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Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2020
491 Gnutzmann Küster Schramm
10,2 ISSN 0932-6936 www.narr.digital www.narr.de Themenschwerpunkt: Fremdsprachliches Schreiben H ans P. K rings Zur Einführung in den Themenschwerpunkt. Wo steht die Forschung und was folgt aus ihr für die Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenz? .................... 3 E stHEr O dilia B rEuEr Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache ......................................... 21 M ariE C Hristin r EiCHErt , n iCOlE M arx Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? .................................. 36 B Ernd t EsCH Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht ................... 51 r aPHaEla P OrsCH Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren .............................................. 67 J ulia H üttnEr , a ngEliKa r iEdEr -B ünEMann Growing into Academic L2 Writing. Perceptions, Practices and Challenges of Student Authors ........................................................................................... 83 C laudia H arsCH Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden .................................................... 99 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 49. Jahrgang (2020) · 1 Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Lutz Küster, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Fremdsprachliches Schreiben koordiniert von Hans P. Krings FLuL 49. Jahrgang (2020) · 1 2020-1_Umschlag.indd 1-3 2020-1_Umschlag.indd 1-3 20.02.2020 09: 58: 59 20.02.2020 09: 58: 59 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgeber: Lutz Küster (Berlin) · Karen Schramm (Wien) · Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Lutz Küster, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin, eMail: lutz.kuester@ rz.hu-berlin.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Stephan Breidbach (Berlin) · Eva Burwitz- Melzer (Gießen) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Daniela Elsner (Frankfurt) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Laurenz Volkmann (Jena) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 62,- (print) bzw. € 72,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 46,-, das Einzelheft € 36,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1994 - 2019) 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) 26 (1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) 28 (1999): Neue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) 30 (2001): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): `` Neokommunikativer AA Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von C. Gnutzmann, F.G. Königs und L. Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung, koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Beiträge, die den schulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. 2020-1_Umschlag.indd 4-6 2020-1_Umschlag.indd 4-6 20.02.2020 09: 58: 59 20.02.2020 09: 58: 59 (Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: F r e m d s pr a c hli c h e s S c hr e i b e n Koordination: H ANS P. K RINGS H ANS P. K RINGS Zur Einführung in den Themenschwerpunkt. Wo steht die Forschung und was folgt aus ihr für die Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenz? ............ 3 E STHER O DILIA B REUER Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache ........................................ 21 M ARIE C HRISTIN R EICHERT , N ICOLE M ARX Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben ? ................................ 36 B ERND T ESCH Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht ................ 51 R APHAELA P ORSCH Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren ............................................. 67 J ULIA H ÜTTNER , A NGELIKA R IEDER -B ÜNEMANN Growing into Academic L2 Writing. Perceptions, Practices and Challenges of Student Authors................................................................................................ 83 C LAUDIA H ARSCH Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden .................................................... 99 49. Jahrgang (2020) • Heft 1 Herausgeber: Lutz K ÜSTER (Berlin), Karen S CHRAMM (Wien), Britta V IEBROCK (Frankfurt) © 2020 Narr Francke Attempto Verlag www.periodicals.narr.de/ index.php/ flul 4 9 (2020) • Heft 1 Nicht-thematischer Teil D AVID G ERLACH , B IANCA R OTERS , I VO S TEININGER Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung: Unterrichtsplanung als Kategorie für Professionalisierungsprozesse .................. 113 Buchbe s pre chung en • Re ze nsionsartikel Karin A GUADO , Claudia F INKBEINER , Bernd T ESCH (Hrsg.): Lautes Denken, «Stimulated Recall» und Dokumentarische Methode. Rekonstruktive Verfahren in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung. Frankfurt/ M.: Lang 2018 (A NDREAS B ONNET , S HIVAUN O’C ONNOR , A NJA W ILKEN ) ................................................................................. 131 Bärbel D IEHR (Hrsg.): Universitäre Englischlehrerbildung. Wege zu mehr Kohärenz im Studium und Korrespondenz mit der Praxis. Berlin: Lang 2018 (D ANIELA E LSNER ) ... 133 Monika D ANNERER , Peter M AUSER (Hrsg.): Formen der Mehrsprachigkeit. Sprachen und Varietäten in sekundären und tertiären Bildungskontexten. Tübingen: Stauffenburg 2018 (K ATJA L OCHTMAN ) .................................................................................................. 136 Barbara S CHMENK , Stephan B REIDBACH , Lutz K ÜSTER (Hrsg.): Sloganization in Language Education Discourse. Conceptual Thinking in the Age of Academic Marketization. Bristol, UK: Multilingual Matters 2019 (H IRAM M AXIM ) .................................................. 138 Heiner B ÖTTGER , Michaela S AMBANIS (Hrsg.): Focus on Evidence II - Netzwerke zwischen Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr 2018 (M ARION G REIN ) ................................................................................................................ 141 Tim G IESLER : Die Formation des institutionellen Englischunterrichts. Englisch als erste Fremdsprache in Bremen (1855-1873). Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2018 (F RIEDERIKE K LIPPEL ) ........................................................................................................ 143 Info • Vorschau 147 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 H ANS P. K RINGS * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Wo steht die Forschung und was folgt aus ihr für die Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenz? Abstract. After a brief introduction to the topic, the paper outlines the current research situation in the field of foreign-language writing. It highlights the dynamic development that this field of research has taken over the last two decades and gives a concise overview of the most important aspects dealt with so far, including research methods. The paper also identifies some obvious problems involved in this dynamic development. In the second part, the author presents some selected research findings and discusses possible consequences for the practice of teaching writing competence. The main focus is on the relationship between writing and foreign-language learning and in particular the question of how the classical perspective of learning to write can be supplemented by the more recent perspective of writing to learn. 1. Einleitung und Gegenstand „Writing is easy. All you have to do is cross out the wrong words“. Dieser Aphorismus, der Mark Twain zugeschrieben wird, verweist auf eine altbekannte Alltagserfahrung: Die meisten Menschen erleben das Verfassen von Texten als einen mühevollen und beschwerlichen Prozess, als harte Arbeit, oft als den sprichwörtlichen „Kampf mit dem leeren Blatt“ bzw., wie man heute wohl eher sagen müsste, mit dem leeren Bildschirm oder der leeren Datei. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie haben ihren Ursprung aber zu einem beachtlichen Teil in den Besonderheiten der Kommunikationsform Schreiben selbst, die sich zumindest in ihren anspruchsvolleren Ausprägungen in vielfacher Weise von mündlicher Alltagskommunikation unterscheidet. Das Schreiben in Form der Produktion selbst verfasster, an den Normen der konzeptuellen Schriftlichkeit orientierter Texte fällt schon deshalb schwerer, weil die Kommunikation zeitversetzt erfolgt, weil die Reaktionen der Kommunikationspartner(innen) nicht unmittelbar beobachtbar sind, * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans P. K RINGS , Universität Bremen, Fachbereich 10, Universitäts-Boulevard 13, 28359 B REMEN E-Mail: krings@uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lernforschung, Schreibwissenschaft, Übersetzungswissenschaft Fr e m d s pr a c h li c h e s S c hr e i b e n 4 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 weil paraverbale Mittel wie Mimik und Gestik zur Unterstützung der Kommunikation fehlen, weil keine spontane Bedeutungsaushandlung stattfinden kann, weil die Adressat(inn)en häufig heterogen, unbekannt oder sogar undefiniert sind, weil man sich in den meisten Textsorten von der vertrauten Umgangssprache lösen und diese durch gewählte Schriftsprache ersetzen muss, weil an Geschriebenes häufig höhere Qualitätsansprüche gestellt werden als an Gesprochenes und vor allem, weil Schreiben wesentlich später erworben und im Alltag wesentlich weniger umfassend praktiziert wird als das Sprechen oder Hören. Wenn das aber schon für das Schreiben in der Erstsprache gilt, dann gilt dies sicherlich a fortiori für das Schreiben in einer Fremd- oder Zweitsprache (zu den sprachbezogenen Begrifflichkeiten s.u.). Umso erstaunlicher ist es, dass das fremdsprachliche Schreiben viele Jahre lang ein eher vernachlässigtes Thema der Sprachlehr- und -lernforschung war. Darin spiegelte sich der eher geringe Stellenwert, der dieser „vierten Fertigkeit“ in den verschiedenen fremdsprachendidaktischen Methodenkonzeptionen früherer Jahre beigemessen wurde. Entsprechend gering war die Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, die das fremdsprachliche Schreiben nicht einfach nur methodisch-konzeptionell modellierten, sondern empirisch fundiert erforschten (für einen frühen Forschungsüberblick vgl. K RINGS 1994). Doch dies hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend geändert. Insbesondere im angelsächsischen Sprachraum ist mittlerweile ein eigenes wissenschaftliches Forschungsgebiet entstanden, in dem das fremd- und zweitsprachliche Schreiben in seiner ganzen Vielgestaltigkeit mit einem breiten Spektrum an quantitativen und qualitativen Methoden differenziert erforscht und theoriebildend bearbeitet wird. Die Zahl der Publikationen geht mittlerweile in die Tausende (s.u.). Doch diese „everincreasing proliferation and eclectic diversity of empirical research“ (M ANCHÓN 2016: 531) bringt auch ein massives Orientierungsproblem mit sich. Schon für die im Feld arbeitenden Wissenschaftler(innen) wird es immer schwieriger, sich einen Überblick über das Forschungsfeld in all seinen Verästelungen zu verschaffen und diesen dann jeweils auf dem neuesten Stand zu halten. Ganz und gar unmöglich erscheint es für unterrichtspraktisch Lehrende oder Beratende, ganz gleich ob an Schulen, Hochschulen oder Einrichtungen der Erwachsenenbildung, aus der Fülle der vorliegenden Forschungsarbeiten entsprechend begründete Konsequenzen für das eigene schreibdidaktische Handeln zu ziehen. Hier sehe ich deshalb eine Bringschuld der Wissenschaftler(innen), Forschungsergebnisse zu sichten, zu bewerten, zu synthetisieren und sie für alle, die lehrend oder beratend fremd- oder zweitsprachliche Schreibkompetenz fördern wollen, plausibel aufzubereiten - wohl wissend, dass sich solche Konsequenzen selten linear aus Forschungsergebnissen ableiten lassen, sondern didaktisch und methodisch weitergedacht werden müssen, bevor sie in tragfähige Vermittlungskonzepte münden. Zu dieser mehrstufigen Transferaufgabe möchten die einzelnen Artikel des vorliegenden Themenheftes und auch dieser einführende Artikel einen Beitrag leisten. Daher werde ich im Folgenden zunächst kurz die Entwicklung und den Stand des Forschungsfeldes skizzieren und anschließend einige wenige, aber besonders wich- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 tige, übergreifende Forschungsbefunde vorstellen und Vorschläge für daraus zu ziehende schreibdidaktische Konsequenzen machen. Die nachfolgenden Beiträge behandeln vertiefend einige weitere, besonders einschlägige Aspekte des Themas. Insgesamt ist uns als Autor(inn)en bewusst, dass wir im gegebenen Rahmen nur einen kleinen Teil dieser vielgestaltigen Thematik abdecken können. Der Begriff „Fremdsprache“ ist in jüngerer Zeit zunehmend in die Diskussion geraten, weil er implizit von einem „monolingualen Paradigma“ ausgeht, bei dem eine „Muttersprache“ sowohl mit der „Familiensprache“ als auch mit der „Sprache der institutionellen Bildung“ und insbesondere der Sprache der „Erstliteralisierung“ zusammenfällt. Als Folge von Internationalisierung und jahrzehntelanger Migration hat sich mittlerweile jedoch auch im deutschen Sprachraum die Sprachensituation für viele Menschen deutlich in Richtung auf eine lebensweltliche Mehrsprachigkeit verändert. Dieser Entwicklung ist selbstverständlich auch in der Schreibforschung durch entsprechende Differenzierungen Rechnung zu tragen (vgl. D ENGSCHERZ 2019: 487; s. R EICHERT / M ARX in diesem Heft). Mit Blick auf den angestrebten Schwerpunkt dieses Heftes und die zumindest quantitativ immer noch weit verbreitete Situation des Schreibenlernens in einer rein institutionell erworbenen Sprache, die weder Familiennoch Herkunftssprache ist, wird im Folgenden weiter auf den Begriff des fremdsprachlichen Schreibens zurückgegriffen, dieser jedoch, wo immer es notwendig erscheint, von Formen des zweitsprachlichen Schreibens abgehoben, wohl wissend, dass auch dieser Begriff sehr verschiedene Mehrsprachigkeitskonstellationen umfassen kann. Wo übergreifende Aussagen im Vordergrund stehen, werden beide Begriffe genannt oder die übergreifende Bezeichnung L2 verwendet. 2. Entwicklung und Stand des Forschungsfeldes Der US-amerikanische Schreibwissenschaftler Tony S ILVA führt an der Purdue University seit vielen Jahren eine Datenbank, in der er Publikationen zum Thema L2- Schreiben erfasst. Seine Zahlen belegen eindrucksvoll das Wachstum des Forschungsfeldes. Während er in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nur acht Publikationen zum Thema gezählt hat, sind es in den 60er Jahren 53, in den 70er Jahren 239, aber im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends bereits 1696. Insgesamt erfasst er für den Zeitraum bis 2010 5083 Titel (S ILVA 2016: 22). Die dynamische Entwicklung des Forschungsfeldes ist aber nicht nur an Publikationsstatistiken ablesbar. Meilensteine der Entwicklung waren auch die Gründung einer ausschließlich dem L2-Schreiben gewidmeten Fachzeitschrift, nämlich des Journal of Second Language Writing im Jahr 1992, der Einrichtung eines eigenen internationalen Tagungsformats in Form des Symposium of Second Language Writing (SSLW) 1 im Jahr 1998, das zunächst in jedem zweiten Jahr, seit 2008 jedoch jährlich stattfindet und das seitdem die im Feld tätigen Forscher(innen) an verschiedenen 1 http: / / sslw.asu.edu/ 6 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 Orten der Welt zum unmittelbaren wissenschaftlichen Austausch zusammenführt, sowie die zunehmende Berücksichtigung des Forschungsgebietes in der Arbeit von Verbänden wie der TESOL International Association, der International Writing Centers Association (IWCA) oder der European Association of Teachers of Academic Writing (EATAW). Entsprechend dem quantitativen Wachstum des Forschungsgebietes haben sich auch Art und Umfang der untersuchten Fragestellungen immer weiter ausdifferenziert. Grob strukturierend kann man sagen, dass die L2-Schreibforschung sich bisher um vier große Epizentren herum bewegt hat und dass zu allen vieren mittlerweile umfangreiche Erkenntnisse vorliegen. Diese vier Epizentren sind: der Text, der Schreibprozess, die Schreibenden und der Kontext. In der Forschung zum akademischen Schreiben im Bereich Englisch (English for Academic Purposes) als L2 z.B. stehen häufig der Text und insbesondere die Genre-spezifischen textuellen Erfordernisse im Vordergrund. In der Schreibprozessforschung liegt der Fokus auf den prozessualen Abläufen mit den darin auftretenden Problemen und Strategien und den jeweiligen Einflussfaktoren. In der soziokulturellen Schreibforschung sind es die Schreibenden mit ihren jeweiligen individuellen Merkmalen, aber auch ihren soziokulturellen Backgrounds, die im Zentrum stehen. Und die Forschung zum berufsbezogenen L2-Schreiben fokussiert häufig die kontextuellen Bedingungen der professionellen Textproduktion. Dass es dennoch zahlreiche Schnittmengen zwischen diesen vier Hauptperspektiven gibt, versteht sich dabei von selbst. Um eine annähernde Vorstellung von der Vielfalt der forschungsleitenden Fragestellungen zu vermitteln, seien hier zumindest die wichtigsten aufgelistet: • Art, Umfang und Zusammenspiel der am Schreiben beteiligten Subprozesse (Generierungsprozesse, Planungsprozesse, Strukturierungsprozesse, Formulierungsprozesse, Revisionsprozesse usw.); • Rolle der L1 und deren Zusammenspiel mit weiteren Sprachen mit unterschiedlichem Erwerbsstatus (L2, L3, … Ln) im Schreibprozess und in der Schreibentwicklung; • Art und Umfang der beim Schreiben auftretenden L2-spezifischen Probleme einschließlich ihrer Verteilung auf verschiedene sprachliche Deskriptionsebenen (orthografisch-schriftsystematische Ebene, lexikosemantische Ebene, morphosyntaktische Ebene, mikro- und makrotextuelle Ebene, textpragmatischkommunikative Ebene); • Strategien, mit denen Lernende auf L2-spezifische Probleme reagieren; • Zusammenhang zwischen gedanklichen Inhalten und sprachlicher Form (einschließlich der Frage nach der „epistemischen Funktion“ des Schreibens); • strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede schriftlicher und mündlicher Sprachproduktion in L2; • Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen schriftlich-rezeptiver und schriftlich-produktiver Sprachverwendung, insbesondere mit Blick auf vorlagegebundene Textproduktionsformen (wie z.B. Zusammenfassungen, Kommentare, Rezensionen usw.); Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 • Rolle von Nachschlagewerken und Hilfsmitteln aller Art (Wörterbücher, Redemittelsammlungen, Mustertextsammlungen, elektronischen Hilfsmitteln, Internetquellen usw.); • Einfluss des Schreibmediums auf Schreibprozesse und Schreibprodukte; • Einfluss der Schreibaufgabe (insbesondere des Texttyps) auf Schreibverhalten und Schreibprodukt; • Zusammenhänge zwischen Merkmalen des Schreibprozesses und dem Schreibprodukt, insbesondere der Produktqualität; • individuelle Unterschiede in der Ausführung von Schreibaufgaben einschließlich ihrer Ursachen und Folgen (z.B. Unterschiede hinsichtlich schreibbiografischer Erfahrungen, Persönlichkeitsmerkmale, affektiver Einstellungen); • Auswirkungen kollaborativer Schreibformen auf Schreibprozesse und -produkte; • Verlaufsformen des L2-Schreibkompetenzerwerbs und Möglichkeiten ihrer methodisch-didaktischen Beeinflussung; • Rolle von Evaluation und Feedback; • Methoden der zuverlässigen Diagnose und differenzierten Beurteilung von L2- Schreibkompetenz; • Zusammenhang zwischen dem L2-Schreiben und dem L2-Erwerb als Ganzem. Versuche, den immer differenzierter werdenden Forschungsstand zusammenfassend aufzubereiten, haben bisher P OLIO (2003), L EKI / C UMMING / S ILVA (2008), H YLAND ( 3 2016) und in jüngster Zeit vor allem M ANCHÓN / M ATSUDA (2016) mit der Herausgabe des Handbook of Second and Foreign Language Writing unternommen. Insgesamt kann allerdings keines der genannten Werke für sich in Anspruch nehmen, den Forschungsstand zu allen vorausgehend genannten Aspekten des L2-Schreibens gleichermaßen umfassend wie aussagekräftig zu dokumentieren. Die dezidiert empirische Ausrichtung der neueren L2-Schreibforschung hat auch zu einem markanten Zuwachs der Anforderungen an die methodische Qualität der einzelnen Studien geführt (für methodische Kritik an früheren Studien vgl. R EICHELT 2016: 184f.; s. auch R EICHERT / M ARX in diesem Heft). Mittlerweile kommt ein breites Spektrum von Verfahren der Datenerhebung, der Datendokumentation und der Datenanalyse zum Einsatz. Insbesondere stehen heute solide technische Verfahren zur Verfügung, die eine kontinuierliche, periaktionale Dokumentation von Schreibprozessen ermöglichen (keystroke-logging, screen-recording, eye-tracking). Gerade auch in Kombination mit den schon seit langem in der kognitiv ausgerichteten Schreibwissenschaft praktizierten introspektiven Verfahren (insbesondere dem Lauten Denken sowie retrospektiven Verfahren wie dem stimulated recall) ermöglichen sie tiefe Einblicke in die Struktur individueller Schreibprozesse und damit in die Genese der Schreibprodukte. Insgesamt ist ein wachsender Trend zu mixed methods-Studien und zu multiple-data collection procedures zu beobachten. Auch wenn die Zahl experimenteller Interventionsstudien an identischen Versuchspersonengruppen nach wie vor gering ist, haben die zahlreichen quasiexperimentellen Querschnittuntersuchun- 8 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 gen an verschiedenen Versuchsgruppen zu vielen detaillierten Einsichten geführt. Allerdings besteht nach wie vor ein Mangel an Longitudinalstudien, die den Langzeit- Effekt von Lehrinterventionen erkunden (für einen Überblick über Forschungsmethoden vgl. P OLIO 2012; M ANCHÓN 2016; C ASANAVE 2016; S CHRAMM 2018). Mit der beschriebenen Ausdifferenzierung des Forschungsfeldes gehen allerdings neben der bereits eingangs skizzierten Überblicksproblematik noch einige andere kritische Entwicklungen einher. Dies ist zum einen die absolute Dominanz des Englischen, nicht nur als Medium der wissenschaftlichen Kommunikation, sondern auch als Gegenstand der Forschung. Zum einen werden wissenschaftliche Publikationen, die in einer anderen Sprache als Englisch verfasst werden, international so gut wie gar nicht wahrgenommen (Quod non est in lingua anglica non est in mundo). Als Beispiel lässt sich der Umstand anführen, dass sich unter den rund 2600 Literaturtiteln in den Literaturverzeichnissen der 28 Artikel im Handbook of Second and Foreign Language Writing von M ANCHÓN / M ATSUDA nur zwei deutschsprachige Literaturtitel finden. Während man die Dominanz des Englischen als Medium der Kommunikation für den internationalen wissenschaftlichen Austausch durchaus positiv sehen kann, ist die Tatsache, dass das Englische als Forschungsgegenstand dominiert und die Ergebnisse dann implizit oder explizit als sprachübergreifend gültig betrachtet werden, kritisch zu sehen, wie auch englischsprachige Forscher(innen) zunehmend erkennen: „until recently, discussion of non-English L2 writing did not become a significant part of the conversations about L2 writing, which have tended to focus on writing in English as an L2“ (R EICHELT 2016: 181). Hinzu kommt, dass Englisch in empirischen Untersuchungen manchmal die einzige „shared language“ von Forscher(inne)n und Informant(inn)en ist, und zwar auch dann noch, wenn es gar nicht um Englisch als Zielsprache geht, ein Umstand, den z.B. auch C ASANAVE als „potential weakness of qualitative inquiry in L2 scholarship“ einstuft (C ASANAVE 2016: 503). Ein wichtiges Desideratum für die zukünftige Forschung ist deshalb eine stärkere Berücksichtigung von nicht auf Englisch als Zielsprache bezogener Forschung in Verbindung mit einer stärkeren Vernetzung und einem intensiveren Austausch der verschiedenen nationalen Forschungsgruppen über Landes- und Sprachgrenzen hinweg. Ein weiteres Problem der aktuellen Forschungslage sehe ich in einer zunehmenden Entfernung von Fragen der vermittlungspraktischen Anwendung. So begrüßenswert die Verwissenschaftlichung des Forschungsfeldes und die damit einhergehende Verbesserung der wissenschaftlichen Standards v.a. auch in methodischer Hinsicht ist, so bedenklich wäre es, wenn damit eine „Abwendung von der Anwendung“ einherginge. Dass dies teilweise durchaus der Fall ist, wird manchmal gerade in den vorliegenden Forschungsüberblicken offenkundig, so z.B., wenn P OLIO und P ARK ausgerechnet in einem Forschungsüberblick über „Language development in second language writing“ feststellen: „[…] much of the research discussed above has no clear pedagogical implications“ (P OLIO / P ARK 2016: 301). Insofern ist M ANCHÓN (2016: 532) zuzustimmen, wenn sie fordert, dass die Forschung die Balance zwischen „rigor“ und „relevance“, also letztlich zwischen wissenschaftlicher Solidität und Praxisrelevanz im Auge behalten muss. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 Gerade angesichts der Gefahr, dass die Anwendungsperspektive zu sehr in den Hintergrund gerät, möchte ich im verbleibenden Teil dieses Beitrags einen zentralen Befund der bisherigen Forschung zusammenfassend darstellen und mögliche schreibdidaktische Konsequenzen daraus skizzieren. 3. Ausgewählte Befunde und schreibdidaktische Konsequenzen Lange Zeit wurde das Schreiben in der Fremdsprachendidaktik primär als eine Teilkompetenz verstanden, die separat definiert, separat vermittelt und separat getestet werden muss. Der kompetenzorientierte Ansatz und insbesondere auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) mit seiner differenzierenden Betrachtung von Teilkompetenzen hat zu dieser Sichtweise naturgemäß weiter beigetragen. Der vielleicht wichtigste Befund der neueren L2-bezogenen Schreibforschung lässt sich demgegenüber wie folgt zusammenfassen: Das L2-Schreiben ist nicht nur eine wichtige Teilkompetenz im L2-Erwerbsprozess, die es durch entsprechende Lehr- und Lernverfahren zu erwerben gilt (learning-to-write-Perspektive), sondern es birgt auch ein großes Potential für den L2-Erwerbsprozess als ganzen (writing-tolearn-Perspektive). Bei richtiger Nutzung dieses Potentials wirkt es sich auch förderlich auf den Erwerb anderer Teilkompetenzen aus, selbst auf das Sprechen (vgl. exemplarisch die Beiträge in M ANCHÓN 2011a, insbesondere M ANCHÓN 2011b und M ANCHÓN / R OCA DE L ARIOS 2011; H IRVELA / H YLAND / M ANCHÓN 2016). Oder pointiert formuliert: L2-Schreibkompetenz ist nicht nur eine Folge von L2-Erwerb, sondern in gewissem Sinne auch eine Voraussetzung für diesen. Das besondere Potential des Schreibens wird dabei zunächst an einer Reihe seiner typischen Merkmale als Kommunikationsform festgemacht. Zum einen ist es der banale Umstand, dass beim Schreiben im Vergleich zum Sprechen in der Regel deutlich mehr Zeit für die inhaltliche Planung, aber eben auch für das Monitoring der sprachlichen Realisierung zur Verfügung steht. Ferner besteht meist kein Zwang, sofort kommunikativ zu funktionieren, dafür jedoch ein höherer Anspruch hinsichtlich der sprachlichen Explizitheit, da kein Rückgriff auf paraverbale und situativ-kontextuelle Hilfen möglich ist. Auch der mit schriftlichen Produkten meist verbundene höhere Anspruch an die Qualität des Outputs verstärkt den Fokus auf sprachliche Angemessenheit. Und schließlich ist es die materielle Repräsentation des Textes und die damit gegebene dauerhafte visuelle Verfügbarkeit, egal ob in handschriftlicher oder maschineller Form, die eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der sprachlichen Realisierung aller bereits fixierten Textteile ermöglicht, weil sie durch erneutes Lesen ins Arbeitsgedächtnis zurückgerufen werden können und dort für Revisionen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass die materielle Repräsentation auch Voraussetzung für externes Feedback ist. Obwohl einzelne dieser Merkmale prinzipiell auch für andere Kommunikationsformen verfügbar gemacht werden können (z.B. durch Audiodokumentation gesprochener Sprache), führen sie doch in ihrem regelmäßigen 10 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 Zusammenwirken dazu, dass beim Schreiben insgesamt ein besonderer Mix von L2spezifischen Sprachverarbeitungsformen auftritt. Eine besondere Rolle kommt dabei den beim L2-Schreiben regelmäßig auftretenden, über die rein inhaltliche Planung hinausgehenden L2-spezifischen Realisierungsproblemen zu, die jeweils auf konkrete, subjektiv von den Lernenden wahrgenommene L2-Kompetenz-Defizite verweisen (vgl. M URPHY / R OCA DE L ARIOS 2010; S CHNELL i.D.) und die den Lernenden aufgrund der o.g. Merkmale schriftlicher Kommunikation bewusster werden als bei anderen Sprachverwendungsaktivitäten. Jedes dieser Realisierungsprobleme ist unmittelbarer Ausdruck des spezifischen L2-Sprachstandes der jeweiligen Lernenden zum Zeitpunkt der Textproduktion. Die Lernenden müssen also erkennen, welche Versprachlichungsmuster noch nicht Bestandteil ihrer L2-Kompetenz sind. Diesem „noticing-the-gap-Effekt“ wird eine entscheidende Rolle in der Begründung des writing-to-learn-Potentials beigemessen (vgl. S WAIN 1998; U GGEN 2012). Denn anders als beim Sprechen, bei dem der kommunikative Druck häufig zu einfachen Kompensations-, oft aber auch zu Reduktions- oder gar Vermeidungsstrategien führt (vgl. E LLIS 2008: 357), wird das Schreiben von Lernenden eher als eine problem-solving activity erlebt. Das hat zur Folge, dass die subjektiv wahrgenommenen L2-Probleme zu spezifischen Problemlösungsschleifen führen (sog. language-related episodes, LREs, im Sinne von Swains Output-Hypothese, vgl. S WAIN 2000; S TORCH 2016: 387), in deren Mittelpunkt Hypothesen über das richtige form-function-mapping (vgl. K RINGS 2015: 46-48) in der L2 stehen. Die Lernenden werden somit zum Einsatz eines Spektrums von Strategien zum Testen dieser Hypothesen veranlasst. Die Forschungsbefunde zeigen zudem, dass beim Schreiben mehr „deliberate retrieval“ von explizitem metalinguistischen L2-Wissen stattfindet als bei anderen Sprechverwendungsformen, insbesondere auch dem Sprechen (vgl. M ANCHÓN / W ILLIAMS 2016: 575). Dadurch wird explizites Wissen teilweise in implizites überführt. Gleichzeitig wird implizites Wissen stärker auf seine Richtigkeit überprüft und wiederum in explizites überführt. Insgesamt werden somit die Querverbindungen zwischen beiden Wissensquellen gestärkt (vgl. ebd. 570). Auch sind beide Prozesse insgesamt stärker auf die „leading edge“ des L2-Erwerbsstandes der jeweiligen Lernenden bezogen, also auf jene Bereiche, in denen die meisten Unsicherheiten in der Anwendung der L2 bestehen (vgl. ebd. 575). Schließlich führt die visuelle Verfügbarkeit des sprachlichen Outputs und die damit verbundene leichtere Revidierbarkeit aller bereits schriftlich fixierten Textpassagen zu einem intensiveren Bemühen um die L2-Realisierung der jeweiligen kommunikativen Intentionen (focus-on-form- Effekt, vgl. E LLIS 2008: 111f.; K RINGS 2015: 45). Dass dem L2-Schreiben aufgrund des Zusammenwirkens der vorausgehend genannten Faktoren ein besonderes Lernpotential zukommt, bedeutet naturgemäß nicht, dass dieses Potential automatisch immer in bestmöglicher Weise zur Wirkung kommt. Es stellt sich vielmehr die Frage, welche schreibdidaktischen Konsequenzen zu ziehen sind, damit das Potential optimal genutzt wird. Zentrale Elemente in der Beantwortung dieser Frage können an den drei Konzepten des noticing, des Hypothesentestens und des Feedbacks festgemacht werden. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 11 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 Für ein writing-to-learn-relevantes noticing müssen in der Praxis mindestens drei Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst müssen Lernende dazu gebracht werden, die richtige Grundeinstellung zu den wahrgenommenen L2-Kompetenzdefiziten zu entwickeln. Diese dürfen nicht einfach nur als Hindernisse für erfolgreiche Kommunikation, die sich einem in den Weg stellen und die man so gut wie möglich umgehen sollte, sondern als Lernanlässe wahrgenommen werden. Zum zweiten muss Lernenden ein möglichst umfassender Begriff von L2-Problemen vermittelt werden. Es geht keineswegs nur um Wortschatz- und Grammatik-Probleme, die in den subjektiven Theorien von Lernenden meist eine zentrale Stellung einnehmen, sondern es geht um jede Art von Lücken und Unsicherheiten im Gebrauch der L2, vom einfachen Orthografie-Problem über die Frage, ob eine bestimmte Wortverbindung kollokativ üblich ist, bis hin zur Frage der kommunikativen Angemessenheit einer Formulierung für eine bestimmte Zielgruppe. Es geht also nicht einfach nur um die Dichotomie „in L2 richtig oder falsch“, sondern in starkem Maße auch um gebrauchsnormative Fragen. Und natürlich sind darüber hinaus Genre-spezifische Aspekte wie Textsortenkonventionen oder Fragen der Genre-angemessenen Stilwahl zu berücksichtigen. Die dritte und in gewissem Sinne wichtigste Voraussetzung ist die explizite Bewusstmachung des Problems. Eine Möglichkeit, diese gerade auch in früheren Lernstadien und bei jüngeren Lernenden zu erreichen, besteht darin, die während des Schreibens auftretenden Probleme nicht nur gedanklich, sondern wo immer möglich auch schriftlich fixieren zu lassen, am besten genau da, wo sie auftreten, nämlich an der jeweiligen Stelle im Text. Möglicherweise reicht in vielen Fällen ein Fragezeichen über, neben oder unter dem fraglichen Wort oder der fraglichen Passage des Textes. Oft wird es aber eher sinnvoll sein, das Problem stichwortartig als Gedächtnisstütze in Frageform festzuhalten („Satzstellung korrekt? “, „Indikativ oder Konjunktiv? “, „richtig konjugiert? “, „richtige Stilebene? “, „angemessene Wortwahl? “, „Gibt es diese Wendung? “, „höflich genug formuliert? “, „Klingt das zu deutsch? “ usw.). Auch wenn Lernende beim Schreiben Alternativformulierungen erwägen, sie letztlich aber wieder verwerfen, kann es sinnvoll sein, diese im ersten Textentwurf stehen zu lassen, vor allem dann, wenn sie nur in Folge von sprachlichen Unsicherheiten verworfen wurden. Denn dann können auch sie zum Ausgangspunkt einer Überprüfung im Sinne des Hypothesentestens werden. Geschieht dies nicht, wird u.U. ohne Not ein Potential vergeben, schon einfach deshalb, weil damit auch die Feedbackmöglichkeiten eingeschränkt werden. Schließlich sollten die Lernenden ermutigt werden, auf Reduktions- und Vermeidungsstrategien zu verzichten und sich stattdessen um eine vollständige Realisierung ihrer jeweiligen kommunikativen Absichten zu bemühen. Die bloße bewusste Wahrnehmung des L2-Problems führt natürlich noch zu keinem Lernen, sondern erst einmal nur zu Hypothesen darüber, wie es in der L2 gelöst werden könnte. Diese Hypothesen müssen nun im nächsten Schritt mithilfe geeigneter Strategien überprüft werden. Dafür kommen grundsätzlich zwei Ansätze in Betracht: die Benutzung von Nachschlagewerken oder anderen Informationsquellen in eigener Regie oder das Einholen und die Nutzung eines Feedbacks von Lehrenden oder anderen kompetenten Informant(inn)en. 12 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 Aus der erstgenannten Möglichkeit ergibt sich als vermittlungsdidaktische Konsequenz, dass L2-Schreibende mit einem möglichst breiten Inventar an Hilfsmittelbenutzungs-Strategien ausgestattet werden sollten. Erfahrungsgemäß setzen viele Lernende nur ein sehr begrenztes Inventar an Hilfsmitteltypen ein, klassischerweise nur das einsprachige und das zweisprachige Wörterbuch. Ein wichtiges Vermittlungs- und Beratungsziel besteht deshalb nach wie vor darin, Lernende mit mehr Hilfsmitteltypen bekannt zu machen und sie in ihre planvolle Nutzung einzuweisen. Dabei ist z.B. an Synonym-Wörterbücher, Thesauri und Kollokationswörterbücher zu denken. Gerade dieser letzte Wörterbuchtyp kann beim L2-Schreiben sehr hilfreich sein, weil Unsicherheiten im Gebrauch sprachtypischer Wortverbindungen einen großen Anteil an den ohnehin meist quantitativ dominierenden lexikosemantischen und phraseologischen L2-Problemen haben. Natürlich müssen des Weiteren die neuen sprachlichen Recherche-Möglichkeiten des Internets genutzt werden. Dazu gehört auf der einen Seite die zielgerichtete, aber auch kritische Nutzung von Online-Wörterbüchern, aber mehr noch die Nutzung von Sprachcorpora, die sich oft sehr gut eignen, um sprachliche Akzeptanz von erwogenen L2-Formulierungen zu überprüfen oder überhaupt erst Formulierungen aufzuspüren. Dabei ist z.B. an die mittlerweile bereits sehr bekannte Plattform linguee (www. linguee.de) zu denken, aber ebenso an linguistisch systematischer konzipierte Corpora wie z.B. für das Französische das „portail lexical“, das vom Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales (CNRTL) betrieben wird (www.cnrtl.fr/ portail/ ). In diesem Zusammenhang könnte man sich dann auch einmal kritisch auseinandersetzen mit der bei den Lernenden immer beliebter werdenden Nutzung von Übersetzungsdiensten im Internet wie Google Translate oder DeepL, die durchaus hilfreich sein können, auch beim L2-Schreiben, aber nur, wenn man über das entsprechende Problembewusstsein verfügt, um ihre Möglichkeiten und Grenzen richtig einzuschätzen. Die dritte zentrale Dimension für die Nutzung des writing-to-learn-Potentials ist das Feedback. Entsprechend intensiv hat sich die Forschung mit diesem Thema auseinandergesetzt. Vor allem das written corrective feedback (WCF) und seine Auswirkungen auf den L2-Erwerbsprozess standen immer wieder im Fokus zahlreicher experimenteller und quasi-experimenteller Untersuchungen (vgl. H YLAND / N ICOLÁS - C OMESA / C EREZO 2016: 434-435.; G OLDSTEIN 2016: 407f.). Auch wenn längst noch nicht alle Forschungsfragen befriedigend beantwortet sind (so z.B. die Frage, ob generell eher explizit-direktes oder implizit-indirektes Feedback wirksamer ist, vgl. H YLAND / N ICOLÁS -C OMESA / C EREZO 2016: 438) und einzelne von ihnen sogar zu harten Kontroversen geführt haben (z.B. die Kontroverse zwischen T RUSCOTT und F ERRIS über die Frage, ob die Korrektur grammatischer Fehler überhaupt einen Lerneffekt haben kann oder nicht, vgl. R EICHELT 2016: 191), so legt der Forschungsstand doch zumindest folgende Schlussfolgerungen nahe: Feedback hat vor allem dann gute Chancen, lernwirksam zu sein, wenn es 1. möglichst zeitnah erfolgt, wenn es 2. nicht erst auf das fertige Produkt reagiert, sondern möglichst auch prozessbezogen ist, wenn es 3. nicht rein korrektiv, sondern in einem umfassenden Sinne auf die textuelle Versprachlichung der kommunikativen Intentionen als Ganzes Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 13 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 abhebt (d.h. auf das form-function-mapping bezogen ist), wenn es 4. individualisiert und 5. bei Bedarf auch iterativ erfolgt, also in Form mehrerer Feedback-Schleifen. Und natürlich kommt als sechste und zweifellos wichtigste Voraussetzung hinzu, dass es von den Lernenden aufgenommen, verstanden und verarbeitet wird, wobei aber gerade zwischen dieser letzten Bedingung und den vorausgehend genannten klare Querverbindungen bestehen: Je weniger Bedingungen für gutes Feedback erfüllt sind, desto geringer ist auch die Bereitschaft der Lernenden, es aufzunehmen und weiterzuverarbeiten (vgl. G OLDSTEIN 2016: 418). Vieles spricht dafür, dass die genannten Bedingungen für ein lernwirksames Feedback in der Vermittlungspraxis häufig nicht gegeben sind oder nicht beachtet werden (so schon Z AMEL 1985 in einer frühen, viel beachteten Studie oder aktuell G OLDSTEIN 2016: 415). Für den deutschen Sprachraum sei exemplarisch auf die Ergebnisse einer IQB- Umfrage unter 1125 Schüler(inne)n und 121 Englisch-Lehrenden in 14 Bundesländern mittels standardisierter Fragebögen verwiesen (P ORSCH 2010), die u.a. eine starke Produktfixierung auf Kosten des Schreibprozesses ergab. So kam die Autorin der Studie u.a. zu dem Schluss, „dass ein mehrschrittiger Schreibprozess nur von wenigen Lehrkräften initiiert wird“ (P ORSCH 2010: 71). Mehr noch: in vielen Fällen scheint es überhaupt kein Feedback zu den Textprodukten zu geben. So berichtet P ORSCH , „dass mehr als die Hälfte aller Schüler sich ihren Text nach dem Verfassen häufig bzw. fast immer durchlesen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen, jedoch ohne eine Rückmeldung von anderen Personen zu erhalten“ (ebd. 65). Von besonderer Bedeutung ist der Aspekt der zeitlichen Nähe des Feedbacks zum Schreibprozess. Das Feedback erfolgt in der Regel zeitversetzt, oft im Abstand von mehreren Tagen zum Produktionsprozess, z.B. in Form einer korrigierten Haus- oder Klassenarbeit, und es kommt in den meisten Fällen schriftlich, basierend auf Kürzeln oder kurzen Anmerkungen am Textrand oder am Textende, die die Lernenden zunächst entschlüsseln müssen. M.a.W: Das Feedback hat häufig die Form einer Minimal-Kommunikation zwischen Schreibenden und Feedback-Gebenden. Schreibprozesse laufen jedoch wie andere problem-solving-Aktivitäten typischerweise im Arbeitsgedächtnis ab und werden nicht ins Langzeitgedächtnis übernommen. Schon kurz nach Abschluss der Textproduktion sind die meisten Prozesse, die beim Schreiben abgelaufen sind, nicht mehr präsent. Das Feedback, das die Lernenden nach einigen Tagen auf ihre L2-Texte bekommen, steht somit in keinem direkten Zusammenhang mehr zu den beim Schreiben ablaufenden Prozessen. Die Schreibenden erinnern sich vielleicht noch daran, dass sie an einer bestimmten Stelle ein Ausdrucksproblem hatten; aber wie es sich im Moment des Schreibens dargestellt hat, welche Wissenskomponenten im Einzelnen gefehlt haben, welche Ausdrucksalternativen man erwogen hat, warum man sich letztlich für die Lösung entschieden hat, die jetzt auf dem Papier steht, all das wird in der Regel nicht gespeichert und steht damit als Gegenstand für ein späteres Feedback auch nicht mehr zur Verfügung. Wenn man nun die Frage aufwirft, wie man die Bedingungen für ein lernrelevantes Feedback unter Praxisbedingungen besser herstellen kann, dann hängt die Antwort 14 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 natürlich stark vom jeweiligen Lernkontext ab. Der Idealfall eines hochgradig individualisierten, zeitnahen, sich auf die textuellen Ausdrucksabsichten eines jeden Lernenden einlassenden, prozessbezogenen Feedbacks wird dabei naturgemäß am ehesten in Einzelunterrichts- und Kleingruppen-Situationen möglich sein. Doch auch in größeren Lerngruppen ist zumindest eine Annäherung an die Erfordernisse eines wirksamen Feedbacks im Sinne der o.g. Bedingungen möglich. Wenn z.B. in einer Lerngruppe bei einer häuslichen Schreibaufgabe alle das Prinzip beachtet haben, dass die wichtigsten beim Schreiben auftretenden L2-Probleme stichwortartig festgehalten werden (s.o.), dann kann man diese Probleme im Unterricht zumindest in einer Auswahl vorstellen lassen und der/ die Lehrende kann dazu interaktives Feedback geben. Auch wenn dabei natürlich nicht jedes L2-Problem für jeden Lernenden relevant ist, wird es in einer einigermaßen homogenen Lerngruppe durchaus genug Überschneidungen geben, so dass auch die anderen Lernenden von diesem Feedback profitieren. Weitere Möglichkeiten tun sich auf, wenn man die unterrichtliche Dimension in Richtung autonomer Lernformate erweitert. Dann können Lehrende in ihrer Funktion als Lernberatende zum einen aufzeigen, welche sprachlichen Probleme die Lernenden auf welche Weise durch den Einsatz von Hilfsmitteln autonom lösen können, andererseits aber auch Strategien vermitteln, wie die Lernenden sich individualisiertes Feedback von Dritten holen, z.B. von einem Tandempartner oder einer Tandempartnerin. Gerade das Tandem ist ein ideales Feedback-Setting, denn es erfüllt potentiell alle vorhin genannten Voraussetzungen für ein lerneffizientes Feedback: Das Feedback kann zeitnah stattfinden, z.B., wenn kurz vor oder sogar während des Tandemtreffens geschrieben wird, es kann dadurch leicht auf die Schreibprozesse bezogen werden, es kann auf natürliche Weise interaktiv sein und so ein umfassendes meaning negotiation ermöglichen. Das heißt, der Tandempartner/ die Tandempartnerin kann immer wieder nachfragen, was die kommunikative Absicht des/ der Schreibenden war, um dann Vorschläge zu machen, wie man diese in der Zielsprache jeweils angemessen realisiert. Allerdings wenden Tandem-Lernende diese Techniken erfahrungsgemäß nicht automatisch an, sondern tendieren oft dazu, die Feedback-Arten, die sie selbst jahrelang im Fremdsprachenunterricht erfahren haben, in der Tandem-Situation zu reproduzieren. Auch sie benötigen also ein spezielles Strategietraining, um optimale Feedbackformen zu gewährleisten. Nicht zuletzt dieser letzte Aspekt weist auf eine grundsätzliche Bedingung hin: Lernende, Lehrende und Beratende müssen die Bedingungen für die Wirksamkeit von Feedback kennen und gemeinsam darauf hinwirken, dass diese so gut wie möglich erfüllt sind - ein Umstand, der oft nicht gegeben ist. Insbesondere in der Lehrenden- Ausbildung muss somit das Thema Feedback in der Schreibdidaktik stärker als bisher unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Forschungsergebnisse zu seiner Rolle für das writing-to-learn thematisiert werden. