARDNER 2010, for review). Early research with German language learners indicated that integrative reasons are commonly endorsed (B AUSENHART 1984; P ROKOP 1974, 1975). For German heritage language (HL) learners, the belief that the language has instrumental purposes in daily life complements the integrative orientation (B AUSENHART 1971). In a similar vein, N OELS and C LÉMENT (1989) found that an identity/ influence orientation differentiated heritage from foreign language learners of German. That is to say that HL learners expressed a greater desire to identify with and make friends with German-speaking Canadians; participate in, contribute to, and have an influence over the German community; and they wished to pursue in a career in which German figured prominently. These orientations were associated with the intensity of effort that the student put into learning German, which in turn was linked with achievement in the German course. Self-Determination Theory (SDT). In recent years, the conceptualization of the self’s role in language learning has been informed by other theories from diverse areas of psychology and sociology (D ÖRNYEI / U SHIODA 2009; M ERCER 2011; C SIZER / M AGID 2014 for overviews). One theoretical framework that we find useful, SDT (D ECI / R YAN 1985: 2011), derives from humanistic psychology and its more recent incarnation in positive psychology (S ELIGMAN / C SIKSZENTMIHALYI 2014). A central assumption of humanism is that human beings have the potential to flourish while living full, authentic lives provided that certain innate psychological needs are satisfied. According to SDT, these include (1) the need for competence, which refers to the sense that one can effectively engage with the physical and social environment and meet challenges it poses; (2) the need for relatedness, that is, caring about and feel cared for by significant others; and (3) the need for autonomy, or a sense of volitional agency and psychological freedom when carrying out an activity. The fulfillment of these needs is postulated to be relevant to two forms of motivation. Intrinsic motivation refers to engagement in an activity because the person finds the activity to be inherently stimulating and enjoyable and it contributes to a sense of mastery. Of course, not all people feel such a passion for language, but nonetheless must pursue an advanced level of proficiency in another language for other reasons. Distinct from an intrinsic interest in the activity is the realm of extrinsic motivation, which represents a range of more or less self-determined reasons, that is, reasons relating to control by people or circumstances outside of the person versus reasons that reflect the person’s voluntary choice to engage in something that is personally meaningful. At the least self-determined extreme, some people engage in language study because situational pressures or enticements require it, such as a course requirement or a parental decision (termed “external regulation”). At the most self-determined extreme, people do it because it is an integral part of who they are, and engaging in the activity is an expression of their sense of self (termed “integrated regulation”). Between 15 45 (2016) • Heft 2 these two extremes lies a continuum of self-determination, along which we can differentiate at least two other forms of regulation, including motivated actions based on a sense of obligation (termed “introjected regulation”) and those sustained by the belief that the activity helps the person to achieve a goal that s/ he has identified as being personally meaningful (termed “identified regulation”). The forms of regulation outlined by SDT can usefully describe and differentiate the motivational orientations of subgroups of German language learners. Research comparing heritage and non-heritage learners of German shows that both heritage and nonheritage learners strongly endorse the position that they are learning German because they found it inherently interesting and enjoyable and to a somewhat lesser extent because of external pressures, such as meeting a course requirement (N OELS 2005). Although both groups indicated they were learning the language because it was personally meaningful, the HL learners more strongly endorsed this orientation. This finding that German was more internalized into the HL learners’ self-concept was corroborated by the fact that they also indicated stronger German identification and integrative orientation. These orientations were also related to stronger feelings of autonomy, competence and relatedness, which in turn were associated with perceptions of teachers and family members supporting these three needs in learners (N OELS / S TEPHAN / S AUMURE 2007). 3. Engagement, Resilience and Positive Psychology Whereas much of the foregoing discussion focused on the reasons why learners desire communicative competence in another language, an equally important question is how students go about the process of achieving that goal. Certainly these two questions are linked; as noted above, the reasons for learning the language orient the learners’ perspective on the process in ways that may or may not facilitate the achievement of that end. In educational psychology, there has been a good deal of interest in the notion of engagement as a framework for articulating the diverse affective, cognitive and behavioural processes that predict success in an academic program. In a general sense, engagement is the glue or the mediator that, combined with need satisfaction and motivational orientations, connects the dynamics of the social context and outcomes of interest (R ESCHLY / C HRISTENSON 2012). Although there is debate about the nature and number of types of engagement, there is a consensus that engagement includes multiple dimensions. As a starting point, we maintain that, with regards to language learning, we can differentiate at least two domains, including (1) academic engagement pertaining to learning and using the language in the classroom and (2) community engagement pertaining to learning and using the language in the TL community (i.e., outside the classroom; N OELS 2001). Of course, this distinction is not hard and fast: for example, teachers can represent the TL community in the classroom, and the TL community could include classmates. As well, other domains merit attention, such as family members for HL students. What is Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German , 16 45 (2016) • Heft 2 important is that language education is situated within at least two systems, including educational and ethnolinguistic communities and institutions, although the relative importance of these (and their interaction) will depend on the particular learning context. With this distinction in mind, we take R EEVE ’s (2013) conceptualization of engagement (which was articulated with reference to academic engagement), which differentiates four distinct but intercorrelated aspects: (1) behavioural engagement, which involves attention, effort and persistence in school-related activities; (2) emotional engagement, which includes positive and negative affect directed towards the language and related aspects (which is very similar to G ARDNER ’s (2010) notion of positive attitudes towards the learning situation); (3) cognitive engagement, which includes adopting self-regulated learning strategies in one’s own learning, applying what is learned to one’s personal experiences, etc; (4) agentic engagement (which distinguishes R EEVE ’s model from another influential model posited by S KINNER et al. 2009) which refers to intentional, active positive contributions to the learning process rather than just passively receiving and reacting to instruction. In other words, this component highlights the energized, agentic involvement in the process that might be critical for sustained success. As articulated in the heuristic model presented in Figure 1, engagement is the action component of motivation that mediates between the self (defined in terms of need satisfaction and self-determined orientation to the activity), on the one hand, and linguistic and sociocultural outcomes 1 , on the other hand (N OELS 2001, 2009). This motivational process is supported (or not) by the perceived responsiveness of the interpersonal context to the person’s psychological needs. The full motivational process is shaped by the socio-structural context within which learning takes place (including the opportunity for contact with a specific TL group and the relative status of the ethnolinguistic groups) as well as the socio-cultural dynamics that mutually constitute interpersonal relations, need fulfilment, orientations, engagement and outcomes. Students’ basic psychological needs (i.e. autonomy, competence and relatedness) may be more or less met by the interpersonal dynamics in the educational system (e.g., teachers and classmates) and, depending on the context, family members (especially in the case of HL learners) and members of the TL community in the case of those who have such an opportunity for interaction. 2 In turn, the degree of need satisfaction influences students’ orientation and engagement in language learning. Engagement is posited to be the most proximal 1 “Outcomes” is a widely used but unfortunate term because it implies that these linguistic and nonlinguistic sociocultural phenomena are static end-points rather than being multiply determined, changeable processes that have reciprocal influences on other aspects of this model. Thus the term “outcomes” is used only to expediently describe these phenomena as captured by this “snapshot” of an interactive, dynamic process. 2 In many multicultural contexts, there exist many opportunities for social interaction with members of other ethnolinguistic groups. However, in foreign language contexts such opportunities may be rare or the TL community may be ill-defined (e.g., English as a foreign language). In such cases, interpersonal interactions with TL speakers would be expected to have an impact on motivational processes to the extent that native or non-native speakers are available. Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 17 45 (2016) • Heft 2 predictor of academic (and in the language course, primarily linguistic) and sociocultural outcomes. Reciprocal relations are plausible, such that engagement not only influences outcomes, but engagement and outcomes (e.g., eventual proficiency, etc.) could also influence, for example, the way that significant others interact with students (and hence students’ perceptions of the significant others). As well, engagement and outcomes could have an impact on the learners’ self-perceptions and orientations. In an initial study of engagement in the language classroom, we measured engagement according to R EEVE ’s (2012) four-part typology (D INCER 2014). As hypothesised, students who perceived their language instructors as having an autonomy-supportive teaching style also reported greater autonomy, competence, and relatedness in their language course. Satisfaction of these basic psychological needs mediated the relation between the students’ perceptions of their teacher and all four types of classroom engagement (i.e., behavioural, emotional, cognitive, and agentic), and was an especially strong predictor of emotional and agentic engagement. In addition, L2 achievement was predicted by both emotional and agentic engagement, and cognitive engagement predicted absenteeism. Engaged language learners reported more positive feelings about the course, displayed high rates of satisfaction, and achieved more positive outcomes when they were educated in autonomy-supportive language classrooms. Taken together, these results suggest that a language learner who experiences himself as an agent in his learning would be a successful language learner. Fig. 1: Heuristic model of the motivational process (adapted from N OELS 2001) Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German , 18 45 (2016) • Heft 2 Engaging with the language is not the only strategy students can use to enjoy and stay motivated in their language courses. In addition to orienting outwards and engaging with the course agentically, students can also turn inwards and manage their own attitudes in order to increase their positive feelings towards the language class. One strategy for managing these attitudes is positive reappraisals, which involves efforts to look on the bright side and try to find meaning in language learning difficulties. According to C HAFFEE , N OELS and S UGITA M C E OWN (2014), positive reappraisals are a strategy students may use to feel agentic, increasing their feelings autonomy, competence, and relatedness without endeavoring to change anything about their class or their teacher. An agentically engaged student exercises agency by acting on and influencing the learning environment, contributing to the classroom and asking the teacher to accommodate his or her needs. Students who positively reappraise the situation are also exercising agency, but they are influencing their own attitudes and feelings towards the learning environment rather than the environment itself. Although there may be individual differences in the chronic tendency to use either of these engagement strategies, resilient learners likely use both strategies in situationally appropriate ways. One reason to explore more internally-focused methods by which student engagement and motivation can be fostered is that students may not always have opportunities to exercise agentic engagement, as might happen in settings where institutions or instructors are particularly demanding. In such situations, it may be especially important to exercise control over one’s own attitudes and interpretations of the learning environment. In a study of the interaction between students’ positive reappraisals and their perception of their instructor as either autonomy supportive or controlling, we found that although positive reappraisals tended to benefit all students, reappraising was especially helpful for students who saw their instructor as relatively controlling (ibid.). Specifically, students who did not reappraise had high language class anxiety and low energy towards their studies when their teacher was controlling, but not when the teacher was autonomy supportive. In contrast, students high in positive reappraisals had moderately low anxiety and high energy regardless of their perception of the teacher. Self-determination, agentic engagement and the resilience associated with positive reappraisals are only a few of the affirmative aspects associated with motivation that researchers interested in positive psychology have introduced to the field of language learning (M AC I NTYRE / M ERCER 2014; M AC I NTYRE / G REGERSEN / M ERCER 2016). A growing number of researchers have become interested in how positive character traits, emotions and institutions contribute to and in turn are affected by persons who come to flourish in their daily lives (S ELIGMAN / C ZIKZENTMIHALYI 2014). Such aspects are postulated to affect students by broadening the way a person experiences and adapts to the world and also by helping the person to establish the social and human capital necessary to thrive in the world (F REDRICKSON 2001). The evidence-based scholarship in this relatively nascent area emphasizes how constructs that are related to human flourishing, including mindfulness, hope, curiosity, passion, empathy, hardiness, flow, and gratitude, can foster positive experiences and ends, and suggests how teaching practice Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 19 45 (2016) • Heft 2 can address these aspects, often by incorporating techniques that emphasize physical exercises, music, laughter, and so on. 4. Returning to the Self and Identity The constructs studied by positive psychologists are only some potential ramifications of language education that go beyond linguistic proficiency. As noted earlier, since language learning can take place in the social world outside the classroom, issues such as willingness to communicate, language use, and identification with other ethnolinguistic groups, are also important dynamics to consider. In our discussion thus far, self and identity processes have been presented as important for orienting motivational processes that lead to the development of linguistic proficiency. But engaging in the process of learning and using another language can also affect a persons’ sense of self and identity. Identities are constructed through socio-communicative processes, such that when we acquire new language and communication capabilities, we acquire new tools to accomplish many socio-cognitive tasks, including the negotiation of new identities. Because ethnolinguistic identity is a relational construct, to understand a person’s ethnolinguistic identity we must consider their feelings of belonging to at least two reference groups, including the ancestral group and any other relevant reference group(s), which in the case of minority ethnolinguistic groups is often the majority group. These feelings depend upon aspect of the interpersonal interaction, and thus, they are situationally variable (C LÉMENT / N OELS 1992; N OELS / C LÉMENT 2015). Drawing from communication accommodation theory (G ILES / O GAY 2006) that highlights the proclivity of interlocutors to attune their speech usually in a complementary fashion (although contrastive identities may be evident under conditions of threat), we maintain that people tend to align their speech and identities with the people they encounter across different social situations. Since language learners are likely to have interactions with the TL community in the school (e.g., teachers) and possibly other more public contexts (especially where the vitality of the TL community is substantial), we might expect identification with that group to be strongest in those domains. However, for HL learners, who have a familial connection to the language, their identity with that group would likely be higher in family context. To examine this possibility, we reanalyzed data from N OELS ’ (2005, also 2013a) study of HL and non-HL learners of German to understand German learners’ situated ethnolinguistic identity. These research participants were presented with examples of everyday situations representing social interactions with family members, close friends, and people in the university and general community domains. For each situation, participants indicated on scales from 1 to 5 how much contact they had with German speakers, how often they used German, and their identification as a German and as an English speaker. Both groups had more contact and language use with Germans in the school situation than with friends and in community, and the groups were equivalent across these domains. They differed however, in that the HL students had more contact Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German , 20 45 (2016) • Heft 2 with Germans in the family domain. Consistent with the non-HL learners’ patterns of German contact and use, although English identity was consistently high and much stronger than German identity across all situations, non-HL learners indicated a stronger German identity at university and among friends (some of whom might be assumed to be students in their German classes) than in the other domains. The HL learners showed a different profile. Although their English identity was stronger than German across all situations, German identity was strongest in the family domain, followed by the university and friendship domains, and weakest in the recreational work and community domains. In a complementary manner, English identity was weak in the family domain relative to other situational domains, although this difference from other domains was statistically significant only in comparison with the work and community domains. Thus, when HL learners interact with family members, including those of German descent, German identity is relatively strong, and approaches equivalence with English identity. Although weaker than in the family domain, German identity is relatively strong at school and with friends where there is more opportunity for interactions with German speakers. Again, the patterns of situated identity reflect the opportunities for German use and sociocultural engagement. These results stress that learners’ identities are more nuanced than global assessments might suggest. A situated perspective suggests that although there is some evidence of assimilation of the HL learners to the majority society in public domains, this is not necessarily the case in private domains. In public domains, where there is more contact with Anglophones, it might be functional to use English and identify with the broader society, but the same is true about German in private domains. An important implication of this situated analysis is that one strategy for maintaining German language and culture is to purposely create situations to shelter the HL from the acculturative pressures of the mainstream society, such as community centers and German school programs. It is also important to further explore how learners integrate their languages and identities in ways that reflect greater willingness or reluctance to identify with the language community (D RESSLER 2010, 2014). 5. Some New Research Directions There are many possible avenues for future motivation research, but we selected three areas because they represent different components of the model presented in Figure 1, as well as different levels of analysis of motivational processes (D OISE 1986; N OELS 2001). These include (1) the level of the individual, specifically beliefs about language aptitude and their implications for goal-setting, emotional and behavioural reactions to challenges, engagement, and continuance; (2) the level of interpersonal relations, specifically the teacher-student relationships and how to best foster positive experiences and successful outcomes for all members of the class; and (3) the level of societal and cultural dynamics, particularly how (a) power differentials between ethnolinguistic groups and opportunities for face-to-face and mediated social interaction, and (b) cul- Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 21 45 (2016) • Heft 2 turally shared values, beliefs, norms, practices offer affordances and constraints on language learning and language use. Language Mindsets. Although motivation research has largely been anchored on the notion of the self in its sociocultural context, other psychological aspects also have important implications for learners’ engagement and persistence, their experience during the learning process, and the outcomes they achieve (M ERCER / R YAN / W ILLIAMS 2012). One emerging line of research focuses specifically on beliefs about language intelligence or aptitude (M ERCER / R YAN 2010; N OELS / L OU 2015). Following D WECK ’s (2012) notion of mindsets, L OU and N OELS (2016a) suggest that people’s beliefs about whether language intelligence is changeable predict their motivation and achievement within and outside the language classroom. Beliefs about general language intelligence, L2 aptitude, and age sensitivity in language learning can be grouped into two separate but related constructs reflecting entity and incremental language mindsets. An incremental mindset refers to the belief that language aptitude is malleable and can potentially be improved. It is linked to positive beliefs about effort expenditure (e.g., “effort can increase my language ability”), and greater intention to continue language study. It is also associated with learning goals (i.e., goals that focus on the learning process and improving competence), which in turn predicts more mastery and less anxious responses in failure situations. In contrast, an entity mindset refers to the belief that language aptitude is unchangeable, and it is linked to negative beliefs about effort (e.g., “no matter how hard I try I will never be fluent”), a stronger intention to give up, lower learning goals, fear of failure, and anxiety in failure situations. Moreover, learners with a strong entity mindset who perceived themselves as being very competent in the language set goals that focused on demonstrating their ability to themselves and others. Although individuals can have chronic, consistent tendencies in their beliefs about language aptitude (including the belief that both mindsets are tenable), these mindsets can be influenced by the social context and hence are situationally dynamic. Using mock magazine articles to prime language learners with either an entity or an incremental mindset, L OU and N OELS (2016b) found that both language mindsets are readily accessible and either one can be reinforced depending on the article the student read. Similar to patterns found in the correlational study described above, learners primed with an incremental mindset set more learning goals compared to those primed with an entity mindset, and in turn they responded more positively to “failure” situations, such as being overlooked because their language skills were inadequate or doing poorly on a class activity. These experimental findings suggest that language mindsets have a causal impact on reactions in challenging situations because they influence the kind of goals people set which in turn elicits those reactions. Beliefs about language and L2 learning are distinct from L2 self-concepts, but these two schemas may well influence one another. For instance, studies in other domains suggest that mindsets are related to patterns of self-determined motivation (G OOD / R ATTAN / D WECK 2012). Entity theorists, who attribute ability and success to uncontrollable (usually biological) factors, feel less able to manage the development of their competence and less confident about improvement, and feel less belongingness Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German , 22 45 (2016) • Heft 2 and relatedness to their class than do incremental theorists (ibid.). Correspondingly, entity theorists show less intrinsic motivation, are more likely to give up, and have lower grades compared to students who think intelligence is malleable (D WECK 2012). Based on this evidence, it is possible that promoting incremental beliefs in the learning environment can help learners to establish self-determined motivation in a language classroom (M C I NTOSH 2000). Not only do mindsets predict resilience in the language course and course outcomes, mindsets could also affect learners’ willingness to communicate with members of the TL community. As well, such beliefs might influence how willing members of the TL community are to support novice speakers: if it is believed that language competence cannot change, they may be less willing to engage with newcomers (such as immigrants) and support programs and policies for language training (L OU / N OELS 2015). In addition to examining the implications of mindsets inside and outside the classroom, research might integrate the relatively separate literatures on motivation and language aptitude, two constructs that hitherto have been considered to have independent effects on linguistic proficiency and communicative competence (G ARDNER 2010). And in line with the above discussion concerning motivation and teaching, intervention studies could specify how teachers can enhance students’ motivation through training, lectures, and other types of formal programs, but also through the type and manner of feedback they give to learners in daily interactions (Y EAGER / D WECK 2012). Student-Teacher Relationships and Motivational Teaching Practice. With the reorientation of the research agenda in the 2000s that incorporated other areas of psychology and sociology, more attention was directed to whether and how teachers could foster their students’ motivation (for an overview, N OELS 2015). In one of the earliest research programs on this topic, D ÖRNYEI (1994) developed a list of motivational strategies for teachers based on a synthesis of theoretical work, personal experience, and a “semi-formal survey” of teachers and pre-service teachers, and this list was further validated through surveys of Hungarian and Chinese EFL instructors, resulting in “10 commandments of language teaching” (D ÖRNYEI / C SIZÉR 1998) and a book outlining over 100 motivational techniques that teachers could use (D ÖRNYEI 2001). This teaching strategy framework was tested in a large-scale study in which researchers observed teacher-student interactions in language classes and assessed the teachers’ motivating strategies and the students’ behavior (G UILLOTEAUX / D ÖRNYEI 2008). A composite of all the teachers’ practices correlated with the students’ behavioural engagement and their self-reports of motivation and self-confidence. Because of the dynamic nature of learning, D ÖRNYEI and C SIZÉR (1998) emphasize that no single strategy would ever have “absolute and general value”, and the teacher must take into consideration the learner, the situation, the class dynamics, the stage in the learning process, among a myriad of other factors. The difficulty in finding a correspondence between what teachers think they do and students’ perceptions has been underlined by several studies that have found few reliable relations (e.g., S UGITA / T AKEUCHI 2010, 2012). In one such study, B ERNAUS and G ARDNER (2008) asked teachers to describe the instructional strategies they use and Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 23 45 (2016) • Heft 2 asked students to assess the frequency with which their teachers used those strategies. Although there was correspondence over 50% of the time, only the students’ perception of the strategy, not the teachers’ reported strategy use, predicted student’s self-reported motivation. The researchers concluded that teachers should ensure their students know what teaching strategies they are using; if students believe that their teacher uses a variety of teaching strategies, then they are likely to report feeling more motivated. The finding that composite measures of teachers’ strategies better and more consistently predict student motivation than individual indices suggests that there is no magic bullet for motivating students; how teachers affect students’ engagement might better be conceived of in terms of a gestalt-like impression rather than as the summation of a number of specific strategies. As such, the teachers’ autonomy-supportive orientation may be conveyed as much by nonverbal and paralinguistic actions, such as facial expression, body movement, and tone of voice, as by any specific “motivational strategy”. Through the manner in which they address their students, teachers can convey a caring belief in the learner’s capacity to act competently and autonomously, even when faced with performing the inevitable mundane, boring tasks that can arise during a language course. This attention to communicative exchanges emphasizes that it is how the learner interprets a teacher’s (and others’) communication and teaching practice as supporting his/ her autonomy, competence and relatedness that it is important for whether or not the learner is likely to engage in learning. In other words, it is the “functional significance” that the learner gives to the teacher’s actions that matters (W ILD / E NZLE 2002). Future research requires continued observational investigations of teacher-student interactions in the classroom, but must be sure to include self-reports of students’ and teachers’ interpretation of those interactions in order to understand how those acts affect students’ motivation. Individual and group-level analyses are needed to capture the variations across individuals, classes, and institutions, and these designs could be complemented by longitudinal designs to examine these dynamics as learners and teachers mature and relationships evolve. Since most educational research acknowledges transactional relationships between students and teachers, it would be useful to learn more about teachers’ motivation and how it relates to students’ in a reciprocal fashion (N OELS 2015). The Societal and Cultural Context. Another avenue for future research is continued examination of how the social world outside the classroom is intertwined with motivational processes (N OELS 2014; S UGITA M C E OWN / N OELS / C HAFFEE 2014). An early and astute observation made by L AMBERT (1974) is that the language learning experience and outcomes can be dramatically different for members of majority versus minority ethnolinguistic groups. In his discussion of additive and subtractive bilingualism, L AMBERT (ibid.) suggests that the addition of another language and culture would have little impact on the heritage language and culture for people from relatively high vitality (or majority) groups, but it would undermine that of people from relatively low vitality groups. In such models, the network of socio-communicative contacts plays an important meditational role between the features of the society and those of the indi- Self-Determination, Engagement and Identity in Learning German , 24 45 (2016) • Heft 2 vidual learners. Hence, parents, teachers and members of the TL community are all significant reference points for students’ own attitudes towards language learning and the language community and they provide immediate opportunities for using the language to exchange information and negotiate their physical and psychological needs. The relative status and ethnolinguistic vitality of ethnolinguistic groups is an important component of many models of language learning (e.g., C LÉMENT 1980; L ANDRY / A LLARD / D EVEAU 2013) Not only do the socio-structural characteristics of group dynamics affect opportunities (or not) for language learning and use, social groups’ cultural dynamics can also infuse motivational dynamics (G UAY 2016; M ARKUS / K ITAYAMA 1991). There are many definitions for culture; we define culture as the “shared” or intersubjective systems of meaning that are co-constructed by interlocutors (and hence mutually comprehensible) and become the conventions and mores that are more or less distributed among members of a social network (N OELS et al. 2014 for an extended discussion of culture and language learning). To date there has been little work on culture and its relation to language learning motivation, even though it would seem to be important given language learning is an inherently intercultural phenomenon and the topic is of international interest. Several scholars have argued that construals of autonomy might vary across cultures (N OELS 2013b; N OELS et al. 2014) and also the extent to which obligations towards others are perceived as undermining autonomy. For instance, the Chinese heritage learners in C OMANARU and N OELS ’ (2009) study endorsed introjected regulation to a greater extent than did the German heritage learners in N OELS (2005) study, possibly because of cultural differences in the value of expressing independence from significant others. Cross-cultural comparisons provide a strong test of the validity of humanist tenets that autonomy, competence and relatedness are indeed universal and may point the way to post-humanist frameworks for understanding motivation. In several respects, the German language offers interesting possibilities for this kind of comparative research that seeks to understand how socio-structural and socio-cultural dynamics are linked to motivation. German has long been of broad appeal to people from non-German countries because of Germany’s international reputation in science and technology, philosophy and literature, music, sports and other areas; many feel that knowing this “foreign” language can facilitate their education, careers and hobbies in these areas (G OETHE I NSTITUT 2016 3 ). Germanophone regions are also appealing destinations for many tourists, international students, and other sojourners, with Germany ranking as the seventh most visited country in the world (UNWTO 2015). Recent global events have made Germany a home for large numbers of foreign workers, immigrants, and refugees. These people must learn German as a “second” language in order to function in German society. And around the world, the offspring of the German diaspora during the 20 th centuries aspire to learn their HL to enhance their relationships with family members and participate more fully in their cultural traditions and in contemporary German society. Thus, comparative studies of German foreign, 3 http: / / www.goethe.de/ lrn/ prj/ zgd/ en867247.htm (1 st May, 2016) Kimberly A. Noels, Nigel Mantou Lou, Kathryn E. Chaffee, Ali Dincer 25 45 (2016) • Heft 2 second and HL learners could help us to better understand how contextual factors, such as the relative status of the language groups, the opportunities for contact with members of the German community across more or less intimate situations (e.g., with family members vs. unrelated community members), and cultural values, norms, and practices play into the experience of learning the language. 6. Conclusion The field of language learning has undergone considerable growth since the beginning of the new millennium (S UGITA M C E OWN / N OELS / C HAFFEE 2014, B OO / D ÖRNYEI / R YAN 2015). By drawing from a variety of theories and developing new theories appropriate to the language learning domain, scholars are learning more about motivational processes in terms of the dynamics within the individual, the interpersonal relations within and outside the classroom, and within and between ethnolinguistic groups in the broader society. We have not had the space to address all of the many new contributions, but have instead focused on what SDT offers for understanding the motivation of language learners, and particularly learners of German. Had we more space, we would further discuss the important shift to look at language learning as a process of development, and how motivation research would benefit from adopting the temporal perspective afforded by developmental approaches and methods, including the complex, dynamic systems paradigm (D ÖRNYEI / H ENRY / M AC I NTYRE 2014; L ARSEN -F REEMAN / C AMERON 2008). Such a perspective would help us to better understand how intrinsic motivation and engagement vary over time, in relation with other psychological and contextual factors (B USSE 2013; B USSE / W ALTER 2013). We maintain that SDT provides a useful tool for framing motivation, but are eager to complement this perspective with alternative, complementary perspectives and to challenge the theory’s assumptions with contrasting perspectives. Through such discussion, we hope that language learning experiences such as Mark Twain describes, might resonate less widely with language learners and teachers. 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The data analysis, which followed the grounded theory approach, suggest that especially positive attitudes towards foreign language learning, instrumental orientations, and the image of German as an additional and challenging language contribute crucially to choosing German as a subject and to continuing learning the language. These data were compared with and contrasted to those from pilot studies interrogating learners about their reasons for deciding against learning German. The overall results are matched with information on GFL learner numbers in the countries of the data collection as well as with the current international state of research. 1. Hauptansätze in der L2-Motivationsforschung: Überblick Die fremdsprachenspezifische Motivationsforschung hat unterschiedliche Phasen durchlaufen (vgl. zusammenfassend D ÖRNYEI / R YAN 2015: 72-105), die vielfältige Konzepte, Erklärungsansätze und eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen hervorbrachten, die insgesamt betrachtet das Forschungsfeld gleichzeitig höchst ertragreich, aber auch zunehmend unübersichtlich und von jeweils aktuell herrschenden Trends bestimmt erscheinen lassen. Im Folgenden sollen kurz diejenigen Ansätze und Konzepte behandelt werden, die für die hier dokumentierte Studie wesentliche Bezugspunkte liefern. Zunächst dominierte in der L2-Motivationsforschung von den späten 1960er-Jahren bis in die 1990er-Jahre das sog. socio-educational model (vgl. als zentrale Publikation dieser Phase G ARDNER 1985), das die L2-Motivation als Folge von positiven Einstellungen und Interesse für die L2 und mit ihr implizierte(n) Kultur(en) sowie Hauptbeweggründen (Orientierungen) und langfristigen Zielen des L2-Lernens konzeptualisiert. Seit dieser Zeit ist die Unterscheidung zwischen der sog. ‚integrativen‘ und ‚instrumentellen‘ Orientierung bzw. Motivation bekannt. Integrativ motiviert zu sein bedeutet, grundsätzlich offen für fremde Kulturen zu sein und eine L2 aus echtem Inte- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Claudia R IEMER , Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Universitätsstr. 25, 33615 B IELEFELD . E-Mail: claudia.riemer@uni-bielefeld.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lernforschung/ Zweitsprachenerwerbsforschung (mit Schwerpunkt auf individuellen Lernprozessen), Forschungsmethodologie in der empirischen Fremdsprachenforschung. L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 31 45 (2016) • Heft 2 resse für Sprache und Kultur zu lernen - mit der tendenziellen Zielrichtung, evtl. sogar als Mitglied dieser Sprachgemeinschaft akzeptiert zu werden. Die instrumentelle Motivation zielt hingegen auf eher pragmatische, die Nützlichkeit der L2 betreffende Gründe, insbesondere zur Verbesserung der Lebens- und Berufschancen oder um z.B. durch das Bestehen einer Sprachprüfung Zugang zu einem Ausbildungsgang zu erhalten. Beide Motivationstypen wurden als lernförderlich nachgewiesen (vgl. exemplarisch G ARDNER / M AC I NTYRE 1991). Der Forschungsschwerpunkt der G ARDNER schen Forschungsgruppe lag jedoch zweifellos auf der Untersuchung der Rolle der Integrativität beim Fremdsprachenlernen, wenn auch die seit den 1990er-Jahren erfolgte Kritik das socio-educational model häufig zu sehr darauf verengt hat. Der Ansatz ist deutlich breiter aufgestellt und sieht Lernmotivation auch wesentlich in den Einstellungen des Lernenden zur Lernaufgabe selbst sowie im Ausmaß der Lernanstrengung und Ausdauer verankert (vgl. G ARDNER 2010). Allgemeiner Konsens ist inzwischen, dass sich die beiden Orientierungen nicht gegenseitig ausschließen und sich in unterschiedlichen Ausprägungen in den Lernenden wiederfinden können; weitere spezifische Orientierungen wie Reise-, Bildungs- und allgemeine Kontaktmotive wurden außerdem ermittelt (vgl. B ELMECHRI / H UMMEL 1998; C LÉMENT / K RUIDENIER 1983). Das socio-educational model kann als ein bis heute gültiges, gleichzeitig umfassendes Modell zur Erfassung des Zusammenhangs von L2-Motivation und L2-Erwerb betrachtet werden. Es ist hinreichend anschlussfähig, um neuere Erkenntnisse und Ausformungen von die L2-Motivation beeinflussenden Variablen zu integrieren - seien es verhaltensregulierende Variablen (z.B. extrinsische und intrinsische Motivation, Einfluss von Kausalattributionen; s.u.) oder Unterrichts- und soziale Variablen, die im sozio-kulturellen Milieu verortet sind. Der aktuelle Forschungsdiskurs um das sog. Ideal L2 Self, das die Rolle des vom Lernenden selbst angestrebten, mit der Beherrschung der L2 verbundenen, idealen Selbstkonzepts als zentralen Motivator hervorhebt (vgl. D ÖRNYEI / U SHIODA 2009), kann auch als Neudefinition der integrativen Orientierung verstanden werden. Seit den 1990er-Jahren wurden verstärkt pädagogisch-psychologische, kognitionspsychologische und prozessorientierte Konzepte in die L2-Motivationsforschung integriert (vgl. D ÖRNYEI 1990 als Ausgangspunkt diesbezüglicher Entwicklungen). Für die hier dokumentierte Studie sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Attributionstheorie und die Selbstbestimmungstheorie als wesentliche Bezugstheorien zu benennen. Die auf die L2-Motivationsforschung bezogene Selbstbestimmungstheorie in der Tradition von D ECI und R YAN (1985) unterscheidet zwischen der ‚intrinsischen‘, aus Interesse und Selbstantrieb geleiteten Motivation und der ‚extrinsischen‘ Motivation, die sich aus externen Anreizen (wie etwa dem Erzielen guter Schulnoten oder der Vermeidung von Strafen) sowie der lernerseitigen Erfahrung von Selbstwirksamkeit speist. Die extrinsische Motivation wird weiter in vier unterschiedliche Verhaltensregulationen unterschieden: ‚External‘ reguliertes Handeln zielt auf die Vermeidung von Konflikten (z.B. mit Eltern oder Lehrkräften) bzw. auf Anerkennung durch andere. Die anderen drei Regulationen implizieren einen zunehmend selbstbestimmten Anteil, der sich bei der ‚introjizierten‘ Regulation noch auf der Basis äußeren Drucks und 32 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Pflichtgefühls entwickelt, wohingegen ‚identifiziert‘ reguliertes Handeln die Nützlichkeit des Tuns reflektiert und schließlich bei der ‚integrierten‘ Regulation das L2-Lernen als Teil der eigenen Persönlichkeit und als Ausdruck eines individuellen Bedürfnisses akzeptiert ist (vgl. exemplarisch N OELS ET AL . 2000). Die L2-Attributionstheorie adaptiert grundlegende Konzeptionen von W EINER (1986), indem die Rolle lernerseitiger Interpretation von Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen (Kausalattributionen) beim Fremdsprachenlernen hervorgehoben werden. Erfolgserlebnisse können demnach die Lernmotivation verstärken, Misserfolgserlebnisse sie dagegen schwächen, insbesondere wenn die lernende Person die Ursachen für erfolgreiches oder weniger erfolgreiches Fremdsprachenlernen auf die eigene Leistungsfähigkeit zurückführt (‚internale‘ Lokation). Selbstwahrnehmungen, Selbstvertrauen und generalisierte Überzeugungen der Lernenden bzgl. der eigenen Person interagieren mit diesen Zuschreibungen. Bei ‚externaler‘ Lokation von Erfolg oder Misserfolg werden die Ursachen dafür außerhalb der Person verortet. Werden die Ursachen außerdem als wenig durch persönlichen Einsatz kontrollierbar eingeschätzt, kann dies eine Tendenz zur sog. ‚erlernten Hilflosigkeit‘ bewirken und negative Folgen auf die weitere Investition von Lernanstrengung bewirken (vgl. exemplarisch W ILLIAMS / B UR - DEN / A L -B AHARNA 2001). Neben der Erforschung der Motive für das Erlernen von Fremdsprachen wird inzwischen verstärkt an Ansätzen gearbeitet, die die Entstehung und Aufrechterhaltung hoch motivierten Lernens (vgl. D ÖRNYEI / H ENRY / M UIR 2016), also den dynamischen Charakter von Motivation untersuchen. Eine zunächst, z.B. zu Beginn des Fremdsprachenlernens, vorhandene oder nicht vorhandene Motivation kann sich im weiteren Lernverlauf fortwährend intensivieren oder abschwächen. Auf D ÖRNYEI und O TTÓ (1998) geht ein stärker prozessorientiertes Modell zurück. Dieses berücksichtigt die initiale Entscheidung von Lernenden für das Erlernen einer Fremdsprache sowie die Prozesse, die dazu führen, dass eine motivationale Schwelle überschritten wird und Lernhandlungen dann auch tatsächlich durchgeführt werden. Das Modell berücksichtigt des Weiteren, dass diese motivationalen und volitionalen, sich im Lernenden vollziehenden Prozesse mit äußeren Einflüssen in Wechselwirkung stehen: mit dem sozio-kulturellen Milieu und dort verorteten relevanten Bezugspersonen, mit den tatsächlich vorhandenen Lernmöglichkeiten - und im Falle gesteuerten Fremdsprachenlernens mit den konkreten Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die internationale Forschung zur L2-Motivation in unterschiedlichen Entwicklungslinien mit den Beweggründen von Lernenden für das Fremdsprachenlernen, damit verbundenen Willensbildungs- und Identitätsprozessen und, wenn auch in geringerem Umfang, mit den motivationalen Prozessen im Verlauf des Fremdsprachenlernens befasst hat. Weniger in den Blick genommen wurden die äußeren Bedingungen, die von den sprachen- und bildungspolitischen Entscheidungen in den unterschiedlichen Ländern abhängen, wie z.B. der vermeintlich simple Aspekt, ob und - wenn überhaupt - in welcher Schulform und mit welcher Verbindlichkeit und welchen Wahl-/ Wahlpflichtmöglichkeiten Fremdsprachen im jeweiligen nationalen Schulsystem angeboten werden. Dies verwundert nicht, L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 33 45 (2016) • Heft 2 nimmt man zur Kenntnis, dass die überwiegende Mehrzahl der Untersuchungen zur L2-Motivation zum Kontext des Erwerbs der internationalen L2 Englisch durchgeführt wurden, für die sich diese Frage, wenn überhaupt, nur in vernachlässigbarem Umfang stellt. Die Frage, ob und auf welche Weise aber solche äußeren Faktoren die Beweggründe und Prozesse (mit) initiieren und aufrechterhalten, eine Sprache wie das Deutsche als Fremdsprache (DaF) zu lernen bzw. ihren Erwerb hemmen oder gar zum Erliegen bringen, soll im Folgenden berücksichtigt werden. 