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 15 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 4. Ausblick auf die nachfolgenden Beiträge des Themenheftes Im Vorausgehenden konnten nur einige wenige Befunde aus der jüngeren L2-Schreibforschung und mögliche Konsequenzen daraus skizziert werden, festgemacht an der zentralen Frage der Nutzung des writing-to-learn-Potentials. 2 Wie im Laufe dieses Beitrags deutlich wurde, hat sich die L2-bezogene Schreibforschung jedoch inzwischen sehr differenziert entwickelt. Die nachfolgenden Beiträge in diesem Themenheft werden deshalb eine Reihe von zentralen Aspekten der Fachdiskussion herausgreifen und überblicksartig darstellen. Es folgt ein kurzer Ausblick auf die behandelten Inhalte. Im ersten der nachfolgenden Beiträge fragt E STHER O DILIA B REUER zunächst nach den Unterschieden zwischen Schreibprozessen in der Erst- und in der Fremdsprache. Es liegt auf der Hand, dass die Antworten auf diese inzwischen recht umfangreich bearbeitete Forschungsfrage eine entscheidende Voraussetzung für das Verständnis der strukturellen Besonderheiten fremdsprachlicher Schreibprozesse und damit eine Voraussetzung für ihre steuernde Beeinflussung von außen ist. Die Autorin stellt zahlreiche einschlägige Forschungsbefunde vor, differenziert nach den einzelnen Subprozessen des Schreibens (namentlich zu Generierungs-, Planungs-, Transformations-, Ausführungs- und Revisionsprozessen). Dabei wird u.a. deutlich, dass beim fremdsprachlichen Schreiben nicht einfach L1gesteuerte durch L2-gesteuerte Prozesse ersetzt werden, sondern dass diese sich auf komplexe Weise überlagern und miteinander interagieren. Viele der referierten Forschungsbefunde zum Einfluss von Schreibaufgaben und Schreibbedingungen auf Schreibprozesse liefern dabei Anhaltspunkte für die gewünschte didaktische Beeinflussung dieser Prozesse. Schließlich wird auch deutlich, wie wichtig ein kognitives Ressourcen-Management für die erfolgreiche Bewältigung der besonderen Anforderungen fremdsprachlichen Schreibens ist. Schreibkompetenzerwerb fand lange Zeit typischerweise zunächst im Rahmen einer Erstsprache statt, die auch Familiensprache, Sprache der Erstliteralisierung und Hauptbildungssprache war, und anschließend, deutlich zeitversetzt, im Rahmen des Fremdsprachenlernens in einem primär schulischen Umfeld. Angesichts eines breiten Spektrums von Formen lebensweltlicher Mehrsprachigkeit, die sich inzwischen herausgebildet haben, stellt sich auch der Schreibkompetenzerwerb heute wesentlich facettenreicher dar. Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, wie Schreibkompetenz bei Mehrsprachigen strukturiert ist und insbesondere inwieweit Schreibkompetenz von einer Sprache auf eine andere übertragbar ist, z.B. von Deutsch als Zweitsprache auf eine Herkunftssprache, die zwar Familiensprache, aber nicht primäre Bildungssprache ist. Diesen Fragen widmen sich M ARIE -C HRISTIN R EICHERT und N ICOLE M ARX in ihrem Beitrag. Sie referieren zum einen die dazu vorliegenden Forschungsbefunde, weisen zum anderen aber auch auf einige grundlegende methodische Schwierigkeiten und z.T. auch Mängel hin, die in der bisherigen Forschung aufgetreten sind, z.B. die ver- 2 Für eine Zusammenstellung von praktischen Ratschlägen für autonom Lernende vgl. K RINGS (2016a: 520-569). 16 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 breitete Tendenz, Schlüsse aus dem Vergleich des Schreibverhaltens unterschiedlicher Proband(inn)engruppen zu ziehen, statt Vergleichsdaten von den gleichen Schreibenden zu erheben. Insgesamt zeigt sich dennoch, dass Schreibkompetenz einen deutlichen Anteil sprachübergreifender Komponenten enthält und dass es bei Mehrsprachigen positive Transfereffekte zwischen den Sprachen gibt, und zwar durchaus nicht nur in einer Sprachrichtung. Abschließend geben die Autorinnen erste vorsichtige Empfehlungen, wie diese Effekte didaktisch verstärkt werden können und fordern in diesem Zusammenhang insbesondere eine zwischen den einzelnen Sprachfächern besser koordinierte unterrichtliche Schreibkompetenzvermittlung. Ziel des Beitrags von B ERND T ESCH ist es, einen Überblick darüber zu geben, welche Formen und Funktionen für das Schreiben in den Rahmenbedingungen des derzeitigen institutionellen Fremdsprachenunterrichts vorgesehen und realisierbar sind. Dazu ordnet er Schreibkompetenz zunächst als Komponente einer umfassenden literalen Textkompetenz ein, die mehr umfasst als nur die Beherrschung fremdsprachiger Schreibmuster und Schreibkonventionen. Anschließend analysiert er die entsprechenden Vorgaben im GeR einschließlich des Companion von 2018 mit seiner stärkeren Betonung von interaktiven, online-basierten Schreibformen sowie in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und in jenen für die Allgemeine Hochschulreife. Sodann stellt er verschiedene Schreibformen vor, gruppiert nach ihren jeweiligen Funktionen, beginnend mit heuristischen Schreibformen, bei denen primär Metawissen über Schreibprozesse und Schreibprodukte erworben wird, bis hin zu komplexen Lern- und Prüfungsformen des Schreibens, wie sie z.B. in den stark konventionalisierten Abitur-Schreibaufgaben vorkommen. Konkrete französisch- und englischsprachige Aufgabenbeispiele illustrieren die Ausführungen. Der Beitrag schließt mit einem Blick in den französischen und angloamerikanischen Raum und auf die dort jeweils verbreiteten Textformen der dissertation litteraire bzw. des essay mit ihren speziellen textstrukturellen Ausprägungen. So wird insgesamt noch einmal die Kulturgebundenheit bestimmter Schreibformen deutlich. Konkrete Fragen der Vermittlung von Schreibkompetenz fokussiert der Beitrag von R APHAELA P ORSCH . Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Sekundarstufe I. Die Autorin weist zunächst darauf hin, dass kaum empirisch fundierte Daten zum real stattfindenden Englischunterricht an Schulen und damit auch nicht zur Praxis der Schreibvermittlung vorliegen. Auf der Grundlage des GeR und der Bildungsstandards erarbeitet sie dann eine operationale und damit vermittlungsrelevante Definition von Schreibkompetenz. Auf dieser Grundlage diskutiert sie anschließend fünf Hauptdimensionen, für die entsprechende Vermittlungskonzepte erarbeitet werden müssen. Neben den grammatikalischen, lexikalischen und orthographischen Basiskomponenten und dem Wissen um Textsortenkonventionen geht es dabei auch um den Erwerb der Fähigkeit, eigene Schreibprozesse prozessual optimal zu phasieren. Anders als die Bildungsstandards betont sie des Weiteren die besondere Bedeutung kreativer Schreibformen, denen sie zusätzliche motivationale Effekte zuschreibt. Und schließlich rechnet sie zur Schreibkompetenzvermittlung auch die Fähigkeit, Schreibprodukte in unterschiedlichen medialen Kontexten präsentieren zu können. Aus der Viel- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 17 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 zahl der aus diesen fünf Dimensionen resultierenden Aufgaben für die didaktische Umsetzung greift sie anschließend exemplarisch zwei heraus; zum einen die Frage des Umgangs mit heterogenen Lernvoraussetzungen und zum anderen die Realisierung von Prozessorientierung. Sie zeigt dabei u.a., dass gerade dieser letzte Aspekt eine Revision des tradierten Leistungsbegriffs und ein Überdenken der rein produktbezogenen Leistungsbeurteilung erfordert. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für eine stärkere Berücksichtigung schreibdidaktischer Themen in der Lehrendenausbildung, eine Forderung, die gerade für die Sekundarstufe 1 nicht zuletzt wegen des hohen Anteils fachfremd Lehrender von großer Bedeutung erscheint. Die Internationalisierung des wissenschaftlichen Lehr- und Forschungsbetriebs hat zur Etablierung des Englischen als akademischer lingua franca geführt und verlangt deshalb von immer mehr Studierenden, Lehrenden und Forschenden, die keine muttersprachlichen Sprecher(innen) des Englischen sind, akademische Texte in dieser international dominierenden Wissenschaftssprache zu verfassen. Vor diesem Hintergrund fragen J ULIA H ÜTTNER und A NGELIKA R IEDER -B ÜNEMANN in ihrem Beitrag, wie Studierende diese spezielle Form von Schreibkompetenz, die in der Schule praktisch nicht vorkommt, selbst konzeptualisieren, welche Herausforderungen für sie damit verbunden sind und welche Prozesse während des Erwerbs akademischer Schreibkompetenz im Laufe des Studiums bei ihnen ablaufen. Dazu erinnern die Autorinnen zunächst an die besondere Bedeutung der Beherrschung der gängigen primär schriftkonstituierten akademischen Genres, stellen diese aber auch in den Zusammenhang einer umfassenderen akademischen Literalität, die erst in ihrer Gesamtheit die vollwertige Teilhabe an den akademischen Diskursgemeinschaften möglich macht. Sie legen dar, dass der Erwerb einer fachspezifischen akademischen Schreibkompetenz im Englischen während eines Studiums nicht von selbst eintritt, sondern dass es der gezielten Förderung bedarf, unabhängig davon, welche Erstsprache Studierende sprechen. Im Kontrast zu den bisher stark dominierenden Forschungen aus dem angloamerikanischen Raum nehmen die Autorinnen dann v.a. die akademische Schreibausbildung an Universitäten in einem nicht englischsprachigen Umfeld ins Visier und berichten im Hauptteil ihres Beitrags von den Ergebnissen zweier eigener empirischer Studien, die mit Studierenden an der Universität Wien durchgeführt wurden, die erste Studie an Studierenden im zweiten Studienjahr ohne spezielles Training im Bereich des akademischen Schreibens, die zweite an Studierenden in einer fortgeschrittenen Studienphase, die bereits an einem Kurs English for academic purposes (EAP) teilgenommen hatten. Die mit Hilfe von Fragebögen, Interviews sowie schriftlichen Reflexionsberichten erzielten Ergebnisse, die die Autorinnen mit Zitaten ihrer Informant(inn)en veranschaulichen, zeigen zum einen die Wahrnehmung der verschiedenen mit dem akademischen Schreiben verbundenen kognitiven und affektiven Herausforderungen aus der subjektiven Sicht der Betroffenen auf, zum anderen aber auch die deutliche Entwicklung, die Studierende beim Erwerb akademischer Schreibkompetenz während des Studiums durchlaufen. Insgesamt liefern die Daten viele Belege für die Sinnhaftigkeit einer fachspezifischen akademischen Schreibausbildung, so wie sie durch die Schaffung von Schreibzentren heute an vielen Hochschulen bereits 18 Hans P. Krings DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 49 (2020) • Heft 1 angeboten wird, allerdings ohne dass ein klarer Trend zu einer festen curricularen Verankerung dieser Angebote in den einzelnen Studiengängen erkennbar wäre. Angesichts der Tatsache, dass die Kompetenzorientierung heute als eines der Grundprinzipien der Fremdsprachenvermittlung fest etabliert ist, liegt es auf der Hand, dass auch Schreibkompetenzen zuverlässig diagnostiziert und Lernende durch ein qualifiziertes Feedback zu ihrer Weiterentwicklung angeregt werden müssen. Diesem Thema ist der Beitrag von C LAUDIA H ARSCH gewidmet. Die Autorin stellt zunächst die grundlegenden Anforderungen dar, die an eine qualifizierte Beurteilung von Sprachleistungen im Allgemeinen und von Schreibleistungen im Besonderen zu stellen sind, so etwa die Festlegung des Beurteilungszwecks (Diagnose, Lernerfolgskontrolle oder individuelle bzw. allgemeine Kompetenzstandsfeststellung mit Blick auf ein Bildungsmonitoring), die genauere Bestimmung des Beurteilungsgegenstandes (z.B. verschiedene Teilaspekte von Schreibkompetenz), die Entwicklung valider und reliabler Beurteilungskriterien, die sorgfältige Dokumentation der Ergebnisse usw. Dabei wird deutlich, dass angesichts der Mehrdimensionalität des Konstrukts „Schreibkompetenz“ die Wahl geeigneter Beurteilungsinstrumente in engem Zusammenhang mit dem Beurteilungszweck zu sehen ist. Die Autorin geht auch auf die Frage ein, wie die Beurteilungsverfahren an die Niveaustufen des GeR rückgebunden werden können, der naturgemäß keine konkreten Vorgaben zur Entwicklung solcher Verfahren macht. Abschließend stellt die Autorin dar, wie die verschiedenen Verfahren der Fremd-, der Lehrenden-, der Selbst- und der Peerbeurteilung eingesetzt werden können, um den Lernenden Rückmeldung auf die jeweils fokussierten Teilaspekte von Schreibkompetenz zu geben. Dabei dient diese Rückmeldung nicht nur als Grundlage für die weitere Entwicklung der Schreibkompetenz selbst im Sinne eines positiven Washback-Effektes, sondern sie soll idealiter auch die Entwicklung einer Selbstbeurteilungskompetenz fördern und damit zur Lernenden-Autonomie beitragen (z.B. durch die Einbindung externer diagnostischer Selbsteinstufungs-Instrumente wie dem DIALANG-System). Ungeachtet der rasanten Entwicklung, die die L2-bezogene Schreibforschung in den letzten zwei Jahrzehnten genommen hat und in die die Autor(inn)en der Beiträge dieses Heftes thematisch fokussierte Einblicke geben, bestehen nach wie vor noch zahlreiche Forschungsdefizite, die damit gleichzeitig Ansatzpunkte für zukünftige Forschungen in Form von individuellen Qualifizierungsprojekten oder auch größeren Verbundprojekten darstellen. Sie betreffen z.B. die Auswirkungen des Schreibmediums und medienspezifischer Textformen (namentlich im Rahmen von sozialen Medien) oder die Stimulierung von schreibbezogenen Lernprozessen durch musterhaften textuellen Input. Doch auch die bereits vorliegenden Befunde der Forschung sind naturgemäß nie als letzte Weisheiten zu betrachten, sondern müssen immer wieder auf den Prüfstand. Denn schließlich gilt auch für die Schreibforschung das, was der Physiker und Nobelpreisträger Linus Pauling für seine Disziplin so treffend auf den Punkt brachte: „Wissenschaft ist Irrtum auf den neusten Stand gebracht“. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 19 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0001 Literatur C ASANAVE , Christine Person (2016): „Qualitative inquiry in L2 writing“. In: M ANCHÓN / M ATSUDA (Hrsg.), 497-517. D ENGSCHERZ , Sabine (2019): Professionelles Schreiben in mehreren Sprachen. Strategien, Routinen und Sprachen im Schreibprozess. Habilitationsschrift, Universität Wien. 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If one of the processes does not work (well), this will have a negative impact on the other processes as well as on the product. In this paper, studies are presented which look at how the writing processes differ between the first (L1) and a foreign language (FS): Can FS writers use writing for generating ideas in the same way as do L1 writers? Do planning strategies work as well in the FS as they do in the L1? What impact do weaknesses in wording and grammar have on structure and content? Do differences between the writing systems become visible in the execution? What do writers focus on during revision in the L1 and in the FS? The majority of studies show that writing indeed works differently in the L1 and in the FS. Although many problems in writing are independent of linguistic capacities and are highly individual, it is thus necessary to both teach and train strategies and methods specifically for FS writing. 1. Einleitung Schreiben ist eine Kommunikationsform, die wichtig in allen Lebensbereichen ist - sei es in der privaten Kommunikation, in beruflichen Zusammenhängen oder in Bildungskontexten (vgl. B REUER / A LLSOBROOK 2019; R USSEL 2002; S WALES 2004). Dabei ist das Schreiben kognitiv anspruchsvoller als das Sprechen, umso mehr, wenn die schriftliche Kommunikation in der Fremdsprache (FS) stattfindet, denn die Schreibenden müssen zum einen die Erstsprache (L1) unterdrücken, damit diese nicht (zu stark) in die Produktion eingreift (vgl. DE B OT / L OWIE / V ERSPOOR 2005), zum anderen müssen FS-Schreibende bei der Formulierung mit einem meist weniger dichten mentalen Lexikon und weniger profunden grammatikalischen Kompetenzen arbeiten als in der L1 (vgl. V AN G ELDEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN 2011). Zusätzlich haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe Einfluss darauf, wie erfolgreich die Kommunikation in Hinblick auf die Konventionen des jeweiligen Genres verläuft (vgl. z.B. T HIELMANN 2009). Es sind aber nicht nur diese auf einer eher höheren kognitiven Ebene angesiedelten Bereiche, die das Schreiben in der FS erschweren. Auch die * Korrespondenzadresse: Dr. Esther Odilia B REUER , Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 K ÖLN E-Mail: ebreuer1@uni-koeln.de Arbeitsbereiche: Schreibforschung und -lehre im Bereich fremdsprachliches und akademisches Schreiben, kognitive Linguistik, Neurolinguistik 22 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Orthographie und deren weniger automatisierte Ausführung wirken sich auf die FS- Schreibprozesse aus (vgl. B REUER , 2015). Im Folgenden soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, welche Erkenntnisse die Schreibforschung bereits über die Unterschiede zwischen dem L1- und dem FS-Schreiben hinsichtlich Ideengenerierung, Planung, Übersetzung, Ausführung (Exekution) und Revision gewonnen hat. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. 2. Ideen generieren F LOWER / H AYES (1981) definieren das Generieren von Ideen als Startpunkt für den Schreibprozess (vgl. H AYES 2012). Dieser Subprozess kann in weiten Teilen sprachunabhängig ablaufen, da viele Informationen in unserem Gehirn in anderen als sprachlichen Modalitäten gespeichert werden (vgl. D E B OT / L OWIE / V ERSPOOR 2005). Dennoch ist zumindest das abstrakte Denken stark mit der Sprache verbunden, weil Wissen in diesem Bereich durch die (Schrift-)Sprache erworben wird, man sich im (Unterrichts-)Gespräch oder in Texten mit dem Thema auseinandersetzt und es auf diese Weise sprachlich durchdringt (vgl. J ACKENDOFF 2010). Aus diesem Grund treffen wir manchmal auf das Paradoxon, dass wir einerseits Probleme beim Formulieren von Ideen in der FS haben, wir andererseits aber bei dem Versuch, dies in unserer L1 zu tun, feststellen, dass das nötige Fachvokabular fehlt, weil die von uns bearbeiteten Fachtexte nicht in dieser formuliert waren. Oft setzen FS-Schreibende die L1 als kognitive Entlastungsstrategie in der Ideengenerierung ein. So erklärten die 15bis 17-jährigen Proband(inn)en von G UNNARSON (2019), dass sie beim Schreiben im Englischen ihre L1 für das Ideengenerieren, das Strukturieren und bei Wortfindungsschwierigkeiten einsetzten. Die FS nutzten sie hingegen beim Lesen der Aufgabenstellung sowie beim Formulieren und Revidieren. L I (2008) beobachtete chinesische Studierende beim Schreiben in der FS Englisch und stellte fest, dass es von der FS-Sprachkompetenz abhing, wie gut diese Art der Entlastung funktionierte. Gute FS-Schreibende verwendeten die L1 sehr viel erfolgreicher für das Ideengenerieren als schlechte FS-Schreibende (s. Abschnitt 4). Auch die Informant(inn)en von P AIZ (2011) gaben an, dass sie sich bei der Ideengenerierung in ihrer L1 wohler fühlten. Die Anzahl der generierten Ideen in der FS war auch hier abhängig von der FS-Kompetenz. Beim Schreiben werden aber nicht nur Ideen formuliert; der Prozess kann selbst dazu genutzt werden, das bestehende Wissen zu transformieren (B EREITER / S CARDA - MALIA 1987) oder neues Wissen zu generieren (vgl. G ALBRAITH 1999). M ENARY (2007: 622) definiert das Schreiben daher als „thinking in action“: Die körperlichen Prozesse aktivieren die mentalen, und das Schreiben wird zum Denken. Hierbei ist der Faktor Sprache zentral: Beansprucht die Suche nach den passenden Wörtern, der richtigen Orthographie oder den grammatikalischen Regeln zu große Teile des Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 23 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 Arbeitsgedächtnis‘ (B ADDELEY 2007), in dem die kognitiven Informationen verarbeitet werden, so hemmt dies das Schreiben als Denken. Da beim Schreiben in der FS die kognitiven Prozesse komplexer sind als beim Schreiben in der L1 (vgl. G ALBRAITH 2009), kann man davon ausgehen, dass sich dies auf die Schreib-Denk-Prozesse auswirkt. B REUER (2016a) untersuchte z.B. die Unterschiede beim Ideengenerieren in der L1 und der FS in Bezug auf die Anzahl und die Qualität der entstehenden Ideen. Hierfür produzierten Studienteilnehmende mit der L1 Deutsch vier akademische Texte: zwei auf Deutsch, zwei auf Englisch. In jeder Sprache wurden je zwei Planungsmethoden verwendet: Planen mithilfe von Notizen sowie Planen mithilfe von freewriting (also dem Niederschreiben der Gedanken in einem vorgegebenen Zeitraum, ohne den Schreibprozess, z.B. zum Nachdenken, zu unterbrechen oder Korrekturen vorzunehmen, vgl. E LBOW 1973). Einen Plan in Notizform zu fixieren benötigt vergleichsweise weniger sprachliche Kompetenzen, da der zugrunde liegende Denkprozess in der L1 durchgeführt werden kann und nur zentrale Begriffe übersetzt bzw. in der FS formuliert werden müssen. Das freewriting hingegen geschieht komplett in der Zielsprache. Von daher könnten hier Art und Anzahl der Ideen stärker von der Sprachkompetenz der Schreibenden abhängen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der Studie, dass sowohl die Planungsart als auch die Sprache Einfluss darauf hatten, wie das Ideengenerieren im und durch das Schreiben funktionierte. Die meisten Ideen wurden im L1 freewriting festgehalten, die wenigsten in den L1-Notizen. Letzteres könnte darauf hinweisen, dass die Studierenden in der L1 das Schreiben weniger zur Entlastung des Arbeitsgedächtnisses nutzten. Während des Schreibens des eigentlichen Essays generierten die Teilnehmenden die meisten Ideen im FS-Text, der mit freewriting geplant wurde, d.h., das flüssige Schreiben im Planen hatte einen Einfluss darauf, dass das Schreiben als Denken zu einem späteren Zeitpunkt besser funktionierte als im FS-Text nach dem Planen mithilfe von Notizen. Die kognitive Entlastung durch das Nicht-Verwenden der FS hatte hier langfristig keinen positiven Effekt. A BRAMS / B YRD (2016) untersuchten, inwieweit kognitiv entlastende Voraufgaben einen Einfluss auf das Ideengenerieren bei FS-Schreibanfänger(innen) hatten. Die Ergebnisse ihrer Studie belegen, dass sowohl die Anzahl der Ideen, die im Text verwendet wurden, als auch deren Komplexität stiegen, wenn die Teilnehmenden die Ideen losgelöst von der Textproduktion entwickelten. Die Teilnehmenden, die komplexe sowie besonders viele Ideen in den inhaltszentrierten Planungsepisoden generierten, schrieben am Ende längere und bessere Texte als diejenigen, die dies nicht taten. Sowohl die kognitive Entlastung durch den vom Schreiben losgelösten Ideengenerierungsprozess als auch die Sprachkompetenz wirkten sich auf die weiteren Textproduktionsprozesse aus. B LOCH (2007) schlägt für die kognitive Entlastung einen Wechsel der Textform vom akademischen Schreiben zum Bloggen für eine erfolgreichere Auseinandersetzung mit den Ideen vor, da durch den Genrewechsel kognitive Belastungen entfielen und durch die Reduktion der Sprache in der gewählten Textform ein Fokus auf das Zentrale gesetzt werde. Die so generierten Aussagen 24 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 könnten dann in einem nächsten Schritt leichter ins akademische Genre übersetzt werden; das Schreiben als Denken könne dadurch erfolgreich funktionieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der eher als sprachungebunden gesehene Subprozess der Ideengenerierung sich sowohl in den Strategien als auch in deren Erfolg im FS-Schreiben vom L1-Schreiben unterscheidet. Die Sprachkompetenz spielt dabei eine entscheidende Rolle. 3. Text planen Ein weiterer Subprozess des Schreibens, der oft als übersprachlich angesehen wird, ist die Planung des Textes: Schreibende müssen die Ideen, die sie vor oder während des Schreibens generieren, dahingehend beurteilen, ob sie aufgabenadäquat sind, und entscheiden, in welcher Struktur sie präsentiert werden sollen. Selbst wenn explizite Planungsprozesse im Vorfeld des Schreibens (pre-task planning; vgl. E LLIS 2009) mental oder mithilfe von Stichwörtern und visuellen Mitteln relativ sprachungebunden durchgeführt werden können (vgl. für die Methoden B REUER et al. 2019), gibt es dennoch große Unterschiede zwischen dem Planen von Texten in der L1 und in der FS, insbesondere für die Schreiber(innen), die die Planung parallel zum Formulieren des Textes vornehmen (vgl. B RÄUER 2019). Werden aufgrund von Sprachproblemen nur wenige Ideen generiert, hat dies für die Textplanung die Konsequenz, dass die Pläne simpel sind (= knowledge telling; vgl. B EREITER / S CARDAMAILIA 1987). Ist die sprachungebundene Ideengenerierung produktiv, kann es sein, dass aufgrund mangelnden FS-Wortschatzes diese Ideen nicht in den Text aufgenommen werden können, der Plan also angepasst werden muss. Eine solche Plananpassung kann auch in unterschiedlichen Genrekulturen in der L1 und der Zielsprache bedingt sein (vgl. K APLAN 1966; C LYNE 1987). Allgemein wird angenommen, dass FS-Schreibende nicht zu viele Prozesse parallel ausführen, sondern sich besser auf die jeweils aktuellen Aspekte konzentrieren sollten, z.B. auf Form, Sprachgebrauch, Inhalt (vgl. Z IEGLER 2018 für einen Überblick). Weitere Studien (z.B. C UMMING 2001; P OULISSE / B ONGAERTS 1994; W OL - FERSBERGER 2003) zeigen, dass auch beim Planen das Verwenden der L1 eine Entlastungsmethode sein kann. L ALLY (2000) untersuchte dies, indem sie Schreibende darin verglich, wie sich Brainstorming in der L1 und in der FS auf den Text auswirkten (wobei sie allerdings keine Intra-Schreibenden-Vergleiche, sondern allein Gruppenvergleiche durchführte). Die Planungssprache hatte hier keinen Effekt auf das verwendete Vokabular im Endtext, wohl aber auf die Organisation und den globalen Texteindruck: Die Verwendung der L1 führte zu deutlichen Unterschieden. Ähnlich zeigen die Think-aloud-Protokolle in der Studie von L I (2008), dass diejenigen, die ein hohes FS-Sprachniveau besaßen, die L1 verstärkt für die Planung und andere strategische höherrangige Prozesse nutzten, sodass die Entlastung durch die L1 positive Auswirkungen hatte. Welche Effekte unterschiedliche Planungsstrategien auf das FS-Schreiben haben, Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 25 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 untersuchten A BRAMS / B YRD (2016). Sie beobachteten Deutschlernende bei der Anwendung dreier Planungsarten bei Textzusammenfassungen über den Zeitraum von drei Wochen. Der erste Text wurde ohne eine spezifische Planungsart geschrieben, der zweite und dritte mit Mindmapping bzw. dem Erstellen einer chronologischen Stichwortliste als Prä-Planungsmethoden. Die Texte wurden auf grammatische und lexikalische Korrektheit, Textfluss, lexikalische Komplexität, Genreadäquatheit und Inhaltsrichtigkeit untersucht. Die Ergebnisse demonstrieren, dass der Text ohne vorherige Planung derjenige war, der in den Bereichen Grammatik, Wortkorrektheit und Wortwahl am besten funktionierte. Dagegen waren Inhalt, lexikalische Komplexität und Textfluss wesentlich besser, wenn die Teilnehmenden den Text planten. Dies weist darauf hin, dass in der kognitiv komplexesten Aufgabenumgebung (Planung beim Schreiben des Textes) der Fokus auf den eher niedrigeren Schreibprozessen lag, in den entlastenden Prä-Planungskonditionen dagegen verstärkt auf komplexeren Prozessen. Unabhängig von den Planungsarten verbesserten sich bei allen die Texte in Bezug auf die Komplexität der Sätze über die Testzeit hinweg. Allein das Training und die Wiederholung der Aufgabenstellung führten also zu FS-Schreiboptimierungen. O NG (2014) untersuchte, ob beim FS-Schreiben die Zeit für das Planen und die konkrete Aufgabenstellung einen Effekt auf die metakognitiven Prozesse des Schreibens hatten. Hierfür ließ sie Teilnehmende in drei unterschiedlichen Gruppen einen Text innerhalb von dreißig Minuten erstellen. Die Gruppen hatten hierbei 0, 10 oder 20 Minuten Zeit für die Planung (und mussten diese Zeit auch ausschließlich hierfür nutzen). Die Aufgabenstellungen waren entweder einfach (= reine Aufgabenstellung), mittel (= einfach mit zusätzlichen Tipps für mögliche Inhalte) oder komplex (= mittel plus Erläuterungen dazu, wie eine gute Struktur aussehen sollte). Nach der Textproduktion füllten die Teilnehmenden einen Fragebogen dazu aus, welche metakognitiven Prozesse sie beim Schreiben durchlaufen hatten. Die Resultate belegen, dass die Aufgabenumgebung einen großen Effekt auf die metakognitiven Prozesse hatte, dass die Zeit für das Planen aber nur einen Einfluss darauf hatte, wie oft die Teilnehmenden über sprachliche Aspekte nachdachten. Die kognitiven Ansprüche beim Schreiben des eigentlichen Textes konnten durch ein Mehr an Planungszeit nur bedingt reduziert werden. Auch in Z IEGLER s (2018) Studie verwendeten die Teilnehmenden bei der Umwandlung einer Bildergeschichte in Text-Blogs einen Großteil der nur dreiminütigen Prätext-Planung damit, über Formulierungen und die Grammatik nachzudenken, was zu einer größeren Wortvielfalt führte. Korrektheit, Textpassung sowie Phrasen- und Syntaxkomplexität nahmen nicht zu (was auch an der Kürze der Zeit liegen könnte). Leider bieten beide Autor(inn)en keine Intra-Schreibenden-Vergleiche zum Schreiben in der L1 an (wie in vielen anderen FS-Schreibanalysen, s. hierzu auch den Beitrag von R EICHERT und M ARX in diesem Heft), sodass nicht gesichert ist, dass die metakognitiven Prozesse im L1-Schreiben ähnlich oder identisch ausfielen, dies also eine generelle Strategie von Schreibbeginner(innen) ist, um mit den Schreibanforderungen umzugehen (vgl. B REUER 2015). Fazit: Wie bei der Ideenfindung verläuft auch der Subprozess der Planung 26 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 aufgrund der kognitiven Anforderungen in der FS anders als in der L1. Wie man diesen Anforderungen begegnen kann, ist bisher aber noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden. 4. Sprachliche Transformation Bei der Transformation der Gedanken in Text müssen Wörter generiert und syntaktische Strukturen aktiviert werden, was stark mit der Sprachkompetenz in der Zielsprache zusammenhängt (vgl. V AN G ELDEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN 2011). Phonologische und graphemische Repräsentationen werden kodiert sowie orthographische Regeln aktiviert (vgl. T ORRANCE / G ALBRAITH 2008). Diese Prozesse können aufwendig und schwierig sein, da die Ideen im Kopf nicht zwingend in Wortform gespeichert sind, sondern durchaus eine visuelle oder akustische Form besitzen können (vgl. J ACKENDOFF 2010). Schreibende müssen im Prozess der Formulierung der Ideen auch bedenken, dass sie das korrekte Register verwenden. Dies kann eine weitere Hürde beim FS-Schreiben darstellen, da dieser Prozess die Fähigkeit beinhaltet, zu beurteilen, ob ein Wort sowohl semantisch der Idee als auch formell dem geplanten Genre entspricht. Inwieweit die L1 einen Einfluss auf das Übersetzen der Gedanken in die Zielsprache hat, untersuchte L EE (2018). Sie analysierte ein Korpus von akademischen englischen Abstracts koreanischer Akademiker(innen), die sie mit professionellen Übersetzungen aus dem Koreanischen ins Englische verglich. Sie stellte fest, dass es sprachliche Besonderheiten gab, die in beiden Bedingungen die Texte sprachlich von denen englischer Muttersprachler(innen) unterschieden. Hierzu gehörten lexikalische Vereinfachungen oder auch Nominalisierungen. L EE geht darum davon aus, dass die Übersetzung von der Idee zum Text noch über eine weitere Übersetzung abläuft - die von der L1 in die FS. Eine ähnliche Interpretation legen die Ergebnisse der Studie von L I (2008) nahe, in der die Think-aloud-Protokolle von Proband(inn)en mit niedriger Sprachkompetenz demonstrieren, dass sie die L1 vor allem für die Wortfindung nutzten. In der Schreibpädagogik wäre es deshalb sinnvoll, ab einer bestimmten Sprachkompetenz stärker mit dem metakognitiven Wissen über diesen Übersetzungsprozess zu arbeiten, um diesen Umweg auf lange Sicht zu vermeiden und eine direkte Übersetzung vom Konzept in die Zielsprache zu fördern. B REUER (2015) untersuchte ebenfalls den sprachlichen Einfluss der L1 auf FS- Schreibende. Sie analysierte die Fehler, die deutsche Schreibende mit Englischkenntnissen auf C1-Niveau beim Verfassen englischer Texte machten, unter dem Aspekt, inwieweit sprachliche Interferenzen aus dem Deutschen sichtbar wurden oder ob andere Fehler (Inhalte, Stil, Flüchtigkeitsfehler) dominierten. Die Analyse der Texte zeigt, dass die Fehlerquote am höchsten im Bereich der L1-Interferenzen war - vor allem im Bereich der Syntax, aber auch in phonemisch-orthographischen Aspekten. Auch bei hohem Sprachstand zeigt sich demnach eine unbewusste Zuhilfenahme der L1 bei der Übersetzung der Ideen in Sprache - bei akademischen Texten stärker als Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 27 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 bei einem einfacheren Text, der zum Vergleich ebenfalls von den Teilnehmenden in der FS verfasst wurde (vgl. auch K ASIRI / F AZILATFAR 2016). Aufgrund des Bedarfs an sprachlicher Unterstützung untersuchten VAN G EL - DEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN (2011), ob ein Flüssigkeits- und ein Worttraining für die Übersetzung der Ideen in die FS hilfreich sind, um die Performanz auch auf den höheren Prozessebenen zu verbessern, da sich Wortfindungsschwierigkeiten negativ auf die Aufmerksamkeit auswirken und kognitive Kapazitäten abziehen. Die Autor(inn)en stellten fest, dass die trainierten Teilnehmer(innen) die Zielwörter wesentlich häufiger benutzten als die Kontrollgruppe, die diese Wörter passiv ebenfalls beherrschte. Dieser Effekt übertrug sich auch von der Satzauf die Textebene. Formulierungsflüssigkeit und das aktive Training von Zielwörtern hatten also einen Einfluss auf Prozesse. Es gab aber noch eine zweite Gruppe, die ebenfalls bessere Ergebnisse erzielte. Diese bekam zwar auch die Vokabeln vermittelt, trainierte diese aber nicht, sondern erhielt stattdessen Lehreinheiten mit Fachwissen. Diese Gruppe hatte darum Vorteile im Bereich der Ideengenerierung und konnte so die höheren Ansprüche des Formulierens kompensieren - ein weiterer Indikator dafür, dass die Schreibsubprozesse sich gegenseitig beeinflussen, sowohl von höherer zu niedrigerer Ebene als auch umgekehrt. In Bezug auf die Formulierung wird auch nicht mehr ausschließlich gefordert, Schreibende dabei zu unterstützen, so sprachkorrekt wie möglich zu formulieren. Der New-Literacies-Ansatz (K RESS 2009) betont beispielsweise, dass die Multilingualität generell als etwas Positives gewertet werden solle, und H UNMA (2016) fordert dazu auf, FS-Schreibenden einen Platz zu geben, in dem sie all ihre Sprachkompetenzen in unterschiedlichen Modalitäten nutzen können. Dass dies positive Auswirkungen auf die Textproduktion und das Selbstbild der Schreibenden hat, zeigen unterschiedliche Studien zur multilingualen Literalität, die im Rahmen des ELN-COST-Projekts gesammelt wurden. Wird die Formulierung zu stark gewertet, hat dies zudem einen Einfluss darauf, wie die Schreibenden ihre Arbeitsschwerpunkte setzen, also ob auf höhere oder niedrigere Prozessebenen. G EVERS (2018) warnt jedoch davor, translanguaging - also das Vermischen mehrerer Sprachen - unkritisch im Unterricht einzusetzen, da nicht gesichert sei, dass der Effekt im Schreiben tatsächlich positiv sei, er hänge vielmehr häufig von der Unterschiedlichkeit der Sprachen ab. Dies bedarf weiterer Untersuchungen. 