2. Zur internationalen Stellung der deutschen Sprache Wer sich mit dem Lernen des Deutschen als Fremdsprache beschäftigt, stößt schnell auf Fragen nach der internationalen Stellung und dem Gebrauchswert der deutschen Sprache außerhalb deutschsprachiger Länder. Ganz erheblich unterscheidet sich die kommunikative Reichweite der deutschen Sprache von der anderer europäischer Sprachen wie Englisch (unangefochtene internationale Verkehrssprache), Französisch (Amts-, Zweit- und Kommunikationssprache neben den regionalen Muttersprachen in vielen außereuropäischen Ländern, insbesondere in Afrika) oder Spanisch (häufigste L1 auf dem amerikanischen Doppelkontinent). Im Vergleich mit anderen europäischen Sprachen, wie etwa den skandinavischen Sprachen, können L1- und L2-Sprecher des Deutschen diese Sprache aber in vielfältigen, auch internationalen Kontexten, insbesondere im Bereich der Medien, Bildung und zumindest teilweise im Rahmen internationaler Wirtschaftskommunikation und manchmal (tendenziell allerdings immer seltener) in der internationalen Wissenschaftskommunikation gewinnbringend einsetzen. Hierzu existieren vielfältige und differenzierte Analysen und länderspezifische Untersuchungen. Hier ist insbesondere Ulrich A MMON zu nennen, der langjährige Forschungsarbeit jüngst akribisch zusammengetragen hat und dabei einleitend zusammenfasst: „Wären Deutschkenntnisse nicht auch ein Vorteil für Fremdsprachler, so würde sich über kurz oder lang fast niemand mehr die Mühe machen, Deutsch als Fremdsprache zu lernen“ (A MMON 2015: 2). Die Zahl der Lernenden, die weltweit DaF lernen bzw. als Kommunikationsmittel verwenden, trägt erheblich zur internationalen Stellung der deutschen Sprache bei. Das Sprachenlernen impliziert neben rein sprachlich-kommunikativen Zielen gleichzeitig die Auseinandersetzung mit und den Kontakt zu deutschsprachigen Ländern und Kulturen und trägt zur Repräsentanz des Deutschen und der deutschsprachigen Länder in den Regionen der Welt entscheidend bei. Nicht umsonst ist die Unterstützung des Erlernens der deutschen Sprache ein zentraler Baustein der deutschen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und spiegelt sich in entsprechenden Programmen des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (z.B. DAAD-Lektorenprogramm), des Goethe-Instituts und des deutschen Auslandsschulwesens (z.B. PASCH 1 ) wider. 1 Vgl. das seit 2008 aufgesetzte Programm „Schulen: Partner der Zukunft“, mit dem inzwischen mehr als 1.800 Schulen mit Deutschschwerpunkt weltweit gefördert werden; http: / / www.pasch-net.de/ (15.06.2016). 34 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 3. Motive und Motivation für DaF 3.1 Entstehung, Zielsetzung und Umfang der Studie Seit 2004 arbeite ich an einer internationalen Studie, die zunächst eher als Begleitprodukt internationaler Lehr- und Forschungskooperation angelegt war (für Zwischenberichte aus dieser Studie vgl. Riemer 2005, 2006, 2011). Sie zielt auf Erhellung derjenigen Motive und Motivationen, die Lernende mit der Fremdsprache Deutsch verbinden. Den Anfang markierten Datenerhebungen bei Studierendengruppen 2 der Auslandsgermanistik, mit denen ich im Rahmen kurzfristiger Dozenturen zusammenarbeitete. Im Zuge meiner Tagungs- und Publikationstätigkeit wurden Kollegen/ -innen, insbesondere aus dem Netzwerk des DAAD und der Goethe-Institute dafür gewonnen, sich mit Datenerhebungen an der Studie zu beteiligen. Von mir betreute studentische Qualifikationsarbeiten 3 mit unterschiedlichem Länderschwerpunkt lieferten weitere Einsichten und gleichzeitig Daten zur Re-Analyse. Mittlerweile liegen Daten aus 20 Ländern von insgesamt 1.180 DaF-Lernenden vor (Armenien, Bosnien und Herzegowina, China, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Kenia, Kroatien, Kuba, Lettland, Madagaskar, Mongolei, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Taiwan). Tab. 1 4 liefert Informationen über die jeweiligen Datensammlungen und - soweit möglich - grobe Hinweise zum Lernkontext der DaF-Lernenden. Anzumerken ist, dass die einzelnen Samples unterschiedlich groß sind, teilweise nur (sehr) kleine Teilnehmendenzahlen umfassen, sehr oft nur an einem Ort im Land erhoben wurden und daher in keiner Weise als für das jeweilige Land repräsentativ gelten können. Gleichwohl erlauben sie auch länderspezifische Einsichten, wiewohl - durch die vergleichende und axial-selektive Datenanalyse unterstützt - mit der Zeit die länder- und regionenübergreifenden, allgemeinen Motivationstendenzen stark ins Zentrum der Forschungsaufmerksamkeit rückten. 2 Dabei knüpfte ich an eine durch Willis J. E DMONDSON begründete Tradition an, Studierende durch das Schreiben von Sprachlernbiographien zur Reflexion vorhandener Sprachlernerfahrungen zu bewegen und diese Daten über hochschuldidaktische Zwecke hinaus (das Einverständnis der Studierenden wurde eingeholt) für die eigene Forschungsarbeit zu verwenden (vgl. exemplarisch E DMONDSON 2004). 3 Vgl. die leider nur zum Teil veröffentlichten Arbeiten von G LÖCKNER (*2013), H ELANDER (2006), K IRCHNER (2003, *2004), R ABITA (2015) und Ü LSBERG (2008); mit * markierte Arbeiten sind online verfügbar. 4 N=1.180 Abkürzungen: GI=Goethe-Institut; SJ=Studienjahr; ZfA= Zentralstelle für das Auslandsschulwesen * Re-Analysen von Daten aus studentischen Qualifikationsarbeiten ** Re-Analysen von Daten aus studentischen Qualifikationsarbeiten (kontrastive Pilotstudien mit Untersuchungsteilnehmenden, die kein DaF gelernt haben) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 35 45 (2016) • Heft 2 Länder in geographischer Nähe (zu deutschsprachigen Ländern) Daten erhoben Armenien (Eriwan)* *N=12 Schüler/ -innen (Sprachdiplomklassen 9-11 an einer Schule mit erweitertem Deutschunterricht, ZfA) 2008 Bosnien und Herzegowina (Bihać) N=47 Germanistikstudierende (1. SJ: N=28, 3. SJ: N=12, 4. SJ: N=7) 2006 Finnland (Helsinki und andere Städte)* *N=39 Schüler/ -innen verschiedener Schulen 2005 Frankreich (Nancy) Frankreich (Metz)** N=28 GI Nancy (A1-C1) **N=28 Schüler/ -innen der 12. Klasse an einem Lycée in Metz/ Lothringen, davon 14 DaF-Lernende und 14 Nicht- DaF-Lernende 2005 2015 Georgien (Tiflis)* *N=66 Schüler/ -innen (Sprachdiplomklassen 9-11 an einer Schule mit erweitertem Deutschunterricht, ZfA) 2008 Griechenland (Thessaloniki) N=29 Germanistikstudierende 2004 Kroatien (Zadar) N=121 Germanistikstudierende (1. SJ: N=26, 2. SJ: N=39, 3. SJ: N=16, 4. SJ: N=40) 2006 Lettland (Riga) N=8 Germanistikstudierende 2005 Polen (Poznań) N=21 Germanistik-/ Lehramtsstudierende Deutsch 2009 Portugal (Coimbra, Lissabon) N=45 Germanistikstudierende Coimbra (3. SJ: N=13, 4. SJ: N=32), N=21 GI Lissabon 2005 Russland (Uljanowsk) N=5 Germanistikstudierende (Kurzstatements) 2004 Schweden (Uppsala)* Schweden (Linköping, Stockholm u.a.)** *N=8 Germanistikstudierende im 1. Fachsemester **N=75 Studierende, Schüler/ -innen und andere junge Erwachsene, davon 23 DaF-Lernende und 52 ohne DaF- Lernerfahrungen 2003 2013 Slowakei (Nitra) N=103 Germanistikstudierende (1. SJ: N=15, 2. SJ: N=30, 3. SJ: N=41, 4. SJ: N=17) 2006 Spanien (Madrid, Granada, Fuenlabrada) N=99 GI Madrid (A1-C1), N=31 GI Granada (A2-C1), N=40 GI Barcelona (A1-C1), N=20 Staatliche Sprachschule Fuenlabrada (A1-B1) 2005 Länder in geographischer Entfernung (zu deutschsprachigen Ländern) China (Qingdao) N=24 Studierende aus studienbegleitenden Deutschkursen (ingenieurwissenschaftliches Studium, 1. SJ) 2014 Kenia (Nairobi) N=25 Bachelor- und Masterstudierende 2004 Kuba (Havanna) N=32 Fremdsprachenstudierende 2004 Madagaskar (Antananarivo) N=50 Germanistikstudierende (1. SJ: N=9, 2. SJ: N=12, 3. SJ, N=15, 4. SJ: N=14) 2004 Mongolei (Ulaanbaatar) N=26 Germanistik-/ Lehramtsstudierende (1. SJ N=6, 2. SJ: N=7, 3. SJ: N=11, 4. SJ: N=2) 2006 Russland (Chabarovsk) N=67 Dolmetscher-/ Fremdsprachenlehramtsstudierende (3. SJ: N=25; 4. SJ: N=23, 5. SJ: N=19) 2004 36 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Taiwan (Kaohsiung) N=110 Fremdsprachenstudierende Deutsch/ Englisch (3. SJ Junior-College, N=68 Hauptfach Deutsch, N=42 Nebenfach Deutsch) (Kurzstatements) 2004 Tab. 1: Übersicht über bislang durchgeführte Teilstudien 3.2 Forschungsmethodischer Ansatz Die Studie folgt einem explorativ-interpretativen Forschungsansatz und ist an den Forschungsstil der Grounded Theory angelehnt. Zugrunde gelegt werden Prinzipien der sukzessiven und kontrastiven Erhebung von Daten sowie der theoretisch sensiblen und offenen, axialen und selektiven Datenkodierung bei der qualitativen Dateninterpretation (vgl. G IBBS 2007: 38-89; S TRAUSS / C ORBIN 1996), die eine insgesamt theoriegenerierende Zielsetzung unterstützen. Die Datenanalyse geht iterativ und zunächst fallbezogen, dann bzgl. der einzelnen Teilstudie fallübergreifend und schließlich die unterschiedlichen Datensammlungen kontrastierend vor. Zentrale Datengrundlage ist eine je länderspezifische Sammlung von schriftlich verfassten Sprachlernbiographien, die (je nach Möglichkeit) mit weiteren Daten aus semistrukturierten Lerner- und Experteninterviews (Lehrende, Schulleitung, Leitung von Sprachabteilungen), Dokumentenanalysen (Informationen zur Sprachenpolitik des Landes, zum Schulsystem, zu Lehrplänen etc.) und Unterrichtsbeobachtungen ergänzt werden. Mittels des vorgegebenen, aber offen gehaltenen Schreibimpulses, der in den unterschiedlichen Studien nur unwesentlich adaptiert wurde, werden die Untersuchungsteilnehmenden nach ihren Gründen für das Deutschlernen und ihren Fremdsprachenlernerfahrungen gefragt. 5 In zwei neueren kontrastiven Pilotstudien wird explizit nach den Gründen gefragt, die die Befragten dazu veranlasst haben, sich gegen die Wahl des Schulfachs Deutsch bzw. gegen das Lernen des Deutschen zu entscheiden (vgl. G LÖCKNER 2013; R ABITA 2015). Die Wahl dieses retrospektiv-biographischen Datenerhebungsinstruments folgt der Überzeugung, dass ein solches offenes Format besser als ein geschlossenes imstande ist, die Besonderheiten einer auf eine spezifische L2 bezogenen Motivation explorativ zu erfassen. Die Offenheit der Fragestellung erlaubt den Untersuchungsteilnehmenden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, die ihren jeweils individuellen Konstellationen gut gerecht werden. Die Befragten haben es selbst in der Hand, wie ausführlich 5 Die (mit wenigen Ausnahmen in der L2 Deutsch geschriebenen) Sprachlernbiographien resultieren aus folgendem Schreibimpuls: „Bitte berichten Sie über Ihre bisherigen Erfahrungen beim Lernen und Gebrauch von Fremdsprachen und dabei insbesondere über die damit verbundenen Motive (Warum lernen Sie Deutsch? Warum haben Sie Deutsch gelernt? ) und Motivationen, Ängste und (Miss-)Erfolgserlebnisse. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere die Fremdsprachen Englisch und Deutsch - ohne andere Fremdsprachen dabei zu vergessen. Schreiben Sie alles, was Sie wichtig finden. Vorgeschlagener Umfang: 1-3 Seiten.“ In Fällen, in denen die Befragten nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten, wurde der Schreibimpuls in die jeweilige L1 übertragen und die Sprachlernbiographien wurden in der L1 verfasst. Es muss davon ausgegangen werden, dass insbesondere die in der L2 Deutsch geschriebenen Sprachlernbiographien Verzerrungen und Unschärfen aufgrund begrenzter Ausdrucksmöglichkeiten aufweisen und Äußerungen durch Vermeidungsstrategien reduziert wurden. L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 37 45 (2016) • Heft 2 und differenziert sie Auskünfte über sich selbst geben, was freilich dazu führen kann, dass die angestrebte Tiefe der Rückmeldungen nicht durchgängig erreicht werden kann. Anders als bei Befragungen mittels standardisierter Fragebögen mit geschlossenen Items suggeriert die offene Form der Befragung keine spezifischen Motive, sondern erst die Datenanalyse legt offen, welche Motive und Motivationsvariablen von den Befragten hervorgehoben bzw. überhaupt benannt werden, die sie bei der Wahl der Fremdsprache bzw. im Verlauf des Fremdsprachenlernens beeinflusst haben. Mit Hinweis auf den zwischenzeitlich weitgehend akzeptierten narrative turn in der SLA ist darauf zu verweisen, dass biographischen Daten wie den hier verwendeten eine besondere Qualität für die Theoriegenese zur Rolle von Affekten und Emotionen beim L2- Lernen zukommt, da sie eine lernerorientierte Perspektive auf Spracherwerbsprozesse und Lernsituationen ermöglichen (vgl. B ARKHUISEN / B ENSON / C HIK 2014; F RANCES - CHINI / M IECZNIKOWSKI 2004). Das Erhebungsformat hat daneben stärker forschungspragmatische Vorteile, dadurch dass es nämlich (u.a. mittels der Unterstützung durch Kollegen/ -innen) ökonomisch und vielfältig - auch über größere räumliche Distanzen hinweg - eingesetzt werden kann. G LÖCKNER (2013) hat darüber hinaus aufgezeigt, dass Sprachlernbiographien, wenngleich mit Anpassungen, auch über social media erhoben werden können. 3.3 Zentrale Ergebnisse Die Ergebnisse der Datenanalysen können im Rahmen dieses Beitrags lediglich zusammenfassend dargestellt werden und mit wenigen, originalgetreuen Datenbeispielen illustriert werden, was die Verankerung der Erkenntnisse in der Empirie zumindest exemplarisch verdeutlichen soll. Unterschieden werden können Ergebnisse, die länderspezifische Besonderheiten oder Schwerpunktsetzungen darstellen, von Mustern, die sich in den Daten länderübergreifend abbilden. Vorab nicht unerwähnt bleiben darf, dass viele der erhobenen Daten von Germanistikstudierenden stammen, die zwar retrospektiv umfänglich über ihre Erfahrungen mit dem Deutschlernen berichten können, die aber schlussendlich so motiviert waren, dass sie die Fremdsprache Deutsch zum Hauptinhalt ihres Studiums und damit zu einem Teil ihrer beruflichen Zukunft gemacht haben. Im weiteren Verlauf der Studie konnten aber auch gezielt kontrastive Datensätze von Lernenden aus schulischen Kontexten herangezogen werden, in den letzten Jahren ergänzt durch erste Pilotstudien, für die gezielt Teilnehmende gesucht und befragt wurden, die sich gegen das Erlernen der deutschen Sprache entschieden haben. Die Teilstudien liefern reichhaltige länderspezifische Erkenntnisse insbesondere in Bezug auf die Dimensionalisierung der gefundenen Hauptkomponenten der Motivation sowie ihrer Gewichtung untereinander. Weitere ländertypische Besonderheiten sind teils in den nationalen Bildungssystemen, teils mit historisch begründeten sprachlichen Konstellationen und Bildungstraditionen oder in der geographischen Lage eines Landes begründet. Sie sind im Rahmen dieses Beitrags nicht darstellbar. Exemplarisch seien lediglich zwei Beispiele für solche länderspezifischen Einsichten aufgeführt: Das in der Teilstudie China gefundene Muster einer anfänglich rein extrinsisch-externalen Regu- 38 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 lation des Deutschlernens bei Studierenden hängt mit dem Pflichtcharakter des Sprachfachs in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang zusammen, der von den Studierenden gewählt wurde, weil sie an national höher gerankten chinesischen Universitäten aufgrund ihre Schulabschlussnote keinen Studienplatz erhalten haben. Erst im Verlauf des Lernens und v.a. mit der Entwicklung des Ziels, ein Auslandssemester an einer deutschen Universität zu verbringen, werden selbstbestimmtere Regulationen entwickelt, wozu ein sehr positives Deutschlandbild (‚hochentwickeltes Industrieland‘) beiträgt. Ein anderes Beispiel ist die in den Daten aus der Teilstudie Griechenland - im Unterschied zu allen anderen Teilstudien - dominant zum Ausdruck kommende Bedeutung standardisierter zertifizierter Sprachprüfungen für das motivierte Weiterlernen (extrinsisch-externale Regulation), was in Einklang steht mit der (aktuell immer noch bestehenden) extrem hohen Zahl der an Goethe-Instituten in Griechenland abgelegten DaF-Prüfungen. Folgt man durch Experteninterviews gewonnenen Hinweisen, kommt in dieser Regulation das Ziel zum Ausdruck, mit Zertifikaten nachweisbare und (inter-) national anerkannte Qualifikationen zu erwerben. Im Folgenden werden zusammenfassend diejenigen Muster behandelt, die länderübergreifend in den Daten (re-)konstruiert werden konnten. Aus den Analysen lässt sich das Gesamtbild ableiten, dass Lernende des Deutschen als Fremdsprache individuelle Motivationsprofile aufweisen, aber hinsichtlich der motivationalen Hauptkomponenten erstaunliche Parallelen zeigen. Auffällig ist eine in sämtlichen Datensammlungen auffindbare positive Einstellung der befragten Lernenden zum Fremdsprachenlernen, auch ohne Bezug auf die konkrete L2 Deutsch. Dies stimmt mit dem Muster überein, dass die Lernenden in der Regel über teils umfangreiche Fremdsprachenlernerfahrungen verfügen und Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache nach Englisch gelernt wird. In Bezug auf die sprachspezifischen und nahezu durchgängig feststellbaren positiven Einstellungen zur L2 Deutsch, die als wichtige Sprache in der EU angesehen wird, kommt daneben aber durchaus Ambivalenz zum Ausdruck. Es überwiegen bei den Lernenden sprachspezifische Attribute wie „schwer“ und „hart“ im Vergleich zu solchen wie ‚„gar nicht so schwer“ und „schön“. Diese Zuschreibungen sind eingewebt in ein Netz, dass DaF- Sprachkompetenz etwas „Besonderes“ sei, da sie das erwartbare, inzwischen als weitgehend ‚normal‘ angesehene fremdsprachliche Profil einer Person (die über die L2 Englisch verfügt) ergänzt 6 und damit, aufgrund der Einschätzung des gesellschaftlichen Umfelds, dass Deutsch eine schwere Sprache sei, mit Prestigegewinn 7 verbunden wird. Gerade im schulischen Kontext wird Deutsch als schwere Sprache wahrgenommen. 8 Aus den kontrastiven Pilotstudien ergibt sich das Bild, dass sich gerade aus 6 Ich habe Deutsch gewählt, weil die Mehrheit der Chinesen nur Englisch gelernt haben. Aber ich glaube, wenn alle Personen mit Englisch zu lernen beginnen, dann diese Sprache nicht eine wertvolle Schulung ist. (China14_Bi019, Z. 11ff.) 7 In Kuba, wenn eine Person Deutsch kann, sagt man, dass sie sehr intelligent ist, weil viele Leute denken, dass Deutsch sehr schwer ist. (Kuba2004_Bio03, Z. 7ff.) 8 Donc j’ai une image très mitigée de la langue allemande en elle-même, pour son affreuse complexité […]. (Frankreich_Lothringen_Bio14, Z. 22f.) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 39 45 (2016) • Heft 2 diesem Grund potenzielle Lernende gegen das Erlernen der Sprache entscheiden. 9 Für Lernende, die retrospektiv Lernerfolge berichten, lässt sich aber zugleich das Muster identifizieren, dass sie das Deutschlernen außerdem als positive intellektuelle Herausforderung begreifen und Stolz darauf entwickeln, während Lernende, die sich gegen das Deutschlernen entschieden haben, dieses als „elitär“ empfinden. Ein weiteres zentrales Muster bildet der Einfluss des schulischen DaF-Lernens auf die initiale Ausbildung und Aufrechterhaltung motivierten Handelns. In den Daten aus Ländern, in denen das Schulfach Deutsch angeboten wird, resultieren aus dem Pflichtbzw. Wahlpflichtcharakter des Faches vorrangig extrinsische Motivationen mit externalen und introjizierten Verhaltensregulationen. Gute Noten, die Anerkennung des Lehrers oder der Eltern sollen gewonnen werden, Gesichtsverlust soll vermieden werden. Erst wenn wahrgenommen wird, dass die Sprachkenntnisse auch außerhalb des Unterrichts von Wert sind bzw. werden können, gelingt es, Formen stärker selbstbestimmter Motivation zu entwickeln. Identifizierte Verhaltensregulationen entstehen, wenn spätere Berufschancen oder (z.B. während eines Auslandsaufenthalts oder im außerschulischen Alltag) die allgemeine Nützlichkeit der Fremdsprache für die Kommunikation erkannt wird - was aber gerade jüngere Lernende nicht zwangsläufig nachhaltig motiviert. Hierbei spielt der Umgang mit Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen beim Sprachenlernen eine wichtige Rolle. Motivierend wirkt, dem gefundenen Muster nach, Erfolg dann, wenn Lernende dessen Ursachen im eigenen intentionalen Arbeitseinsatz begründet sehen (internale Lokation). Besonders demotivierend wirkt ausbleibender Erfolg dann, wenn die Ursachen auf eigenes Unvermögen zurückgeführt werden und wenn trotz Mühe kein Erfolg errungen wird (internale, nicht kontrollierbare Lokation). Weitere Komponenten für ausgeprägte wie mangelnde Motivation bzw. Motivationsschwankungen im Lernverlauf können unterrichtsmethodischen Variablen und der Lehrperson zugeordnet werden: Lehrende, eine abwechslungsreiche und zugleich herausfordernde methodische Gestaltung des Unterrichts können als mächtige Motivatoren wirken. Immer wiederkehrende Codes verweisen aber auf Demotivierung durch monotone Unterrichtsgestaltung, Leistungsdruck und Angst (u.a. vor den Lehrenden) sowie fehlende schulische Lerninhalte und -aktivitäten, die auch außerhalb des Unterrichts als bedeutsam erscheinen. Diese unterrichtsinternen Variablen haben folglich besondere Erklärungskraft für die Ausbildung einer kurzwie langzeitigen Motivation zum Erlernen des Deutschen. Die in Tab. 1 getroffene Unterscheidung zwischen Ländern, die sich in geographischer Nähe zu deutschsprachigen Ländern befinden (v.a. Europa), und Ländern, die geographisch weit entfernt sind, dient nicht nur der Herstellung einer besseren Übersichtlichkeit der Tabelle. Sie ist auch ein Ergebnis der deutlich unterschiedlichen Rolle kultureller Orientierungen in den Teilstudien, die diesen beiden Gruppen zugeordnet werden können. Kulturelle Orientierungen kommen in allen Teilstudien überwiegend in sehr allgemein gehaltenen Einstellungen zu Deutschland (selten werden andere 9 Je ne regrette pas de ne pas avoir choisi l’allemand car je pense que j’aurais eu des difficultés d’apprentissage et de mémorisation […]. (Frankreich_Lothringen_Bio15, Z. 8ff.) 40 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 deutschsprachige Länder genannt) zum Ausdruck. Auffällig ist aber, dass explizite Aussagen hierzu in den Datensammlungen aus Ländern mit geringer geographischer Entfernung zu deutschsprachigen Ländern unterrepräsentiert sind 10 ; nur in Einzelfällen sind sie von hohem und lernmotivationsbestimmendem Einfluss (besonders in Einzelfällen, die von hoher selbstbestimmter Verhaltensregulation geprägt sind). Ganz anders ist dies in den Studien zu Ländern in geographisch entfernteren Regionen: Dort wirken positive Einstellungen zu Deutschland, insbesondere ein sehr positives Deutschlandbild, Interesse für die deutschsprachige Literatur, Geschichte und Kultur(en) als wichtige und anhaltende Motivatoren für das Erlernen der deutschen Sprache. Als regionenübergreifendes Muster lässt sich hingegen ausmachen, dass auch bei fehlendem kulturellem Interesse für Deutschland/ deutsche Kultur(en) als initialem Auslöser, Deutsch lernen zu wollen, DaF-Lernende dennoch Informationen über deutschsprachige Länder und (alltägliche) Landeskunde als qualitätsstiftendes Element des Fremdsprachenunterrichts sehr schätzen. Als weiteres zentrales länderübergreifendes Muster wurde ermittelt, dass DaF in vielen Regionen der Welt an den Schulen und Hochschulen (sowie in der Erwachsenenbildung) oft gewählt und gelernt wird, wenn neben den oben genannten verpflichtenden (und weiteren personellen) Gründen auch allgemeine instrumentelle Motive vorhanden sind. Diese instrumentellen Orientierungen sind besonders dann ausgeprägt und Teil der Identitätsbildung, wenn auf Studium und Beruf gerichtete Ambitionen und Ziele mit ihnen verbunden werden und die Lernaktivitäten nicht vorrangig external reguliert sind. 11 Solche Ziele sind in der Regel mit dem Beruf des Deutschlehrers oder mit beruflichen Feldern in der Wirtschaft, bei internationalen Organisationen und im Tourismus sowie im Feld des Dolmetschens und Übersetzens verknüpft. Bei Schülern/ -innen und Studierenden in den ersten Studienjahren bleiben diese instrumentellen Motive oft eher im Allgemeinen und Unbestimmten und sind auf die generelle Verbesserung der Berufschancen (u.a. durch die Hoffnung auf ein Studium in Deutschland) ausgerichtet. Bei Studierenden in höheren Studienjahren und DaF-Lernenden im Kontext der Erwachsenenbildung lässt sich erkennen, dass ein Abgleich der Wünsche mit den tatsächlichen Chancen stattgefunden hat; ihre Lernziele sind deutlich konkreter und mit aktuellen bzw. kurzfristig erwarteten beruflichen und kommunikativen Bedarfen verbunden. Diese instrumentellen Orientierungen sind verwurzelt in vorhandenen Englischkenntnissen und der Zielsetzung, mit der Fremdsprache Deutsch ein weiteres und 10 Anders sieht dies in der kontrastiven Pilotstudie aus, die auf Re-Analysen der von R ABITA (2015) erhobenen Daten beruht. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein weiteres - durch eine erweiterte Impulsfrage operationalisiertes („Was denkst du über Deutschland, die Deutschen und die deutsche Kultur? “) - Erkenntnisinteresse verfolgt, den historisch-geographischen Kontext des Deutschlernens in der Region Lothringen zu berücksichtigen. Die gefundenen Muster weisen auf ein insgesamt positives Deutschlandbild hin, das nicht mit den ermittelten negativen Einstellungen zum schulischen DaF-Unterricht interagiert. 11 Am Gymnasium habe ich auch Deutsch gelernt aber es hat mich nicht so entzückt, weil ich sehr strenge Lehrerin hatte. Trotzdem habe ich am Uni Deutsch als die zweite Sprache gewählt. Ich wollte mehr als zwei Sprachen beherrschen, dass ich mehrere Möglichkeiten in meinem zukünftigen Beruf haben konnte. (Slowakei 2006_1_Bio07, Z. 2ff.) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 41 45 (2016) • Heft 2 gleichzeitig besonderes Element individueller Mehrsprachigkeitsprofile auszubilden, das den Inhaber dieses Profils besonders auszeichnet, da Deutsch als schwere Sprache gilt. Dieses Muster, eine gefundene Kernkategorie, fasse ich als „instrumentelles Exoten-Motiv“ zusammen. Die Analysen legen freilich auch reichlich Muster offen, die zeigen, dass DaF-Lernende die Instrumentalität des Exoten-Motivs häufig nicht hinreichend mit Leben füllen können, da sie ihre (oft langfristigen) beruflichen Ziele nicht angemessen im DaF- Unterricht wiederfinden und/ oder im Lebensumfeld das instrumentelle Potenzial der Fremdsprache Deutsch nicht ‚erlebt‘ wird, da konkrete Anwendungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt fehlen. 12 Auffällig ist, dass in der Frankreich-Studie gefundene Muster, die Instrumentalität inkludieren, unterrepräsentiert sind, selbst in der Teilstudie aus der grenznahen Region Lothringen. Hier dominieren Bildungs-, Kontakt- und Reisemotive, im schulischen Bereich außerdem ausgeprägt vorhandene external-extrinsische Regulationen und das Image des Deutschunterrichts als eines häufig ungeliebten 13 Elitefachs. Der instrumentelle Nutzen der Sprache wird zwar mitunter in den Sprachlernbiographien erwähnt, jedoch ohne dass ein Zusammenhang mit verhaltensregulierenden oder identitätsstiftenden Effekten deutlich wird. 4. Transnationale Herausforderungen für den DaF-Unterricht Aktuelle Zahlen und Analysen zu den Entwicklungen und Tendenzen der Nachfrage nach Deutschlernangeboten in der Welt liefert der vom Auswärtigen Amt herausgegebene Überblick über eine durch das Netzwerk Deutsch 14 organisierte Datenerhebung im Jahr 2015 (vgl. A USWÄRTIGES A MT o.J.). Mit dieser Dokumentation werden für die länderspezifischen und -übergreifenden Analysen komplementäre Informationen geliefert, die wichtige Randbedingungen für das Erlernen des Deutschen sichtbar machen. So geben sie u.a. Aufschluss darüber, wie zugänglich das Deutschlernen im Rahmen des staatlichen Schulsystems, durch das Hochschulangebot sowie durch außerschulische Lernangebote ist. Auffällig ist dabei für viele Länder der hohe Anteil der Schüler/ -innen an der Gesamtzahl der DaF-Lernenden. Einige Beispiele mit Blick auf meine Studie seien genannt: Für Armenien wird die Gesamtzahl von 31.809 DaF-Lernenden berichtet, davon 29.808 im Schulbereich. Für Frankreich werden insgesamt 1.005.444 DaF-Lernende, davon 998.749 an Schulen ermittelt, was im Vergleich mit der Datenerhebung im Jahr 2010 einen Rückgang um 39.136 DaF-Lernende bedeutet. 30.282 12 Gefunden wurde außerdem das Muster, dass fehlende instrumentelle Orientierung mit negativen Einstellungen zur Sprache interagiert und dazu führt, dass die Sprache erst gar nicht gewählt wird: Jag valde inte Tyska för att jag tycker språket är „fult“, låter konstigt och jag kände ingen anledning till varför jag skulle kunna språket. [Ich wählte nicht Deutsch, weil ich finde, dass die Sprache „hässlich“ ist, merkwürdig klingt und ich wüsste keinen Grund, warum ich die Sprache können sollte.] (Schweden_2013_Bio03, Z. 5f.) 13 „Apprendre l’allemand est pour moi un calvaire“. (Frank_Loth_Bio14, Z. 28) 14 Mitglieder des Netzwerks Deutsch sind: deutsche Botschaften, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Goethe-Institut, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und weitere Partnerorganisationen vor Ort. 42 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Schüler/ -innen lernen DaF in Madagaskar bei einer Gesamtzahl von 31.625 DaF-Lernenden (Zuwachs von 6.713 seit 2010). In der russischen Föderation lernen 1.129.018 Schüler/ -innen DaF bei einer Gesamtzahl von insgesamt 1.546.062 Lernenden (dramatischer Rückgang um 483.494 Lernende seit 2010). Solche Zahlen spiegeln wider, dass die Bedeutung des DaF-Lernens und damit auch die Stellung der deutschen Sprache in vielen Regionen der Welt (noch) davon profitieren, dass DaF im Kanon der schulischen Sprachenfächer seinen Platz findet. Gleichzeitig sind solche Zahlen immer auch ein Ergebnis spezifischer nationaler Entwicklungen (z.B. die durch die Implementation des französischen Schulsystems erfolgte Einführung des Wahlpflichtfachs DaF an Sekundarschulen in frankophonen Ländern Afrikas, hier: Madagaskar). Die noch in vielen Regionen vorhandenen, durch das nationale Bildungssystem geschaffenen günstigen Rahmenbedingungen können sich aber recht schnell ändern. So gibt es z.B. in Frankreich derzeit eine kontroverse bildungspolitische Diskussion um die von der Bildungsministerin ins Gespräch gebrachte Abschaffung der als elitär geltenden bilingualen und Europaklassen an den Mittelschulen; eine solche Abschaffung hätte gravierende Folgen für das schulische DaF-Angebot. In den Teilstudien wurde das Muster ermittelt, dass unter den Germanistikstudierenden sehr viele ehemalige Schüler/ -innen sind, die besondere Erfolge im Schulfach Deutsch erzielt haben und bei denen außerdem die Tendenz in Richtung einer intrinsischen Motivation erkennbar ist. Ein anderes, häufig gefundenes Muster deutet aber darauf hin, dass jüngere Lernende häufig nicht freiwillig das Schulfach Deutsch wählen. Bildungsambitionen der Eltern führen zur Anmeldung an Privatschulen mit verstärktem DaF-Angebot (Teilstudien Armenien und Georgien), Deutsch wird aufgrund des Rats von Eltern und anderen Familienmitgliedern oder wegen Peers gewählt oder es fehlen attraktive schulische Alternativangebote (Teilstudie Madagaskar). Mitunter wird sogar über die schlichte Zuweisung zu Deutschklassen berichtet, gegen die man sich nicht gewehrt habe (Teilstudie Frankreich/ Lothringen). Solche Muster weisen darauf hin, dass sich in den Ambitionen von DaF lernenden Schüler/ -innen, wenn sie denn überhaupt vorhanden sind, eher von Eltern und Gesellschaft an sie herangetragene und noch nicht hinreichend internalisierte Sollens-L2-Selbstkonzepte (Ought-to L2 Self) widerspiegeln, die nicht als ideale L2-Selbstkonzepte (Ideal L2-Self) internalisiert sind und daher nicht zu selbstbestimmteren oder gar zu intrinsischen Verhaltensregulationen führen. Solche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Angebote für schulischen DaF-Unterricht auf motivationale Nachhaltigkeitsprobleme stoßen. Der schulische DaF-Unterricht und auch alle anderen DaF-Angebote stehen vor ganz erheblichen Herausforderungen und sind aufgefordert, sich sowohl durch curriculare wie didaktische, allgemeine Lernziele betreffende und methodische Neujustierungen an geänderte Rahmenbedingungen und mit dem Fremdsprachenlernen verbundene Ambitionen anzupassen. Letztlich betreffen Entwicklungen in diesem Bereich die gesamte ‚Nahrungskette‘ der mit der internationalen Stellung der deutschen Sprache interagierenden Tätigkeitsfelder, beginnend bei den Berufschancen von jungen Menschen mit Deutschkenntnissen und Deutschlehrern/ -innen bis hin zur Hochschulgermanistik in nicht deutschsprachigen Ländern. Letztere ist aufgefordert, solche Entwick- L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 43 45 (2016) • Heft 2 lungen in der akademischen Ausbildung von Germanisten/ -innen und Deutschlehrern/ -innen in den zentralen Ausbildungsinhalten angemessen zu berücksichtigen. Abschließend ist festzuhalten, dass die in der internationalen L2-Motivationsforschung diskutierten Konzepte für die Erforschung des Lernens des Deutschen als Fremdsprache eine gute wissenschaftstheoretische Basis darstellen. Sie sind jedoch in ihren Dimensionalisierungen hinsichtlich der Spezifik der Zielsprache erheblich anzupassen und zu gewichten. Die in den Teilstudien ermittelte Interaktion zwischen (z.T. fehlenden) Ambitionen, Orientierungen und situativ verorteten unterrichtlichen Lernerfahrungen sind genauer zu untersuchen. Neuere prozesstheoretische Ansätze (vgl. D ÖRNYEI / H ENRY / M UIR 2016) liefern hier gute Anknüpfungspunkte. Das dort verwendete Bild hochmotiviert auf ein langfristiges Ziel ausgerichteten Fremdsprachenlernens als eines mitreißenden Stroms (directed motivational currents) sollte jedoch aus DaF- Perspektive hinterfragt werden und ggf. mit einem Fokus auf die Untersuchung von Prozessen der Demotivierung ergänzt werden. Außerdem sind die hier vorgestellten Ergebnisse noch umfänglich mit anderen für die L2 DaF vorhandenen Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Länderkontexten abzugleichen (vgl. exemplarisch B USSE 2015 und die anderen Beiträge in diesem Themenschwerpunkt). Sie sind auch dahingehend zu prüfen, welche Konsequenzen für die transnationalen und länderspezifischen DaF-Angebote und deren didaktisch-methodische Ausgestaltung zu ziehen sind. Literatur A MMON , Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin [etc.]: De Gruyter. A USWÄRTIGES A MT ( O .J.): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. Berlin, verfügbar als Print und online u.a. unter: https: / / www.goethe.de/ resources/ files/ pdf37/ Bro_Deutschlernerhebung_final2.pdf [25.6.2016]). B ARKHUISEN , Gary / B ENSON , Phil / C HIK , Alice (2014): Narrative Inquiry in Language Teaching and Learning Research. New York/ London: Routlegde. B ELMECHRI , Faiza / H UMMEL , Kirsten (1998): „Orientations and motivation in the acquisition of English as a second language among high school students in Quebec City“. In: Language Learning 48, 219-244. B USSE , Vera (2015): „Überlegungen zur Förderung der deutschen Sprache an englischen Universitäten aus motivationspsychologischer Perspektive“. In: Deutsch als Fremdsprache 52.3, 172-182. C LÉMENT , Richard / K RUIDENIER , Bastian G. (1983): „Orientations in second language acquisition: I. the effects of ethnicity, milieu, and target language on their emergence“. In: Language Learning 33, 273-291. D ECI , Edward L. / R YAN , Richard M. (1985): Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior. New York: Plenum Press. D ÖRNYEI , Zoltán (1990): „Conceptualizing motivation in foreign-language learning“. In: Language Learning 40, 45-78. D ÖRNYEI , Zoltán / H ENRY , Alastair / M UIR , Christine (2016): Motivational Currents in Language Learning. Frameworks for Focused Interventions. New York/ London: Routledge. 44 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 D ÖRNYEI , Zoltán / O TTÓ , István (1998): „Motivation in action: a process model of L2 motivation“. In: Working Papers in Applied Linguistics 4, 43-69. D ÖRNYEI , Zoltán / R YAN , Steven (2015): The Psychology of the Language Learner Revisited. New York/ London: Routledge. D ÖRNYEI , Zoltán / U SHIODA , Ema (Hrsg.) (2009): Motivation, Language Identity and the L2 Self. Bristol [etc.]: Multilingual Matters. E DMONDSON , Willis J. (2004): „Individual motivational profiles: the interaction between external and internal factors“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online) 9.2, http: / / tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/ index.php/ zif/ article/ view/ 487/ 463 (25.06.2016). F RANCESCHINI , Rita / M IECZNIKOWSKI , Johanna (Hrsg.) (2004): Leben mit mehreren Sprachen. Vivre avec plusieurs langues. Sprachbiographien. Biographies langagières. Bern [etc.]: Lang. G ARDNER , Robert C. (1985): Social Psychology and Second Language Acquisition. The Role of Attitudes and Motivation. London: Arnold. G ARDNER , Robert C. (2010): Motivation and Second Language Acquisition. 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Eine qualitative Studie zur Motivation schwedischer Deutschlerner. Unveröffentlichte Magisterarbeit im Fach Deutsch als Fremdsprache, Universität Bielefeld. K IRCHNER , Katharina (2004): „Motivation beim Fremdsprachenerwerb. Eine qualitative Studie zur Motivation schwedischer Deutschlerner“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online) 9.2, http: / / tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/ index.php/ zif/ article/ view/ 486/ 462 (25.06.2016). N OELS , Kimberly A. / P ELLETIER , Luc G. / C LÉMENT , Richard / V ALLERAND , Robert J. (2000): „Why are you learning a second language? Motivational orientations and self-determination theory“. In: Language Learning 50, 57-85. R ABITA , Hélène (2015): Motivation beim Deutschlernen in Lothringen: eine qualitative Studie zu Gründen französischer Fremdsprachenlerner der Sekundarstufe II für bzw. gegen das Erlernen des Deutschen. Unveröffentlichte Masterarbeit im Fach Deutsch als Fremdsprache und Germanistik, Universität Bielefeld. 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S TRAUSS , Anselm / C ORBIN , Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.. Ü LSBERG , Benjamin (2008): Die Motivation für Deutsch als Fremdsprache an Schulen in Armenien und Georgien: eine empirische Untersuchung auf der Basis von Sprachlernbiografien. Unveröffentlichte M.Ed.-Arbeit im Fach Germanistik, Universität Bielefeld. W EINER , Bernard (1986): An Attributional Theory of Motivation and Emotion. New York: Springer. W ILLIAMS , Marion / B URDEN , Robert L. / A L -B AHARNA , Safiya (2001): „Making sense of success and failure: The role of the individual in motivation theory“. In: D ÖRNYEI , Zoltán / S CHMIDT , Richard W. (Hrsg.): Motivation and Second Language Acquisition. University of Hawai’i: Second Language Teaching & Curriculum Center, 171-184. © 2016 Narr Francke Attempto Verlag 45 (2016) • Heft 2 M OSTAFA M ALEKI * L2-Motivation und „Possible Selves“ Ein vergleichender Blick in die Motivationsprofile von iranischen Deutsch- und Englischlernenden Abstract. Based on the data collected from Iranian English language learners and the results of a pilot survey for my ongoing dissertation project focusing on the motivation of Iranian German language learners, the present study seeks to explore the scope of motivation and „possible selves“ in GFL from a comparative perspective by employing the L2 Motivational Self System as the main theoretical framework. First results show that English and German show similar figures regarding the L2 motivation demonstrating an increasing instrumental orientation. A German speaking self has, however, a generally positive attitude towards the German language and society. 1. Einleitung Die 2005 erstmalig vorgestellte Theorie „L2 Motivational Self System“ (vgl. D ÖRNYEI 2005: 93ff.), kurz L2MSS, leitete eine neue Phase der L2-Motivationsforschung ein (vgl. D ÖRNYEI / U SHIODA 2009). Der Einbezug von Erkenntnissen der „Psychologie des Selbst“ und v.a. die bereits in den 1980er Jahren in der Psychologie diskutierte Idee der „possible selves“ (vgl. M ARKUS / N URIUS 1986) führte zu einem neuen Verständnis der L2-Motivation. Im iranischen Kontext war Motivation für das Fremdsprachenlernen bisher hauptsächlich Gegenstand der Erforschung im Bereich English as a Foreign Language (EFL). Sowohl die traditionelle Vorstellung über instrumentelle und integrative Orientierungen als auch die neueren Konzeptualisierungen in der L2-Motivationsforschung wurden in unterschiedlichen Lernkontexten, wie bei iranischen Englischlernenden und -studierenden, IELTS 1 -Vorbereitungskursen und auch in Schulen, untersucht (siehe Abschnitt 3.2.) Auch wenn Englisch als lingua franca im iranischen Bildungs- und Hochschulsektor weit verbreitet ist, bleibt diese Sprache eine „besondere“ im gesellschaftlichen Bewusstsein. Deutsch hingegen wird in weit kleinerem Umfang und - wie * Korrespondenzadresse: Mostafa M ALEKI , DAAD Informationszentrum Teheran, Dr. Shariati St., Yakhchal St., Keynejad St., Eslamieh East St., No.10, T EHERAN , Iran. E-Mail: Mostafa2054@yahoo.com Arbeitsbereiche: DaF, Sprachen- und Bildungspolitik, Hochschuldialog. 1 Das International English Language Testing System (IELTS) ist ein standardisierter Test für Englisch als Fremdsprache. L2-Motivation und „Possible Selves“ 47 45 (2016) • Heft 2 im Folgenden gezeigt werden wird - zu bestimmten instrumentellen Zwecken gelernt und gelehrt. Basierend auf den Ergebnissen einer Vorstudie inkl. der Pilotierung des für den DaF-Kontext adaptierten und weiterentwickelten Fragebogens im Rahmen meines Dissertationsprojekts über die Motivation von Deutschlernenden im Iran berichtet der vorliegende Beitrag über die wichtigsten Motivationsfaktoren von iranischen DaF-Lernenden. Mithilfe von vorhandenen Datenanalysen zur Erforschung des L2MSS im iranischen EFL-Kontext wird dabei versucht, einen Vergleich der beiden Sprachlernkontexte Englisch und Deutsch in Hinsicht auf die Relevanz des Konzepts des L2MSS zu präsentieren. Da es sich hier v.a. kulturell und sprachlich um einen spezifischen Lernkontext handelt, scheint es angebracht, vorab nicht nur die neueren theoretischen Ansätze in der L2-Motivationsforschung, sondern auch die situativen Grundlagen des iranischen Englisch- und Deutschunterrichts zu skizzieren. 2. Überblick über die L2-Motivationstheorie und L2-Motivationsforschung Die L2-Motivationsforschung ist durch unterschiedliche Phasen gekennzeichnet: „periods overlap and theories are not simply replaced in the consecutive stages but are built on and modified, thereby causing subtle interactions“ (vgl. B OO / D ÖRNYEI / R YAN 2015). Die von G ARDNER und L AMBERT eingeführte Unterscheidung zwischen der instrumentellen und integrativen Motivation (vgl. G ARDNER / L AMBERT 1972) sowie das von G ARDNER (1985) entwickelte socio-eductional model haben als bahnbrechende Theorien die Erforschung der L2-Motivation seit den 1970er Jahren geprägt. (Positive) Einstellungen gegenüber der Zielkultur und -gesellschaft, also die Idee von integrativeness, sind der Kern dieses Zugangs zur L2-Motivation. Die Bedeutung dieser Theorie wurde zunächst für französischlernende Kanadier nachgewiesen, sie war aber kaum aussagekräftig für Lernkontexte, in denen kein oder wenig (direkter) Kontakt mit Muttersprachlern besteht. Für EFL ist außerdem häufig unklar, welches genau die Zielkultur ist, mit der sich der Fremdsprachenlernende identifizieren könnte. Die Rolle des Englischen als Global English, die nicht mehr einem bestimmten Kontext zugehörig oder mit einer bestimmten Gemeinschaft zu assoziieren ist, führt zu einer Ambiguität bezüglich der ursprünglichen Auffassung von integrativeness und verlangt eine weiter gefasste Klassifikation von integrativer Motivation. In den frühen 1990er Jahren fand auch aus diesem Grund eine rege Diskussion um die Erweiterung des G ARDNER schen Modells statt, die sich an Entwicklungen der kognitiven und pädagogischen Psychologie orientierte und als „cognitive-situated period“ der L2-Motivationsforschung bezeichnet wird (D ÖRNYEI 2005). Stand die Variable ‚Wunsch, in eine andere Kultur- und Sprachgemeinschaft integriert zu werden‘ anfangs in der L2-Motivationsforschung im Fokus zahlreicher Studien, sieht man heute auf der aktuellen Forschungsagenda zahlreiche Untersuchungen zum Wunsch des Lernenden, die Kluft zwischen seinem jetzigen Stand der Entwicklung des Selbst und der idealisierten Vorstellung des Selbst 48 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 als Sprecher einer Fremdsprache zu reduzieren. Diese neue Phase geht auf D ÖRNYEI s Theorie des L2 Motivational Self System (L2MMS) zurück, die sich in den letzten Jahren in einer Reihe von Studien als richtungsweisend erwiesen hat. D ÖRNYEI (2005) zog erstmalig das Konzept der „possible selves“ nach M ARKUS und N URIUS (1986) heran und schlug vor, das Konzept der integrativen Motivation durch eine andere Variable zu ersetzen, nämlich durch das „Ideal L2 Self“. Das L2MSS beinhaltet kognitive, affektive und soziale Aspekte der L2-Motivation (vgl. M AC I NTYRE / M ACKINNON / C LÉMENT 2009). Die Motivation setzt sich laut dieser Theorie aus drei Komponenten zusammen (vgl. D ÖRNYEI 2009: 29): 1. „Ideal L2 Self“ (promotion focus), z.B. Antrieb durch den Wunsch des Lernenden, ein Sprecher der Zielsprache zu werden; 2. „Ought-to L2 Self“ (prevention focus), welches die Rolle der sozialen Umgebung hervorhebt und auf Verhinderung von Nachteilen und Sanktionen zielt; 3. „L2 Learning Experience“, also die positiven Erfahrungen des Lernenden beim Umgang mit der Fremdsprache. Die Bereicherung des Selbstkonzepts im L2MSS mit und in einer Fremdsprache - hier Deutsch und Englisch - findet innerhalb eines Prozesses statt, der stark von der jeweiligen Lernsituation und dem jeweiligen kulturellen Kontext abhängt. Die Entscheidung für das Erlernen einer Fremdsprache impliziert die Auseinandersetzung mit Ideal- und Soll-Einschätzungen, z.B. dem Wunsch nach einem besseren Status in der Gesellschaft, nach einer beruflichen Karriere oder das Streben nach einer „internationalen Identität“. Dabei handelt es sich weniger um eine Ablehnung des jetzigen Zustands als vielmehr um eine Weiterentwicklung und Bereicherung des Selbst. Die beiden instrumentellen und integrativen Orientierungen unterstützen sich dabei gegenseitig und helfen dem Fremdsprachenlernenden, sich seinem gewünschten Zustand anzunähern. Es gibt verschiedene „possible selves“ bei den Lernenden. Der Wunsch, die Diskrepanz zwischen dem „ideal self“ und „current self“ zu verringern, macht aus der Sicht des L2MSS die Motivation der L2-Lernenden aus. Der Lernende befindet sich in einer Situation, in der die Harmonie zwischen dem Selbstkonzept und der Umgebung/ Gesellschaft gestört worden ist, ausgelöst u.a. vom Druck von Gesellschaft und Familie und den wachsenden Wertschätzungen, die im Zusammenhang mit der Notwendigkeit des Erlernens einer Fremdsprache stehen. In solch einer Situation muss man sich bewegen, um die Harmonie wiederherzustellen - in der Konsequenz entscheidet sich die betroffene Person u.a. für das Erlernen der Fremdsprache. Die Zielsetzung des Fremdsprachenlernens besteht dann darin, die Visionen der Lernenden und (un-)realistisch-bildhafte Vorstellungen über ihre Zukunft mit und in einer Fremdsprache einer möglichst realistischmachbaren Selbstvorstellung anzunähern. Im Prozess des Fremdsprachenlernens aus einer motivationalen Perspektive laufen Vorgänge auf einer Mikro- und Makroebene ab, die miteinander interagieren. Auf der Makroebene befinden sich die langfristigen Ziele sowie die zwei ersten Komponenten des L2MSS, nämlich das Ideal L2 Self und das Ought-to L2 Self, da diese sich auf die meist verinnerlichten identitätsbezogenen Ziele und Selbstvorstellungen in der Zukunft L2-Motivation und „Possible Selves“ 49 45 (2016) • Heft 2 beziehen. Auf der Mikroebene befinden sich kurzfristige Motivationen u.a. mit der Funktion, die Visionen auf der Makroebene aufrechtzuerhalten. Auf dieser Ebene sieht sich der Lernende mit den bisher gemachten Lernerfahrungen im Fremdsprachenunterricht und außerhalb desselben konfrontiert, darunter Lehrwerk, Lehrer und auch Mitlernende. Dieser dritte Faktor des L2MSS, die L2 Learning Experience (fremdsprachliche Lernerfahrung), bezieht sich auch auf (meta-)kognitive Prozesse im Umgang mit Aufgaben, Lernschwierigkeiten und Lernstrategien. 3. Studien zum Deutsch- und Englischlernen im Iran 3.1 Kontextrelevante Lernbedingungen Aufgrund der seit Jahrhunderten bestehenden Kontakte zwischen Deutschen und Iranern besitzt die deutsche Sprache eine große historische und bildungsrelevante Bedeutung im Iran. Deutsch wird - hauptsächlich erst nach der Schule - an fünf Universitäten im Iran mit unterschiedlichen Schwerpunkten als Studiengang angeboten, und zwar in Bachelor-, Master- und PhD-Programmen. Der größte Teil der Interessenten lernt aber die deutsche Sprache außerhalb des akademischen und schulischen Bereichs an vielen Sprachinstituten, z.B. am Deutschen Sprachinstitut Teheran (DSIT). Mit ca. 9.000 Einschreibungen im Jahr 2014 und langen Wartelisten gehört das DSIT zu den größten Sprachkursbetrieben des Goethe-Instituts weltweit. Unter den Kursteilnehmenden sind diejenigen Studierenden stark vertreten, die einen weiterführenden Studiengang in Deutschland anstreben. Die Situation für die englische Sprache ist eine andere. Aus gesellschaftlicher Sicht wird die Kenntnis des Englischen als eine soziale Leistung und teilweise als Kennzeichen eines hohen Bildungsstandes und beruflichen Erfolgs wahrgenommen. Bilinguale Kindergärten werden immer populärer, Eltern besorgen zweisprachige Kinderbücher und englischsprachige Kinderfilme - das Englischlernen der Kinder ist mittlerweile bei vielen Familien, besonders in den Großstädten im Iran, in Mode gekommen. Englischangebote gehören außerdem zum festen Bestandteil des Curriculums im Primar-, Sekundar- und Tertiärbereich sowohl der staatlichen als auch der privaten Bildungssektoren, häufig ist Englischunterricht an der Schule und Universität obligatorisch. Auch wenn in der Schule Englisch als ein Schulfach erst ab der siebten Klasse angeboten wird, werden meist außercurriculare Sprachprogramme in der Schule organisiert. Im außerschulischen Kontext lernen Kinder ab dem 5./ 6. Lebensjahr an zahlreichen Sprachschulen, besonders in den Großstädten. Obwohl (noch) selten englischsprachige Studienprogramme an iranischen Hochschulen angeboten werden, sind im akademischen Bereich zertifizierte Englischkenntnisse, sei durch IELTS, TOEFL oder iranische Tests wie TOLIMO 2 , Voraussetzung für den Zugang zu manchen Master- und Promotionsstudiengängen. Es gibt zudem zahlreiche Studiengänge zur Vermittlung und Pflege der englischen Sprache an iranischen Universitäten. Außerhalb des akademischen Be- 2 The Test of Language by the Iranian Measurement Organization. 50 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 reiches ist die englische Sprache die dominante und meistgelernte Fremdsprache an zahlreichen Sprachinstituten. Abb. 1 fasst die Situation der Vermittlung der englischen und deutschen Sprache in unterschiedlichen Lernkontexten im Iran aus einer motivationalen Perspektive zusammen. Gezeigt wird, dass die Notwendigkeit zum Erlernen der beiden Sprachen unterschiedlich ausgeprägt ist. Die individuenspezifische Motivation außerhalb des universitären Kontextes zeigt am Beispiel des DSIT, dass sich die Lernenden oft zielorientiert und (hoch-)motiviert zu Deutschkursen anmelden. In solch einem Kontext ist zu erwarten, dass die instrumentelle Orientierung bzw. die funktionale Relevanz der deutschen Sprache dominiert. Es wird aber auch angenommen, dass sich die integrative Motivation und der Wunsch, sich der deutschen Kultur und Gesellschaft anzunähern, v.a. in Form der Bereicherung des Selbstkonzepts niederschlagen kann. Muttersprache In der Familie/ bei den Eltern Meistens Farsi als Erstsprache Emotionale Bindungen, Selbstverständlichkeit eines andauernden Erwerbs Notwendigkeit: kommunikative Bedürfnisse mit und in der Umwelt Fremdsprache In der Schule Außerhalb der Schule Englisch und Arabisch als Schulfach Sehr wenig Anwendung der Fremdsprache Deutsch nur an fünf Schulen in Teheran als Zusatzqualifikation Notwendigkeit: u.a. Zwang des Stundenplans, Leistungsdruck Englisch Fortentwicklung des kommunikativen Kontexts und demzufolge des eigenen Registers Sehr wenig Anwendung der Fremdsprache Notwendigkeit: Wertschätzung in der Gesellschaft, Eltern usw. An der Hochschule Außerhalb der Hochschule Viele Fremdsprachen als akademische Disziplinen Zahlreiche Studiengänge im Fach Englisch Deutsch an fünf Hochschulen Kaum zielgerichtete Motiviertheit Notwendigkeit: u.a. gruppencharakteristische Ziele, Arbeit, Abschluss und Studium Diverse Fremdsprachen, v.a. Englisch, an zahlreichen Sprachschulen Deutsch am Beispiel des DSIT: (Hoch-)motiviert mit klaren Zielen Kommunikationsbedürfnis im Iran selten „Funktionale Relevanz“ der Sprache Notwendigkeit: eher individuenspezifische Ziele, Studium und Beruf in Deutschland, Auswanderung usw. Abb. 1: Situativ-hypothetische Annahmen zur Motivation für DaF und EFL im Iran 3.2 Studien zum L2MSS im iranischen EFL-Kontext Die Erforschung der Motivation für das Deutschlernen im Iran ist ein bisher unerforschtes Feld. Die Motivation für EFL wurde hingegen umfänglich empirisch erforscht und wissenschaftlich diskutiert: Eine positive Korrelation zwischen der Einstellung zum Englischlernen im Allgemeinen und besonders gegenüber den betreffen- L2-Motivation und „Possible Selves“ 51 45 (2016) • Heft 2 den Zielkulturen und -gesellschaften und der Motivation gehört zu den Ergebnissen der Studie, die D ASTGHEIB (1996) bei einer Befragung von iranischen Medizin-Studierenden durchgeführt hat. Diese positiven Einstellungen seien aber oft mit persönlichen Vorteilen verbunden. Die instrumentellen und integrativen Orientierungen stehen dabei außerdem in einer hoch signifikanten Relation zueinander. Für Englisch als akademische Disziplin an der Universität hat u.a. V AEZI (2008) eine Studie durchgeführt, die zeigt, dass iranische Englischstudierende in instrumentellen und integrativen Kategorien hoch motiviert sind. Karrieregedanken, das Kennenlernen anderer Menschen und die effektive Nutzung des Internets waren die Hauptgründe für sie, Englisch studieren zu wollen. ‚Wissenserweiterung‘ und ‚Beruf‘ haben jeweils die höchsten Werte der instrumentellen Motivationsprofile bei einer weiteren Befragung erhalten. M ATIN (2007) hat festgestellt, dass bei einer integrativen Orientierung das Interesse für die englische Sprache selbst höher als die positive Einstellung gegenüber der Zielkultur und -gesellschaft ist. Bei einer Erhebung im Bachelorstudium der Englischdidaktik wurde herausgefunden, dass integrativ orientierte Studierende bessere Erfolge beim IELTS-Test erzielten als die instrumentell orientierten (S ADIGHI / M AGHSOUDI 2000). Erfasst wurde außerdem in dieser Studie, dass die EFL-Lernenden akademische und soziale Ziele verfolgen. Auch wenn die Erforschung der Motivation für EFL im Iran traditionell von G ARDNER s Unterscheidung zwischen instrumenteller und integrativer Motivation geprägt ist, wurden (z.T. parallele) Studien zur Untersuchung und Operationalisierung des L2MSS im Bereich EFL durchgeführt. In den iranischen EFL-Kontext wurde das L2MSS v.a. durch die empirischen Untersuchungen P API s eingeführt. Nach Befragung von mehr als 1.000 iranischen Englischlernenden in der Oberschule zeigt er (2010) die ersten Beweise für die Validität des L2MSS im iranischen EFL-Kontext. Er erstellte ein theoretisches Modell, in dem alle drei Komponenten des L2MSS einen positiven Einfluss auf die intended efforts (Lernmühe) haben, deren Auswirkung auf L2 Anxiety aber unterschiedlich ausgeprägt ist: Während das Ideal L2 Self und die L2 Learning Experience die Angst eher mildern, ist L2 Anxiety unter den Lernenden mit hohen Werten beim Ought-to L2 Self größer. In einer weiteren Studie wurden signifikante Relationen zwischen dem Motivationsverhalten und den von den Lehrkräften eingesetzten Motivationsstrategien im schulischen EFL-Kontext beobachtet (vgl. P API / A BDOLLAHZADEH 2011). Feststellbar war außerdem, dass eine wenig motivierte Gruppe von Studenten geringere Werte des Ought-to L2 Self aufweist, während hoch und wenig motivierte Lernende keine signifikanten Unterschiede beim Ideal L2 Self zeigten. Dies entspricht der Annahme, dass das Erlernen der englischen Sprache in direktem Zusammenhang mit dem Grad der Wertschätzung seitens der Familie und der Gesellschaft steht. Der Einfluss der Umgebung bezieht sich im schulischen Lernraum auf den Zwang im Studienplan oder auf Leistungsdruck. Außerhalb der Schule lässt sich die starke Motivation ausgehend vom Ought-to L2 Self hauptsächlich mit dem großen Wert, den v.a. Eltern auf die Englischbeherrschung ihrer Kinder legen, erklären. Basierend auf der Unterscheidung zwischen promotional und preventional (vgl. H IGGINS 1998) unterscheidet D ÖRNYEI (2005) zwischen instrumentellen Faktoren mit 52 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 Blick auf einen individuellen und zielorientierten Ausgang (promotion) und denjenigen instrumentellen Motiven, deren Ursache im Druck der Umgebung und Gesellschaft zu finden sind (prevention). Eine weitere empirische Untersuchung (vgl. P API / T EIMOURI 2012) wurde in drei unterschiedlichen Lernkontexten im Iran, nämlich Gymnasium, Oberschule und Universität, durchgeführt. Auffallend war in dieser Studie, dass die promotion-focused Variablen, darunter Ideal L2 Self, Einstellungen zur L2 Community und Instrumentalität (promotion) mit dem Alter steigen. Gleichzeitig lässt sich eine absteigende Tendenz mit zunehmendem Alter bei den prevention-focused Orientierungen feststellen. In diesem Zusammenhang zeigen die empirisch basierten Ergebnisse von T AHMOURESI / T EIMOURI / P API (2013), dass Englischlernende mit promotionfocused Orientierungen qualitativ besseres motivationales Lernverhalten zeigen. Das Ideal L2 Self stärkt danach die Bereitschaft zur Kommunikation mit Muttersprachlern und führt zu einem immer stärker verinnerlichten motivationalen Lernverhalten. In einer komparativen Studie untersuchen T AGUCHI / M AGID / P API (2009) die Wirksamkeit und Generalisierbarkeit des L2MSS in anderen Lernkontexten, die u.a. durch wenige Kontakte mit Muttersprachlern gekennzeichnet sind. Die Untersuchung stellt eine Weiterführung der Studien dar, die D ÖRNYEI / C SIZÉR / N ÉMETH (2006) in Ungarn durchgeführt haben: China, Japan und Iran waren Lernkontexte der Untersuchung zur Erläuterung der Integrativeness im Zusammenhang mit dem L2MSS. In einem Fragebogen mit 76 Items, bestehend aus 10 unterschiedlichen Dimensionen, lag der durchschnittliche Korrelationskoeffizient u.a. für das Ideal L2 Self und Integrativeness bei 0.50. Der Interpretation der iranischen Daten folgend beinhalten diese Motivationen u.a., einen guten Job zu finden und einen besseren sozioökonomischen Status zu erlangen, um Familie besser planen zu können und den Eltern Ehre zu bereiten. Diese verstärken das Ought-to L2 Self und zeigen den Einfluss der sozialen und familiären Umgebung auf diese Entscheidung. Verweisend auf die hohen Werte des Items „I study English in order to keep updated and informed of recent news of the world“ wird das Ergebnis auf das Ideal L2 Self und soziales Prestige zurückgeführt. Die positive Korrelationen zwischen Attitudes regarding the L2 community, Promotion Instrumentality und dem Ideal L2 Self zeigt, dass die Englischlernenden im iranischen Kontext ein auf die L2 bezogenes Selbstkonzept anstreben, das „both personally agreeable and professionally successful“ ist. 2014 wurde an iranischen Schulen eine weitere Studie zur Motivation für das Englischlernen durchgeführt. Anhand einer Cluster-Analyse identifizieren P API / T EIMOURI (2014) fünf unterschiedliche Gruppen bei mehr als hundert Englischlernenden, unter diesen promotionvs. prevention-orientierte Lernende (vgl. H IGGINS 1998). Dabei wurden die Items in Bezug auf das L2MSS übernommen, die bereits in anderen Lernkontexten wie Ungarn (vgl. D ÖRNYEI / C SIZÉR / N ÉMETH 2006), Japan und China (vgl. T AGUCHI / M AGID / P API 2009) verwendet wurden. Hier wurde festgestellt, dass eine Gruppe in allen Bereichen der Motivationsvariablen hohe Werte aufweist, nämlich die promotion-orientierte Gruppe mit hohen Werten für Ideal L2 Self, L2 Learning Experiences und Instrumentality Promotion sowie Einstellungen gegenüber der L2 Community als Indikator von Integrativeness. Unter dem Ideal L2 Self werden außerdem integ- L2-Motivation und „Possible Selves“ 53 45 (2016) • Heft 2 rative und intrinsisch-instrumentelle Orientierungen zusammengefasst (vgl. C SIZÉR / L UKÁCS 2010; T AGUCHI / M AGID / P API 2009). Die untersuchten Länder weisen insgesamt viele Gemeinsamkeiten in diesem Zusammenhang auf, jedoch handelt es sich beim Iran um ein offiziell islamisches Land. Im Vergleich mit den anderen Lernkontexten leben im Iran, u.a. aufgrund von Spannungen in den politischen Beziehungen mit englischsprachigen Ländern (v.a. den USA und Großbritannien), sehr viel weniger englische Muttersprachler. Trotzdem gilt Englisch als die erste und meist gelernte Fremdsprache in und außerhalb von Bildungseinrichtungen und Sprachinstituten. Ein angestrebtes Studium an angesehenen Universitäten in englischsprachigen Ländern wie den USA, Kanada und England gilt als instrumentelle Motivation für die intensive Beschäftigung mit der englischen Sprache. 3.3 Eigene Studie zum L2MSS im iranischen DaF-Kontext Der Sammelband „Identität und Fremdsprachenlernen, Anmerkungen zu einer komplexen Beziehung“ (B URWITZ -M ELZER / K ÖNIGS / R IEMER 2013) und v.a. der Beitrag R IE - MER s (2013: 223ff.) heben die Relevanz zukunftsorientierter Aspekte des Selbstkonzepts für die Fremdsprachendidaktik hervor. Das L2MSS wurde zwar erst kürzlich in einzelnen Studien im Bereich DaF untersucht (vgl. B URGHART et al. 2011; O KU - NIEWSKI 2012), man findet aber bisher keine bedeutenden Argumente, die darauf hindeuten würden, dass diese Theorie für DaF anwendbar ist. Neben den theoretischen Konzeptualisierungen scheint auch die forschungsmethodologische Herangehensweise an die L2-Motivation im Wandel begriffen zu sein. Die Abkehr von rein quantitativen zu qualitativen Forschungsansätzen, bekannt als „narrative turn“, zählt zu den aktuellen Tendenzen in diesem Zusammenhang (vgl. E LLIS 2003). Das derzeit laufende Dissertationsprojekt, eine Pionierarbeit mit etwa 400 Befragten, bedient sich dennoch eines quantitativen Forschungsdesigns, nicht zuletzt deswegen, weil damit konzeptuelle Rahmenbedingungen und grundlegende Datensätze für weitere (qualitativ ausgerichtete) Studien untersucht werden sollen. Angenommen wird im Allgemeinen, dass das beobachtbar große Interesse für das Deutschlernen im Iran außerhalb des universitären Bereiches auf die vier folgenden Motivationsfaktoren zurückzuführen sind: ‚Studium‘, ‚Beruf‘, ‚Familienzusammenführung‘ und ‚Auswanderung‘. Der Fragebogen umfasste in seiner Pilotversion vier Teile: a) soziodemografische Daten, b) Motivationskonzepte, c) Kontaktmöglichkeiten und Häufigkeit der Kontakte sowie d) direkte Fragen zur Motivation. In einem ersten Schritt wurde anhand von theoretischen Überlegungen und Items bereits vorliegender Instrumente für jede Motivationsdimension ein Itempool gebildet: 115 Items bilden 22 Dimensionen des Motivationskonstrukts ab, die auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit einer Abstufung von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 7 („trifft vollständig zu“) beurteilt werden. Die Items zur Operationalisierung des L2MSS wurden direkt von bestehenden Fragebögen (vgl. T AGUCHI / M AGID / P API 2009) übernommen. Im Folgenden wird über die Ergebnisse der für das Dissertationsprojekt durchge- 54 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 führten Pilotstudie mit 50 Befragten berichtet, an der Deutschlernende von drei unterschiedlichen Lernstufen - Anfänger (A2/ 2, N = 16), Mittelstufe (B2/ 2, N = 15) und Oberstufe (C1/ 1, N = 15) - teilnahmen. Ebenfalls erfasst wurde die Prüfungsnote (1 = beste Note und 5 = schlechteste Note; vgl. dazu auch Abb. 4). Faktor Mittelwert SD A2/ 2 B1/ 1 C1/ 1 A2/ 2 B1/ 1 C1/ 1 Beruf 5.07 6.36 5.25 .61 .31 .66 Studium 5.71 6.27 5.00 .64 .55 .73 Familienzusammenführung - 1.55 1.58 - .45 .49 Migration .29 .36 - .12 .15 - Abb. 2: Hauptfaktoren der DaF-Motivation Auf eine direkte Frage nach dem Hauptmotiv für das Deutschlernen („Warum lernen Sie Deutsch? “) konnten die Probanden bis zu drei Gründe auswählen. Die meisten Teilnehmer wählen ‚Studium in Deutschland‘, wobei die Anzahl der männlichen Befragten (N = 26, M = 5.25), die ein Studium in Deutschland anstreben, fast genauso hoch ist wie die von weiblichen (N = 24, M = 5.64). Die vermutete Kategorie ‚Familienzusammenführung‘ wurde nicht oft ausgewählt. Auf die Aussage „Ich lerne Deutsch, weil meine Partnerin/ mein Partner in Deutschland lebt“ antworten nur vier Personen mit „das trifft vollständig zu“. Die Mittelwerte für die Faktoren ‚Beruf‘ und ‚Studium‘ sind so hoch, dass man von einer stark instrumentellen Orientierung ausgehen kann (s. Abb. 2). Auch wenn mit dem Ziel, in Deutschland zu studieren, ein längerer Aufenthalt in Deutschland einhergeht, wird ‚Auswanderung/ Migration‘ selten als Grund angegeben. Der Grund kann einerseits darin liegen, dass in der iranischen Gesellschaft diese Begriffe oft mit sozialpolitischen Empfindlichkeiten in Verbindung gebracht werden. Diese Sensibilität führt deswegen oft dazu, dass von „studentischer Auswanderung“ gesprochen wird. Die vorhandene Vorstellung unter DaF-Lernenden, dass Auswanderung nicht als Grund für die Beantragung des Viusms erwähnt oder erahnt werden darf, führt außerdem dazu, dass der Begriff weniger auftaucht. 3.4 Weitere Ergebnisse der DaF-Pilotstudie und vergleichende Auswertung der L2MSS-Daten für DaF und EFL Abb. 3 gibt einen Überblick über die Korrelationen, die in der Pilotstudie zur Untersuchung der Motivation von iranischen DaF-Lernenden festzustellen sind. In den Daten der Pilotstudie (N = 50) korreliert (p = 0 < 0.01, r = 744 ** ) der Faktor Integrativeness (M = 5.39) hoch signifikant mit dem Faktor Ideal L2 Self (M = 5.54). Als criterion measures können generell die Intended Efforts, also die Mühe bewertet werden, die sich die Lernenden im Lernprozess geben. In den DaF-Motivationsdaten sind die Korrelationen (p = 0.001 < 0.01, r = 442 * ) zwischen den Faktoren Ideal L2 Self L2-Motivation und „Possible Selves“ 55 45 (2016) • Heft 2 und ‚Lernmühe‘ hoch signifikant. Außerdem weist die Dimension Integrativeness ähnliche Werte wie der in dieser Studie erstmalig untersuchte Faktor Ideal L2 Self auf. A B C D E F G A- Ideal L2 Self 1 .399 * .420 ** .411 * .683 ** .747 ** .442 ** B- Ought-to L2 Self .399 * 1 .367 * .623 ** .458 ** .158 .150 C- L2- Learning Experience .420 ** .367 * 1 .239 .477 ** .351 * .374 * D- Instrumentell (Prevention) .411 * .623 ** .239 1 .622 ** .125 .290 E- Instrumentell (Promotion) .683 ** .458 ** .477 ** .622 ** 1 .335 .435 * F- Integrativeness .747 ** .158 .351 * .125 .335 1 .643 ** G- Lernmühe .442 ** .150 .374 * .290 .435 * .643 ** 1 Abb. 3: Korrelation der Motivationsfaktoren (DaF-Pilotstudie) Dieses Ergebnis weist auf eine höhere Wahrscheinlichkeit hin, dass das Ideal L2 Self und somit das L2MSS als relevanter Faktor für die Lernmotivation für DaF im Iran gelten kann. Man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, dass auch die Relation zwischen den Faktoren ‚Lernmühe‘ und Integrativeness (p = 0 < 0.01, r = 643 ** ) eine deutlich signifikante ist. Für die Lernmühe und den Lernerfolg scheint Integrativeness eine große Rolle bei iranischen DaF-Lernenden zu spielen (vgl. auch die moderate Korrelation zwischen Integrativeness und Leistungsnote in Abb. 4). Ein besonderes Augenmerk sowohl bei DaFals auch EFL-Lernenden liegt aber offensichtlich auf den instrumentellen Orientierungen. Bei den Deutschlernenden im DSIT zeigen sich auch integrative Orientierungen. Diese sind aber (u.a. wegen der fehlenden Kommunikationsmotive) stark mit instrumentellen und pragmatischen Anreizen verbunden. Man kann deswegen zu dem Schluss gelangen, dass die Rekonzeptualisierung von Integrativeness innerhalb des Ideal L2 Self in solch einem Kontext die Relevanz der instrumentellen Motivation betont. Nicht zuletzt deswegen korrelieren instrumentelle Motivationen und das Ideal L2 Self positiv (r = .411, .683 ** ), welche aber nicht mit Integrativeness in einer signifikanten Relation (r = .125, .335) stehen. Instrumentalität ist bei DaF-Lernenden im Vergleich zu EFL-Lernenden verhältnismäßig stärker ausgeprägt. A B C D A Integrativeness 1 .747 ** .643 ** -.494 ** B Ideal L2 Self .747 ** 1 .442 ** -.606 ** C Lernmühe .643 ** .442 ** 1 -.479 ** D Leistungsnote -.494 ** -.606 ** -.479 ** 1 Abb. 4: Korrelation L2MSS und Lernmühe (DaF-Pilotstudie) 56 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 α Item M SD Ideal L2 Self .73 6 5.54 .922 Ought-to L2 Self .84 6 3.08 1.67 Learning Experience .59 9 5.37 1.2 Abb. 5: L2MSS-Werte (DaF-Pilotstudie) Die Bedeutung der Prevention Instrumentality ist im Kontext EFL auf das vorhandene Bewusstsein und die Überzeugung in der Gesellschaft und Familie zurückzuführen, dass englische Sprachkenntnisse eine unabdingbare Notwendigkeit für eine Karriere unterschiedlicher Art (akademisch, beruflich usw.) in und außerhalb der iranischen Gesellschaft sind. Die höheren Werte bei Promotion Instrumentality für DaF zeigen aber klare Ziele, die die Lernenden mit dem Deutschlernen zu erreichen versuchen. Diese lassen sich damit begründen, dass bei dem weitaus kleineren Kreis von DaF-Lernenden die Anwendbarkeit des Deutschen in den allermeisten Fällen nur außerhalb des Irans möglich ist und oft mit der (studentischen) Migration und dem (Studenten-)Visum verbunden ist. Ein längerer Aufenthalt in Deutschland erfordert aber eine genaue Planung. Die Konzentration auf diese Planung bedeutet, dieses Ziel hartnäckig im Blick zu behalten. Hingegen sind für EFL auch im iranischen akademischen und beruflichen Raum Anwendungsmöglichkeiten vorstellbar. Aus den Analysen geht klar hervor, dass die Lernmotivation für DaF im iranischen Kontext hohe Werte in Bezug auf das L2MSS, v.a. bei den Komponenten Ideal L2 Self und L2 Learning Experience haben (s. Abb. 5). Die vergleichsweise niedrigeren Mittelwerte beim Ought-to L2 Self bestätigen in der Tat die oben dargestellten Argumente in Bezug auf die starke instrumentelle Motivation unter iranischen DaF-Lernenden. Sowohl für Englischlernende (vgl. P API / T EIMOURI 2014: 511, Table 5) als auch für Lernenden der deutschen Sprache mit promotion-instrumentellen Orientierungen lassen sich hoch signifikante Zusammenhänge mit den Komponenten des L2MSS feststellen. Während die Korrelation der Intrumentality Promotion mit dem Ought-to L2 Self für EFL eher mäßig ist, zeigt sich diese Relation im DaF-Bereich (r = .45 ** ) statistisch hoch signifikant (s. Abb. 3). Das lässt den Schluss zu, dass sich DaF-Lernende Deutsch mit klaren Zielsetzungen aneignen möchten. Dabei ist im Hinblick auf die hoch signifikante Korrelation zwischen instrumenteller Motivation (prevention) und Ought-to L2 Self (r = .62**, s. Abb. 3) zu berücksichtigen, dass den DaF-Lernenden u.a. die Wichtigkeit guter Noten und das Bestehen der Sprachprüfungen bewusst ist, um etwa die nötigen Sprachzertifikate (z.B. mindestens B1 für die Beantragung des Visums) für einen deutschsprachigen Studiengang in Deutschland oder die Aufnahme einer Berufstätigkeit in Deutschland zu erwerben. Das Fragebogen-Item 59 zur Dimension ‚instrumentelle Orientierungen, prevention‘ („Ich muss Deutsch lernen, da ich keine schlechten Noten bei Deutschprüfungen bekommen möchte.“) korreliert statistisch hoch signifikant mit der Lernmühe (r = .464 **) . Das motivationale Lernverhalten korreliert auch in fast allen bisherigen Untersuchungen zu EFL mit L2 Learning Experience L2-Motivation und „Possible Selves“ 57 45 (2016) • Heft 2 (vgl. C SIZÉR / K ORMOS 2009). Die Analyse der Daten ergibt einen statistisch signifikanten Effekt (r = .42 ** , s. Abb. 3) für idealisierte Selbstvorstellungen seitens der positiven Lernerfahrungen im und außerhalb des Fremdsprachenunterrichts. Zusammenfassend kommt die DaF-Pilotstudie zu dem Ergebnis, dass tendenziell höhere Werte bei Komponenten des L2MSS mit positiven Effekten unterschiedlicher Intensität auf die Lernmühe einhergehen. Es ergibt sich insgesamt die in Abb. 6 zusammengefasste schematische Darstellung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Motivationsvariablen. Abb. 6: Schematische Darstellung der Zusammenhänge (DaF-Pilotstudie) 4. Deutschlernen im Vergleich zum Englischlernen und das ‚deutschsprachige Selbst‘ In Bezug auf die unter Abschnitt 2 angeführte Verortung der drei Komponenten des L2MSS auf der Makro- und Mikroebene kann man die idealisierten Selbstvorstellungen in und mit der deutschen Sprache zusammen mit den Soll-Einschätzungen auf einer Makroebene und die Lernerfahrungen im und außerhalb des Unterrichtsraums auf einer Mikroebene darstellen. Auffällig ist, dass die idealisierten Selbstvorstellungen stark von instrumentellen Motivationen mit einem promotion focus (z.B. Studium in Deutschland) unterstützt werden. Dies entspricht der Annahme, dass viele DaF-Lernende ihr ideales Selbstkonzept u.a. am Bild eines internationalen Studierenden, der an einer deutschen Hochschule einen deutschsprachigen Studiengang studiert, orientieren. Die Stärkung der idealisierten Selbstvorstellungen durch positive Lernerfahrungen ist u.a. dadurch zu erklären, dass die Lernatmosphäre am DSIT die Möglichkeit bietet, in einer freundschaftlichen Atmosphäre über die Zukunft und Vorstellungen der Lernenden zu diskutieren. Instrumentell (Promotion) Lernerfahrungen Instrumentell (Prevention) Idealisierte Selbstvorstellung Leistungsnoten Lernmühe Soll-Einschätzungen .47** .44** .60** .68** .45** .42** .44** .41** .62** 58 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 Von besonderer Relevanz sowohl für das Deutschals auch das Englischlernen im Iran scheint die soziokulturelle Umgebung zu sein: Das grundsätzliche Bedürfnis nach Beherrschung des Deutschen und Englischen kommt im iranischen Kontext weniger unmittelbar aus der Lebenswelt der Lernenden selbst als vielmehr aus einer Motivierung von außen. Die sozialen Faktoren aus der Umwelt, wie etwa die Möglichkeit von Kontakten zu Muttersprachlern, die Wertschätzung seitens der Familie sowie der Bildungsstand und das Vorhandensein der Fremdsprachenkenntnisse im Elternhaus, spielen hier eine große Rolle. Eine wesentliche Rahmenbedingung für das Deutschlernen (und auch für das Englischlernen) stellt der Mangel an Interaktion dar: Außerhalb des Fremdsprachenunterrichts findet kaum Interaktion mit Muttersprachlern statt. Auch wenn die Daten der DaF-Pilotstudie eine positive Einstellung gegenüber den Zielkulturen und -gesellschaften zeigen, lässt sich dies kaum als realitätsbezogene Einschätzung interpretieren. Der Grund liegt weniger darin, dass es selten Möglichkeiten für direkte Kontakte mit deutschen Muttersprachlern gibt, als vielmehr in einer sehr stark instrumentellen Orientierung, die nur wenig Raum für weitere Motivationsvariablen lässt. Das Motiv ‚Studium in Deutschland‘ impliziert einerseits eine Instrumentalisierung der Motivation und das Studium ist andererseits selbst ein Instrument zur Förderung der deutschen Sprache; weitere Motive sind die hohe Anerkennung erworbener Bildung und beruflicher Qualifikationen in Deutschland. Viele entscheiden sich für Deutschland als Studienstandort, nicht zuletzt deswegen, weil Deutschland attraktive Studienmöglichkeiten bietet, die vergleichsweise qualitativ gut und kostengünstig sind. Auch Motive der Berufsausübung in Deutschland sind hier zu benennen. Die Berufsmotivation ist teilweise Ausdruck der Auffassung unter den Lernenenden, dass die erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen in und mit der deutschen Sprache eine weltweite Bedeutung haben. Obwohl es viele englischsprachige Studiengänge in Deutschland gibt, ist den Deutschlernenden bewusst, dass eine berufliche Karriere in Deutschland ohne die deutsche Sprache wenig vorstellbar ist. Nicht wenige Deutschlernende erwägen auch englischsprachige Studiengänge in Kanada, den USA oder ostasiatischen Ländern wie Malaysia. Ein weiterer Punkt ist, dass in Deutschland mittlerweile etwa 6.000 Studierende aus dem Iran studieren. Zu den kontextspezifischen Faktoren gehört außerdem, erfolgreichen Freunden und Bekannten nachzueifern. Mit der Weiterentwicklung des Selbstbilds geht in den allermeisten Fällen ein beabsichtigter Ortswechsel einher, hauptsächlich zum Zweck des Studiums und der beruflichen Karriere in Deutschland. Deutschlernen wird dabei nicht zum Selbstzweck, sondern ein Weg zum Ziel. Bemerkenswert ist, dass ein ‚deutschsprachiges Selbst‘ in den meisten Fällen im Zusammenhang mit der Zielgesellschaft bzw. dem Zielsprachenland steht. Gerade dies deutet darauf hin, dass eine soziopsychologische Perspektive für die iranische DaF-Motivationsforschung weiter von Gewinn sein könnte. Betrachtet man die Ergebnisse im Detail, so deuten die Motivationsprofile und deren Analyse darauf hin, dass die Unterschiede zwischen EFL und DaF nicht groß sind, was die Ausprägung des L2MSS für beide Sprachen angeht. Das Übertragen dieses Theorieansatzes auf DaF erfordert aber noch weitere Studien. Die Datengrundlage L2-Motivation und „Possible Selves“ 59 45 (2016) • Heft 2 der Vorstudie mit 50 Teilnehmenden liefert in erster Linie Hinweise auf einige Besonderheiten, die in der weiteren Diskussion zu beachten sind. Auf der Basis der Pilotstudie kann man nun argumentieren, dass es für Deutschlernende im Iran (objektiv) wichtig und (subjektiv) wünschenswert ist, Deutsch zu lernen bzw. sich für Deutsch als Fremdsprache zu entscheiden. Die Objektivität dieser Entscheidung zeigt sich in klaren Zielen und instrumentellen Motivationen (Studium, Job usw.). Die Subjektivität lässt sich damit begründen, dass die Probanden trotz fehlender Kontakte mit der Zielgesellschaft und -kultur auch integrative Motivationsprofile aufweisen. Die (instrumentelle) Wichtigkeit von Deutschkenntnissen für ihre zukünftige Karriere ist den iranischen Deutschlernenden im DSIT wohl bewusst. Sie sehen aber das Deutschlernen auch als ein Mittel, sich eine bessere Bildung zu verschaffen - eine Erweiterung des Selbstkonzepts mit klaren Zielen und dabei soziokulturellen Intentionen. Die deutsche Sprache ist etwas Besonderes im Iran, genauso wie Deutschland selbst. Deutschland genießt einen guten Ruf in der iranischen Bevölkerung. Der Nützlichkeitsaspekt des Deutschlernens ist kombiniert mit der durchweg positiven Einstellung gegenüber den unterstellten Grundcharakteristika deutschsprachiger Menschen. Ein ‚deutschsprachiges Selbst‘ kann im iranischen DaF-Kontext durch verschiedene Orientierungen von ebenfalls unterschiedlicher Natur bestimmt sein. Die DaF-Lernenden versprechen sich zumeist von ihren deutschen Sprachkenntnissen persönliche Vorteile, die stark nach instrumentellen Motiven ausgerichtet sind. Das entwickelte Selbstkonzept mit und in der deutschen Sprache beruht auf idealisierten Selbstvorstellungen (Ideal L2 Self) und steht in Harmonie mit den gesellschaftlichen Anforderungen (Ought-to L2 Self), v.a. beruflich und akademisch erfolgreich zu sein. Das neue bzw. sich erweiternde Selbstkonzept wird durch positive Einstellungen gegenüber der Zielgesellschaft gefördert und von positiven Lernerfahrungen unterstützt. Dies ist für iranische DaF-Lernende aber oft nicht allein mit dem Deutschlernen, sondern mit der (erwogenen) Auswanderung nach Deutschland verbunden. Die räumliche und gesellschaftlich-kulturelle Verortung des neuen Selbstkonzepts (hauptsächlich wegen der „Studierendenmigration“) stellt daher eine Besonderheit in der Diskussion über die Operationalisierung der L2MSS im iranischen DaF-Kontext dar. 5. Schlussfolgerungen Deutsch und Englisch unterscheiden sich im iranischen Lernkontext zwar erheblich hinsichtlich der Zahl der Lernangebote und Lernenden voneinander. Bezüglich der L2- Motivation zeigen sich jedoch teilweise ähnliche Verhältnisse. Die englische Sprache wird zwar in der iranischen Gesellschaft und v.a. im Bildungskontext als eine international und instrumentell sehr wichtige Sprache wahrgenommen, darf aber weniger als eine Welt- und Kommunikationssprache innerhalb der iranischen Gesellschaft bezeichnet werden. Es fehlt an direkten Kontakten mit der Zielsprache und -gesellschaft. Aus dem gleichen Grund ist die deutsche Sprache im Iran keine Kommunikationssprache, die u.a. zur Identifizierung mit einer anderen kulturellen und sprachlichen Gemein- 60 Mostafa Maleki 45 (2016) • Heft 2 schaft gelernt würde. Nicht zuletzt deswegen lässt sich eine stark instrumentelle Orientierung zum Erlernen der deutschen Sprache nachweisen. In dem im Vergleich mit EFL für DaF eher kleinen Lernkreis lassen sich aber auch Motivationsprofile feststellen, die auf eine weltweit relevante Funktion der deutschen Sprache zielen, z.B. deren Relevanz für eine internationale berufliche Karriere. Die allgemein wohlwollende Einstellung gegenüber Deutschland und den Deutschen in der iranischen Gesellschaft, der gute Ruf der deutschen akademischen Landschaft und der beruflichen Karrieremöglichkeiten und viele familiäre Bindungen an Deutschland finden ihren Ausdruck in der Motivationsfülle der iranischen DaF-Lernenden. Im Vergleich mit den Daten aus der EFL-Motivationsforschung machen die Befunde der ersten Befragung unter DaF-Lernenden bei aller gebotenen Vorsicht darauf aufmerksam, dass der Begriff Integrativeness im iranischen DaF-Kontext durch den Begriff der idealisierten Selbstvorstellungen (Ideal L2 Self) in und mit der deutschen Sprache ersetzt werden kann. Während sich die Items in gängigen Fragebögen zum L2MSS speziell auf die englische Sprache beziehen, sind diese verhältnismäßig allgemein auf den DaF-Kontext übertragbar. Eindeutig klar wird aber hier die Notwendigkeit einer inhaltlichen Differenzierung. Es scheint daher angebracht, auf die oben hervorgehobenen Besonderheiten des Deutschlernangebots und des Deutschlernens im iranischen Kontext hinzuweisen, die insbesondere die Bedeutung von sozio-ökonomischen Gegebenheiten in der Ausgangs- und Zielkultur hervorheben. Gerade in instrumentellen Motivationsprofilen können sich Verschiebungen hinsichtlich der Motivationsarten in Änderungen in der wirtschaftlichen und beruflichen Lage in den Ausgangs- und Zielgesellschaften begründen. Literatur B OO , Zann / D ÖRNYEI , Zoltán / R YAN , Stephen (2015): „L2 motivation research 2005-2014: Understanding a publication surge and a changing“. In: System 55, 145-157. 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The data analysis of several studies reveals a twofold motivation; first, learners consider language skills as an add-on qualification; and second, learners see proficiency in another language as part of their identity and personal development. The findings are discussed in the Australian context and it will be argued that globalisation increases the need for multilingual speakers even if their L1 is English. The article concludes by discussing some of the study’s implications for curriculum design. 1. Einleitung Heutzutage wird in vielen Ländern für Deutsch als zweite Fremdsprache nach dem Englischen geworben (vgl. R OGGAUSCH 2009: 7), weshalb sich die Frage stellt, welche Bedeutung Deutsch in Ländern mit Englisch als dominanter Erstsprache hat. Mit welchen anderen Fremdsprachen konkurriert Deutsch, und welcher Nutzen wird Fremdsprachenkenntnissen überhaupt beigemessen? Wenn noch hinzukommt, dass sich das Land geografisch weit entfernt von den deutschsprachigen Ländern befindet, ergibt sich nicht nur eine komplexe Situation, sondern auch ein interessanter Forschungsgegenstand für die L2-Motivationsforschung. Dieser Artikel beschäftigt sich mit ebensolcher Ausgangssituation, indem er die Motive für das Fremdsprachenlernen in Australien untersucht. Während der Schwerpunkt auf dem universitären Sprachenlernen liegt, wird auch auf allgemeine sprachenpolitische Entwicklungen sowie auf das Sprachenlernen im Sekundarbereich eingegangen. Nach einem allgemeinen Überblick über den Stellenwert von Fremdsprachen in Australien im zweiten Teil werden relevante Studien zur L2-Motivationsforschung im australischen Kontext vorgestellt. Im vierten Teil werden dann neuere Daten zur Motivation zum Sprachenstudium in Australien präsentiert. Abschließend wird erörtert, welche Schlussfolgerungen sich aus den Ergebnissen für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen in Australien ergeben. * Korrespondenzadresse: Dr. Gabriele S CHMIDT , Australian National University, School of Literature, Languages & Linguistics, Baldessin Precinct Building 110, C ANBERRA ACT 2601, Australien. E-Mail: Gabriele.Schmidt@anu.edu.au Arbeitsbereiche: Fremdsprachen im Hochschulbereich, L2-Motivationsforschung, Deutsch in Australien. Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 63 45 (2016) • Heft 2 2. Der Stellenwert von Fremdsprachen in Australien Bereits vor hundert Jahren wies G ALWAY (1917: 15) auf die besondere Schwierigkeit hin, dem das Fremdsprachenlernen in Australien unterliegt, dass nämlich ohne unmittelbare Nachbarländer der Anreiz zum Erlernen von Fremdsprachen fehle. An dieser Einstellung scheint sich trotz zunehmender Globalisierung bis heute nicht viel geändert zu haben, wie die folgende Aussage eines Deutschstudenten aus dem Jahr 2013 zeigt: you kind of have to make a conscious decision to want to learn another language when you live in a place like Australia because (.) because otherwise there is no real incentive to if you're never going to leave you can stay here your whole life and work and live comfortably but never have to speak any other words than English [Daniel Interview 3/ Teil 48]. 1 Solche Äußerungen spiegeln das wider, was C LYNE (2005: xi) einen in der australischen Gesellschaft tief verankerten monolingualen Habitus nennt, der eigentlich überraschen müsste, wenn man bedenkt, dass Australiens Sprachenlandschaft reich an Aborigine- und Einwanderersprachen ist. Bei der letzten Volksbefragung im Jahr 2011 gab zum Beispiel knapp ein Fünftel (19 %) der Bevölkerung (5 Jahre alt und älter) an, zu Hause nicht Englisch zu sprechen (vgl. A USTRALIAN B UREAU OF S TATISTICS 2013). Eine genaue Analyse der Ursachen für die weit verbreitete Einsprachigkeit würde das Ausmaß dieses Artikels sprengen. Im Folgenden wird vornehmlich auf zwei bildungspolitische Entwicklungen eingegangen, die die Rahmenbedingungen für das universitäre Lehren und Lernen von Fremdsprachen in Australien folgenschwer beeinflusst haben. Erstens führten Curriculumreformen in den 1950er und 1960er Jahren zu einer Abschaffung von Pflichtfremdsprachen sowohl für den höchsten australischen Schulabschluss als auch für die Hochschulzulassung. Diese Entscheidung führte zu einem starken Rückgang beim Fremdsprachenunterricht an Schulen (vgl. B ARKO 1996: 6). Seit Jahren liegt der Anteil der Schüler und Schülerinnen, die in der 12. Jahrgangsstufe eine Fremdsprache lernen, unverändert bei ca. 13 % (C URNOW 2010: 38). Die wenigen Pflichtstunden, die für den schulischen Fremdsprachenunterricht angesetzt sind, finden in der Regel in den ersten Jahren der Sekundarstufe I statt, was bedeutet, dass bei Studienbeginn der letzte Fremdsprachenunterricht oft bereits mehrere Jahre zurückliegt und viele Studierende nach einem Einstufungstest wieder von vorne anfangen (vgl. J ANSEN / S CHMIDT 2011: 166). Derzeit wird versucht, ein nationales Curriculum (Australian Curriculum) für die Primar- und Sekundarstufe I zu entwickeln, um den Umfang und die Kontinuität des Fremdsprachenunterrichts zu erhöhen. Aufgrund des australischen Föderalismus, unter dem die Bundesstaaten die letztendliche Entscheidungsgewalt über bildungspolitische Fragen haben, sind Experten und Expertinnen aber skeptisch, ob sich die geplanten Veränderungen durchsetzen werden (vgl. N ICHOLAS 2014: 168). 1 Die Aussage stammt aus der Studie, deren Ergebnisse im vierten Teil dieses Artikels präsentiert werden. Alle Namen sind Pseudonyme. 64 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 Zweitens führten einschneidende Kürzungen im Bildungsetat Ende der 1990er Jahre zu einer Kommerzialisierung des australischen Hochschulwesens. Laut M ARTIN (2005: 69) gehörten Fremdsprachen zu den am stärksten betroffenen Disziplinen. Um ihre Immatrikulationszahlen und die damit verbundenen Einnahmen aus den Studiengebühren zu erhöhen, sahen sich viele Fremdsprachenabteilungen gezwungen, „neue Märkte“ zu erschließen, indem sie ihre Kurse auch für Studierende öffneten, die eine Fremdsprache nicht als Hauptfach studieren oder aus anderen Fakultäten kommen (P AUWELS 2002: 17). Eine Studie von Schmidt aus dem Jahr 2005 (publiziert in S CHMIDT 2011) hat gezeigt, dass fast ein Drittel von 520 befragten Deutschstudierenden keinen geisteswissenschaftlichen Studiengang absolvierte, sondern Natur- und Wirtschaftswissenschaften bzw. Ingenieurwissenschaften/ IT als Studienschwerpunkt hatten. Dieser Trend der Öffnung von Studiengängen für Studierende von anderen Fakultäten hat sich in den letzten Jahren noch weiter verstärkt. Während anfangs vor allem die vorher genannten finanziellen Gründe im Vordergrund standen, haben in den letzten Jahren mehrere australische Universitäten ihre Studienordnungen in dem Sinne reformiert, dass das Bachelor-Studium breit angelegt ist und Kurse von außerhalb der eigenen Fakultät verlangt werden. Die fachliche Spezialisierung erfolgt dann erst im Master-Studium. Bekannte Vorreiter dieser Entwicklung sind die Universität Melbourne und die University of Western Australia. In allen Fällen haben derartige strukturelle Veränderungen zu einem starken Anstieg von Studierenden geführt, die eine Fremdsprache lernen (vgl. H AJEK 2014; C ARUSO / B ROWN 2015), wenn auch vor allem im Anfängerbereich und oftmals nur für wenige Semester (vgl. N ETTELBECK et al. 2007). Das steigende Interesse an Fremdsprachen in einem englischsprachigen Land wie Australien bestätigt S HARIFIAN s (2014: 49-52) Analyse, dass die besondere Rolle von Englisch als internationale Sprache in einer globalisierten Welt nicht unbedingt das Ende von anderen Sprachen bedeutet, sondern dass Mehrsprachigkeit gerade im Zeitalter von Globalisierung einen neuen Wert bekommt. Welchen Wert australische Studierende mit Fremdsprachenkenntnissen verbinden, wird im Folgenden untersucht. 3. L2-Motivationsforschung im australischen Kontext Mit der L2-Motivationsforschung werden insbesondere die beiden kanadischen Sozialpsychologen G ARDNER und L AMBERT verbunden, deren Konzept von integrativen und instrumentellen Orientierungen (G ARDNER / L AMBERT 1972) die L2-Motivationsforschung bis heute stark beeinflusst. Die von ihnen etablierte quantitative Forschungstradition, die über Jahrzehnte in der L2-Motivationsforschung vorherrschte, lässt sich auch in verschiedenen, Anfang der 1990er Jahre veröffentlichten Studien zur L2-Motivation von australischen Sprachstudenten und -studentinnen wiederfinden. Die erste umfangreiche Untersuchung wurde 1990 von H UTCHINSON im Rahmen der Studie von L EAL / B ETTONI / M ALCOLM (1991: 345-389) durchgeführt. H UTCHINSON befragte 144 Universitätsstudierende, die sich im dritten Jahr ihres Fremdsprachenstudiums befanden und vornehmlich (72 %) eine europäische Sprache (Deutsch, Franzö- Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 65 45 (2016) • Heft 2 sisch, Italienisch, Spanisch) lernten, unter anderem nach ihren Gründen, eine Fremdsprache zu studieren. Die Datenanalyse ergab, dass die Einzelmotive sowohl instrumentelle Gründe, z.B. bessere Berufsaussichten, als auch eine allgemeine Freude am Sprachenlernen und kulturelle Neugier umfassen. H UTCHINSON warnte bereits damals davor, dass Universitäten nicht ausschließlich sprachliche Fertigkeiten, sondern auch kulturelle Inhalte vermitteln sollten, da beide - Sprache und Kultur - voneinander untrennbar seien. In der Studie von L EAL / B ETTONI / M ALCOLM (1991) wird mehrmals auf A MMON s (1991) zeitgleiche Untersuchung zu den Studienmotiven australischer Deutschstudenten und -studentinnen verwiesen. Auch A MMON weist eine Kombination von integrativer und instrumenteller Motivation nach, z.B. kulturelles Interesse und Reisemotive in Verbindung mit karrierebezogenen Motiven (vgl. S CHMIDT 2011: 45-46). Dass beide Studien sich auf die G ARDNER sche Dichotomie beziehen, überrascht nicht, da erst Mitte der 1990er Jahre eine kritische Auseinandersetzung mit G ARDNER s Modell (G ARDNER 1985) begann. Die vorher erwähnte Öffnung von Studiengängen für Studierende von anderen Fakultäten und das damit veränderte Lernerprofil von Sprachstudenten und -studentinnen (vgl. S CHMIDT 2012) führte Anfang des neuen Millenniums zu einem Richtungswechsel in der australischen L2-Motivationsforschung. Der Auslöser war die Tatsache, dass viele Fremdsprachenabteilungen zwar steigende Einschreibezahlen verzeichneten, die neuen Studenten und Studentinnen aber vor allem Kurse auf dem Grundstufenniveau besuchten und häufig das Sprachenstudium nach wenigen Semestern wieder abbrachen. N ETTELBECK et al. (2007; 2009) führten daraufhin mit Unterstützung der Australischen Akademie der Geisteswissenschaften (AAH) und der Australischen Forschungsgemeinschaft (ARC) eine zweiteilige Studie durch, die die Rahmenbedingungen des universitären Fremdsprachenlehrens und -lernens, die Motivation zum Sprachenstudium sowie die Gründe für das Abbrechen eines Sprachenstudiums nach wenigen Semestern untersuchte. Während der erste Teil der Studie (2007) eine allgemeine Bestandsaufnahme des universitären Fremdsprachenunterrichts ist, wird im zweiten Teil (2009) insbesondere der Frage nachgegangen, warum Studierende ihr Sprachenstudium beginnen und dann nach wenigen Semestern wieder abbrechen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Fragebogenerhebung durchgeführt, an der 2968 Studierende von zehn Universitäten teilnahmen, die eine von acht Sprachen auf dem Anfängerniveau (A1) studierten. Zwei Drittel der Befragten lernten eine europäische Sprache (Spanisch, Französisch, Italienisch, Deutsch und Russisch in absteigender Reihenfolge). In Bezug auf die L2-Motivation enthielt der Fragebogen zehn potentielle Motivationsfaktoren auf einer 5-Punkte-Likert-Skala. Die Datenanalyse bestätigt die von L EAL / B ETTONI / M ALCOLM (1991) und A MMON (1991) identifizierte Kombination von integrativer und instrumenteller Motivation. Als wichtigstes Motiv wurde Reisen genannt, gefolgt von Freude am Sprachenlernen, bessere Karrierechancen und kulturell-historisches Interesse. Die Autoren und Autorinnen unterstreichen, dass für die Studierenden persönliche Vorteile wie Mobilität und Freude am Lernen wichtiger sind als eventuelle pragmatische Vorteile in der Zukunft (vgl. N ETTELBECK et al. 2009: 14f.). 