5. Ausführung Ein Prozess, der bei der Bewertung der textqualitätsrelevanten Flüssigkeit des Schreibens eine große Rolle spielt, der aber bisher noch recht wenig Aufmerksamkeit als eigenständiger Forschungsgegenstand erhalten hat, ist die motorische Umsetzung der Formulierung in der FS. Zwar hat man schon erkannt, dass Schreibende in der FS langsamer agieren als in der L1 (vgl. A LAMARGOT et al. 2007), dies aber nie in Zusammenhang mit dem Ausführen an sich gebracht, sondern auf andere kognitive 28 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Prozesse zurückgeführt. Dabei hat die reine Tippfähigkeit einen großen Einfluss auf die Erfolgsaussichten der anderen Schreibprozesse: Müssen sich Schreibende stark darauf konzentrieren, die richtigen Tasten zu finden, so beansprucht dies Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses, die nicht mehr für andere Prozesse zur Verfügung stehen. V AN W AES et al. (2019) haben aus diesem Grund eine Copy-Task entwickelt, die die reinen Exekutionsprozesse bei Abschreibaufgaben mithilfe von Keylogging in unterschiedlichen Sprachen analysiert. Allein schon aufgrund der orthographischen Unterschiede zwischen Sprachen ist mit entsprechenden Auswirkungen auf die Schreibflüssigkeit zu rechnen: Schreibende können in der L1 flüssig tippen, in der FS büßt diese Flüssigkeit aber ein. B REUER (bislang unveröffentlicht) führt derzeit eine Studie durch, in der (bisher) 323 Studierende zwei Copy-Tasks durchführten, eine auf Deutsch und eine auf Englisch. Die Teilnehmenden wurden für die Analyse in vier Gruppen aufgeteilt: • Gruppe 1: monolinguale deutsche Studierende • Gruppe 2: bilinguale Studierende mit Deutsch als einer der beiden L1 • Gruppe 3: Studierende mit Migrationshintergrund (die mündliche L1 ist eine andere als die deutsche, die erste Schriftsprache ist aber Deutsch) • Gruppe 4: FS-Studierende (= Deutsch ist weder mündlich noch schriftlich L1) Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Studierenden in Gruppen 1 und 2 wesentlich schneller agierten als die anderen beiden Gruppen - in beiden Sprachen. Die Fehlerquoten variierten zwischen den Gruppen und den Aufgaben, was weiterer Untersuchungen bedarf. Hier könnten andere Faktoren (wie Tippfertigkeiten) eine entscheidende Rolle spielen. T IRYAKIOGLU / H ILTON (2018) untersuchten ebenfalls mit copy-tasks, ob sich das Tippverhalten in L1 und FS unterscheidet. Teilnehmende waren bilinguale türkischfranzösische Schüler(innen) (9. Klasse), für die Französisch die dominante Bildungssprache und Türkisch die zu Hause verwendete Sprache war, die aber auch im Rahmen des ELCO-Projekts (ELCO = Enseignement de la Langue et Culture d'Origine) gelernt haben, türkisch zu schreiben. Englisch war für sie eine FS. Die Teilnehmenden arbeiteten in der dominanten Bildungssprache in allen Tests schneller als im Türkischen oder Englischen. Auffallend ist, dass bei der Ausführung von (in den jeweiligen Sprachen) frequenten Bigrammen (= häufig aufeinanderfolgende Buchstaben) die Schüler(innen) diese im Türkischen sogar minimal langsamer ausführten als im Englischen. Ein Grund könnte sein, dass die englische Orthographie in Bezug auf die Häufigkeit von Bigrammen dem Französischen ähnlicher ist als dem Türkischen. Die ersten Ergebnisse im Bereich der reinen Ausführungsanalyse belegen somit, dass selbst die motorische Umsetzung des geplanten Textes in der FS nicht so automatisiert abläuft, wie sie es in der L1 tut. Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 29 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 6. Revision Der letzte behandelte Schreibsubprozess ist der des Revidierens, also das Abgleichen des Textes mit den „linguistic, semantic and pragmatic peculiarities of the writing goal“ (A LAMARGOT / C HANQUOY 2001: 5). Er findet nicht ausschließlich nach dem Erstellen eines Textes statt, sondern beginnt bereits bei der Generierung und der Auswahl von Ideen (vgl. F LOWER / H AYES 1981): Schreibende müssen bewerten, ob die Idee, die sie entwickelt haben, die gestellte Frage beantwortet bzw. dem Ziel des Schreibens entspricht. Ist dies nicht der Fall, muss eine neue Idee generiert werden, häufig noch bevor ein einziges Wort geschrieben ist. Das Gleiche gilt für das Planen des Textes oder das Formulieren. Auch das aktive Lesen des eigenen Textes im Entstehungsprozess führt zu erneuter Evaluation und damit u.U. wieder zu Revisionen (vgl. V AN DEN B ERGH / R IJLAARSDAM 2007). C HENOWETH / H AYES (2001) untersuchten, inwieweit sich die Zeitpunkte der Revision und deren Erfolg in L1 und FS unterschieden. Sie stellten fest, dass bei L1- Schreibenden eine aktive Revision während der Textproduktion zu großen Verbesserungen führte, dass dies bei FS-Schreibenden aber nicht der Fall war. Für diese war es am effektivsten, den Text erst nach der Fertigstellung zu überarbeiten. Dies begründen die Autor(inn)en damit, dass es aufgrund der höheren kognitiven Ansprüche beim FS-Schreiben sinnvoller sei, die Anzahl der parallel ausgeführten Subprozesse zu reduzieren und den Fokus stärker auf den gerade ausgeführten Prozess zu setzen (siehe Abschnitt 2). Dennoch ist es wichtig, die Revision ausgiebig zu nutzen. B ECKER (2006) zeigt z.B., dass gute FS-Schreibende deutlich mehr Zeit für die Revision verwendeten als schlechte Textproduzierende. Dies hing in ihrer Studie auch damit zusammen, auf welcher Ebene die Revision stattfand: auf der niedrigen Ebene der lokalen Fehlerkorrektur oder der Revision globaler Elemente (vgl. K ELLOGG 1996). B EREITER / S CARDAMALIA (1987: 22) stellen fest, dass bei Anfänger(inne)n, unsicheren Schreibenden und den FS-Schreibenden die Überarbeitung häufig auf einem „cosmetic level of little more than proofreading“ stattfindet. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt X U (2018), die bei einer Analyse von Tastaturprotokollen feststellte, dass FS-Schreibende mit niedriger Schreibkompetenz häufiger kleine Einheiten auf oberflächlicher Ebene revidierten, die ihnen während der Ausführung auffielen, während FS-Schreibende mit hoher Kompetenz größere Einheiten revidierten, die auch weiter vom davor aktuellen Schreibpunkt entfernt lagen. Dies kann daran liegen, dass den FS-Schreibenden mit niedriger Kompetenz die diagnostischen Fähigkeiten für die Analyse des eigenen Textes fehlen, oder daran, dass es dem Arbeitsgedächtnis aufgrund der mit dem Revidieren verbundenen kognitiven Ansprüche an den nötigen Kapazitäten mangelt, um Probleme auf höherer Ebene auszumachen bzw. zu lösen (vgl. B REETVELT / VAN DEN B ERGH / R IJLAARSDAM 1994; M C C UTCHEN 2011; P HILIPPS / B ADDELEY 1989). B REUER (2017) untersuchte, ob es Unterschiede bei Schreibenden zwischen der Revision in der Erst- und in der Fremdsprache gab. Die Teilnehmenden in ihrer Studie waren dabei in beiden Sprachen nicht unbedingt revisionsfreudig. Der Großteil der 30 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 durchgeführten Korrekturen betraf orthographische Fehler, die meisten davon waren reine Tippfehler: bis zu 53,5% im FS-Text und 60,43% im L1-Text. Dass hier in der L1 mehr Korrekturen auftraten, lag zum einen an der höheren Tippgeschwindigkeit und den damit verbundenen Flüchtigkeitsfehlern, aber auch an einem schnelleren und sichereren Erkennen dieser Fehler. Schaut man genauer auf die Revisionen auf der höheren Ebene, so zeigt sich, dass hier in der FS ein stärkerer Fokus auf das Hinzufügen oder Wegstreichen von Inhalten lag. In der L1 spielte zwar der Inhalt auch die größte Rolle in der Überarbeitung, die Wortwahl, also das Register, nahm aber einen ähnlich hohen Stellenwert ein. Dennoch waren auch auf diesen höheren Ebenen die Revisionen sporadisch. Die Textstruktur blieb meist unberührt, die eingefügten Inhalte beschränkten sich auf Nebensätze und die stilistische Überarbeitung war in beiden Sprachen gering. Interessant ist, dass vor den aufwendigeren Revisionen in der L1 häufig keine Pause vor der Überarbeitung des gerade Geschriebenen stattfand, sondern die textliche Schwäche während der Ausführung entdeckt wurde. In der FS geschahen diese Änderungen häufiger nach Pausen, liefen also eher so ab, wie von C HENOWETH / H AYES (2001) empfohlen. Dass in beiden Sprachen die Revision hauptsächlich auf lokaler Ebene stattfand, unterstreicht, dass für viele Studierende das akademische Genre eine Art Fremdsprache darstellt (vgl. H EINE 2010), also auch in der L1 die Schreibprozesse nur bedingt parallel stattfinden können. In diesem Zusammenhang ist interessant, wie Studierende FS-Schreibenden Feedback geben. In einer Fallstudie beobachtete B REUER (2016b), welchen Einfluss unterschiedliche Feedback-Bedingungen auf das gegebene und das akzeptierte Feedback hatten: Einmal gab eine FS-Gruppe, einmal eine L1-Peerberaterin und einmal eine FS-Peerberaterin jeweils einer FS-Studierenden Feedback zu einem von ihr geschriebenen akademischen Aufsatz. Die nicht angeleitete FS-Gruppe gab ihrer Kommilitonin ausschließlich Rückmeldung zu Sprache und Sprachgebrauch bzw. machte hierfür Korrektur- und Verbesserungsvorschläge, die von der Schreiberin ohne weitere Kontrolle übernommen wurden (auch wenn hierdurch genauso häufig Verschlechterungen wie Verbesserungen entstanden). Die L1-Peerberaterin beschränkte ihre Kommentare ebenfalls weitgehend auf sprachliche Aspekte, sodass in diesem Bereich nach der Überarbeitung zwar Optimierungen festgestellt wurden, das eigentlich relevante Problem aber unbearbeitet blieb. Einzig der FS-Peerberaterin gelang es, den Fokus auf die eigentlichen Schwachpunkte zu setzen und dies konstruktiv-kooperativ zu tun, sodass nach dem Gespräch über den Text eine echte (selbstständige) Überarbeitung stattfand. Ausschlaggebend für die Akzeptanz des reduzierten Feedbacks in den ersten beiden Fällen war, dass die Ratsuchenden kein anderes Feedback erwartet hatten, wie sie im Interview angaben. Ähnliche Schlüsse zieht auch W ANG (2016), die bemerkt, dass chinesische Studierende im Feedback ausschließlich auf Fehlerkorrekturen abzielten, weil sie dies so von der Lehre zu Hause gewöhnt waren. V AN S TEENDAM et al. (2014) untersuchten in Bezug auf die FS-Schreiblehre, inwieweit eine kurze Einführung in eine Strategie und deren anschließende Vorführung (= modelling) Abhilfe bei schlechten Revisionsprozessen schaffen könnten. Hierfür bekamen die Teilnehmenden in Gruppen die Aufgabe, Bewerbungsschreiben Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 31 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 in Paaren zu überarbeiten. Die Gruppen wurden nach unterschiedlichen Sprach- und Schreibkompetenzen eingeteilt sowie nach unterschiedlichen Anleitungsformen. Eine Gruppe erhielt Unterricht in Form einer Modellierung, wonach die Teilnehmenden die gezeigte Strategie selbst anwendeten. Die zweite Gruppe arbeitete nach dem Learning-to-write-Prinzip, das heißt, die Studierenden sollten im Schreiben lernen, sowohl die Aufgabe durchzuführen als auch die Schreibprozesse zu überwachen und zu bewerten. Die Auswertung der Tests zeigt, dass beim kollaborativen Schreiben in den heterogenen Gruppen die weniger kompetenten Schreibenden vom Learning-towrite-Modell sehr viel mehr profitierten als die guten Schreibenden. Bei der Modellierung profitierten beide, egal, wie die Paare zusammengesetzt waren. Die kollaborative Überarbeitung in der Fremdsprache funktionierte durch das Auseinanderziehen der Prozesse (Methode separat lernen, beobachten, anwenden) generell besser als ein paralleles Arbeiten mit Selbstmonitoring, da die Schreibenden sich so auf ihre jeweiligen kognitiven Gegebenheiten besser einstellen und das zu Lernende passend für sich herausfiltern konnten. Alle vorgestellten Studien demonstrieren, dass es Unterschiede in L1- und FS- Revision gibt, dass hier aber schon Ansätze für Methoden zur besseren Unterstützung existieren. 7. Schluss Kommunikation findet heute oft in multilingualer und - als Folge technischer Entwicklungen - auch immer häufiger in schriftlicher Form statt. Damit ist es von elementarer Bedeutung, möglichst flüssig unterschiedliche Textarten in unterschiedlichen Sprachen rezipieren und produzieren zu können. Der derzeitige Stand der Forschung zu den Schreibsubprozessen und ihren Unterschieden in L1 und FS macht deutlich, dass von der Ideengenerierung bis zur Revision die kognitiven Belastungen beim Schreiben in der FS wesentlich höher sind als beim L1-Schreiben. Dies zeigt sich in geringerer oder qualitativ schlechterer Ideengenerierung sowie in Problemen bei der Textplanung, Textformulierung und der Textüberarbeitung. Selbst die reine Ausführung ist weniger flüssig und hat damit ebenfalls Auswirkungen auf andere kognitive Teilprozesse. In der Lehre und in der Arbeit mit FS-Schreibenden sollten darum alle Schreibprozesse möglichst individuell gefördert werden. Die unbewusste Übernahme von Methoden, die man in der L1 anwendet, reicht nicht aus, um effektiv mit den kognitiven Anforderungen umzugehen und die Textproduktion auch in der FS reibungslos und erfolgreich zu gestalten. Elementar ist hier z.B., dass Lehrende von Beginn an Wert darauf legen, den Lernenden klar darzulegen, dass Schreiben kein in sich geschlossener Prozess ist, sondern dass er sich herunterbrechen und in kleineren Schritten trainieren lässt. Den damit verbundenen Herausforderungen müssen die Lehre, aber auch Politik und Wirtschaft eine größere Aufmerksamkeit schenken. Wichtig für die Forschung ist, die häufig immer noch monolinguale, „subtractive“ (L AMBERT 1975) Sicht auf 32 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Mehrsprachigkeit aufzugeben (vgl. F AIRCLOUGH 2015) und eine wertschätzende Perspektive einzunehmen, die die FS-Peerberatende in B REUER s Studie (2016b) wählte: Multilinguale Schreibende haben den Vorteil, dass sie nicht nur mehrere Sprachen (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau) beherrschen, sondern dass sie auch in der Lage sind, Genres und kulturelle Perspektiven zu wechseln und neue Impulse zu geben, indem sie z.B. Elemente der einen (Schreib-)Kultur in die andere übertragen und so die Horizonte der Leser(innen) erweitern. Dies FS-Schreibenden sowohl in der Schule, in der Ausbildung oder an der Hochschule als auch im späteren beruflichen Leben zu vermitteln ist eine wichtige Aufgabe, die - gerade im Bereich der Lehrendenausbildung - nicht aus den Augen verloren werden darf. 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Second, similarities and differences in writing in two languages are difficult to ascertain, as the vast majority of L2 writing research either neglects the L1 completely, or compares L2 writers to different L1 writers (thus invoking between-group comparisons to draw within-group conclusions). Finally, transfer of writing skills between languages is often assumed, even though actual research on transfer is scarce. We evaluate studies on bilingual writing that question how writing in different languages is related, and consider implications for researching and teaching writing in multilingual contexts. 1. Einleitung Aus Gründen soziopolitischer Gegebenheiten, kombiniert mit überregionalen Bildungsstudien, ist in den letzten Jahren verstärkt öffentliches und somit auch akademisches Interesse für Lernende zu verzeichnen, die in anderen Sprachen als der jeweiligen Familiensprache agieren. Dies betrifft auch die Schreibforschung und die Schreibdidaktik. Im Zentrum der Schreibforschung in Bildungskontexten stehen daher immer öfter Personen, die in mindestens zwei Sprachen schriftlich kommunizieren können bzw. lernen zu kommunizieren. Diese als „mehrsprachige Schreibende“ bezeichneten Personen stammen aus unterschiedlichsten Spracherwerbskontexten. Obwohl alle in der Sprache der schulischen Bildung schreiben, ist diese nicht immer (1) die in der Familie erworbene Erstbzw. Hauptkommunikationssprache, sondern kann auch (2) eine Zweitsprache dar- * Korrespondenzadressen: Marie-Christin R EICHERT , Universität zu Köln, Philosophische Fakultät: Institut für deutsche Sprache und Literatur II, Albertus-Magnus-Platz 1, 50923 K ÖLN E-Mail: m.reichert@uni-koeln.de Arbeitsbereiche: Bilingualität, Schreibprozesse und (mehrsprachige) Schreibdidaktik, Deutsch für neu zugewanderte Schüler(innen) Prof. Dr. Nicole M ARX , Universität zu Köln, Philosophische Fakultät: Institut für deutsche Sprache und Literatur II, Albertus-Magnus-Platz 1, 50923 K ÖLN E-Mail: n.marx@uni-koeln.de Arbeitsbereiche: Zweit-, Fremd- und Tertiärsprachenlernen, Mehrsprachige Lehr- und Lernansätze, Quantitative Forschungsmethoden in der Sprachlehr-/ -lernforschung Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 37 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 stellen. Hinzu kommt für alle Lernenden (3) das Schreiben in einer institutionell erworbenen Fremdsprache, bei manchen auch (4) das Schreiben in einer Herkunftssprache. Die Entwicklung von Schreibfähigkeiten in diesen Kontexten vollzieht sich dabei unter z.T. recht unterschiedlichen Bedingungen. Aussagen über das Schreiben bei mehrsprachigen Personen werden deutlich erschwert, wenn diese unterschiedlichen Situationen gemeinsam behandelt werden - dazu gehört vor allem die Verquickung der Situationen (1) und (4) mit der Bezeichnung „Schreiben in L1“ sowie die Zusammenlegung von Situationen des Zweit- und des Fremdsprachenschreibens als „L2-Schreiben“. Diese unklaren Gruppenbildungen prägen die gesamte Geschichte der Zweit- und Fremdsprachenforschung und führen zeitweilen zu Aussagen über gänzlich verschiedene Zielgruppen 1 . Dies ist deswegen ein Problem für Forschung sowie Unterrichtspraxis, weil literale Erfahrungen in den Sprachen stark divergieren können. So weisen Schreibende häufig weniger ausgebaute literale Fähigkeiten 2 in der Herkunftssprache (Erwerbskontext 4) als in der Sprache der schulischen Bildung (Erwerbskontext 1) auf und entsprechend schwächere Schreibkompetenzen in der Herkunftssprache (vgl. z.B. B REHMER / M EHLHORN 2018; M ENKEN / K LEYN 2010; W ENK et al. 2016). Gleichzeitig genießen Schreibende im Erwerbskontext 2 eine deutlich längere und umfangreichere literale Erfahrung in der Sprache der schulischen Bildung als Lernende einer Fremdsprache, obwohl diese oft als „L2-Schreibende“ zusammengelegt werden. U.U. ist es deswegen sinnvoller, nicht die (vermeintliche) L1 zu untersuchen, sondern das Schreiben in der Sprache der Erstliteralisierung. Im vorliegenden Artikel wird aus den oben genannten Gründen besonders auf die sorgfältige Bestimmung der Schreibsituation von Studienteilnehmenden geachtet. Dem Schreiben mehrsprachiger Schreibender wird im Folgenden v.a. unter dem Gesichtspunkt des Schreibens in mindestens zwei Sprachen derselben Informanten nachgegangen. Dabei wird auf die o.g. verschiedenen Sprachverwendungskonstellationen eingegangen und gefragt, inwiefern sich das Schreiben derselben Schreibenden in verschiedenen Sprachen ähnelt bzw. worin es sich unterscheidet. Hierfür werden zunächst Forschungsschwerpunkte und -desiderata in der Schreibforschung mit zwei- und mehrsprachigen Personen diskutiert. Anschließend werden Forschungsstudien zu mehrsprachigen Schreibenden mit Bezug auf Schreibprozess, Schreibprodukt und Schreibentwicklung besprochen. Der Beitrag schließt mit Überlegungen zu der Frage, welche Konsequenzen sich aus diesen Erkenntnissen für eine mehrsprachige Schreibdidaktik im fremd- und zweitsprachlichen Unterricht ergeben. 1 Für eine weitere Diskussion dieser Problematik mit Bezug auf bi- und multilinguale Schreibende vgl. M ARX 2017, 2019. 2 Mit den Begriffen literale Erfahrungen bzw. literale Fähigkeiten wird nicht zwischen rezeptiven und produktiven Tätigkeiten unterschieden, vielmehr steht der Kontakt mit geschriebener Sprache und ihren konzeptionellen Bedingungen im Vordergrund. Der Erwerb rezeptiver und produktiver literaler Fähigkeiten stützt sich gegenseitig, beispielsweise wird distanzsprachliches Wissen, das beim Schreiben eingesetzt wird, insbesondere durch das Lesen oder das Hören von Vorgelesenem aufgebaut. 38 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 2. Zur Erforschung des Schreibens bei Mehrsprachigen Das Schreiben unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit genießt nach wie vor berechtigte Forschungsaufmerksamkeit. Dabei geht es i.d.R. darum, zu eruieren, inwiefern L2-Schreibende anders schreiben als L1-Schreibende. Zur bisherigen Forschungslage sind hier drei kritische Punkte zu nennen, die die Modellierung des Schreibens unter Mehrsprachigen deutlich erschweren. Es handelt sich um (1) die Unterscheidung von sprachenübergreifendem und sprachenspezifischem Wissen bzw. Schreibfähigkeiten und das damit verbundene interlinguale Transferpotenzial, (2) die in Forschungsstudien fokussierten Sprachenkonstellationen und deren Benennung sowie (3) die dort fokussierten sprachlichen Ebenen und Einheiten. Zum ersten Punkt: Als komplexe kognitive Tätigkeit sind diverse kognitive Fähigkeiten und Wissenselemente (logisches Denken, Strukturieren, Textmusterwissen etc.) am Schreibprozess beteiligt. Schon aus diesem Grund ist anzunehmen, dass das Schreiben in unterschiedlichen Sprachen viele ähnliche Fähigkeiten involviert. Solche Schreibfähigkeiten sind also als transversal (B ERTHELE / L AMBELET 2018a) zu verstehen, d.h. als für das Schreiben in unterschiedlichen Sprachen anwendbar, sie unterliegen keinen sprachenspezifischen Bedingungen. In didaktischen Kontexten ist allerdings eine weitere Überlegung relevant. Es wird i.d.R. angenommen, dass Fähigkeiten, die in einer Sprache erworben wurden, in einer anderen Sprache aufgegriffen werden können („Transfer“). Ein interlingualer Transfer von Fähigkeiten kann, zumindest theoretisch, entweder ohne Eingriff der Lehrperson erfolgen oder erst nach weiteren (unterrichtlichen) Maßnahmen, die Transferprozesse unterstützen. Transfer kann dann das Schreiben in einer anderen Sprache unterstützen oder auch beeinträchtigen. Besonders häufig trifft man auf diese Annahme bei didaktischen Ansätzen, die Sprachfähigkeiten von Herkunftssprachensprechenden in der Sprache der schulischen Bildung („L2“) durch eine Unterstützung der Herkunftssprache („L1“) fördern sollen. Damit werden irrtümlicherweise aus dem gut belegten Zusammenhang von Sprachfähigkeiten in L1 und L2 (vgl. B AKER 2001; C OLLIER / T HOMAS 2017; C UMMINS 2000) didaktische Konsequenzen gezogen, die unterrichtliche Maßnahmen einfordern. Hierfür ist es wichtig, zwischen Transversalität und Transfer und ihren jeweiligen Konsequenzen für die Praxis zu differenzieren. Im Wesentlichen geht es dabei um folgende drei Fragen (vgl. M ARX , erscheint 2020): 1. Ist das Schreiben überhaupt eine sprachenübergreifende Fähigkeit? (Transversalitätsfrage) 2. Inwieweit ist Schreibkompetenz in eine andere Sprache übertragbar? (Transferfrage) 3. Welche unterrichtlichen Maßnahmen fördern Transferprozesse? (Transferfrage mit didaktischen Konsequenzen) Eine Beschäftigung mit den ersten beiden Fragen hat das Potenzial, Lehrkräfte im Schreibunterricht zu informieren. Sind Schreibfähigkeiten transversal oder sogar Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 39 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 offen für einen interlingualen Transfer, kann bei der Bearbeitung ähnlicher Gegenstände (wie z.B. der Erarbeitung von Schreibstrategien oder der Behandlung vergleichbarer Textsorten) fächerübergreifend kooperiert werden; in der Minimalform bedeutet dies, dass bereits in einer Sprache eingeführte Informationen in einem anderen Sprachenfach nicht wieder von Null erarbeitet werden müssten. Für eine weiterreichende Schreibförderung und eine Entwicklung des eher monolingual ausgerichteten Schreibunterrichts hin zu einem transferfördernden Unterricht ist dagegen nur die letzte Frage relevant. Sie ermittelt, welche Maßnahmen solche Transferprozesse begünstigen, die eine besondere Förderung oder Bewusstmachung erfordern. Für die Beantwortung aller Fragen ist es aber absolut notwendig, das Schreiben in mindestens zwei Sprachen derselben Personen zu untersuchen. Nur dies erlaubt es, zu ermitteln, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Schreibens in unterschiedlichen Sprachverwendungskonstellationen wie den in Kapitel 1 dargelegten liegen, und somit auch, welche Schreibfähigkeiten sprachenübergreifend vorliegen. Das führt dann direkt zum zweiten Kritikpunkt, der auf die in Kapitel 1 besprochenen Gruppenbildungen zurückgeht: Es wird fast ausschließlich das Schreiben in einer „L2“ (Fremd- oder Zweitsprache) fokussiert. Werden Vergleiche gezogen, handelt es sich i.d.R. um eine Kontrastierung von „L2-Schreibenden“ mit (unterschiedlichen, aber in der gleichen Sprache Schreibenden) „L1-Schreibenden“ der Gruppe 1. Dabei werden Schreibende der o.g. Sprachverwendungskonstellationen 2 und 3 sowohl aus Forschungsals auch aus didaktischer Perspektive meist nur in ihrer Zweit- oder Fremdsprache betrachtet. Oft werden dann in Forschungsüberblicken diese zwei Gruppen als eine behandelt („L2-Schreibende“), trotz der damit verbundenen, sich deutlich unterscheidenden Lernvoraussetzungen und Unterrichtssituationen. Nur äußerst selten erheben Studien Daten in zwei (oder mehr) Sprachen derselben Schreibenden. 3 Damit verhindert schon das Untersuchungsdesign Aussagen über sprachenübergreifende Phänomene wie Transversalität oder Transfer. Der dritte Kritikpunkt betrifft die Tatsache, dass Studien zum Schreiben von Mehrsprachigen vornehmlich das Schreibprodukt analysieren. Dies führt notwendigerweise zu einer Fokussierung sprachlicher Merkmale, die von mikrostrukturellen Aspekten wie der Orthografie bis hin zu makrostrukturellen wie Textkohärenz und Textaufbau reichen. Ein Nebenprodukt dessen ist, dass oft anhand von Schreibprodukten andere (sprachliche) Fokusse erforscht werden. Es geht somit nicht um das Schreiben per se, sondern vielmehr um z.B. ausgewählte syntaktische Strukturen oder einen bestimmten Wortschatzbereich. Das führt weiter dazu, dass das Schreiben in der Zweit- oder Fremdsprache v.a. als sprachliche, jedoch nicht als potenziell sprachenübergreifende kognitive Fähigkeit verstanden wird - im starken Kontrast zu gängigen Modellen der Schreibprozessforschung (vgl. u.a. H AYES / F LOWER 1980, in der letzten Überarbeitung H AYES / O LINGHOUSE 2015), die das Schreiben unter primär kognitiven Gesichtspunkten betrachten. Somit wird das Schreiben von Mehrsprachi- 3 Auch wenn manche Studien Texte in zwei Sprachen derselben Schreibenden erheben, werden diese teils nicht in Verbindung zueinander gesetzt (wie im Falle der DESI-Studie, DESI-K ONSORTIUM 2008). 40 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 gen durch die Produktfokussierung nicht nur auf Einzelaspekte wie z.B. den Wortschatz reduziert, auch kann weiteren potenziell sprachenübergreifenden Prozessen nicht nachgegangen werden. Die drei genannten Kritikpunkte ergeben eine Forschungslandschaft, die in ihrer Gesamtheit nur im begrenzten Rahmen Aussagen über das Schreiben von Mehrsprachigen machen kann. Da die Schreibdidaktik insbesondere unter der fehlenden Unterscheidung zwischen Transversalität, dem unterrichtlich nicht eingeleiteten Transfer und dem transferdidaktischen Unterricht leidet, werden im Folgenden empirische Erkenntnisse hierzu genauer in den Blick genommen. Dabei werden nur solche Untersuchungen besprochen, die dieselben Schreibenden in mindestens zwei Sprachen miteinander vergleichen. Bei der Darstellung wird darauf geachtet, ob die Studien eher auf die Frage von Transversalität, (nicht angeleitetem) Transfer oder Transferdidaktik eine Antwort suchen. Für den erleichterten Anschluss an weitere Forschungsüberblicke ist die Diskussion in die traditionellen Forschungsbereiche Schreibprozess, Schreibprodukt und Schreibentwicklung gegliedert. 3. Erkenntnisse zu Transfer und Transversalität von Schreibfähigkeiten Die Untersuchung von Schreibfähigkeiten kann aus verschiedenen Perspektiven erfolgen. So kann entweder betrachtet werden, wie Schreibende vorgehen, wenn sie Texte erstellen (Prozessperspektive), oder welche Eigenschaften die verfassten Texte haben (Produktperspektive). In beiden Fällen können entweder in einer Querschnittsuntersuchung deren Ausprägung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einer longitudinalen Untersuchung deren Entwicklung untersucht werden. Im Folgenden werden entlang dieser Perspektiven Erkenntnisse zum Schreiben Multilingualer berichtet. Um der Transversalität und dem Transfer von Schreibfähigkeiten nachzugehen, werden im Folgenden nur solche Untersuchungen besprochen, die das Schreiben derselben Schreibenden in mindestens zwei Sprachen vergleichen. Dabei wird insbesondere der Sprachverwendungskontext berücksichtigt, für den die berichteten Ergebnisse gelten. Die Untersuchungen vergleichen zumeist entweder die Erstsprache (Sprachverwendungskontext 1) mit einer Fremdsprache (Kontext 3) oder die (in der Familie weniger gesprochene) Verkehrssprache (Kontext 2) mit der Herkunftssprache (Kontext 4). Zentrale Überlegung für diese Einteilung ist, dass für den Erwerb und den Transfer von Schreibfähigkeiten nicht ausschließlich der Spracherwerbsstatus (Erst-, Zweit- oder Fremdsprache), sondern insbesondere auch Art und Umfang der Literalitätserfahrung (z.B. Sprache der Erstliteralisierung, Sprache der bisherigen schulischen Bildung) in dieser Sprache relevant sind. Beispielsweise gilt für den Spracherwerbskontext (2) zwar, dass die untersuchte Sprache nicht als Erstsprache erworben wurde, dass in ihr aber Schreibfähigkeiten zuerst und i.d.R. auch am umfangreichsten erworben wurden. Es wurden zudem solche Studien aufgegriffen, die besonders repräsentativ für die Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 41 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 verschiedenen Aspekte des Schreibens sind und darüber hinaus plausibel darlegen, dass die empirischen Gütekriterien für wissenschaftliche Untersuchungen erfüllt wurden. Weil nicht alle Elemente des Schreibens durch solche Studien erforscht worden sind, werden im Folgenden nur ausgewählte Aspekte des Schreibprozesses, des Schreibprodukts und der Schreibentwicklung berichtet. 3.1 Schreibprozess Aus Prozessperspektive wird das Schreiben v.a. als kognitive Aktivität des Problemlösens verstanden, bei dem Schreibende ein kommunikatives Anliegen in einen Text umsetzen. An diesem Prozess sind unterschiedliche Komponenten beteiligt, die die Entwicklung des Textes strukturieren und auf unterschiedlichen Ebenen anzusiedeln sind (vgl. H AYES / O LINGHOUSE 2015). Wird der sprachenübergreifende Zusammenhang oder Transfer von Schreibfähigkeiten aus Prozessperspektive untersucht, geschieht dies meist, indem das Schreibverhalten derselben Personen in zwei Sprachen verglichen und daraus auf diese Komponenten zurückgeschlossen wird. Im Folgenden werden drei häufig genannte Prozessaspekte besprochen: die Schreibflüssigkeit, Schreibstrategien und der Schreibfokus sowie schließlich Revisionsprozesse als besonders intensiv beforschte Komponente des Schreibprozesses. 3.1.1 Schreibflüssigkeit Mit der Schreibflüssigkeit wird gemessen, wie viel Text (Wörter oder Zeichen) ein Schreibender pro Zeiteinheit bzw. ohne Unterbrechung durch eine Pause oder Revision produziert. Daraus kann abgeleitet werden, wie automatisiert der Schreibprozess erfolgt und wie effektiv Schreibende Inhalte in sprachliche und textliche Strukturen übersetzen können. Je flüssiger das Schreiben ist, desto weniger Aufmerksamkeit muss motorischen oder formalen Aspekten gewidmet werden und desto umfangreicher werden Formulierungsprozesse vollzogen. Allgemein zeigt sich, dass Mehrsprachige in der literal stärker ausgeprägten Sprache über eine höhere Schreibflüssigkeit verfügen (s. auch B REUER in diesem Heft). So beobachten M IKULSKI / E LOLA (2011) gemessen an der insgesamt produzierten Wörterzahl sowie der Satzlänge eine höhere Schreibflüssigkeit in der Studiersprache Englisch als in der Herkunftssprache Spanisch (Vergleich der Sprachverwendungskontexte 2 und 4). Ebenso ist das Schreiben in einer Erstsprache flüssiger als das Schreiben in einer Fremdsprache (Kontexte 1 und 3), wie für verschiedene Sprachen gezeigt werden konnte. C HENOWETH / H AYES (2001) beobachten anhand von Lautdenkprotokollen Bachelorstudierender mehr ohne Unterbrechung produzierten Text, mehr pro Minute geschriebene Wörter sowie weniger Revisionen in der Erstsprache Englisch als in den Fremdsprachen Französisch oder Deutsch. Auch keystroke logging-Daten zeigen Ähnliches (z.B. VAN W AES / L EIJTEN 2015 für die Erstsprache Niederländisch und verschiedene Fremdsprachen sowie L INDGREN / S PELMAN M ILLER / S ULLIVAN 2008 für die Erstsprache Schwedisch und die Fremdsprache Englisch); zudem weist das Schreiben in der Erstsprache 42 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 weniger Pausen auf. Als Fazit kann festgehalten werden, dass in der literal schwächeren Sprache Ressourcen weniger automatisiert abgerufen werden, was insgesamt zu einer Verlangsamung des Schreibprozesses führt. Das deutet darauf hin, dass die Schreibflüssigkeit eher nicht als transversales Merkmal zu verstehen ist, sondern stark vom Erwerbsstatus bzw. der Schreiberfahrung in der jeweiligen Sprache abhängt. 3.1.2 Schreibstrategien Neben dieser stark quantitativen Berechnung der Schreibflüssigkeit werden einzelne Schreibhandlungen differenzierter betrachtet. Hierzu gehört v.a. der Aufmerksamkeitsfokus der Schreibenden. Solche Untersuchungen fokussieren das Planen und den Rückgriff auf Schreibstrategien fast ausschließlich in den Sprachverwendungskontexten 1 und 3. Dass die Hauptkomponenten des Schreibens in unterschiedlichen Sprachen ähnlich verlaufen, konnten bereits frühe Untersuchungen zeigen. P ENNINGTON / S O (1993) beobachten einen ähnlichen Strategiegebrauch in beiden Sprachen. Auch für das Planungsvorgehen (U ZAWA 1996) und Strategien der Text- und Ideengenerierung (B EARE / B OURDAGES 2007) zeigt sich ein ähnliches Schreibverhalten in Erst- und Fremdsprache. Um dem Transfer von metakognitiven Schreibstrategien (Planen, Monitoring, Fehlerkorrektur) nachzugehen, untersucht F ORBES (2016) in einer experimentellen Studie die Effekte eines Strategietrainings in der Fremdsprache Deutsch auf das Schreiben in dieser Sprache und in der Erst- und Schulsprache Englisch. Dabei stellt sie fest, dass das Strategietraining zunächst nur zu einer veränderten Strategieanwendung im Deutschen führt. Erst nach einer zweiten Intervention, bei der auch im Englischen Schreibstrategien thematisiert worden waren, konnte eine Auswirkung auf das Schreiben im Englischen beobachtet werden. Für die Untersuchungsgruppe konstatiert F ORBES außerdem starke Ähnlichkeiten zwischen der Fremdsprache Deutsch, in der das Strategietraining stattgefunden hat, und der Fremdsprache Französisch ohne Strategietraining. Da die Kontrollgruppe nicht im Französischen untersucht wurde, kann jedoch keine Aussage über die Wirksamkeit dieser didaktischen Intervention getroffen werden. 3.1.3 Schreibfokus Wird der Aufmerksamkeitsfokus bei der Ausführung der Schreibhandlungen hinsichtlich des linguistischen Bereichs und der textuellen Ebene in beiden Sprachen verglichen, zeigen sich sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede. U ZAWA (1996) beobachtet in Schreibprozessen in Erst- und Fremdsprache eine ähnliche Verteilung der fokussierten Ebenen, wobei der Fokus in beiden Sprachen v.a. der globalen bzw. inhaltlichen Textebene galt. Dagegen verzeichnen W HALEN / M ÉNARD (1995) in fremdsprachlichen Schreibprozessen insgesamt einen höheren Aufmerksamkeitsfokus auf sprachlichen Oberflächenmerkmalen, d.h. auf der Mikroebene. Zwar ist das Revidieren auf textueller, pragmatischer und linguistischer Ebene in beiden Sprachen Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 43 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 ähnlich verteilt. Beim Planen und Evaluieren jedoch widmen die Schreibenden in der Fremdsprache generell den Strukturen unterhalb der Satzgrenze mehr Aufmerksamkeit, während sie in der Erstsprache stärker textuelle und pragmatische Textmerkmale fokussieren. Dieser Befund wird häufig so interpretiert, dass durch geringere Kompetenzen in der Fremdsprache weniger Ressourcen für Textfunktion und -struktur zur Verfügung stehen (s. auch B REUER in diesem Heft). 3.1.4 Revisionsprozesse und Textentwicklung Insbesondere mit dem Aufkommen digitaler Schreibmedien kommt Revisionsprozessen nicht nur für die Textoptimierung in einer abschließenden Schreibphase, sondern bereits während des Schreibens als Mittel der Textentwicklung Bedeutung zu. Durch Eingriffe und Veränderungen formen Schreibende den entstehenden Text und entwickeln so ihre Gedanken und entsprechende sprachliche Ausdrucksformen. Somit lassen sich aus diesen Prozessen Aussagen über den gesamten Textentstehungsprozess ableiten. Bislang wurden vor allem die Menge an Revisionen, aber auch der Fokus von Revisionshandlungen sowie deren zeitlicher Einsatz untersucht; dabei wurde nur der Frage der Transversalität nachgegangen. Die Quantität der Revisionen während des Formulierens wurde lediglich für Erst- und Fremdsprache (Sprachverwendungskontexte 1 und 3) verglichen. Die Untersuchungen kommen jedoch zu divergierenden Ergebnissen (s. auch B REUER in diesem Heft). Eine stärkere Revisionsaktivität in der Fremdsprache, faktisch immer die literal schwächere Sprache, wird durch vergleichsweise mehr Revisionen pro produziertem Text (vgl. T HORSON 2000; S TEVENSON / S CHOONEN / G LOOPER 2006; VAN W AES / L EIJTEN 2015), mehr produzierten Text zwischen zwei Revisionen (vgl. B REUER 2015) sowie einen höheren Anteil der Revisionen an allen Schreibhandlungen (vgl. C HENOWETH / H AYES 2001) nachgewiesen. Allerdings scheinen die einzelnen Revisionen in der Erstsprache umfangreicher (mehr involvierte Zeichen und mehr auf die Revisionen verwendete Zeit) zu sein (vgl. VAN W AES / L EIJTEN 2015). Weitere gegenläufige Beobachtungen betreffen eine höhere absolute Revisionsanzahl in der Erstsprache (vgl. B REUER 2015: 203) oder auch das Fehlen eines Effektes der Sprache auf die Revisionsmenge (vgl. R EICHERT 2019). Hinsichtlich der Art bzw. des Fokus der Revisionen wird vornehmlich über Ähnlichkeiten zwischen den untersuchten Sprachen berichtet. So sind Revisionen auf Satzebene und höheren Textebenen und Revisionen am semantischen Gehalt in Erst- und Fremdsprache (vgl. L INDGREN / S PELMAN M ILLER / S ULLIVAN 2008; S TEVENSON / S CHOONEN / G LOOPER 2006; W HALEN / M ÉNARD 1995; R EICHERT 2019) sowie in Herkunfts- und Studiersprache (vgl. M IKULSKI / E LOLA 2011) ähnlich verteilt. In beiden Sprachen zeigt sich zudem eine Dominanz der Korrektur von Tippfehlern und von weiteren formalen Fehlern (vgl. B REUER 2015; R EICHERT 2019; S TEVENSON / S CHOO - NEN / G LOOPER 2006), auch wenn solche Fehler z.T. häufiger in der Fremdsprache auftreten (vgl. S TEVENSON / S CHOONEN / G LOOPER 2006; L INDGREN / S PELMAN M ILLER / S ULLIVAN 2008). Auch W HALEN / M ÉNARD (1995) beobachten, dass sprachliche 44 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 Revisionen in der Fremdsprache eher die Wortebene betreffen, während in der Erstsprache die Phrasen- und Satzebene fokussiert wird. Solche Unterschiede werden auf ein geringeres Sprachniveau in der Fremdsprache zurückgeführt. Bezüglich des Zeitpunkts der Revision kommen Untersuchungen zu unterschiedlichen Erkenntnissen. R EICHERT (2019) und T HORSON (2000) berichten in den untersuchten Sprachen keine Unterschiede hinsichtlich der Frage, ob eine Revision direkt nach dem Aufschreiben oder erst nach dem Entstehen weiterer Textteile durchgeführt wird. S TEVENSON / S CHOONEN / G LOOPER s (2006) Ergebnisse weichen mit Bezug auf den Inskriptionspunkt leicht davon ab: Sie beobachten gerade für die Fremdsprache häufigere Revisionen direkt nach dem Aufschreiben. Dies kann allerdings durch die relative Dominanz der formalen Revisionen und Tippfehler in der Fremdim Vergleich zur Erstsprache bedingt sein (s.o.). Insgesamt scheint das Revisionsverhalten von Schreibenden in beiden Sprachen mit Bezug auf Quantität, Fokus und Zeit des Überarbeitens recht ähnlich zu sein, sodass der Einsatz von Revisionsstrategien als Teil einer transversalen Schreibfähigkeit angenommen werden kann. 3.2 Schreibprodukt Der Vergleich des Schreibens in zwei Sprachen bezieht sich - wie in der Schreibforschung insgesamt - stärker auf quantitative und qualitative Textmerkmale als auf den Schreibprozess, sodass hier umfassendere Erkenntnisse zum Schreiben in beiden Sprachen vorliegen. Gemessen werden quantitativ das Merkmal der Textlänge und sowohl quantitativ als auch qualitativ die Textqualität. Letztere wird allerdings zunehmend an quantitativen Daten beforscht, die i.d.R. durch unterschiedliche Rating- oder auch Rankingverfahren entstehen. 