66 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 Eine detailliertere Studie zur Aufnahme und zum Abbruch eines Sprachenstudiums in Australien wurde im Jahr 2009 von M ARTIN / J ANSEN (2012; M ARTIN / J ANSEN / B ECK - MANN [im Druck]) durchgeführt, die ihre Studie als ergänzende Fallstudie zu der Studie von N ETTELBECK et al. (2009) sehen. An M ARTIN / J ANSENS Fragenbogenerhebung nahmen 1.321 Studierende teil, die an der Australian National University in Canberra eine oder mehrere von insgesamt 21 europäischen und asiatischen Fremdsprachen studierten. Obwohl das Hauptziel der Studie war, erstmals umfangreiche Daten zu den Gründen für den Abbruch eines Sprachenstudiums zu sammeln, wurden auch die Gründe für ein Sprachenstudium untersucht. Auf einer 5-Punkte-Likert-Skala kreuzten die Befragten an, wie wichtig die vorgegebenen acht Motive für das Studium der gewählten Fremdsprache waren. Die Datenanalyse in Kapitel 4 (M ARTIN / J ANSEN / B ECKMANN [im Druck]) lässt folgende Reihenfolge erkennen (Liste nach fallender Bedeutung geordnet): 1. um mit Muttersprachlern zu kommunizieren 2. um in die Länder zu reisen, in denen die Sprache gesprochen wird 3. um andere Menschen und Kulturen zu verstehen 4. um in einem Land zu leben oder zu arbeiten, wo die Sprache gesprochen wird 5. aus Interesse an der Geschichte und Kultur der Sprachgemeinschaft 6. aus beruflichen Gründen 7. um meinen Studiengang abzuschließen 8. weil es mir bei meinen anderen Fächern hilft. Ähnlich wie N ETTELBECK et al. (2009) betonen auch M ARTIN / J ANSEN / B ECKMANN (in Druck) in ihrer Analyse, dass Reise- und Kommunikationsmotive stark überwiegen, während auf die spätere Karriere bezogene Motive nicht dominieren. Im Folgenden wird untersucht, inwieweit sich dieser Trend auch auf das Studium von Deutsch als Fremdsprache übertragen lässt. S CHMIDT führte im Jahr 2005 eine Fragenbogenerhebung durch, in deren Rahmen sie 520 australische Studierende von zehn Universitäten nach ihren Motiven für ein Deutschstudium befragte (S CHMIDT 2011). Die Studie war rein quantitativ angelegt und kam mittels Faktorenanalyse und Korrelationstests zu dem Ergebnis, dass die Motive in mehr als nur zwei Kategorien (integrativ vs. instrumentell) fallen. Die aus den Daten ermittelten drei Hauptmotive wurden wie folgt definiert: Erstens besteht ein allgemeines Interesse an der deutschen Sprache und Kultur gekoppelt mit einer Freude am Sprachenlernen; zweitens gibt es das Ziel, in einem deutschsprachigen Land kommunizieren zu können, z.B. als Berufstätige/ r, Student/ in oder Tourist/ in; und drittens wird Deutsch als eine wichtige (Wirtschafts-)Sprache angesehen, die berufliche Vorteile bringen könnte (vgl. S CHMIDT 2011: 110). Die Dominanz des ersten Faktors steht im Einklang mit anderen Studien, z.B. mit R IEMER s (2006: 55) Schlussfolgerung, dass für Deutschlernende, die die Sprache geografisch weit entfernt von den deutschsprachigen Ländern lernen, das Interesse für die deutschsprachige Kultur zu den „wichtige[n] und anhaltende[n] Motive[n] für das Erlernen der deutschen Sprache“ gehört. S CHMIDT s Studie lieferte zwar neue verallgemeinerbare Einblicke in die Motivation Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 67 45 (2016) • Heft 2 zum Deutschlernen von australischen Studierenden und dokumentierte erstmalig, wie sich die oben genannten bildungspolitischen Entwicklungen auf das Lernerprofil ausgewirkt haben (vgl. S CHMIDT 2012), aber wie bei vielen groß angelegten quantitativen Studien bleiben auch in dieser Studie die individuellen Lerner und Lernerinnen mit ihren persönlichen Beweggründen und Lernerbiografien im Hintergrund. Außerdem bedeutet die Tatsache, dass S CHMIDT ihre Daten im Jahr 2005 sammelte, dass ihre Datenanalyse neuere Forschungsansätze der L2-Motivationsforschung wie z.B. D ÖRN - YEI s L2 Motivational Self System nicht berücksichtigt. D ÖRNYEI s (2005, 2009) Modell geht davon aus, dass alle Menschen ein ideales Selbstbild von sich haben, wie sie gerne in der Zukunft sein möchten. Wenn zu dieser Zukunftsvision Fremdsprachenkenntnisse gehören, erzeugt es Motivation zum Sprachenlernen. Dieses Ideal L2 Self ist dem Ought-to L2 Self gegenübergestellt. Das Ought-to L2 Self bezieht sich darauf, eine Fremdsprache zu lernen, um die Erwartungen von anderen zu erfüllen oder negative Konsequenzen zu vermeiden. D ÖRNYEI (2005: 118f.) weist darauf hin, dass sich das L2 Motivational Self System wahrscheinlich mehr auf globale Sprachen wie Englisch bezieht, da Lernende es schwer haben, sich ein konkretes Bild von der Zielsprachenkultur zu machen. Es lässt sich vermuten, dass dies auch für Lernende anderer Sprachen gilt, die geografisch weit entfernt von der Zielsprachenkultur leben. Für den schulischen Bereich gibt es bereits erste Anzeichen, dass das L2 Motivational Self System auch auf den australischen Kontext zutrifft. In ihrer Studie zur Sprachlernmotivation von Schülern und Schülerinnen der 12. Jahrgangsstufe fanden M OLO - NEY / H ARBON (2015: 5) eine deutliche Verbindung zwischen der Konstruktion eines Ideal L2 Self, Sprachentwicklung und Motivation. Um die Datenlücke für den universitären Bereich zu schließen, führte S CHMIDT im Jahr 2013 eine qualitative Interviewstudie durch, die im folgenden Teil präsentiert wird. S CHMIDT interviewte wieder nur Deutschstudierende, da aber in den drei oben genannten sprachübergreifenden Studien (L EAL / B ETTONI / M ALCOLM 1991, N ETTELBECK et al. 2009, M ARTIN / J ANSEN / B ECKMANN [im Druck]) keine besonderen sprachspezifischen Unterschiede erkennbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Ergebnisse zumindest auch auf andere europäische Fremdsprachen übertragen lassen. 4. Motive für ein Sprachenstudium im 21. Jahrhundert: neuere Daten Aufgrund der bereits vorliegenden quantitativen Studien (A MMON 1991; L EAL / B ET - TONI / M ALCOLM 1991; N ETTELBECK et al. 2009; S CHMIDT 2011; M ARTIN / J ANSEN / B ECKMANN [im Druck]) hat die Interviewstudie nicht das Ziel, neue Hypothesen zu generieren, sondern vielmehr die in diesen Studien etablierten Motivationen aus der Lernerperspektive zu erklären und ihre Komplexität besser zu verstehen. 68 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 4.1 Datenerhebung und -analyse Insgesamt nahmen sechzehn Bachelor-Studierende der University of Queensland in Brisbane, die zu der Gruppe der acht prestigeträchtigen australischen Universitäten (Group of Eight) gehört, an der Studie teil. Die sechzehn waren in unterschiedliche Studiengänge eingeschrieben, z.B. Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Geisteswissenschaften, Jura, Sportwissenschaften etc. Zwölf Teilnehmer und Teilnehmerinnen besuchten den Anfängerkurs (A1-Niveau), vier die Mittelstufe (B2-Niveau). Alle sechzehn hatten sich freiwillig gemeldet und fallen von daher höchstwahrscheinlich in die Gruppe der engagierten und hoch motivierten Studierenden (vgl. M ARTIN / J ANSEN 2012: 176), was bei der Analyse der Ergebnisse berücksichtigt werden muss. Die Interviews waren auf Englisch, dauerten ungefähr 30 Minuten und wurden mit einem digitalen Audiorecorder aufgenommen. Alle begannen mit der allgemeinen Frage, warum er oder sie Deutsch als Studienfach gewählt hat, und danach folgten Fragen anhand eines Leitfadens, der sich an den Interviewfragen von B USSE / W ILLIAMS (2010) Studie orientierte. Neben den Gründen für ein Deutschstudium standen die Erfahrungen mit dem schulischen Fremdsprachenunterricht, Erwartungen an das universitäre Sprachenlernen, die Bedeutung von europäischen Sprachen für Australien sowie die Beziehung zwischen Sprache und Kultur im Mittelpunkt der Interviews. Für die qualitative Datenanalyse wurden die Interviews nach den Regeln der Konversationsanalyse wortwörtlich transkribiert. Zusätzlich wurden non-verbale Interaktionen, wie z.B. Pausen, Lachen oder Intonation, im Transkript gekennzeichnet. Die erste Stufe der Datenanalyse erfolgte mit Methoden der Grounded Theory, d.h., zuerst wurde fast jede Zeile kodiert, wobei die Verben in der Verlaufsform benutzt wurden, um den Inhalt durch die Augen des bzw. der Interviewten zu sehen und um die Dynamik zu zeigen. Die Grounded Theory geht davon aus, dass der Forscher bzw. die Forscherin keine vorgefasste Hypothese hat, sondern völlig unvoreingenommen die Daten analysiert und dann aus den Daten die Theorie bildet. Aufgrund der bereits existierenden Studien zur L2-Motivation von australischen Sprachstudenten und -studentinnen war dieser unvoreingenommene Ansatz nicht möglich. Stattdessen wurde in der zweiten Stufe der Datenanalyse nach sich wiederholenden Themen und Schlüsselwörtern gesucht, die Motive für das Deutschlernen ausdrücken. Die anfängliche Kodierung erfolgte anhand der aus den quantitativen Studien bekannten Motive, z.B. Reisemotiv oder kulturelles Interesse. Neue Motive, die mehrfach genannt wurden, wurden dann als neue Kategorie aufgenommen. Die Einzelmotive wurden schließlich in Motivgruppen zusammengefasst. Zum Beispiel bilden die drei Einzelmotive ‚berufliche Vorteile‘, ‚Deutschland als Wirtschaftsmacht‘ und ‚der Wunsch, in Deutschland/ Europa zu leben und zu arbeiten‘ das übergeordnete Motiv ‚Arbeitsmotiv‘. Die Kodierung erfolgte mithilfe der Software MAXQDA. Erste Teilergebnisse der Studie wurden 2014 veröffentlicht (s. S CHMIDT 2014a; 2014b). Im Folgenden werden die Hauptergebnisse unter besonderer Berücksichtigung des australischen Kontexts präsentiert. Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 69 45 (2016) • Heft 2 4.2 Ergebnisse Die in der Analyse ermittelten Einzelmotive lassen sich in drei Hauptmotivgruppen zusammenfassen: Erstens existiert ein wachsendes Bewusstsein, dass im Zeitalter der Globalisierung Englisch allein nicht mehr reicht; zweitens besteht ein spezifisches Interesse an Deutschland, deutschsprachiger Kultur und Europa; und drittens gibt es identitätsbezogene Motive, die stark mit der Persönlichkeitsentwicklung des Lerners bzw. der Lernerin verbunden sind. Im Folgenden werden die drei Hauptmotivgruppen detailliert dargestellt. Wie in der qualitativen Datenanalyse üblich, erfolgt die Analyse und Interpretation mithilfe der Daten selbst (vgl. O’L EARY 2010: 271), um die Lernerperspektive so stark wie möglich zu berücksichtigen. 4.2.1 Englisch allein reicht nicht mehr Der im ersten Teil erwähnte monolinguale Habitus, der in weiten Teilen der australischen Bevölkerung immer noch aufzufinden ist, steht zunehmend im Widerspruch zur Realität der globalisierten und mobilen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Die oben zitierte Aussage des Studenten, dass Fremdsprachenkenntnisse nicht notwendig sind, wenn man Australien nie verlässt, trifft auf viele, insbesondere jüngere reisefreudige Australier und Australierinnen nicht mehr zu. In mehreren Interviews kommt zum Ausdruck, dass den Interviewten auf Auslandsreisen, aber auch im Kontakt mit Ausländern in Australien, bewusst wird, dass sie ein Defizit an Fremdsprachenkenntnissen haben, wie die folgenden zwei Aussagen zeigen: I went to Vietnam and there were there were a lot a lot of German travellers I particularly liked the idea I know it's not particularly related to culture but is in a way that a lot of them spoke a number of languages and being in Australia we don't speak many (.) relative to other countries [Matthew 13/ 26] my brother’s buddy German buddy came here in 2006 I think and that was that was very cool because (.) the Germans all that come here have such good English you know and obviously they speak German but they speak English as well so you can practice a bit of German you know on them but most of the time it’s just like they’re another they’re an Australian with an accent if anything [Daniel 3/ 44] Diese Bewunderung für Gleichaltrige aus anderen Ländern, die zusätzlich zu ihrer Muttersprache auch andere Sprachen fließend beherrschen, scheint zu einem Nachholbedarf zu führen, der in dem wachsenden Interesse am universitären Fremdsprachenlernen zum Ausdruck kommt. Dieser Nachholbedarf reflektiert auch die Frustration über den prekären schulischen Fremdsprachenunterricht in Australien. Mehrere der Interviewten, die bereits Deutsch in der Schule gelernt hatten, bestätigten die fehlende Kontinuität und unzulängliche sprachliche Progression im Curriculum: it was (.) very basic we didn't learn formal or informal we barely learnt like the article of nouns and stuff it was kind of just ich bin and you know (.) du bist and that kind of thing […] so it was kind of just (.) just a teaser just a taste enough you know an introduction […] it never really went very complicated so it was always very basic and simple stuff [Tom1/ 2, 3] 70 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 Während erwartungsgemäß einige Studierende erwähnten, dass ihre positiven Erfahrungen mit dem Deutschunterricht in der Schule zum Weiterlernen an der Universität geführt haben (vgl. S TOTT / F IELDING 2015: 22), gibt es auch Anzeichen dafür, dass sich die oben genannte Unzufriedenheit mit dem schulischen Fremdsprachenunterricht auch motivationsfördernd auswirkt, indem der Wunsch entsteht, Deutsch jetzt an der Universität „richtig“ zu lernen: and then same motivation once I left high school and then went to university I thought I may as well learn it properly before I worry about learning another language [Patrick 16/ 1] Das wachsende Bewusstsein, dass Englischkenntnisse allein nicht mehr reichen, scheint zum einen stark mit einem allgemeinen Mobilitätsmotiv verbunden zu sein, zum anderen mit karrierebezogenen, also instrumentellen Motiven. Fast alle Interviewten äußerten den Wunsch, nach Europa zu reisen, und für viele Deutschstudierende scheint dies ein Studienmotiv zu sein, wie die folgende Aussage zeigt: a lot of the other students aren't (.) aren't necessarily language students they just take a first year language as an elective it gives them a little bit of an understanding of the language and then often they want to travel to a country that speaks it so it's it's a great opportunity to start and not not come off the aeroplane and have no idea what anyone is saying [Alexandra 8/ 18] Die zunehmende Internationalisierung der Universitäten hat auch in Australien dazu geführt, dass Studierenden Austauschprogramme in aller Welt offenstehen. Aufgrund der mangelnden Fremdsprachenkenntnisse können viele Studenten und Studentinnen ihr Austauschsemester jedoch nur in englischsprachigen Ländern, wie z.B. Großbritannien, den USA oder Kanada absolvieren. Wie die folgende Äußerung verdeutlicht, sind sich einige Studierende bewusst, dass Fremdsprachenkenntnisse die Zahl der Länder, die für ein Auslandsstudium in Frage kommen, vergrößern: it opens up more options in terms of studying overseas [Tim 15/ 14] Neben touristischen und studienbezogenen Reisemotiven kommen in den sechzehn Interviews auch auf die spätere berufliche Karriere bezogene Motive zutage. Während für die meisten die berufliche Zukunft noch relativ vage aussah, kommt in mehreren Interviews die Erwartung zum Ausdruck, dass Deutschkenntnisse bei zukünftigen Bewerbungen eine wichtige Zusatzqualifikation sein können: I chose to do German with the diploma on top and it gives me extra things [...] I’m hoping that’ll yeah help with everything and it’s always something I can hold over everybody else [Sam 10/ 2, 46] it’s always good to have a second language I think it gives you a bit of an edge career-wise [...] we’re always told that the employers will be looking for something that sets you apart from everyone around you [Bianca 12/ 14, 16] if I know some German that will definitely boost me up and (.) put me in front of a few other people in line for jobs [James 5/ 36] Wie im zweiten Teil erläutert wurde, sind viele australische Sprachstudierende in nichtgeisteswissenschaftliche Studiengänge eingeschrieben und Deutsch ist nicht ihr Stu- Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 71 45 (2016) • Heft 2 dienschwerpunkt, sondern ein Wahlpflichtfach, weshalb A MMON bereits 1991 von Deutsch- und nicht von Germanistikstudierenden sprach (A MMON 1991: 30). Es bleibt aber die Frage, warum gerade Deutsch und nicht Französisch oder Japanisch als Zusatzqualifikation gewählt wurde. Während in einigen Interviews eine direkte Verbindung zwischen Deutsch und dem Studienschwerpunkt, z.B. Ingenieurwissenschaften, gezogen wird, dominiert in den meisten Interviews ein generelles Interesse an Deutschland 2 , deutschsprachiger Kultur und Europa. 4.2.2 Affinität zu deutscher und europäischer Kultur Australien ist zwar bereits seit 1901 ein vom Vereinigten Königreich unabhängiger föderaler Staat; das Bewusstsein, geografisch ein Nachbarland Südostasiens zu sein, ist aber erst in den 1970er Jahren entstanden. Je nach Regierungspartei ändert sich seitdem regelmäßig nicht nur der wirtschaftliche und außenpolitische Fokus Australiens, sondern auch der sprachenpolitische, d.h., ob europäische oder asiatische Sprachen gefördert werden. Während 2012 von Australia in the Asian Century gesprochen wurde, sind z.B. 2014 und 2015 mehrere wichtige bilaterale Vereinbarungen zwischen Deutschland und Australien unterzeichnet worden. Diese sich häufig wechselnden politischen Ausrichtungen lassen sich auch in den Interviews wiederfinden. Eine Frage zielte darauf ab, warum der Student oder die Studentin eine europäische und keine asiatische Sprache gewählt hatte. Die Antworten zeigen, dass Deutschstudierende sich schon dessen bewusst sind, dass sie manchmal gegen politische und wirtschaftliche Trends gehen bzw. lernen. Bei einigen hat dies sogar zu einem Schuldgefühl geführt: I’ve always felt guilty about I didn’t have an interest in learning an Asian language because we are quite geographically wise part of Asia but I’ve always had a sort of connection to Europe heritage wise and but now also academically because I’m studying English literature [Tim 15/ 86] Die Interviewdaten zeigen auch, dass Studierende sehr kritisch gegenüber der Kurzsichtigkeit von Politikern sind. Die folgende Aussage verdeutlicht, dass sich die Studentin der Tatsache bewusst ist, dass das Erlernen einer Fremdsprache länger als eine Wahlperiode dauert: I think you can’t (.) you can’t really (..) put all your eggs in one basket if that’s the term (..) because eventually things are going to change and perhaps Australia’s relationship with Europe is going to be on the forefront again and it takes so long to learn a language that you need to have sort of reserves [Bianca 12/ 32] Mehrere Studierende hatten eine asiatische Sprache, häufig Japanisch oder Chinesisch, in der Schule gelernt und dies als sehr schwierig wahrgenommen, meistens aufgrund der unterschiedlichen Schriftzeichen. Nicht überraschend fanden sie Deutsch demzu- 2 Die in den Interviews geäußerten Kommentare beziehen sich fast ausschließlich explizit auf Deutschland. 72 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 folge einfacher. Der geringere Schwierigkeitsgrad scheint jedoch nicht der Hauptgrund für die Wahl einer europäischen Sprache statt einer asiatischen zu sein. Mehrere Studenten und Studentinnen drückten eine starke Affinität zu europäischer Kultur aus, wofür verschiedene Gründe genannt wurden. Einige wiesen darauf hin, dass Australien eine Nation von Einwanderern aus der ganzen Welt sei und nicht nur aus Asien, während andere durch Reisen beeinflusst worden sind und den höheren Lebensstandard in Europa nannten. Speziell auf Deutschland bezogen berichteten diejenigen, die Deutschland besucht hatten, wie sehr ihnen die deutsche Kultur gefällt: I liked Germany you know as a country the you know the cities and the people and all that I’ve just I enjoyed it there [Tom 1/ 16] in Germany it was just great I just I couldn’t fault it at all [John 11/ 4] I just find German (.) German culture very interesting [Joshua 9/ 12] Auf Nachfragen, was genau sie mit deutscher Kultur assoziieren, wurden zwar erwartungsgemäß Stereotype wie Bier und Oktoberfest genannt, aber in einer Reihe von Interviews sticht ein starkes Interesse an deutscher Geschichte hervor, das u.a., wie die folgende Aussage zeigt, mit der relativ kurzen Geschichte Australiens seit der europäischen Besiedlung erklärt werden kann: I suppose that comes from an Australian perspective as well in that where we don’t have so much of a you know history around us this idea of you know living somewhere where the past is next door and you know you’re still here today is just really appealing [Patrick 16/ 16] I’ve always been fascinated by particularly 20 th century German history and I feel like I can’t quite truly understand unless I have some knowledge of the language itself [Tim 15/ 24] Die im zweiten Teil erwähnten Sparmaßnahmen, die seit Ende der 1990er Jahre für viele Sprachabteilungen zum Alltag gehören, haben dazu geführt, dass Sprachabteilungen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck stehen, wenn sie rein themenbezogene Kurse, d.h. ohne explizit sprachpraktische Inhalte, wie z.B. deutschsprachige Literatur oder Geschichte in der Zielsprache und nicht auf Englisch anbieten möchten. Dass Fremdsprachenkenntnisse von den Lernenden selbst nicht nur als Schlüssel zu anderen Kulturen, sondern auch als Teil der eigenen (zukünftigen) Identität angesehen werden, wird im folgenden Teil untersucht. 4.2.3 Identitätsbezogene Motive Fast alle Befragten äußerten eine Faszination für Fremdsprachen und dass sie schon immer eine Fremdsprache lernen wollten: I really liked being able to express myself in another language [Sarah 14/ 4] I’m just fascinated with other languages [Sam 10/ 22] I have always loved languages [Alexandra 8/ 6] Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 73 45 (2016) • Heft 2 Die in den Beispielen benutzten Verben drücken ein inneres Verlangen aus, das im Kontext von D ÖRNYEI s Ideal L2 Self wichtig ist, das - wie in Teil 3 erläutert - das Selbstbild des Lerners bzw. der Lernerin ausdrückt, im Gegensatz zu dem Ought-to L2 Self, das die Erwartungen von anderen reflektiert. Dass die Lernenden ihre Deutschkenntnisse als Teil ihrer Identität ansehen, wird an der folgenden Äußerung einer Studentin deutlich, die sagt, dass sie ihre Deutschkenntnisse immer dann nennt, wenn sie drei Eigenschaften auflisten soll, die sie charakterisieren: I always bring it up when people say like name three things about yourself I can say I can sort of speak German or like yeah it is quite important [Sarah 14/ 14] D ÖRNYEI s Ideal L2 Self ist in die Zukunft gerichtet, d.h., wie wir selbst gerne in fünf, zehn oder zwanzig Jahren sein möchten. Die folgende Aussage reflektiert diese Zukunftsversion am stärksten: it’s just kind of a personal growth kind of thing (.) [...] so that maybe (.) I’m a more interesting person at the end of the day ((laughter)) you know maybe that little quirk of mine is oh I am and I speak German [Tom 1/ 22] Der Student weist auf die Zukunft hin („at the end of the day“) und sieht die Person, die er in seiner Vorstellung dann sein wird, als eine Person, die Deutsch spricht: „I am and I speak German“. Während des ganzen Interviews betont er mehrmals, dass er Deutsch nur für sich lernt („it’s more just for me“) und dass es etwas Persönliches ist („it’s just something personal“). Ein anderer Teilnehmer bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die große Anstrengung und das Durchhaltevermögen, die für erfolgreiches Fremdsprachenlernen erforderlich sind, nur aufrechterhalten werden können, wenn man auch auf persönlicher Ebene davon profitiert. Der Student begann mit Deutsch, weil er dachte, es könnte nützlich sein, wenn er später einmal als Ingenieur arbeitet. Aber im Interview wird deutlich, wie sich diese Anfangsmotivation weiterentwickelt hat: you know I’d need more than that to devote a large amount of time so that’s where the interest came from but there’s more to it [Matthew 13/ 18] Was genau mit diesem „mehr“ gemeint ist, ist höchstwahrscheinlich individuell sehr unterschiedlich: it’s something I’m interested in (.) so I suppose that kind of (.) makes me feel better about myself [Patrick 16/ 30] it personally makes me feel more full […] maybe (.) I'm a more interesting person [Tom 1/ 22] you feel like a more intelligent person if you can express yourself in (.) more than your own language [Bianca 12/ 26] Die drei Aussagen lassen alle ein gesteigertes Selbstwertgefühl und ein wieder erstarktes Bildungsmotiv erkennen, nachdem in den letzten Jahren häufig beobachtet worden war, dass Fremdsprachenkenntnisse zu einer Ware geworden sind (vgl. K RAMSCH 2014: 301f.). 74 Gabriele Schmidt 45 (2016) • Heft 2 5. Ausblick Die im dritten und vierten Teil präsentierten Studien zur Sprachlernmotivation von australischen Studenten und Studentinnen haben einen Einblick in das seit einigen Jahren wieder wachsende Interesse am universitären Fremdsprachenlernen in Australien gegeben. Während in den letzten Jahren oftmals befürchtet wurde (vgl. die Diskussion in A MMON 2015: 10-18), dass die zunehmende Bedeutung von Englisch als internationale Sprache das Aus für andere Sprachen bedeutet, geben die Ergebnisse der hier vorgestellten Studien Grund für vorsichtigen Optimismus. Zum einen scheinen sich gerade jüngere Menschen mit Englisch als Muttersprache der Tatsache bewusst zu werden, dass im Zeitalter von Globalisierung Fremdsprachenkenntnisse zur Mobilität beitragen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Dies bestätigt S HARIFIANS (2014: 49) Mutmaßung, dass Englisch keine Bedrohung für Zweibzw. Mehrsprachigkeit darstellt, sondern dass globale Märkte und multikulturelle Gesellschaften einen Bedarf an multilingualen Sprechern und Sprecherinnen haben. Da sich dieses Bewusstsein erst langsam durchsetzt, sind Fremdsprachenkenntnisse in Ländern mit Englisch als dominanter Erstsprache immer noch etwas Besonderes, wie in mehreren Interviews zum Ausdruck kam (it „sets you apart“). Das Gefühl, etwas Besonderes zu lernen („doing something ‚special‘“), wurde ebenso von B USSE / W ILLIAMS (2010: 81) in ihrer Studie zur Motivation von englischen Deutschstudierenden beobachtet. Sowohl in Australien als auch in Großbritannien scheint für Sprachstudenten und -studentinnen das in den Studien von R IEMER (2006: 54) 3 ermittelte sogenannte „Exotenmotiv“ ein wichtiges Motiv zu sein. Zum anderen deuten die in der Interviewstudie gefundenen identitätsbezogenen Motive darauf hin, dass bei Deutschlernenden mit Englisch als Muttersprache pragmatische Motive wie ‚Deutsch als Zusatzqualifikation‘ nicht die alleinige Motivation sind. Gleichzeitig scheinen Fremdsprachenkenntnisse als ein Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung und zur persönlichen Bildung gesehen zu werden, was als ein humanistisches Bildungsmotiv beschrieben werden kann. Es ist zu vermuten, dass das Bildungsmotiv in solchen Ländern stärker ausgeprägt ist, die sich geografisch weit entfernt von den Zielsprachenländern befinden. Für britische Deutsch- oder Spanischstudierende ist die Aussicht, in der Zukunft einmal in Deutschland oder Spanien zu arbeiten, realistischer als für junge Australier und Australierinnen ohne EU-Pass. Dass beide Motive (Zusatzqualifikation und humanistisches Bildungsmotiv) nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern als komplementär gesehen werden, wird von einer der interviewten Studierenden wie folgt zusammengefasst: „you broaden your opportunities ((Zusatzqualifikation)) and you broaden your knowledge and the way you think about the world ((Bildungsmotiv))“ [Melanie 2/ 54]. Wie das Beispiel des Studenten zeigt, der anfangs Deutsch aufgrund der engen Beziehung zwischen seinem Studium der Ingenieurwissenschaften und Deutschlands Füh- 3 Siehe auch den Beitrag von R IEMER in diesem Heft. Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land 75 45 (2016) • Heft 2 rungsrolle in der Automobilindustrie gewählt hatte, ist Sprachlernmotivation dynamisch und verändert sich, indem z.B. bei diesem Studenten identitätsbezogene Motive erst später hinzukamen. Für das Lehrangebot von australischen Fremdsprachenabteilungen bedeutet diese ‚doppelte Motivation‘, dass sowohl sprachliche Fertigkeiten und kommunikative Kompetenz als auch Inhalte vermittelt werden müssen, die die Lernenden dazu anregen, sich mit anderen Kulturen und Gesellschaften auseinanderzusetzen und über ihre eigenen Werte zu reflektieren. Die manchmal vorgeschlagene Trennung von Sprache und Inhalt wäre hier wenig hilfreich. Ein Grund für die relativ stabil gebliebene Zahl von australischen Studierenden, die eine europäische Sprache lernen, ist, dass es vielen Fremdsprachenabteilungen trotz der oben erwähnten Mittelkürzungen gelungen ist, nicht zu reinen Sprachkursanbietern zu werden, sondern auch weiterhin Kurse zur Geschichte, Literatur, Kultur und Linguistik anzubieten, die die Studierenden dazu animieren to „think about the world“. Literatur A MMON , Ulrich (1991): Studienmotive und Deutschenbild australischer Deutschstudenten und -studentinnen. Stuttgart: Steiner. 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Instrumental motivation dominates in Poland, while in the USA intercultural motivation is strongly represented, apart from the important instrumental motivators. In general, inner motivation plays a bigger role in the USA than in Poland, and therefore “intercultural motivation” is more significant in the USA than in Poland. 1. Einleitung Alle bisherigen Untersuchungen zu Motiven und Motivation der Deutschlernenden variieren mehr oder weniger im Hinblick auf methodische Ansätze, Forschungsschwerpunkte, Repräsentativität und Größe der Stichproben sowie das kulturelle Umfeld des jeweiligen DaF-Unterrichts. Sie können ggf. auch Teil breiter angelegter Erhebungen sein, die verschiedene Fremdsprachen in einem internationalen Vergleich erfassen. Was die Studien aber insgesamt erreichen, ist die Bewusstmachung einer komplexen Natur der Motivation zum Fremdsprachenlernen. Der vorliegende Beitrag spricht einen besonderen Aspekt der Motivation an und geht auf die Problematik der interkulturellen Motivation der polnischen und US-amerikanischen DaF-Lernenden ein. Grundlegend ist dabei die Frage, ob es neben instrumentellen Motiven auch solche gibt, die mit dem Erwerb interkultureller Kompetenz verbunden sind. * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Maciej M ACKIEWICZ , Uniwersytet im. Adama Mickiewicza, Instytut Filologii Germańskiej, al. Niepodległości 4, 61-874 P OZNAŃ , Polen. E-Mail: maciej.mackiewicz@amu.edu.pl Arbeitsbereiche: DaF-Didaktik, DaF-Methodik, interkultureller Ansatz im Fremdsprachenunterricht, deutsch-polnische interkulturelle Kommunikation. Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 79 45 (2016) • Heft 2 2. Zur Begriffsbestimmung der interkulturellen Motivation Die Motive zum Erlernen einer Fremdsprache, ihre Qualität, Intensität und Wandlungen sind in bestimmtem Maße Widerspiegelung der jeweiligen wirtschafts-, bildungs- und kulturpolitischen Verhältnisse sowie der Beziehungen und Einstellungen zur Zielsprachengesellschaft und ihrer Kultur. Die aktuellen Globalisierungsprozesse, die damit verbundene zunehmende Mobilität und daraus resultierende Herausforderungen bezüglich Sprachkompetenzen und soziokultureller Unterschiede sind bedeutende Faktoren, die die Fremdsprachenlernmotivation zu beeinflussen vermögen. Auch die evaluierende Fremdsprachenmethodik und die Weiterentwicklung der kommunikativen Methode zum interkulturellen Ansatz (siehe z.B. P FEIFFER 2000: 126; N EUNER / H UN - FELD 1993: 122-127) haben zur Folge, dass neue Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht formuliert werden, die die Lernmotivation weitgehend prägen können und neuartige Motive entstehen lassen. Da eines der wichtigsten Ziele des interkulturell orientierten Fremdsprachenlernens der Erwerb der interkulturellen Kompetenz ist (vgl. B YRAM 1997; B REDELLA 1999: 85; B LIESENER 2002: 13), erscheint die Frage legitim, ob und wie diese Zielsetzung die Motivation beeinflusst. In der hier vorgeschlagenen Auffassung wird einerseits dem G ARDNER schen Konzept der „Integrativität“ und der „integrativen Orientierung“ (vgl. G ARDNER 2010: 87) Rechnung getragen, andererseits werden aber andere Akzente gesetzt und neue Motivationsfaktoren, ggf. Motive berücksichtigt, die als „interkulturelle Orientierung“ und daraus resultierende „interkulturelle Motivation“ bezeichnet werden. Aspekte, denen in den bisherigen Ansätzen der L2-Motivationsforschung weniger oder kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, sind in erster Linie mit den Postulaten des interkulturellen Ansatzes in der Fremdsprachendidaktik verbunden, vor allem mit dem Erwerb interkultureller Kompetenz (IKK). Obgleich die sozialpädagogischen Konzepte auf Motivationen und Motivierungen eingehen, die durchaus auf ihre Korrelation mit interkulturell orientierten Lern- und Lehrzielen (oder ihrem Mangel) geprüft werden können, nimmt man an, dass potentielle Motive verbunden mit dem Erwerb der „interkulturellen Kompetenz“, Reflexionen über die eigene Kultur einschließend, zu wenig oder ggf. kaum Berücksichtigung finden. Damit wird keinesfalls unterstellt, dass derartige IKK-bezogene Motive die Lernbereitschaft und die Leistung der Fremdsprachenlernenden wesentlich beeinflussen. Es wird lediglich nahegelegt, dass im Kontext der steigenden Rolle von soft skills etwa im Berufsleben, aber auch angesichts der immer häufigeren und intensiveren Interaktionen mit fremdsprachigen und fremdkulturellen Personen, eine solche Motivation, die im Folgenden „interkulturelle Motivation“ genannt wird, insbesondere bei Erwachsenen als bewusster Prozess durchaus auftreten kann. Die interkulturelle Motivation ist als (potentieller) Teil des Motivationskomplexes zu verstehen, der sich aus breiter verstandenen kulturellen und nicht nur sprachlichen, Unterschieden zwischen der Kultur des Lernenden (K1) und der Kultur des Zielsprachenlandes (K2) speist, wobei die Unterschiede, zwecks effizienter Kommunikation und Unsicherheitsreduzierung, wahrgenommen, reflektiert und ggf. bewältigt werden. 80 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 Bei der interkulturellen Motivation spielen die kulturelle „Vorprogrammierung“ des Lernenden, sein eigenes soziokulturelles Umfeld, die kulturelle Spezifik der fremden Zielsprachenkultur und deren Wahrnehmung eine besondere Rolle. Das Wechselspiel zwischen Kultur K1 und Kultur K2 (und dessen Bewusstwerden bei dem Lernenden) ist demzufolge grundlegend für die interkulturelle Motivation. Diese Art von Motivation kann in verschiedenem Grade (Intensität) neben oder gar anstelle der instrumentellen Motivation lernfördernd sein. Sie kann sowohl zum Erwerb sprachlicher und interkultureller Kompetenz veranlassen oder mitveranlassen bzw. das bereits im Gange begriffene Fremdsprachen- und Kulturlernen fördern. Die interkulturelle Motivation wird als ein komplexes Konstrukt aufgefasst, das sich aus einer Reihe von Motiven zusammensetzt, die auf verschiedene Komponenten der interkulturellen Kompetenz hinauslaufen und insgesamt als „interkulturelle Orientierung“ bezeichnet werden können. Die interkulturellen Motive, die kognitiver, affektiver oder konativer (verhaltensbezogener) Art sein können, werden in einem der drei Hauptbereiche subsumiert: (a) Wissen; (b) Haltungen; (c) Fähigkeiten. Damit werden die interkulturellen Motive in engem Zusammenhang mit der zu erwerbenden interkulturellen Kompetenz betrachtet, was allerdings keinen zwangsläufigen und pauschalen IK-Kompetenzerwerb bedeutet. Je nach Relevanz oder Irrelevanz des jeweiligen Motivs für den Lernenden und je nach Intensität seiner Bemühungen, das Ziel zu erreichen, kann von verschiedenen Stufen interkultureller Motivation gesprochen werden. Es wird dabei angenommen, dass die interkulturellen Motive zu den expliziten Motiven gehören (vgl. S CHMALT / L ANGENS 2009: 102f.), die auf der Grundlage des bewussten Selbstkonzepts Verhalten steuern. Da Selbstkonzepte bewusst sind, können explizite Motive direkt durch Fragebögen erhoben werden (ebd.: 102). 3. Forschungsmethodischer Ansatz Die empirische Untersuchung geht folgender Fragestellung nach: Inwieweit beeinflussen kulturspezifische Faktoren, unterschiedliche bildungs-, kultur- und geopolitische sowie historische Faktoren und unterschiedliche Bezüge zu der Zielsprachenkultur die Motive zum Erlernen von Deutsch als Fremdsprache? Vor allem: Wie wirken sich diese Faktoren auf die interkulturelle Motivation der Deutschlernenden in unterschiedlichen Ausgangskulturen aus? Der Vergleich von jeweils für Polen und die USA separat erhobenen Daten soll zur Antwort auf die Frage hinführen, ob die Gesetzmäßigkeiten im Kontext der (vor allem interkulturellen) Motivation zum Deutschlernen eher einen universellen, kulturübergreifenden Charakter haben oder ob sie doch in höherem Grade von kulturspezifischen Faktoren abhängig sind. Bei der Untersuchung der interkulturellen Orientierung und Motivation von polnischen und US-amerikanischen DaF-Lernenden handelt es sich um eine Querschnittstudie. Obgleich im Falle der L2-Motivationsforschung, wie auch generell in der Fremdsprachenforschung, eine longitudinale Studie von besonderem Vorteil sein könnte, weil Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 81 45 (2016) • Heft 2 sie dem Fremdsprachenerwerb als einem dynamischen Prozess gerecht wird (vgl. A GUADO / R IEMER 2001: 255), wäre eine derartige Datenerhebung im Falle dieser breit angelegten und zwei Länder umfassenden Untersuchung kaum möglich, weil einerseits kooperierende Dozenten an polnischen und US-amerikanischen Hochschulen mit einer von ihnen abverlangten intensiven und langwierigen Hilfeleistung nicht belastet werden konnten, und zum anderen, weil eine große Fluktuation der Kursteilnehmer nach jedem Semester das Verfolgen der Deutschlernerfahrungen der einzelnen Studierenden erheblich erschwert hätte. Dieser Mangel wurde in einer, die hier dokumentierte Studie ergänzenden qualitativen Teilstudie (Sprachbiographien) zumindest teilweise aufgefangen. 1 3.1 Die Stichproben Die Stichproben bestanden jeweils aus Studierenden, die zur Zeit der Befragung Teilnehmer studienbegleitender Deutschkurse an polnischen bzw. US-amerikanischen Hochschulen waren. Dabei wurden Studierende ausgeschlossen, die in Polen Germanistik studierten bzw. in den USA ihren Major in „German“ anstrebten, da bei ihnen quasi ex definitione besondere Kulturinteressen oder interkulturelle Motive zu vermuten waren. Streng genommen handelt es sich bei diesen Probanden nicht um repräsentative Stichproben, weil sie kein „Abbild“ der interessierenden Population „im Kleinen“ sind (S TAPF / S TROEBE / J ONAS 1986: 58). Es war kaum möglich, die Befragten so auszuwählen, dass sich die wichtigsten Merkmale in der Stichprobe prozentual genauso verteilen wie in der Population, d.h. in der Gesamtheit der an Deutschkursen teilnehmenden Studierenden in Polen und den USA. Dennoch wurde versucht, ein möglichst hohes Maß an Repräsentativität zu erreichen, indem in beiden Ländern Hochschulen berücksichtigt wurden, die verschiedene Typen, Größen und geographische Regionen vertreten. Auch eine breite Palette der vertretenen Studienfächer wurde gewährleistet. Da nur einige Kriterien der Repräsentativität erfüllt wurden, gilt die Studie demnach rein formell als quasi-repräsentativ. Für die Untersuchung wurden 1009 polnische und 671 US-amerikanische Probanden herangezogen. 3.2 Fragebogen Als Erhebungsinstrument wurde ein elektronischer Fragebogen eingesetzt, der von den Probanden online ausgefüllt wurde. Die Fragen und Items der quantitativen Erhebung sind in beiden Teilstudien, der polnischen und der amerikanischen, weitgehend vereinheitlicht worden. Nur bei wenigen Fragen sind geringe, aus der Spezifik des jeweiligen Bildungssystems resultierende Unterschiede zu verzeichnen. Eine Standardisierung der Fragen nach demselben Muster in beiden Varianten war unumgänglich, da eine Ver- 1 Die Ergebnisse der qualitativen Studie konnten in diesem Beitrag aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden. Zur Auswertung der Sprachlernbiographien siehe: M ACKIEWICZ (2014). 82 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 gleichsanalyse durchgeführt werden sollte. Die Pilotierung hat die Plausibilität der Fragen und Items belegt. Die Fragebögen wurden in polnischer und englischer Sprache ausgefertigt. Der Fragebogen besteht in beiden Varianten aus fünf Hauptteilen. Da der vorliegende Beitrag aber nur auf einige Aspekte der Studie fokussiert, wird im Folgenden lediglich auf ihre zwei Kernteile (III und IV) eingegangen. Im dritten Abschnitt des Fragebogens betreffen die Fragen die generellen Motive zum Deutschlernen. Zwei Multiple-Choice-Aufgaben sollten zuerst einen Einblick in die ursprünglichen und dann in die aktuellen Motive zum Deutschlernen gewähren. Beide Fragen enthalten eine Reihe von Antwortoptionen (Gründe bzw. Motive) mit möglicher Mehrfachauswahl. Darüber hinaus war es möglich, alternativ zu den Vorgaben auch eine eigene Antwort einzutragen. Wurde das jeweilige Motiv nicht gewählt, so musste die Antwort „trifft nicht zu“ angekreuzt werden. Eine der darauf folgenden Fragen im Single-Choice-Format betrifft die Bewertung der deutschen Sprache als einen „Schlüssel zum Verstehen von Kultur, Bräuchen und Mentalität der DACH-Bewohner“. Die letzte Frage soll bereits den ersten Hinweis auf die interkulturelle Orientierung der Probanden geben. Teil IV des Fragebogens wurde vollständig den interkulturellen Motiven gewidmet. Um den Befragten die Möglichkeit zu bieten, ihre eventuellen interkulturellen Motive detailliert zu reflektieren, wurden diese in Form von 20 Likert-Skala-Items operationalisiert. Der Begriffsbestimmung der interkulturellen Motivation folgend wurden drei Statement-Komplexe formuliert, die den drei Hauptbereichen der interkulturellen Motivation entsprechen (detailliert zu den Items siehe Abb. 2 [  S. 85f.]): Wissen (5 Items), Einstellungen und Haltungen (7 Items) und Fähigkeiten (8 Items). Jedes Item veranlasste die Befragten zu Reflexionen darüber, in welchem Grade sie interkulturell motiviert sind oder ob die genannten Motive oder Ziele überhaupt für sie von Bedeutung sind. Aus methodologischer Sicht war dies auch eine Gelegenheit, diese Ergebnisse mit den vorher zitierten Resultaten der Multiple-Choice-Fragen zur Motivation zu vergleichen und somit ihre Validität unter Beweis zu stellen. Die Probanden nahmen zu jedem der 20 Statements Stellung, indem sie eine von fünf Antwortoptionen wählten (vgl. D ÖRNYEI 2003: 37): stimme entschieden zu - stimme eher zu - neutral - stimme eher nicht zu - stimme entschieden nicht zu. Eine Stellungnahme war in jedem Fall obligatorisch. Zwecks der weiteren Datenauswertung mithilfe des Statistikprogramms SPSS wurden jeder der Antworten Bewertungspunkte zugeordnet: stimme entschieden zu (5) - stimme eher zu (4) - neutral (3) - stimme eher nicht zu (2) - stimme entschieden nicht zu (1). Der maximal erreichbare Wert betrug demzufolge 100 Punkte: Wissen - 25, Einstellungen und Haltungen - 35, Fähigkeiten - 40. Da die Items Nr. 5, 11 und 20 negativ verschlüsselt sind, mussten sie bei der Auswertung umcodiert werden (vgl. G ARDNER 2010: 130) in stimme entschieden zu (1) - stimme eher zu (2) - stimme eher nicht zu (4) - stimme entschieden nicht zu (5). Demzufolge zeigt ein hoher Wert eine stärkere und ein niedriger eine schwächere oder mangelnde interkulturelle Orientierung. Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 83 45 (2016) • Heft 2 4. Motive und interkulturelle Orientierung von Deutschlernenden in Polen Die Untersuchung wurde im Winter- und Sommersemester 2011/ 2012 durchgeführt. An der Untersuchung nahmen 1009 Studierende an 11 Universitäten bzw. Hochschulen teil. 2 Nach den anfänglichen Gründen für die Aufnahme des Deutschlernens gefragt (als Multiple-Choice), konnten die Probanden eine Reihe von Antwortoptionen wählen und ggf. nicht vorgegebene Motive ergänzen. Aus den Antworten ergibt sich ein Bild, das in wesentlichen Zügen mit der Position von Deutsch als Fremdsprache im polnischen Bildungssystem übereinstimmt: Über 70% der Befragten mussten Deutsch in der Schule wählen. Es ist darauf hinzuweisen, dass für über 61% der Studierenden diese Sprache nicht die erste Fremdsprache ist. Deutsch ist somit die zweite Fremdsprache, die im Rahmen der Schulprogramme (z.B. an Oberschulen) als obligatorisches Fach von Schülern gelernt werden muss. Obwohl auch andere moderne Fremdsprachen in Frage kommen, wird vor allem Deutsch als Studienfach gewählt, weil an den meisten Mittel- und Oberschulen Deutschlehrer eingestellt werden, was für viele andere Sprachen nicht zutrifft (vgl. ORE 2013). Insofern ist die „Wahl“ des Deutschen in vielen Fällen ein „Muss“. Auf die Frage: „Was motiviert Sie zur Zeit am meisten zum Deutschlernen? “ wurden vor allem Antworten angekreuzt, die einerseits von eher instrumenteller Motivation zeugen, andererseits ist jedoch charakteristisch, dass die erste Option „Gute Note im Studienbuch/ auf dem Diplom/ positiver Abschluss des Kurses“, obwohl auch in den Ergebnissen an erster Stelle, nicht von einer absoluten Mehrheit gewählt wurde (siehe Abb. 1,  S. 84). Eine ausgeprägt instrumentelle und extrinsische Motivation, die nur auf erreichte Noten oder positiven Abschluss des Kurses ausgerichtet ist, wäre dann festzustellen, wenn keine der anderen Optionen gewählt worden wäre. Werden also die Daten entsprechend geordnet, um Probanden herauszufiltern, die ausschließlich dieses Motiv gewählt haben, so ergibt sich eine eher geringe Zahl, nämlich 139 Probanden (13,8%). 2 Akademia Pomorska (Słupsk) - N=72; Państwowa Wyższa Szkoła Zawodowa (Zamość) - N=113; Politechnika Śląska (Gliwice) - N=170; Politechnika Wrocławska (Wrocław) - N=83; Szkoła Główna Handlowa (Warszawa) - N=152; Uniwersytet im. Adama Mickiewicza (Poznań) - N=133; Uniwersytet w Białymstoku (Białystok) - N=43; Uniwersytet Ekonomiczny (Poznań) - N=43; Uniwersytet Jagielloński (Kraków) - N=36; Uniwersytet Warszawski (Warszawa) - N=30; Wyższa Szkoła Bankowa w Poznaniu (Poznań) - N=134. 84 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 Motiv Probanden % Gute Note im Studienbuch/ auf dem Diplom/ positiver Abschluss des Kurses 439 43,5% Überzeugung, dass Deutschkenntnisse zur Allgemeinbildung gehören 419 41,5% Perspektive einer Erwerbstätigkeit im Ausland oder einer Arbeit in Polen, bei der Deutschkenntnisse erforderlich sind/ Aufstiegschancen am Arbeitsplatz 389 38,6% Wunsch nach effizienter Kommunikation mit Deutschsprachigen (mit bereits bekannten Personen oder in Zukunft) 348 34,5% Perspektive einer Auslandsreise (Tourismus oder Studium in den deutschsprachigen Ländern) 311 30,8% Gebrauch von deutschsprachigen Internetseiten 153 15,2% Der Wunsch, die deutsche, österreichische oder schweizerische Mentalität näher kennen zu lernen 105 10,4% Gefühl von „schön verbrachter Zeit“ beim Kurs und selbständigem Lernen (Deutschlernen zum Spaß) 102 10,1% Anerkennung seitens der Eltern/ Familie/ Bekannten 97 9,6% Der Wunsch, Literatur, Film und Kunst im Original zu erleben 88 8,7% Kontakt mit (einer) deutschstämmigen Person(en), die in Polen lebt/ leben 44 4,4% Ich tue das Beste für meinen Lehrer/ meine Lehrerin. Seine/ ihre Meinung über mich ist mir sehr wichtig. 31 3,1% andere Motive 48 4,8% Ich bin demotiviert. 44 4,4% Abb. 1: Gewählte Antworten auf die Frage: „Was motiviert Sie zurzeit am meisten zum Deutschlernen? “ (Polen: N=1009) Die Top-Nennungen, die auf eine instrumentelle Motivation schließen lassen, aber nur selten ausschließlich auf gute Leistungen im Kurs eingeschränkt sind, zeugen von komplexeren Haltungen der Studierenden, die die Rolle des Deutschen im Geflecht verschiedener pragmatischer Faktoren sehen. Für diese Probanden zählen vor allem berufliche Perspektiven, die evtl. mit Deutschkenntnissen in enger Verbindung stehen können, aber auch Urlaubs- oder Studienaufenthalte, wo Deutsch zur Kommunikationssprache wird. Einen beachtlichen Rang genießt allerdings ein Motiv, das nicht instrumenteller Natur ist, sondern mit der Anerkennung des Deutschen als der Sprache des gebildeten Menschen verbunden ist. Dies könnte in Anlehnung an A PELT (1992: 88) als von 41,5% der Studierenden deklariertes „Prestigemotiv“ identifiziert werden. Bei den zwei Multiple-Choice-Fragen, in denen direkt nach Motiven zum Deutschlernen zu Beginn und in der aktuellen Phase gefragt wurde, sind die Indizien für eine instrumentelle Motivation symptomatisch. Auch die aktuellen Motive, obgleich verschiedenartig, sind weitgehend instrumenteller Art und die Erschließung der Zielsprachenkultur erscheint als ein deutlich zweitrangiges Motiv. In der separat gestellten geschlossenen Frage „Betrachten Sie die deutsche Sprache als Schlüssel zum Verste- Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 85 45 (2016) • Heft 2 hen von Kultur, Bräuchen und Mentalität der DACH-Bewohner? “ wird dieser Sachbestand bestätigt: Mit „nein“ antworteten 54,6% der Studierenden, mit „ja“ - 45,4%. Die interkulturellen Motive und somit die interkulturelle Orientierung wurden mithilfe von 20 Likert-Skala-Items geprüft. In Abb. 2 wird für jedes Item jeweils der Mittelwert angegeben, der innerhalb der Probandengruppe erreicht wurde. Damit wird deutlich, welche Bedeutung dem jeweiligen Motiv im Durchschnitt beigemessen wurde. Die Werte schwanken zwischen 1 und 5 Punkten, wobei die Regel gilt: je höher der Wert, desto größer die interkulturell ausgerichtete Orientierung. Item Mittelwert Polen (max. 5) Mittelwert USA (max. 5) 1. Durch den Deutschkurs möchte ich die Gesellschaft der deutschsprachigen Länder (DACH-Länder) mit ihrer Alltagskultur und dem sozial-politischen System kennen lernen 3.3 4.1 2. Durch den Deutschkurs möchte ich die Mentalität, das Wertesystem, Kulturstandards etc. der DACH-Einwohner kennen lernen 3.4 4.1 3. Durch den Deutschkurs möchte ich die Hochkultur der DACH-Länder kennen lernen. 