3.2.1 Textlänge Eine wesentliche Eigenschaft von Texten, für die v.a. bei jüngeren Schreibenden Zusammenhänge mit der Textqualität nachgewiesen werden (G RABOWSKI et al. 2014: 152; für ältere Schreibende auch VAN W EIJEN / R IJLAARSDAM / VAN DEN B ERGH 2019), ist die Textlänge. Der Textumfang kann Auskunft darüber geben, wie ausführlich Inhalte dargestellt werden. Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen Textlänge und Schreibflüssigkeit: Wer flüssiger schreibt, also mehr Text ohne Unterbrechung produziert, ist in der Lage, mehr Text in einer vorgegebenen Zeit zu produzieren. Verschiedene Studien zeigen, dass bei mehrsprachigen Schreibenden die Textlängen in Erst- und Fremdsprache sowie in Herkunfts- und Schulsprache korrelieren (E GLI C UENAT 2017; B ÖHMER 2015; M ARX / S TEINHOFF 2017; M ONTANARI / S IMÓN -C EREI - JIDO / H ARTEL 2016; VAN W EIJEN / R IJLAARSDAM / VAN DEN B ERGH 2019). Dennoch finden sich auch Unterschiede. Die längeren Texte werden jeweils in der literal stärkeren Sprache produziert, d.h. in der Sprache der schulischen Bildung, ungeachtet, ob diese die Erst- oder Zweitsprache darstellt (B REUER 2015; M ARX / S TEINHOFF 2017; Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 45 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 S TEVENSON / S CHOONEN / G LOOPER 2006). Dies deutet darauf hin, dass Schreibfähigkeiten hinsichtlich der quantitativen Textproduktion zwar transversal sind, in einer literal schwächeren Sprache aber durch Einschränkungen in anderen Bereichen beeinflusst werden (s. auch B REUER in diesem Heft). 3.2.2 Textqualität Auch die Textqualität wird in bilingualen Studien in den Blick genommen. Zumeist wird entweder die globale Textqualität bewertet oder spezifischen (zumeist rhetorischen) Textmerkmalen nachgegangen. Verschiedene Untersuchungen zeigen Zusammenhänge zwischen Ergebnissen globaler Textratings in Schul- und Herkunftssprache (V ANHOVE / B ERTHELE 2018; M ARX / S TEINHOFF 2017; G ANTEFORT 2013; C ENOZ / G ORTER 2011) ebenso wie in Erst- und Fremdsprache (S ASAKI / H IROSE 1996; S CHOO - NEN et al. 2011; C ENOZ / G ORTER 2011; VAN W EIJEN / R IJLAARSDAM / VAN DEN B ERGH 2019; U ZAWA 1996). Dagegen können P ENNINGTON / S O (1993) und H IROSE (2003) keine Zusammenhänge der Textqualität in Erst- und Fremdsprache nachweisen. Diese abweichenden Befunde sind möglicherweise auf das deutlich niedrigere Sprachniveau in der Fremdsprache zurückzuführen (vgl. P ENNINGTON / S O 1993) oder darauf, dass zwei unterschiedliche Ratingverfahren in den untersuchten Sprachen eingesetzt wurden (vgl. H IROSE 2003). Auch für textsortenspezifische und rhetorische Merkmale werden mittlere bis starke Zusammenhänge zwischen beiden Sprachen berichtet. Untersucht wurden u.a. funktionale Elemente auf der textuellen Mesoebene beschreibender Texte (vgl. M ARX / S TEINHOFF 2017), Makrostruktur und Inhalt narrativer Texte (vgl. B ÖHMER 2015; M ONTANARI / S IMÓN -C EREIJIDO / H ARTEL 2016; S U / C HOU 2016) sowie Textstruktur und rhetorische Mittel in argumentativen Texten (vgl. H IROSE 2003; R USFANDI 2015; van W EIJEN / R IJLAARSDAM / VAN DEN B ERGH 2019; U YSAL 2012). Ähnlichkeiten hinsichtlich solcher Textmerkmale werden als Hinweis auf ein in beiden Sprachen gemeinsam vorliegendes Schreibwissen gedeutet. Gleichzeitig zeigen Unterschiede in den Texten, z.B. hinsichtlich Autorenreferenz (vgl. Ç ANDARLI / B AYYURT / M ARTI 2015) oder der Nutzung bestimmter argumentativer Elemente auf lokaler Textebene (vgl. R USFANDI 2015), dass Schreibende sich den unterschiedlichen kulturellen Schreibformen anpassen können und den Schreibkonventionen in beiden Sprachen gerecht werden. Des Weiteren scheinen bestimmte sprachliche Strukturen sprachenübergreifend zusammenzuhängen, wie E GLI C UENAT (2017) für Nebensätze und Konnektoren in Erst- und Fremdsprache ermittelt. Bezüglich der didaktischen Vermittlung sprachenübergreifenden Wissens (s.o. Frage 2), das die Textqualität beeinflusst bzw. aus ihr abgeleitet wird, gibt es nur wenig Forschung. So weisen M ARX / S TEINHOFF (2017) den Transfer textsortenspezifischer Handlungsschemata von der Schulin die Herkunftssprache nach (Sprachverwendungskontext 2 und 4). Ähnliches zeigt B ERMAN (1994) für den Aufbau von Textstrukturwissen für argumentative Texte. Jedoch konnten hier lediglich Effekte für die Instruktion in der Fremdsprache auf die Textqualität in der Erstsprache nachge- 46 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 wiesen werden (Sprachverwendungskontext 1 und 3). Die umgekehrte Situation, bei der die Instruktion in der Erstsprache stattfand, führte zu keiner Verbesserung der fremdsprachlichen Texte. Für die Textqualität kann also sowohl die Transversalität von Schreibfähigkeiten anhand des Zusammenhangs globaler Bewertungen und spezifischer Merkmale als auch der Transfer bestimmter Wissensbestände nach didaktischer Instruktion nachgewiesen werden. Letzterer scheint sich auch automatisch zu vollziehen, nachdem in einer Sprache eine Schreibinstruktion erfolgt ist; ein transferdidaktischer Unterricht war nicht notwendig. Dass bei B ERMAN (1994) kein Transfer aus der Erstin die Fremdsprache auftrat, könnte jedoch ein Hinweis darauf sein, dass unter bestimmten Bedingungen der Transfer didaktisch unterstützt werden müsste. Dies bleibt noch zu erforschen. 3.3 Schreibentwicklung Um zuverlässige Aussagen über eine mehrsprachige Schreibentwicklung, d.h. über Ähnlichkeiten im Schreiberwerb in mindestens zwei Sprachen treffen zu können, sind longitudinale Untersuchungen derselben Schreibenden notwendig. Zudem müssen unterschiedliche Erwerbskontexte (s. Kapitel 1) beachtet werden. Wohl aufgrund des höheren Forschungsaufwandes liegen bisher nur wenige Untersuchungen dazu vor. Für Grundschüler(innen) in zweisprachigen Schulmodellen können insofern ähnliche Entwicklungsverläufe beobachtet werden, als bestimmte Textmerkmale in beiden Sprachen ähnlich ausgeprägt sind und sich über die Zeit durch eine ähnliche Entwicklung (vgl. C ANO -R ODRÍGUEZ 2015) bzw. eine ähnliche Stagnation weiter angleichen (vgl. G ANTEFORT 2013). Diese Zusammenhänge legen nahe, dass auch aus Entwicklungsperspektive das Schreiben als eine transversale Fähigkeit angenommen werden kann. Inwiefern dieser Entwicklungsprozess durch didaktisch angeregte, sprachenübergreifende Maßnahmen beeinflusst und befördert werden kann, wurde bisher nicht untersucht. 4. Konsequenzen für eine an Mehrsprachigen ausgerichtete Schreibdidaktik Die Besprechung bisheriger Untersuchungen zum Schreiben in mindestens zwei Sprachen mehrsprachiger Schreibender ermöglicht v.a. eine Beantwortung der ersten beiden der in Kapitel 2 aufgestellten Fragen. Erstens ist zu konstatieren, dass sich sowohl aus Produkt- und Prozessals auch aus Entwicklungsperspektive mehrere Komponenten ausmachen lassen, die sich in zwei Sprachen von Mehrsprachigen ähnlich abbilden. Das Schreiben ist in diesem Sinne als eine v.a. sprachenübergreifende Fähigkeit zu verstehen (Transversalitätsfrage). Zweitens konnte gezeigt werden, dass neu gelernte Elemente in einer Sprache sich positiv auf das Schreiben in einer anderen Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? 47 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 Sprache auswirken können (Transferfrage). Dabei können Fähigkeiten und Wissen sowohl aus der literal stärkeren in die schwächere Sprache übertragen werden (von der Schulin die Herkunftssprache) als auch umgekehrt (von der Fremdin die Erstsprache). Beide Befunde beweisen, dass die verschiedenen Sprachenfächer sehr wohl am selben Gegenstand interessiert sind. Für genau diese Fächer ist daher ein Austausch anzuregen, um den parallelen Aufbau von Schreibfähigkeiten und Schreibwissen in der Praxis und sprachenfachübergreifend widerspiegeln zu können. Bezüglich der dritten Frage, ob ein transferdidaktischer Schreibunterricht fördernd wirkt, bietet die bisherige Forschung kaum Befunde. Es ist noch unklar, ob - und wenn ja, welche - Maßnahmen notwendig sind, um Transferprozesse didaktisch zu unterstützen, damit Schreibende in einem bestimmten Sprachgebrauchskontext besonders stark von Schreibfähigkeiten aus anderen Sprachkontexten profitieren. Dass solche Maßnahmen in manchen Situationen hilfreich, gar für einen erfolgreichen Transfer notwendig sein könnten, legt allerdings z.B. die Untersuchung von F ORBES (2016) nahe. Hier wirkte sich die fremdsprachliche Strategieförderung erst nach weiteren Maßnahmen in der Erstsprache positiv auf das erstsprachliche Schreiben aus. Das bedeutet für den Schreibunterricht, dass insbesondere Schreibstrategien in enger Kooperation zwischen den Sprachenfächern erarbeitet werden sollten. Ein Strategietraining, das aktiv fächerübergreifende Bezüge zwischen dem Schreiben und der Schreibinstruktion herstellt, wäre demnach förderlich. Insgesamt ist allerdings zu konstatieren, dass auf Grund der derzeitigen Forschungslage direkte Konsequenzen für den Schreibunterricht mit Mehrsprachigen nur mit Vorsicht zu ziehen sind. Sicherlich empfehlenswert ist, dass sich Lehrkräfte nicht nur über den bisherigen Schreibunterricht ihrer Lernenden im eigenen Sprachenfach informieren, sondern auch über Text- und Schreiberfahrungen in anderen Sprachen, seien dies die Sprache der institutionellen Bildung oder auch Fremd-, Zweit- oder Herkunftssprachen. Werden spezifische Themen wie z.B. „effektives Überarbeiten“, „Berichte schreiben“ oder „Peerfeedback geben“ in einer Sprache bearbeitet, kann es günstig sein, diese gleichzeitig in den anderen Sprachenfächern anzusprechen und somit sprachenfachübergreifende Lerneffekte zu erzielen. Ein solches Vorgehen eröffnet den Weg für einen möglichen Transfer von sprachlichen Fähigkeiten und den Aufbau transversaler Fähigkeiten; ob weitere Schritte noch effektiver für die Förderung des Schreibens über mehrere Sprachen hinweg sind, muss allerdings noch durch Forschungsstudien geklärt werden, die sowohl dem didaktisch nicht angeleiteten als auch dem didaktisch angeleiteten Transfer von Schreibfähigkeiten nachgehen. Literatur B AKER , Colin (Hrsg.) ( 3 2001): Foundations of Bilingual Education and Bilingualism. Clevedon: Multilingual Matters. B EARE , Sophie / B OURDAGES , Johanne S. (2007): „Skilled writers’ generating strategies in L1 and L2: An explanatory study“. In: T ORRANCE , Mark / VAN W AES , Luuk / G ALBRAITH , David 48 Marie-Christin Reichert, Nicole Marx DOI 10.2357/ FLuL-2020-0003 49 (2020) • Heft 1 (Hrsg.): Writing and Cognition. Research and Applications. Amsterdam: Elsevier, 151-161. 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The Standards of Education also reference canonized forms of writing in foreign language teaching: heuristic forms of writing to develop process and product knowledge, as well as evaluative forms. Other central forms of writing in foreign language teaching feature different forms of cooperation (individual, cooperative and collaborative) and different forms of knowledge (process and product knowledge), and thus mark the intersection with teaching methodology. Diagnostic multilingual writing complements the writing forms mentioned above. The article will finish by taking a look at culturally shaped forms of writing in France and English-speaking countries. 1. Die Funktion des Schreibens zum Aufbau fremdsprachlicher literaler Kompetenz Das Schreiben in der Fremdsprache ist alles andere als eine Fertigkeit, die gut trainierbar und leicht messbar wäre. Diese Feststellung bestätigt sich bei jedem Blick auf Lernertexte: Dem geschulten Auge des Unterrichtenden fallen Kohärenz- und Kohäsionsprobleme neben sprachunangemessenen Formulierungen auf, Eins-zu-Eins- Übertragungen aus der Erstsprache sowie Vermeidungs- und Reduktionsphänomene. Schon die Bezeichnung ,Fertigkeit‘ erscheint angesichts der Komplexität des Schreibens in der Fremdsprache als unangemessen bzw. verkürzend. Das Schreiben generell und natürlich auch das Schreiben in einer Fremdsprache wurden in den letzten zwanzig Jahren fachdidaktisch zunehmend als Komponente von Literalität bzw. von literaler Kompetenz wahrgenommen und modelliert. Der aus dem Englischen (literacy) übernommene Begriff bedeutet im didaktischen Diskurs weit mehr als nur die Fähigkeit, Texte lesen und schreiben zu können; ihn kennzeichnet vielmehr eine multiple Aspektstruktur. Besonders in der DaF-DaZ-Didaktik wurde * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bernd T ESCH , Romanisches Seminar Universität Tübingen, Wilhelmstraße 50, 72074 T ÜBINGEN E-Mail: bernd.tesch@uni-tuebingen.de Arbeitsbereiche: Romanistische Fachdidaktik. Forschungsschwerpunkte: Rekonstruktive Methodik und Methodologie, Normen und Praktiken des fremdsprachlichen Klassenzimmers, Literaturdidaktik 52 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 daher frühzeitig das umfassendere Konzept der Textkompetenz stark gemacht (vgl. P ORTMANN -T SELIKAS 2002; S CHMÖLZER -E IBINGER 2008). Der Linguist und Deutschdidaktiker Helmuth F EILKE (2011) unterscheidet bezogen auf literale Kompetenz einen Kulturaspekt, einen Handlungsaspekt und einen Strukturaspekt. F EILKE s Ansatz interessiert an dieser Stelle insofern, als die von ihm entworfene Aspektstruktur auch eine gute Passung zu den Formen und Funktionen des Schreibens in einer Fremdsprache aufweist, wobei heuristische Schreibformen, die dem Aufbau und der Entwicklung bestimmter Aspekte des fremdsprachlichen Schreibens dienen, von evaluativen Schreibformen, die der Diagnose und Überprüfung des Schreibens dienen, unterschieden werden können. Es ist hier nicht der Ort, die Relation von muttersprachlicher oder verkehrssprachlicher konzeptioneller Schriftlichkeit (vgl. K OCH / O ESTERREICHER 1985, 1994; F EILKE 2007) und der konzeptionellen Schriftlichkeit allgemein in Fremdsprachen zu bestimmen. Ebenso wenig ist es an dieser Stelle aus Platzgründen möglich, die von F EILKE aufgezählten Teilaspekte im Hinblick auf das fremdsprachliche Schreiben zu besprechen. Beispielhaft für den Kulturaspekt sei darauf hingewiesen, dass es eine literale Praktik des Schreibens im und für den Fremdsprachenunterricht gibt, die sich aus der kanonisierten Form der Abituraufgabe ableitet und meist zuerst eine Zusammenfassung (sum up ..., faites un résumé de ...), dann eine Analyse (analyse the attitude of, analysez le comportement) und zuletzt einen Kommentar (give your opinion, pesez le pour et le contre) oder einen kreativen Schreibauftrag beinhaltet. Diese Praktik hat im institutionalisierten deutschen Fremdsprachenunterricht eine mittlerweile fast fünfzigjährige Tradition. Komplementär dazu genießt das Schreiben im Fremdsprachenunterricht generell einen hohen Stellenwert für die Notenvergabe. Noch heute überwiegt die Schriftlichkeit im Abitur klar gegenüber mündlichen Prüfungsteilen. Ein bedeutsamer Handlungsaspekt des fremdsprachlichen Schreibens liegt in den Praktiken der sozialen Konstruktion von Sprache. Schreiben wird ebenso wie das Sprechen sozial gelernt (vgl. V YGOTSKY 1934/ 1970), insbesondere durch Problemlöseverhalten (vgl. F LOWER / H AYES 1977; B ERKENKOTTER 1982; C OE / R YCROFT / E RNEST 1983; F EILKE 2011). Zunächst dient die Lehrperson als Vorbild, zunehmend kommen dann - v.a. beim kollaborativen Schreiben (vgl. S TORCH 2011, 2013 W IGGLESWORTH / S TORCH 2012; L EHNEN 2014) - die Mitschüler hinzu. Die geschriebenen Texte, die den Lernenden in den schulischen Medien (v.a. Lehrwerk) und den außerschulischen Medien (v.a. Internet) begegnen, dienen als Modell. Die Rekonstruktion dieser Modelltexte bestimmt nun den Prozess des eigenen schriftlichen Kompetenzaufbaus ganz entscheidend und ist ein dauerhafter und langwieriger Vorgang, der insbesondere für die im Vergleich zum Englischen spät gelernten und mit kürzeren Lernstrecken ausgestatteten romanischen Schulsprachen eine Herausforderung darstellt. Hier versagt die relative Leichtigkeit des erstsprachlichen Schreibens zunächst völlig; die neuen Routinen müssen vor dem Hintergrund ständiger Fehleranfälligkeit und Ambiguitätskonflikte erst mühsam aufgebaut werden. Diese Beobachtung führt zu strukturellen Aspekten der konzeptionellen fremdsprachlichen Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 53 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 Schriftlichkeit, d.h. der angemessenen „Konstruktion der sprachlichen Explizitform“ (F EILKE 2011: 13). 1 Auf die genannten Aspekte ist weiter unten bei den Ausführungen zu den Bildungsstandards näher einzugehen. Festzuhalten ist bereits hier, dass der Aufbau und die Entwicklung einer fremdsprachlichen literalen Kompetenz viel mehr impliziert als nur das Einüben von fremdsprachigen Schreibmustern und -konventionen. Sie umfasst eine bewusste Auseinandersetzung mit allen Aspekten des Schreibens, auch des Sprechens über das Schreiben, sowie die besonderen Eigenschaften und Qualitäten schriftlicher Texte. K ERN (2000) diskutiert breit die Implikationen des literacy- Begriffs für den Fremdsprachenunterricht und resümiert: „literacy is not seen as a uniform and universal construct, but rather as a dynamic set of linguistic, social, and cognitive processes that are culturally-motivated“ (ebd.: 39). Diese mehrdimensionale Sicht auf das Lesen und Schreiben wurde durch die Verwendung des literacy-Begriffs seit PISA 2000 im Sinne von funktionaler Grundbildung 2 befördert und umfasst die beiden Aspekte der Anwendbarkeit und Anschlussfähigkeit. Anwendbarkeit meint die gesellschaftliche Teilhabe, Anschlussfähigkeit das kontinuierliche und lebenslange Weiterlernen. Diesen sehr weiten Blick gilt es im Folgenden auf die schriftliche fremdsprachliche literale Kompetenz zu fokussieren, ohne die beiden Aspekte der Anwendbarkeit und Anschlussfähigkeit dabei aus dem Auge zu verlieren. Sie haben erhebliche Auswirkungen auf die künftige Gestaltung der Formen und Formate des Schreibens im Fremdsprachenunterricht, ist es doch eine nicht unumstrittene Frage, welche schulischen Schreibformate als in der Lebenswirklichkeit anwendbar bzw. an die Lebenswirklichkeit anschlussfähig betrachtet werden können. Wie anschlussfähig ist beispielsweise die traditionelle Abituraufgabe, und welche Rolle spielen Internetformate wie Blogs und Foreneinträge in der fremdsprachlichen Schreibdidaktik? Die an dieser Stelle erforderliche Fokussierung wird teilweise durch die normativen Bezugsdokumente des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (forthin GeR) und der Bildungsstandards angebahnt, was Gegenstand des nächsten Abschnitts ist. Die Bildungsstandards orientieren sich explizit am GeR (E UROPARAT 2001) und spiegeln in ihren beiden Etappen 2003/ 2004 und 2012/ 2014 eine Entwicklung, in der Politik und Fachdidaktik zusammenwirkten. 1 Dazu F EILKE (ebd.): „Bei literaler Sprachbewusstheit geht es um Sprachbewusstheit unter den Vorzeichen der Explizitformenerwartung. Nicht Spracherfahrung und Sprachaufmerksamkeit schlechthin ist hier die Ressource für Erfolg im Schriftspracherwerb, sondern Schriftspracherfahrung und Schriftsprachaufmerksamkeit“. 2 https: / / www.pisa.tum.de/ kompetenzbereiche/ 54 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 2. Funktionen des fremdsprachigen Schreibens im Rahmen normativer Kompetenzmodelle 2.1 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen Die Bildungsstandards von 2003/ 2004 entstanden im Anschluss an die sog. K LIEME - Expertise (K LIEME et al. 2003), in der die allgemeine Ausrichtung des Unterrichts an dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Kompetenzen sowie der Ausrichtung an überprüfbaren Ergebnissen gefordert wurde. Bereits die K LIEME -Expertise empfahl, das Kompetenzmodell und die Stufungen des GeR als Grundlage für die Bildungsstandards zu wählen, was angesichts des Anspruchs des GeR, Grundlagen für eine europaweite Vergleichbarkeit des Sprachenlehrens und -lernens zu legen, plausibel erschien. Doch bietet der GeR auch die gesuchten Konkretisierungen im Hinblick auf Formen, Funktionen und Formate des Schreibens? Der GeR bietet eine Deskriptorenmatrix aus Teilkompetenzen und darauf bezogenen Niveaus an. Die Teilkompetenzen des Schreibens umfassen neben den allgemeinen Skalen für die schriftliche Produktion und die schriftliche Interaktion das kreative Schreiben, das Schreiben von Berichten und Aufsätzen, Korrespondenz sowie Notizen, Mitteilungen und Formularen. Im sog. Companion to the CEFR kamen 2018 online conversation and discussion sowie goal-oriented online transactions and collaboration hinzu. Werfen wir bezüglich der Formen und Funktionen des Schreibens beispielhaft einen Blick auf das Niveau B1. Zitiert wird an dieser Stelle die Aktualisierung von 2018 (C OUNCIL OF E UROPE ). Folgende Schreibaktivitäten werden genannt: Kreatives Schreiben, Berichte und Aufsätze schreiben, Korrespondenz, Notizen, Mitteilungen und Formulare, Online-Konversation und Online-Diskussion. Diese Aufzählung verrät freilich noch wenig über die didaktische Funktion des Schreibens. Wir erfahren also nichts darüber, warum eine bestimmte Aktivität ausgewählt wurde oder von einem Sprachenlehrer für seinen Unterricht ausgewählt werden sollte. Auch die Deskriptoren geben keine zusätzlichen fachdidaktischen Informationen: „Can clearly signal chronological sequence in narrative text“ (ebd. 76). Der Deskriptor beinhaltet einen Handlungsaspekt (Can clearly signal) und zwei Strukturaspekte („chronological sequence in narrative text“), aber keinen Kulturaspekt. Andere Deskriptoren sind noch informationsärmer (Can narrate a story.). Die Selektivität der Strukturaspekte und insbesondere das völlige Fehlen der Kulturaspekte machen mithin den GeR zu einem eher unbrauchbaren Instrument zur fachdidaktischen Bestimmung des Schreibens in seinen Formen und Funktionen. Lediglich der Handlungsaspekt wird insbesondere durch die separat aufgeführten Strategieskalen einigermaßen abgedeckt. Was der GeR dagegen leistet, ist eine Inventarisierung von relevant erachteten Textsorten. Die Deskriptoren wurden für die aktualisierte Fassung von 2018 substantiell ergänzt (z.B. „online exchanges with more than one participant, recognising the communicative intentions of each contributor“). Didaktisch sind die neuen Skalen insofern interessant, als sie mit den in den Bildungsstandards und weitergehend in den Lehrwerken und in der Prüfungspraxis anzutreffenden Textsorten Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 55 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 abgeglichen werden könnten, um daraus wiederum Schlüsse auf die derzeitige Unterrichtspraxis zu ziehen und gegebenenfalls Impulse für die Weiterentwicklung des Unterrichts zu geben. 2.2 Bildungsstandards Die Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss und den Mittleren Schulabschluss von 2003/ 2004 gehen einen ähnlichen Weg wie der GeR, d.h. sie modellieren und stufen Kompetenzen und Teilkompetenzen, beinhalten allerdings zusätzlich illustrierende Aufgabenbeispiele. Die Schreibstandards für den Mittleren Schulabschluss umfassen u.a.: • eine Nachricht notieren, wenn jemand nach Informationen fragt oder ein Problem erläutert (B1+), • in persönlichen Briefen Mitteilungen, einfache Informationen und Gedanken darlegen (B1), • einfache standardisierte Briefe und E-Mails adressatengerecht formulieren, z.B. Anfragen, Bewerbungen (B1), • unkomplizierte, detaillierte Texte zu einer Reihe verschiedener Themen aus ihren Interessengebieten verfassen, z.B. Erfahrungsberichte, Geschichten, Beschreibungen (B1), • kurze einfache Aufsätze zu Themen von allgemeinem Interesse schreiben (B1), • kurze Berichte zu vertrauten Themen schreiben, darin Informationen weitergeben, Gründe für Handlungen angeben und Stellung nehmen (B 1+). Die Liste erscheint im Vergleich zu den Skalen des Companion to the CEFR rudimentär, was allerdings in erster Linie auf die Einbeziehung der schriftlichen Interaktion und insbesondere der Online-Kommunikation im Companion to the CEFR zurückzuführen ist. Interessanterweise wird die Interaktion 2003/ 04 noch ganz im mündlichen Bereich modelliert (vgl. ebd.: 17); strukturell und kulturell könnte man durch die seitdem sich rasend verbreitende Online-Kommunikation von einer Revolution der schriftlichen Interaktion sprechen. Die Interaktion wird 2003/ 04 übrigens als eine methodische Kompetenz bezeichnet (vgl. ebd.). Auch die Textproduktion wird neben der Textrezeption als methodische Kompetenz modelliert. Hier werden basale fremdsprachliche Schreibfunktionen wie das Notizenanfertigen „zur Vorbereitung eigener Texte oder Präsentationen“ sowie Schreibformen zum Aufbau eines Prozesswissens erwähnt. Die illustrierende Lernaufgabensammlung, die den Bildungsstandards 2003/ 2004 angehängt wurde, umfasst allerdings lediglich Prüfungsformate, weshalb daraus keine weitergehenden Schlüsse auf Formen und Funktionen des fremdsprachlichen Schreibens gezogen werden können. Dieses Desiderat wurde erkannt, so dass die Einbeziehung komplexer Lernaufgaben in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife 2012 endlich eine breite Operationalisierung von Schreibfunktionen und Schreibformen erlaubt. Die basalen Funktionen der Schreibstandards von 56 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 2003/ 04 werden in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife 2012/ 2014 substantiell erweitert. Diese Erweiterung wird allerdings nicht aus den Schreibstandards selbst, sondern erst aus dem neuen Kompetenzstrukturmodell verständlich. Hier wird die sog. funktionale kommunikative Kompetenz (Hör-/ Hörsehverstehen, Leseverstehen, Schreiben, Sprechen, Sprachmittlung) zentral gesetzt und von mehreren integrativen bzw. transversalen Kompetenzen gerahmt: der interkulturellen kommunikativen Kompetenz, der Text- und Medienkompetenz, der Sprachbewusstheit und der Sprachlernkompetenz. Unterbrochene Linien deuten an, dass diese in ihrer Interaktion mit den funktionalen Kompetenzen zu sehen sind. Das bedeutet für das Schreiben, dass nunmehr auch die interkulturelle, textual-mediale, sprachreflexive und sprachlernbezogene Funktion mitgedacht werden muss, was weiter unten an einem Beispiel verdeutlicht werden soll. Die Schreibstandards der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2014) umfassen auf grundlegendem Niveau • Schreibprozesse selbstständig planen, umsetzen und reflektieren, • Texte in formeller oder persönlich-informeller Sprache verfassen und dabei wesentliche Konventionen der jeweiligen Textsorten beachten, • Informationen strukturiert und kohärent vermitteln, • sich argumentativ mit unterschiedlichen Positionen auseinandersetzen, • Texte zu literarischen und nicht-literarischen Textvorlagen verfassen, • eigene kreative Texte verfassen, ggf. in Anbindung an eine Textvorlage, • Textsorten zielorientiert in eigenen Textproduktionen situationsangemessen verwenden, • diskontinuierliche Vorlagen in kontinuierliche Texte umschreiben und auf erhöhtem Niveau • aus einem breiten Spektrum eine Textsorte auswählen, in eigenen Textproduktionen situationsangemessen und adressatengerecht umsetzen und dabei die Konventionen der jeweiligen Textsorte beachten, • bei der Textgestaltung funktionale Gesichtspunkte, z.B. Leserlenkung und Fokussierung, beachten, • literarische und nicht-literarische Textvorlagen transformieren, z.B. einen historischen Text in einen modernen Text umwandeln, einen Text mit fachsprachlichen Elementen für eine andere Zielgruppe adaptieren. Die Bildungsstandards werden für das Französische u.a. durch die komplexe Lernaufgabe La Madeleine de Proust illustriert, die einen älteren Werbeclip zum Verzehr einer bestimmten Gebäck-Sorte enthält. Diese optionale Aufgabe mündet über eine vorbereitende Aufgabe zum Textverstehen in folgende Schreibaufgaben: Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 57 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 3b Décrivez de façon détaillée l’effet des madeleines « Jeannette » sur le personnage du clip. Expliquez sur quoi reposait la compréhension du clip auprès du public français. Créativité : production écrite Dans le roman de Proust, la madeleine a déclenché une forte sensation chez le narrateur. Inventez maintenant une publicité pour un produit alimentaire de votre choix qui serait susceptible d’évoquer une sensation semblable. Travaillez en groupes de quatre ... 3c Composez un script avec un texte d’introduction, des dialogues ou un monologue pour cette publicité. (KMK 2014: 279). Auf der interkulturellen Ebene setzen diese Aufgaben z.B. Kenntnisse über die literarischen Referenzen Proust und la madeleine de Proust voraus, über die Rolle, die die madeleines kulinarisch in Frankreich spielen und über die mögliche Werbewirksamkeit solcher Produkte in französischen Videoclips. Auf der textual-medialen Ebene wird ein script verlangt, ein Drehbuch für einen selbst zu produzierenden Werbeclip für ein ähnliches Produkt. Auf der Ebene der Sprachbewusstheit wird eine Analyse der kommunikativen Mittel und Wirkungen von Werbeclips erwartet und auf der Ebene der Sprachlernkompetenz eine hohe selbstevaluative Leistung in Bezug auf die eigene Sprachbeherrschung, um den zu schreibenden Text tatsächlich zu planen, zu verfassen, zu reflektieren und zu überarbeiten. Das Beispiel verdeutlicht, wie in komplexen Lernaufgaben mehrere Funktionen des Schreibens gleichzeitig abgerufen werden können und bei geschickter Aufgabenstellung auch der kulturelle Aspekt des Schreibens bearbeitet werden kann. Bei der o.g. Aufgabe etwa wird im zweiten Aufgabenteil an Hand eines Textauszugs aus Prousts A la recherche du temps perdu das literarische Schreiben als Domäne allgemein und als spezifische Schreibpraktik eines Schriftstellers an der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert thematisiert und reflektiert. Die in den illustrierenden Beispielen der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife verwendeten Schreibaktivitäten unterscheiden sich insofern von den Textsorten des Companion to the CEFR, als in ihnen erwartungsgemäß eine klare Hinführung zur Abiturprüfung erkennbar wird. Diese Engführung spiegelt sich in den Textsorten (z.B. engl.: e-mail, article, frz. le manuscrit, une lettre, un compte-rendu, ...), aber vor allem in den Operatoren, die auf die drei dem Abitur zu Grunde gelegten Textsorten abzielen (engl.: explain, write, sum up, outline, analyse, assess, describe, frz.: dégagez, discutez, rédigez, présentez, comparez, ...). 58 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 Die Analyse der Bildungsstandards leitet über zu den Schreibformen des Fremdsprachenunterrichts. 3. Schreibformen des Fremdsprachenunterrichts Aus der in den beiden ersten Abschnitten erläuterten zentralen Funktion des Aufbaus einer literalen fremdsprachlichen Kompetenz leiten sich die Schreibformen des Fremdsprachenunterrichts ab. Sie können didaktisch als heuristische Schreibformen (Formen der Prozess- und Produktorientierung, diagnostisches mehrsprachiges Schreiben) und als Formen bzw. Stufen der Kooperation (Einzelarbeit, kooperatives Schreiben mit Blick auf individuelle Texte und kollaboratives Schreiben mit dem Ziel eines gemeinsamen Textes) modelliert werden. Die wesentlichen Schreibformate des Fremdsprachenunterrichts hingegen, die operative Teilaufgabe, die komplexe Lernaufgabe und die Prüfungsaufgabe, können beiden Hauptschreibformen zugeordnet werden. 3.1 Heuristische Schreibformen Das Schreiben mit dem Ziel, Wissen über das Schreiben selbst zu erwerben, wird hier als heuristisches Schreiben bezeichnet. Es referiert auf die hohe Relevanz des Schreibens für den allgemeinen Wissenserwerb und die Wissensverarbeitung in modernen Informationsgesellschaften sowie auf die symbiotische Beziehung zwischen Lesen und Schreiben: Schreiber sind die ersten Leser ihrer eigenen Texte. Zu den schreibbezogenen Wissenszielen im engeren Sinne zählt das Wissen über den Schreibprozess und über das Schreibprodukt. Eine genuin fremdsprachliche heuristische Schreibform stellt dagegen das diagnostische mehrsprachige Schreiben dar. Die beiden Aspekte Wissen über den Schreibprozess und Wissen über das Schreibprodukt sind pragmatisch untrennbar miteinander verbunden: Die Planung eines Schreibvorhabens setzt Wissen über die beabsichtigte Textart (fiktionale Texte, Sachtexte) und Textsorte (Notiz, E-Mail, Bericht, Kommentar, Essay etc.) voraus. K ERN (2000: 171) spricht von writing as design, wenn er das Prozess- und Produktwissen aufzählt, das für ein bestimmtes Schreibprodukt erforderlich ist (available design, ebd.), z.B. eine simple graphische Vorstellung vom Schreibprodukt bei einer Einkaufsliste oder eine offene, auf Umstrukturierung und Neuschaffung hin organisierte Vorstellung beim Verfassen eines kreativen fiktionalen Textes. Seit H AYES / F LOWER (1980) hat sich ein Phasenmodell etabliert, das den Prozess in den Vordergrund stellt. Dieses Modell löste ältere schreibdidaktische Ansätze ab: die „direktiven Ansätze“, die das Schreiben anhand vorgegebener Muster steuernd (direktiv) einüben wollten, sowie textlinguistische Ansätze, die den Text mit allen seinen Merkmalen (Textsorte, Textfunktion, Textadressat, Textbausteine, Verfasserperspektive) betonen. Die prozessorientierten Ansätze stellen nun das schreibende Subjekt und seinen Arbeitsprozess ins Zentrum (vgl. B ÖRNER / V OGEL 1992), und ihr Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 59 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 Aufkommen im Fremdsprachenunterricht fällt nicht zufällig mit dem sog. kreativen Schreiben zusammen. 3 In den letzten Jahren wird wiederum eine Verbindung textlinguistischer mit prozessorientierten Ansätzen (process genre approach, B ADGER / W HITE 2000) angestrebt. Beim prozessorientierten Schreiben werden die einzelnen Phasen des Schreibens nacheinander in Aufgaben operationalisiert und dabei wird das Ziel verfolgt, die Aufmerksamkeit auf die Funktion jeder einzelnen Phase zu legen sowie auf Strategien einer gelingenden Realisierung. Die Herausforderung des Schreibens soll durch eine Zerlegung in sukzessive Teilhandlungen gemeistert werden. Im Unterschied dazu fokussiert das diagnostische mehrsprachige Schreiben nach M EISSNER (2010) auf die Herausforderung, Texte in einer Fremdsprache zu produzieren und dabei u.U. bereits über ein ausreichendes Prozesswissen zu verfügen. M EISSNER betont das bereits vorhandene mehrsprachige Wissen von L2-Schreibenden: „Die mentalen Lexika der Lerner romanischer Sprachen sind zumeist mehrsprachig. Erfahrene Sprachenlerner wissen in der Regel zwischen den ihnen bekannten Sprachen zielführende bzw. transfergenerierende Vergleiche durchzuführen“ (ebd.: 4). Zwar hebt er damit explizit auf „erfahrene Sprachenlerner“ ab, lenkt jedoch die Aufmerksamkeit zu Recht generell auf das Transfer- und Vergleichspotential des mehrsprachigen Schreibens, d.h. das „plurilinguale und didaktische Wissen“ (ebd.) der Schreibenden. Dieses kann seiner Auffassung nach durch Vergleiche der eigenen mit typologisch verwandten Sprachen bereits im Vor- und Grundschulalter mit dem Ziel gefördert werden, eine diagnostische Haltung bezogen auf das mehrsprachige Schreiben zu entwickeln. Es impliziert, Fragen zu entwickeln und festzuhalten, bewusste Hypothesen zu ihrer Beantwortung aufzustellen und an Hand von Hilfsmitteln (z.B. Wörterbücher, Experten) zu verifizieren. Zum tentativen Transfer bestimmter Satzelemente von einer Sprache in die andere auf der kognitiven Ebene tritt das „Lernverhaltensprotokoll“ (ebd.: 7) auf der metakognitiven Ebene hinzu. Letzteres integriert das L2-Schreiben in einen metakognitiven und reflexiven Lernplan, der als ständiger Begleiter fungiert und damit die Selbststeuerungskompetenz fördert. Das mehrsprachige diagnostische Schreiben sollte konzeptionell mit geeigneten Kooperationsstufen verbunden werden: • Kollaboratives mehrsprachiges Schreiben: Zwei oder mehr Schülerinnen und Schüler einer Klasse oder Lerngruppe schreiben gleichzeitig an einem gemeinsamen Text und reflektieren dabei ihre Vorschläge und Hypothesen. • Kooperatives mehrsprachiges Schreiben: Zwei oder mehr Schülerinnen und Schüler einer Klasse oder Lerngruppe schreiben an einem gemeinsamen Text, teilen sich jedoch die Arbeit auf, so dass es individuelle oder kollaborative Teillösungen gibt, die anschließend in der Gruppe reflektiert werden. 3 Das kreative Schreiben greift in den 1980er Jahren den Impuls der Rezeptionsästhetik (u.a. I SER 1972) auf, welche dem Leser das Wort erteilt, um auf kreative Art und Weise ,Leerstellen‘ zu füllen, die der Text selbst lässt oder die didaktisch geschaffen werden. 60 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 • Kollaboratives mehrsprachiges Schreiben in virtueller Kommunikation: Zwei oder mehr Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Ländern arbeiten simultan im Rahmen eines elektronischen Schreibprojekts. • Kooperatives mehrsprachiges Schreiben in virtueller Kommunikation: Zwei oder mehr Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Ländern realisieren arbeitsteilig ein elektronisches Schreibprojekt. 3.2 Kooperationsformen und -stufen des Schreibens Das Schreiben wurde noch vor wenigen Jahrzehnten als eine rein individuelle Tätigkeit betrachtet. Im Zuge der Einführung kooperativer Lernformen allgemein (vgl. W ÜRFFEL 2007; J UNKERJÜRGEN 2017) kam es jedoch auch in der Schreibdidaktik zu Neuerungen, deren wichtigste das kooperative und das kollaborative Schreiben darstellen. Beim kooperativen Schreiben (vgl. L EHNEN 2002, 2017; W ÜRFFEL 2007) arbeiten Lernende im Hinblick auf ein gemeinsam zu erreichendes Ziel zusammen. Dieses Ziel ist in der Regel ein bestimmtes Schreibprodukt, z.B. die gemeinschaftliche Realisierung einer Online-Zeitschrift; es kann jedoch auch in der gemeinschaftlichen Realisierung einer oder mehrerer Schreibphasen bestehen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten für kooperatives Schreiben sind die Schreibwerkstatt, bei der Texte gemeinschaftlich überarbeitet, weiterentwickelt oder verbessert werden, und die Schreibkonferenz, bei der Texte in einem rotierenden Verfahren gemeinschaftlich begutachtet werden. Allen Verfahren gemeinsam ist eine potentielle Vervielfältigung des Feedbacks durch die Multiplikation der Leserschaft, wobei die Schreibenden immer noch einen individuellen Text produzieren. Hierin liegt der Unterschied zum kollaborativen Schreiben. Das kollaborative bzw. gemeinsame Schreiben wurde in den 1980er Jahren im Kontext der Orientierung hin zum Schreibprozess entwickelt. Der Schreibprozess wird hier in mehrfacher Hinsicht sichtbar und damit auch potentiell bewusstseinsfähig: Das gemeinsame Schreiben setzt voraus, dass sich die Schreibenden darüber austauschen, warum sie wie vorgehen. Damit ist eine verbale Kommunikation verbunden (Schreibgespräche), die zu Forschungszwecken aufgezeichnet und ausgewertet werden kann (vgl. S TORCH 2011, 2013). Der Gewinn liegt im Ideenreichtum durch den ständigen Austausch in allen drei Schreibphasen sowie in der unmittelbaren Co- Konstruktion von Sprache und Text und der damit verbundenen Erhöhung der Sprach-, Text- und Aufgabenbewusstheit. Allerdings ist die Motivation zum kollaborativen Schreiben stark von der Persönlichkeit abhängig bzw. von der Neigung und Fähigkeit, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. G RAHAM et al. (2012) bescheinigen dem kollaborativen Schreiben hohe Effektstärken im Hinblick auf gelingendes Schreiben in der Muttersprache. Entsprechende Studien für das Schreiben in der Fremdsprache stehen noch aus. Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 61 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 3.3 Schreibformate 3.3.1 Lernaufgaben Beim gezielten unterrichtlichen Schreibtraining werden operative Teilaufgaben benötigt, die gezielt die einzelnen Phasen des Schreibprozesses (vgl. H AYES / F LOWER 1980, s.o.) ansteuern, z.B. in der vorbereitenden Phase das Sammeln von Ideen und das Anfertigen von Notizen, in der Phase des Verfassens dann das Strukturieren, Ausformulieren und Bearbeiten (editing) und in der Korrekturphase das Überarbeiten (reediting), das Formatieren und das Korrigieren. Operative Teilaufgaben werden aber auch bei (komplexen) Lernaufgaben benötigt, und zwar im Sinne von Zwischenschritten des task cycle (vgl. W ILLIS 1996). Ein Beispiel dafür wäre die oben erwähnte Schreibaufgabe des IQB, La Madeleine de Proust. Das Schreibformat beeinflusst selbstverständlich auch die Wahl der Schreibstrategien: Aufgaben mit hoher Komplexität erfordern ein umfangreiches Strategienwissen, sowohl auf der Makroebene des Planens, Formulierens und Überarbeitens als auch auf der Mikroebene der Wortwahl, der Kohäsionsherstellung und der orthographischen Korrektur. Das Nachdenken über das eigene Vorgehen beim Schreiben (z.B.: Wie plane ich meinen Text? Was ist meine Argumentation und welches spezifische Vokabular wird dafür benötigt? ) sowie Strategien zur Selbstmotivation (z.B.: Welche Blockaden treten bei mir beim Planen auf? Wie kann ich sie überwinden? Schreibe ich lieber alleine oder zu zweit? ) werden mittlerweile auch im Rahmen der Förderung von Sprachlernkompetenz in Teilaufgaben operationalisiert (KMK 2014: 22). 3.3.2 Prüfungsaufgaben Die Prüfungsformate zum Schreiben variieren im deutschsprachigen Raum von sehr variablen Aufträgen auf unteren Lernstufen (gemäß GeR A1 bis B1) bis zur kanonisierten komplexen Leseschreibaufgabe im Abitur (B2 gemäß GeR).  Tab. 1 62 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 Prüfungsaufgabe Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2003: 43f.) Prüfungsaufgabe Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (Englisch / Französisch) (KMK 2014: 32-38) Des Dalton’s Care Column You certainly know youth magazines and you probably read the letters to the editor where girls and boys ask for help and advice. (Bildimpuls) A: Make notes for a letter to Des Dalton. Imagine you are the eldest of three children, living in a small flat. Both your parents work full time. You always have to look after your brother and sister. Your parents ... B: Please write the letter to Des Dalton (editor). Describe your family situation, your problems and tell him what you want and what you need. Ask him for advice. College - A New Stage of Life? (Literarischer Textimpuls mit Leseaufgabe) 1 Charlotte experiences various emotions during her first day at college. Explain them in detail. Consider aspects such as - the different settings and characters - body language - use of language 2 Imagine that Beverly has a friend named Samantha with whom she regularly corresponds. After meeting her new roommate, Beverly feels a strong urge to share her experiences and her personal impressions of Charlotte with Samantha Write Beverly’s e-mail to Samantha in English. 3 Together with an American and a Polish partner school, your class is working on a project about sports. Some of your Polish partners express the desire to study sports either in the USA or in Germany. You have found the following information on the Internet. Using this information, write an article in English for your project’s website in which you inform your Polish partners how to get a sports scholarship. Compare the situation in the USA and Germany. Tab. 1: Schriftliche Prüfungsaufgaben der Bildungsstandards Die Schreibaufgabe für den Mittleren Schulabschluss umfasst zwar einen Bildimpuls, dieser wird jedoch zur erfolgreichen Bearbeitung der Aufgabenstellung nicht benötigt. Alle relevanten Informationen befinden sich in der Aufgabenstellung selbst, die zwei Schreibphasen einfordert, eine Planungsphase (make notes) und eine Schreibphase (write the letter). Zusätzlich wird mit Hilfe der Operatoren describe, tell him what ... und ask him for advice präzisiert, dass drei bestimmte inhaltliche Aspekte gefordert sind. Die komplexe Prüfungsaufgabe auf Abiturniveau verschränkt hingegen im verpflichtenden Prüfungsteil (Teilaufgaben 1 und 2) Leseverstehen und Schreiben, in Aufgabe 1 reproduktiv (explain them in detail), in Teilaufgabe 2 kreativ-expansiv Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 63 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 (imagine, write B.’s e-mail). Teilaufgabe 3 verlässt die literarische Textgrundlage und sieht die Bearbeitung einer Sprachmittlungsaufgabe auf Grundlage eines Zusatztextes vor. Prüfungsaufgaben von dieser Komplexität setzen halbjahresübergreifende Bezüge voraus, d.h. sowohl das Rahmenthema als auch die einzelnen Schreiboperationen werden über einen längeren Zeitraum thematisch und textstrukturell vorbereitet bzw. eingeübt. Die vom IQB in Berlin veröffentlichte Operatorenliste 4 verdeutlicht eine Verengung der Schreibformate, die teilweise auf die möglichst enge Passung zu den Anforderungsbereichen (prüfungsrechtlich kodifizierte und allen textbasierten Fächern gemeinsame kognitive Aktivitäten, vgl. KMK 2014: 23) zurückgeht, teilweise auf das Bestreben, zu einer stärkeren Harmonisierung unter den Ländern im Hinblick auf Aufgabenstellung und Korrektur zu gelangen. Offenere Operatoren (z.B. discutez la décision de ...) könnten dieses Ziel womöglich unterlaufen. Die Frage stellt sich, ob es sinnvoll wäre, die Abituraufgabe auch im Hinblick auf weniger formalisierte Schreibformen und Schreibformate des Internets zu aktualisieren. Die Diskussion dazu führt wieder zurück zur Aspektstruktur des fremdsprachlichen Schreibens (s.o.). Auf jeder Aspektebene, dem Kulturaspekt wie dem Handlungsaspekt und dem Strukturaspekt, lassen sich sicherlich Argumente für das Schreiben von Blogs, Posts und Foreneinträgen finden. Doch ist die Abituraufgabe der richtige Ort für dieses ephemere Schreiben? Auch in den Prüfungstraditionen der frankophonen und anglophonen Länder lässt sich eine Engführung auf relativ wenige kanonisierte Formate feststellen, von denen zwei im Folgenden kurz vorgestellt werden. 4. Ein Blick über die Grenzen Im französischen Sprachraum und insbesondere in Frankreich selbst wird eine Schreibform gepflegt, die unter der Bezeichnung dissertation littéraire seit Mitte der 1950er Jahre zum festen Bestand des muttersprachlichen Schreibunterrichts im Sekundarschulwesen gehört. Ihre Ursprünge gehen auf die mittelalterliche Tradition der Dissertation zurück, die auch in der deutschen gleichnamigen Qualifikationsarbeit fortlebt. Es handelt sich um eine formal streng festgelegte Argumentation, die stets von einer allgemeinen Fragestellung oder einem Zitat ausgeht; die Fragestellung muss schlüssig beantwortet, das Zitat zurückgewiesen oder bestätigt werden. Die dissertation littéraire muss zwingend eine Einleitung (introduction), einen zwei- oder dreiteiligen Hauptteil (développement) und einen Schlussteil (conclusion) aufweisen. Diese Form der schriftlichen Argumentation besitzt kulturell bzw. gesellschaftlich höchste Wertschätzung, spiegelt sie doch das sog. kartesianische Denken (l’esprit cartésien), d.h. eine Geisteshaltung, die auf den nüchternen, ja leidenschaftslosen, aber im Idealfall brillant dargelegten und logisch überzeugenden schriftlichen Diskurs abzielt. 4 Für Englisch: https: / / www.iqb.hu-berlin.de/ abitur/ dokumente/ englisch 64 Bernd Tesch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 49 (2020) • Heft 1 Auch der im anglo-amerikanischen Bildungswesen beliebte essay bearbeitet eine Fragestellung oder ein Zitat und orientiert sich am oben beschriebenen klassischen Aufbau der dissertation littéraire. Darüber hinaus können strittige Thesen oder Problemstellungen als Aufgabenstellung für einen Essay dienen. Die Unterschiede zur dissertation littéraire liegen in der Länge - nicht mehr als fünf bis zehn Seiten, bei der dissertation littéraire dagegen auch deutlich darüber - und im Stil: Ein Essay hat größere Freiheiten in der Wahl der Stilmittel, die alle dem Zweck dienen, den Leser zu überzeugen. Während also bei der dissertation littéraire die Logik die alles beherrschende Stellung im Diskurs einnimmt, ist es beim Essay die Wirkung auf den Leser. Sie kann unter Umständen auch durch narrative Passagen erzielt werden. Auch im Kontext der Erarbeitung der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (Englisch / Französisch) wurde der Essay als Alternative zum textgebundenen Kommentar bzw. der textgebundenen kreativen Schreibaufgabe in Erwägung gezogen, letztlich aber wieder verworfen. Die Gründe liegen neben der mangelnden Verankerung in der deutschen Abiturtradition vor allem in der fehlenden Textbasis. Ohne diese konnte das verpflichtende und für alle Länder verbindliche Leseverstehen im Abitur nicht überprüft werden, es sei denn, man hätte sich auf eine separate Überprüfung des Leseverstehens einigen können, was bekanntlich zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich war. 5. Fazit und Ausblick Die angedeuteten Überlegungen hinsichtlich der Gestaltung der Abiturprüfung zeigen, dass das Erreichen einer schriftlichen Literalität im Fremdsprachenunterricht zwei unterschiedlichen Ansprüchen genügen muss, einem heuristischen und einem evaluativen Anspruch. Dies mag zwar generell alle Kompetenzen betreffen, beim Schreiben führt die große Bedeutung im Abitur jedoch zu erhöhtem Druck, spätestens bei Beginn der gymnasialen Oberstufe einseitig die abiturrelevanten Formate zu privilegieren. Der Übergang zur Sekundarstufe II wird daher gerade beim Schreiben häufig als starker Bruch empfunden. Da sich zudem die Länder auf einen Konvergenzprozess in der Abiturprüfung geeignet haben und diese Vorgabe seit einigen Jahren im Rahmen der Schaffung eines ländergemeinsamen Aufgabenpools am IQB in Berlin realisieren, wird auch der Grad für innovative Formen und Formate schmaler. Es bleibt daher bei der Prognose, dass „riskante“ bzw. voraussetzungsreiche Textsorten wie die Lyrikanalyse oder die Filmkritik ihren Weg wohl kaum ins Abitur finden werden. Auch das wissenschaftliche Schreiben sowie das fachliche Schreiben gehören aus diesem Grund zu den Desiderata. Sie werden zwar in der Projektarbeit und im bilingualen Sachfachunterricht gefördert, nicht jedoch im Rahmen der fremdsprachlichen Abiturprüfung. Andererseits wurde mit dem Einzug der schriftlichen Sprachmittlung in den ländergemeinsamen Aufgabenpool ein Schreibanlass aufgewertet, der besondere Anforderungen an das adressatengerechte und interkulturell bewusste Schreiben stellt. Die Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht 65 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0004 Schreibenden sind hier aufgefordert, vor dem Verfassen eines Textes eine genaue Analyse der Aufgabenstellung, des Wissensstandes auf der Seite des Adressaten sowie der zu Grunde liegenden Situation vorzunehmen und Wertungen zu vermeiden. Damit ist eine neuartige Lenkung des Schreibens hinzugekommen, wenn auch die Innovation durch die Begrenzung plausibler Mittlungsanlässe sehr rasch zur Schablone werden könnte. Die Freiheit, sich auch in der Fremdsprache schreibend in den unterschiedlichsten Textsorten zu erproben, besteht daher vor allem im Bereich der komplexen Lernaufgabe und insbesondere in den noch nicht durch die Abiturprüfung ,überschatteten‘ Lernjahren. Auf Grund seiner im Vergleich zu den anderen Schulfremdsprachen längeren Lernzeiten kann diese Freiheit in besonderem Maße der Englischunterricht ausschöpfen. 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This article gives an overview on FL writing instruction in lower secondary education that meets the requirements stated in the National Educational Standards (KMK 2003, 2004) and the Common European Framework of References for Languages (Council of Europe 2001) supplemented by new descriptors (Council of Europe 2018). In addition, the author addresses specific challenges of teaching writing in foreign language classrooms. Finally, consequences for teacher education and school practice are considered. 1. Einführung Die Fähigkeit in einer Fremdsprache schreiben zu können ist bedeutend für die schulische und berufliche Karriere, aber zunehmend auch für den Lebensalltag. Schreiben dient der Förderung des Sprachbewusstseins und stellt ein Mittel zur Unterstützung des Fremdsprachenerwerbs bzw. des -lernens dar. Fremdsprachliche Schreibkompetenz, insbesondere in Englisch, eröffnet Schülern heute durch das Internet Möglichkeiten zu grenzüberschreitenden Erfahrungen, bietet Zugänge zu weiteren Lernquellen und Kommunikationswegen und einer Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft (P ORSCH 2010a: 11). Neben dem Hör-/ Hörsehverstehen, Lesen, Sprechen und der Sprachmittlung stellt laut aktuell gültigen Lehrplänen und den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (KMK 2003, 2004) das Schreiben „eine gleichberechtigte Zielkompetenz“ (K UPETZ 2006: 159) des Fremdsprachenunterrichts dar. Umso mehr verwundert, dass bis heute die Anzahl an Forschungsarbeiten zum Schreiben im Fremdsprachenunterricht überschaubar ist. Bereits 2002 merkte Z YDATIß an, dass insbesondere für den mathema- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Raphaela P ORSCH , Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut I: Bildung, Beruf und Medien - Bereich Erziehungswissenschaft, Zschokkestr. 32, 39104 M AGDE - BURG E-Mail: raphaela.porsch@ovgu.de Arbeitsbereiche: Schul- und Unterrichtsforschung, Allgemeine Didaktik, Lehrerbildung, Professionsforschung, Fremdsprachenforschung 68 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 tisch-naturwissenschaftlichen Unterricht in der Sekundarstufe I zahlreiche Arbeiten im deutschsprachigen Raum vorliegen, aber „für die fremdsprachliche Fächergruppe fehlen uns vergleichbare Untersuchungen. Vor allem mangelt es an empirisch fundierten Daten zur Realität des ‚konventionellen‘ real existierenden Englischunterrichts“ (ebd.: 319). Der spezifische Blick auf die Studienlage - beispielhaft zum Schreiben im Englischunterricht an deutschen Schulen - zeigt, dass sich diese Situation bis heute kaum verändert hat. Mit Ausnahme einzelner Praxisberichte von Lehrkräften und Fachdidaktikerinnen/ -didaktikern liegen für die Sekundarstufe I in Deutschland erst wenige Arbeiten vor. 2003/ 2004 wurden erstmals in einer largescale-Untersuchung, der DESI-Studie, die Schreibleistungen in Englisch als erster Fremdsprache von Schülerinnen und Schülern in der Klassenstufe 9 getestet (vgl. H ARSCH et al. 2007, 2008). Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hat im Rahmen der Pilotierung und Normierung der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache 2008/ 2009 Schreibaufgaben in den Fächern Englisch (vgl. R UPP et al. 2009) und Französisch (vgl. P ORSCH / T ESCH 2010) entwickelt und eingesetzt. Sowohl im Rahmen der DESI-Studie als auch im Rahmen des IQB-Ländervergleiches wurden Indikatoren zur Praxis des Englischunterrichts in der Sekundarstufe I erhoben (vgl. H ELMKE et al. 2010; P ORSCH 2010b). In seinem internationalen Review berücksichtigt L EE (2016) für Deutschland allerdings einzig die Arbeit von R EICHELT (1997), eine qualitative Arbeit an einem Gymnasium, was sicherlich auf die Sprache der zuvor genannten Publikationen zurückzuführen ist. Die genannten Schulleistungsstudien entwickelten zur Messung fremdsprachlicher Schreibkompetenz in den Fächern Englisch und Französisch Aufgaben, die sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR; E UROPARAT 2001) sowie den Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache (KMK 2003, 2004) orientieren. Diese Dokumente stellen eine national geltende und sprachenübergreifende Grundlage für den Fremdsprachensprachenunterricht dar und ermöglichen eine ‚praxistaugliche‘ Definition fremdsprachlicher Schreibkompetenz. 2. Fremdsprachliche Schreibkompetenz Zur Frage, wie Lehr- und Lernprozesse zum Erwerb fremdsprachlicher Schreibkompetenz im Unterricht gestaltet werden können, soll einführend dargelegt werden, welches Verständnis hinsichtlich dieser Teilfähigkeit besteht. Da der folgende Beitrag sich schwerpunktmäßig auf die schulische Vermittlung in der Sekundarstufe I bezieht, stellen die wesentlichen Bezugsdokumente in Deutschland die Lehrpläne für die Fremdsprachen in diesen Jahrgangsstufen dar, die Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache (KMK 2003, 2004) sowie der GeR (E UROPARAT 2001) bzw. der 2018 erschienene Begleitband zum GeR mit neuen Deskriptoren (C OUNCIL OF E UROPE 2018). Die für Deutschland geltenden Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (KMK 2004) sowie den Mittleren Abschluss (KMK 2003) beziehen sich auf die Ska- Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 69 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 len in der ‚alten‘ Fassung des GeR (E UROPARAT 2001). Eine Synthese der Deskriptoren der Bildungsstandards der KMK (2003, 2004) erlaubt die Ableitung der folgenden Definition: Fremdsprachliche Schreibkompetenz [für Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I] umfasst die Fertigkeit, selbstständig zusammenhängende Texte unterschiedlicher Textsorten zu verschiedenen Themen aus dem eigenen Interessengebiet in kommunikativen Zusammenhängen in der Zielsprache zu verfassen. Die Schreiber kennen elementare spezifische Kommunikations- und Interaktionsregeln englischsprachiger Länder. Sie berücksichtigen in ihren Texten kritisch Sicht- und Wahrnehmungsweisen, Vorurteile und Stereotype des eigenen Landes und der englischsprachigen Länder. Orthographie, Wortschatz und Grammatik haben für das Schreiben eine dienende Funktion: Ziel ist die Verständlichkeit für den Leser. Fremdsprachenschreiber können verschiedene Lern- und Schreibstrategien anwenden und diese in den einzelnen Schreibphasen (Entwerfen, Schreiben, Überarbeiten) einsetzen. Sie verfügen über die Fähigkeit, Fehler zu erkennen und diese für den eigenen Lernfortschritt zu nutzen. Schüler sind in der Lage, Texte in verschiedenen Sozialformen zu schreiben und mit unterschiedlichen Medien zu präsentieren (P ORSCH 2010a: 56). Neben der grundsätzlichen Voraussetzung von Lernenden, Schrift zu produzieren (per Hand oder mithilfe einer Tastatur) stellt die Kenntnis der sprachlichen Mittel eine Grundlage der Kommunikation dar. Eine - wenn auch keine hinreichende - Voraussetzung für eine schriftsprachliche Handlung besteht, wenn Orthographie, Wortschatz und Grammatik einer Sprache bekannt sind. Der GeR und die Bildungsstandards gehen grundsätzlich davon aus, dass Schreiben im Sinne des Prozessansatzes zu verstehen ist, d.h. Schreiben stellt einen iterativen und rekursiven Prozess dar. Schreibhandlungen bestehen aus mehreren Schritten wie Planung, Verschriftlichung, Überarbeitung, wobei jede Phase wiederum Subprozesse umfasst. So kann das Verschriftlichen wie folgt ablaufen (vgl. P HILIPP 2015: 11): (1) Elaboration der Inhalte aus dem Schreibplan, (2) Linearisierung der Inhalte, (3) Formulierung von Sätzen, (4) graphomotorische Ausführung. Grundsätzlich muss den Schreibenden im Fremdsprachenunterricht ein Anlass für Schreibhandlungen gegeben werden. Schreiben als eine Form der Kommunikation kann verschiedene Funktionen oder Zwecke erfüllen. Nach B RÄUER (1997: 2; Kursivsetzungen im Original) kann grundsätzlich differenziert werden, ob „funktional (Schwerpunkt liegt auf dem funktional-kommunikativ motivierten Schreibanlass: Geschäftsbriefe, Handlungsanweisungen, Wegbeschreibungen etc.) oder personalkreativ (Schwerpunkt liegt auf dem Arbeitsprozess: Beziehungsstiftung zwischen dem schreibenden Ich und der Fremdsprache) geschrieben werden soll.“ Entsprechend dieser Unterscheidung sind im Begleitband zum GeR (vgl. C OUNCIL OF E UROPE 2018: 75f.) für die produktive Schreibkompetenz (Written Production) die Teilskalen „Written Reports and Essays“ und „Creative Writing“ berücksichtigt worden. Obwohl in den „Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache (vgl. KMK 2003, 2004) nicht enthalten, wird in diesem Beitrag erneut dafür plädiert, dass kreatives Schreiben im Fremdsprachenunterricht regelmäßig Anwendung findet. „Denn auch im Französischunterricht [RP: bzw. Unterricht in anderen Sprachen] muss es gelingen, die Schreibaktivitäten als einen zwar komplexen und lernintensiven Kompetenz- 70 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 bereich, aber zugleich auch als motivierende Instanz erlebbar zu machen“ (L EUPOLD 2010: 226). Diese Forderung wird in Lehrplänen für den Fremdsprachenunterricht in der Regel entsprochen. So wurden bspw. im Rahmen der DESI-Studie die Lehrpläne für das Englische analysiert. Es zeigt sich: Mehrheitlich sind in den Englischcurricula freie, kommunikative Formen des Schreibens in allen Schulformen genannt, wobei die Lernenden von der 8. zur 9. Klassenstufe vom guided writing hin zu freieren Schreibformen geführt werden sollen. 1 In einigen Bundesländern, beispielsweise in Hessen, Hamburg, Bremen und Niedersachsen, ist das (semi)-kreative Schreiben explizit als Aufgabenstellung und Übungsform erwähnt. Generell ist kreatives Schreiben eher an Realschulen und Gymnasien gefordert, doch wird freies Schreiben auch in einigen Hauptschul-Lehrplänen explizit genannt, so beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern (H ARSCH et al. 2007: 53). 3. Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenz in der Sekundarstufe I Bevor verschiedene Schwerpunkte für die Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenzen dargelegt werden, sollen die spezifischen Ziele des Fremdsprachenunterrichts mit Blick auf diese Teilkompetenz zusammengefasst werden. In Bezug auf die einzelnen Ziele werden im Anschluss Vorschläge zur Konzeption sowie Charakteristika von Aufgaben gegeben. Ziel ist es „im Unterricht möglichst realistische sprachliche Interaktionssituationen zu schaffen“ (D ECKE -C ORNILL / K ÜSTER 2010: 194). Die in dieser Form isolierte Betrachtung bedeutet nicht, dass dem ‚Kommunikativen Ansatz‘ oder dem ‚Prinzip der Kompetenzorientierung‘ widersprochen wird. Vielmehr ist es wünschenswert, dass beispielsweise Übungen zur Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten zweckgebunden eingesetzt werden. Ziel einer Unterrichtseinheit ist die Bewältigung einer kommunikativen Handlung bzw. Schreibaktivität durch die Schülerinnen und Schüler. Am Beginn (oder zu einem anderen Zeitpunkt) kann eine gezielte Einführung von sprachlichen Mitteln wie bestimmter Zeitformen als Beispiel für grammatikalisches Wissen stehen, die speziell für diese Aufgabe bzw. Textsorte benötigt werden. Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe I zur Ausbildung fremdsprachlicher Schreibkompetenz bei Schülerinnen und Schülern sollte insbesondere Folgendes leisten: (1) Vermittlung grammatikalischen, lexikalischen und orthographischen Wissens in der L2, (2) Vermittlung von Wissen zu Textsorten sowie zu spezifischen Kommunikations- und Interaktionsregeln in der Zielsprache, 1 Für eine Übersicht von Schreibformen im Fremdsprachenunterricht: s. den Beitrag von T ESCH in diesem Heft. Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 71 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 (3) Kompetenzen zur selbstständigen Durchführung der Phasen des Schreibens einschließlich der Nutzung von Hilfsmitteln wie (elektronische) Wörterbücher entwickeln, dem kooperativen Lernen und der Anwendung von Lernstrategien. (4) Freude am Verfassen von Texten in bzw. an der Fremdsprache erhalten bzw. wecken, bspw. durch kreatives Schreiben, (5) Kompetenzen zur Präsentation von Schreibprodukten durch unterschiedliche Medien vermitteln. 3.1 Sprachliche Fertigkeiten Die Forderung nach einer gezielten Schulung sprachlicher Fertigkeiten ist bis heute nicht unumstritten. Gegnerinnen bzw. Gegner sehen darin eine Abkehr des kommunikativen Prinzips: „Language cannot be learned in isolation but only by manipulating it in meaningful contexts“ (F RODESEN / H OLTEN 2003: 143). Da jedoch die Verfügbarkeit sprachlicher Mittel eine Voraussetzung ist, um eine Schreibhandlung durchführen bzw. erfolgreich kommunizieren zu können, sprechen sich F ERRIS / H EDGCOCK (2014) für eine explizite Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten aus. Diese sollte sich jedoch deutlich an den Bedürfnissen der Lernenden bzw. ihren Voraussetzungen und Schwierigkeiten in der Textproduktion sowie den sprachlichen Anforderungen der im Unterricht eingesetzten Schreibaufgaben orientieren (vgl. ebd.: 312-16). Aufgaben zur Aneignung sprachlicher Mittel beziehen sich auf den Wortschatz, die Grammatik und die Orthographie. Neben kollektiv durchgeführten Aufgaben zur Einführung neuer Sprachmittel und Aktivitäten, die unterschiedliche Lernvoraussetzungen berücksichtigen (z.B. durch Verwendung von Sprachlernsoftware), ist der Erwerb von Lerntechniken, die die selbstständige Aneignung von Sprachkenntnissen oder Kontrolle bzw. Überarbeitung von Schreibprodukten ermöglichen, bedeutsam (s. Abschnitt 3.3). Neben der lehrerseitigen Identifikation sprachlicher Mittel für Schreibhandlungen stellt die Auswertung von Textentwürfen eine Grundlage dar, um den Lerngegenstand festzulegen. 3.2 Textsortenwissen Um sich mit Textsorten bzw. genres (vgl. zum Begriff F ERRIS / H EDGCOCK 2014: 111- 113) vertraut zu machen, sollten Schülerinnen und Schüler mit möglichst authentischen 2 Textsorten konfrontiert und verschiedene Texte und Textsorten zum Lesen im Unterricht eingesetzt werden. Der bereits vor mehreren Jahrzehnten beschriebene „textlinguistische Ansatz“ kann mit dieser Zielsetzung am ehesten in Verbindung gebracht werden (vgl. P ORTMANN 1991: 380-384): „Ausgangspunkt sind hier allein Fragen der Textualität und Textkonstitution, handhabbar gemacht in der Herausstellung einzelner Aspekte von Texten oder sprachlicher Vertextungsmittel von unter- 2 Zum Begriff der Authentizität im Fremdsprachenunterricht vgl. z.B. L EUPOLD (2010: 182-185). 72 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 schiedlicher Spezifik und Tiefe (etwa idiomatische Wendungen, Argumentationsmuster, pronominale Verkettung, logische Verknüpfung, Textmuster, Verfahren der Perspektivierung usw.)“ (ebd.: 380). Da es Gemeinsamkeiten in der Gestaltung von Texten in verschiedenen Sprachen gibt und Lernende in der Sekundarstufe I bereits über Schreiberfahrung verfügen, ist davon auszugehen, dass für das Schreiben Wissen aus dem Deutschunterricht bzw. weiteren Sprachen vorliegt (ausführlich vgl. R INNERT / K OBAYASHI 2016). Dieses Vorwissen kann im Rahmen sog. genre analyse tasks (ebd.: 118) aufgegriffen werden. Sie sollen Schülerinnen und Schülern helfen, die spezifischen textuellen und sprachlichen Merkmale einzelner Textsorten anhand von Beispieltexten zu identifizieren. F ERRIS / H EDGCOCK (2014: 119) schlagen zur Vermittlung von Textsortenwissen eine fünfstufige Strukturierung einer Unterrichtsreihe vor: (1) Context-setting: Die Lernenden lernen das Ziel und den Kontext für eine bestimmte Textsorte zu kennen. Neben einer expliziten Vermittlung können diese gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern anhand von Leseaufgaben erarbeitet werden (s. Schritt 2). (2) Modeling: Es erfolgt eine Analyse von Beispieltexten (von Verlagen oder Schülertexten) zum Verständnis spezifischer Merkmale. (3) Joint construction: Die Lernenden schreiben gemeinsam in Kleingruppen im Unterricht Texte, wobei sie die Merkmale der zu vermittelnden Textsorte berücksichtigen sollen. Sie können dabei auf vorher erstelltes Material, beispielsweise Wortfelder oder Listen mit Argumenten, zurückgreifen. (4) Independent construction: Jede Schülerin bzw. jeder Schüler schreibt selbstständig einen Text. Die Lehrkraft unterstützt und gibt Rückmeldungen. (5) Comparison: Die Lernenden lesen gegenseitig ihre Texte, vergleichen sie und geben Rückmeldung (in der L1), die sich insbesondere auf die Berücksichtigung textsortenspezifischer Merkmale bezieht. 3.3 Phasierung der Schreibhandlung Trotz einer Vielzahl an didaktischen Ansätzen scheint die Schreibforschung und -didaktik seit etwa den 1980er Jahren darin einig, dass eine prozessorientierte Vermittlung von (fremdsprachlicher) Schreibkompetenz ein effizientes Vorgehen darstellt. Das Originäre dieses Ansatzes beschreibt P ORTMANN (1991) wie folgt: Die Fähigkeit, (gute) Texte herzustellen, ist nicht einfach eine Folge davon, dass genügend linguistische Teilfertigkeiten beherrscht werden. Vielmehr sind es a) die Einsicht in das Ziel des Schreibens und b) das erfolgreiche Management der Arbeitsprozesse, durch welche dieses Ziel realisiert wird, welche letztlich den Ausschlag dafür geben, wie gut c) die (linguistischen und anderen kognitiven) Ressourcen ausgeschöpft werden können. Dies bedeutet eine entscheidende Wendung der Perspektive vom Produkt auf den Prozess, vom Text auf den Schreibenden und von der Fixierung aufs Lernen von Neuem auf die Frage nach der Anwendung des bereits Gewussten (P ORTMANN 1991: 384). Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 73 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 Zentral ist die die Einsicht, dass es sich beim Schreiben um einen Prozess handelt. Die bewusste Einteilung des Schreibprozesses in mehrere Teilprozesse ist wiederum für die Planung einer Unterrichtseinheit bedeutsam. Es sind mindestens drei Hauptphasen zu unterscheiden: (1) Phase der Schreibvorbereitung: In dieser Phase werden Ideen generiert (z.B. mit Hilfe von Mindmaps), neue Informationen und zuvor unbekannter Wortschatz werden selbstständig (z.B. durch vielfältige Leseaufgaben) und/ oder durch explizite Vermittlung erworben. Ideen können gegliedert und ein Schreibplan kann erstellt werden. (2) Phase der Texterstellung: Ein Text wird mithilfe der in (1) erstellten Materialien erstellt. Hilfsmittel wie Wörterbücher, Formulierungshilfen (z.B. Wörterlisten) oder Selbsteinschätzungsbögen (z.B. als Fragen formuliert) stehen den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. (3) Phase der Textüberarbeitung: Diese Phase dient der Überarbeitung eines Textes. Inhaltliche, sprachliche und formale Revisionen werden aufgrund von Rückmeldungen vorgenommen. Je nach Komplexität und Umfang der Zieltexte sind mehrere Entwürfe bzw. Überarbeitungen vorzunehmen. In den Phasen (1) und (3) können Schülerinnen und Schüler auch kooperativ vorgehen. Anschließend ist es empfehlenswert, dass sich noch eine weitere Phase - die der Textpräsentation - anschließt (s. Abschnitt 3.5). Wie zum Textsortenwissen ist mit Blick auf curriculare Vorgaben und fachdidaktische Anforderungen davon auszugehen, dass bereits Vorwissen aus dem Deutschunterricht vorhanden ist, wie Texte geplant und überarbeitet werden. 3 Zentral sind schließlich für alle Phasen die Verfügbarkeit geeigneter Lernstrategien sowie für die Phase der Textüberarbeitung, dass Lehrkräfte und Lernende die Fähigkeit besitzen bzw. erwerben, konstruktives Feedback zu geben (ausführlich s. den Beitrag von H ARSCH in diesem Heft). 3.4 Kreatives Schreiben Kreatives Schreiben umfasst laut dem Begleitband zum GeR (C OUNCIL OF E UROPE 2018: 76) „personal, imaginative expression in a variety of text types.“ Textsorten sind beispielsweise „diary entries and short, imaginary biographies and simple poems, (…) well-structured and developed descriptions and imaginative texts“ (ebd.). Vor diesem Hintergrund ist kreatives Schreiben mit unterschiedlichen Lernbzw. Sprachvoraussetzungen möglich. B ODEN (2001: 95) definiert Kreativität als „ability to come up with new ideas that are surprising yet intelligible, and also valuable in some way“. 4 S PINNER (1993) zeigt in seinem Aufsatz, dass der Kreativitätsbegriff einem stetigen 3 Zum Zusammenhang von L1- und L2-Schreibkompetenzen vgl. z.B. P ORSCH (2010); S CHOONEN et al. (2011). 4 Selbstkritisch fügt B ODEN (2001: 95) hinzu, dass diese Beschreibung durchaus diskutabel ist, da sich die Orientierung der Neuartigkeit auf das Individuum selbst oder die gesamte Menschheit beziehen kann. 74 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 zeitlichen Wandel unterliegt. Kreatives Schreiben kann verstanden werden als eine Gelegenheit bzw. eine Aufgabe im Unterricht, eigene (neue) Ideen zu verschriftlichen. Textuelle Vorgaben können dazu in geringem oder größerem Maße vorliegen. Beispielsweise stellt das Schreiben eines Gedichtes einen kreativen Vorgang dar; Schreiben nach einer Gedichtform (z.B. Elfchen) wäre eher dem semikreativen Schreiben bzw. dem „Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Mustern“ (s.u.) zuzuordnen. Grundsätzlich kann kreatives Schreiben Irritation, Expression und Imagination ermöglichen, drei wesentliche Prinzipien bzw. Charakteristika, die von S PINNER (1993) herausgearbeitet wurden. Das Prinzip der Irritation meint, dass mithilfe eines kreativen Prozesses bzw. durch den freien Umgang mit Sprache Routinen und bisherige Denkweisen in Frage gestellt werden (vgl. B ÖTTCHER 2010a: 14). Unter Expression wird das Potential gesehen, dass sich die Individualität durch kreatives Handeln bzw. Schreiben entwickeln bzw. entfalten kann (ebd.). Schließlich erscheint S PINNER (1993) die Aktivierung der Imaginationskraft als bedeutsam und er betont: „Nicht eine bestimmte Aufsatzgattung mit ihren Merkmalen ist die Leitlinie, auch nicht das Bewältigen einer realen Kommunikationssituation, ebenso wenig geht es um Realitätswiedergabe“ (ebd.: 21). Zahlreiche weitere Argumente lassen sich anführen, die für den Einsatz kreativer Schreibformen im Fremdsprachenunterricht sprechen. Neben dem Erleben von Freude am Schreiben und an der ‚neuen‘ Sprache sowie der Steigerung der Schreibmotivation bieten Formen kreativen Schreibens die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler Themen aus ihrem eigenen Interessengebiet wählen und die Sprache ‚explorieren‘ können. Durch vielfältige Schreibgelegenheiten kann schließlich der Erwerb literarischer Techniken wie der Einsatz poetischer Stilmittel sowie generell die Aneignung von Schreibkompetenz in einer Sprache bzw. Fremdsprache unterstützt werden. Erwähnt werden muss, dass eine besondere Herausforderung für Lehrkräfte im Erreichen einer hohen Auswertungsobjektivität bei der Bewertung von Texten liegt, deren Aufgabenstellungen relativ offen sind und kreatives Handeln ermöglichen sollen (s. den Beitrag von H ARSCH in diesem Heft). Nach B ÖTTCHER (2010b) lassen sich sechs methodische Ansätze des kreativen Schreibens unterscheiden: (1) Assoziative Verfahren; (2) Schreibspiele; (3) Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Mustern; (4) Schreiben zu und nach (literarischen) Texten; (5) Schreiben zu Stimuli; (6) Weiterschreiben an kreativen Texten. Eine Form des assoziativen Schreibens stellt das automatische Schreiben dar, welches von B RÄUER (1997) als eine Technik des Surrealismus bezeichnet und als eine Möglichkeit gesehen wird „sich von allzu erdrückender Norm- und Formdisziplin zu befreien, Selbstbewußtsein, Spontanität und Kreativität im Umgang mit den verfügbaren sprachlichen Mitteln zu erleben“ (ebd.: 3). Dazu soll die Aufgabe bearbeitet werden, innerhalb einer kurzen, vorgegebenen Zeit Wörter, Wortgruppen oder Sätze Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 75 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 aufzuschreiben, ohne das Schreiben zu reflektieren oder den geschriebenen Text erneut zu lesen. Assoziatives Schreiben kann einen eher spielerisch-experimentellen oder einen eher meditativen Charakter besitzen (vgl. B ÖTTCHER 2010b). Zur ersten Gruppe gehören bspw. Ideennetze wie Cluster oder Mindmaps, deren Ergebnisse auch Grundlage für das spätere Schreiben eines Textes sein können. Als eher meditative Assoziationsverfahren gelten neben dem automatischen Schreiben bspw. Fantasiereisen. Für Schreib- und Sprachspiele liegen zahlreiche Ideensammlungen aus der Deutsch- und Fremdsprachendidaktik vor (z.B. B UTTNER 2012; E BBERT 2011). Zu den Schreibverfahren, die stärker gelenkt sind und sich an bestehenden Strukturen orientieren, gehören das Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Mustern sowie das Schreiben zu und nach (literarischen) Texten. Das Schreiben zu Stimuli wie Bildern, Musik, Gegenständen u.a. besitzt eine große Nähe zum assoziativen Schreiben, da ein relativ hoher gestalterischer Freiraum besteht und die Kreativität der Schülerinnen und Schüler angeregt werden soll. Schließlich besteht die Möglichkeit des Weiterschreibens an einem vom Lernenden selbst verfassten oder ihm zur Verfügung gestellten kreativen Text. 3.5 Präsentation von Schreibprodukten Nach der finalen Verschriftlichung bzw. Revision eines Textes folgt in vielen Arbeiten der Schreibdidaktik eine vierte Phase, die der Präsentation. Mehrere Funktionen werden mit der Phase erfüllt: Kommunikation der im Text enthaltenen Informationen bzw. Zugang eines Textes für eine Leserschaft, Ausdruck einer wertschätzenden Haltung gegenüber dem Arbeitsprozess der Schülerinnen und Schüler sowie Förderung weiterer fremdsprachlicher Kompetenzen wie Lese- und Hörverstehenskompetenzen. In den „Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache“ (KMK 2003, 2004) wird benannt, über welche Fertigkeiten zum Präsentieren Schülerinnen und Schüler verfügen sollten: „Präsentationstechniken einsetzen (Medienwahl, Gliederungstechniken, Visualisierungstechniken, Gruppenpräsentation), mit Lernprogrammen (auch Multimedia) arbeiten, Neue Technologien zur Informationsbeschaffung, zur kommunikativen Interaktion (E-Mail) und zur Präsentation der Ergebnisse nutzen“ (KMK 2004: 18). Die Berücksichtigung dieser und weiterer Verfahren im Fremdsprachenunterricht (z.B. in Form von Portfolioarbeit) ist eine Aufgabe für die fachdidaktische Planung von Unterrichtseinheiten. Zwar hat das Thema ‚Digitalisierung‘ in der Schule durch das Strategiepapier der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ (KMK 2016) einen hohen Stellenwert erhalten, aber Herausforderung für alle Lehrkräfte ist es seit vielen Jahren, die Potentiale von Digitalisierung bzw. neuen Medien für den Unterricht zu nutzen und gleichermaßen Grenzen für den Einsatz zu kennen. 76 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 4. Herausforderungen der Schreibkompetenzvermittlung im Fremdsprachenunterricht Die in diesem Beitrag skizzierten Schwerpunkte und Vermittlungsformen können Grundlage für die Planung und Gestaltung von Fremdsprachenunterricht sein. Zu betonen ist, dass in der mutter- und fremdsprachlichen Schreibdidaktik zahlreiche weitere (Sub-)Varianten und Konzepte der Vermittlung bekannt sind (vgl. z.B. F ERRIS / H EDGCOCK 2014; P HILIPP 2015). Im Folgenden sollen zwei Herausforderungen - Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen (4.1) sowie Leistungsbeurteilung und Prozessorientierung (4.2) - betrachtet werden, die für den Fremdsprachenunterricht generell und im Besonderen für die Schreibkompetenzvermittlung von Bedeutung sind. Zu Darstellung und Diskussion der anspruchsvollen Aufgabe einer validen, reliablen und objektiven Bewertung von Textproduktionen als ein offenes Aufgabenformat sei auf H ARSCH (s. Beitrag in diesem Heft) verwiesen. 4.1 Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen Eine Herausforderung für alle Lehrkräfte stellt sicherlich die Aufgabe dar, in pädagogisch produktiver Weise mit der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler umgehen zu können. Es ist in jedem Unterricht von unterschiedlichen Voraussetzungen in der Lernmotivation, dem Vorwissen etc. bei den Lernenden auszugehen. Durch diagnostische Verfahren erworbene Kenntnisse sind bei der Gestaltung von Unterricht zur Vermittlung von Schreibkompetenz zu berücksichtigen. Zwei Aspekte, die im Zusammenhang mit heterogenen bzw. individuell unterschiedlichen Lernvoraussetzungen für den fremdsprachlichen Schreibunterricht besondere Bedeutung haben, sind Kenntnisse über die Lernentwicklung von Kindern und Jugendlichen in diesem Bereich sowie die Situation, dass Schülerinnen und Schüler am Fremdsprachenunterricht teilnehmen, deren Muttersprache nicht Deutsch oder die Zielsprache des Fremdsprachenunterrichts ist. Schreibentwicklungsmodelle, die Entwicklungen von Lernenden im Erwerb von Fähigkeiten im Zeitverlauf darlegen, liegen zahlreich für die L1 vor. Diese Modelle gehen von mehreren Phasen aus, die jedoch nur eingeschränkt auf die Fremdsprachenlernerinnen bzw. -lerner übertragen werden können (vgl. P ORSCH 2010a: 33-38). M ANCHÓN (2012) berücksichtigt in ihrem Sammelband empirische Studien zu verschiedenen Facetten von Schreibkompetenz aus unterschiedlichen Perspektiven bzw. Disziplinen. Beispielsweise stellen V ERSPOOR / S MISKOVA (2012) in ihrem Aufsatz die Dynamic Usage-Based-Theorie (DUB) und die Dynamic Systems Theory (DST) vor. Eine der Grundannahmen der DUB-Theorie lautet: Sprache wird durch Erfahrung und Anwendung in bedeutungsvollen Situationen gelernt. Nach der DST verändert sich Sprache bei Lernenden fortlaufend, insbesondere in Phasen, in denen eine schnelle Entwicklung stattfindet. Nach diesen Vorstellungen vollzieht jeder Lernende Spracherwerbsprozesse individuell, da Erfahrungen bzw. Lerngelegenheiten nie in gleicher Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 77 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 Weise bestehen. Die Verwendung neuer Konstruktionen in Texten kann durch Fehler gekennzeichnet sein. Schließlich empfehlen die Autorinnen Fremdsprachenlehrkräften, dass sie - aufgrund der Heterogenität der Lernenden - unterschiedliche Vermittlungsmethoden einsetzen. Die Tatsache, dass Deutsch nicht die Muttersprache aller Schülerinnen und Schüler in deutschen Klassenzimmern darstellt, impliziert bekanntermaßen sowohl Potentiale als auch zahlreiche Herausforderungen für Fremdsprachenlehrkräfte (ausführlich s. den Beitrag von R EICHERT / M ARX in diesem Heft). Die in diesem Beitrag thematisierte Herausforderung für Lehrkräfte und mehrsprachig aufwachsende Lernende kann bestehen, wenn Lehrerinnen und Lehrer im Fremdsprachenunterricht relativ häufig Deutsch verwenden und Deutsch nicht die Muttersprache der Lernenden darstellt. Das Prinzip der funktionalen Einsprachigkeit erlaubt Lehrkräften, auch im Fremdsprachenunterricht Deutsch zu verwenden (vgl. z.B. B UTZKAMM / C ALDWELL 2009). In empirischen Studien zeigt sich tatsächlich, dass die Muttersprache für alle Phasen des Schreibprozesses verwendet und als Unterstützung angesehen wird (vgl. R OCA DE L ARIOS et al. 2016: 278f.). Auf Seiten der Lehrkräfte kann zwischen Situationen der Sprachvermittlung und solchen zur Klassenführung unterschieden werden, in denen auf die L1 zurückgegriffen wird. Das heißt, dass Deutsch zur effektive(re)n Vermittlung der Fremdsprache oder zum Zwecke der Organisation des Unterrichts (z.B. Arbeitsaufgaben erteilen, auf Störungen reagieren) eingesetzt wird. Englischlehrkräfte in einer 2017 in Deutschland durchgeführten Befragung begründeten die Verwendung der L1 u.a. mit der Möglichkeit Zeit zu sparen, um die Motivation der Lernenden aufrechtzuerhalten, aber auch mit Defiziten in der eigenen Sprachkompetenz (vgl. W ILDEN / P ORSCH i.Dr.). Die Diskussion um die Frage, in welchen Situationen Lehrkräfte und Lernende im Fremdsprachenunterricht Deutsch verwenden dürfen, kann noch um die Frage erweitert werden, ob Lehrkräfte überhaupt Deutsch zur Kommunikation verwenden sollten. Das gilt insbesondere für Klassen mit Schülerinnen und Schülern, die kein muttersprachliches Niveau in Deutsch aufweisen und entsprechend benachteiligt werden würden, wenn nicht durchgehend die Fremdsprache gesprochen wird. 4.2 Leistungsbeurteilung und Prozessorientierung Die prozessorientierte Schreibdidaktik bzw. prozessorientierte Ansätze „beziehen sich auf eine Form des Schreibens, Schreibenlernens und Schreibenlehrens, die seit 40 Jahren in den USA und seit etwa 15 Jahren im deutschsprachigen Raum die traditionellen Formen der Schreibförderung revolutioniert“ (K RUSE / R UHMANN 2006: 13). Allerdings steht diese Forderung und dieser Eindruck einer ‚Revolution‘ im Kontrast zur gängigen Praxis im Fremdsprachenunterricht: Schreiben findet vielfach in Form von Abschreiben oder im Zusammenhang mit Lesebzw. Verständnisaufgaben zum Lehrbuchtext statt. Aufgaben wie Lückentexte zur Aneignung des Wortschatzes oder des grammatikalischen Wissens werden eingesetzt und eine Version eines Textes wird geschrieben, die anschließend benotet wird. Eine 2008 durchgeführte bundesdeutsche 78 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 Befragung zum Englischunterricht in der Sekundarstufe I zeigt auf, dass „ein mehrschrittiger Schreibprozess nur von wenigen Lehrkräften initiiert wird“ (P ORSCH 2010b: 71). Mehrere Gründe können diese Situation erklären (vgl. auch P ORSCH 2010a: 20f.), so z.B. Defizite in der Lehrerbildung, d.h. die entsprechenden Kompetenzen für prozessorientierte Verfahren oder diagnostische Fähigkeiten sind nicht ausreichend vorhanden. Die Forderung, dass Texte von Schülerinnen und Schülern mehrmals überarbeitet werden, Lehrkräfte den Lernprozess aktiv begleiten sollen, Verfahren der Selbstevaluation eingesetzt sowie die Partizipation der Peers bei der Rückmeldung zu Texten berücksichtigt werden sollten, führt unausweichlich zu einer veränderten Lehrerrolle (im Sinne einer Lernbegleiterin bzw. eines -begleiters). Darüber hinaus verlangt eine solche Prozessorientierung im Unterricht die Reflexion des tradierten Leistungsbegriffs (vgl. W INTER 2012). Das verlangt in der Folge wiederum die Diskussion darüber, ob traditionelle Verfahren der Leistungsbeurteilung, die vorrangig die Produkte für die Notengebung im Fremdsprachenunterricht heranziehen, weiterhin angemessen sind. Im Sinne der Inhaltsvalidität bzw. zum Erreichen eines Washback-Effekts sollte die Überarbeitungsleistung eine Rolle in der Bewertung der finalen Texte spielen. Allerdings kann dieses Vorgehen eine Reduktion der Auswertungsobjektivität zur Folge haben, da die Qualität und Quantität der Überarbeitung ausschließlich der Lehrkraft bekannt sind, die den Unterricht anleitet. Ferner ist festzulegen, in welchem Umfang diese Leistung in der Bewertung des Schreibprodukts Berücksichtigung finden soll. Gegen die Berücksichtigung dieser Leistung kann folgendes Argument angeführt werden: Für die Anwendung der Überarbeitungstipps erhalten die Schülerinnen und Schüler allerdings keine Extra-Punkte, weil sie diese schon durch die Verbesserung der ersten Fassung in den verschiedenen Teilbereichen bekommen. Außerdem wäre es schwierig zu begründen, warum gute Aufsätze mit keinen oder wenigen Verbesserungsvorschlägen trotzdem eine hohe Punktzahl erhalten (S AHLMANN 2018: 2). Für die Lernenden ist die Verständigung auf ein einheitliches Vorgehen in den Sprachfächern einer Schule sicherlich wünschenswert. 5. Anregungen für die Lehrerbildung und den Fremdsprachenunterricht Die Förderung bzw. Ausbildung von Schreibkompetenz stellt eine wichtige Aufgabe im Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe I dar, die Lehrkräfte vor zahlreiche Herausforderungen stellt. Eine Auswahl wie der Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen und in diesem Zusammenhang die Klärung des Stellenwerts der Erstsprache im Fremdsprachenunterricht wurde in diesem Beitrag skizziert. Zur Befähigung der Vermittlung im Fremdsprachenunterricht bedarf es einer entsprechenden Berücksichtigung in der Lehrerbildung. Unter Berücksichtigung der Forschungslage resümiert L EE (2016: 133): „Research on writing teachers‘ professional development Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren 79 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 and writing teacher education is in its infancy.“ Entsprechend wünscht L EE sich, dass zukünftige Forschungsarbeiten u.a. die Frage klären, welche Ansätze in der Lehreraus- und -fortbildung geeignet sind, um Lehrkräfte optimal auf den Fremdsprachenunterricht vorzubereiten. Für Deutschland ist sicherlich zuerst die Frage zu klären, ob und in welcher Weise Lehramtsstudierende überhaupt im Sinne der dargelegten Schwerpunkte ausgebildet werden. In Bezug auf die Anforderungen an den Unterricht, die Praxis sowie aktuelle Trends in der Fremdsprachenforschung und -didaktik lassen sich u.a. folgende Konsequenzen für die Lehrerbildung und den Fremdsprachenunterricht ableiten: • Die - wenn auch schmale Befundlage für Deutschland - zum Fremdsprachenunterricht in Bezug auf die Prozessorientierung lässt annehmen, dass der didaktische Ansatz in der Praxis nicht verbreitet ist (vgl. auch L EE 2016: 131). Eine Ursache kann in der Lehrererstausbildung liegen, die möglicherweise (! ) das fremdsprachliche Schreiben (Didaktik, Theorien der Schreibentwicklung, empirische Befunde, usw.) nicht an allen Standorten umfänglich berücksichtigt. • Mit Blick auf die bislang unzureichende Implementation in den Fremdsprachenbzw. Englischunterricht plädiert L EE (2016: 132) dafür, dass zukünftige Forschungsarbeiten „provide insights into how EFL writing teachers can blend idealism and realism in their teaching contexts.“ • Mit Blick auf die hohen Anforderungen an eine Auswertung werden seit Jahren in der Forschung Möglichkeiten einer computerbasierten Auswertung erprobt und Instrumente entwickelt (vgl. z.B. K ELLER / M ÖLLER 2019). Langfristig ist deren Einsatz für die Lehrerbildung und die Schulpraxis wünschenswert, um objektive(re) Urteilsbildungen zu ermöglichen und um Lehrkräfte zu entlasten. • Die in diesem Beitrag dargelegten Anforderungen gehen davon aus, dass Lehrkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung in einer Fremdsprache ausgebildet wurden. Tatsächlich unterrichtet ein hoher Anteil an Lehrerinnen und Lehrern in der Sekundarstufe I fachfremd, d.h. ohne den Erwerb einer entsprechenden Fach- Lehrbefähigung bzw. das Studium (ausführlich vgl. P ORSCH 2016, 2019). Beispielsweise haben im Schuljahr 2018/ 2019 in Nordrhein-Westfalen 40,4 Prozent der Lehrkräfte an Hauptschulen und 12,3 Prozent an Gesamtschulen in der Sekundarstufe I ohne die Lehrbefähigung für das Fach Englisch regelmäßig unterrichtet (MSW NRW 2019: 132-134). Da sich die Situation aufgrund von Lehrermangel und der Anwendung des Klassenlehrerprinzips nie ausschließen lässt (vgl. P ORSCH 2019), sind u.a. die Unterstützung der fachfremd tätigen Lehrkräfte durch Fachkolleginnen und -kollegen sowie die Nutzung von Angeboten zur nachträglichen Professionalisierung wünschenswert. 80 Raphaela Porsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0005 49 (2020) • Heft 1 Literatur B ODEN , Margret A. (2001): „Creativity and knowledge“. In: C RAFT , Anna / J EFFREY , Bob / L EIBLING , Mike (Hrsg.): Creativity in Education. London: Continuum, 95-102. B ÖTTCHER , Ingrid (2010a): „Grundlagen kreativen Schreibens“. In: B ÖTTCHER , Ingrid (Hrsg.): Kreatives Schreiben (9. Aufl.). Berlin: Cornelsen, 9-21. 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Research in this area has only quite recently begun to take account of the extent of this phenomenon. The present paper offers, in a first step, a concise overview of current research in the field of academic L2 writing in English. The second part consists of a presentation of empirical study results involving Austrian students of English, and a discussion of the implications of these findings for pedagogy in Higher Education, with a special focus on three subject areas: attitudes and perceptions of student writers, challenges and difficulties involved in academic writing, and writing practices. 1. Introduction The ongoing internationalisation of universities has resulted in English attaining the status of ‘academic lingua franca’ (cf. e.g. J ENKINS 2014; M AURANEN 2012), requiring academics across the globe to produce and engage with English-language publications. A considerable body of research has addressed the precise nature of this Anglicisation of academia, highlighting the pervasive nature of the need to produce in English in order to attain international visibility of one’s research output, for instance also in the inclusion of research in meta-studies of the field. A more detailed study of this internationalisation has highlighted some discipline-specific differences as far as ‘English-only’ publishing is concerned (G NUTZMANN / R ABE 2014) as well as * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Julia H ÜTTNER , Universität Wien, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Spitalgasse 2-4, 1090 W IEN E-Mail: julia.huettner@univie.ac.at Research areas: Bilingualer Sachfachunterricht (CLIL), English-Medium Instruction (EMI), Classroom Discourse Analysis, videounterstützte LehrerInnenbildung Mag. Dr. Angelika R IEDER -B ÜNEMANN , Universität Wien, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Spitalgasse 2-4, 1090 W IEN E-Mail: angelika.rieder@univie.ac.at Research areas: Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache, Bilingualer Sachfachunterricht (CLIL), Wortschatzerwerb und -vermittlung 84 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 in the native-speaker norm-orientation of the English required or produced in specific fields (M AURANEN 2012). Although European universities retain strong affiliations to national languages of education, especially in teaching, a trend towards an increased use of English in teaching is visible. At times, this takes the form of more English-medium courses being offered, especially at Masters’ level, which aim to prepare students for a more international academic or other career while also catering for staff and students unfamiliar with the local language of education. Local students attending such programmes are by default required to produce all their university writing in English, which has added to demand for greater consideration of teaching relevant aspects of L2 academic writing. While these programs still constitute only a minority, their rise over the last decade has been dramatic, i.e. from 2,389 in 2007 to 8,089 in 2014 (cf. W ÄCHTER / M AIWORM 2014: 48) In addition, there are more individual classes being offered in English and in students’ production of academic texts in English, either as course requirement or by choice. As an example, G NUTZMANN / R ABE (2014: 32) show the rise of dissertations written in English at a medium-sized German university from 7.5% in 2000 to 38.1% in 2010. Taking account of the above-mentioned trends, this paper will focus exclusively on student writers of academic English as an L2 and address both their writing processes and products and, importantly, their perspectives on themselves as academic writers. The precise focus lies on German-speaking students of English and American studies and thus a group of students who are, on the one hand, privileged by having access to more institutional L2 support as members of a language department but, on the other hand, members of a discipline where language use, like in many other Humanities subjects, is seen as more challenging and less formulaic than in, for instance, natural or life sciences (cf. R ABE 2016). 2. Students as Academic Writers 2.1 Conceptualising Academic Writing and its Teaching When we consider students as academic writers, a conceptualisation of both academic discourse and its associated learning and teaching is needed. Acknowledging the diverse traditions of studying language in academia and the difficulties of arriving at any form of generally accepted definition, we shall here follow the inclusive proposal by W INGATE (2015: 6) of viewing academic literacy as “the ability to communicate competently in an academic discourse community”. This straddles two areas within academic writing research that we consider of major importance for the studies reported here; firstly, the aspect of communication, with its dominance in academia on written genres, and secondly, the social aspects of practice, shown in this definition’s focusing on the academic discourse community. Different categorisations of academic writing research abound, such as textual, Growing into Academic L2 Writing 85 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 contextual and critical (cf. H YLAND 2009) or study skills, academic socialisation and academic literacies (cf. L EA / S TREET 1998) or into conforming, challenging and paradigm-shifting approaches (cf. J ENKINS 2014). Due to demands of space, we cannot present a comprehensive overview here, but will focus on the most prominent view in our context of study, i.e. academic writing as genre. This conceptualisation of both researching and teaching academic writing addresses both textual and contextual aspects, with its prime focus on linking the purposes of specific written and spoken texts within a community to specific textual realisations. B HATIA (2012: 241, our emphasis) summarises this by saying “genre analysis is the study of linguistic behaviour in institutionalised academic or professional settings”. Of paramount importance within genre analysis is the focus on the communicative purpose of any text, which drives any discursive or lexico-grammatical choices. This purpose is brought into relief through individual moves, i.e “discoursal or rhetorical unit[s] that perform […] a coherent communicative function in a written or spoken discourse” (S WALES 2004: 228). Prolific work has been done both in the Systemic Functional Linguistics (SFL) and the English for Specific Purposes (ESP) schools of genre analysis, which has addressed the relationship between genres, the specificities of individual genres across disciplines and the specific types of textualisation patterns (cf., e.g., B HATIA 2004; S AMRAJ 2002; C HRISTIE / M ARTIN 2005). An aspect worth remembering in the conceptualisation of academic literacy as genre-based is, firstly, its inherent rejection of a solely skills-based approach focused on linguistic realisations only and of a homogeneous view of language use in academia. Secondly, these views of academic writing strongly embed genres in larger patterns of social behaviour, and so combine textual and contextual approaches. The teaching side of the genre-approach has focused on raising awareness in students of the link between purpose and text or in H YLAND ’ S (2004: 11) words creating “an explicit understanding of how target texts are structured and why they are written the way they are”. This aspect has also fed most directly into teaching within a genre approach, where often awareness of purpose, move structures and textualization options are highlighted (cf., e.g., J OHNS 2001). This analysis stage is typically followed by both critical engagement and increasingly less guided writing tasks. While student writing was originally, at least implicitly, conceptualised as needing to ‘mirror’ more expert writing, the last decade has seen an increased acceptance of student genres as legitimate and independent (cf., e.g., H ÜTTNER 2007, 2015; N ESI / G ARDNER 2012) in line with a positioning of students as ‘legitimate, peripheral members’ (L AVE / W EN - GER 1991) of their academic communities of practice. Although not usually specified in this way, the educational trajectory of students towards becoming members of their chosen academic discourse community (cf. S WALES 1990), i.e. the group of people who share common goals and social (including generic) conventions, shares tenets with academic language socialisation (cf., e.g., D UFF 2010). This is defined as “the processes by which newcomers […] of a culture of community attempt to gain the communicative competence and knowledge needed to participate fully and appropriately, according to local norms, in their communities” (D UFF / A NDERSON 2015: 337). 86 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 The aspects of socialisation and of more critical academic literacies research address the importance of participation in relevant discourse communities and the interlinked communities of practice in the process of becoming an academic writer (cf. R ABE 2016). W ENGER (1998: 5) describes the process of developing these new identities within communities of practice as “talking about how learning changes who we are and creates personal histories of becoming in the context of our communities”, and these ideas of writer identity have been much more thoroughly developed, for instance, by I VANIČ (1998). In the distinction between the diverse writing selves (autobiographical, discoursal, as author and in the possibilities of self-hood), she creates a space for addressing the complex paths of students towards embracing their new roles as academic writers. One area of investigation in this development has been stance and voice (cf., e.g., S TOCK / E IK -N ES 2016), which highlight the intricate discursive processes of navigating one’s position within academia. Criticism of genre-based teaching has focused on its textual bias, as well as on its perpetuating of disciplinary norms by teaching students to unquestioningly adopt established genre patterns and so strengthening, rather than challenging, existing power relations in academia (cf. L ILLIS / S COTT 2007). Although justified in some instances, it is necessary to note that genre-based teaching continues to develop to allow for a greater inclusion of contextual aspects and of space for student writers’ development of an independent writer identity, not characterised by blind copying of existing models. Following W INGATE (2015: 34) we acknowledge the importance of continued attention on written genres, given their paramount status in higher education assessment practices. 2.2 Academic Writing for L2 Authors T ANG (2012: 12) points out that “‘academic discourse’ is not the natural ‘first language’ of any writer” and study skills approaches to academic writing have justly been criticised for their limited view of L2 writers only requiring (surface-level) linguistic support. However, the need to ‘learn’ academic discourse by all students has not resulted in a systematic provision of L1 writing instruction in academia. In fact, the assumption of “learning to write [...] by osmosis” (B URGESS / P ALLANT 2013: 24) and in turn of academic writing teaching as a remedial exercise remains strong. Research into L2 academic writers has had a strong bias on students in Anglophone countries (cf., e.g., L EKI 2017), who are frequently marginalised in a mainstream English-speaking study environment. The changed status of English as an academic lingua franca has not yet done much to alter the positioning of international students in Anglophone universities and their language needs; thus, a recent study by J ENKINS (2014) found that the majority of these students did not receive discipline-specific academic literacy training but only very general language classes (often perceived as unhelpful), and that in their academic contributions they were frequently measured against standards of native-like-ness rather than appropriacy in the discipline. The general tendency of subject lecturers to not feel responsible for language or genre-related teaching sup- Growing into Academic L2 Writing 87 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 ports the relegation of academic writing classes to ‘one-size-fits-all’ language classes; the extra challenge faced by L2 students, however, is shown, for instance, in the role of low English proficiency in the lower success of international students in Englishspeaking universities (cf., e.g., L I / C HEN / D UANMU 2010). The situation for the students in focus here is somewhat different, as their universities are located in non-English-speaking environments, where students’ status as L2 or lingua franca speakers of English is the default rather than being unusual. However, some of the challenges of learning academic literacy in an L2 remain, aptly summarised by K NORR / P OGNER (2015: 16) as a double challenge. The situation in continental Europe, and as such also in Austria, in terms of academic writing support for the L1 is varied. While there is an increase in writing centres and support mechanisms (cf. D OLESCHAL 2012; G RUBER 2012), there is still a reluctance to include obligatory courses in L1 academic literacy in degree programmes. With universities generally over-subscribed, there is little pressure to improve student drop-out rates or to increase the support for students from non-German-speaking backgrounds. In this setting, students of English have the advantage of obligatory language courses and systematic feedback on (academic) language use in their degree course. The focus of this article lies on the perspectives of student academic writers on their conceptualisations of academic literacy, the challenges they face when writing their texts and the processes they undergo, both at a micro-level of writing one specific text and at the macro-level of their development throughout their studies. This particular group of students has so far not received much research attention compared to L2 speakers in Anglophone countries, but will arguably become more prominent with continued Anglicisation of universities across Europe. As the students are advanced learners of English with a proficiency level of B2+/ C1 in the Common European Framework of Reference (C OUNCIL OF E UROPE 2001), the findings highlight the aspects of academic writing in an L2 that are unique to academic literacy rather than related to more general L2 writing. The studies presented in the following sections were conducted at the Department of English and American Studies of the University of Vienna. Students of the older of these two studies (H ÜTTNER 2007, 2015) had academic writing support as part of a content class only, while those of the second study (R IEDER -B ÜNEMANN / R ESNIK forthcoming) also had a specific English for Academic Purposes class later in their studies. 3. Empirical Results: Perceptions of English Language Students Growing into Academic L2 Writing 3.1 Students of English as L2 Academic Writers As indicated above, students of English represent a special learner group in the field of L2 academic writing on two complementary levels. On the one hand, they differ 88 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 from non-language student writers in that they undergo extensive training in the L2 as part of their studies, which generally renders them both more competent in the L2 and also more aware of language-specific features like text type characteristics or register differences. On the other hand, students of English also stand out from most students of other subjects having to produce academic texts, since the education of English language students typically involves explicit training in, and reflection on, academic writing procedures and conventions. Although awareness of the need to explicitly address academic writing competences is generally rising, many other disciplines where academic texts are typically written in the students’ L1 still offer no such training to students. With this twofold special status in mind, students of English are likely to have a particularly rich perception of both (L2) academic writing practices and of their perceived challenges in this field, which makes them a promising target population for investigating student perceptions of academic writing. 3.2 Study Participants and Data The insights presented in the following were collected in two studies. The first one (henceforth Study 1) consists of 66 questionnaires and Proseminar papers in linguistics by second-year students plus six in-depth interviews, all data collected at the Department of English, University of Vienna, in 2004. In addition to an analysis of moves and textual realisations of introductions and conclusions of their papers, student questionnaires addressed students’ background, including their previous experiences of academic writing in the L1 and the L2, their strategies while writing the specific paper submitted and, finally, their communicative intentions in two of the paper sections shared by all students, i.e. introductions and conclusions. The semi-structured interviews were conducted with students who had achieved high grades and self-identified as ‘successful’ academic writers; students were probed on their perceptions of academic writing, partly in contrast to other writing in the L2, their practices while writing and editing their papers, and perceived challenges and support structures. 1 Most data are taken from the second study (henceforth Study 2), comprising guided written reflections of 50 advanced students of English attending the course ‘English for Academic Purposes’ in 2016, a course offered to MA students and advanced students of the teacher training program, at the Department of English, University of Vienna. Students completed written reflections on their experiences as academic writers at the beginning of the term, as well as a follow-up questionnaire containing openended questions at the end of the course. The guiding questions in the reflections specifically addressed their development as academic writers throughout their university career, challenges they had faced and aspects they experienced as positive, differences 1 For a more detailed description and discussion of results, cf. H ÜTTNER (2007). Growing into Academic L2 Writing 89 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 perceived between their L1 and L2 academic writing, and their view on the role of writer identity. 2 3.3. Study Results and Discussion 3.3.1 The macro-level: Personal development as academic writers Study 1 students were still very much at the beginning of their studies and so for the vast majority, to be precise 77.2%, this was the first paper in English they had to write. Their thoughts on development as academic writers thus primarily concerned the change from other school or university writing in English to these linguistic papers. What students highlighted in their interviews were the contrasts to their previous writing, which was considered to be less constrained, more personal in that writers could express their own stance freely and, in general, more creative. See, for instance, this statement by one female student: “You can’t really be creative; yes, you must make sure that your reader really understands [your paper] and, well, bring many examples […] then the whole thing should have a structure somehow”. The perception of a change in genre was verbalized also as a move from a display of opinion to one of (newly acquired) knowledge; aligned with this view was a frequent desire by student writers to use the academic papers to document and show their learning of the linguistic topic in question. In terms of the textual production, the aspects of learning and personal growth were present in the genre move of ‘providing a personal reflection’, realized in 32.7% of all texts. One example, which highlights this most directly, is the following: Finally, I wanted to make a personal statement as the author of this seminar paper: the process of my research has taught me a wide range of things I already knew. This information was inside my brain, but only the investigations worked as a means to make it visible. 3 At the time of Study 1, only general (rather than academic) language competence courses were offered at the English department; most students did not feel that these courses helped prepare them for their new tasks in writing academic papers. Thus, students scored an average of 1.89 on a Likert scale, ranging from 1 (never) to 6 (very frequently), regarding their using materials or information from language classes when writing academic papers. In the interviews, one student confirmed this picture saying that “[…] for academic writing, it [i.e. the language classes] didn’t really help that much.” Since, by contrast, the students interviewed in Study 2 were already at a quite advanced stage of their (MA or teacher education) studies, they had been experiencing a range of stages and developments in their careers as academic writers. When looking 2 For a detailed description of the study and the results gained, cf. R IEDER -B ÜNEMANN / R ESNIK (forthcoming). 3 Interviews from Study 1 were conducted in German. The first author translated the extracts used here. 90 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 back to their transition from school to university, however, their perceptions of development mirror those of Study 1 participants quite closely. Thus, the increased demands in terms of language competence as well as the increased complexity of the study fields encountered were mentioned by a number of students as perceived challenges on their way into academic writing. This is exemplified by the following statement of a female student: I think that it was particular difficult for me, because my language skills were not good enough at the beginning of my studies. Furthermore, I was introduced to so many new text topics that it was simply too much to take in all at once. 4 Also, students experienced difficulties adapting to the different text types, writing goals and formal requirements of academic writing compared to writing tasks at school as the comment below illustrates: I was not used to write in this particular way, in school I often had to write about my own point of view or fulfil creative tasks without researching information, but at university the knowledge is already there. Therefore, I have to summarize information from different sources and indicate the origin of the source, which means I have to follow citation rules according to a particular department. The third point which stood out in the student reflections was the requirement of viewing writing as a process rather than a product, which obviously required a conceptual shift in some student’s approach to writing: I think my problems with text organization were due to the fact that I did not see writing as a process requiring different drafts and various stages of revision. I always wanted to write a very good text in one sitting, which was simply not possible most of the time. As I got used to this, I invested more time in drafting and revising texts until I was satisfied with the outcome. At the same time, the fact that they received extensive and explicit training in writing at university within their English studies was perceived as valuable. As one student puts it: “Practicing to produce such texts regularly over the courses definitely helped me to improve my writing/ speaking skills and to become more professional”. Generally, the study results show that the continuous education throughout their studies, with a focus on both general language competence and on (academic) writing competence, is seen as rewarding by the students, and seems to help them not only to cope with the demands of academic writing, but also to gradually increase their professionalism and their confidence as academic writers. 3.3.3 The micro-level: Perceived challenges and benefits The novice writers of Study 1 mention a number of challenges experienced that are quite simply related to the greater length of the required texts, accounting for a need 4 The questionnaires in Study 2 were answered in English, so quotations from student responses were left unaltered, i.e. errors were not corrected. Growing into Academic L2 Writing 91 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 for more time to plan and organize their papers, but also to edit them. The interviewees, who had self-identified as successful writers, all reported extensive phases of planning and editing. The plans mostly consisted of outlines in terms of content and structure, with students adding and changing them in line with their reading and learning about the new topic. One student described this as I always make such plans before, on a piece of paper, I write down what I want to do, and what is most intelligent, so that I group it somehow […] mostly, I make a plan before writing, where I decide what belongs where regarding content and so on. With regard to editing, the status of novices with regard to academic conventions of writing becomes quite apparent, in that students’ focus lay quite clearly on surface or formal features, such as using the style sheet correctly, especially in terms of quotations, and on the use of specific terms, including connecting devices. The purpose of doing this was identified by one student as “[…] so that it sounds - under inverted commas - clever”. In terms of more functional genre conventions, i.e. the choice of moves and the understanding of a link between moves and communicative intention, two different sets of challenges could be identified (cf. also H ÜTTNER 2015). Those student writers that produced genre moves in introductions and conclusions that were deemed inappropriate by their markers could be clustered into two groups; firstly, the group who reported planning to use an inappropriate move, such as ‘presenting new information’ in the conclusion, and had clear textual realisations of this intention in their texts. The second group reported planning to use required and/ or appropriate genre moves, e.g. ‘presenting the main points’ in the paper introduction, but did not manage to turn this communicative intention into a textual realisation in their papers. Clearly, for the former group, the challenge is one of awareness of the communicative purposes of particular academic texts, whereas for the latter group, the difficulties lie in turning appropriately understood communicative intentions into recognizable textual realisations. With the more advanced students in Study 2, a number of common themes emerged as regards specific challenges on the micro-level of writing academic texts. As to be anticipated at a higher language competence level, most of the issues experienced were related to academic writing literacy rather than to general language or writing competence. The two most frequently mentioned challenges related to literature (reading, finding, selecting and evaluating sources), and to textual logic or structure (providing well-structured texts with a coherent, persuasive argument). Language factors were also experienced as challenging, but the main problems here related to academic language (e.g. formal vocabulary, impersonal writing style) rather than to general language competence. Furthermore, topic-related issues like finding a research question, narrowing down or staying focused on the topic were listed frequently. Interestingly, quite a number of students mentioned emotional challenges as hindering their writing process. These were either intrinsically motivated feelings of anxiety or lack of self-confidence that were triggered, especially when having to write 92 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 longer papers: “I suppose I always feel intimidated by ‘big’ papers and tend to put them off because the amount of work they require scares me at the beginning”. These negative emotions, according to the student responses, frequently lead to procrastination strategies prolonging and delaying the writing process. On a more extrinsic level, students mentioned a lack of motivation, partly induced by a lack of interest in the research topic, or by missing the sense of purpose in student writing, as exemplified in the following statement: “But as a student I do not really see the relevance of the content of our work. Who is really going to read the paper or the diploma thesis besides our professors? […] It is a little bit frustrating”. Here, awareness raising as to the relevance and place of student genres within the academic discourse community could clearly help to increase student motivation. While academic writing was obviously associated with a range of difficulties, all students also mentioned various positive experiences related to academic writing, which showed that they, at least partly, tended to link both the writing process and the end result with a sense of enjoyment. One group of these positive emotions was related to the topic level, such as the joy experienced when delving into an interesting topic, or the act of comparing and contrasting views and finding one’s own: What I liked most about writing academic texts was that I had to read about so many different topics and areas of research, compare/ contrast different views and opinions and back up my own ideas with relevant source material. These positive experiences were also mentioned when initial procrastination was involved. As one student notes: “Sometimes it takes some time for me to start the writing process, but I actually really enjoy working on topics of my interest and reading through secondary literature”. On a more personal level, participants mentioned the sense of “relief and accomplishment” when handing in the final paper, and the self-confidence gained over the course of their academic career, which, as students felt “will also help me in my future career”. Here, positive feedback received on their papers was mentioned as a special factor strengthening students’ self-confidence. Overall, then, academic writing seems to be quite emotionally charged, both negatively and positively, even for advanced students with a range of previous experience in academic writing. 