3.3 4.0 4. Durch den Deutschkurs möchte ich historische und aktuelle politische und kulturelle Beziehungen zwischen Polen/ USA und z.B. Deutschland kennen lernen. 3.1 4.0 5. Das einzige Wissen, das ich im Deutschkurs erwerben möchte, ist die Kenntnis des Wortschatzes und der grammatischen Regeln. 2.9 2.9 6. Im Deutschkurs möchte ich DACH-Länder und ihre Einwohner aus verschiedenen Perspektiven betrachten, nicht nur aus der polnischen/ amerikanischen. 3.4 4.1 7. Durch den Deutschkurs möchte ich mein Bild der polnischen/ amerikanischen Kultur, der Polen/ Amerikaner selbst und deren Normen und Wertesysteme „auffrischen“, relativieren und eventuell modifizieren. 3.0 3.5 8. Durch den Deutschkurs möchte ich mich selbst aufs Neue betrachten und beurteilen, wie stark die Bindung an meine eigene Kultur ist. 2.9 3.2 9. Entwicklung der Toleranzhaltung gegenüber Vertretern anderer Kulturen ist für mich ein wichtiges Ziel des Deutschunterrichts. 3.3 3.4 10. Der Deutschkurs kann mir helfen, polnische/ amerikanische Stereotype und Vorurteile gegen Deutsche, Österreicher und Schweizer zu verifizieren. 3.3 3.6 11. Ich bin nicht an einer Änderung oder Verifizierung meines Bildes der DACH-Länder und ihrer Einwohner interessiert, ich möchte nur die deutsche Sprache beherrschen. 3.0 3.6 86 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 12. Ich möchte die Denkweise und das Wertesystem der Deutschen (ggf. der Österreicher oder Schweizer) als die eigenen übernehmen. 2.2 2.8 13. Durch den Deutschkurs möchte ich Empathie entwickeln sowie die Fähigkeit, die fremdkulturelle Perspektive zu verstehen. 3.3 3.8 14. Ich möchte lernen, mich an verschiedene, kulturell unterschiedliche Situationen und Erwartungen der deutschsprachigen Gesprächspartner anzupassen. 3.5 3.7 15. Die Übersetzung einer Aussage des deutschsprachigen Gesprächspartners ins Polnische/ Englische ist für mich zu wenig, wichtig ist deren adäquate Interpretation, um die Intentionen des Gesprächspartners zu verstehen und effizient zu kommunizieren. 3.9 3.9 16. Ich möchte nicht mit allen dasselbe Deutsch sprechen: Ich muss mich an die Situation, die Gesprächspartner, ihre Stellung und Bildung anpassen, sowie den entsprechenden Stil und Wortschatz wählen. 3.9 3.9 17. Die verbale Sprache ist nicht alles, ich möchte die Körpersprache und Gesten der deutschsprachigen Gesprächspartner verstehen. 3.7 3.9 18. In mehrdeutigen, schwer zu interpretierenden interkulturellen Situationen muss ich darüber mit dem deutschsprachigen Partner sprechen können und dadurch die Spannung und meine Verunsicherung entladen. 3.6 3.6 19. Mir ist es wichtig, nicht in (inter)kulturelle „Fettnäpfchen“ im Kontakt mit Deutschen, Österreichern oder Schweizern zu treten. 3.4 3.1 20. Zur Entwicklung der außersprachlichen Kompetenzen brauche ich den Deutschkurs nicht, dazu habe ich andere Gelegenheiten (Vorlesungen, Seminare, Bücher, Filme, Internetquellen etc.). 3.2 3.3 Insgesamt (max. 100 Pkt.) 65.6 72.5 Abb. 2: Interkulturelle Motive; Mittelwerte für Polen und die USA (Polen: N=1009, USA: N=671) Augenfällig ist, dass das Item Nr. 12, das Akkulturation in der deutschsprachigen Gesellschaft bedeutet, im Durchschnitt den mit Abstand niedrigsten Wert erreichte. Dieses Motiv könnte auch als ein ausgeprägt „integratives“ betrachtet werden und als solches wurde es von einer überwältigenden Mehrheit sowohl der polnischen wie auch der amerikanischen Probanden abgelehnt. Vergleicht man die gesamten Statement-Komplexe, also Wissen (Items 1-5), Haltungen (Items 6-12) und Fähigkeiten (Items 13- 20), so sind unter den polnischen Studierenden stärkere interkulturelle Motive im Bereich der Fähigkeiten zu verzeichnen. Relativ stark vertreten sind z.B. die mit dem Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 87 45 (2016) • Heft 2 Erwerb der soziolinguistischen Kompetenz und mit der Entwicklung der Ambiguitätstoleranz verbundenen Motive. Nach der Addierung aller 20 Werte ergibt sich der Index der interkulturellen Orientierung, der im Durchschnitt 65.6 Punkte beträgt. Fast 80% der Probanden erreichen Werte zwischen 51 und 80 Punkten, damit kann die interkulturelle Orientierung der polnischen Probanden als mittelmäßig bewertet werden. 5. Motive und interkulturelle Orientierung von Deutschlernenden in den USA Die Durchführung der quantitativen Untersuchung in den USA erfolgte in den beiden Semestern des Studienjahres 2011/ 2012 sowie im Wintersemester 2012/ 2013. Die Spezifik der US-amerikanischen DaF-Landschaft, d.h. eine viel geringere Anzahl der Deutschlernenden als in Polen, wirkte sich auch auf die Probandenzahl aus, die niedriger als in Polen war. An der Befragung in den USA nahmen 671 Studierende an 12 Universitäten bzw. Colleges teil. 3 Die Multiple-Choice-Frage „Was waren die Gründe, mit dem Deutschlernen zu beginnen? “ veranschaulicht, wie verschieden die Hintergründe für den Deutscherwerb der Probanden in den USA und in Polen sind. Die Notwendigkeit, Deutsch in der Schule zu wählen, überlagert in Polen praktisch alle anderen anfänglichen Motive und illustriert die spezifische Stellung von Deutsch als zweiter Fremdsprache an polnischen Schulen, für die es oft keine Alternative gibt. Die amerikanische Studie zeigt deutlich, dass die Wahl von Deutsch in der Schule einen viel freieren Charakter hat als in Polen. Diese Freiheit in der Wahl des Deutschen als Schulfach und das allgemeine Interesse an den deutschsprachigen Ländern und an Europa generell werden von den amerikanischen Probanden am häufigsten genannt. Abgesehen vom Faktor „Interesse an Europa“, der nur im amerikanischen Teil der Studie berücksichtigt wurde, sind diese Top- Antworten in den USA nur von marginaler Bedeutung in Polen. Auch wenn die effiziente Kommunikation in deutscher Sprache als anfängliches Lernziel etwas seltener genannt wird (allerdings häufiger als in Polen), so ist festzustellen, dass das Interesse an den Zielsprachenkulturen als solchen sowie der Wunsch, in dieser Zielsprache effizient zu kommunizieren, die Entscheidung zum Deutschlernen wesentlich beeinflussen. Nicht zu übersehen ist der Faktor, der von einem Drittel der Befragten als mitentscheidend bei der Wahl des Deutschen genannt wird: die deutsche Abstammung. Hält man sich den hohen prozentualen Anteil der Deutschamerikaner an der Gesamtbevölkerung der USA vor Augen, so wundert dieses Ergebnis kaum. Für unsere Untersu- 3 Arizona State University (Tempe, AZ) - N=24; Bates College (Lewiston, ME) - N=42; Central Connecticut State University (New Britain, CT) - N=54; Columbia University (New York, NY) - N=122; Georgia Institute of Technology (Atlanta, GA) - N=37; Purdue University (West Lafayette, IN) - N=23; Texas State University (San Marcos, TX) - N=115; University of California (Berkeley, CA) - N=16; University of Minnesota (Minneapolis, MN) - N=41; University of Mississippi (Oxford, MS) - N=17; University of Missouri (Columbia, MO) - N=137; University of Utah (Salt Lake City, UT) - N=43. 88 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 chung ist allerdings von Bedeutung, dass alle diese Probanden Englisch als ihre erste Sprache erworben haben. Deutsch ist für sie nicht einmal die zweite Sprache, sondern eindeutig eine Fremdsprache, die von über 83% maximal seit fünf Jahren gelernt wird. Fast die Hälfte dieser Befragten lernt Deutsch seit einem Jahr oder kürzer. Es handelt sich also innerhalb dieser Gruppe ausschließlich um Personen, die nicht in einem deutschsprachigen Umfeld sozialisiert wurden. Demnach kann in diesem Fall vom „Nostalgiemotiv“ gesprochen werden (vgl. A MMON 1991: 475). Antworten auf die folgende Multiple-Choice-Frage (siehe Abb. 3,  S. 89), die bereits einen allgemeinen Überblick über die aktuellen Motive bzw. Motivationsfaktoren bieten, legitimieren die Feststellung, dass die Unterschiede in der Motivation der amerikanischen und der polnischen Probanden, trotz einiger Ähnlichkeiten, eher groß sind. Was die beiden Gruppen gemeinsam haben, ist das von jeweils ungefähr einer Hälfte vertretene extrinsische Motiv, verbunden mit der zu erreichenden Note oder der zu erbringenden Leistung im Kurs. Dennoch wird das Kommunikationsmotiv von den amerikanischen Studierenden noch häufiger genannt. Die Angaben liegen bei nahezu 60% in den USA und stehen in deutlichem Kontrast zu den ca. 34% in der polnischen Studie. Symptomatisch hoch wird von amerikanischen Probanden der „Spaßfaktor“ bewertet, der zum Deutschlernen motiviert. Es ist naheliegend, dass die starke Position dieses Motivs mit der zuvor erwähnten Freiheit in der Wahl dieser Sprache in engem Zusammenhang steht. Hier fehlt weitgehend der „Zwang“, der charakteristisch für Deutschkurse an Hochschulen in Polen ist. Nicht ohne Einfluss auf diesen Sachbestand mag auch die Tatsache sein, dass die Sprache selbst von amerikanischen Deutschlernenden gemocht und geschätzt wird, was die Auswertung der (hier nicht näher erörterten) Frage nach Assoziationen mit der deutschen Sprache deutlich belegt. Das pragmatische Motiv bezogen auf die Berufskarriere und den eventuellen Einsatz der deutschen Sprache am Arbeitsplatz spielt ebenfalls eine besondere Rolle: Dieses Nützlichkeitsmotiv nennen fast 42% der Probanden, was ein etwas besseres Ergebnis als in Polen darstellt. Es sind jedoch nicht pragmatische Motive, die die Motivation der amerikanischen Studierenden auf eine besondere Weise auszeichnen und von den polnischen Probanden unterscheiden, sondern Motive, die das Kulturlernen bzw. Kulturerlebnisse betreffen. Im Gegensatz zu den Deutschlernern aus Polen ist der Zugang durch die Sprache zur Hoch- und Popkultur der deutschsprachigen Länder für einen beachtlichen Anteil der amerikanischen Befragten (fast 40%) dermaßen wichtig, dass sie dadurch zusätzlich zum Deutschlernen motiviert werden. Auch der Wunsch, die deutsche, österreichische oder schweizerische Mentalität durch den Deutschkurs näher kennen zu lernen, ist wesentlich größer als in Polen. Diese Angaben können als Symptome einer stärkeren interkulturellen Motivation ausgelegt werden und sind, ähnlich wie im polnischen Teil der Studie (wo zuerst vor allem instrumentelle Motive identifiziert wurden), ein interessanter Ausgangspunkt für eine detaillierte Untersuchung der interkulturellen Motivation. Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 89 45 (2016) • Heft 2 Motiv Probanden % Wunsch nach effizienter Kommunikation mit Deutschsprachigen (mit bereits bekannten Personen oder in Zukunft) 395 58,9% Gute Note im Studienbuch/ auf dem Diplom/ positiver Abschluss des Kurses 364 54,2% Gefühl von „schön verbrachter Zeit“ beim Kurs und selbständigem Lernen (Deutschlernen zum Spaß) 285 42,5% Perspektive einer Erwerbstätigkeit im Ausland oder einer Arbeit in den USA, bei der Deutschkenntnisse erforderlich sind/ Aufstiegschancen am Arbeitsplatz 281 41,9% Wunsch, Literatur, Film und Kunst im Original zu erleben 262 39% Wunsch, die deutsche, österreichische oder schweizerische Mentalität näher kennen zu lernen 218 32,5% Perspektive einer Auslandsreise (Tourismus oder Studium in den deutschsprachigen Ländern) 183 27,3% Überzeugung, dass Deutschkenntnisse zur Allgemeinbildung gehören 89 13,3% Ich tue das Beste für meinen Lehrer/ meine Lehrerin. Seine/ ihre Meinung über mich ist mir sehr wichtig. 88 13,1% Gebrauch von deutschsprachigen Internetseiten 79 11,8% Anerkennung seitens der Eltern/ Familie/ Bekannten 78 11,6% Kontakt mit (einer) deutschstämmigen Person(en), die in den USA lebt/ leben 77 11,5% andere Motive 39 5,8% Ich bin demotiviert. 7 1,0% Abb. 3: Gewählte Antworten auf die Frage: „Was motiviert Sie zurzeit am meisten zum Deutschlernen? “ (USA: N=671) Diese in den USA und in Polen verschiedenen Herangehensweisen an die Wechselbeziehung „Sprache und Kultur“, die eventuell die Motivation beeinflussen können, werden auch in der Frage deutlich, ob die deutsche Sprache als Schlüssel zum Verstehen von Kultur, Bräuchen und Mentalität der DACH-Bewohner betrachtet wird. Positiv antworteten 88% der amerikanischen Probanden, was von einem fast allgegenwärtigen Bewusstsein der sprachlichen und kulturellen Zusammenhänge unter den amerikanischen Studierenden zeugt. Die Mittelwerte für die einzelnen interkulturellen Motive sind Abb. 2 (  S. 85f.) zu entnehmen. Generell ist festzuhalten, dass die meisten Items relativ hohe Werte erreichen, was als Indiz einer eher starken interkulturellen Orientierung zu interpretieren ist. Besonders symptomatisch ist das Ergebnis innerhalb des Statement-Komplexes „Wissen“ (Items 1-5), da die ersten vier Items besonders hohe Werte von 4.0 und 4.1 Punkten erreichen. Allerdings mag in diesem Kontext der Wert des fünften Items überraschend niedrig vorkommen (2.9), was Fragen nach der Validität dieser Likert-Skalierung aufwirft. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass die generelle Validität der Untersuchung von interkulturellen Motiven mithilfe von Signifikanztests geprüft 90 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 wurde. Auch in der polnischen Teilstudie ist der Unterschied in diesem Fall nur gering, was also eher andere Ursachen für diese Abweichung vermuten lässt. 4 Der Index der interkulturellen Orientierung beträgt im Durchschnitt 72.5 Punkte. Beachtlich viele Deutschlernende erreichten einen Index zwischen 71 und 80 Punkten. Betrachtet man die Indexwerte zwischen 61 und 80 Punkten, so werden damit fast 70% der Probanden erfasst. Selbst die sehr hohen Werte von 81 bis 90 Punkten wurden von einer bedeutenden Gruppe erreicht, was also insgesamt auf eine starke interkulturelle Orientierung schließen lässt. 6. Schlussfolgerungen Der polnischen und der US-amerikanischen Probandengruppe ist gemeinsam, dass jeweils ca. die Hälfte der quantitativ Untersuchten das extrinsische Motiv der im Kurs zu erbringenden Leistung nennt. Auch pragmatische Motive bezogen auf die Berufskarriere und den Gebrauch der deutschen Sprache am Arbeitsplatz erscheinen in der quantitativen Untersuchung in beiden Ländern als eher wichtig. Dennoch sind die Unterschiede in der Motivation der amerikanischen und der polnischen DaF-Lernenden eher groß, wobei in Polen vor allem instrumentelle Motive und in den USA neben den instrumentellen auch interkulturelle Motive ziemlich stark präsent sind. Generell spielen in Polen extrinsische Motive eine größere Rolle als in den USA. Dem Kommunikationsmotiv wird in den USA eine größere Bedeutung als in Polen beigemessen, was angesichts der direkten Nachbarschaft und reger Kontakte zwischen Polen und Deutschland überraschen mag. Andererseits wird das vom Pragmatismus des Kommunikationsmotivs eher entfernte Spaßmotiv auch von amerikanischen Studierenden öfter erwähnt. Die starke Position dieses Motivs in den USA hängt vermutlich mit der größeren Freiheit in der Wahl dieser Sprache zusammen. Auch wenn die Sprachanforderungen an einer Hochschule (Language requirement) bei mehreren amerikanischen Studierenden als ein gewisser Zwang empfunden werden können, so ist der durch polnische Bildungsstandards ausgeübte Druck, eher die erste, seit mehreren Jahren gelernte Fremdsprache auch im Rahmen des Hochschulstudiums zu wählen, beachtlich größer. Wurde bereits im Gymnasium z.B. Deutsch als erste Fremdsprache gelernt, so entscheiden sich spätere Studierende auch meistens für den Deutschkurs, um den Anforderungen bezüglich des Sprachniveaus gerecht zu werden. Der für das DaF- Lernen in Polen weniger zutreffende „Spaßfaktor“ ist wohl auch auf die negativere Einstellung zur Sprache selbst zurückzuführen. Deutsch wird von amerikanischen Lernenden lieber gemocht und mehr geschätzt als von den polnischen Probanden. 4 Möglicherweise hat eine etwas verkürzte und kompaktere Form dieses Items in der englischsprachigen Version zur teilweisen Entstellung der Antworten beigetragen. „I just want to learn vocabulary and grammar“ heißt es in der amerikanischen Variante der Umfrage, was u. U. nicht so ultimativ wie im polnischen Fragebogen (oder in der deutschen Übersetzung) klingt und von einigen Probanden nicht ganz präzise verstanden worden zu sein scheint. Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA 91 45 (2016) • Heft 2 Was die Motivation der amerikanischen Studierenden auszeichnet und von den polnischen Probanden deutlich unterscheidet, sind Motive, die das Kulturlernen bzw. Kulturerlebnisse betreffen. Bereits den bei der Multiple-Choice-Frage gewählten Motiven ist zu entnehmen, dass die deutsche Sprache in den USA geradezu überwältigend öfter als in Polen als Instrument zur Erkundung und zum Erleben der Hochkultur oder Popkultur (Literatur, Film, Kunst) der deutschsprachigen Länder dient. Dadurch lassen sich die amerikanischen DaF-Lernenden viel stärker motivieren als polnische Studierende. Derartige Motive spielen in Polen nur eine marginale Rolle. Das Motiv, durch den Deutschkurs die deutsche, österreichische oder schweizerische Mentalität näher kennenzulernen, ist für amerikanische Probanden ebenfalls viel relevanter. Die beiden intrinsischen, auf das Kulturlernen und den Erwerb interkultureller Kompetenz bezogenen Motive kann man als Indiz einer stärkeren interkulturellen Motivation betrachten. Auch die Wahrnehmung der deutschen Sprache als eines Schlüssels zum Verstehen von Kultur, Bräuchen und Mentalität der DACH-Bewohner ist in den USA dermaßen stark präsent (88% der Probanden gegenüber ca. 45% der polnischen Befragten), dass von einem höheren Bewusstsein der sprachlichen und kulturellen Zusammenhänge unter den amerikanischen DaF-Lernenden gesprochen werden kann. Diese Ergebnisse, die auf eine stärkere interkulturelle Orientierung in den USA hindeuten, wurden mithilfe der Likert-Skalierung validiert. Die Gesamtergebnisse bestätigten eine deutlich größere Bedeutung interkultureller Motive für amerikanische Studierende. Die interkulturelle Orientierung der Deutschlernenden in Polen ist als mittelmäßig zu bezeichnen. Ein direkter Vergleich zeigt, dass amerikanische DaF-Lernende mit einem Messergebnis von mehr als 70 Punkten mit Abstand stärker vertreten sind. Damit wird die Frage beantwortet, ob die geographische Distanz zum Zielsprachenland eine Rolle bei der interkulturellen Motivation spielt. Im Falle Polens, eines direkten Nachbarlandes Deutschlands, ist die interkulturelle Orientierung schwächer als in den so weit entfernten Vereinigten Staaten. Die geographische Nähe impliziert also nicht zwangsläufig eine stärkere interkulturelle Motivation. Die geographische Distanz allein erscheint demnach nicht als wesentlicher Motivationsfaktor. Vergleicht man die einzelnen Statement-Komplexe (Wissen, Haltungen, Fähigkeiten) in den beiden Studien an, so liegen auch charakteristische Unterschiede vor. Unter den polnischen Probanden sind interkulturelle Motive im Bereich der Fähigkeiten bedeutender als andere. Motive verbunden mit dem Erwerb der soziolinguistischen Kompetenz und mit der Entwicklung der Ambiguitätstoleranz werden dabei in Polen besonders oft hervorgehoben. In den USA erreichen die meisten Items generell hohe Werte, dennoch sind die Mittelwerte innerhalb des Statement-Komplexes „Wissen“ besonders hoch, was auf einen größeren Stellenwert interkultureller Motive kognitiver Art zu schließen erlaubt. Bildungspolitische Dokumente, die die fremdsprachlichen Curricula jeweils in Polen und in den USA mitbestimmen, wie etwa der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen oder die National Standards for Foreign Language Learning, fördern den kommunikativen und interkulturellen Ansatz in der Fremdsprachendidak- 92 Maciej Mackiewicz 45 (2016) • Heft 2 tik. Eine andere Frage ist aber, was die Erwartungshaltung der Lerner ist und wie die Lerner zu interkulturell orientierten Zielsetzungen des Deutschunterrichts stehen. Die Erforschung der Motive und der interkulturellen Orientierung vermag die Perspektive der DaF-Lernenden etwas näher zu beleuchten, was wiederum zur Neugestaltung von didaktisch-methodischen, lernerzentrierten, aber auch interkulturell ausgerichteten Konzepten verhelfen kann. Literatur A MMON , Ulrich (1991): Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin/ New York: de Gruyter. A GUADO , Karin / R IEMER , Claudia (2001): „Triangulation: Chancen und Grenzen mehrmethodischer empirischer Forschung“. In: A GUADO , Karin / R IEMER , Claudia (Hrsg.): Wege und Ziele. Zur Theorie, Empirie und Praxis des Deutschen als Fremdsprache (und anderer Fremdsprachen). Festschrift für Gert Henrici zum 60. Geburtstag. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 245-257. A PELT , Walter (1992): „Motive - Motivation - Motivierung“. In: J UNG , Udo O. H. (Hrsg.): Praktische Handreichungen für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt/ M.: Lang, 85-93. B LIESENER , Ulrich (2002): „Vom interkulturellen Lernen spricht jeder - aber wie genau geht das im Unterricht? “ In: F EHRMANN , Georg / K LEIN , Erwin (Hrsg.): Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht. Beiträge zur Tagung des FMF-Nordrhein am 15. August 2001 in Aachen. Bonn: Romanistischer Verlag, 13-40. B REDELLA , Lothar (1999): „Zielsetzungen interkulturellen Fremdsprachenunterrichts“. In: B REDELLA , Lothar / D ELANOY , Werner (Hrsg.): Interkultureller Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr, 85-120. B YRAM , Michael (1997): Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Philadelphia, PA: Multilingual Matters. D ÖRNYEI , Zoltán (2003): Questionnaires in Second Language Research. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. G ARDNER , Robert C. (2010): Motivation and Second Language Acquisition. The Socio-Educational Model. New York: Lang. M ACKIEWICZ , Maciej (2014): Interkulturelle Motivation im Fremdsprachenunterricht. Eine komparative Studie zu Deutsch als Fremdsprache in Polen und den USA. Frankfurt/ M. [u.a.]: Lang. N EUNER , Gerhard / H UNFELD , Hans (1993): Methoden des fremdsprachlichen Unterrichts. Eine Einführung. Berlin [u.a.]: Langenscheidt. ORE (2013): Powszechność nauczania języków obcych w roku szkolnym 2011/ 2012. Warszawa: Ośrodek Rozwoju Edukacji. P FEIFFER , Waldemar (2000): „Möglichkeiten und Grenzen der interkulturellen Sprachvermittlung“. In: Glottodidactica 28, 125-139. S CHMALT , Heinz-Dieter / L ANGENS , Thomas A. ( 4 2009): Motivation. Stuttgart: Kohlhammer. S TAPF , Kurt H. / S TROEBE , Wolfgang / J ONAS , Klaus (1986): Amerikaner über Deutschland und die Deutschen. Urteile und Vorurteile. Opladen: Westdeutscher Verlag. 45 (2016) • Heft 2 © 2016 Narr Francke Attempto Verlag Y UAN L I * Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China Abstract. This article compares two motivational studies from 2003 and 2015 concerning Chinese students learning German. The two studies with a time span of 12 years are based on surveys of students learning German as a foreign language at Zhejiang University in Hangzhou. The aim of this study is to capture the change of the target groups regarding motivational structures and to try to trace this change back to the concrete modified anthropogenic and socio-cultural conditions within the Chinese society. 1. Einführung Das Interesse am Deutschlernen unterliegt in den letzten Jahrzehnten Verschiebungen. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wies weltweit die Bedeutung der deutschen Sprache eine rückläufige Tendenz auf. Die Zahl der Deutschlernenden war zwischen 2000 und 2005 von 20,1Mio. auf 16,7 Mio, also um 17 %, gesunken (vgl. A MMON 2009). Jedoch ist Deutsch in den letzten Jahren, nach Ammon, „wieder deutlich attraktiver geworden“ (F ASEL 2015). 2015 gibt es nach der aktuellen Erhebung weltweit rund 15,4 Mio Deutschlernende. Damit ist die rückläufige Entwicklung gestoppt, die bis 2010 (14,7 Mio.) zu beobachten war (A USWÄRTIGES A MT 2015: 6). Demgegenüber sind die Lernendenzahlen in Deutsch als Fremdsprache in China seit den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, in den letzten Jahren numerisch sogar rasant. Gegenüber vier Universitäten in den 1950er Jahren (vgl. I NSTITUT FÜR H OCHSCHULBILDUNG 1993: 32) konnte Germanistik im Jahr 2000 an 28 Universitäten (vgl. Y IN , zit. nach A MMON 2002) studiert werden. Heutzutage beläuft sich die Zahl der Germanistikabteilungen auf 105 (vgl. C UI 2015: 73). 2000 lernten 19.190 1 Chinesen Deutsch (S TÄNDIGE A RBEITSGRUPPE D A F 2000: 19). Diese Zahl beträgt 2015 laut Statistiken des Auswärtigen Amts 117.487. Deutsch wird nun an 327 Hochschulen 2 , 123 Schulen, 23 DaF-Erwachsenenbildungseinrichtungen- und Goethe-Instituten ge- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Yuan L I , Institute of German Studies, Zhejiang University, H ANGZHOU 310058, Volksrepublik China. E-Mail: liyuan_hz@msn.com Arbeitsbereiche: Fremdsprachendidaktik, Diskurslinguistik, Zweitspracherwerb. 1 Statistiken der S TÄNDIGEN A RBEITSGRUPPE D A F (2000): DaF-Lernende in Schulen: 600 (S. 11), DaF- Lernende in Hochschulen: 12.800 (S. 19), DaF-Lernende in Erwachsenenbildung: 5.790 (S. 27). 2 Gemeint sind hier sowohl Hochschulen mit Germanistikabteilungen als auch Hochschulen mit Deutschkursen. 94 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 lernt (A USWÄRTIGES A MT 2015: 10) 3 . Insgesamt betrachtet liegt Deutsch unter den wichtigen Fremdsprachen in China etwa an dritter oder vierter Stelle, also „nach Englisch und Japanisch, in den letzten Jahren immer mehr konkurrierend mit Französisch“ (Z HU 2009: 426). In China wird Deutschunterricht in folgenden vier Formen erteilt: a. im Studiengang Germanistik mit einem Bachelorabschluss (an einigen Hochschulen auch mit einem Masterabschluss und an wenigen Hochschulen mit Promotion); b. in den studienbegleitenden Sprachkursen für andere Studienfächer (meistens neben Englisch als zweiter Fremdsprache) in Hochschulen; c. in Sprachkursen öffentlicher und privater Institutionen; d. an Schulen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich im Wesentlichen auf die zweite Form: studienbegleitendes Deutschlernen (zweite Fremdsprache) an Hochschulen. 4 Die Fokussierung auf diese Gruppe lässt sich damit begründen, dass sie zum einen die größte Deutschlernergruppe in China darstellt und zum anderen die Untersuchung mit dieser Gruppe wegen ihrer Heterogenität und Komplexität am vergleichsweise aufschlussreichsten erscheint. Während die Lernmotivation der Germanistikstudierenden (Beschäftigung mit deutscher Sprache und Kultur) und die der Teilnehmenden der Sprachkurse (Vorbereitung auf einen Deutschlandaufenthalt) relativ eindeutig und homogen ist, erstrecken sich die Motivationen der Studierenden, die freiwillig Deutsch als zweite Fremdsprache ausgewählt haben, auf ein breites Spektrum. 2. Empirische Untersuchung 2.1 Erkenntnisinteresse Warum lernt man Deutsch als zweite Fremdsprache neben dem Fachstudium? Der Gegenstand der vorliegenden Studie sind die bedeutsamen Motive des Deutschlernens, was an einen der wichtigsten Ansätze der Motivationsforschung anknüpft. Die Motivation dieser Lerngruppe in China wurde bereits Ende der 1980er Jahre erforscht (M ITSCHIAN 1991; H ESS 1992). Aus der Untersuchung von M ITSCHIAN geht hervor: 3 Hier werden Daten überwiegend aus deutscher Quelle bezogen. Es liegt auf der chinesischen Seite landesweit keine offizielle Angabe über die exakte Zahl der Deutschlernenden vor. Auch in Bezug auf Englischlernen und Fremdsprachenlernen im Allgemeinen mangelt es in China an konkreten Datenerhebungen (vgl. H U 2009: 16). 4 In China wird Englisch in den überwiegenden Fällen als erste Fremdsprache an Universitäten verpflichtend angeboten. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 95 45 (2016) • Heft 2 „Das Erlernen der deutschen Sprache in China ist generell mit Motivationsproblemen behaftet, denn zufällige Kontakte zur deutschen Sprache sind selten, und die meisten der berufsmäßigen Anwendungen sind finanziell wenig einträglich“ (M ITSCHIAN 1991: 307). H ESS setzt das Deutschlernen vieler chinesischer Studierenden mit der „Kunst des Drachentötens“ 5 gleich: „Sie beschäftigen sich mit einer Sprache, ohne doch zu wissen, ob sie sie in der Praxis werden anwenden können“ (H ESS 1992: Vorwort). „Befragt man Studenten, warum sie trotz allem noch DaF-Kurse belegen, so wird man […] überraschend vage Antworten erhalten. Deutschland sei ein ‚interessantes Land mit hochentwickelter Technik‘, von dem es zu lernen gälte, man könnte später(! ) vielleicht (! ) mal ‚mit deutschen Fachleuten kommunizieren‘, ‚originale Fachliteratur‘ oder ‚Romane‘ lesen“ (H ESS 1992: 354). M ITSCHIAN und H ESS haben die damalige Situation zutreffend beurteilt. Die daraus hervorgegangenen Ergebnisse waren aufschlussreich und lange Zeit richtungsweisend für die chinabezogene DaF-Forschung und -Lehre. Sie müssen jedoch heutzutage aktualisiert werden, weil sich China und seine jüngere Generation in der aktuellen Umbruchzeit schnell und vielfach verändert haben und noch weiter verändern. Die soziokulturellen Rahmenbedingungen des Deutschlernens und die anthropologisch-psychischen Entwicklungen des Deutschlerners haben sich dementsprechend verschoben. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, eine aktuelle Bestandsaufnahme der Lernmotivation vorzunehmen, um dabei zu erkennen, ob und wie sich die Motivation durch die Veränderung der chinesischen Gesellschaft und ihrer Individuen gewandelt hat, um die internationale Stellung der deutschen Sprache neu zu bestimmen und bessere Entscheidungen für die Fremdsprachenpolitik und Fremdsprachendidaktik treffen zu können. 2.2 Untersuchungsfeld Zur Erforschung der Motivation der chinesischen Studierenden für Deutsch als zweite Fremdsprache scheint auf den ersten Blick eine flächendeckende Untersuchung geboten; sie ist beim genauen Betrachten der realen Verhältnisse jedoch weder realistisch noch aussagekräftig, weil die Lernmotivationen in China von Region zu Region und von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich sind. Dies wird verursacht durch die Unterschiede der soziokulturellen und soziopsychischen Bedingungen des Deutschlernens innerhalb Chinas, insbesondere zwischen den industriell entwickelten Ostküstenstädten und den Entwicklungsgebieten im Westen. Die vorliegende Untersuchung geht exemplarisch auf Konstellationen der Deutschlernenden einer Universität - der Zhejiang Universität - ein. Die Zhejiang Universität zählt zu den wissenschaftlich renommierten Universitäten Chinas. Seit 2001 nimmt sie auf verschiedenen nationalen Rankinglisten den dritten bis fünften Platz ein. Sie liegt in 5 Die „Kunst des Drachentötens“ ist in China ein üblicher Ausdruck für eine Kunst, für die man niemals die Gelegenheit hat, sie unter Beweis zu stellen. 96 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 der Stadt Hangzhou in der Küstenregion Südostchinas, die zur boomenden Wirtschaftsregion Chinas gehört. Dies hat zweifelsohne einen starken Einfluss auf die Lernmotivation und die Berufsperspektive der Studierenden. Die Zhejiang Universität hat bereits im Jahr 1983 eine Kooperationspartnerschaft mit der Technischen Universität Berlin abgeschlossen und ist somit eine der ältesten chinesischen Universitäten, die deutsche Partner haben. Ähnliche Vereinbarungen wurden später z.B. noch mit Hochschulen in München, Aachen, Würzburg, Kiel usw. getroffen. Die Zhejiang Universität ist seitdem eine der größten Institutionen in ganz China, die studienbegleitende Deutschkurse anbieten (vgl. H ESS 1992: 438). Die erwähnten Motivationsuntersuchungen von M ITSCHIAN und H ESS (Untersuchung 1988/ 89), die beide an dieser Universität durchgeführt wurden, geben Anlass, durch eine neue Untersuchung eine Aktualisierung der Ergebnisse zu erreichen. Der Boom des Deutschlernens in ganz China wird von der quantitativen Entwicklung der Deutschausbildung an der Zhejiang Universität bestätigt: Deutsch ist nach Englisch die zweithäufigst gewählte Fremdsprache. 2.3 Probanden und Methoden der Datenerhebung sowie -auswertung Die Probanden (N = 126, Rücklauf: N = 107) wurden zu Beginn des Wintersemesters 2015/ 2016 in drei Sprachkursen für Deutsch als zweite Fremdsprache an der Zhejiang Universität gewonnen. Es handelte sich dabei um Bachelorstudierende aus nichtgermanistischen Studiengängen, die das geforderte Niveau von Englisch als erster Fremdsprache erreicht haben und Leistungspunkte in Sprachkursen einer zweiten Fremdsprache erwerben können. Zur Wahl stehen neben Deutsch noch Französisch, Japanisch, Italienisch, Russisch und Spanisch. Davon ist Deutsch seit Jahren die beliebteste Sprache. Insgesamt konnten Daten von 107 Studierenden erhoben werden. Bewusst wurden dabei keine bestehenden Fragebögen eingesetzt. Die standardisierten Befragungen geben meistens eine bestimmte Zahl von möglichen Motivationen für die Wahl des Deutschlernens an. Bei jeder dieser Motivationen sollen die Befragten auf einer fünf- oder siebenstufigen Skala angeben, ob sie sie für ihre eigene Person stark bejahen, bejahen, weder bejahen noch verneinen, verneinen oder stark verneinen (z.B. G ARDNER 1985; A MMON 1991; T AGUCHI / M AGID / P API 2009). Die vorgegebenen Motivationen könnten meines Erachtens einerseits die Auswahl der Befragten einschränken und ihnen nicht zutreffende Motive suggerieren, andererseits entsprechen sie z.T. nicht der chinesischen Situation. 6 A MMON (1991: 34) zufolge haben auf Fragebögen vorgegebene Motivationen „eine gewisse nicht abschätzbare Suggestivkraft“, „ihre Bejahung ist psychisch einfacher als ihre Verneinung“. Die Ergebnisse spiegeln daher nicht in vollem Umfang die wirklichen Auffassungen der Befragten wider. Demgegenüber habe ich mich für offene Antworten auf die bewusst suggestiv formulierte Frage entschieden: „Warum lernen Sie ausgerechnet Deutsch als zweite Fremdsprache? “. Die Studie- 6 A MMON s (1991) Fragebogen beinhaltet z.B. Motive wie „Familie kommt aus deutschsprachigen Ländern“, oder „um deutsche Opern und Lieder zu verstehen“ usw. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 97 45 (2016) • Heft 2 renden sollten ohne längere Überlegungszeit bis zu drei Gründe für ihre Entscheidung aufschreiben. Zu Auswertungszwecken wurden dann Klassifizierungen wie ‚bessere Berufschancen‘, ‚Studium in Deutschland‘, ‚familiäre Gründe‘, ‚Interessen‘ usw. vorgenommen. Es ist klar, dass das Dilemma, zur Befragung Kategorien vorzugeben und dadurch nicht das gesamte Spektrum vorhandener Motivationen, sondern nur die eine oder die andere Kategorie zu bestätigen, bei offenen Fragen nur unbefriedigend gelöst wird. Dadurch, dass die Antworten von Untersuchenden klassifiziert werden, werden allerdings ebenfalls Kategorien angelegt, die die Komplexität von Motivationen nicht ausreichend erfassen können. Diesen Mangel kann die Miteinbeziehung von Interviews in kleinem Umfang gutmachen. Im Anschluss an die Fragebogenerhebung wurden deshalb noch zusätzlich 15 Leitfadeninterviews mit ausgesuchten Befragten zur Ergänzung der Fragebogenaktion durchgeführt. Die Interviews wurden nicht Wort für Wort transkribiert, sondern bei Bedarf in die Analyse einbezogen. 3. Analyse und Interpretation: Wandel der Motivation Damit man die aktuellen Daten besser verstehen und einen eventuellen Wandel feststellen kann, werden die Daten einer Studie aus dem Jahr 2003 7 (L I 2010) zum Vergleich herangezogen, die ebenfalls von der Autorin an derselben Universität durchgeführt worden war. 3.1 Motivation des Deutschlernens im Jahr 2003 Abb. 1: Lernmotivation 2003 (Mehrfachnennungen möglich, eigene Darstellung) 7 2003 haben wir sowohl Studierende der Germanistik (N=32) als auch Studierende im studienbegleitenden Kurs (N=85) befragt. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt lediglich die Ergebnisse für die letztgenannte Gruppe. 2010 wurde wieder eine Untersuchung mit Studierenden im studienbegleitenden Kurs durchgeführt (ausführlicher dazu L I 2010). Diese Daten werden hier nicht berücksichtigt, weil der zeitliche Abstand von fünf Jahren nur eingeschränkt zur Verdeutlichung eines Wandels geeignet zu sein scheint. 98 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 Aus den Angaben der Befragten hat sich 2003 ergeben, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Zielgruppe Deutsch zumeist aus utilitaristischen Gründen lernte. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie mit dem Vorhaben auf ein Studium in Deutschland (67 %) und mit dem Wunsch auf einen besseren Arbeitsplatz (52 %) Deutsch lernen. Die Nützlichkeitserwägungen, die im veränderten politischen und gesellschaftlichen Kontext auch tatsächlich realisierbarer wurden, gewannen dabei deutlich die Oberhand. Es ist besonders anzumerken, dass hierbei eine relevante Rolle spielen könnte, wie intensiv eine chinesische Hochschule partnerschaftliche Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen betreibt (7 %). Die Rahmenbedingung unserer Untersuchung ist, dass die Zhejiang Universität seit Jahrzehnten engen Kontakt zu deutschen Universitäten hat, was die Studierenden beträchtlich zum Deutschlernen motiviert. Dort bietet sich die Möglichkeit, sich während des Studiums als Austauschstudent im deutschsprachigen Raum aufzuhalten. Daher lernen nicht wenige Deutsch, um sich diesbezüglich Vorteile zu verschaffen. Es ist überraschend, dass familiäre Gründe auch als Lernmotivation (6 %) genannt wurden. Das lässt sich dadurch erklären, dass die Eltern einiger Befragten einen längeren Deutschlandaufenthalt in den 1980er Jahren absolviert hatten. Dies hat offensichtlich die Motivation einiger Befragten beeinflusst. 3.2 Motivation des Deutschlernens im Jahr 2015 Abb. 2: Lernmotivation 2015 (Mehrfachnennungen möglich, eigene Darstellung) * Liebe zu deutschem Fußball (N=8), zu deutscher Popmusik, Literatur und Philosophie (N=8), zu deutscher Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit (N=7), zu deutscher modernen Technik (N=6) Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 99 45 (2016) • Heft 2 Die pragmatischen Ziele, also bessere Berufschancen und Studium in Deutschland, welche als die wichtigsten zwei Motivationen für das Deutschlernen 2003 galten, nehmen weiterhin einen wichtigen Stellenwert ein, aber mit großem Rückgang. Knapp ein Viertel der Befragten zielt mit Deutschkenntnissen auf eine bessere Berufsperspektive ab, und weniger als ein Fünftel lernt Deutsch, weil es nach Deutschland zum Studium kommen will. Interessanterweise lernen 14 % und 10 % der Befragten Deutsch, weil Deutsch eine andersartige Sprache ist und weil sie sich selbst herausfordern wollen. 9 % haben deshalb Deutsch als ihre zweite Fremdsprache gewählt, weil sie bereits in der Schule Deutsch gelernt hatten. Die drei Aspekte werden zum ersten Mal genannt und nehmen dort einen beachtlichen Platz ein. 3.3 Wandel der Motivationen Stellt man die Forschungsergebnisse von 2003 und 2015 einander gegenüber, sind in erster Linie die folgenden vier Tendenzen festzustellen: 1. „Das Studium in Deutschland“ ist als Motivation zum Deutschlernen stark abgesunken (von 67 % auf 19 %). 2. „Bessere Berufschancen“ motiviert das Deutschlernen nicht mehr so stark (von 52 % auf 24 %). 3. „Interesse an Deutschland“ erlebt einen Aufschwung (von 33 % auf 55 %) und fällt viel konkreter und differenzierter aus (Interesse an deutscher Sprache, Interesse an deutscher Literatur, Fußball etc.). 4. „Selbstherausforderung“, „Wunsch nach einer andersartigen Sprache“ und „Deutschvorkenntnisse in Schulen“ sind neue Motivationen. Worauf lässt sich der Wandel zurückführen? Welche Faktoren spielen als Ursachen dabei zusammen? Im Folgenden wird versucht, die Veränderungen der Motivationsstruktur der untersuchten Zielgruppe zu erfassen und sie im Hinblick auf die veränderten sozio-kulturellen und anthropologisch-psychischen Voraussetzungen der chinesischen Gesellschaft am Beispiel von einer Region (Hangzhou) zu analysieren. 4. Ursachen des Motivationswandels 4.1 Warum ist das Motiv ‚Deutschlandstudium‘ abgesunken? Das Studium an einer deutschen Universität galt Anfang des 21. Jahrhunderts als einer der größten Wünsche vieler Studierenden, was vor dem Hintergrund der Internationalisierung Chinas und der verbesserten Lebensqualität der chinesischen Bevölkerung nicht nur ermöglicht, sondern auch unterstützt wurde. Seit den 1990er Jahren steht von der Politik her einem Auslandsstudium 8 nichts 8 Das private Auslandsstudium auf eigenen Kosten wurde zwar bereits 1981 von der Zentralregierung 100 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 mehr im Wege. Die Chinesen können ihren Traum, im Ausland zu studieren, für sich selbst oder für ihre Kinder 9 erfüllen. Der akademischen Bildung wird in der chinesischen Gesellschaft traditionell große Bedeutung zugemessen. Das Studium an einer westlichen Universität genießt in China einen besseren Ruf als das im eigenen Land und gewährleistet Vorteile bei Bewerbungen. Aus einer Statistik des Jahres 2002 ist zu entnehmen, dass nur 10 % der Studienbewerber in China studieren wollten. 10 Dadurch, dass seit Ende der 1990er Jahre die Hochschulbildung den Charakter einer Elitenbildung verlor, wünschten sich immer mehr ein Zusatz- oder Weiterstudium im Ausland. Mit der Entwicklung der Wirtschaft stellt ein Auslandsstudium für immer mehr wohlhabende chinesische Familien kein finanzielles Problem mehr dar. Die erste Wahl bei einem Auslandsstudium waren und sind immer noch die USA. Doch die amerikanische Visumspolitik war nach dem Bombenanschlag auf die chinesische Botschaft in Belgrad durch die NATO im Jahr 1999 und insbesondere nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 restriktiv geworden, was dazu führte, dass Tausende von Studienbewerbern am Visumsantrag scheiterten. Diese Gruppe kam z.T. nach Deutschland - vor allem auch wegen der nicht erhobenen Studiengebühren und der Bildungspolitik: Deutschland versteht sich als Studien- und Wissenschaftsstandort für internationale Bewerber. Es hat sich bewährt als ein kostengünstiger Weg zur Erlangung eines westlichen akademischen Titels und zur Aneignung der westlichen Technik. Im Jahr 2003 hat sich die Zahl der aus China stammenden Bildungsausländer in Deutschland erhöht. Insgesamt waren 19.374 chinesische Bildungsausländer an deutschen Hochschulen eingeschrieben, das waren 43,3 % mehr als im Vorjahr, 80 % mehr als Ende der 1990er Jahre. Mit etwa 10 % bildeten die Chinesen 2003 die größte Gruppe der Bildungsausländer. 11 2005 kam in China der Andrang, der auf die amerikanischen Visastellen in der Volksrepublik China einsetzte, wohl eher überraschend: Die Zahl der dort erteilten Studienvisa stieg um über 100 Prozent. Das lag vor allem an der Lockerung der Visumspolitik der USA im Jahr 2005. Seitdem erlebt das Studium in den USA einen Boom. Von den 413.900 Chinesen, die im Jahr 2014 im Ausland studierten, ging ca. die Hälfte in die USA. 12 Das erklärt zum einen, warum das Motiv Deutschlandstudium zurückgegangen ist. Ein weiterer Grund dafür liegt darin, dass die deutschen Hochschulen im Bemühen um Internationalisierung die englische Sprache in die Hochschullehre einführten, zahlgenehmigt, aber Auslandsreisen konnten erst in den 1990er Jahren in nennenswerter Zahl durchgeführt werden. 9 Die Generation, die während der Kulturrevolution Lern- und Studienmöglichkeiten versäumen musste, will unbedingt die verlorene Bildung an ihren Kindern nachgeholt sehen. Oft bringt die ganze Familie gemeinsam die Mittel für ein Auslandsstudium auf. 10 Quelle: Bildungszeitung Chinas, 12.11.2002. Abgerufen am 03.05.2005. 11 Quelle: www.wissenschaft-weltoffen.de, Daten und Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung vom DAAD und HIS (15.03.2010). 12 Die Daten stammen aus dem Bericht über das Auslandsstudium der Chinesen 2015. http: / / www.eol.cn/ (12.02.2016). Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 101 45 (2016) • Heft 2 reiche (internationale) Studiengänge werden auf Englisch angeboten. Die Zahl der „International Programs“ ist von 88 im Jahr 1997 inzwischen auf 1.049 gestiegen. 13 Gute Deutschkenntnisse werden bei solchen Studiengängen nicht mehr vorausgesetzt und gefordert. Deutschland als ein weiterhin begehrter Studienort motiviert in der Folge nicht mehr unbedingt zum Deutschlernen. 4.2 Warum sind ‚bessere Berufschancen‘ nicht mehr ein starkes Motiv? Die Fremdsprachen werden heute in China als Zusatzqualifikation immer wichtiger. In China hat sich in den vergangenen Jahren allmählich ein allgemeiner Konsens herausgebildet, dass sich die heutige Welt einerseits immer weiter globalisiert, andererseits immer mehr von einem multikulturellen Gesellschaftscharakter geprägt ist. Neben Englisch noch Deutsch oder eine andere Fremdsprache zu lernen, eröffnet im Allgemeinen günstige berufliche Aussichten. Heute verbindet China und Deutschland ein Netz von vielfältigen und intensiven Beziehungen in den Bereichen Politik und Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Das gilt insbesondere für die wirtschaftliche Kooperation zwischen den beiden Ländern. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste europäische Handelspartner Chinas. Umgekehrt ist China wirtschaftliches Partnerland Nummer eins für Deutschland in Asien. Bereits seit 2002 ist China nach den USA und noch vor Japan der zweitwichtigste deutsche Exportmarkt außerhalb Europas. Die meisten importierten Waren in Deutschland kommen aus dem „Reich der Mitte“. 14 Durch die vielfältigen Kooperationen zwischen beiden Ländern sollten sich eigentlich für die chinesischen Deutschlernenden vermehrt berufliche Chancen anbieten. Aber warum wird das Motiv ‚bessere Berufschance‘ in Bezug auf Deutschlernen im Gegenteil immer weniger angegeben? Das lässt sich vor allem auf die Bedeutung von Englisch als lingua franca zurückführen. Im Kontext der weiterhin wachsenden Dominanz von Englisch als weltweiter lingua franca rücken die pragmatischen Gründe, welche die chinesischen Studierenden früher zum Deutschlernen motivierten, immer mehr in den Hintergrund. Mehr als 80 % der Deutschlernenden haben, so das Ergebnis einer anderen Stichprobe mit Graduierten 15 , keine Chancen, ihre erworbenen Deutschkenntnisse in ihrem weiterführenden Studium oder Beruf einzubringen. Aus der empirischen Untersuchung von W ANG (2007: 224ff.) geht ähnlicherweise hervor, dass die Deutschkenntnisse am Arbeitsplatz bei deutschsprachigen Firmen in China nur eine untergeordnete Rolle spielen. In den großen Unternehmen, sog. ‚Global Players‘, ist die deutsche Sprache nur von marginalem Wert. Sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen pflegen deutschsprachige Firmen im Ausland den hauptsächlichen Teil ihrer Kommunikation auf Englisch abzuwickeln (vgl. dazu auch H ESS / 13 https: / / www.daad.de/ deutschland/ studienangebote/ international-programs/ en (12.02.2016). 14 http: / / www.china.diplo.de/ Vertretung/ china/ de/ (15.02.2016). 15 Diese Angaben beruhen auf internen Statistiken und qualitativen Interviews mit Absolventen. 102 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 W INGATE 1994; W EI 2007). Deutsche Firmen in China erwarten von ihren Mitarbeitern in erster Linie hervorragende Englischkenntnisse. Gute Deutschkenntnisse werden nicht als eine Voraussetzung, sondern nur als Zusatzqualifikation betrachtet. Das erklärt u.a., warum statt der Hälfte im Jahr 2003 nur knapp ein Fünftel im Jahr 2015 Deutsch für bessere Chancen im Beruf erlernt. Es liegt nahe, dass das Deutsche, wie alle anderen Sprachen, gegenüber der ‚Weltsprache‘ Englisch keine Chance hat. Der Denkansatz, „der fortlaufend auf die ‚Konkurrenz‘ zum Englischen schielt“, scheint H ESS (2007: 324) zufolge „wenig fruchtbar“ zu sein. Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen Klagen, dass Englisch die deutsche Sprache verdrängt, wird in der vorliegenden Untersuchung eine andere Tendenz festgestellt: Die hochfrequente Verwendung des Englischen auch in ‚typisch‘ deutschen Wirtschafts- und Wissenschaftsinstitutionen verändert einerseits die Motivation des Deutschlernens, andererseits widerlegt sie die gängige Hypothese aus der Soziolinguistik, dass eine Fremdsprache erst Lerner anziehen kann, wenn sie einen ökonomischen Wert oder Gebrauchswert vorweist (vgl. C OULMAS 1991, zit. nach H ESS 2007: 323). Aus rein ökonomischen Nützlichkeitsüberlegungen scheint das Erlernen von Deutsch nicht zwingend notwendig. Tatsache ist jedoch, dass das Interesse an der deutschen Sprache in China trotz der wachsenden Dominanz von Englisch als internationaler lingua franca nicht zurückgeht. Das scheinbare Paradox lässt sich nur auflösen, wenn das Deutschlernen nicht mehr ausschließlich im Zusammenhang mit der Nützlichkeitserwägung oder mit dem Gebrauchswert zu begründen ist. 4.3 Was begründet das Interesse vieler Deutschlerner an Deutschland? Die Angabe ‚Interesse an Deutschland‘, das im Jahr 2003 auf dem dritten Platz stand, hat 2015 die Oberhand gewonnen. Im Gegensatz zur letzten Untersuchung ist das Interesse an Deutschland auf unterschiedlichen Gebieten präsent: von der klassischen schöngeistigen Kultur (deutsche Sprache, Philosophie, Literatur, Musik...) und der interessanten Geschichte über die moderne Wissenschaft und Technik bis zum Alltag und zur Mentalität (Fußball, deutsche Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit etc.). Man wundert sich, dass die Lernenden bereits ein so umfangreiches Vorwissen über Deutschland besitzen. Dies ist in erster Linie der intensiven Beziehung zwischen beiden Ländern im Bereich der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur etc. zu verdanken. Vor allem entwickelten sich die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen mit großer Dynamik. In den letzten dreißig Jahren ist das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und China von 275 Millionen Euro auf 154 Milliarden Euro (2014) gestiegen. Auf die deutschen Exporte nach China entfielen rund 74 Mrd. Euro und auf die deutschen Importe aus China 79,3 Mrd. Euro. 16 Die Präsenz der deutschen Technik und Produkte weckt das Interesse der Chinesen an Deutschland. 16 http: / / www.china.diplo.de/ Vertretung/ china/ de/ (15.02.2016). Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 103 45 (2016) • Heft 2 Des Weiteren kann gerade im akademischen Kontext insbesondere der wissenschaftliche und personelle Austausch das Interesse der Studierenden an Deutschland wecken. Bislang kooperieren 300 chinesische mit 100 deutschen Hochschulen. Seit 1999 hat sich die Zahl der Chinesen an deutschen Hochschulen von ca. 5.000 auf mittlerweile über 32.460 mehr als versechsfacht. Chinesen bilden hinter der Türkei die zweitgrößte Gruppe aller ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen (vgl. S TATISTISCHES B UNDESAMT 2015: 55). Allein an der Zhejiang Universität ist die Zahl der Studierenden, die während ihres Studiums für ein halbes Jahr nach Deutschland zum Austausch gehen, von null im Jahr 1998, zehn im Jahr 2003 auf 60 im Jahr 2015 angestiegen. Das Interesse an Deutschland ist darüber hinaus eng mit der Sympathie für Deutschland verbunden. Die chinesischen Lerner weisen ein durchweg positiv gefärbtes Deutschlandbild auf. 17 Der Hauptgrund liegt, so die Sympathiebekundungen in den für diese Studie durchgeführten Interviews, einerseits in dem außerordentlich guten Ruf der deutschen Industrie, vor allem im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus, wo „Made in Germany“ als fast gleichbedeutend mit durchdachtem Design, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Qualität gilt" und andererseits in der im Bewusstsein der Chinesen noch fest verankerten Vorstellung, dass Deutschland wie kein anderes Land eine „Nation der Dichter und Denker“ ist. Das hohe Ansehen Deutschlands in China lässt sich, gemäß vieler Interviews, zum großen Teil auf die Deutschlandberichterstattung in chinesischen Medien zurückführen. Aus der Untersuchung von K ONG / F U / H E (2016: 5f.) geht hervor, dass immer mehr Aufmerksamkeit auf Deutschland in der größten chinesischen Tagungszeitung Ren Min Ri Bao (Volkszeitung) gerichtet wird. Im Gegensatz zu 17 im Jahr 2001 sind 64 Berichte über Deutschland 2015 zu lesen, in denen Deutschland überwiegend positiv (27 %) und neutral (53 %) dargestellt wird. Ähnliche Tendenzen sind aus der Untersuchung der renommierten Wochenzeitung Nan Fang Zhou Mo (Southern Weekly) hervorgegangen (Q U 2015). Positive Deutschlandbilder werden in chinesischen Medien vermittelt und z.T. stereotypisiert. Es sei in Deutschland nach 1945 gelungen, eine leistungsstarke Wirtschaft zu schaffen. Die historisch-politische Situation Deutschlands als eines geteilten, dann aber eines vereinigten Landes wird als Parallele zur chinesischen Situation und als Vorbild für China empfunden. Den kritischen und reflexiven Umgang der Deutschen mit eigenen Fehlern in der Geschichte wissen die Chinesen sehr zu schätzen. 4.4 Was steckt hinter den neuen Motivationen? 2015 lernen 14 % und 10 % der Befragten deswegen Deutsch, weil Deutsch eine andersartige Sprache ist und Deutschlernen herausfordert. Solche individualistisch 17 Nach einer vom Auswärtigen Amt initiierten Umfrage gibt es in China überdurchschnittlich positive Einstellungen gegenüber Deutschland (In: „Deutschland“, 28.7.2008, http: / / old.magazine-deutschland.de/ magazin/ CH-Meldung_4-08.php (15.05.2015). 104 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 geprägten Stichworte wie „Persönlichkeitsentwicklung“, „Herausforderung“ und „Lebensbereicherung“ werden von vielen der Befragten auch in den für diese Studie durchgeführten Interviews als Lernmotivation genannt. Dies indiziert die Veränderungen bei den Persönlichkeitsmerkmalen der jüngeren Generation, die in den 1990er Jahren als Einzelkind geboren und im wirtschaftlichen Wohlstand aufgewachsen ist. Die rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen und nicht zuletzt die zunehmende Globalisierung seit den letzten Jahrzehnten veränderten bzw. verändern nicht nur das Leben, sondern auch die Denk- und Verhaltensweisen der jüngeren Generation. Sie ist neugierig, mutig, entscheidungsmündig, denkt unabhängig, handelt individuell und selbstbewusst. Sie orientiert sich nicht mehr ausschließlich an den Anforderungen des Staates und den Wünschen der Eltern, sondern denkt in erster Linie an ihr eigenes „egoistisches“ Interesse. Einige Kulturstandards, wie aus der empirischen Untersuchung von L IU (2010: 199) hervorgeht, „spielen bei der Mehrheit der chinesischen Studierenden keine wichtige Rolle mehr“, wie z.B. „Gruppenorientierung bzw. die kollektivistische Neigung“; sie wollen nicht das machen, was die anderen auch machen, sondern äußern deutlich die Hoffnung auf eine individuelle Persönlichkeitsentwicklung. Zum ersten Mal werden ‚Deutschkurse an Schulen‘ als Motiv genannt. Die positive Entwicklung der deutschen Sprache in Schulen trägt bereits ihre ersten Früchte. Noch bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts wurde Deutsch an Schulen bis auf einige wenige Fremdsprachenschulen praktisch kaum angeboten. Seit den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts setzen das zentrale Bildungsministerium und einzelne regionale Bildungsbehörden auf Mehrsprachigkeit an allgemeinbildenden Mittelschulen. In Shanghai sind seit 2004 die sogenannten kleinen Sprachen, z.B. vor allem die europäischen Sprachen Deutsch, Französisch und Spanisch neben dem Japanischen, Koreanischen und Arabischen, flächendeckend in Wahlkursangeboten etabliert worden (vgl. H ERNIG 2010: 1640f.). Herausragende Bedeutung für die Vermittlung der deutschen Sprache an Schulen kommt der 2008 ins Leben gerufenen Initiative „Schulen - Partner der Zukunft“ (PASCH) zu. Gemeinsam mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz (PAD) wird Deutsch in allgemeinbildenden Mittelschulen in ganz China weiter gefördert und verstärkt. Die positive Entwicklung der deutschen Sprache in China generell zeichnet sich deutlich an den Schulen ab. Im Jahr 2000 lernten 600 Schüler in sechs Schulen Deutsch; 2015 bereits 12.200 an 123 Schulen. 18 In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass die Zahl der Deutschlernenden an Schulen noch schneller ansteigt. Das Mehrsprachigkeitskonzept ist seit Juni 2014 offiziell in Schulen zu etablieren. Im Auftrag des Bildungsministeriums ist eine Gruppe von Experten gerade dabei, das Curriculum bzw. den Bildungsstandard für Deutsch als Fremdsprache an chinesischen Schulen auszuarbeiten. Das Bedenken, dass die erfolgreiche Implementierung des Faches Deutsch zumindest in der Oberstufe der Schulen ohnehin fraglich ist, weil „es kaum Möglichkeiten gibt, sich mit dem Fach Deutsch für 18 Datenerhebungen der S TÄNDIGEN A RBEITSGRUPPE D A F 2000 und des A USWÄRTIGEN A MT s 2015. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 105 45 (2016) • Heft 2 die Hochschulaufnahmeprüfung zu qualifizieren oder sich darin prüfen zu lassen“ (H ERNIG 2010: 1641), wird überflüssig, weil ab September 2017 das neue Curriculum für Deutsch als Abiturfach offiziell landesweit einzusetzen und Deutsch in der Hochschulaufnahmeprüfung zu prüfen ist. 5. Fazit Diese vergleichende Untersuchung zu Motivationen des Deutschlernens in Hangzhou legt nahe, dass Motivationen ohne Bezug auf das komplexe Umfeld nicht nachzuvollziehen sind und mit der Veränderung des Umfeldes zweifelsohne einem Wandel unterliegen. Der Wandel der Motivationen zum Fremdsprachlernen ist nicht nur auf ökonomische Gründe, sondern auch stark auf die bilateralen Beziehungen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen beider Staaten auf der Makroebene zurückzuführen und hängt erheblich von Kooperationen zwischen den entsprechenden Institutionen auf der Mikroebene ab. Die Stellung der Zielsprache und des Zielsprachenlandes in der Welt ist darüber hinaus auch ein determinierender Faktor. Die Veränderung auf jeder Ebene wird einen Wandel der Motivation auslösen. Als lehrende Person muss man die Lernmotivationen ständig auf den Prüfstand stellen und sie als Ausgangspunkt bei jeder didaktischen Entscheidung betrachten. Daraus resultiert eine Veränderung der Deutschkurse, die sich in einer anderen Motivationsstruktur und dann auch in veränderten Erwartungen der Teilnehmenden begründet. Eine zielgruppenspezifische Methodik und Didaktik muss der veränderten Situation gerecht werden. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die vorliegenden Untersuchungen nur aus Konstellationen der Deutschlernenden einer Universität hervorgegangen sind. Ob sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Konsequenzen auch auf andere Zielgruppen übertragen lassen, bleibt offen. 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In this context, it seems fitting to have a look into the field of translation studies, a field that has been widely ignored as being a potential reference for foreign language education. The present article points out what kind of relation exists between translations studies and mediation in the foreign language classroom and gives examples of the training of techniques and strategies in translation studies that could be used effectively for the development of mediation skills in foreign language education. 1. Sprachmittlung in Translationswissenschaft und im Fremdsprachenunterricht Nach Einzug der Sprachmittlung in sprach- und bildungspolitische Dokumente sind Fremdsprachenlehrer/ -innen mit den gängigen Definitionen von Sprachmittlung wie der folgenden vertraut: „Die Schülerinnen und Schüler können - auch unter Verwendung von Hilfsmitteln und Strategien - wesentliche Inhalte authentischer mündlicher oder schriftlicher Texte, auch zu weniger vertrauten Themen, in der jeweils anderen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich adressatengerecht und situationsangemessen für einen bestimmten Zweck wiedergeben.“ (KMK 2012: 18) Diese Darstellung hat viele Gemeinsamkeiten mit dem, was K ÖNIGS (1989a, b; 1992) mit „Übersetzen als Fertigkeit“ im Gegensatz zu „Übersetzen als grammatische * Korrespondenzdresse: Dr. Katharina W IELAND , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: wielandk@hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik des Französisch-, Spanisch- und Italienischunterrichts, Sprachmittlung, Dramapädagogische Verfahren, Selbstgesteuertes Lernen und Evaluation. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 109 45 (2016) • Heft 2 Übungsform“ bezeichnet und als wichtige Komponente des Fremdsprachenunterrichts (FSU) betrachtet. Hat also mit der Sprachmittlung auch das „Übersetzen“ wieder einen festen Platz im FSU besetzt? Nein, denn folgt man der Argumentation verschiedener Fremdsprachendidaktiker, fällt auf, dass nach wie vor „Übersetzen“ recht strikt von Sprachmittlung abgegrenzt wird: So stellen u.a. P HILIPP / R AUCH (2010b: 2, 4) Sprachmittlung und Übersetzung einander kontrastiv gegenüber, da beide gänzlich verschiedene Leistungen verlangen würden. Und auch bei K ÖNIGS (2015: 36) findet man Aussagen wie die folgende: „Mit Sprachmittlung wird die Übertragung von Inhalten von einer Sprache in eine andere bezeichnet, wobei es ausschließlich um Inhalts- und nicht um Form- oder Funktionskonstanz eines zu mittelnden Textes geht. Damit unterscheidet sich das Sprachmitteln deutlich vom Übersetzen, das in aller Regel die Inhalts- und Formkonstanz einschließt [...].“ Diese und andere Abgrenzungen von Sprachmittlung und Übersetzen sind meist explizit auf das Übersetzen bezogen, wie es traditionell im FSU als sogenanntes philologisches Übersetzen oder Übersetzen im Sinne des Sprachvergleichs durchgeführt wurde (vgl. auch K ATELHÖN 2015: 265f., P HILIPP / R AUCH 2014: 12). Sie sind sinnvoll, da hiermit von Seiten der Fremdsprachendidaktik gegen einen Wiedereinzug nicht kommunikativer Formen der Übersetzung argumentiert wird und gleichzeitig die Spezifik von Sprachmittlung besser herausgearbeitet werden kann (vgl. K ÖNIGS 2015: 39; S IEPMANN 2013: 193). Häufig erfolgt aber - entweder durch mangelnde Präzisierung, manchmal aber auch explizit - eine allgemeine Abgrenzung gegenüber außerschulischen, oft als „professionell“ bezeichneten Formen der Übersetzung und des Dolmetschens (vgl. u.a. B EHR 2015: 25; K ATELHÖN 2015: 266; K OLB 2009: 70). Die Abgrenzung von den professionellen Formen des Übersetzens/ Dolmetschens erfolgt häufig aus einer Zuschreibung der dort angeblich praktizierten „sprachlichen Äquivalenz“ (i.S. von Wörtlichkeit; vgl. C ASPARI 2008: 60; W APENHANS 2011: 25), die für die schulische Sprachmittlung nicht relevant ist. Dies hänge u.a. mit der sehr eng gefassten Interpretation des in Bezug auf Sprachmittlung relativ unspezifischen Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) und der entsprechenden Reduktion von Sprachmittlung im FSU auf „sinngemäßes Übertragen“ zusammen (vgl. E UROPARAT 2001; D E F LORIO H ANSEN 2013: 70; K ÖNIGS 2015: 32; K OLB 2015: 54). Weiterhin problematisch seien die fehlenden Deskriptoren im GeR, die für unterschiedliche Niveaustufen gar keine Abstufungen, geschweige denn Annäherungen an andere Übersetzungstypen zuließen. 1 Hinzu komme - so DE F LORIO -H ANSEN - dass Übersetzung als zu anspruchsvoll für die Lernenden angesehen werde - wie auch immer man den Begriff der Übersetzung hier definieren mag. Rigide Abgrenzungen gegenüber dem professionellen Dolmetschen und Übersetzen sind m.E. aber problematisch, weil hierdurch der Blick auf eine Wissenschaft verstellt 1 Für Deutsch als Fremdsprache (DaF) finden sich Deskriptoren bislang in Profile Deutsch (vgl. G LABONIAT et al. 2005); weitere Vorschläge bei K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012) und R EIMANN (2013a, b; 2015). 110 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 wird, die eigentlich als Bezugswissenschaft für Sprachmittlung herangezogen werden müsste, da sie sich mit sprachmittelnden Prozessen befasst. Verschiedene Autoren aus Translationswissenschaft wie auch Fremdsprachendidaktik (vgl. B EHR / W APENHANS 2014: 159; R EIMANN 2013b: 198f.; P RUNČ 2007: 13; S INNER / W IELAND 2013: 95) haben sich bereits mit der Begriffsgeschichte von „Sprachmittlung“ befasst und aufgezeigt, dass Sprachmittlung teilweise als Oberbegriff für Übersetzen/ Dolmetschen galt, manchmal auch als Teilbereich von Übersetzen/ Dolmetschen, der sich mit inhaltsbearbeitenden, nicht kommunikativ äquivalenten Übertragungen befasst (vgl. J ÄGER 1975: 30) oder aufgrund des Aspekts der Involvierheit des Mittlers vom Dolmetschen abgegrenzt wurde (K NAPP / K NAPP -P OTTHOFF 1985: 451). Es lässt sich festhalten, dass es bereits mit Blick auf die Begriffsgeschichte in der Translationswissenschaft trotz nicht immer einheitlicher Terminologie Überschneidungspunkte zwischen schulischer Sprachmittlung als „sinngemäßem Übertragen“ bzw. „inhaltlich motiviertem Aushandlungsprozess“ (K ÖNIGS 2015: 32) und den Ansätzen der Translationswissenschaft gibt. Besonders explizit werden diese Überschneidungen, zieht man die „Skopostheorie“ von V ERMEER (1978) bzw. R EIß / V ERMEER (1984) heran. Diese Theorie benennt den „Skopos“ (gr. ‚Zweck‘) als oberstes Kriterium der Translation und weist dem Translationsvorgang eine prospektive, zielgerichtete Funktion zu. Es geht darum, entsprechend dem Zweck der Translation die Faktoren zu erkennen, „die in der Zielkultur zu einem optimalen Funktionieren des Zieltextes (ZT) beitragen“ (D IZDAR 1998: 105). Dies bedeutet, dass nicht mehr sprachliche Äquivalenz, sondern vielmehr Adäquatheit, durchaus zu verstehen im Sinne von Situations- und Adressatenbezug des translatorischen Produkts, im Vordergrund steht (vgl. auch K RAUSE 2009: 41). Dieser Wandel in der Translationswissenschaft fand bereits in den 1980er Jahren in der Fremdsprachendidaktik Würdigung, ohne dass bereits von Sprachmittlung die Rede gewesen wäre (vgl. K ÖNIGS 2015: 36; 1989a: 8). K ÖNIGS (ebd.: 10) schreibt außerdem: „[...] daß sich ‚Übersetzen im Übersetzungsunterricht‘, ‚Übersetzen im Fremdsprachenunterricht‘ und ‚professionelles Übersetzen‘ zwar differenziert beschreiben lassen, daß es aber auch - eben mit Blick auf die mentalen Vorgehensweisen - Parallelitäten gibt, zumindest aber geben könnte.“ Die Skopostheorie wurde erst in den letzten Jahren in der Fremdsprachendidaktik aufgegriffen und als Modell für Sprachmittlung in ihrer funktionalen, situativen und adressatenbezogenen Ausrichtung herangezogen (vgl. DE F LORIO -H ANSEN 2013: 66f.; R EIMANN 2013a: 7; S INNER / W IELAND 2013: 103). S IEPMANN (2013: 195) geht hierbei am weitesten, indem er postuliert: „Bei der Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht handelt es sich also in der Regel (aber nicht zwangsläufig) um eine funktionsverändernde Übersetzung, bei der das Kriterium der Adäquatheit (in Bezug auf Übersetzungsbzw. Arbeitsauftrag, Empfängerkreis, Textsorte usw.) Anwendung finden muss.“ Versuche der Abgrenzung zum professionellen Übersetzen und Dolmetschen sind S IEPMANN zufolge zum Scheitern verurteilt, da jegliche Form der Sprachmittlung - ob Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 111 45 (2016) • Heft 2 professionell oder nicht - immer nur eine Ähnlichkeitsrelation zwischen Ausgangs- und Zieltext herstelle (ebd.: 191ff.). Es deutet vieles darauf hin, dass eine rigide Abgrenzung zum „professionellen“ Übersetzen und Dolmetschen nicht haltbar ist. K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 19) betrachten Übersetzen und Dolmetschen als der Sprachmittlung zugehörig bzw. äußern, dass Sprachmitteln „sogar mehr als Übersetzen und Dolmetschen“ sei, da Sprachmitteln weitere Sprachhandlungen wie Zusammenfassen, Vereinfachen, Paraphrasieren und Erklären umfasse. Genau solche Tätigkeiten kann das Spektrum professioneller Übersetzungs- und Dolmetschtätigkeit aber auch beinhalten. Hierzu zählen u.a. das bilaterale Dolmetschen (auch Gesprächs- oder Verhandlungsdolmetschen) oder das community interpreting. Wenn S IEPMANN (2013: 194) allerdings feststellt, dass alles darauf hindeute, dass „Sprachmitteln definitorisch nicht vom Übersetzen abgegrenzt werden kann“, so ist dies in dreierlei Hinsicht zu differenzieren, um einer einseitigen Darstellungsweise entgegenzuwirken. 1. Sprachmittlung im schulischen FSU als Prozess, in dem ein funktionsadäquates, inhalts-, adressaten- und situationsorientiertes Produkt erstellt wird, umfasst nicht das ganze Spektrum an Zielsetzungen, die mit der Förderung der Sprachmittlungskompetenz im FSU einhergehen. K ÖNIGS (2015: 37) geht insbesondere auf die zu Grunde liegenden Planungsprozesse ein und hebt hervor, wie fruchtbar solch „mentales Sprachmitteln“ für den Spracherwerb und insbesondere für die Entwicklung von Sprachbewusstheit, Mehrsprachigkeit und Umgang mit Kommunikationsstrategien sein könne (vgl. auch K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 10; L OPRIORE 2015: 226; R EGA 2015: 135). 2. Der B EGRIFF der „sinngemäßen Übertragung“ wurde in der Translationswissenschaft vielfach kontrovers diskutiert (H ÖNIG / K UßMAUL 1996: 40; S CHREIBER 1993). Besonders S CHREIBER (1993) grenzt mit einer gewissen Kritik an der Skopostheorie Übersetzung und (interlinguale) Bearbeitung voneinander ab, um eine Aufweichung des Übersetzungsbegriffs zu verhindern. Folgt man S CHREIBERS Argumentation, so wäre Sprachmittlung im FSU sicherlich näher an einer Bearbeitung, die auch Textsortenveränderung bzw. Kürzung/ Zusammenfassung beinhaltet, als an der Übersetzung zu verorten. 3. W ILSS (1996: 178f.) legt dar, dass die in Bezug auf das funktionale Übersetzen gebrauchten Begrifflichkeiten „situativ“ und „angemessen“ vage seien, so dass im Einzelfall nur schwer bestimmt werden könne, was die genaue „situative Angemessenheit“ einer Übersetzung sein solle. Dies ist zentral für die Übersetzungskritik bzw. auch die Evaluation von Sprachmittlungsleistungen im FSU. Mir erscheint an dieser Stelle der definitorischen Bestimmung von Sprachmittlung die Sicht von K ÖNIGS (2015: 39) äußerst zielführend, dass „[...] Sprachmittlung auf einem Kontinuum darstellbar ist, das anfangs sehr nahe an mentalen Planungs-aktivitäten ist und mit zunehmender Beherrschung sich der Übersetzung immer weiter annähert (ohne sie wirklich zu erreichen! ).“ 112 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 Ich würde dieses Kontinuum allerdings nicht nur auf den schulischen Kontext begrenzt, sondern auf die Gesamtheit von Sprachmittlungskontexten ausgeweitet sehen, in die man als (nicht-)professioneller Fremdsprachenlerner und -sprecher geraten kann. An einem Ende des Kontinuums stünden dann die ersten schulischen Auseinandersetzungen mit Sprachmittlung, am anderen hochprofessionelles Dolmetschen und Übersetzen in formellen Kontexten mit hoher Formadäquatheit. 2 Diese Betrachtung und Zusammenführung des schulischen wie außerschulischen Kontextes macht m.E. ein Nachdenken über die fließenden Übergänge zwischen von Laien durchgeführter Sprachmittlung und ähnlichen Situationen mit einem professionellen Akteur möglich (vgl. auch M ACK 2005; R EGA 2015). Da insbesondere professionelle Übersetzer/ Dolmetscher in ihrer Ausbildung auf ein Agieren in solch nicht-formellen Kontexten vorbereitet werden, und weiterhin „normaler‘ Fremdsprachenunterricht und Übersetzungsunterricht für angehende Übersetzer aus lernpsychologischer und psycholinguistischer Sicht doch auch über unübersehbare Gemeinsamkeiten verfügen“ (K ÖNIGS 2015: 36), lohnt es sich zu überlegen, inwiefern Erkenntnisse aus der Translationswissenschaft und -didaktik für die Entwicklung von Sprachmittlungskompetenz im FSU - in entsprechend didaktisch reduzierter Form (vgl. R EIMANN 2015) - sinnvoll herangezogen werden können. 2. Translationswissenschaft als Bezugswissenschaft der Fremdsprachendidaktik 2.1 Translationskompetenz - Sprachmittlungskompetenz Die Translationswissenschaft hat in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Modelle der Übersetzungsbzw. Dolmetschkompetenz vorgeschlagen (vgl. G ILE 2009; H URTADO A LBIR 2001; K ALINA 1998; K UTZ 2010; W ILSS 1996) . Ihnen sind bei allen Unterschieden in Formulierung und Schwerpunktsetzung einige zentrale Elemente gemeinsam. In der Zusammenfassung bei H URTADO A LBIR (2001: 395) wird beispielswiese deutlich, dass neben einer sehr hohen sprachlich-kommunikativen Kompetenz und außersprachlichen Kompetenz es eine zentrale Teilkompetenz gibt, nämlich die „Transferkompetenz“. Hierunter fasst die Autorin sowohl das Verstehen des Ausgangstextes als auch dessen funktions- und adressatengerechte Reformulierung in der Zielsprache unter Berücksichtigung soziokultureller Besonderheiten. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die strategische Kompetenz, zu der sowohl Verstehensals auch Reformulierungsstrategien gehörten. Auch wenn man es zu Recht als übertrieben ansehen mag, die Entwicklung translatorischer Kompetenz als „die einzige legitime Funktion des Übersetzens im FSU“ zu 2 H ALLET (2008) sowie K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 25) schließen diese Formen zu Recht als überfordernd aus dem FSU aus. K ÖNIGS (2015: 39) argumentiert weiterhin, dass man im Sinne einer lernförderlichen Bewusstmachung den Lernenden auch verdeutlichen müsse, „dass sie mit der Fertigkeit der Sprachmittlung nicht übersetzen und dolmetschen können“. Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 113 45 (2016) • Heft 2 bezeichnen (K AUTZ 2000: 440), so weisen doch bereits zahlreiche Modelle der Sprachmittlungskompetenz Parallelen zu den Modellen der Translationswissenschaft auf (vgl. H ALLET 2008: 4ff.; R ÖSSLER 2009: 160f.) bzw. beziehen sich explizit darauf (vgl. R EIMANN 2013a: 7). 3 Deutlich wird bei allen Ähnlichkeiten und Überschneidungen, dass bei H URTADO A LBIR (vgl. 2001: 395) der Teilbereich der interkulturellen Kompetenz keine gesonderte Erwähnung findet. Diese wird hier unter der sprachlich-kommunikativen Kompetenz und der außersprachlichen Kompetenz subsumiert. Auch wenn natürlich Unterschiede zwischen den Anforderungen an die translatorische Kompetenz eines Dolmetschers oder Übersetzers und jenen an die (schulische) Sprachmittlungskompetenz bestehen bleiben, so spricht sich z.B. DE F LORIO -H ANSEN gegen eine künstliche Opposition zwischen translatorischer und kommunikativ sprachmittelnder Kompetenz aus und plädiert aufgrund zahlreicher Gemeinsamkeiten dafür, „sprachmittelnde Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Unterrichts auf translatorische Kompetenz zu gründen“ (2013: 71). Dies geschieht vor allem mit dem Hinweis darauf, dass mit Sprachmittlung im FSU von den Lernenden die Bewältigung 3 Die Darstellung der Kriterien erfolgt hier aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Gegenüberstellung in stark zusammengefasster Form. H URTADO A LBIR (2001: 395) H ALLET (2008: 4ff.) R ÖSSLER (2009: 160f.) R EIMANN (2013a: 7) competencia lingüística sprachlichkommunikative Kompetenz in den beteiligten Sprachen sprachlichkommunikative Kompetenz inter- und transkulturelle kommunikative Kompetenz (einschließlich inter- und transkultureller pragmatischer und nonverbaler Kompetenz) interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Problembewusstsein interkulturelle Kompetenz competencia extralingüística competencia de transferencia interaktionale Kompetenz interaktionale Teilkompetenz vermittlerische Kompetenz competencia instrumental y profesional Empathiefähigkeit, Spontaneität und Reaktionsschnelligkeit competencia psicofisiológica competencia estratégica strategischmethodische Kompetenz strategischmethodische Kompetenz 114 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 einer höchst anspruchsvollen kommunikativen Aufgabe erwartet werde, für die es einer besonderen Kompetenz bedürfe (vgl. auch R EIMANN / R ÖSSLER 2013: 17). In diesem Zusammenhang haben verschiedene Fremdsprachendidaktiker auf die Bedeutung des sukzessiven Aufbaus strategischer Kompetenz bei den Lernenden zur Bewältigung von Sprachmittlungsaufgaben hingewiesen (vgl. u.a. DE F LORIO -H ANSEN 2013; H ALLET 2008; K ATELHÖN / N IED -C URCIO 2012; R EIMANN / R ÖSSLER 2013; R ÖSSLER 2009). Auch in diesem Bereich lohnt sich m.E. ein Blick in die Translationswissenschaft, sei es, um „bekannte“ Fremdsprachenlernstrategien aus der Translations- und Sprachmittlungsperspektive zu beleuchten, sei es, um zu ergründen, ob von spezifischen Translations- und auch Sprachmittlungsstrategien (vgl. B EHR / WA PENHANS 2014: 161) ausgegangen werden kann. 2.2 Strategien im Translations- und Sprachmittlungsprozess 4 In Bezug auf die Ausbildung der strategisch-methodischen Teilkompetenz im Rahmen von Sprachmittlung findet man in Aufsätzen aus der Fremdsprachendidaktik aber vielfach nur den Bezug auf Sprachlern- und Sprachgebrauchsstrategien. P HILIPP / R AUCH (2014: 15) reduzieren ihre umfassende Auflistung von potenziellen Strategien in der Sprachmittlung auf eine Zuordnung verschiedener Strategien zu den vier sprachlichkommunikativen Fertigkeiten. Dies ist m.E. problematisch, da hier zum einen Sprachmittlung als „bloße“ Kombination aus anderen Fertigkeiten missverstanden werden kann, und zum anderen manche Strategien, die sich nicht eindeutig einer Fertigkeit zuordnen lassen bzw. auch auf sprachliche Mittel bezogen sind (z.B. Kompensationsstrategien), nicht adäquat dargestellt werden. R ÖSSLER (2009: 161) spricht von Sprachverarbeitungsstrategien als Grundlage für Kommunikationsstrategien und affektivsoziale Strategien in der Sprachmittlung (vgl. auch K OLB 2015: 57). Auch N IED C URCIO / K ATELHÖN (2015: 11) beziehen sich auf Sprachlern- und Sprachgebrauchsstrategien und schließen sogar explizit Übersetzungsstrategien als Referenz aus. Die Translationswissenschaft hingegen geht davon aus, dass es neben Sprachlernstrategien auch translationsspezifische Strategien gibt. 5 Dies illustrieren H ÖNIG / K Uß - MAUL (1996: 26), indem sie schreiben, „[...] daß grundsätzlich der Übersetzer schon einen kategorisch anderen Text A zur Kenntnis nimmt als der ‚natürliche‘ Adressat in der AS. Es ist also nicht so, daß der Übersetzer den Text zuerst versteht, und dann übersetzt, sondern er versteht ihn als Übersetzer. K ALINA (1998: 110) präzisiert diese Feststellung in Bezug auf Dolmetscher, indem sie herausstellt, dass diese nicht Adressaten, sondern nur Rezipienten der Ausgangstexte 4 Zur Definition von „Strategie“ in translatorischen wie sprachmittelnden Prozessen sei hier auf K AUTZ (2000: 66) verwiesen: „Unter Strategie verstehen wir allgemein ‚zielorientiertes kognitives Verhalten‘ und hier speziell einen mehr oder minder bewussten Plan zur Lösung der konkreten Übersetzungsprobleme, die der zu bearbeitende Auftrag für den Übersetzer mit sich bringt“. 5 Für eine Klassifikation und ausführlichere Darstellung vgl. K ALINA (1998: 114ff.) sowie K AUTZ (2000: 326). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 115 45 (2016) • Heft 2 seien (vgl. auch K AUTZ 2000: 52f.). Die Texte seien entsprechend nicht auf das Weltwissen der Dolmetscher abgestimmt; gleichzeitig habe der Dolmetscher auch keine semantische Verfügungsgewalt, was die Produktion seines Textes anbelangt. Dementsprechend folgert K ALINA (1998: 113), dass die „für die monolinguale Kommunikation erworbenen Kommunikations- und Produktionsstrategien für die bilinguale Textverarbeitung durch den Dolmetscher nicht ausreichen“ (vgl. hierzu für das Übersetzen auch N ORD 2010: 114). Als didaktische Konsequenz ergebe sich daraus, dass solche strategischen Prozesse beim Dolmetschen in ihrer Wirkungsweise bewusst gemacht, an die Verarbeitungsbedingungen angepasst und in ihrer Effizienz optimiert werden müssten (vgl. ebd.: 115). Auch wenn die Aussage S IEPMANNS (2013: 201), dass sich sämtliche Erkenntnisse der Übersetzungswissenschaft und -didaktik für die Ausbildung von Sprachmittlungskompetenz im FSU nutzbringend einsetzen ließen, m.E. etwas differenzierter betrachtet werden sollte, da einige dieser Erkenntnisse in sprachlicher wie translatorischer Hinsicht einen Komplexitätsgrad voraussetzen, der im regulären FSU nicht erreicht werden wird, so bestehen doch einige Übertragungsmöglichkeiten, und es finden in letzter Zeit vermehrt Annäherungen zwischen beiden Disziplinen statt. 3. Schulung von Strategien in Translations- und Sprachmittlungsunterricht Im Folgenden soll nun genauer betrachtet werden, mit welchen Übungen und Verfahren die Translationswissenschaft für Übersetzen/ Dolmetschen und die Fremdsprachendidaktik für die Sprachmittlung eine Bewusstmachung verschiedener Strategien anstrebt, um Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und evtl. weitere Übertragungsmöglichkeiten für den Sprachmittlungsunterricht zu gewinnen. Als Reihenfolge der Darstellung wurde auf die Klassifikation von K ALINA (1998: 114ff.) für Strategien im Dolmetschprozess rekurriert, die sich am dreiphasigen Translationsprozess (Rezeption, Transformation, Produktion) orientiert. Wissensaktivierung durch Vorbereitung (a) Ausgangstextanalyse: Als geeignetes Mittel für die Textanalyse und die damit zusammenhängende Reflexion (vgl. H ÖNIG 1998: 160) wird in der Translationsdidaktik die Übersetzungsrelevante Textanalyse angesehen (vgl. N ORD 1988). S CHREIBER (2002; 2006) führt darüber hinaus auch die Analyse des Übersetzungsauftrags zur Herausarbeitung relevanter Faktoren an. Anhand eines Fragenkatalogs mit W-Fragen bzw. weiteren Fragen zum Text soll das Bewusstsein des Übersetzers für den Text und den Übersetzungsprozess geschult werden (vgl. K AUTZ 2000: 86; N ORD 2010: 91). Ähnliche Herangehensweisen finden sich auch in Vorschlägen der Fremdsprachendidaktik, z.B. mit der Beantwortung von W-Fragen (vgl. P HILIPP / R AUCH 2014: 16). K RAUSE (vgl. 2009: 44ff., 83f.; 2013b: 291) schlägt vor, von einem erweiterten Textbegriff auszugehen und die Textanalyse mit einer kontrastiven Textsortenanalyse (d.h. Vergleich 116 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 von Normen und Konventionen bei der Ausgangs- und Zieltexterstellung) und der Analyse von Kulturelementen zu verbinden. Hierbei geht es ihr um kulturelle Elemente aus den „zentralen, für das soziale Zusammenleben unbedingt notwendigen Bereichen“ (K RAUSE 2009: 84), die zu erkennen wichtig für das Verständnis des Ausgangstextes seien. (b) Recherchestrategien: Neben thematischer Recherche (vgl. N ORD 2010: 109) spielt vor allem der Umgang mit Wörterbüchern in der Translationsdidaktik eine wichtige Rolle (vgl. S NELL -H ORNBY 1998: 181ff.). K AUTZ (vgl. 2000: 93) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der blinden Wörterbuchgläubigkeit entgegenzusteuern sei und schlägt Sensibilisierungsübungen durch den Vergleich von Wortdefinitionen oder das Erstellen von fiktiven Wörterbucheinträgen vor (vgl. ebd.: 216, 224). Für die schulische Sprachmittlung wird die Arbeit mit einsowie zweisprachigen Wörterbüchern von mehreren Autorinnen aufgegriffen (vgl.K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012; K OLB 2008, 2009; N IED C URCIO 2015). P HILIPP / R AUCH (2014: 13) warnen dabei allerdings gleichzeitig vor einer zu starken Orientierung am Wortschatz des Ausgangstextes. Insbesondere N IED C URCIO (2015: 294, 303) kritisiert, dass oft kein gezieltes Strategientraining angeboten werde. Gleichwohl sieht die Autorin ein- und zweisprachige Wörterbücher als wichtiges Recherchiermittel für fachliches wie sprachliches Zusatzwissen in den verschiedenen Phasen des Mittlungsprozesses (vgl. ebd.). Unter Bezugnahme auf die Translationsdidaktik legt sie umfassend dar, wie sowohl in der Rezeptionsals auch in der Produktionsphase des Übersetzungswie auch Sprachmittlungsprozesses Wörterbücher als Orientierungshilfe zum Einsatz kommen können und dass Recherchierkompetenz sukzessive aufgebaut werden müsse (vgl. ebd.: 296ff.; auch K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 41). Ein wichtiges Hilfsmittel in der Translationsdidaktik sind weiterhin Parallel- 6 und Hintergrundtexte in der Zielsprache (vgl. K AUTZ 2000: 228ff.; W ILSS 1996: 160ff.). Sie eignen sich gut für terminologische Recherchen; Paralleltexte sind überdies von besonderem Interesse, um Sprachverwendungsmuster zu vergleichen sowie Textsortenkonventionen herauszufinden und später produktiv zu verwenden, und werden daher auch im FSU für Sprachmittlung herangezogen (vgl K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 40). P HILIPP / R AUCH (2010a) sehen in der Arbeit mit solchen „Spiegeltexten“ vor allem die Möglichkeit, Wortschatzlücken aufzufüllen sowie die idiomatischen Fertigkeiten der Lernenden zu erweitern. Inferenzieren - Antizipieren Die inferentielle Informationsverarbeitung im Sinne eines Rückgriffs auf vorhandenes Wissen (vgl. P RUNČ 2007: 195) bezeichnet K RAUSE als grundlegend für jegliche Kommunikation, die „sowohl für translatorische Prozesse als auch für den Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sind“ (2013a: 88). Insbesondere K UTZ (2003/ 2010) hat in der Translationsdidaktik hierzu den Begriff des semantischen Erschließens geprägt. 6 Zur Definition von Parallel- und Hintergrundtexten vgl. K AUTZ (2000: 97f.) sowie G ÖPFERICH (1998: 184ff.). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 117 45 (2016) • Heft 2 Gemeint sind damit das lexemische und logisch-begriffliche Inferenzieren z.B. durch Heranziehen von Wortbildungskonventionen oder anderen Sprachen (vgl. K UTZ 2003: 239ff.; 2010: 510), aber auch durch Rückgriff auf Weltwissen, Heranziehen von Bildern oder Textzusammenhang (vgl. P HILIPP / R AUCH 2014: 16). Ähnlich bedeutsam ist das Antizipieren, da hierbei eine Reduktion auf eigene logische Strukturen (vgl. K UTZ 2010: 192f.) erfolgt bzw. geübt wird, die für fremdsprachliches Verständnis generell und in der Sprachmittlung insbesondere wichtig ist. Rössler (2009: 162f.) erwähnt diese Strategie als predicting bzw. sequentielles Kombinieren. Mögliche Übungen können hierbei das Ergänzen von unvollständigen Wörtern oder auch Sätzen in Texten mit Hilfen von Strukturmarkern wie Konnektoren, zurückverbindenden oder vorausweisenden Wendungen sein (vgl. K AUTZ 2000: 179; bei K ALINA 1998: 251ff. als cloze tasks, bei K UTZ 2010: 192f. als clozure-Übungen). Mit Blick auf den FSU schlägt K RAUSE (2013a: 93f.) vor, solche Übungen zur Flexibilisierung der eigenen Sprachmuster zunächst intralingual durchzuführen. Segmentieren Unter Segmentieren wird in der Translationsdidaktik die gedankliche Gliederung des Textes für eine übersichtliche Gestaltung bei der Wiedergabe verstanden (vgl. K AUTZ 2000: 64). Es geht bei dieser Strategie darum, die sinntragenden Elemente herauszuarbeiten, vor allem auch, um die Gefahr der „Wort-für-Wort-Übertragung“ zu verringern. K AUTZ schlägt hierzu die Markierung und den Vergleich sinntragender Elemente in Ausgangs- und vorgefertigten Zieltexten, die Erarbeitung von „Inhalts-Telegrammen“ sowie das „Entfleischen“ von Texten durch Streichen sämtlicher weniger wichtiger Passagen vor (vgl. ebd.: 116, 178f.) In der schulischen Sprachmittlung ist der Begriff des Segmentierens nicht geläufig. R EIMANN (2013b: 204) spricht von Informationsverdichtungsstrategien, und P HILIPP / R AUCH (2014: 16) lassen Wichtiges von Unwichtigem trennen, indem sie Lernende Texte auf Schlüsselwörter hin durchsuchen lassen. Für die Mündlichkeit betonen Translationsdidaktiker wie Fremdsprachendidaktiker die Bedeutung von Notationsübungen, durch die der Text reduziert werden kann und dabei eine Konzentration auf die wesentlichen Inhalte stattfinden soll. Diese Übungen sollen auch für Textkohärenz, Redundanzen, Senderintentionen etc. sensibilisieren (vgl. K OLB 2009: 78; K RAUSE 2013a: 96; K AUTZ 2000: 350; R ÖSSLER 2009: 162f.) Syntaktisch-lexikalische Transformation - Paraphrase Die Paraphrase gilt vielen Translationswissenschaftlern als eine der Grundoperationen beim Übersetzen und als wichtige Problemlösungsstrategie 7 und kann im Unterricht dazu beitragen, dass die Lernenden der Versuchung einer wörtlichen Übersetzung widerstehen (vgl. K ALINA 1998: 206f.). Während die Fremdsprachendidaktik in diesem Rahmen in erster Linie Übungen zum Paraphrasieren auf der Wort- und Satzebene vor- 7 R EIMANN (2015: 67) bezeichnet ebenfalls Paraphrase als eine der Grundoperationen der Sprachmittlung (neben Zusammenfassen und informellem Dolmetschen) und überlegt, diesen Begriff auf jede Art von „Textsortenumformung“ zu erweitern. 118 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 sieht (z.B. Umformen von Strukturen und ganzen Syntagmen oder Umschreibung von Schlüsselwörtern, vgl. K OLB 2009: 75 bzw. K RAUSE 2013a: 100; P HILIPP / R AUCH 2014: 16; ), geht es in der Translationsdidaktik darüber hinaus auch um die Arbeit mit Gedächtnisprotokollen, d.h. Wiedergabe nach ein- oder zweimaligem Lesen/ Hören der Textvorlage (vgl. K AUTZ 2000: 176, 394; N ORD 2010: 136ff.) Den Autoren gemein ist, dass sie zunächst vorschlagen, die Übungen intralingual durchzuführen, und sie dann sukzessive auf interlinguale Situationen zu erweitern. Situativ-pragmatische und interkulturelle Transformation 8 Im Zusammenhang mit dem Einsatz von semantischen wie auch Kohärenz schaffenden und stilistischen Strategien, welche in Abhängigkeit von Situation sowie Empfänger variieren, betonen K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 29f.) und K ATELHÖN (2015: 259ff.) die Bedeutung von Kenntnissen der Lernenden von Textsortenmerkmalen und Textmustern in der Sprachmittlung, zumal bei sprachmittelnden Aktivitäten fast immer ein Textsortenwechsel vorliege und Textsorten meist kulturspezifisch geprägt seien. 9 H ÖNIG / K UßMAUL (1996: 58ff.) haben im Zusammenhang mit der häufig schwierigen Entscheidung des Übersetzers oder Dolmetschers für geringere oder höhere Ausführlichkeit als im Ausgangstext, d.h. für oder gegen die Erläuterung von situativ-pragmatischen oder interkulturell erklärungsbedürftigen Einheiten, die Bezeichnung „Grad der Differenzierung“ geprägt. Um zu erkennen, welcher Grad der Differenzierung nötig sei, bedürfe es nicht nur umfassender Kenntnisse des Übersetzers oder Dolmetschers auf der Ebene sprachlichen, interkulturellen und Weltwissens, sondern auch einer möglichst exakten Einschätzung der Kenntnisse und der Erwartungen der Empfänger des Zieltextes. Übungen in diesem Bereich könnten z.B. die intralinguale Zusammenfassung eines Textes für eine dem Mittler gut bekannte Person, deren Vorkenntnisse man leicht einschätzen kann, umfassen; später die kontrastierende interlinguale Übertragung von Texten, einmal für Personen mit, einmal für Personen ohne Kenntnis der Ausgangskultur (vgl. K AUTZ 2000: 248; S CHREIBER 1998: 153). Ebenfalls möglich ist das Überprüfen von Übersetzungen auf störende Interferenzen und „kulturell“ Unverständliches (vgl. K AUTZ 2000: 242). Für die schulische Sprachmittlung schlagen S ENKBEIL / E NGBERS (2011: 52f.) die Arbeit am Perspektivenwechsel vor, welcher der Meinung der Autoren nach vor allem in der Beschreibung und im Nachvollziehen von Negativbeispielen („sozialen Pannen“) möglich sei. K RAUSE (2009: 287) schlägt die Brücke hin zum scenes and frames -Modell nach F ILLMORE (1977) und lässt (kultur-)kontrastive und vereinfachte scenes zu bestimmten frames (Rahmenhandlungen) durchspielen, um das Erkennen von kulturell bedeutsamen Elementen bei der Rezeption zu fördern, aber auch um in der Produktion adressatengerecht agieren zu können. K RAUSE (ebd.: 284f.) führt an dieser Stelle den Begriff 8 Eigener Oberbegriff, um eine Abgrenzung gegenüber den syntaktisch-lexikalischen Strategien zu schaffen. 9 Zur Unterscheidung von Textsorten, Textmustern und Texttypen vgl. auch B RINKER (2005: 144) sowie F ANDRYCH / T HURMAIR (2011). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 119 45 (2016) • Heft 2 des chunking ein. Hierbei geht es darum, dass die Lernenden bei aus kultureller Sicht schwer übertragbaren Konzepten und Begriffen lernen, durch Generalisierung (chunking up), Spezifizierung (chunking down) bzw. Rückgriff auf kulturelle Synonyme und Vergleiche (chunking sideways) Assoziationen zu evozieren, die dem Gesprächspartner beim Verständnis hilfreich sein können. Präsentationsstrategien und Reparaturstrategien Bei den mündlichen Präsentationsstrategien heben Translationsdidaktiker die Bedeutung von Gestik und Mimik zum Signalisieren von (Un-)Verständnis bzw. zur Illustration oder Ergänzung der Aussage hervor (vgl. K AUTZ 2000: 334ff.). Auch für die schulische Sprachmittlung wird die Berücksichtigung non-verbaler Kommunikationselemente vorgeschlagen (vgl. K OLB 2009: 76; P HILIPP / R AUCH 2014). In Bezug auf Reparaturstrategien nennt R ÖSSLER (2009: 163) „retrieval-Strategien“, z.B. das gezielte Nachfragen bei den Kommunikationspartnern, welches Sprachmittlern als in die Kommunikation involvierten Personen eine wichtige Hilfe bei Rezeptions- und Produktionsproblemen sein kann. Für die Schriftlichkeit schlagen beide Disziplinen Verbesserungs- und Korrekturübungen vor (z.B. Schreibwerkstatt, Staffel-Redaktionsübungen, Vergleich von Lösungen, vgl. D E F LORIO -H ANSEN 2013: 80; K AUTZ 2000: 259; K OLB 2009: 82). Ob in der Fremdsprachen- oder der Translationsdidaktik: Die hier zitierten Autoren vereint, dass sie Sprachmittlung bzw. Übersetzen/ Dolmetschen als komplexe Herausforderungen ansehen, für die es von Beginn an ein explizites Strategientraining braucht. D E F LORIO -H ANSEN (2013: 79f.) betont allerdings die Komplexität von Sprachmittlungsaufgaben und die Vielfalt der einzusetzenden Strategien und warnt vor der Entkopplung von Strategien-Training und konkreten Sprachmittlungsaufgaben, die nur zu einem Abarbeiten von „Strategien-Listen“ führen könnten. Als wichtigen Schlüssel betrachtet sie hier die Stärkung der Adressatenorientierung und die bewusste Entscheidung der Lernenden, welche Informationen für einen gut konkretisierten Adressaten wirklich wichtig seien (vgl. ebd.: 80). 4. Ausblick Ziel des vorliegenden Beitrags war es, die Bedeutung der Translationswissenschaft als Bezugswissenschaft für die Schulung von Sprachmittlung im FSU aufzuzeigen und Gemeinsamkeiten in den didaktischen Herangehensweisen hervorzuheben. Die Gegenüberstellung in diesem Beitrag zeigt, dass im Bereich der auszubildenden Kompetenzen und der strategischen Anforderungen an Dolmetschen/ Übersetzen bzw. Sprachmittlung zahlreiche Parallelen zwischen Translationswissenschaft und Fremdsprachendidaktik beobachtbar sind. Diese mögen manchmal „zufällig“ sein, immer häufiger sind sie aber auch durch eine umfassende Rezeption von translationswissenschaftlichen und -didaktischen Ansätzen in der Fremdsprachendidaktik begründet (vgl. K ATELHÖN / N IED 120 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 C URCIO 2012; N IED C URCIO / K ATELHÖN 2015; S IEPMANN 2013). Desgleichen sieht K RAUSE (2013b: 283) neue Übertragungsmöglichkeiten aus der Translationsdidaktik auf den schulischen Bereich und schreibt: „Definiert man Translationsprozesse als kulturbasierten Transfer von mündlicher und schriftlicher Kommunikation, deren adäquate Rezeption in der jeweils anderen Sprache nur dann gelingen kann, wenn Sprache unter anderem als Ausdruck kultureller Realitäten verstanden wird, dann lassen sich Prinzipien der jüngeren Translationsdidaktik auch gut im Fremdsprachenunterricht anwenden.“ Zu guter Letzt sei an R ÖSSLER (2009) erinnert, die in ihrem Aufsatz zu Sprachmittlungsstrategien im Spanischunterricht auf eine fehlende Differenzierung in Strategietypen hinweist sowie eine systematische Ausarbeitung fordert. 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Tübingen: Narr. 45 (2016) • Heft 2 Englischdidaktische Seminare in der Zielsprache Die Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenzen in institutionellen Kontexten sollte die Muttersprache in reflektierter, begrenzter und funktional begründeter Form einbeziehen. Auch im Lehramtsstudium gibt es immer Vermittlungskontexte, in denen die Herkunftssprache(n) der Studierenden eine wichtige Rolle spielt/ en, sei es bei der Auseinandersetzung mit strukturellen Fragen der Fremdsprachenvermittlung oder der Entwicklung von Datenerhebungsinstrumentarien in Seminaren zur Aktionsforschung. Aber fremdsprachendidaktische, ebenso wie linguistische, kultur- oder literaturwissenschaftliche Seminare, sollten aus folgenden Gründen grundsätzlich in der Fremdsprache gehalten werden. Erstens. Eine Auseinandersetzung über fremdsprachendidaktische Fachinhalte in der L2 ist zentral, um einen Fachdiskurs rezeptiv und produktiv in der L2 führen zu können, denn die englischdidaktische Forschung ist international und läuft zunehmend online ab. Erst die Verwendung der Zielsprache im Seminar ermöglicht die Entwicklung einer theoriebasierten fremdsprachlichen Vermittlungskompetenz. Im Sinne der Sprachmittlung ist es auch kein Problem, wenn in der L1 erstellte Texte in der L2 diskutiert werden. Zweitens. Viele Studierende sind darüber frustriert, dass Seminare oft nicht in der L2 stattfinden und damit keine Kontinuität der Lernerfahrungen gegeben ist. Das Hauptargument ist in der Regel, dass die Inhalte zu komplex seien, um sie in der L2 zu vermitteln. Dabei wird vergessen, dass ja dasselbe Argument für Schüler/ innen in einer 3. Klasse gilt, die mit für sie angemessenen Inhalten in der Fremdsprache konfrontiert werden. Drittens. Eine ausgeprägte Vermittlungskompetenz in der L2 ist grundlegend für die Vermittlung englischsprachiger Kompetenzen, denn schließlich bilden wir Englischlehrer/ innen und nicht Mathematiklehrer/ innen aus. Hier greift das Prinzip des Modell- und Erfahrungslernens. Wenn die L2 im Kontext der Ausbildung ganz selbstverständlich für alle Inhalte gebraucht wird, erfahren Studierende, dass es möglich ist, über alle Belange, die sie in ihrem Studium betreffen, in der L2 zu sprechen. So entwickeln sie Routinen und Hilfsstrategien. Auch werden sie in die Lage versetzt, diesen Ansatz in der Schule umzusetzen, d.h. den Schüler/ innen zu ermöglichen, die Inhalte in der L2 auszuhandeln, die sie selbst betreffen. Den Gebrauch der Fremdsprache zu etwas Normalem zu machen, das ich nutze, um mir wichtige Inhalte, auch wenn sie komplex sein mögen, zu kommunizieren, ist genau das, was die zukünftigen Schüler/ innen auch lernen sollen. Viertens. Gleichzeitig entlastet dieser Ansatz Berufsanfänger, denn wenn sie die entsprechenden fremdsprachlichen Vermittlungskompetenzen mitbringen, dann brauchen sie sich darüber im Klassenzimmer keine Gedanken mehr zu machen und können sich auf die herausfordernden Aufgaben der Vermittlung der Fremdsprache und den komplexen Umgang mit heterogenen und oft schwierigen Lerngruppen einlassen. Heidelberg A NDREAS M ÜLLER -H ARTMANN Pro und Contra (Englisch) 125 45 (2016) • Heft 2 Englische Seminare in Deutschland rühmen sich, z.B. in Evaluationsberichten und Semesterprogrammen, ihre Lehrveranstaltungen ausnahmslos auf Englisch durchzuführen. Auch die Lehrenden der fremdsprachendidaktischen Abteilungen fühlen sich in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit dieser Maxime verpflichtet. Die Selbstverpflichtung auf das Englische in der Lehre, so heißt es, biete den Studierenden Gelegenheit zur fremdsprachlichen Anwendung und fördere die internationale Kommunikation in den (Lehramts-)Studiengängen. Die ausschließlich auf Englisch stattfindende Unterrichtskommunikation scheint alternativlos zu sein. Zwar wäre es unrealistisch, die genannten Vorzüge des Englischen als Lehrsprache rundweg zu leugnen, aber vielleicht ist es nicht unpassend, sie zu ‚hinterfragen‘. Richtig ist: Kommunizieren lernt man durch Kommunizieren. Aber sind alle fremdsprachendidaktischen Veranstaltungen deshalb geeignet, diesem sprachpraktischen Anliegen Genüge zu tun, und sollten sie es überhaupt? Der Gegenstandsbereich der Englischdidaktik erstreckt sich auf die Erforschung des Lehrens und Lernens des Englischen vor allem in institutionellen Kontexten, d.h. in Schulen in Deutschland und konkret auf die verschiedenen Schulstufen und -typen in 16 Bundesländern und die dort gültigen Kerncurricula, Bildungspläne etc. Schon der Versuch, die Begriffe für die verschiedenen Schultypen und die z.T. sehr ‚deutschen‘ Formulierungen aus den Curricula ins Englische zu übersetzen, stößt schnell an seine Grenzen. Wie kann man unter solchen Umständen sinnvoll über landesspezifische Gegebenheiten in der Fremdsprache diskutieren - und warum sollte man, wenn dadurch sowohl der Erkenntniswie auch der Kommunikationsprozess erschwert und beeinträchtigt werden? Diesem Einwand wird interessanterweise in Doktoranden- und anderen Forschungskolloquien Rechnung getragen: Dort finden in der Regel Vorträge und Diskussionen auf Deutsch statt, es sei denn, Nicht-Muttersprachler des Deutschen sind unter den Teilnehmern. Die Englischdidaktik gehört nicht zu den „anglophonen“ Wissenschaften, wie etwa die naturwissenschaftlichen Fächer. Es handelt sich bei ihr, wie bei anderen kultur- und erziehungswissenschaftlichen Fächern, um eine „nationalsprachlich geprägte“ Disziplin, deren Lehr- und Forschungsgegenstände in den regionalen, soziokulturellen und somit auch sprachlichen Kontext eines Landes eingebettet sind. Natürlich hat die Englischdidaktik ebenfalls eine internationale Dimension, aber in ihrer Bedeutung für die Ausbildung von Englischlehrern ist zu bedenken, dass das Lehren und Lernen des Englischen in einem von der Schulsprache Deutsch geprägten Kontext stattfindet. In diesem sollten (zukünftige) Englischlehrer/ -innen mit Lehrern anderer Sprachen fachlich kommunizieren und sich zur Schaffung einer gemeinsamen Verständigungsgrundlage einer deutschen Fachterminologie bedienen können. Insofern sollte auch für fremdsprachendidaktische Lehrveranstaltungen das Prinzip der aufgeklärten Einsprachigkeit gelten. Braunschweig C LAUS G NUTZMANN 45 (2016) • Heft 2 Französisch-/ spanischdidaktische Seminare in der Zielsprache „Mir gefällt besonders gut, dass die Lehrveranstaltung auf Spanisch gehalten wird.“ - „Ich finde es gut, dass die Veranstaltung auf Spanisch ist.“ - „Außerdem war es sehr gut, dass nur Spanisch gesprochen wurde.“ In den Evaluationen des Bachelor-Seminars, das ich regelmäßig in der Fremdsprache anbiete, fällt auf, dass Studierende diesen Umstand häufig als besonders positiv hervorheben. Das ist wenig überraschend - schließlich studieren sie Spanisch, Französisch oder Italienisch nicht nur, um sich auf Deutsch mit sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen und eben auch fachdidaktischen Inhalten zu beschäftigen. Sie wollen dies zumindest phasenweise auch in der jeweiligen Zielsprache tun. Dagegen wird manchmal der Einwand formuliert, dass das Sprachniveau der Studierenden in den romanischen Sprachen leider nicht so hoch sei wie im Englischen. Daher sei eine inhaltliche Verflachung der Seminare unvermeidlich, wenn sie in der Fremdsprache durchgeführt werden. Das mag zum Teil stimmen, aber ist es nicht gerade auch ein Argument dafür, den Studierenden möglichst viele Gelegenheiten zu bieten, in denen sie ihre sprachlichen Kompetenzen auch außerhalb der explizit sprachpraktischen Lehrveranstaltungen ausbauen können - unter anderem also in der Fachdidaktik? Studierende erleben dann hautnah, was es bedeutet, sich Fachdiskurse mit der Fremdsprache als Arbeitssprache zu erschließen. Dabei vollziehen sie den Übergang von einem alltagsbezogenen Sprachgebrauch, den sie durch Sprachkurse, Auslandsaufenthalte und persönliche Kontakte meist schon recht gut beherrschen, zu einem meist noch wenig vertrauten akademischen Sprachgebrauch, mit anderen Worten: den Übergang von BICS zu CALP. Die Parallelen zum bilingualen Sachfachunterricht sind nicht zu übersehen und sehr zu begrüßen. Das bedeutet übrigens keineswegs, dass man für die Lehrveranstaltung ausschließlich fremdsprachige Texte auswählen sollte. Nichts spricht dagegen, auch deutschsprachige Beiträge vorbereitend zu lesen, um sie dann in der Fremdsprache zu diskutieren. Wenn man ein Seminar in der Fremdsprache leitet, ist es meiner Erfahrung nach der Authentizität und Akzeptanz sehr zuträglich, als Lehrende/ r die gesamte Kommunikation mit Studierenden umzustellen, also auch Gespräche in der Sprechstunde, Telefonate, E-Mails und den Small Talk auf dem Flur oder in der Mensa. Wer mit Moodle arbeitet, kann hier sogar die Oberfläche anpassen. Ein gewichtiges Argument zum Schluss: In der Fremdsprachendidaktik wird seit langem betont, wie wichtig es sei, den Unterricht in der Fremdsprache zu steuern. Dazu gehört bekanntlich auch und vor allem die so genannte „Nebenkommunikation“ - Organisatorisches, Disziplinfragen, persönliche Gespräche. Fremdsprachendidaktische Seminare in der Fremdsprache bieten Studierenden ausgezeichnete Möglichkeiten, ein solches Lehrerhandeln zu erleben, zu erproben und zu verinnerlichen. In romanistischen Lehramtsstudiengängen ist dies in besonderem Maße notwendig und sinnvoll. Berlin J OCHEN P LIKAT Pro und Contra (Französisch, Spanisch) 127 45 (2016) • Heft 2 Die im Titel genannte Forderung erscheint auf den ersten Blick einleuchtend. Was läge angesichts der oft noch unbefriedigenden zielsprachlichen Kompetenzen der Lehramtsstudierenden schließlich näher, als den Raum sprachpraktischer Betätigung im Studium so weit wie möglich auszudehnen? Gleichwohl gibt es auch eine Reihe gewichtiger Gegenargumente, die zumindest eine differenzierte Betrachtung nahelegen. Vorrangiges Ziel fachdidaktischer Hochschulseminare muss es m.E. sein, Studierenden zu einer Reflexionsfähigkeit zu verhelfen, die sie befähigt, ihre Vorannahmen über den Fremdsprachenunterricht kritisch zu hinterfragen und auf einer wissenschaftlichen Basis didaktisch-methodische Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Das Medium solcher Reflexions- und Lernprozesse ist Sprache, genauer gesagt: eine an wissenschaftlicher Systematik und Abstraktion geschulte Sprache, was die Verfügbarkeit eines reichen Repertoires differenzierter Begrifflichkeit voraussetzt. Darüber hinaus sind mit der Vorbereitung auf die Lehrerrolle Prozesse identitärer Selbstverortung verbunden, die an tiefere Schichten der Persönlichkeit reichen und die Ebene der Gefühle einschließen. Beides, die kognitive Durchdringung komplexer Sachverhalte und die Transformation professionsbezogener Einstellungen, gelingt am besten in jener Sprache, die dem Einzelnen am vertrautesten ist. Dies ist in den meisten Fällen nicht die Zielsprache. Ferner ist Deutsch nach wie vor eine bedeutende Wissenschaftssprache, die es im Interesse der Wahrung sprachlicher Vielfalt lebendig zu halten gilt. Dies ist gerade in der Fremdsprachendidaktik besonders lohnend, da hier die deutschsprachigen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte Wichtiges geleistet haben. Sie jedoch in einer Fremdsprache zu besprechen, stünde einer vertieften Verarbeitung im Wege. Letztlich erfordert der Berufsalltag schulischer Lehrkräfte hierzulande die sichere Beherrschung einer akademisch geschulten mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit im Deutschen. Diese ist oft bereits bei jenen, die erstsprachig deutsch aufgewachsen sind, noch wenig ausgeprägt. Besonders prekär jedoch ist die Lage bei vielen, die ihre Erstsprache als Fremdsprache studieren. Mir selbst sind aus meiner Lehr- und Prüfungstätigkeit manche Fälle bekannt, die Anlass zu größter Sorgen geben. Allein aus diesem Grund sollten universitäre Seminare incl. ihrer schriftlichen Arbeitsnachweise nicht auf eine Praxis des Deutschen verzichten. Ich persönlich führe daher meine Seminare in ihren theoretisch ausgerichteten Teilen in deutscher, in ihren - weniger zahlreichen - unmittelbar unterrichtspraktisch orientierten Teilen in der jeweiligen Zielsprache durch und hoffe, damit der Unterschiedlichkeit der Ausbildungserfordernisse in sprachlicher Hinsicht Rechnung zu tragen. Berlin L UTZ K ÜSTER © 2016 Narr Francke Attempto Verlag 45 (2016) • Heft 2 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Wolfgang H ALLET , Carola S URKAMP (Hrsg.): Handbuch Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Trier: WVT 2015 (Handbücher zur Literatur- und Kulturdidaktik), 345 Seiten [35,00 €] Das vorliegende Handbuch Dramendidaktik möchte einen Überblick über verschiedenste dramapädagogische und dramendidaktische Herangehensweisen im Fremdsprachenunterricht geben. Vor dem Hintergrund einer klaren Unterscheidung zwischen Dramapädagogik und Dramendidaktik versuchen die Beiträge des Bandes im Sinne eines performativen Lernens beide Ansätze zu verbinden. Dies wird in den einzelnen Teilkapiteln zu sprachlich-kommunikativen Kompetenzen, interkultureller Kompetenz, Literaturunterricht, Medien und auch Lehrerbildung deutlich. Die Einleitung präsentiert zunächst die Tradition und das Potenzial von Dramendidaktik im fremdsprachlichen Unterricht, ganz im Sinne der Partiturthese, in der Dramen als Stücke gelten, die auf mehreren Ebenen ineinandergreifen und entsprechend erschlossen werden können. H ALLET und S URKAMP weisen jedoch zugleich auf das zentrale Problem hin, dass man ohne interpretative und kontextualisierende Vorbereitung einem literarischen Produkt nicht gerecht werden könne. Der Dramendidaktik stellen sie die Dramapädagogik als Arbeit mit aus der Theaterarbeit entlehnten Methoden gegenüber. In ihr werde Sprache als Ereignis und performativer Akt verstanden, seien Körperlichkeit und Ganzheitlichkeit wichtige Bestandteile - auch für die fremdsprachliche Kommunikation. Der Fremdsprachenunterricht wird „damit zu einer Inszenierung, in der Darstellungs- und Aufführungsformen eine besondere Lernform sind und zugleich die personalen, kommunikativen und sozialen Kompetenzen der Lernenden fördern“ (S.7). Die Autoren heben dabei u.a. die Überwindung der Kluft zwischen Regelwissen und Sprachkönnen, den Umgang mit „Sprachnotsituationen“ oder die Fähigkeit zum Perspektivwechsel als angestrebte positive Lerneffekte hervor. Mit Fokus auf die Fachgeschichte stellt zunächst Manfred S CHEWE dramapädagogische Bemühungen vergangener Jahrhunderte vor, die erst in den 1970er Jahren zum Einsatz von Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht führten. Der Beitrag liefert einen sehr guten Überblick über die Forschungsliteratur und bietet mit seiner Unterscheidung zwischen performativen Klein- und Großformen (vgl. S. 27f.) eine schöne Möglichkeit zur Kategorisierung des weiten Praxisfeldes. Mit Blick auf bildungspolitische Rahmensetzungen setzt sich Barbara S CHMENK in ihrem Beitrag mit der Gefahr der Instrumentalisierung von Dramapädagogik im Standardisierungsdiskurs auseinander. Die Autorin plädiert überzeugend für einen Dialog zwischen beiden Bereichen, um die Dimension des ästhetisch-performativen Lernprozesses und dessen Bildungszielen im Standardisierungsdiskurs begreifbar zu machen. Auch bei Wolfgang H ALLET geht es im nachfolgenden Beitrag um die performative Kompetenz der Lernenden, die über Schulunterricht und Bildungsstandards hinaus als kulturelle Akteure handlungsfähig sein sollen. Er erachtet daher die Einübung szenisch-dramatischer Formen der Interaktion und deren kognitive Modellierung als wesentlichen Beitrag der Dramapädagogik zum Bildungsprozess. Der Beitrag von Jenny P ASSON schließt das Grundlagenkapitel ab. Die Autorin kontrastiert hier Dramapädagogik und Theaterpädagogik und legt Verbindungen sowie Unterschiede der beiden Ansätze anhand von S HAKESPEARE s Dramen gelungen dar. Sie entwickelt dann einen Vorschlag für ein performatives Kompetenzmodell, das leider durch die Kürze des Beitrags stark reduziert und dadurch sehr komplex wird. Auch wäre zu diskutieren, ob eine eigene sprachlich- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 129 45 (2016) • Heft 2 kommunikative Teilkompetenz acting, wie sie P ASSON anführt (vgl. S. 82), nicht zu stark nur auf die performative Komponente des Bereichs Sprechen eingegrenzt ist. Hier droht m.E. das Potenzial von drama- und theaterpädagogischen Ansätzen für die anderen sprachlich-kommunikativen Teilkompetenzen vergessen zu werden. Der Beitrag von Franziska E LIS leitet zu den sprachlichen Teilkompetenzen über. Die Autorin stellt umfassend die Möglichkeiten der dramapädagogischen Methoden für die Förderung der Teilkompetenz Sprechen vor, auch unter Einbeziehung der zentralen Frage der Sprechbereitschaft bzw. Sprechhemmungen. Aufgrund des Umfangs fällt das Eingehen der Autorin auf alle anderen Teile der sprachlich-kommunikativen Kompetenz (inkl. sprachliche Mittel) leider eher dürftig aus. Der spezifische Mehrwert der Dramapädagogik kann in der Kürze nicht klar hervorgehoben werden. Auch das sehr begrüßenswerte Plädoyer für dramapädagogische Lehrbucharbeit in der Sekundarstufe hätte, um nachhaltig wirken zu können, einen eigenen Beitrag verdient. Katharina D ELIUS und Carola S URKAMP beleuchten im Anschluss die Potenziale eines Theaterbesuchs für den Fremdsprachenunterricht, indem sie reflektieren, wie durch Vor- und Nachbereitung sowie Einbeziehung sprachlicher Mittel die Entwicklung von fremdsprachlicher Diskursfähigkeit langfristig angestrebt werden kann. Mit Bezug auf den „Kulturunterricht“ betrachtet Almut K ÜPPERS Theater als Mittel, um interkulturelle Bildung zu befördern und bezieht sehr interessante empirische Perspektiven zur Wirkungsforschung (z.B. DICE-Studie 2010) in ihrer Übertragbarkeit auf den Fremdsprachenbereich ein. An der Arbeit mit „critical incidents“ zeigt die Verfasserin auf, wie kritisches Bewusstsein für die kulturelle Determiniertheit von Interaktion und Kommunikation durch Reflexivität geschärft werden kann. Der Beitrag von Lotta K ÖNIG gibt einen Überblick über mögliche Gegenstände und Zugangsformen für geschlechterreflektierende Arbeit im Englischunterricht. Geschlecht biete durch seine Konstituierung in Sprechakten und kulturellem Handeln Reflexions- und Diskussionsanlässe im Fremdsprachenunterricht (vgl. S. 169). Die Autorin zeigt an zahlreichen Beispielen auf, wie durch dramapädagogische Mittel z.B. geschlechtertypische sprachliche Zuschreibungen deutlich gemacht werden können oder wie in der Dramendidaktik durch gezielte Literaturauswahl Stücke ihr Potenzial zur Reflexion von Gender-Zuschreibungen konkret entfalten können. Die Beiträge im dritten Kapitel zum Literaturunterricht spiegeln sehr schön das eingangs erwähnte Spannungsverhältnis zwischen Analyse und Produktion wider. Den Anfang macht Christiane L ÜTGE , die für ein handelndes Erschließen von Dramen plädiert und dazu drei Verfahren an Beispielen skizziert. Britta F REITAG -H ILD rückt szenische Interpretationsverfahren und deren didaktisches Potenzial für literarisches, sprachliches, interkulturelles und emotionales Lernen in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Eine Übersicht zu den Phasen szenischer Interpretation sowie exemplarische Gestaltungsmöglichkeiten am Beispiel des Stücks „A Raisin in the Sun“ runden den Beitrag ab. Auch Carola S URKAMP und Ansgar N ÜNNING greifen dieses Drama auf, stellen aber die Dramenanalyse im Zusammenspiel mit szenischen Methoden in den Vordergrund; dabei sprechen sie sich für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen textzentrierten und kreativen Zugangsformen aus. Durch geeignete Bezugnahmen auf den vorherigen Text von F REITAG -H ILD wird deutlich, dass performative Kompetenz sowohl die Inszenierung von Interaktion als auch analytische Zugänge zur Inszeniertheit allen Handelns performative Kompetenz fördern können. Stephanie S OMMERFELD und Mark B ISCHOFF heben die Partiturthese der Dramendidaktik hervor (vgl. S. 241), stellen aber deutlich die Grenzen ausschließlich produktiver Ansätze heraus, da diese stets Gefahr liefen, die im Stück vermittelten fremden Sichtweisen durch Alltagsmuster zu überlagern. 130 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Das Teilkapitel zu medialen Inszenierungen dokumentiert zunächst im Beitrag von Ingrid S TRITZELBERGER die Aufführung eines Theater- und Multimediaprojekts. Hierbei wird die Darstellung der szenischen und filmischen Umsetzung eines Gedichts in wichtige medienpädagogische Überlegungen und Überlegungen zum ganzheitlichen und autonomen Lernen eingebettet. Der zweite Beitrag von Jochen B AIER , Jasmin B ÜHRLE und Melanie G ECIUS setzt szenisch-dramatische Verfahren und digitale Medien bzw. Internetformate durch Gegenüberstellung gemeinsamer Merkmale in Bezug. Die vorgestellten szenisch-technischen Verfahren gehen weit über eine reine Dokumentation von Theaterszenen hinaus und sind meist eingängig dargestellt. Etwas mehr Erläuterung wünscht man sich bei der Darstellung des computer adventure (vgl. S. 297f.), vor allem wird nicht klar, inwiefern es sich wirklich um ein vorbereitendes Verfahren handeln kann oder ob - wie das Beispiel des Hamlet als Detektivgeschichte in der Kürze der Beschreibung nahelegt - die Interpretation der Lerner schon stark gesteuert wird. Mit Blick auf das Lehrerhandeln stellt Heike W EDEL dar, wie problematisch Aufgaben zum Theaterspielen für einschlägig unerfahrene Lehrkräfte sein können, da sie ihnen gerade in Lehrbüchern häufig aufgrund ihrer Knappheit nicht genügend Orientierungen lieferten. In diesem Zusammenhang präsentiert die Verfasserin Übungen, welche die Vor- und Nachbereitung solcher Lehrbuchaufgaben zu leisten im Stande seien. Der Band schließt mit dem Plädoyer von Franziska E LIS , Adrian H AACK und Hannes M EHNER für Dramapädagogik als „hervorragende[m] Instrument zum Anstoß von (u.a. berufsbiographischer) Selbstreflexion und personalen Entwicklungsprozessen‟ (S. 319) und damit für deren Einsatz als Element der Lehrerausbildung. Insgesamt legen die Herausgeber einen gelungenen Band vor, der viele Dimensionen von Dramapädagogik und Dramendidaktik aufgreift und für den Fremdsprachenunterricht - oder sollte man doch besser sagen für den Englischunterricht - nutzbar macht. Denn hierin liegt leider eine Schwachstelle der Publikation: Das Handbuch versteht sich vom Titel und von der Einleitung her als Handbuch für den Fremdsprachenunterricht, bezieht aber in den praktischen Beispielen ausschließlich die Perspektive des Englischunterrichts und der englischen Sprache ein. Weitere Fremdsprachen, zu denen ebenso bereits wichtige Themenfelder theaterpädagogisch aufbereitet wurden, kommen nicht vor. Zudem wurde so die Chance vertan, mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze für die Theaterarbeit zu erschließen. Gleichwohl handelt es sich um ein durchaus wichtiges Buch, das auf theoretischer und praktischer Ebene viele Anregungen vermitteln kann. Berlin K ATHARINA W IELAND Ulrike J ESSNER , Claire K RAMSCH (Hrsg.): The Multilingual Challenge. Cross-Disciplinary Perspectives. Berlin/ Boston: Walter de Gruyter 2015, 360 Seiten [€ 99.95] Ausgelöst durch die Frage „tu parles toujours des bienfaits du plurilinguisme. Quand parleras-tu des cauchemars ? “ (S. 1) haben es sich Ulrike J ESSNER und Claire K RAMSCH im vorliegenden Sammelband zum Ziel gesetzt, ein Forschungsbild von Mehrsprachigkeit zu zeichnen, das die Vorteile, aber auch die Schwierigkeiten zwei- und mehrsprachiger Individuen beleuchtet. Mehrsprachigkeit wird hierbei als ein sowohl individuelles als auch soziales und kulturelles Phänomen betrachtet (S. 1-2). Das Buch widmet sich dem Thema der mehrsprachigen Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei die insgesamt 13 Beiträge des Sammelbandes in fünf verschiedene multilingual challenges gebündelt werden: familial, educational, institutional, scientific sowie professional and geopolitical. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 131 45 (2016) • Heft 2 Li W EI und Zhu H UA zeichnen in einer soziolinguistischen Ethnographie die innerfamiliäre Situation dreier mehrsprachiger Familien aus China nach, die in Großbritannien leben, und nehmen hierbei auf Aspekte wie die Sprachsozialisation der Kinder, Kontakte zur früheren und neuen Umgebung und sprachliche Hierarchien Bezug. Die Verschiedenheit der in der Studie dokumentierten Erfahrungen der Individuen und Generationen deutet auf die Komplexität der Relation von Sprache und Identität im Kontext von Migration hin. Maria Pilar S AFONT -J ORDÀ untersucht in einem sowohl quantitativen als auch qualitativen Forschungsdesign die Einstellungen von Eltern gegenüber Spanisch, Katalanisch und Englisch in der Autonomen Region Valencia in Spanien in Relation zu deren eigenem sprachlichen Hintergrund sowie zur Schulwahl und zum Sprachgebrauch in Gesprächen mit den Kindern in der Öffentlichkeit (S. 46). Die Ergebnisse weisen u.a. auf eine Präferenz von Spanisch und Englisch bei der Wahl einer monolingual spanischen Schule hin, wohingegen im Falle einer katalanisch-basierten Schule die Einstellungen gegenüber allen drei Sprachen positiv sind (S. 56). Im Rahmen der educational challenges (S. 63ff.) dokumentiert William H EIDENFELDT in einer Einzelfallstudie Gedanken und Aktivitäten einer mehrsprachigen Spanischlehrerin in einer high-school in der East Bay-Region (S. 69), die Lerner durch einen mehrsprachigen Zugriff auf ein historisches Thema zu einer Reflexion ihrer eigenen Sprachen und Weltsicht herausfordern möchte im Gegensatz zu rein fertigkeitsorientierten Lernzielen (S. 83). Claire K RAMSCH & Lihua Z HANG gehen der Frage nach, wie Lehrer an colleges und universities in Kalifornien, die ihre Muttersprache und kulturelle Inhalte ihres Herkunftslandes unterrichten sollen, mit dem Spannungsverhältnis einer Orientierung der Institutionen am native speaker einerseits und ihrer de facto vorhandenen Zweibzw. Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität andererseits umgehen. Die Kluft zwischen einer mehrsprachigen und mehrkulturellen Identität und monolingualen und monokulturellen institutionellen Erwartungen wird durch folgendes Ergebnis anschaulich illustriert: „the longer they are in the U.S., […] the greater the tension between the multilingual multicultural person they have become and the imagined monolingual culture that they have to represent […].“ (S. 100). Mit institutioneller Orientierung befasst sich ebenfalls der Beitrag von Patrick K. O STERKORN & Eva V ETTER , die eine dreimonatige ethnographische Studie an einer bretonischen Immersionsschule durchführten, in der biographische Daten und narrative Interviews mit Beobachtungsdaten und linguistic landscaping (S. 123) trianguliert wurden. Die Untersuchung weist darauf hin, dass sich Schüler in formalen Situationen dem Gebot der bretonischen Einsprachigkeit der Schule beugen, aber auch Strategien entwickeln, dieses zu umgehen, um ihre mehrsprachigen Ressourcen nutzen zu können. Brian L ENNON diskutiert die Frage, wie multilingualer Sprachgebrauch in literarischen Werken dargestellt werden kann bzw. „how to represent the reality of polylingual discourse through a communicative medium which is normally unilingual“ (S. 147). Quellen aus der Zeit von den 1910er bis zu den 1940er Jahren in Deutschland untersucht David G RAMLING mit Blick auf die Frage, wie Interkulturalität und Mehrsprachigkeit vor dem Hintergrund des Aufkommens des Nationalsozialismus verbunden und damit einhergehend mit dem Ziel der Weltherrschaft konzipiert und institutionalisiert wurden (S. 161). Dabei wird erkennbar, wie Sprachlernkonzepte von einem ideologischen Spektrum zum anderen pendelten, obwohl oft dieselben Personen für Fremdsprachenlernen betreffende Entscheidungen verantwortlich zeichneten (S. 163). Fabienne B AIDER & Marilena K ARIOLEMOU beleuchten durch die Analyse von Interviews mit Armenisch sprechenden und Arabisch sprechenden Zyprioten über Gefühle von Fremdheit und Entfremdung (S. 185) die Vielschichtigkeit und Dynamik des mehrsprachigen Repertoires und des „set of multiple identifications“ (S. 206) von Mitgliedern dieser Sprachgruppen. Bei einem Sammelband zu multilingual challenges, der Beiträge aus verschiedensten Universitäten weltweit (z.B. in Australien, China, England, Israel, Österreich, in der Schweiz, in 132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Spanien, in den USA, in Zypern; S. vii-x) vereint, drängt sich dem Leser die Frage auf, warum dieser ‒ mit Ausnahme eines Kapitels in französischer Sprache ‒ einsprachig englisch veröffentlicht ist. Doch wird eben diese Frage des „[m]onolingualism and multilingualism in the construction and dissemination of scientific knowledge“ (S. 213ff.) explizit zum Thema gemacht. Auf der Grundlage von Daten aus dem DYLAN-Projekt (Language Dynamics and Management of Diversity), an dem 19 Forscher aus zwölf Ländern beteiligt waren, setzt Georges L ÜDI einen lingua-franca-Gebrauch und die Verwendung mehrerer Sprachen zueinander in Beziehung. Auf der Oberfläche einsprachige Publikationen von mehrsprachigen Forscherteams, so Lüdi, enthalten Spuren multilingualer Aushandlungsprozesse, beispielsweise über Konzepte, die in den beteiligten Sprachen unterschiedlich gefasst werden, die - neben der Notwendigkeit von Veröffentlichungen in mehreren Sprachen - bewusst gemacht und expliziert werden sollten (S. 234). In ähnlicher Weise sprechen auch Geneviève Z ARATE , Aline G OHARD -R ADENKOVIC & Fu R ONG von „des flous terminologiques déstabilisants“ und betonen, „[qu‘i]l faut partager un credo commun qui veut que ce sont ces déséquilibres vécus qui font le sel d‘une recherche collective“ (S. 244). Das angesprochene Sichtbarmachen von unterschiedlichen Konzeptionen erfährt hier gewissermaßen eine Konkretisierung, etwa in Form von Anmerkungen zur englischsprachigen Fassung des Précis du plurilinguisme et du pluriculturalisme (Z ARATE , L EVY & K RAMSCH 2008), in denen „la diversité des compromis […] est explicitée“ (S. 246). Der Beitrag, der sich auf den Erstellungsprozess der chinesischen Fassung des Handbuchs konzentriert, illustriert auf anschauliche Weise die Schwierigkeiten, aber auch die Vorzüge einer mehrsprachigen und -kulturellen Kooperation mit Partnern aus unterschiedlichen Forschungstraditionen, in der wissenschaftliche Konzepte nicht unhinterfragt als Konsens angenommen werden können. Die Komplexität mehrsprachiger Systeme, sei es auf individueller oder sozialer Ebene, diskutieren Larissa A RONIN und Ulrike J ESSNER . Befunde aus neurolinguistischen, psycholinguistischen und soziolinguistischen Untersuchungen, aber auch alltägliche Beobachtungen und Erfahrungen, weisen darauf hin, dass sich Mehrsprachigkeit im Vergleich zu Zweisprachigkeit nicht auf das bloße ‚Hinzufügen einer weiteren Sprache‘ reduzieren lässt (S. 274). In einem solchen komplexen und dynamischen System müsse es die Aufgabe des Forschers sein, nach Mustern und nicht nach festen Regelhaftigkeiten zu suchen: „Researchers have to aim at interpreting instability, rather than looking for stability where there is none“ (S. 284). Lisa M C E NTEE - A TALIANIS befasst sich in ihrem Beitrag mit sprachlicher Vielfalt innerhalb der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation der Vereinten Nationen. Obwohl die Organisation rechtlich gesehen Mehrsprachigkeit unterstützt (sechs offizielle und drei Arbeitssprachen), dominiert in der Praxis der Gebrauch des Englischen als lingua franca (S. 305ff.). Einem bislang noch kaum erforschten Bereich mehrsprachiger Praxis, Tourismus, widmet sich schließlich Elizabeth E LLIS (S. 323ff.). Auf der Grundlage von Interviewdaten und Aufzeichnungen von Reiseführerkommentaren in den Kulturstätten Uluṟu und Kata Tjuṯa der Aborigines in Zentralaustralien diskutiert sie u.a. die vielfältigen Anforderungen an multilingual guides wie vertieftes Wissen und Erfahrungen dieses Gebiet betreffend sowie die kulturelle Angemessenheit weitergegebener Informationen. Zwar ist die Diversität der einzelnen Beiträge, die hier nur ausschnitthaft skizziert werden können, und deren sowohl forschungsmethodische als auch geographisch-politische bzw. historische Verortung groß (Familien aus China in Großbritannien, eine Spanischlehrerin in San Francisco, Mitglieder der armenischen Sprachgruppe in Zypern …), so dass fächerübergreifende Perspektiven („cross-disciplinary perspectives“) bzw. der komplementäre Charakter der verschiedenen Ansätze (S. 1) nicht auf Anhieb deutlich werden. Doch ist es gerade das Verdienst dieses Sammelbandes, die Herausforderung von Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in einen vielfältigen und multiperspektivischen Zusammenhang zu stellen. Die überwiegend qualitativ-explorativ ausgerichteten Beiträge erlauben es dem Leser, multilingual challenges wie individuelle Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 45 (2016) • Heft 2 Identitätssuche oder durch Orientierung an Einsprachigkeit als dem ‚Normalfall‘ auferlegte Zwänge und Einschränkungen, denen Mehrsprachige ausgesetzt sind, nachzuvollziehen und auf diese Weise seinen Blick hierfür zu öffnen bzw. zu erweitern. Rostock S TEFFI M ORKÖTTER Petra K NORR : Kooperative Unterrichtsvorbereitung. Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrer. Tübingen: Narr 2015 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 473 Seiten [€ 72,00] Petra K NORR geht es in ihrer Studie um die Interaktion und Kooperation von Studierenden des Faches Englisch bei der Planung und Durchführung einzelner Stunden im Rahmen von Tagespraktika. Die Studie betrachtet und analysiert Unterrichtsplanungsgespräche aus unterschiedlichen Perspektiven (u.a. bildungswissenschaftlich, fachdidaktisch, theoretisch und praktisch) und setzt sich zum Ziel, die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer stärkeren Verknüpfung der unterschiedlichen Fachgebiete im Rahmen der universitären Lehrerausbildung empirisch zu untermauern. Konkret werden folgende Forschungsfragen untersucht: „Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Unterricht dienen? “ (S. 153), „Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche? “ (S. 154), „Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten in Planungsgesprächen vor? “ (S. 155) und „Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? “ (S. 155) In 11 Kapiteln werden die wissenschaftlichen Vorüberlegungen, ein Überblick über unterschiedliche Forschungsansätze und vorliegende Forschungsergebnisse, die Durchführung der Studie und die Auswertung sowie Interpretation der Befunde detailliert und differenziert dargestellt. K NORR setzt sich in Kapitel 2 zunächst mit den von ihr als deutsche Spezialdomäne gekennzeichneten (S. 29) allgemein-didaktischen Ansätzen auseinander. Neben K LAFKIS didaktischer Analyse von 1958 bzw. deren Neufassung im Jahre 1970 durch K LAFKI selbst wird schwerpunktmäßig der Ansatz der „Berliner Schule“ (H EIMANN / O TTO / S CHULZ ) reflektiert. Diese versucht, Modelle für die Gestaltung von Unterricht und Vorgaben für planerisches Denken (Stichwort: Lernzielorientierung) aus allgemeinen Bildungszielen abzuleiten. Zentral ist dabei die Frage nach der Bedeutung dieser Modelle für die Planung und Gestaltung von Unterricht. Es überrascht, dass in diesem Kapitel keine kritische Auseinandersetzung mit dem konstruktivistischen Ansatz erfolgt, obwohl die Prinzipien und Prämissen der mit diesem didaktischen Ansatz eng verbundenen sozio-kulturellen Theorie (s. dazu Kapitel 5 der Studie) für die vorliegende Studie und die Auswertung sowie die Interpretation der analysierten Planungsgespräche konstitutiv sind. Bedenkt man zudem, welche Bedeutung das konstruktivistische Modell in der wissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskussion hat, ist eine intensive Auseinandersetzung mit ihm eigentlich unverzichtbar. In den folgenden Kapiteln werden die Forschungslage, die Ergebnisse ähnlicher Forschungsprojekte sowie bislang noch offene Fragen bei der Analyse von unterrichtsvorbereitendem Planungshandeln, die Bedeutung der Fachdidaktik für die Vorbereitung der Studierenden auf die Praxis, die Spezifika der Lehrerausbildung an den Universitäten und im Referendariat sehr umfänglich und differenziert dargelegt. 134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Ein wesentliches Ergebnis bereits vorhandener Untersuchungen über Denkstrukturen und Abläufe beim Planen von Unterrichtsstunden ist, dass sowohl erfahrene Lehrer/ innen als auch Novizen eher über Unterrichtsabläufe, Aktivitäten, Übungen und Classroom Management nachdenken als über anzustrebende Lernbzw. Kompetenzziele. Die vorgestellten Forschungen wie auch die vorliegende Studie selbst geben keine Antwort darauf, ob sich Planung und Durchführung von Unterricht verändern, vielleicht gar verbessern, wenn von den Lernbzw. Kompetenzzielen her geplant wird. In Kapitel 6 werden der Aufbau der Untersuchung und die leitenden Forschungsfragen ausführlich dargestellt und mit den zuvor beschriebenen Forschungsansätzen verknüpft. Grundlage der Studie sind videographisch aufgezeichnete Planungsgespräche, die dokumentiert, ausgewertet und interpretiert werden und darüber hinaus als Impulse für „Lautes Erinnern“ seitens der Studierenden dienen. Durch die Kombination beider Methoden sollen nicht nur die Planungsentscheidungen vor der Durchführung der Unterrichtsstunden erfasst werden, sondern auch u.U. unbewusste mentale Entscheidungsabläufe der Studierenden bei der Planung nachträglich transparent und zugänglich gemacht werden. Zudem soll dadurch sichergestellt werden, dass die Interaktionen während der Planungsgespräche richtig verstanden worden sind. Die Planungsgespräche der Studierenden werden in der vorliegenden Studie umfänglich dokumentiert, während aus den Aufzeichnungen des „Lauten Erinnerns“ nur sehr wenige Passagen zitiert werden, sodass der Leser hier der Interpretation der Forscherin vertrauen muss. In den Kapiteln 7-10 werden die Inhalte und der Aufbau der Planungsgespräche, die die Versuchsteilnehmer/ innen geführt haben, sowie in Ansätzen deren Nachbetrachtungen dargestellt. Die Planungsgespräche werden dann mit Blick auf die Forschungsfragen auf unterschiedlichen Ebenen zunächst konversationsanalytisch untersucht. Mit Rückgriff auf zentrale Modelle der sozio-kulturellen Theorie (z.B. zones of proximal development) werden die so gewonnenen Ergebnisse dann interpretiert. Dabei wird deutlich, dass sich die an der Untersuchung teilnehmenden Studierenden bei der Planung ihrer Stunden primär auf das Suchen bzw. Auswählen von Aktivitäten während des Unterrichts, die Analyse der einzusetzenden Materialien, der Erstellung eines Verlaufs- und Zeitplanes, mögliche situative Einbettungen von Aktivitäten/ Übungen und die konkrete Durchführung der Stunde fokussieren. Dabei werden Lernziele zumeist implizit und eher unbewusst angesprochen und diskutiert. Anders aber als z.B. von der „Berliner Schule“ gefordert, steht das Formulieren eines Lernbzw. Kompetenzzieles und möglicher Teilziele nicht am Anfang bzw. im Fokus der Planungsgespräche. Begleitend zur Planung einer Stunde mussten die Studierenden einen tabellarischen Ablaufplan erstellen, der offensichtlich die Unterrichtsphasen, die Aktivitäten und Übungen, die Materialien und die Organisationsformen des Unterrichts während der Stunde dokumentiert. Da dieser Bogen nicht in den Anlagen der vorliegenden Studie enthalten ist, bleibt unklar, was genau festgehalten werden musste und ob die Formulierung von Lernbzw. Kompetenzzielen explizit gefordert war. Geht man von den dokumentierten Gesprächsausschnitten aus, scheint dies eher nicht der Fall gewesen zu sein. Es stellt sich somit die Frage, ob das explizite Einfordern einer Lernbzw. Kompetenzziel-Formulierung Einfluss auf den Inhalt und die Gestaltung der Gespräche gehabt hätte. Darüber hinaus erhebt sich die Frage, wie sich die Planungsgespräche gestaltet hätten, wenn nicht nur Einzelstunden, sondern eine mehrere Stunden umfassende Unterrichtsreihe hätte geplant werden müssen, so wie dies in der schulischen Realität geschieht bzw. geschehen sollte. Mit dem Befund, dass die Planenden schwerpunktmäßig die Abläufe und Aktivitäten, das Zeitmanagement oder die einzusetzenden Medien diskutiert haben, bestätigt die vorliegende Studie frühere Forschungsergebnisse. Die vorgelegte Auswertung der Planungsgespräche zeigt, dass die Studierenden auf ihre eigenen Erfahrungen als Schüler/ innen, auf die Hinweise bzw. das Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 45 (2016) • Heft 2 Feedback der betreuenden Lehrkräfte und auf fachdidaktisches Wissen zurückgreifen, auch wenn dabei nicht unbedingt die entsprechenden Fachbegriffe verwendet werden. Bei der zusammenfassenden Bewertung der erhobenen Befunde werden die positiven Effekte des kooperativen Planens von Unterrichtsstunden, z.B. das Generieren vieler unterschiedlicher Ideen, die korrektive Funktion von Einwänden oder Nachfragen, Einbeziehung und Erprobung von fachdidaktischem Wissen und Konzepten sowie die emotionale Unterstützung der Unterrichtenden detailliert und nachvollziehbar erläutert. Ebenso deutlich wird aber auch aufgezeigt, dass es einer noch engeren Verzahnung zwischen der Vorbereitung des Praktikums auf universitärer Ebene und den entsprechenden Fachbereichen der Schulen, an denen das Praktikum stattfindet, bedarf. Die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die die Praktikantinnen/ Praktikanten betreuen, sollten in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, den Studierenden im Praktikum gezielt durch ihre Vor- und Nachbesprechungen der Stunden zu helfen und sie effektiv zu beraten. Entsprechende Auszüge aus den Planungsgesprächen zeigen, dass die Studierenden die entsprechenden Hinweise oft nicht verstanden hatten und diese nicht für die eigene Planung nutzen konnten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier eine sorgfältig vorbereitete und fundierte Untersuchung von kooperativem planerischem Handeln bei der Vorbereitung von einzelnen Unterrichtsstunden vorgelegt worden ist. Man kann der Schlussfolgerung, dass kooperative Unterrichtsvorbereitung Vorteile für die Bewältigung des schulischen Alltags mit sich bringen kann, nur zustimmen. Allerdings muss bedacht werden, dass Lehrer/ innen in der schulischen Realität nicht nur eine, sondern 23(+) Wochenstunden Unterricht in verschiedenen Fächern planen und vorbereiten müssen (ein Umstand, der Petra K NORR selbst bewusst ist und auf den sie hinweist). Dies macht sicher kooperative Unterrichtsvorbereitung nicht unmöglich, stellt aber eine grundsätzlich andere Situation dar als die der Studie zugrunde liegende. Die Studie gibt zudem keine Antwort auf die Frage, ob das kooperative Planen einen positiven Effekt auf die Durchführung des Unterrichts und dessen Qualität hatte. Braunschweig U LRIKE S CHUH -F RICKE Gabriela F ELLMANN : Schüleraustausch und interkulturelle Kompetenz: Modelle, Prinzipien und Aufgabenformate. Frankfurt/ M. [u.a.]: Peter Lang 2015 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert; Band 29), 330 Seiten [€ 56,95] Schüleraustauschfahrten werden an zahlreichen Schulen seit vielen Jahren durchgeführt. Zwar gibt es eine Reihe von Vorschlägen, wie die interkulturelle Kompetenz im Rahmen einer solchen Schülerbegegnung gefördert werden kann, es fehlt aber bisher an einem empirisch abgesicherten Modell. Diese Forschungslücke wird mit der Arbeit von Gabriela F ELLMANN geschlossen, die im Jahr 2014 an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertationsschrift angenommen wurde und nun in einer geringfügig veränderten sowie (auf ein einziges Fallbeispiel) gekürzten 1 Fassung publiziert wurde. Die Verfasserin führt die Entstehung der Studie „vor allem auf die Implementierung des Begriffs ‚interkulturell‘ in den Schulcurricula und ihre persönlichen Erfahrungen der forschenden Lehrkraft als Koordinatorin eines COMENIUS-Projektes“ (S. 31) zurück. Verortet wird die Studie im forschungsmethodologischen Kontext von Aktionsforschung und ist somit dem qualitati- 1 Die weiteren Fallbeispiele sind im elektronischen Anhang einzusehen, der von der Verlags-Website heruntergeladen werden kann. 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 ven Forschungsparadigma zuzuordnen: „Es werden Daten von 15 Lernenden des 8. Jahrgangs eines niedersächsischen Gymnasiums im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt nach England erhoben mit dem Ziel, interkulturelle Lernprozesse der Lernenden sowie begegnungsdidaktisch relevante Hinweise für die Konzeption interkultureller fremdsprachlicher Begegnungssituationen sichtbar zu machen“ (S. 27). Nach der Einleitung (Kapitel 1) und einer Skizzierung von Entstehungsgeschichte und Verlauf der Studie (Kapitel 2) folgt in den anschließenden drei Kapiteln die theoretische Fundierung der Arbeit. Kapitel 3 widmet sich der interkulturellen Kompetenz (in Bezug auf den Englischunterricht), wobei insbesondere das Modell von B YRAM (1997 2 ) diskutiert wird. In Bezug auf die Operationalisierbarkeit interkultureller Kompetenz kommt die Verfasserin zum Schluss, „dass interkulturelle Kompetenz grundsätzlich messbar sein kann“ (S. 77), empirische Forschungsergebnisse zur Validierung der Modelle und konkrete Aufgabenentwicklungen allerdings bisher Forschungsdesiderate sind. Die interkulturelle Kompetenz wird auf den Fremdsprachenunterricht bezogen, und Forschungsdesiderate werden genannt. In Kapitel 4 geht es um Schüleraustauschfahrten und Begegnungen im Fremdsprachenunterricht. Nach einem Überblick über die Vielfalt möglicher Austauschfahrten und Begegnungen werden Forschungsergebnisse zur Gestaltung von Schüleraustauschfahrten dargelegt. Darauf aufbauend werden Anforderungen an ein Modell für Austauschfahrten abgeleitet und der Ansatz der Aufgabenorientierung vorgestellt sowie auf seine Einsetzbarkeit bei Schüleraustauschfahren reflektiert. Allerdings definiert die Verfasserin „Austausch“ und „Begegnung“ nicht und verzichtet auch darauf, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Kapitel 5 fokussiert den Einsatz von authentischen (Schüler-)Texten im Fremdsprachenunterricht. Dieser Aspekt ist wichtig, da die Verfasserin in der unterrichtlichen Vorbereitung mit innerhalb des COMENIUS-Projekts entstandenen Texten gearbeitet hat und im empirischen Teil im Projekt neu entstehende authentische (Schüler-)Texte während und nach einer Austauschfahrt analysiert sowie interpretiert. Im Zentrum des Kapitels steht die Diskussion, welchen Beitrag authentische Texte zur Entwicklung interkultureller Kompetenz im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt leisten können. Dazu werden „die theoretischen Fundierungen der vorangegangenen Kapitel 3 und 4 zu interkultureller Kompetenz und zur Austauschforschung mit dem Begriff der Authentizität sowie dessen drei Ebenen koordiniert“ (S. 126). Außerdem stellt die Verfasserin die zur Vorbereitung der Austauschfahrt nach England eingesetzten Texte vor. Mit Kapitel 6 beginnt der empirische Teil des Buches. In den Kapiteln 6 und 7 präsentiert die Verfasserin in Kürze (zwei bzw. vier Seiten) Erkenntnisinteresse und Fragestellungen ihrer Studie sowie die Vorbereitung ihres Forschungsprojektes vor. Sie geht der (Haupt-)Fragestellung nach, welche begegnungsdidaktischen Prinzipien die Entwicklung von interkultureller Kompetenz während einer Schüleraustauschfahrt nach England unterstützen. In Kapitel 8 werden Forschungsansatz und Untersuchungsdesign der Studie diskutiert. Erläutert werden die Charakteristika und Gütekriterien von Aktionsforschung sowie die Rolle der forschenden Lehrkraft im Forschungsprozess. Nach der Darlegung des Forschungsdesigns der Studie und der zirkulären Strategie der Forschungsdurchführung stellt die Verfasserin die vier wichtigsten Datenerhebungsinstrumente vor, und zwar Fragebögen mit best and worst experiences, Einzelinterviews, Lerntagebuch, Gruppendiskussionen. Kapitel 9 befasst sich mit der Vorgehensweise zur Aufbereitung und Analyse der erhobenen Daten, wobei grundlegende Aspekte des deduktiv-induktiven und fallbezogenen Auswertungsverfahrens vorgestellt werden. 2 Michael B YRAM : Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters 1997. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 45 (2016) • Heft 2 In Kapitel 10 stellt die Verfasserin die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Präsentation der Ergebnisse der Analyse und der Interpretation von vier ausgewählten Fallbeispielen. Das abschließende Kapitel 11 enthält die Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse der Studie. Die Forschungsfrage wird beantwortet, indem zum einen eine Konkretisierung des B YRAM schen Modells vorgenommen (S. 280) und zum anderen ein Vorschlag für ein Modell für Schüleraustausch vorgelegt wird (S. 293), das verschiedene Aufgabenformate integriert. An die Reflexion der Methoden schließen sich Vorschläge für die schulische Praxis und Forschungsdesiderata an. Der über 300 Seiten starke und von der Verlags-Website herunterladbare Anhang enthält nicht nur die Fallbeispiele zwei bis vier, sondern auch eine Vielzahl weiterer Dokumente und Materialien wie bspw. die Textsammlung, den Kodierleitfaden und die Kategoriensysteme. Das Buch schließt eine wichtige Lücke in Bezug auf die Förderung interkultureller Kompetenz bei Schülerbegegnungen. Die Verfasserin geht sowohl im theoretischen als auch im empirischen Teil sehr sorgfältig und reflektierend vor; viele Tabellen und Abbildungen tragen zur guten Lesbarkeit bei. Im Anschluss an die Studie stellt sich die Frage, ob bereits Lehrkräfte in Schulen mit dem von der Verfasserin entwickelten Modell arbeiten und welche Erfahrungen sie damit machen. Weiterhin wäre interessant, der Frage nachzugehen, inwieweit sich das Modell auf außerschulische und universitäre Begegnungssituationen übertragen und weiterentwickeln lässt. Die diesem Buch zu Grunde liegende Dissertationsschrift wurde mit dem Ludger-Schiffler-Preis für Fremdsprachendidaktik ausgezeichnet. Bad Homburg ANTJE S TORK † Lutz K ÜSTER , Christiane L ÜTGE , Katharina W IELAND (Hrsg.): Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht. Theorie - Empirie - Unterrichtsperspektiven. Frankfurt/ M. [u.a.] 2015 (Kolloquium Fremdsprachenunterricht), 207 Seiten [€ 44,95] Literarisch-ästhetische Texte und die mit ihnen verbundenen Inhalte und Ziele haben in Zeiten der Kompetenzorientierung einen schweren Stand. Trotzdem oder gerade deswegen verfolgt der vorliegende Band das Ziel, den Stellenwert literarisch-ästhetischen Lernens im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht neu zu bestimmen und seine Relevanz aus unterschiedlichen Begründungsperspektiven unter Beweis zu stellen. Der Band geht auf zwei literaturdidaktische Sektionen aus dem Jahr 2013 zurück (Romanistentag Würzburg und Kongress der DGFF Augsburg) und umfasst neben der Einleitung elf Beiträge aus der anglistischen und romanistischen Fachdidaktik, die sich drei Themenblöcken zuordnen lassen. Im ersten Block geht es um theoretisch bzw. empirisch fundierte Begründungen des literarisch-ästhetischen Lernens, im zweiten Block stehen methodische Ansätze im Mittelpunkt, im dritten Block werden dann ausgewählte literarische und filmische Genres in den Blick genommen. „Warum ästhetisch-literarisches Lernen im Fremdsprachenunterricht“? Zur Beantwortung der Titelfrage seines Beitrags verweist Lutz K ÜSTER - unter Rekurs auf Theorien des Ästhetischen (insbesondere K ANT ) und der Ästhetischen Bildung (B AUMGARTEN 1988, D IETRICH et al. 2012) - zum einen auf die Selbstzweckhaftigkeit der Kunst. Diese entzieht sich zunächst jedem Nützlichkeitsanspruch (und damit auch jedem Versuch der Eingliederung in heutige Kompetenzmodelle); das Einmalige der Begegnung mit literarischen Texten liegt vielmehr im Gewinn ästhetischer Erfahrung, d.h. in einer besonderen Art der „Welterschließung“ (S. 20), die weniger auf Vertrautes als vielmehr auf Irritation setzt. Auf der anderen Seite kann der Auseinandersetzung mit literarischen Texten gerade im Fremdsprachenunterricht eine gewisse „Zweckdienlich- 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 keit“ (S. 18) nicht abgesprochen werden; der Autor sieht diese in vier Bereichen realisiert: in der Förderung interkultureller Bildung, der Anregung von Phantasie und Kreativität, der Entwicklung von Text- und kritischer Medienkompetenz und last but not least in der Ausbildung der fremdsprachlichen Fertigkeiten. Ralf W ESKAMP geht von der Prämisse aus, dass Literatur in den meisten Fällen Geschichten erzählt; Ziel des Beitrags ist es daher, die „Bedeutung des Narrativen für das menschliche Denken und Handeln“ (S. 35) unter Rekurs auf kognitionswissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse herauszustellen und damit ein starkes Argument für den Einsatz von literarischen Texten ins Bewusstsein zu heben. Im zweiten Teil des Beitrags finden sich knapp skizzierte Vorschläge für den Englischunterricht. Ärgerlich ist, dass der Sprachwissenschaftler Otto J ESPERSEN durchgehend in falscher Schreibung (*J ESPERSON ) erscheint. Den Abschluss des ersten Themenblocks bildet ein erster empirischer Beitrag. Katharina W IELAND stellt die Ergebnisse einer Befragung von 38 Oberstufenschülerinnen und -schülern zu motivationalen Aspekten im Literaturunterricht Französisch, Spanisch und Italienisch vor und leitet daraus didaktische Konsequenzen ab. Die Aussagekraft der vorwiegend quantitativen Studie ist allerdings begrenzt; so wäre es vor allem im Fall der Befürwortung bzw. Ablehnung bestimmter Methoden wünschenswert gewesen, die Begründungen zu kennen. Der zweite Themenblock enthält Beiträge, die methodische Konzepte vorstellen; der Schwerpunkt liegt auf handlungs- und produktionsorientierten Zugängen. Birgit S CHÄDLICH und Carola S URKAMP gehen in ihrem innovativen und methodologisch herausragendem Beitrag der Frage nach, inwiefern Textrezeptionsprozesse durch eine Methode aus der Dramapädagogik (Standbilder) angestoßen und wie deren Vorzüge und Grenzen mittels eines empirischen Verfahrens (Videographie im Oberstufenunterricht Englisch und Französisch) der Beschreibung und Analyse zugänglich gemacht werden können. Als durchaus überraschendes Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Ziele in Bezug auf die Textrezeption und -interpretation in der Unterrichtsrealität bei weitem nicht in dem Maß erreicht werden, wie dies konzeptionell geplant war. Barbara S CHMENK setzt sich ebenfalls mit Dramapädagogik auseinander, kritisiert jedoch die weit verbreitete Auffassung, wonach Dramapädagogik ganzheitliches Lernen fördere. Anstoß ihrer Kritik ist dabei weniger, dass ganzheitliches Lernen als Zusammenspiel von „Kognition, Emotionen und Leiblichkeit“ (S. 116) gesehen wird als vielmehr die - von der Autorin vertretene, durch Quellen jedoch nicht belegte - Annahme, dass ganzheitliches Lernen per se eine „quasi-harmonische, ausgeglichene Form des Lernens“ (S. 115) sei. Ihr setzt die Autorin ein auf poststrukturalistischen Sprach- und Subjekttheorien basierendes Verständnis entgegen, wonach beim ganzheitlichen Lernen in erster Linie „Brüche, Inkonsistenzen und Fragmentarisierung“ (109) zutage treten. Dass dieses ‚unharmonische‘ ganzheitliche Lernen durch dramapädagogische Methoden sehr gut gefördert werden kann, liegt auf der Hand und hätte nicht unbedingt durch weitere theoretische Exkurse begründet werden müssen; stattdessen wäre ein konkreter Anwendungsbezug wünschenswert gewesen. Mit dem Konzept der komplexen Lernaufgabe steht im Beitrag von Katharina K RÄLING , Katharina M ARTÍN F RAILE und Daniela C ASPARI eine aktuell höchst einflussreiche Methode im Mittelpunkt, deren Stärke in der Förderung der reflexiven, der produktiven und der rezeptiven Dimension literarisch-ästhetischen Lernens gesehen wird. Dies wird nicht nur konzeptionell schlüssig entwickelt, sondern auch anhand von Entwürfen für konkrete Lernaufgaben zum Genre der Kürzestgeschichte konkretisiert. Ob allerdings für die vorgeschlagenen stark gelenkten Aktivitäten der Begriff der ‚komplexen‘, d.h. projektartigen Lernaufgabe angemessen ist, sei dahingestellt. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 45 (2016) • Heft 2 Der dritte Themenblock (zu literarischen und filmischen Genres) wird von Domenica Elisa C ICALA eingeleitet. Ihr solider Beitrag befasst sich mit Literaturverfilmungen für den Italienischunterricht mit fortgeschrittenen Lernern. Anhand älterer und neuerer Filme werden zahlreiche Vorschläge zur Förderung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen sowie zum Vergleich von Buch und Film skizziert. Janina V ERNAL S CHMIDT stellt in ihrem interessanten Beitrag zur Filmarbeit ein literatur- und kulturwissenschaftlich fundiertes Analyseinstrumentarium vor, mit dessen Hilfe sich Lernende mit kulturellen Deutungsmustern, die ein fremdsprachiger Film jeweils voraussetzt, vertraut machen können. Am Beispiel einer Sequenz aus dem Spielfilm Dr. Alemán skizziert die Autorin ein mögliches Ergebnis der Deutungsmusteranalyse. Allerdings handelt es sich hierbei um ein höchst anspruchsvolles Verfahren, das neben kultureller Kompetenz auch eine sehr gute Kenntnis filmästhetischer Verfahren erfordert; die Anwendbarkeit im schulischen Unterricht halte ich daher für begrenzt. Der Beitrag von Meike H ETHEY stellt ein Plädoyer für das Genre ‚Jugendliteratur’ und dessen Potential für die Persönlichkeitsbildung dar. Dazu hat die Autorin ein komplexes Modell ästhetisch-literarischen Lesens entworfen, das an zwei Romanbeispielen aus dem frankophonen Raum veranschaulicht wird. Die Lernenden werden insbesondere dazu angeleitet, die komplexe ästhetische Verfasstheit der Texte und die von den jugendlichen Protagonisten ausgehenden Identifikationsangebote zu erkennen und kritisch zu analysieren. Der anregende Beitrag hätte durch einen steileren Einstieg in sein eigentliches Thema zweifellos noch gewonnen. Gegenstand von Annika A ULF s Beitrag sind Autofiktionen. Dabei handelt es sich, wie der stringente Forschungsüberblick zeigt, um eine neuere Form der Autobiographie, in der die genretypische Auflösung der Grenzen zwischen Fakten und Fiktion besonders ausgeprägt ist. Für den Literaturunterricht sind Autofiktionen vor allem aufgrund des Merkmals, das sie mit ‚normalen‘ Autobiographien teilen, interessant: Es sind Texte, in denen sich ein Ich-Erzähler mittels der unterschiedlichsten ästhetischen Strategien selbst darstellt. In der Reflexion der „Selbstdarstellungsverfahren“ (S. 187) und der damit verbundenen Persönlichkeitsbildung sieht die Autorin den besonderen Mehrwert; sie bleibt allerdings den Beweis schuldig, wie sich die anspruchsvollen Analyse- und Reflexionsaufgaben im Fremdsprachenunterricht realisieren lassen. Den Abschluss bildet Wolfgang H ALLET s inspirierender Beitrag zum Genre ,graphic novel‘. Aus den Merkmalen dieser Art von Roman, der sich „der Darstellungsweise des Comics bedient“ (S. 195) und somit eine multimodale Erzählgattung darstellt, leitet der Autor die Leitlinien für die Erarbeitung im Fremdsprachenunterricht ab: Gefordert sind multiliteral gebildete Leser, die das Zusammenspiel von Text und Bild sowie die dominant filmästhetischen Verfahren verstehen und deuten können. Auch hier sind die Anforderungen an die Lernenden hoch; am Beispiel des roman graphique Le Convoi (2013) werden für den Französischunterricht der Oberstufe aber zumindest einige Herangehensweisen skizziert. Ein Buch für Praktiker ist dieser Sammelband nicht unbedingt. Sein Schwerpunkt und seine Stärke liegen vielmehr im konzeptionellen Bereich; hier liefert er aus ganz unterschiedlichen Perspektiven (Theoriebildung, Empirie, Methodik, Genreforschung) wichtige Argumente und neue Denkanstöße, mit denen die Unverzichtbarkeit des literarisch-ästhetischen Lernens im Fremdsprachenunterricht und die Spezifik literarisch-ästhetischer Texte einschließlich der durch sie initiierbaren Bildungsprozesse untermauert werden können. Dabei werden die Anforderungen von Kompetenz- und Standardorientierung in angemessener Weise berücksichtigt. Der Band ist daher trotz der vereinzelt geäußerten Vorbehalte allen an Literaturdidaktik Interessierten sehr zu empfehlen. Halle (Saale) E VA L EITZKE -U NGERER 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Martina N IED C URCIO , Peggy K ATELHÖN , Ivana B AŠIĆ (Hrsg.): Sprachmittlung - Mediation - Mediazione linguistica. Ein deutsch-italienischer Dialog. Berlin: Frank & Timme 2015, 325 Seiten [€ 39,80] Während in der bundesdeutschen Bildungslandschaft die translatorische Aktivität Sprachmittlung vor allem im Kontext des schulischen Fremdsprachenunterrichts diskutiert wird, zeigt sich in Italien ein anderes Bild: Dort ist die Konzeptualisierung der Sprach mittlungskompetenz hauptsächlich im universitären Bereich zu verorten, insbesondere im DaF-Unterricht und in den neu eingerichteten Studiengängen Mediazione linguistica e culturale. Beide Sichtweisen miteinander ins Gespräch zu bringen, ist das Ziel der ersten beiden Teile des von Martina N IED C URCIO , Peggy K ATELHÖN und Ivana B AŠIĆ vorgelegten Sammelbandes, dessen dritter Teil die Erforschung der Sprachmittlungskompetenz durch interdisziplinäre Zugänge bereichert. Werfen wir zuerst einen Blick auf Teil II und damit auf den italienischen Kontext, um zunächst einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die Sprachmittlungskompetenz außerhalb Deutschlands modelliert und verstanden wird. Als Einstieg in diesen zweiten Teil „Sprach- und Kulturmittlung an italienischen Schulen und Universitäten“ legt Maria Antonietta S ARACINO den Fokus auf die Rolle des Sprachmittlers als Mittler zwischen den Kulturen, die aufgrund der starken Migrationsbewegungen nach Europa aktuell besonders gefragt sei. Das Modul Introduzione alla mediazione interculturale des Übersetzungsstudiengangs an der römischen Universität La Sapienza beinhalte deshalb auch die Vorbereitung der Studierenden auf interkulturelle Mittlungssituationen in unterschiedlichen sozialen und institutionellen Kontexten (wie etwa in Flüchtlingsaufnahmezentren oder bei international agierenden Hilfsorganisationen). Dieses Verständnis von Sprachmittlung als Kulturmittlung ist in Italien offenbar stärker ausgeprägt als in Deutschland. Das zeigt auch der Beitrag von Lorenza R EGA . Sie unterscheidet neben der Sprachmittlung als Oberbegriff für sämtliche translatorische Aktivitäten (professionell und unprofessionell) zum einen die Sprachmittlung als nichtprofessionelle Kulturmittlung (vor allem zur Unterstützung der Integration von Einwanderern) und zum anderen Sprachmittlung als nichtprofessionelle Aktivität im Sinne eines mehr oder minder spontanen interkulturellen Mittelns von weniger komplexen Inhalten und zugleich als Strategie zum Fremdsprachenlernen. Sie schlägt vor, die zuletzt aufgeführte Form als Vorstufe zu und Vorbereitung auf professionelles Dolmetschen und Übersetzen zu verstehen. Norbert B ICKERT und Marita K AISER widmen sich der Frage, wie und mit welchen Zielen Sprachmittlungsaufgaben im universitären DaF-Unterricht eingesetzt werden können. B ICKERT versteht Sprachmittlung im Sinne des deutschen Begriffsverständnisses für den schulischen Fremdsprachenunterricht als interlinguales Aufgabenformat, das die paraphrasierende und vereinfachende Wiedergabe von Inhalten in einer anderen Sprache erfordert. Damit unterstützten diese Aufgaben den Fremdsprachenlernprozess an sich, insofern sie zur sprachlichen Komplexitätsreduktion des zu mittelnden fremden schriftlichen oder mündlichen Textes auffordern - ganz so, wie es auch beim Umformulieren eigener Ausdrucksintentionen von der L1 in die L2 zur Vermeidung zumeist fehlerhafter Wort-für-Wort-Übersetzungen idealer Weise geschehen sollte. B ICKERT zeigt abschließend an sechs Beispielen, wie Sprachmittlungsaufgaben im DaF-Unterricht für Studierende in einen überzeugenden situativen Kontext eingebettet werden können, und betont zudem die Effektivität des Einsatzes von Paralleltexten. K AISER dagegen zielt in ihrem Projekt „Forum Deutsch“ auf die intralinguale Sprachmittlung ab. Hierbei erhalten die italienischen DaF-Lerner/ innen die Aufgabe, auf der Basis deutscher Lese- und Hör-/ Sehtexte Referate über ein selbst gewähltes, zielkulturelles Thema vorzubereiten und vor Kommilitonen in der L2 zu halten. Diese inhaltsbearbeitende Übertragung und Reduktion ausgewählter Informationen versteht sie als Sprachmittlung aus der L2 in die L2. Das würde jedoch bedeuten, jede Form der - Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 45 (2016) • Heft 2 Wiedergabe und Zusammenfassung von vorgegebenen fremdsprachlichen Inhalten in der Zielsprache als Sprachmittlung zu verstehen und den Begriff damit bis zur Unkenntlichkeit zu überdehnen. Allein der Beitrag von Carmen D ELL ’ ASCENZA widmet sich der Sprachmittlung im fremdsprachlichen Unterricht an italienischen Sekundarschulen und fordert, diese Kompetenz dort - angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung - viel stärker als bisher auszubilden und auch die (angehenden) Lehrkräfte entsprechend zu schulen. Dass die Implementierung von Sprachmittlungsaufgaben im fremdsprachlichen Unterricht an den Schulen in der BRD dagegen schon weit vorangeschritten ist, dokumentieren die Beiträge in Teil I „Sprach- und Kulturmittlung im GeR und ihre Anwendung im Fremdsprachenunterricht in Deutschland“. Der Schwerpunkt liegt auf der Evaluation schriftlicher Sprachmittlungskompetenz, insbesondere in den fremdsprachlichen Abiturprüfungen. Elisabeth K OLB schlägt zum einen vor, den prozentualen Anteil der Bewertung der inhaltlichen Aspekte der Aufgabenlösung gegenüber der Bewertung der sprachlichen Korrektheit anzuheben, da bei dieser realitätsnahen kommunikativen Aktivität „mindestens genauso stark zu werten [sei], ob die den Adressaten interessierenden Inhalte korrekt und vollständig gemittelt werden“ (S. 61). Zum anderen gibt sie zu bedenken, dass mit schriftlichen Sprachmittlungsaufgaben im Unterschied zu mündlichen Aufgabenformaten nur in sehr eingeschränktem Maße interkulturelle Kompetenzen evaluiert werden könnten. Ausgehend von der translationswissenschaftlichen Skopos-Theorie von Reiss und Vermeer geht es Daniel R EIMANN in seinem Beitrag darum, das Diagnoseinstrumentarium zur Evaluation schriftlicher Sprachmittlungskompetenz - nicht nur in Abituraufgaben - zu ergänzen und zu verfeinern. Die Skopos-Theorie veranlasst ihn dazu, bei der Bewertung schriftlicher Sprachmittlungsleistungen auch die „textpragmatische Leistung“ (u.a. Textsortenspezifika) und die „Aufgabenerfüllung qua Skopos-Orientierung“ (pragmatische Adäquatheit) zu berücksichtigen (vgl. S. 73). Frank S CHÖPP schließlich hält als wesentliches Ergebnis seiner Analyse fest, dass Hessen im Zentralabitur die schriftliche Sprachmittlungskompetenz auf das Resümee eines muttersprachlichen Textes in der Zielsprache (hier: Italienisch) reduziere. Der situative Rahmen und die Adressatenorientierung spielten dabei nahezu keine Rolle. Hier klafft offenbar noch ein großer Widerspruch zwischen der theoretischen Modellierung von Sprachmittlungskompetenz in der Fremdsprachendidaktik und der gängigen Praxis in zentralen Prüfungsformaten. Frank G. K ÖNIGS erweitert in seinem Grundlagenbeitrag das im deutschen Kontext bis dato ausgehandelte Begriffsverständnis und Modell von Sprachmittlung um das Konzept des „mentalen Sprachmittelns“. Hierunter versteht er die lernerseitige Planung von eigenen Äußerungen in der Fremdsprache durch die sukzessive Anpassung der ursprünglichen, muttersprachlichen Ausdrucksintention an die in der Zielsprache zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel. Gemeint ist somit eine innersprachliche Mittlung, die den „artikulierten oder vollzogenen Sprachmittlungsvorgang“ (S. 37) vorbereitet. Dabei kommen - ganz im Sinne der von B ICKERT in Anschlag gebrachten Komplexitätsreduktion (s.o.) - diverse Kommunikationsbzw. Kompensationsstrategien zum Tragen, die vor allem für die ersten Lernjahre, in denen die Muttersprache beim Fremdsprachenlernen noch eine größere Rolle spielt, von Bedeutung sind. Auch aus diesem Grund argumentiert K ÖNIGS zu Recht für eine Förderung der Sprachmittlungskompetenz von Beginn des Fremdsprachenunterrichts an. Ob es trotz dieser zweifelsohne wichtigen und richtigen Überlegungen tatsächlich notwendig ist, noch einen weiteren Typus von Sprachmittlung auszudifferenzieren - eben den der „mentalen Sprachmittlung“ -, wäre indes m.E. noch zu diskutieren. In Teil III „Über den Horizont hinaus: Sprach- und Kulturmittlung und verwandte Disziplinen“ rekurriert Martina N IED C URCIO auf die Lexikographie als Bezugsdisziplin, um für die Lösung von Sprachmittlungsaufgaben im schulischen Kontext den systematischen Aufbau einer „Wörterbuchbenutzungskompetenz“ sowohl in Rezeptionsals auch in Produktionsphasen 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 anzumahnen. Neben Kollokations- und Synonymwörterbüchern seien dabei vor allem von den Schülern heute häufig genutzte Online-Wörterbücher zu berücksichtigen. Auch Elisa C ORINO nimmt den Einsatz von Wörterbüchern in den Blick, allerdings eher für professionelle Kontexte und nicht nur aus lexikographischer, sondern auch aus korpuslinguistischer Perspektive. Dabei zeigt sie beispielhaft auf, dass die Konsultation von Textkorpora im Zusammenspiel mit dem kompetenten Gebrauch von Wörterbüchern zur sprachlichen und pragmatischen Korrektheit des Translats maßgeblich beitragen kann. Da die Veränderung der Textsorte bei der Mittlung von der Ausgangsin die Zielsprache als konstitutives Merkmal der Sprachmittlung gelten kann, pocht Peggy K ATELHÖN darauf, die Textsortenkompetenz und das Textmusterwissen der Fremdsprachenlerner besonders zu schulen. Elisabetta B ONVINO spürt in ihrem Beitrag den Berührungspunkten zwischen der Interkomprehensionsdidaktik einerseits und der Sprachmittlungsdidaktik andererseits nach und stellt fest, dass bei einer bilingualen Kommunikation, bei der beide Sprecher gemäß dem Interkomprehensionsprinzip in ihrer jeweiligen L1 agieren, ähnliche Produktionsbzw. Kompensationsstrategien zum Tragen kommen wie bei der Sprachmittlung. Hier ergeben sich interessante Überschneidungen mit dem von K ÖNIGS geprägten Begriff des „mentalen Sprachmittelns“. Susanne L IPPERT ordnet unter Bezugnahme auf das neurolinguistisch fundierte, deklarativ-prozedurale Sprachlernmodell von P ARADIS das implizite prozedurale Sprachlernen der Ebene der Sprachmittlung zu und das explizit erworbene Regel- und Grammatikwissen der Ebene der kontrastiven Linguistik, die im Sinne eines focus on form durch den Vergleich zwischen Ausgangs- und Zielsprache im Kontext von Sprachmittlungsaufgaben ins Spiel kommen und zu einem natürlichen Sprachvergleich genutzt werden könne. Lucilla L OPRIORE greift auf Vygotskys Konzept der cultural mediation zurück und versteht mediating so als grundlegenden (Sprach-)Lern- und Sozialisationsprozess und als Kommunikationsstrategie zwischen Individuen, die verschiedene sprachliche und kulturelle Hintergründe haben. Solche Mediationsprozesse gezielt zu begleiten und ins (Sprach-)Bewusstsein zu heben, sei in multikulturellen Gesellschaften und Klassenräumen wichtiger und aktueller denn je. In der Zusammenschau aller drei Teile zeigt sich für die Modellierung der Sprachmittlungskompetenz im deutschen Kontext u.a. die Notwendigkeit, das Aufgabendesign und die Entwicklung von Bewertungsrastern für die Lösung von Sprachmittlungsaufgaben besser miteinander zu verzahnen und den Aspekt der Kulturmittlung auch in der Fremdsprachendidaktik (und nicht nur in der interkulturellen Kommunikationsforschung) stärker in den Blick zu nehmen. Für beide Kontexte befruchtend dürfte die Erkenntnis sein, dass die Sprachmittlung nicht nur eine realitätsnahe und äußerst aktuelle translatorische Aktivität darstellt, sondern auch eine, die ein hohes Potenzial für die Förderung von Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit birgt. So ist der mehrsprachige Band (Deutsch/ Italienisch/ Englisch) eine lohnende und inspirierende Lektüre. Hannover A NDREA R ÖSSLER Jenny J AKISCH : Mehrsprachigkeit und Englischunterricht. Fachdidaktische Perspektiven, schulpraktische Sichtweisen. Frankfurt/ M.: Lang 2015 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert. Bd. 31), 376 Seiten [59,80 €] In ihrer bei Claus G NUTZMANN entstandenen Braunschweiger Dissertation betritt Jenny J AKISCH ein weites Feld, was schon nur wenige Stichwörter aus den Kapitelüberschriften umreißen: Definitionen zu Mehrsprachigkeit (hinfort M.), Mehrsprachenerwerb, Schulsprachenwahl und -folge, Mehrsprachigkeitsdidaktik (Mdid.), Erziehung zur M., Englischunterricht und M. in Europa, lebensweltliche M., interkomprehensive M. und schulpraktische Sichtweisen. Letzterem sind Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 45 (2016) • Heft 2 zwei empirische Studien (Schülerfragebogen und Lehrerinterviews) gewidmet. Die Leitfrage lautet: „Welchen Beitrag kann der Englischunterricht zur Entwicklung von M. leisten? “ (S. 18) Es ist eine Frage, deren Behandlung eine detaillierte Kenntnis verschiedener Wissenschaftsdiskurse verlangt. Der zweite Teil erfordert Vertrautheit mit den Standards qualitativer und quantitativer Forschung. M. ist ein dynamischer, polyreferentieller und kontrovers diskutierter Begriff: M. „begegnet als „eine personale Qualität, die von jeder Person anders verwirklicht wird“ (C HRIST 2002: 9; Zitat S. 28). Als pädagogisches Programmwort bezeichnet Mdid. ein umkämpftes Konzept (S. 25). Die Gründe sind politischer, kultureller und ökonomischer Natur. Wie sein antonymischer Mitspieler (Muttersprache + E. „only“) trifft M. auf Interessen: innerhalb der ‚Exportdidaktiken‘ wie TESOL, DaF usw. auf die der nationalen Sprachindustrien; bei den ‚Importdidaktiken‘ (Französischunterricht in Deutschland z.B.) auf die der Fachverbände (Lehrerstellen, Stundenkontingente, Bedeutung der Zielsprachen in der eigenen Gesellschaft u.a.m. So stellte die Romanistik mit dem Begriff der Mdid. einem vermeintlich erdrückenden Übergewicht des Englischen ein Konzept entgegen, das die Interessen der anderen Schulfremdsprachen zu schützen versprach. Nun hat sich die Situation grundlegend gewandelt - global, europäisch, national. Die Notwendigkeit, Englisch zu lernen, ist unbestritten. Zugleich sieht auch die Englischdidaktik die Notwendigkeit eines stufenübergreifenden und Sprachen vernetzenden Konzepts schulischen Fremdsprachenlernens. All dies macht die Nachzeichnung des heterogenen Diskurses nicht leichter. Bis auf wenige Ausnahmen löst J AKISCH das Problem, indem sie die großen Linien der Positionen zusammenstellt. Nun greift der Blick in die Geschichte des Diskurses dann zu kurz, wenn neue Daten die argumentative Gemengelage bestätigen, relativieren oder falsifizieren und dennoch unberücksichtigt bleiben. Ein Beispiel: Das von V OLLMER (2001: S. 17) konstatierte „Dilemma“ - die Notwendigkeit, Englisch als globales Verständigungsmittel (zu lernen) versus E. als Bedrohung für die M. - wird leider nicht weitergeführt: Hier wären etwa die Befunde des Schweizer Forschungsprogramms 56 1 zu erwähnen gewesen. Ihm zufolge zeigen ‚Mehrsprachige mit Englisch‘ höhere Kompetenzen als ‚Einsprachige plus Englisch‘. Auch die DESI-Studie betont den Vorteil der M. für das Lernen von Englisch, wie J AKISCH berichtet (S. 60). Auf deutsche Verhältnisse übertragen ließe sich wohl empirisch nachweisen, dass z.B. saarländische Schüler der Sekundarstufen (mit Französisch plus Englisch) im Allgemeinen zwei Schulfremdsprachen besser beherrschen als etwa ihre Hamburger Altersgenossen; zugleich wäre der Nachweis kaum möglich, dass sie im Schnitt im Englischen weniger gut abschneiden als die Hamburger Vergleichspopulation. Derlei Vorteile für den breiten Erwerb von M. werden hierzulande totgeschwiegen - auch in der vorliegenden Studie. Auffällig ist, dass zahlreiche Publikationen, wie J AKISCH referiert, ungeprüft eine fragwürdige Korrelation vorgeben: zwischen einer einzelzielsprachlich ausgerichteten Didaktik, der i.d.R. ohne empirische Evidenz per se ein hohes Maß an Effizienz unterstellt wird, und einer Mdid., die vergleichbare (produktive) Performanzstufen nicht erreiche. Es handelt sich um einen Popanz, denn erstens baut die Mdid. (es ist wohl der interkomprehensive approach gemeint) ja genau darauf auf, dass (neben der Muttersprache) zwei Fremdsprachen umfassend (Lesen und Schreiben, Hörverstehen und Sprechen) hinlänglich (B1 des GeR oder höher) beherrscht werden, wovon eine fast immer Englisch ist. Zweitens will der Mehrsprachenansatz systematisch die lernerseitig vorhandenen Ressourcen mobilisieren, (a) um weitere Sprachen rasch lesend zu ver- 1 Iwar W ERLEN , Lukas R OSENBERGER , Jachin B AUMGARTNER : Sprachkompetenzen der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz. Zürich: Seismo 2011. 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 stehen, (b) um diese reflexiv zu lernen sowie (c) um die erlebte Selbstwirksamkeit mit Sprachen zu erhöhen. Daher vertritt er eine diversifizierte und abgestufte M. unter Einschluss von Englisch. Drittens: Auch die Vorstellung, die Mdid. wolle die einzelzielsprachlichen Didaktiken ersetzen, wurde von Vertretern derselben nie ernsthaft formuliert - eine Schimäre. Bedauerlich ist, dass die Darstellung des sprachenpolitischen Diskurses wegweisende Dokumente ausblendet: so die Homburger Empfehlungen (1980). Hier begegnen bereits Schlüsselbegriffe des heutigen sprachenpolitischen Diskurses: Grundlagensprache, Begegnungssprache, bilinguale und bikulturelle Klassen, Fundamentalsprache, internationale Verkehrssprache, Erschließungssprache usw. Die Mdid. hat in solchen Konzepten ihren Ursprung. Zwischenfazit: Im Allgemeinen gelingt es J AKISCH , den nur schwer fassbaren, weil in unterschiedlichen Interessen verwurzelten Diskurs um die sprachenpolitischen Konzepte und M. nachzuzeichnen. Sie öffnet dabei den Horizont weit über das hier Berichtbare hinaus. Die oben angemerkte Kritik greift nur punktuell, sie betrifft nicht das Gesamt der Ausführungen. Zur empirischen Studie (S. 117ff.). Bekanntlich steht und fällt die Reichweite empirischer Forschungsergebnisse mit der Validität der Erhebung. In der Stichprobenziehung genügt nicht der Hinweis: „Die Daten wurden in Lerngruppen verschiedener niedersächsischer Gymnasien erhoben.“ (S. 138) Um forschungsmethodischen Standards zu genügen, hätte gesagt werden müssen, wie die Schulen (Teilnehmer) gezogen wurden, welche Sprachenprofile sie haben u.a.m. Dass das Land Niedersachsen traditionell ein eher wenig diversifiziertes Sprachenangebot bietet, hat ebenfalls Auswirkungen. Derselbe Fragebogen hätte in Baden-Württemberg andere Antworten generiert. Da Menschen generell zur Selbstrechtfertigung neigen, ist für Vergleiche zu den empfundenen Vor- und Nachteilen einzelner Sprachenfolgen ein Sampling erforderlich, das anteilmäßig zur Grundgesamtheit Probanden mit verschiedenen Schulsprachenfolgen umfasst. Allerdings zeigt die repräsentative MES-Studie 2 zu Berlin und dem mittelstädtisch-ländlichen Raum Gießen/ Weilburg, dass die Diversifizierung des Schulsprachenangebots (in Deutschland? ) generell zu gering ist, um überhaupt Aussagen zwischen Sprachlernerlebnissen etwa im Englisch- und im Spanischunterricht zuzulassen. Die quantitativen Daten nennen lediglich Prozentanteile. Standardabweichungen und Signifikanzwerte bleiben ungenannt. Die Stichprobe umfasst 180 Mädchen und 93 Jungen; 68,8% lernen Französisch als 2. FS, 31,1% Spanisch (diese Angaben ohne Geschlechterdifferenzierung). Auch die Teilnahme am „bilingualen Sachfachunterricht“ (160) wurde erfragt (ausnahmslos Englisch). Kapitel 6.2 beleuchtet die Motive für das Lernen fremder Sprachen. In der Rückschau bestätigen die Zehntklässler die für das Englischlernen bekannten Argumente: berufliche Chancen, Reisen/ Freizeit, Verständigung unter Europäern, Erweiterung des eigenen Horizonts, Teilnahme an sozialen Netzwerken, Lektüre, Mediennutzung. Der Mittelwert liegt in der Summe der Antworten bei 3,0 auf der 4stufigen Likert-Skala. Damit bestätigt sich einmal mehr des Englischen anhaltend hoher Motivationswert. Für die zweiten Fremdsprachen begegnet ein Mittelwert von nur 2,3 (161 und 165. - „Über 60% (…) erachten es als positiv, Sprachen integrativ und vernetzt zu lernen.“ (S. 203) Allerdings wissen die Schüler nicht, wie sie ihr relevantes Wissen für das Lernen von Französisch usw. einbringen können. Hier wird ein Defizit des Fremdsprachenunterrichts sichtbar, der bislang konkrete Lernstrategien und -mittel nicht hinreichend an die Lerner weitergibt. In 15 Interviews wurden Englischlehrerinnen und -lehrer mit den Zweitfächern Französisch 2 MES = Franz-Joseph M EIßNER et al.: Mehrsprachigkeit fördern. Vielfalt und Reichtum in der Schule nutzen (MES). Zwei deutsche Stichproben einer internationalen Studie in den Klassen 5 und 9 zu Sprachen und Fremdsprachenunterricht. http: / / www1.uni-giessen.de/ rom-didaktik/ Multilingualism/ html/ facette1/ de/ index. htm [05.06.2016]. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 45 (2016) • Heft 2 (4), Deutsch (5), Geschichte (2), Mathematik, Biologie, Chemie, ungenanntes weiteres Fach (jeweils 1) befragt (S. 208). Ihre Ausführungen spiegeln die von den Schülern genannten guten Gründe für das Englischlernen wider (S. 210). Für die zweiten Fremdsprachen fallen dieselben Argumente; nur in anderer Reihenfolge und Gewichtung. Die Antworten bestätigen die Befunde bisheriger Untersuchungen. So befürchtet die Französischlehrerin S., das Erlernen nur einer einzigen Fremdsprache verbinde sich mit dem Risiko einer „eindimensionalen“ Sicht auf die vielkulturelle Welt. In einem Zwischenfazit resümiert J AKISCH : Dem Englischen wird generell eine Sonderrolle unter den Fremdsprachen zuerkannt; es profitiert von einer „schülerseitigen Motivationshaltung, die bereits außerhalb der Schule gelegt wurde“ (219). Das Risiko eines Verlustes sowie eines sinkenden Interesses an M. wird „nur von einem kleinen Teil (…) gesehen“ (S. 220). J AKISCH formuliert abschließend Anregungen für einen mehrsprachigkeitsfördernden Englischunterricht. Stichworte: die „Bindegliedfunktion“ von Englisch zwischen Deutsch und den nachfolgenden Fremdsprachen (S. 324), in puncto didaktische Materialien und Anleitung wird mehr Unterstützung für einen zur Mdid. geöffneten reflexiven Englischunterricht gefordert, Integration eines abgewogenen transcurricularen Lernens vor allem auf dem Feld der Sprachlernkompetenz (S. 327), schulinterne sprachenübergreifende Curricula, das ‚Gespräch‘ zwischen Lehrkräften der betroffenen Fächer, Sensibilisierung für M. in der Lehrerbildung. Es ist das Verdienst von Jenny J AKISCH , Wege für einen in ein Mehrsprachenkonzept integrierbaren Englischunterricht aufzuzeigen. Die Forschung wartet nun auf Fallstudien, die diese Wege analysieren. Gießen F RANZ -J OSEPH M EIßNER Meike S TROHN : Binnendifferenzierung im Englischunterricht. Die Lehrerperspektive. Bochum/ Freiburg: projektverlag 2015, 544 Seiten [32,80 €] Während die allgemeine, fachunspezifische Forschung zum Lehrerberuf schon seit längerem im Aufwind ist, wurde in den letzten Jahren deutlich, dass ein hoher Entwicklungsbedarf auch in Bezug auf eine fachdidaktisch angelegte Professionsforschung besteht. In diese Forschungslücke hinein lässt sich die Dissertationsstudie von Meike S TROHN verorten, in der sie „subjektive didaktische Theorien von Englischlehrern zum Thema Binnendifferenzierung im Englischunterricht“ (S. 23) rekonstruiert. Auf voluminösen 544 Seiten und in fünf Teilen wird das nicht erst seit der Diskussion um Inklusion auch für die Englischdidaktik wieder relevante Thema abgehandelt. Um es vorweg zu sagen: Die Arbeit ist ein Gewinn, aber sie wirft durchaus auch einige Fragen auf. Zunächst zum Aufbau: Nach einem Teil I, der insbesondere für die Bedeutsamkeit des Themas sensibilisiert, geht es im umfangreichen Teil II um die Aufarbeitung des Forschungsstandes zur Binnendifferenzierung. Unterteilt wird zunächst sinnvoll in den theoretisch-konzeptuellen Diskurs zu Differenzierungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten im Unterricht/ Englischunterricht einerseits und in den empirischen Diskurs, der sich beispielweise mit Fragen der Verbreitung und Wirksamkeit binnendifferenzierender Maßnahmen, aber auch mit Lehrereinschätzungen zum Thema befasst hat, andererseits. Die Darstellungsweise ist möglichst umfassend, dadurch teilweise additiv und mit Längen, und teilt innerhalb der Kapitel das Problem vieler derartiger Darstellungen: Sowohl die Begrifflichkeiten, die theoretischen Hintergründe als auch die zahlreichen Differenzierungsoptionen unterscheiden sich von Autor zu Autor, es geht vor allem um Methoden und Medien, weniger um Ziele und Aufgaben - das ganze Thema wird dadurch zuweilen unübersichtlich. Die Autorin erkennt das und versucht selbst zu systematisieren, was 146 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 aber nicht immer gelingt: So ist die von T OMLINSON vorgeschlagene Systematik nach readiness, interest und learning profile eben nicht übersetzbar mit den Ausdrücken Leistung, Interesse und Lernstilen (S. 58), und wird diese Systematik dann wieder zugunsten einer anderen verlassen, gibt es wenig zielführende Exkurse zum Ganztag oder zum Potential von Lehrwerken. Verwunderlich ist auch die mehrfach vorgetragene Behauptung, es gebe für den Fremdsprachenunterricht eine „einzigartige Systematisierung“ (S. 120). Am Ende stehen eine Arbeitsdefinition (S. 167) und zwei unterschiedliche Systematisierungsversuche (S. 89 ff. und S. 170ff.), welche als „Analyseheuristik für die systematische Auswertung der Interviewergebnisse“ (S. 43) dienen sollen. Im anschließenden Teil III werden die Grundlagen für die eigene Interviewstudie vorgestellt. Als forschungsleitendes Konzept wird das in der Fremdsprachenforschung verbreitete Konstrukt der subjektiven Theorien in der weiten Fassung genutzt, d.h. ohne explanative Validierung, aber mit im Laufe des Projekts wechselnden Formen der kommunikativen Validierung. Das Sample umfasst 12 Interviews mit unterschiedlich berufserfahrenen Englischlehrenden (2x Grundschule, 1x Berufskolleg, 1x Gesamtschule, 8x Gymnasien mit und ohne Ganztag). Die zur Auswahl führenden Überlegungen sind teilweise nachvollziehbar, zeigen aber auch die Schwierigkeiten der Bildung einer guten qualitativen Stichprobe: Zunächst wurden Lehrpersonen unterschiedlicher Schulformen interviewt (Warum? ), darauf folgend männliche Lehrkräfte (obwohl eine Fragebogenuntersuchung an Ganztagsgymnasien keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich des Einsatzes von Binnendifferenzierung ergeben hatte), schließlich wurde entschieden, Englischlehrpersonen auszuwählen, „die der Binnendifferenzierung im eigenen Englischunterricht mehr oder weniger große Bedeutung schenkten, über unterschiedlich gute Ausbildung auf dem Gebiet sowie über unterschiedlich umfangreiche Unterrichtserfahrung verfügten“ (S. 222); zuletzt wurde noch eine weitere Lehrperson mit umfangreichen Erfahrungen und einer positiven Haltung zum Thema gewonnen. In zukünftigen Studien wird man diesem Punkt größere Aufmerksamkeit schenken müssen. Zur Auswertung wurde die integrative, texthermeneutische Analysemethode nach K RUSE und H ELFFERICH eingesetzt, welche sequenziell mit Fokus auf dem Was und Wie vorgeht und sogenannte „Zentrale Motive“, Thematisierungsregeln und Lesarten zunächst der einzelnen Fälle, dann im Fallvergleich herausarbeitet. Diese entscheidenden Analyseziele und -begriffe bleiben etwas im Hintergrund und hätten noch mehr expliziert werden sollen; gemeint ist aber offenbar eine Art thematischer oder begrifflicher roter Faden, der die Interviews durchzieht. Teil IV stellt zunächst überraschend noch einmal methodische Aspekte der Untersuchung in den Vordergrund (Umgang mit der Subjektivität der Forscherin, Forschungsfragen, Vorstudie, Stichprobe und Darstellungsform), bevor im Anschluss die Ergebnisse fünf ausgewählter Einzelfallanalysen präsentiert werden. Auch hier stellt sich wieder die Frage der Auswahlkriterien innerhalb der Auswahl. Genannt werden fünf quantitative sowie vier qualitative Kriterien - eine Komplexität, die mich als Leser überfordert hat. Es hätte hier nähergelegen, sich stärker an ein oder zwei zentralen qualitativen, inneren Kriterien zu orientieren und erst im Nachgang Vermutungen zum Zusammenhang dieser Fälle mit weiteren Merkmalen anzustellen. Zu den fünf Einzelfällen: Dargestellt werden jeweils nacheinander Hintergrundinformationen, „Zentrale Motive“ sowie Thematisierungsregeln, eine Analyse der Eingangssequenz des Interviews, die Ergebnisse der kommunikativen Validierung, abgerundet durch eine verbale Zusammenfassung und einen Schaukasten der zentralen Elemente der subjektiven Theorie. Es schließt sich eine sehr viel umfangreichere Querauswertung (über 130 Seiten! ) an. Dort werden zunächst die wichtigsten Ergebnisse noch einmal aufgelistet, dann geht es um Begriffsverständnis, emotionale Bewertung und mit Binnendifferenzierung verbundene sonstige Aspekte des Lehrerberufs, schließlich um Erfahrungen, Gelingensbedingungen, Hinderungsgründe der Diffe- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 147 45 (2016) • Heft 2 renzierung speziell im Englischunterricht. Schlussendlich werden verschiedene sehr weitausgreifende Hypothesen formuliert, welche Ausgangspunkt weiterer Studien sein könnten, als Beispiel: Binnendifferenzierung nach Leistung erfolgt in der Unterstufe von oben, in der Mittelstufe von unten, in der Oberstufe wird sie ersetzt durch ein Angebot individueller Beratung. Als Leser dieses Teils habe ich mir oft ein etwas weniger narratives Vorgehen gewünscht, oder anders gesagt: mehr auf den Punkt, stärker fokussiert, durchaus auch mit stärkerer Unterscheidung zentraler Ergebnisse von Nebensächlichkeiten. Teil V fasst die Ergebnisse der Studie zusammen. In meiner Lesart: Die befragten Lehrpersonen sehen (lediglich) die Leistung bzw. das Lerntempo als für eine theoretisch notwendige Binnendifferenzierung von oben relevante Heterogenitätsdimensionen ihrer Schüler an. Im Unterricht ergibt sich eine Leistungsdifferenzierung - wenn überhaupt - dann eher zufällig, ohne Diagnosen, etwa über eine Vielfalt eingesetzter Methoden. Der Mehraufwand wird gescheut; weniger aufwändige Verfahren sind nicht bekannt; Binnendifferenzierung wird daher nicht oder nur selten praktisch realisiert. Die Autorin lässt diesen ernüchternden, aber nicht neuen Befunden verschiedene, auf unterschiedlichen Ebenen liegende und z.T. weitausgreifende „Lösungsansätze“ (kleinere Klassen, Team teaching, leicht einsetzbare, an verschiedenen Kompetenzbereichen orientierte, Diagnoseinstrumente für alle Schulformen und Jahrgangsstufen usw.usf.) vorausgehen, später gefolgt von ebenso zahlreichen Ideen für Forschung und Lehrerausbildung. Es ist zwar m.E. ganz richtig, etwa auf die zentrale Bedeutung der Diagnose(kompetenz) zu verweisen, aber die vielen Ideen zur Verbesserung der desolaten Situation wirken doch zu oft abstrakt, bereits bekannt und zu wenig in Verbindung mit den zentralen Ergebnissen der Interviewstudie stehend. Fazit: Das Verdienst der Studie besteht darin, das Thema Binnendifferenzierung umfangreich und über die Erhebung der Lehrerperspektive wieder in den Fokus der fachdidaktischen Diskussion gerückt zu haben. Insofern: Must read! Allerdings zeigt die Untersuchung auch schmerzhaft, was einer englischdidaktischen Professionsforschung noch fehlt: Sie muss noch näher an die Theorien und Konzepte der allgemeinen Professionsforschung heranrücken (etwa über eine Beschreibung und Modellierung entsprechender Kompetenzen/ Kompetenzfacetten in Bezug auf die differenzierende Planung, Durchführung von Unterricht und einen stärkeren Fokus auf die begleitende Lernverlaufsdiagnostik); sie muss sich in der Befassung mit Binnendifferenzierung unbedingt für weitere anspruchsvolle qualitative und quantitative Methoden öffnen (Stichworte etwa: Experimente/ Interventionsstudien oder teilnehmende Beobachtungen), und sie muss - das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis - mehr Entwicklungsprojekte initiieren, die den Status Quo aktiv zu ändern versuchen. Siegen M ATTHIAS T RAUTMANN 45 (2016) • Heft 2 I n f o r m a ti o n e n • V o r s c h a u Vorschau auf Jahrgang 46.1 (2017) Der von Eva B URWITZ -M ELZER (Gießen und Kristiansand) und Jürgen Q UETZ (Frankfurt/ M.) koordinierte Themenschwerpunkt trägt den Titel „Sprachenpolitik“. Für Lehrende stehen in der Regel didaktische und methodische Aspekte ihrer Tätigkeit im Zentrum des Interesses. Sie blenden gerne aus, dass diese Tätigkeit in hohem Maß von politischen und bildungspolitischen Parametern bestimmt wird. „Als Sprachenpolitik ist jede öffentliche Beeinflussung des Kommunikationsradius von Sprachen (Sprachförderung, Spracherhaltung, Sprachkonflikt, Sprachenkampf, Sprachdurchsetzung, Sprachimperialismus, Sprachkolonialismus) zu verstehen. Die Beeinflussung des inneren Systems einer Sprache (Normierung, Standardisierung, Verschriftung, Sprachreinigung, Sprachpflege) wird als Sprachpolitik bezeichnet“, schreibt Herbert Christ im Handbuch Fremdsprachenunterricht (1995, S. 75). Die Vielzahl möglicher Aspekte, die hier angesprochen werden, wollen wir eingrenzen auf aktuelle Themen, die im deutschen Bildungswesen, aber auch in anderen deutschsprachigen Ländern diskutiert werden. Dabei werden aktuelle Schwerpunktsetzungen vorgenommen, die in der letzten Zeit schulische und außerschulische Kontexte betroffen haben. Das Themenheft wird auf verschiedene Problemfelder wie die Sprachausbildung von Migrantinnen und Migranten, eine angemessene Vorbereitung von Fremdsprachenlehrkräften im Studium durch Zweitsprachen-Module, die Stellung von Nachbar- und von Herkunftssprachen im deutschen Bildungssystem sowie auf wichtige aktuelle Veränderungen bei den klassischen Schulfremdsprachen eingehen. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: Marcus B ÄR (Wuppertal): Französisch, Spanisch, Italienisch - Zur Stellung der romanischen Schulsprachen im deutschen Bildungssystem. Beate Lütke (Berlin): Deutsch als Zweitsprache-Module im Lehramtsstudium: Entwicklung, Relevanz und curriculare Konzepte. Waldemar M ARTYNIUK (Krakau), Małgorzata M ÜLLER (Eschweiler): Die Rolle der Nachbarsprache Polnisch im deutschen Bildungswesen. Grit M EHLHORN (Leipzig): Herkunftssprachen im deutschen Schulsystem. Michaela P ERLMANN -B ALME (Goethe-Institut): Wie viel Deutsch sollen Migranten können? Henning R OSSA (Dortmund): Lost in Translation. Überlegungen zum Wirksamkeitsdefizit der Bildungsstandards als bildungspolitische Steuerungsinstrumente für die Unterrichtsentwicklung im Fach Englisch. Christoph S CHROEDER (Potsdam), Almut K ÜPPERS (Frankfurt und Istanbul): Warum der türkische Herkunftssprachenunterricht ein Auslaufmodell ist und warum es sinnvoll wäre, Türkisch zu einer modernen Fremdsprache auszubauen. Eine sprachenpolitische Streitschrift. Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 46.2 (2017) Frühes Fremdsprachenlernen (koordiniert von Heiner B ÖTTGER ) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1992 - 2016) 21 (1992): Idiomatik und Phraseologie (hrsg. von Ekkehard Zöfgen) 22 (1993): Fehleranalyse und Fehlerkorrektur (koord. von Gert Henrici und Ekkehard Zöfgen) 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) 26 (1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) 28 (1999): Neue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) 30 (2001): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): ` Neokommunikativer A Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Lutz Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit sein. Beiträge, die den schulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. ISSN 0932-6936 www.periodicals.narr.de www.narr.de Themenschwerpunkt: L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven C laudia R iemeR , K athRin W ild Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ........................................................... 3 K imbeRly a. n oels , K athRyn e. C haffee , n igel m antou l ou , a li d inCeR Self-Determination, Engagement, and Identity in Learning German. Some Directions in the Psychology of Language Learning Motivation .................... 12 C laudia R iemeR L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache. Länderspezifische und länderübergreifende Einsichten ......................................................................... 30 m ostafa m aleKi L2-Motivation und „Possible Selves“. Ein vergleichender Blick in die Motivationsprofile von iranischen Deutsch- und Englischlernenden ....................... 46 g abRiele s Chmidt Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land: Das Beispiel Australien ............................................................................ 62 m aCiej m aCKieWiCz Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA ........................ 78 y uan l i Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China .............................................................................................................. 93