3.3.3 The mother tongue: Perceived competence in L1 vs. L2 academic writing As participants in Study 1 did not comment at all on the use of L1 as a language of academic writing, only findings from Study 2 will be reported here. Since particularly the advanced students in the teacher training program participating in Study 2, who are required to study a second subject, were likely to be engaged in academic writing both in their L1 and their L2, their perspectives on L1 vs. L2 writing processes offer interesting insights into potentially L2-specific factors; for this reason, Study 2 Growing into Academic L2 Writing 93 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 included reflection questions addressed only to students who had to produce academic texts in both languages. Among this group, numerous students reported feeling more competent in their L2 although this was not their native language, due to the targeted input they had received at the English Department, which (in line with the above comments on the lack of L1 writing instruction in academia) they described as less prominent or even absent in their other subjects: I feel that I am more competent when writing academic texts in English, simply because I have the impression that at the English Department we focus more on academic writing/ style/ citations etc. than at the German Department. Although I generally feel quite confident when writing in German, I feel that we are much better prepared for writing academic texts in English. The English Department simply focuses a lot more on writing competence; in Biology the main training/ issues rather relate to knowledge in the fields of Biology. Other students, in turn, indicated that they were more comfortable writing in their L1 because they felt more confident in their mother tongue. While they related this partly to their more extensive experience in writing L1 texts, in some cases, the source of this perception seemed to be linked to their supposed lack of language proficiency in the L2, even though they were at an advanced stage of their (language) studies. This was apparent in statements like the following: I do feel a lot more confident writing academic texts in my L1. I think this is due to the reason, that I never have had problems in German concerning vocabulary, spelling, cohesion, etc. Furthermore, it is much easier to express myself and my ideas in my L1. Hence, for these participants, their perceived limitations in linguistic range and accuracy diminished their confidence, as these rendered their writing process more timeconsuming and less straightforward than in their L1. For a third student cluster, the L1-L2 competence distinction was not so clear-cut, as they differentiated between language competence on the one hand, where they felt more confident in their L1, and writing competence on the other, where they felt better equipped in their L2. This, again, suggests that the obstacles and preferences experienced in L1 or L2 academic writing competence are linked to both levels, academic writing conventions as well as language-related issues, which are experienced as strengths or limitations with varying intensities by different students. 3.3.4 The social nature of academic writing: Awareness of writer identity and varying conventions A clear difference between the less mature academic writers of Study 1 and the more mature ones of Study 2 lies in the awareness (or lack of it) of writing as social practice, including issues of stance. For Study 1 students, academic writing was quite simply defined as ‘objective’, operationalized as focusing on conveying factual information and the need to avoid the first-person pronoun ‘I’. Interestingly, there were two genre moves were a writer identity was verbalized, i.e. in the ‘acknowledgements’ of the 94 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 introduction and the already mentioned ‘personal reflection’ of the conclusions. Neither of these moves, however, embraces an academic writer identity; the reflections are those of learners of content and hence best captured as more general student identities and the acknowledgements focus on the private, social persona of the students. Beyond that, very little was reported in terms of writer identity by Study 1 participants. Study 2 participants, on the other hand, showed deeper, albeit diverse, levels of awareness of academic writing as a social practice, which were addressed in one section of the reflections focusing on their perceptions of the role of writer identity in academic texts. Even though the students were at an advanced stage of their studies at this point, and had received considerable input on academic writing throughout their university courses, views here appeared to be astonishingly mixed. Some clearly seemed to conceptualize academic writing as a social activity where the writer inherently expresses his/ her identity through the act of writing, as exemplified by a typical response: Every academic text (as long as it is no case of plagiarism) necessarily conveys the opinion of the author. Thus, the identity (meaning the set of beliefs, the approach to the problem in question, the formulation of the thesis) is intrinsic to the process of academic writing in my opinion. Another group, in turn, apparently saw academic texts as separate from the writer, which points to a skills-based conceptualisation that, still in line with the notions of beginning students in Study 1, disregards the social embedding of academic writing practices. This is illustrated by the two responses below, where, in the case of student A, writer identity is viewed as distant from, and inappropriate in, academic texts, or where, for student B, the notion seems to be unfamiliar altogether: A. I do not think that the writer should show his/ her identity, as the text is meant to present a contribution to the pertaining field of study, and the identity of the author should not influence or determine this thesis. (reflection 1) B. I don’t think I can answer this question correctly since I am not familiar with the term of writer identity or its meaning. (reflection 1) However, it appears that targeted instruction indeed helps in raising student awareness in this respect, even if they are already at a relatively advanced level. The EAP course took a genre-approach to academic writing, stressing its social nature and explicitly addressing writer identity and the positioning of students’ writing within their academic community. Furthermore, as the participants were writing their Master-/ Diploma Theses in various fields (literature, linguistics, cultural studies, or for student teachers even in completely unrelated fields), the course tried to sensitize the students to varying genre conventions in different fields by picturing them as agreed practices negotiated by a particular academic community. 5 5 For a comprehensive analysis of the effect of the EAP course on student conceptions, cf. R IEDER - B ÜNEMANN / R ESNIK (forthcoming). Growing into Academic L2 Writing 95 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 As the answers of the same two students in the follow-up questionnaire after the course showed, their views did indeed change through the course input, both with regard to the role of writer identity, and the varying conventions as to its explicit realisations in academic texts. This is apparent in their verbalisations, with a clearer conceptualisation addressing field-specific conventions on the part of student A and an admittedly much fuzzier response of student B, which nevertheless seems to imply some familiarity with the notion of writer identity and a degree of sensitivity as to varying genre conventions. A. I now think that it is obvious that writer identity is implicit in his/ her argumentation, and that the (non)usage (is that a word  ? ) of personal pronouns depends on convention. (reflection 2) B. My views have definitely changed since the beginning of the course […] since I am now more familiar with the term. In my opinion, a writer’s identity is fairly important, however it mostly depends on the text type. (reflection 2) With this in mind, it seems that targeted teaching with a focus on academic writing as genre and as a social practice can trigger important reconceptualisations on the part of the students. 4. Conclusion and Implications This paper brought together two studies at the same institution, albeit at two different levels of study progress, covering a period of over ten years. During this time, some curricular changes were made in order to address some of the difficulties of students with regard to their academic writing practices in the L2. Although the studies were not planned as directly comparable, some noteworthy similarities and differences emerge. As regards the similarities, we find that some of the challenges remain; students are daunted by the length of academic texts they need to produce, which usually constitutes quite a jump from L2 writing genres and practices experienced at school. The difference in terms of moving away from personal, opinion-based writing to informative, argument-based writing is also shared across time and level of students; especially the challenges of finding, understanding, evaluating and organising information are foregrounded. In terms of differences, students in Study 1 were still largely recipients of ‘learning by osmosis’, which led to a diversity in understanding and applying genre conventions, as well as a focus on surface-level linguistic features of academic texts, suggesting a certain level of desperation in trying to make a text ‘look’ academic without understanding what is actually meant by ‘being’ academic. The effects of participants in Study 2 having taken part in focused, explicit genre-based teaching of academic writing are clearly apparent even if the data focuses on the level of language and 96 Julia Hüttner, Angelika Rieder-Bünemann DOI 10.2357/ FLuL-2020-0006 49 (2020) • Heft 1 genre-awareness rather than the level of textual practice. The more mature writers are noticeably aware of the benefits of their targeted education for improving both their competence as well as their confidence as academic writers. This perceived need to receive explicit training in academic writing, and the benefit experienced, are most evident in students’ direct comparisons of L1 scenarios without instruction with their L2 context. Despite positive developments, data suggest that Study 2 participants are also still developing; especially the aspect of academic writer identity is very diversely tackled by different students, although it has to be noted that, unlike Study 1 participants, there is some awareness of the role of writer identity in academic genres. What becomes clear through the development of the students of Study 2 after having received targeted genre-based instruction in the EAP course, though, is that even at an advanced stage, focused teaching can have far-reaching effects. These effects, most importantly, succeed in raising students’ awareness of academic writing practices and conventions, and thus adjusting students’ conceptualisations towards a social view of academic writing where they, as student writers, can find their own place, and their own voice, as participants in their chosen academic discourse community. 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Throughout the article, reference will be made to the Common European Framework of Reference and the implications that its proficiency system has for the alignment of learning objectives and assessment goals, and also for the alignment of internal and external assessment results. 1. Anforderungen an reliable und valide Schreibbeurteilung Die Entwicklung des Schreibens als wesentlicher Bestandteil der Literalität (s. Beitrag Tesch in diesem Band) erfolgt i.d.R. auf der Basis (schulischer) Instruktion. Lehrkräfte beobachten und beurteilen die Schreibprozesse und Produkte ihrer Lernenden und fördern sie durch gezieltes Feedback. Insofern nimmt die Beurteilung von Schreibkompetenzen eine zentrale Stellung in der Entwicklung und Förderung derselben ein. Bei der Förderung und Beurteilung von Schreibkompetenzen spielt der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (im Folgenden GER, E URO - PARAT 2001 1 ) eine wichtige Rolle als gemeinsamer Bezugsrahmen. So werden etwa Lehr- und Lernziele an ihm ausgerichtet, Lernende und Lehrende können seine Skalen zur Selbst- und Fremdbeurteilung nutzen, und auch die Bildungsstandards orientieren sich am GER, so dass schulinterne Beurteilung in Bezug zum nationalen Bildungsmonitoring gesetzt werden kann. Spätestens seit dem Erscheinen des GER werden Kompetenz- und Handlungsorientierung als Grundprinzipien des Sprachunterrichts angesehen, so auch im Schreibunterricht. Schreibkompetenz wird entwickelt durch Schreibanlässe und Auf- * Korrespondenzadresse: Prof.in Dr.in Claudia H ARSCH , Universität Bremen, Universitäts-Boulevard 13, 28359 B REMEN E-Mail: harsch@uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und -lernforschung, Testen und Prüfen, Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen 1 Wenn im Folgenden der GER genannt wird, ist seine Erweiterung durch das Companion Volume (C OUNCIL OF E UROPE 2018) immer mit eingeschlossen. 100 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 gaben, die sich an den Anforderungen der realen Welt orientieren. Dabei werden sprachliche Kompetenzen wie etwa Fertigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen Grammatik oder Wortschatz nicht vernachlässigt, doch kommt ihnen eine dem Schreiben dienende Funktion zu. Insofern hat der kompetenz- und handlungsorientierte Ansatz des GER den Blick auf die sprachlich-kommunikative Handlungsfähigkeit geschärft. Dies hat auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Schreibkompetenzen, denn traditionelle Verfahren wie etwa der Fehlerindex können der Handlungsorientierung nicht Rechnung tragen. Da die Anforderungen an kompetenz- und handlungsorientierte, reliable und valide Schreibbeurteilungsverfahren komplex sind (vgl. z.B. G ROTJAHN 2009; W EIGLE 2002), werden im Folgenden zunächst die Kernaspekte handlungsorientierter Schreibbeurteilung übersichtlich dargestellt. Die einzelnen Teilaspekte werden dann in den folgenden Abschnitten wieder aufgenommen und vertieft. 1.1 Beurteilungszwecke und -gegenstände Valide Verfahren müssen den Zwecken der Beurteilung angemessen sein; Beurteilungszwecke können grob unterschieden werden in Beurteilung zur Diagnose, zur Lernerfolgskontrolle und zur Kompetenzfeststellung (vgl. z.B. G ROTJAHN 2008; H ARSCH 2018). Letztere kann wiederum danach unterschieden werden, ob die Beurteilung dazu dient, die Kompetenzen individueller Lernender zu zertifizieren, oder ob es darum geht, für Zwecke des Bildungsmonitoring Kompetenzaussagen für eine Population von Lernenden auf Gruppenebene zu treffen. Je nach Zweck der Beurteilung sind verschiedene Ansätze und Instrumente angezeigt, auf welche ich im weiteren Verlauf des Beitrags eingehen werde. Ist der Zweck der Beurteilung geklärt, muss man für eine valide Beurteilung vorab genau definieren, was man überprüfen will, d.h. welches Konstrukt der Beurteilung zugrunde gelegt wird. Dabei gilt, dass es nicht „das eine“ Konstrukt der Schreibfertigkeit gibt, sondern dass je nach Kontext und Zweck der Beurteilung spezifische Aspekte des Schreibens in den Fokus genommen und entsprechend definiert werden müssen (vgl. z.B. W EIGLE 2002). So kann man etwa auf Schreibprozesse oder auf bestimmte Aspekte der Schreibprodukte fokussieren, je nach Ausrichtung der Beurteilung. Man kann eine Momentaufnahme überprüfen oder etwa mittels Portfolioansätzen die Entwicklung der Schreibfertigkeiten in den Fokus nehmen. Das jeweilige Schreibkonstrukt kann sich aus Curricula, Bildungsstandards oder aus relevanten theoretischen Modellen speisen. Einflussreiche Modelle sind beispielsweise das Schreibprozessmodell von H AYES / F LOWER (1980), das von B ÖRNER (1989) für den schulischen Fremdsprachenkontext adaptiert und erweitert wurde, sowie die empirischen Arbeiten von K RINGS (1989). Im Kontext der unterrichtsbezogenen Leistungsbeurteilung ist es wichtig, das Konstrukt eng an die jeweils geltenden Lehr- und Lernziele, an curriculare Vorgaben und ggf. an die Bildungsstandards anzubinden, um die curriculare Validität sicherzustellen. Diese Anbindung wird auch constructive alignment genannt (vgl. etwa Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 101 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 L ITTLE / E RICKSON 2015); sie soll dazu beitragen, dass die Beurteilung Ziele des Unterrichts valide widerspiegelt. Hier zeigt sich der GER als bedeutsam, stellt er doch den Rahmen vieler Curricula und der KMK-Bildungsstandards dar. Im Verlauf des Beitrags werde ich in den verschiedenen Abschnitten immer auch darauf eingehen, wie die Informationen im GER, seine Skalen und Deskriptoren zur Beurteilung und Rückmeldung eingesetzt werden können. 1.2 Vorgehen bei der Schreibbeurteilung Ausgehend vom jeweiligen Beurteilungszweck und dem dafür relevanten Konstrukt müssen entsprechende Aufgaben entwickelt werden. Die Aufgaben sollen das Konstrukt valide umsetzen, d.h. sie operationalisieren das Konstrukt so, dass die Beurteilung letztlich das misst, was sie auch messen will. In anderen Worten heißt das, dass das Konstrukt sich in der Aufgabe widerspiegeln muss und die Aufgabe folglich zu den Schreibprozessen und sprachlichen Handlungen anregen muss, die man überprüfen möchte. Ein wichtiger Aspekt der validen Beurteilung liegt dabei in der Handlungsorientierung und der Ausrichtung der Aufgaben an authentischen, d.h. auf die reale Lebenswelt ausgelegten Schreibanlässen, wie sie auch der GER anregt. Beurteilungsaufgaben sollten zu solchen Schreib- und Sprachhandlungen anregen, welche bedeutsam für diejenigen Kommunikationssituationen und Anforderungen sind, die die Lernenden auch im realen Leben meistern sollen. Die durch valide Aufgaben elizitierten Schreibprozesse und Produkte müssen im nächsten Schritt bewertet werden. Dazu müssen Bewertungskriterien angelegt werden, die wiederum das Konstrukt valide operationalisieren sollen. Wichtig ist dabei, dass die Kriterien und die darin ausgedrückten Erwartungen den Lernenden vorab bekannt sind. Wenn Kriterien und Aufgaben die Lehr- und Lernziele umsetzen (s.o. constructive alignment) und die Aufgabenformate, Anforderungen und Erwartungen vorab mit den Lernenden erarbeitet werden, schließt sich der Kreis zur curricularvaliden Beurteilung. Dieser transparente Kreisschluss ist eine der Voraussetzungen für lernförderliche Rückmeldungen der Beurteilungsergebnisse (s. Abschnitt 6). Bei der Bewertung muss auf faire, objektive, transparente und reliable Vorgehensweisen geachtet werden. Es sollten für alle die gleichen Bedingungen herrschen, das Vorgehen sollte transparent sein, und unterschiedliche Bewerter sollten zu gleichen Ergebnissen kommen. Deshalb ist es elementar, die Erwartungen in einem transparenten Bewertungsschema festzuschreiben und dieses allen an der Beurteilung Beteiligten zugänglich zu machen. Im Idealfall erhalten die Bewertenden ein Training (z.B. L UMLEY 2005), in dem sie mit dem Schema und dem jeweiligen Vorgehen vertraut gemacht werden. Die Lernenden sollten ebenfalls aus Gründen der Transparenz und Fairness mit den Beurteilungsprozessen und Erwartungen vertraut gemacht werden, was insbesondere in Kontexten, in denen sie etwa über Peer- oder Selbstbeurteilung mit einbezogen werden, unerlässlich ist. 102 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 1.3 Rückmeldung und Washback Schließlich erfolgt die Rückmeldung der Beurteilungsergebnisse, was unseren Blick auf die Folgen der Beurteilung lenkt. Hier stellen sich Fragen danach, wie die Ergebnisse interpretiert werden, wer sie nutzt und wie sie in den Lehr-/ Lernprozess zurückfließen können. Diese Fragen sollten zu Beginn jeder Beurteilung mitgedacht werden, um die Beurteilungsinstrumente und Verfahren von Anfang an so auszulegen, dass sie eine möglichst positive Wirkung, sog. positiven Washback (z.B. C HENG / W ATA - NABE 2004) erzielen können. Dabei ist zu bedenken, dass Punkte alleine wenig Aussagekraft haben. Zwar mögen sie in einem normorientierten Rahmen anzeigen, wie die Beurteilten in Bezug auf eine bestimmte Gruppe abgeschnitten haben (Stichwort ranking), inhaltlich jedoch wird dadurch nicht deutlich, über welche Kompetenzen die Lernenden verfügen und welche Erwartungen wie gut erfüllt werden. Letzteres ist jedoch unablässig, wenn die Beurteilung zur Rückmeldung führen soll. Dazu sollten die Bewertungskriterien die Grundlage zur qualitativen Beschreibung der Fertigkeiten und Kompetenzen darstellen, über welche die Lernenden verfügen. Dies trägt zu einer transparenten, kriterienorientierten Rückmeldung bei. Auch hier wird deutlich, dass die Art der Rückmeldung vom Beurteilungszweck abhängt: Während ein Kompetenztest zum Zweck des Bildungsmonitoring mit grobrastrigen Kompetenzniveaubeschreibungen auskommen mag, benötigt man für eine Diagnose der Stärken und Schwächen individueller Lernender ein feingliedriges Herangehen, das den Lernenden auch aufzuzeigen vermag, in welchen Bereichen sie sich wie verbessern können. Wiederum zeigt sich die Bedeutung des Konstrukts, das sich nicht nur in den Aufgaben und Beurteilungskriterien spiegelt, sondern bis in die Rückmeldung hineinwirkt. An dieser Stelle kommt der GER, insbesondere seine Kompetenzniveaus, seine Skalen und die Deskriptoren, die die Niveaus beschreiben, zur Geltung. Während die GER-Skalen keine Bewertungsskalen sind, können sie dennoch, wie oben ausgeführt, das Konstrukt, die Aufgaben und die Bewertungskriterien informieren, und sie können helfen, die Beurteilungsergebnisse inhaltlich-qualitativ zu beschreiben, um die inhaltliche Interpretation der Beurteilungsergebnisse zu unterstützen. Insofern hilft der GER dabei, Lehr- und Lernziele, Beurteilungsziele und Rückmeldungen transparent aufeinander zu beziehen. Letztlich sollten alle oben ausgeführten Aspekte (Zwecke, Gegenstand, Vorgehen, Rückmeldung) transparent dokumentiert und in sogenannten Test- oder Beurteilungsspezifikationen festgehalten werden. Solche Spezifikationen informieren die Beurteilungsbeteiligten und potentielle Nutzer der Beurteilungsergebnisse, sie unterstützen die Aufgabenentwicklung und sie stellen eine wichtige Grundlage für Validierungsstudien dar (vgl. etwa S EYFERTH et al. 2018). Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 103 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 2. Ansätze zur Schreibbeurteilung Je nach Zweck gibt es unterschiedliche Ansätze zur Beurteilung von Schreibkompetenzen, etwa zur Diagnose, Lernerfolgskontrolle oder Feststellung des Kompetenzniveaus, welche im Folgenden kurz dargestellt werden. Allen Ansätzen gemeinsam ist, dass sie letztlich dazu beitragen sollten, die Schreibfertigkeiten der Lernenden zu verbessern. Dabei kommt lernförderlichem Feedback eine wichtige Rolle zu, auf die unten im Abschnitt 6 näher eingegangen wird. Zur Diagnose benötigt man ein System, das es erlaubt, detailliert und feingliedrig die relevanten Teilfertigkeiten zu erfassen, die zur Schreibfertigkeit beitragen (vgl. H UHTA et al. i.Dr.). Es können je nach Diagnosefokus Schreibprozesse, Strategien der Überarbeitung, sprachliche Teildimensionen des Produkts ebenso wie textuelle Aspekte in ihren Stärken und Schwächen erfasst und rückgemeldet werden. Zur Prozessdiagnose kann man einen Portfolioansatz wählen, in dem die Lernenden sukzessive Entwürfe und Überarbeitungen dokumentieren. Dazu können Fragebögen oder Checklisten treten, welche die Lernenden anregen, über den Einsatz relevanter Schreib- und Überarbeitungsstrategien zu reflektieren. Ebenfalls hilfreich zur Diagnose von Schreibprozessen kann (retrospektives) lautes Denken sein, um gemeinsam mit den Lernenden relevante Strategien und Prozesse zu diagnostizieren und zu entwickeln. Bei der produktorientierten Diagnose werden Schreibprodukte analysiert, etwa über Checklisten oder rating scales (s. Abschnitt 4 unten), um in Bezug auf bestimmte Kriterien Stärken und Schwächen herauszufinden, etwa bezüglich grammatischer Strukturen, Textaufbau oder Adressatenbezug. Diese kriterienorientierte Analyse ist noch wirkungsvoller, wenn sie gemeinsam mit den Lernenden erfolgt. Aufgrund des feinkörnigen, analytischen Vorgehens ist es dann möglich, mit den Lernenden herauszufinden, welche Aspekte sie noch verbessern können. Bei der Diagnose ist es essentiell, den Lernenden detaillierte Rückmeldung dazu zu geben, wie sie die diagnostizierten Schwächen überwinden können, so dass sie sich nicht nur neue Lernziele setzen, sondern auch (gemeinsam mit den Lehrenden) Wege finden, diese Ziele zu erreichen. Hier zeigt sich, dass Diagnose in ihrem Kern formativ ist, also der Lernförderung dient. Ebenso wichtig ist es, Unterricht und Diagnose aufeinander abzustimmen und diejenigen Aspekte im Unterricht wieder aufzugreifen, für die die Diagnose Bedarfe aufgezeigt hat. Diagnostische Instrumente können intern von Lehrenden selbst entwickelt werden. Es gibt aber auch Instrumente wie etwa das DIALANG System (https: / / dialangweb.lancaster.ac.uk), das an die Kompetenzniveaus des GER angebunden ist, der Selbstdiagnose dient und in den Unterricht als Teil der Selbstbeurteilung der Lernenden einfließen kann. In diesem System erhalten die Lernenden Rückmeldung zu den erfassten Teilaspekten, welche im Unterricht wieder aufgenommen werden kann. Die Beurteilung des Lernerfolgs ist ebenfalls eng mit dem Unterrichtsgeschehen verknüpft. Sie fokussiert auf Schreibhandlungen, die unterrichtet wurden, um summativ zu überprüfen, ob die Lernziele auch erreicht werden. Lernerfolgskontrollen sind i.d.R. auf Schreibprodukte beschränkt und in ihrer Auswertung grobkörniger als 104 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 diagnostische Verfahren. Dennoch können und sollen sie in lernförderliche Rückmeldungen münden. Insofern verfolgen sie sowohl summative als auch formative Zwecke. Oft dienen Lernerfolgskontrollen der Notengebung, stellen also eine Mischung aus normorientiertem und kriterienorientiertem Vorgehen dar, da die Klasse als Bezugsnorm dient und zugleich qualitative Bewertungskriterien angelegt werden. Die Kriterien und Lernziele sollten sich am Curriculum orientieren, welches sich wiederum an Bildungsstandards oder am Kompetenzrahmen des GER orientieren kann. Während Bildungsstandards und GER jedoch eher abstrahierte Kompetenzen beschreiben, sind Lernerfolgskontrollen spezifisch auf den Unterricht und die dort behandelten Textsorten, Themen, sprachlichen Mittel und Register ausgelegt, anders als etwa Kompetenztests. Kompetenztests sind i.d.R. losgelöst von Curricula und spezifischen Lernzielen des Schreibunterrichts, und demnach den externen Ansätzen zuzuordnen. Sie bilden (nationale) Bildungsstandards oder (internationale) Referenzniveaus wie etwa das Kompetenzsystem des GER ab. Ihr primäres Ziel ist es festzustellen, inwieweit Lernende relevante Schreibhandlungen und Anforderungen der „realen“ Lebenswelt meistern, unabhängig davon, auf welchen Wegen und mit welchem unterrichtlichen Input sie diese Kompetenzen erworben haben. Dies dient u.a. (internationalen) Vergleichen und der Zertifizierung. Kompetenzprüfungen sind kriterienorientiert und werden normalerweise in Form von Kompetenzniveaus zurückgemeldet, welche sich an den genannten Standards oder Referenzniveaus orientieren. Die Bewertung und Rückmeldung an die Lernenden sind primär summativ und entsprechend grobkörnig. Im Bereich des Bildungsmonitoring erfolgt sogar nur eine Rückmeldung bezogen auf die untersuchte Population, entsprechend der Ausrichtung und dem Zweck. Auch wenn Kompetenzprüfungen nur grobkörnige Rückmeldungen geben, können diese dennoch wertvolle lernförderliche Informationen enthalten, wenn auch nicht unbedingt auf individueller Ebene, so doch auf Klassen-, Schul- und bildungspolitischer Ebene. Die obigen Ausführungen zu diagnostischen Ansätzen, Lernerfolgskontrollen und Kompetenztests zeigen die wichtige Rolle des GER als gemeinsamen Bezugspunkt für interne und externe, lehrer- und lernerzentrierte, formative und summative Beurteilung (vgl. z.B. H ARSCH / S CHRÖDER 2010). So können interne Beurteilungen bezogen werden auf die Ergebnisse von Studien zum Bildungsmonitoring wie etwa VERA oder Ergebnissen des o.g. DIALANG Selbstdiagnosesystems. Lehrende und Lernende können ihre kriterienbezogenen Beurteilungs- und Diagnoseergebnisse untereinander und mit externen Beurteilungen vergleichen. In diesem Kontext stellt sich immer wieder die Frage, ob unterrichtsbezogene, interne Noten auf die Kompetenzniveaus des GER bezogen werden können. Diese Frage muss m.E. verneint werden, wie in H ARSCH (2017) ausführlich dargelegt, da die beiden Systeme ganz anderen Zwecken dienen, je andere Kriterien anlegen und auf je andere Bezugsnormen zurückgreifen. Im Kontext des GER und seiner Kompetenzniveaus lassen sich Ansätze auch hinsichtlich ihres Bezugs zu den Niveaus charakterisieren. Einerseits gibt es niveauspe- Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 105 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 zifische Ansätze, welche auf ein bestimmtes Niveau fokussieren und dazu Aufgaben einsetzen, die genau dieses Niveau operationalisieren und die Leistungen auch nur in Bezug auf dieses Niveau beurteilen. Solche Ansätze sind geeignet zur Zertifizierung eines bestimmten Niveaus. In Kontexten hingegen, in denen heterogene Lernendengruppen beurteilt werden sollen, eignen sich niveauübergreifende Ansätze mit eher offenen Aufgaben, die auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus bearbeitet werden können. 3. Charakteristika valider Schreibaufgaben Der folgende Abschnitt wendet sich nun den Aufgaben zu, die der Beurteilung der Schreibfertigkeiten zugrunde gelegt werden. Zunächst lassen sich aus der Forschung und der Praxis folgende Charakteristika „guter“ Schreibaufgaben zur Beurteilung ableiten (vgl. etwa W EIGLE 2002; T ANKÓ 2005): Schreibaufgaben sollten situativ in bedeutungsvolle Zusammenhänge eingebettet sein, die Adressaten sollten genannt sein, und das kommunikative Ziel sollte relevant für die Lebenswelt der Lernenden sein. Dadurch wird erreicht, dass die Aufgaben auch zu authentischen Schreibhandlungen anregen, so dass überprüft werden kann, ob etwa die Registerwahl den Adressaten und die Textsorte dem Ziel angemessen sind. Die Instruktionen sollten in einfacher Sprache (unterhalb des zu überprüfenden Niveaus) gehalten werden, da es sich nicht um die Überprüfung des Leseverstehens 2 handelt. Aus Gründen der Transparenz sollten die Instruktionen die erwartete Länge und die zur Verfügung stehende Zeit enthalten. In Kontexten, in denen die Bewertungskriterien nicht vorab bekannt sind, sollten auch diese mitgeteilt werden, so dass sich die Lernenden vertraut machen können mit den Erwartungen der Schreibprüfung. Grundsätzlich gilt, wie für alle Prüfungen, dass Schreibaufgaben das der Beurteilung zugrunde gelegte Konstrukt, d.h. die Definition der Schreibfertigkeiten, wie sie im jeweiligen Kontext verstanden werden, valide operationalisieren müssen. Das bedeutet, dass die Schreibaufgaben solche Schreibhandlungen, Prozesse und sprachlichen Charakteristika elizitieren müssen, die im jeweiligen Beurteilungskontext als relevant identifiziert wurden. Hier gilt wiederum, dass Konstrukt und Aufgabenanforderungen relevante Lehr-/ Lernziele, Curricula oder Bildungsstandards widerspiegeln müssen, um das o.g. constructive alignment zu gewährleisten, das den Kern jeder validen Beurteilung darstellt. Schreibaufgaben können in ihren Anforderungen und Schwierigkeiten anhand einer Reihe von Faktoren charakterisiert werden, welche bei der Aufgabenerstellung und auch bei der späteren Interpretation der Leistungen eine wertvolle Hilfe sind. Die jeweiligen Anforderungen sollten sich bei unterrichtsbezogenen Beurteilungen aus den Curricula, den Lehr- und Lernzielen und dem Unterrichtsgeschehen ableiten. Aus 2 Dies gestaltet sich völlig anders bei der Überprüfung des integrierten Lese-/ Schreibvermögens, auf das hier aus Platzgründen leider nicht eingegangen werden kann. 106 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 Forschungen im Bereich der second language acquisition (z.B. N ORRIS et al. 2002; R OBINSON / G ILABERT 2007; S KEHAN / F OSTER 2001) sind folgende Charakteristika als schwierigkeitsbestimmend bekannt: • Bekanntheitsgrad von Thema, Inhalten, Aufgabenstellung, Textsorte, Adressaten: je bekannter, desto einfacher; • Anzahl der Elemente, die bearbeitet werden müssen (z.B. Inhaltsaspekte, Charaktere, Beziehungen): je weniger, desto einfacher; • Kognitive Operationen, Verarbeitungsanforderungen (z.B. Organisieren, Umformen, Interpretieren, Schlussfolgern): je komplexer, desto anspruchsvoller; • Distanz (Aufgabe konkret oder hypothetisch, nahe an Lebenswelt oder eher weiter weg, Adressaten persönlich bekannt oder unbekannte Personen): je näher desto einfacher; • Abstraktionsgrad des Themas (konkrete Objekte oder abstrakte Konzepte): je abstrakter, desto anspruchsvoller; • Präzisions- und Lenkungsgrad (der Instruktionen, der Aufgabenstellung, des Layouts etc.): je präziser und gelenkter desto einfacher; • sprachliche Komplexität (der Aufgabenstellung und des geforderten Produkts): je komplexer, desto anspruchsvoller; • Zeit, Länge (Aufgabenstellung und geforderte Textlänge): je weniger Zeit und je länger, desto anspruchsvoller. Während diese Faktoren bei der Aufgabenerstellung relativ leicht berücksichtigt werden können, ist deren Verortung im GER-System ein komplexeres Unterfangen, da der GER kein Leitfaden zur Aufgabenentwicklung ist. Dennoch können Aufgaben in gewissem Rahmen anhand relevanter Merkmale, die in den GER-Schreibskalen vorkommen, spezifiziert werden, wie es beispielsweise bei den Schreibaufgaben im KMK-Ländervergleich praktiziert wurde (vgl. H ARSCH / R UPP 2011). Dort wurden Charakteristika der Instruktionen und Aufgabenstellungen (Länge, konkretes vs. abstraktes Thema, Grad der Präzision und Lenkung), die geforderten Textsorten und Sprachhandlungen, die Komplexität der geforderten kognitiven Operationen und die Merkmale des geforderten Textes (Länge, sprachliche und organisatorische Komplexität) spezifiziert. Die so charakterisierten Aufgaben konnten mittels eines so genannten Standard-Setting-Verfahrens erfolgreich an diejenigen Kompetenzniveaus des GER angebunden werden, die sie operationalisieren sollten (vgl. ebd.; H ARSCH / P ANT / K ÖLLER 2010). Bei der Spezifizierung von Schreibaufgaben in Bezug auf das GER- Niveau, das Lernende haben sollten, um eine Aufgabe erfolgreich lösen zu können, hilft das ALTE Spezifizierungsraster (ALTE o.J.). Um zu überprüfen, ob die Aufgaben valide sind, also auch tatsächlich die intendierten Schreibhandlungen elizitieren, ist ein Ausprobieren oder Pilotieren unabdingbar. Dies kann in kleinem Rahmen schon in der Erstellungsphase durch KollegInnen erfolgen, oder man geht in Parallelklassen oder Nachbarschulen, um die Aufgaben mit Lernenden vergleichbaren Alters und Niveaus zu erproben. Eine Analyse der Schreibprozesse (s.o., etwa durch Fragebögen oder lautes Denken) und der Schreib- Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 107 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 produkte erlaubt Einsichten in die Validität der Aufgaben und ermöglicht ein gezieltes Nachsteuern dort, wo die Pilotierung Nachbesserungsbedarfe zeigt. 4. Bewertungsverfahren und -instrumente Bewertungsverfahren können grundsätzlich unterschieden werden nach analytischen, holistischen und aufgabenbezogenen Verfahren. Diese Verfahren haben jeweils ihre Vor- und Nachteile, und sie eignen sich für je unterschiedliche Beurteilungszwecke und Rückmeldungen (vgl. etwa B ARKAOUI 2011). Je nach Zweck und Zielsetzung der Beurteilung (s.o.) muss das jeweils angemessenste Verfahren gewählt werden. Für eine lernförderliche Diagnose etwa sollten analytische, sehr feingliedrige Verfahren genutzt werden, wohingegen aufgabenbezogene Verfahren sinnvoll sein können bei Lernerfolgskontrollen, die sich auf spezifische Aufgaben beziehen. Holistische, eher grobkörnige Verfahren können etwa bei summativen Kompetenzprüfungen zum Einsatz kommen, wenn individuelle Lernförderung nicht im Zentrum der Beurteilung steht. Die Granularität des Bewertungsverfahrens hängt immer vom Zweck der Beurteilung und vom Nutzerkreis der Rückmeldungen ab, weshalb das jeweils geeignetste Bewertungsverfahren für jeden Beurteilungskontext individuell bestimmt werden muss. Holistische Verfahren sind am grobkörnigsten und definieren die zu bewertenden Merkmale ganzheitlich, wohingegen analytische Verfahren Merkmale in klar voneinander abgegrenzten Kriterien beschreiben. Üblicherweise werden hierbei inhaltliche und sprachliche Kriterien unterschieden. Wichtig ist dabei, dass sich die Kriterien klar voneinander unterscheiden lassen und es nicht zu Überlappungen kommt. Analytische Verfahren geben Einblick in die Beherrschung der verschiedenen Teilaspekte, erlauben eine detaillierte Rückmeldung und bieten mehr Lenkung bei der Bewertung als holistische Verfahren, wodurch potentielle Überlagerungseffekte (so genannte Halo-Effekte) aufgefangen werden können. Sie sind jedoch zeitaufwändiger in der Erstellung und Anwendung als holistische Verfahren. Aufgabenspezifische Verfahren sind am aufwändigsten zu erstellen, bieten jedoch den Vorteil, bewerten zu können, inwieweit Lernende spezifische Anforderungen beherrschen. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass sie das Konstrukt, die erwarteten Charakteristika also, valide in horizontalen Dimensionen und vertikalen Abstufungen beschreiben und definieren sollen. Die Anzahl der angelegten Dimensionen hängt davon ob, ob holistische oder analytische Ansätze gewählt werden. Die Anzahl der Abstufungen ist wiederum abhängig vom Kontext und Zweck der Beurteilung. Bei Lernerfolgskontrollen etwa sind die Abstufungen meist durch die Notenskala vorgegeben, bei Kompetenztests durch die Standards oder Rahmenwerke, auf die Bezug genommen wird. Die Abstufung hängt auch davon ab, ob ein niveauspezifischer oder ein niveauübergreifender Ansatz gewählt wurde (s.o.). Bei ersterem bieten sich Checklisten an, die die erwarteten Aspekte auflisten, bei letzterem bieten sich so genannte Rating-Skalen an, wobei die Anzahl der Abstufungen von der Anzahl der Niveaus abhängt, die 108 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 erfasst werden sollen. In jedem Fall muss die Anzahl der Abstufungen und Kriterien handhabbar sein für die Bewertenden. Als Ausgangspunkt zur Erstellung von Bewertungsinstrumenten kann man Lernerleistungen nehmen oder bereits existente Deskriptoren, d.h. Beschreibungen aus vorhandenen Checklisten oder Ratingskalen. Dabei können die Kompetenzskalen des GER als Ausgangsbasis genutzt werden. Allerdings müssen die Deskriptoren unbedingt adaptiert und spezifiziert werden für den jeweiligen Bewertungskontext und die Zielsprache, da die GER-Skalen kontext- und sprachunabhängig formuliert und nicht zur Bewertung von Einzelleistungen ausgelegt sind. Zur Adaption von GER-Skalen für Schreibbewertungsinstrumente finden sich weiterführende Überlegungen in H ARSCH / M ARTIN (2012) für den Kontext des Bildungsmonitoring und in H ARSCH / S EYFERTH (2019) für unterrichtsbezogene Schreibbewertung. Bei der Erstellung und Validierung von Bewertungsinstrumenten können intuitive, qualitative und quantitative Verfahren zum Einsatz kommen (vgl. E UROPARAT 2001: Appendix B). Bei intuitiven Verfahren werden Experteneinschätzungen und Expertenformulierungen benutzt. Unter qualitative Verfahren fallen etwa die Analyse und Charakterisierung von Lernertexten; mittels quantitativer Verfahren werden Einschätzungen und Bewertungen kalibriert, wie es beispielsweise bei der Erstellung der GER- Skalen praktiziert wurde. Es hat sich in unterschiedlichen Kontexten bewährt, die Nutzer der Bewertungsinstrumente in die Erstellung und Validierung einzubinden, da auf diese Weise ein gemeinsames Verständnis der Kriterien und Abstufungen entwickelt werden kann, ebenso wie eine vergleichbare Interpretation und Anwendung der Instrumente (vgl. z.B. M C N AMARA / H ILL / M AY 2002 oder W EIGLE 2002). Sollte eine Einbindung der Bewertenden in den Entwicklungsprozess nicht möglich sein, so ist ein Rater-Training und eine damit einhergehende Validierung der Instrumente durch die Nutzer unabdingbar (vgl. z.B. K NOCH 2011; L UMLEY 2005). Hier haben sich Verfahren bewährt, bei denen das Training einhergeht mit dem Ausprobieren der neuen Instrumente, mit dem Ziel der Instrumentenrevision, bis die Checklisten oder Skalen so formuliert, kategorisiert und abgestuft sind, dass sie von den Bewertenden auch vergleichbar angewandt werden können (vgl. z.B. H ARSCH / M ARTIN 2012; H ARSCH / S EYFERTH 2019). In Unterrichtskontexten wäre es ideal, auch die Lernenden mit in diesen Prozess einzubinden, denn so schulen und entwickeln sie gleichzeitig ihr Verständnis für das, was eine „gute“ Schreibleistung kennzeichnet und was von ihnen in der Prüfung erwartet wird. Gerade in Kontexten der Selbst- und Peerbewertung ist dies wichtig. Der Einbezug der Lernenden kann zugleich dazu beitragen, dass die Lernenden die Rückmeldungen der Beurteilung verstehen und diese für die Planung der nächsten Lernschritte und Ziele nutzen können. 5. Die Perspektive der Beurteilenden Die Beurteilung, Bewertung und Rückmeldung von Schreibkompetenzen können von verschiedenen Personen und aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgen. Bei der Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 109 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 schul- oder unterrichtsinternen Beurteilung stehen die Lehrenden und Lernenden im Zentrum. Die Lernenden können entweder sich selbst oder ihre Mitlernenden beurteilen. Der interne Kontext ist dadurch geprägt, dass Lernende und Lehrende sich kennen und mit den Lehr- und Lernzielen vertraut sind. Sie wissen auch, was unterrichtet wurde und was in der Beurteilung erwartet wird. Zudem wird die Rückmeldung i.d.R. im Unterricht gegeben und in der Folge wieder aufgenommen, so dass lernförderliche Maßnahmen gemeinsam eingeleitet und umgesetzt werden können (s. Abschnitt 6). Selbst- und Peerbeurteilung können im Unterricht erlernt und erprobt werden - eine unerlässliche Voraussetzung für das Gelingen lernerzentrierter Beurteilung (vgl. W ILKENING 2013). In externen Beurteilungskontexten hingegen, bei denen entweder die Instrumente extern entwickelt und dann in den Unterricht gegeben werden oder die gesamte Beurteilung von externen Beurteilern durchgeführt wird, herrschen andere Bedingungen. Die Instrumente sind in diesem Fall standardisiert, pilotiert und sie operationalisieren - soweit relevant - die Kompetenzbeschreibungen und -niveaus des GER. In Kontexten, in denen extern entwickelte Instrumente im Unterricht eingesetzt und von den Lehrkräften ausgewertet werden, etwa bei den VERA Vergleichsuntersuchungen (KMK 2012), sind Anleitungen zur Durchführung und Auswertung wichtig, um ein vergleichbares Vorgehen zu gewährleisten. In externen Kompetenztests oder Schulleistungsstudien zum Bildungsmonitoring kommen zur Bewertung der Lernertexte geschulte Bewerter, so genannte Rater, zum Einsatz. Dabei sind die Lernenden den Ratern nicht persönlich bekannt, ebenso wenig wie die Lernkontexte und Unterrichtsinhalte. Dies mag einerseits als Nachteil erscheinen, doch erhöht es andererseits in Kompetenztests die Objektivität und kann somit zu höherer Fairness beitragen. Je nach Nutzerkreis und Zweck einer Beurteilung können existente Bewertungsinstrumente adaptiert werden. So können sehr detaillierte diagnostische Checklisten vereinfacht werden zur Selbstbeurteilung, oder es können externe grobkörnige Rating-Skalen durch unterrichtsrelevante Aspekte ergänzt werden, wenn sie im Unterricht genutzt werden sollen. Die Bewertungsinstrumente bilden die Grundlage für die Rückmeldung der Beurteilung, auf welche im folgenden Abschnitt eingegangen wird. 6. Lernförderliche Rückmeldung Beurteilung ist dann systemisch sinnvoll, wenn sie in lernförderliche Rückmeldung mündet, also zum oben erwähnten positiven Washback führt. Rückmeldungen können je nach Fokus der Beurteilung Informationen geben zur Beherrschung von Schreibprozessen und zur Qualität der Textprodukte, zum erreichten Lernstand ebenso wie zu Bereichen, die der Entwicklung bedürfen. Hier kann die Lehrkraft durch effektives Feedback (vgl. z.B. H ATTIE / T IMPERLEY 2007) die Lernenden dabei unterstützen, Stärken und Schwächen wahrzunehmen, sich neue Lernziele zu setzen und zielorientiert an solchen Aspekten zu arbeiten, die die Beurteilung als verbesserungswürdig aufge- 110 Claudia Harsch DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 49 (2020) • Heft 1 zeigt hat. Dabei ist es wichtig, dass Lehrende den Lernenden, wo nötig, Wege aufzeigen und mit ihnen Strategien entwickeln, wie man zu den gesteckten Zielen kommt. Dieses Aufnehmen und Umsetzen von Beurteilungsergebnissen im Unterricht dient gleichermaßen der Entwicklung von Schreibkompetenzen, Selbstbeurteilungskompetenzen sowie der Lernendenautonomie. Die letztgenannten zwei Aspekte sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Beurteilungsergebnisse zu Lernzuwachs führen können, denn nur was Lernende wahrnehmen, können sie auch in ihren zukünftigen Lernprozess einbauen (vgl. z.B. H UHTA et al. i.Dr.). Zudem sind Selbstbeurteilungs- und Revisionsfertigkeiten ein wichtiger Teil im Schreibprozess der Lernenden und tragen zur Weiterentwicklung der Schreibkompetenzen bei. Diese Evaluationsfertigkeiten können nicht nur durch die Evaluation und Revision eigener Texte geschult werden, sondern sehr gut auch über Peerevaluationen. Auf diese Weise können sich die Perspektiven der Lehrenden und der Lernenden ergänzen, und die Lernenden können ihre Selbstwahrnehmung im Licht der Wahrnehmung durch andere reflektieren. Bei dieser Reflexion können ferner externe diagnostische Instrumente wie das oben erwähnte DIALANG-System wertvolle Dienste leisten. Das Selbstdiagnose-System DIALANG bietet zudem den Vorteil, dass dabei diagnostische Informationen zu den Schreibfertigkeiten in Bezug gesetzt werden zu den Kompetenzniveaus des GER und zu den Selbsteinschätzungen, die am Anfang der Selbstdiagnose stehen. So kann Selbsteinschätzung auch bezogen werden auf das externe Referenzsystem des GER, welcher wiederum den Rahmen für Curricula und Bildungsstandards bildet. In Kontexten der externen Beurteilung, seien es nun Schulleistungsstudien zum Zweck des Bildungsmonitoring oder seien es Kompetenztests in internationalen Zertifikatsprüfungen, fallen Rückmeldungen gemäß dem Beurteilungszweck nicht so detailliert aus, wie es in internen Kontexten der Fall ist. Denn bei diesen summativen Beurteilungen geht es nicht um gezielte Lernförderung, sondern darum festzustellen, auf welchem Kompetenzniveau sich individuelle Lernende oder eine Lernendengruppe befinden. Heutzutage operationalisieren externe Beurteilungsinstrumente in der Regel die Kompetenzniveaus des GER, und die Beurteilungsergebnisse werden meist in Bezug auf die GER-Niveaus rückgemeldet. Dazu werden die Tests und die Beurteilungsergebnisse mittels so genannter Standard-Setting-Prozeduren und unter Zuhilfenahme von statistischen Verfahren formal an die Niveaus des GER angebunden, so wie etwa für den Ländervergleich der KMK (vgl. H ARSCH / P ANT / K ÖLLER 2010; K ÖLLER / K NIGGE / T ESCH 2010). Durch den Bezug auf die Kompetenzniveaus und -beschreibungen des GER können externe und interne Beurteilungen sinnvoll zueinander in Bezug gesetzt werden. Dadurch können Erkenntnisse des Bildungsmonitoring rückfließen in den Schulalltag, und Lehrende können in Bezug auf ihre Lernenden reflektieren, wo diese im Vergleich zu anderen Lernendengruppen stehen. Wichtig dabei ist, dass externe Evaluationen nicht zum Ranking individueller Klassen oder zur Beurteilung der Lehrenden genutzt werden dürfen, denn dazu sind diese Monitoring-Studien nicht ausgelegt, da sie nicht alle relevanten Eckdaten für solch ein Ranking erfassen. Um Lehrende hinreichend auf den Umgang mit interner und externer Beurteilung vorzubereiten, ist es Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden 111 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0007 dringend angeraten, dass schon in der Ausbildung der Lehrenden Diagnose- und Beurteilungskompetenzen (vgl. H ARSCH 2018) gezielt gefördert werden. Durch die hier aufgezeigten Möglichkeiten der Fremd-, Lehrer-, Selbst- und Peerbeurteilungen können verschiedene Perspektiven der Schreibbeurteilung zusammengeführt werden, die einen validen Blick auf die jeweiligen Stärken und Schwächen eröffnen, die Lernenden zur Aufnahme von Feedback in den Revisionsprozess anregen, zur selbstständigen Evaluation und Revision der eigenen Schreibprozesse und -produkte anleiten und somit letztlich zur Entwicklung der Schreibkompetenzen und der Lernendenautonomie beitragen. 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From a national perspective, one of the challenges in foreign language teacher education is rooted in the federal system: The 16 federal states of Germany have different regularities concerning the second phase of teacher education (in-service training). Looking at national research on foreign language teacher education, emphasis on investigating knowledge of foreign language teachers based on concepts of pedagogical content knowledge (Shulman) has to be noted. Throughout this article, we would like to critically evaluate underlying competence models, and establish lesson planning as a key category of identifying competence development of foreign language teachers. Lesson planning is conceptualised as an activity that requires language teachers to draw upon all areas of their knowledge. Presenting results of an empirical research study conducted with teacher trainees, the article concludes with relevant research foci that should be addressed in the field of foreign language teacher education. * Korrespondenzadressen: Dr. David G ERLACH , Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Philipps-Universität Marburg, Institut für Schulpädagogik (AG Fremdsprachenforschung), Hans-Meerwein-Str. (Mehrzweckgebäude, IFS), 35032 M ARBURG E-Mail: david.gerlach@uni-marburg.de Arbeitsbereiche: Professionalität/ Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften, Lernschwierigkeiten und inklusiver Fremdsprachenunterricht. Dr. Bianca R OTERS , Referentin Fremdsprachen, Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule (QUA-LiS NRW), Paradieser Weg 64, 59494 S OEST E-Mail: bianca.roters@qua-lis.nrw.de Arbeitsbereiche: Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften, inklusiver Englischunterricht, reflexive Lerngelegenheiten in der Lehrerbildung Dr. Ivo S TEININGER , Vertretung der Professur Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Justus-Liebig-Universität Gießen, Otto-Behaghel-Str. 10B, 35394 G IEßEN E-Mail: ivo.steininger@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachliche Literatur- und Kulturdidaktik, kompetenzorientierter Englischunterricht, fachdidaktische Kompetenzen. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 114 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 1. Die besonderen Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte Gemeinhin wird unter einer fachkulturellen Perspektive dem Fremdsprachenunterricht und seinen Lehrkräften eine besondere, professionelle Anforderungspraxis unterstellt, da die Fremdsprache sowohl Gegenstand des Unterrichts als auch Vermittlungsmedium ist. Zudem wachsen die Anforderungen in bildungstheoretischer Hinsicht durch die Ansprüche der Förderung von Mehrsprachigkeit, inter-/ transkultureller Kompetenz oder hinsichtlich der Beschäftigung mit literaturdidaktischen Fragestellungen. Diese Gegenstände wie auch fachunspezifische Novitäten, beispielsweise der Einsatz neuer Medien oder Fragen der inklusiven Beschulung, werden bislang primär aus der Perspektive der Forschungsbzw. Unterrichtsgegenstände betrachtet. Weniger erfolgt dies dahingehend, wie die Implementation von Innovation auch lehrpersonenseitiges Handeln beeinflusst bzw. welche Professionalisierungsprozesse angestoßen (bzw. durch Weiterqualifikationsmaßnahmen begleitet) werden müssten, um diese Innovationen erfolgreich im Unterricht implementieren zu können. Die besondere Anforderungspraxis fremdsprachendidaktischer Gegenstände muss demzufolge auch aus der Perspektive der (angehenden) Lehrer/ innen stärker beforscht und theoriegeleitet sowie empirisch in allen Ausbildungsphasen begleitet werden. Das Konstrukt der Profession im Fremdsprachenlehrberuf ist in diesem Sinne als adaptiv zu fassen. Damit ist gemeint, dass Lehrerinnen und Lehrer im Verlaufe ihrer Professionalisierung, die aufgrund der Vielschichtigkeit des Lehrberufs im Fremdsprachenunterricht als unabschließbar betrachtet werden kann, auf ganz unterschiedliche Anforderungssituationen mit den ihnen zur Verfügung stehenden fachlichen, didaktischen, pädagogischen und nicht zuletzt fachdidaktischen Repertoires reagieren (vgl. G ERLACH / L EUPOLD 2019). Daher ist Profession auch multifaktoriell und adaptiv unter einer forschenden Perspektive zu modellieren, um den Ansprüchen und komplexen Bedingungsfaktoren der Profession der Fremdsprachenlehrkräfte auch zukünftig gerecht werden zu können (vgl. ausführlicher D IEHR 2018a: 94f.). 2. Der Stand der Forschung zum Fremdsprachenlehrberuf Die Frage danach, was professionelles Handeln von Fremdsprachenlehrkräften überhaupt ausmacht und wie dieses Handeln in den für den Lehrberuf relevanten Institutionen angebahnt und verbessert - professionalisiert - werden kann, wird zunehmend auch innerhalb der Disziplin diskutiert (vgl. zuletzt überblicksartig: L EGUTKE / S CHART 2016a, K LIPPEL 2016, R OTERS 2017, W ILDEN / P ORSCH 2017, B UR - WITZ -M ELZER / C ASPARI / S CHMELTER 2018, D IEHR 2018b). Hierzu dienen verschiedene Konstrukte: Entweder werden genuine Forschungszugänge der Fremdsprachendidaktik herangezogen oder neu entwickelt, teilweise wird auch auf soziologische oder schulpädagogische Grundlagen rekurriert, die dann fremdsprachendidaktisch ausgeschärft werden. Die Annahme ist dabei - wie auch in anderen Fachdidaktiken - , dass eine gewisse Fachlichkeit Einfluss hat auf Fragen der Professionalität und der Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 115 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 Professionalisierung der auf Grundlage der fachlichen Gegenstände handelnden Lehrerinnen und Lehrer. Es ist daher nicht unerheblich, den Stand fremdsprachendidaktischer Professionsforschung ständig zu aktualisieren und dabei zu hinterfragen, welche Herausforderungen und Fragestellungen wie empirisch oder konzeptionell ergründet und bearbeitet werden und welche Leerstellen sich hieraus ergeben. Von dieser Warte aus betrachtet zeigt sich eine Spezifik der fremdsprachendidaktischen Forschung, welche - und das mag hier bereits vorweggenommen werden - weiterhin zahlreiche Fragestellungen und Ausschärfungen offen lässt und mit ihren Leerstellen dazu einlädt, durch Projekte bzw. Forschungsansätze unterfüttert zu werden. Gleichzeitig soll hier vorangestellt werden, dass aufgrund des begrenzten Platzes nicht alle Forschungsberichte zum Gegenstand ‚Professionalität/ Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen‘ ausführlich diskutiert werden können. Vielmehr als um Vollständigkeit geht es uns um die Skizzierung aktueller (oder als Desiderat identifizierter) Tendenzen. Umfangreiche Bestandsaufnahmen haben zuletzt C ASPARI (2014; 2016), R OTERS / T RAUTMANN (2014) und L EGUTKE / S CHART (2016a) vorgelegt, kursorisch diskutieren vor dem Hintergrund aktueller Anforderungen insbesondere die gerade erschienenen Sammelbände von B URWITZ -M ELZER / C ASPARI / S CHMELTER (2018) und D IEHR (2018b) die jeweiligen Forschungsstände. Neuere Forschung zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften ist im Zuge der Großzahl der Projekte des vergangenen Jahrzehnts sowie als Folge der kürzlich aufgelegten Qualitätsoffensive Lehrerbildung strukturell insbesondere im Bereich der ersten, universitären Phase zu verorten. Aus internationaler Perspektive stellt F REEMAN (2009) die Entwicklung des Konstrukts von Fremdsprachenlehrkräftebildung als Spirale dar, die vor den 1980er Jahren primär einen Fokus auf ein rezeptologisches Vermitteln im Sinne eines Trainings hatte, bevor sie in den 1980er und 1990er Jahren weiter ausgedehnt und als Development in einem entwicklungsorientierten Sinne konzipiert wurde. Hinzu kommt in den 1990er Jahren ein stärkerer Forschungsfokus im Sinne einer empirischen Evidenzbasierung, die in den 2000er Jahren ergänzt wird durch Fragen nach Identität, Sozialisation sowie situierter Praxis (vgl. ebd.). Es erscheint aufgrund dieser Entwicklung nicht verwunderlich, dass eine Vielzahl der internationalen Forschungsarbeiten einen starken Fokus auf Aktionsforschung (Action Research) legt - ein Ansatz, der im internationalen Kontext auf gemischte Resonanz und Akzeptanz trifft (vgl. B ORG 2013), wie u.E. auch im deutschsprachigen Raum. Gleichzeitig gilt die mit Aktionsforschung einhergehende datengeleitete Reflexion der individuellen Wirkung unterrichtlichen Handelns aber als eines der wirksamsten Professionalisierungswerkzeuge auf individueller Ebene. Damit in gewisser Weise verbunden steht eine reflexive Praxis im Vordergrund, welche international auch im Zusammenhang mit Communities of Practice in einem kollaborativen, kollegialen Sinne diskutiert wird (vgl. C RANDALL / C HRISTISON 2016). Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum wird international auch die besondere Rolle von Nicht-Muttersprachler/ innen diskutiert, die im Wettbewerb mit Native Speakers einem besonderen Professionalisierungsdruck ausgesetzt sind (vgl. ebd.). 116 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 Während um die Jahrtausendwende in Deutschland - vordergründig beeinflusst vom Forschungsprogramm Subjektive Theorien (G ROEBEN / S CHEELE 2010) - eben jene als Konstrukt zur Bestimmung einer Fremdsprachenlehrerprofessionalität herangezogen wurden (vgl. C ASPARI 2014), differenziert sich dies im Anschluss zunehmend: Hinsichtlich der Wissensforschung in einem kompetenztheoretischen Bestimmungsansatz spielen in der Fremdsprachendidaktik und damit ähnlich der schulpädagogischen Professionsforschung primär quantitative Zugriffe zur Kompetenz- und Wissenserfassung eine Rolle (TEDS-LT: R OTERS et al. 2011, J ANSING et al. 2013; PKE: K ÖNIG et al. 2016, 2017; FALKO: K IRCHHOFF 2016, 2017). Diese folgen insbesondere den Vorarbeiten von B AUMERT / K UNTER (2006, 2011) in der COACTIV- Studie. 1 Qualitativ werden nicht selten Identitätskonstrukte als Bezugsgröße verwendet bzw. wird hinsichtlich bestimmter fremdsprachendidaktisch-methodischer bzw. interaktionaler Fragestellungen im Unterricht explorativ der Frage nach professionellem Handeln nachgegangen (vgl. z.B. S CHULTZE 2018). Berufsbiographische Bestimmungsansätze (vgl. T ERHART 2011) scheinen seltener bedeutsam (vgl. bspw. D IRKS 2000, S CHULTZE 2018), noch geringer die Einflüsse strukturtheoretischer Annahmen, Fragen nach Antinomien des Lehrer/ innenhandelns bzw. der relativen Unplanbarkeit und Unbestimmtheit professionellen Handelns in der (deutschen) Fremdsprachendidaktik. Die Ergebnisse der quantitativ orientierten Fremdsprachenforschung hingegen zeigen große Herausforderungen dahingehend, innerhalb von Forschungsprojekten fremdsprachendidaktisches Wissen zu modellieren bzw. Skalenreliabilität in entsprechenden Tests herzustellen (vgl. z.B. R OTERS et al. 2011, K IRCHHOFF 2016/ 2017). Die Gründe hierfür sind vielfältig: Dadurch, dass in den quantitativ orientierten Studien fremdsprachendidaktisches Wissen und Können ex ante modelliert wird, wird ein Schwerpunkt auf bestimmte (Wissens-)Bereiche einer Domäne gesetzt, die sich - schon aufgrund der Bereiche Literatur-/ Kulturdidaktik, Sprach- und Mediendidaktik - durch ein hohes Maß an Diskursivität auszeichnet. Wissensbestände, die an einem Universitätsstandort in der Lehrer/ innenbildung einen hohen Stellenwert einnehmen und dadurch Eingang in die Tests der quantifizierenden Studien gefunden haben, können an anderen Standorten weniger prominent sein. Hinzu kommt, dass individuell realisierte Beliefs (und tradierte lerntheoretische Annahmen) der (angehenden) Lehrkräfte in der eigentlichen Praxis häufig nicht explizit reflektiert werden, jedoch keinen geringen Einfluss auf das professionelle Selbstverständnis und damit auch das Handeln in beruflichen Anforderungssituationen haben. Allerdings könnte man genauso gut anführen, dass aufgrund der strukturtheoretischen Herausforderungen sowie der gering strukturierten Wissensbasis gerade Reflexion und Reflexionskompetenz eine große und zunehmend 1 TEDS-LT = Teacher Education and Development Study: Learning to Teach, PKE = Professionelle Kompetenz von Englischlehrkräften: Fachdidaktisches Wissen angehender Englischlehrkräfte - Konzeption, Messung, Validierung, FALKO = Fachspezifische Lehrerkompetenzen, COACTIV = Cognitive Activation in the Classroom: The Orchestration of Learning Opportunities for the Enhancement of Insightful Learning in Mathematics. Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 117 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 bedeutsame Rolle zu spielen scheinen (vgl. R OTERS 2012, A BENDROTH -T IMMER 2017, G ERLACH / L EUPOLD 2019) und diese auch vermittels Portfolios wie EPOSTL (vgl. z.B. M EHLMAUER -L ARCHER 2012) gefördert werden sollten. In den groß angelegten quantitativen Studien zur Wissensentwicklung von Studierenden (Bachelor im Vergleich zum Master in TEDS-LT), Referendarinnen und Referendaren (Master im Vergleich zum Referendariat in PKE) sowie Lehrkräften (Studierende im Vergleich zu Lehrkräften in FALKO-E) wurde die Reflexionskompetenz der Probanden jedoch nie erhoben. Diese Herausforderungen äußern sich zudem in standardisierten Anforderungen, wie jenen der KMK nach einem „forschenden Habitus“ (KMK 2017), der sonst in keinem anderen Fachprofil vorkommt und damit in einer gewissen Tradition und Anforderungspraxis der Fremdsprachendidaktik zu sehen ist. Auch S CHOCKER - V . D ITFURTH (2001) sah bereits im Rahmen ihrer Untersuchung zu forschendem Lernen die Notwendigkeit von etablierten Strukturen, Routinen und Entlastung im hochgradig komplexen Unterrichtsalltag (angehender) Fremdsprachenlehrkräfte. D IEHR (2018a: 84) schlägt einen vielversprechenden Systematisierungsansatz vor, indem sie den Begriff der Kohärenz in vier Perspektiven etabliert, um den Wissenserwerb der Studierenden in ihrer ersten Professionalisierungsphase des Studiums zu beleuchten: • Kognitive Kohärenz: Studierende beziehen eigenständig das erworbene Wissen und Können in allen Bereichen des Studiums auf professionsbezogene Aufgaben. • Diachrone Kohärenz: Existenz aufeinanderfolgender Studienelemente und Phasen mit inhaltlichem Bezug. • Synchrone Kohärenz: Lehrende nehmen auf andere Teilgebiete des Studiums Bezug. • Curriculare Kohärenz: Verankerung in der Modulstruktur, gekoppelt mit synchroner Kohärenz. Diese Systematisierung könnte auch in empirischen Studien zugrunde gelegt werden, um dem strukturellen Ort, an dem Studierende potentiell ihr Wissen erwerben, näher zu kommen. Gleichzeitig könnte mangelnde Kohärenz im Studium - neben einer schlechten Skalenreliabilität - eine Erklärung für das nur schwach ausgebildete fachdidaktische Wissen der Studierenden sein, wie es die quantitativen Studien TEDS-LT (vgl. R OTERS et al. 2011; J ANSING et al. 2013) und PKE (vgl. K ÖNIG et al. 2016) gezeigt haben. Entlang der Untersuchungsfoki wird zudem ersichtlich, dass die mangelnde Strukturiertheit der Domäne auch durch die unterschiedlichen Zugriffspunkte vorangetrieben wird. Mit andere Worten: Da in der 1. Phase Wissensvermittlung und nicht Kompetenzerwerb im Fokus steht, ändert sich an der Strukturiertheit der Domäne wenig. Zwar wird in den quantifizierenden Studien ex ante eine Strukturiertheit der Domäne vorausgesetzt, qualitative Untersuchungen zu dieser Struktur fehlen bislang aber. 118 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 Untersuchungsfokus Exemplarische Studien Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrkräften, Beliefs z.B. C ASPARI (2003), S CHART (2003), V IEBROCK (2007), R OSSA (2017) Berufsbiographie und Identität z.B. D IRKS (2000), Ö ZKUL (2011), K OLLMANNSBERGER / W EIß / K IEL (2012), V ALADEZ V AZQUEZ (2014), S CHULTZE (2018) Reflexivität und Reflexionskompetenz z.B. R OTERS (2012), A BENDROTH -T IMMER (2017), W IPPERFÜRTH (2015) (Erfahrungs-)Wissen und Lehrkompetenzen z.B. A PPEL (2000), D EMMIG (2007), R OTERS et al. (2011), K ÖNIG et al. (2016/ 2017), K IRCHHOFF (2016/ 2017), E HMKE et al. (2018) Interventionsforschung (z.B. durch Seminare, Auslandsaufenthalt, Fortbildungen) z.B. S CHOCKER - V . D ITFURTH (2001), E HRENREICH (2004), Z IBELIUS (2014), B ENITT (2015), B LUME et al. (2019) Spezifische Kompetenzbereiche z.B. • W ILDEN (2013) zu inter-/ transkultureller Kompetenz, • M ARTINEZ (2008) zu subjektiven Theorien zum Sprachlernverständnis und Lernerautonomie • T ESCH (2010) zu Orientierungen von Lehrkräften in Bezug auf Lernaufgaben • K NORR (2015) zur Unterrichtsplanung Tab. 1: Exemplarische Übersicht der Untersuchungsschwerpunkte im Kontext von Professionalität/ Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften im deutschsprachigen Raum (Zeitraum: 2000-2019). Wie aus dem Forschungsüberblick und den schlaglichtartig zusammengefassten Schwerpunkten in Tabelle 1 hervorgeht, auch erkennbar an der aktuellen Schwerpunktsetzung durch größere Initiativen im Hochschulbereich wie der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, steht die erste Phase der Fremdsprachenlehrer/ innenbildung weiterhin stark im Fokus. Positiv hervorzuheben ist, dass gerade in dieser Phase die Grundlagen für Professionalisierungsprozesse gelegt werden und damit einhergehend zahlreiche Forschungsdesiderate bestehen. Allerdings wird auch ersichtlich, dass die beiden folgenden Ausbildungsphasen im Vergleich deutlich hintenanstehen, damit einhergehend auch Aspekte des Verstehens und Förderns professionellen Handelns der Fremdsprachenlehrkräfte. Zwar kann man der überfachlichen Fortbildungsforschung der letzten zehn Jahre durchaus ein Erstarken attestieren, insbesondere, wenn man die Arbeiten von L IPOWSKY (z.B. L IPOWSKY / R ZEJAK 2015) und S CHMALTZ Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 119 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 (2019) beachtet (für die Fremdsprachendidaktik insbesondere auch B ENITT 2016 und Z IBELIUS 2015). Es gilt aber ebenso festzustellen, dass die föderalen Strukturen eine Erforschung der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung erschweren - auch und gerade unter Berücksichtigung der Bedingungen und Belastungen der angehenden Lehrkräfte. Eine Ausnahme bilden hier zwar eigene Projekte (vgl. G ERLACH / S TEININGER 2016a, b), es fehlen allerdings longitudinal angelegte Untersuchungen gänzlich, die auch mittels unterschiedlicher Instrumente oder methodologischer Ansätze den Professionalisierungsprozess zugänglich und beschreibbar machen. Es fehlt zudem weiterhin ein umfassend empirisch untermauertes Verständnis von Fremdsprachenlehrerprofessionalität - von der eher normativen Zielsetzung durch die KMK (2017) und Modulordnungen an deutschen Hochschulen einmal abgesehen. Während die deutschsprachige Professionsforschung vornehmlich innerhalb der Kategorien Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisch-psychologisches Wissen Forschungsschwerpunkte zu setzen scheint, stellen W ERNKE / Z IERER (2017) eine Verschiebung im internationalen Diskurs fest, […] hin zu den Überzeugungen und Wertungen [...], wie sie beispielsweise in den Arbeiten im Anschluss an Carol Dweck oder John Hattie erkennbar sind. Grund hierfür sind zahlreiche empirische Forschungen, die nahelegen, dass eine Professionalisierung dieser Bereiche darüber entscheidet, ob Unterricht erfolgreich ist oder nicht. [...] Das Wissen und Können im Bereich der Unterrichtsplanung findet zumeist nur unterschwellig Beachtung. (W ERNKE / Z IERER 2017: 7) Dies gilt auch in fachkultureller Hinsicht für fremdsprachendidaktische Fragestellungen, wenn angenommen werden muss, dass „der dialogischen Befassung mit antizipiertem Unterricht [...] eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung von Professionskompetenz“ (L EGUTKE / S CHART 2016b: 36) zukommt. Während auch K OLB (2016) feststellt, dass die Planung von Unterricht in den einschlägigen Englischdidaktiken kaum differenziert Eingang findet, hat sich in jüngster Zeit vor allem K NORR (2015) empirisch mit dem Aspekt der (kooperativen) Unterrichtsplanung beschäftigt und bestätigt, dass diese (im Rahmen des Studiums) häufig anders verläuft, als es von den zugrunde gelegten (kaum empirisch bestätigten) Konzepten im Rahmen der Ausbildung gedacht ist. Mit den oben identifizierten Schwierigkeiten und besonderen Anforderungen des Handelns von Fremdsprachenlehrkräften können die Gründe hierfür vielfältig sein. Die von W ERNKE und Z IERER (2017) identifizierte Verschiebung hin zu Überzeugungen und Beliefs (möglicherweise eine Rückkehr zu Konstrukten wie den nur als schwer veränderbar geltenden Subjektiven Theorien) und ihrer Reflexion z.B. mittels des Ausbildungsgegenstands ‚Unterrichtsplanung‘, könnte vielversprechend sein. Insbesondere erlaubt eine nähere Betrachtung (und Beforschung) des Fähigkeits-/ Fertigkeitsbereichs ‚fremdsprachendidaktische Unterrichtsplanung‘ als Konglomerat verschiedenster Kompetenzen und Wissensformen (sowie deren Reflexion) in unseren Augen einen bedeutenden Ansatzpunkt fremdsprachendidaktischer Professionsforschung. 120 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 3. Unterrichtsplanung als zentrales Moment zur Erfassung von Fremdsprachenlehrpersonenprofessionalisierung Unterrichtsplanung wird im Folgenden als fachdidaktisch-professionstheoretische Kategorie etabliert, die - obwohl sie phasenübergreifend in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften eine zentrale Rolle spielt - von der Fremdsprachendidaktik als forschende Disziplin bislang leider wenig untersucht wurde (vgl. Tabelle 1). Ein Grund hierfür könnte der starke Fokus auf dem „Gegenstand Unterrichtsplanung“ in der zweiten Phase sein, zu der ebenfalls wenig Forschung vorliegt; auch die starke Fokussierung auf Leistungen der Lernenden bzw. Wissensbestände der Lehrenden könnten zur Vernachlässigung dieser zentralen Kompetenz geführt haben. Dieser Befund gilt überraschenderweise auch für die Professionsforschung in ihrer Breite, obwohl […] die Planungskompetenz [...] eine zentrale Rolle in der Professionalisierung der Lehrkraft [einnimmt]. Ein Tatbestand, der in der aktuellen Forschung zum Lehrerberuf, insbesondere in der Professionalisierungsforschung, wenig Berücksichtigung findet. (W ERNKE / Z IERER 2017: 11) Dies ist u.E. umso erstaunlicher, als zum einen berufsfeldorientierte Anforderungsbereiche und -situationen in der Planung von Unterricht zusammenfließen und dadurch eine Bündelung erfahren, zum anderen Unterrichtsplanung als (und dabei noch nicht einmal kleinster) gemeinsamer Nenner der Kompetenzerwartungen sowohl in den Ländergemeinsame[n] inhaltliche[n] Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2017), den nationalen und nicht explizit fachdidaktisch gefassten Standards für die Lehrerbildung (KMK 2004) für die zweite Phase sowie in dem vom Europarat initiierten und herausgegebenen Europäischen Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (2007) gelten kann. Eine Ausnahme bildet hier das kürzlich angelaufene Projekt „Professionelle Planungskompetenz Englisch“ (PRO PLAN) an der Bergischen Universität Wuppertal (vgl. D IEHR 2018a). Als zentrale (fremdsprachendidaktische) Kategorien manifestieren sich in der Unterrichtsplanung Fachkompetenz, didaktische Kompetenz und pädagogische Kompetenz (vgl. W ERNKE / Z IERER 2017: 10); diese treten in ein Abhängigkeitsverhältnis ein, das Wissen und Können in allen Bereichen verlangt (vgl. S CHMALTZ 2019: 91). Deshalb bietet sich Unterrichtsplanung als Kategorie dahingehend an, interdependente Zusammenhänge von Forschung und Lehre in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften phasenübergreifend zu erhellen und zu schärfen. Damit ist gemeint, dass das Postulat vom lebenslangen und forschenden Lernen (vgl. auch M ARTINEZ 2018) in der Auseinandersetzung mit Unterrichtsplanung sowohl innerhalb der Ausbildungsphasen durch forschendes Lernen der Auszubildenden Kontur erfahren als auch durch die empirische Untersuchung von mit der Unterrichtsplanung verbundenen Aspekten durch die Disziplin ausgestaltet werden kann - und so eine Rückkopplung von Forschung und Lehre ermöglicht. Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 121 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 Dass die kriteriengeleitete fachdidaktische Planung von Fremdsprachenunterricht eine lohnenswerte empirische Kategorie darstellen kann, soll im Folgenden anhand von Beispielen aus der Forschung gezeigt werden. Bei den Datensätzen handelt es sich um Transkripte qualitativer Interviews, die einem Forschungsprojekt zur zweiten Phase der Fremdsprachenlehrkräftebildung entstammen. 2 Im Fokus der Untersuchung steht die Kompetenzentwicklung von Fremdsprachenlehrkräften im hessischen Vorbereitungsdienst (Lehrkraft im Vorbereitungsdienst = LiV). (Die Hervorhebungen in den folgenden Auszügen stammen von uns, um auf für diesen Beitrag relevante Aspekte im Datenmaterial hinzuweisen.) Vignette 1 3 (Datenmaterial Steininger: Interview T 2 LiV 3 , 00: 37-01: 08) LiV 3 : Wenn man von einer Routine sprechen darf überhaupt … dann würde ich sagen, dass man … ja - bei der Planung der einzelnen Stunden oder auch Einheiten bisschen sicherer vorgeht, als vielleicht direkt am Anfang, als man dann (betont) eigenverantwortlich unterrichtet hat - da hat man dann wirklich - ja schon - unabhängig jetzt vom Unterrichtsinhalt auch so was das Auftreten vor der Klasse betrifft, immer so ein bisschen … ja - war man etwas nervös. Dahingehend hat sich da ‘ne Routine, ähm, eingestellt. Gefragt nach Veränderungen, die die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst (LiV) an sich selbst im Verlauf der ersten Monate (T 2 ) der zweiten Ausbildungsphase beobachten könne, geht LiV 3 zunächst auf Gesichtspunkte der „Routine“ ein. Dabei kommen direkt Aspekte der Unterrichtsplanung zur Sprache. Genauer gesagt wird die sich entwickelnde „Routine“ an dieser (neben der eigenen Lehrpersönlichkeit) festgemacht. Interessant ist, dass neben der Planung von Stunden und Einheiten für die LiV die „Routine“ hinsichtlich des Auftretens vor der Klasse berichtenswert ist, die sich entwickelt habe. Hier zeigt sich auch, dass die Habitustransformation vom Lernenden hin zum Lehrenden (vgl. H ELSPER 2018) als relevante Kategorie der Professionalisierung von der LiV in Zusammenhang mit der Unterrichtsplanung gesehen wird. In der folgenden Vignette, in der eine weitere Lehrkraft im Vorbereitungsdienst (LiV 6 ) nach der eigenen Kompetenzentwicklung gefragt wurde, spielt die Unterrichtsplanung erneut eine gewichtige Rolle: Vignette 2 (Datenmaterial Steininger: Interview T 2 LiV 6 , 02: 35-03: 50) LiV 6 : Mhm. Also konkret bezogen auf Englisch würde ich sagen, es hat sich auf jeden Fall verändert, dass ich mich jetzt in der Planung von Unterrichtseinheiten und Unterrichtsstunden wesentlich sicherer fühle, wie ich das Ganze angehe. Also, dass ich eine Struktur 2 Die von Ivo Steininger durchgeführte Studie mit dem Arbeitstitel Entwicklung von fachdidaktischen Kompetenzen in der zweiten Phase der Fremdsprachenlehrkräftebildung (vgl. G ERLACH / S TEININGER 2016a: 185-191) untersucht anhand von qualitativen Daten (Interviews sowie schriftlichen Unterrichtsplanungen) die Entwicklung einer Gruppe von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst über den Zeitraum der zweiten Ausbildungsphase hinweg (siehe dazu auch G ERLACH / S TEININGER 2016b). 3 Im Transkript stehen drei aufeinander folgende Punkte (…) für längere Sprechpausen, wohingegen kürzere Pausen bzw. Äußerungsänderungen durch einen Gedankenstrich (-) dargestellt werden. 122 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 habe, an die ich mich halte. Dass mir jetzt auch das Lernprozessmodell, was immer wieder bei uns in den Englischseminaren einen sehr - starken Fokus hat, dass mir das jetzt auch wirklich hilft. Und auch bei der Unterrichtsplanung hilfreich ist. Und auch es mir leichter fällt, Lernziele klar zu definieren und zu wissen, worauf kommt es sprachlich an. Am Anfang hatte ich den Eindruck - man hat sich mehr methodisch verzettelt, weil man so viele Ideen, und irgendwie - äh - warm-ups und Spielchen, was weiß ich was, im Hinterkopf hatte, die man irgendwann mal kennengelernt hat, in der Uni oder in Praktika, und jetzt fällt es mir wesentlich leichter das - gezielt runterzubrechen auf das, worauf es sprachlich ankommt und was dienlich ist für meine Einheit und für das letztendliche Ziel, auf das ich mit den Schülern hinarbeite. Kompetenzentwicklung wird hier ganz deutlich benannt, indem LiV 6 auf Inhalte des Seminars eingeht („Unterrichtsplanung mit dem Lernprozessmodell“) und über die Formulierung von Lernzielen sowie methodische Entscheidungen zur Förderung dieser Ziele spricht. Dabei benennt LiV 6 fachdidaktische Aspekte und erwähnt neben sprachlichen Zielen auch Bereiche der didaktischen Reduktion sowie das vom Outcome ausgehende backward planning als Leitlinie der Unterrichtsplanung. Der starke Fokus auf Methoden, von dem LiV 6 sich zum Zeitpunkt des Interviews abgrenzt und daran auch die eigene Entwicklung festmacht, ist in der Expertiseforschung ein Merkmal von fortgeschrittenen Novizen. Mit zunehmendem Expertise- und Reflexionsgrad nimmt der Fokus auf die eigene Rolle und methodische Ansätze ab und die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler werden in den Vordergrund gestellt (vgl. R OTERS 2012: 266f.). Die an der Unterrichtsplanung festgemachte Kompetenzentwicklung spiegelt sich so auch in einem weiteren Datensatz wider. Die Abbildungen auf der folgenden Seite zeigen die Codefrequenzen der offenen Codierung des Datensatzes der schriftlichen Unterrichtsplanung (UP) von LiV 6 zu Beginn der zweiten Phase (T 1 ) sowie nach einigen Monaten im Vorbereitungsdienst (T 2 ). 4 4 Zahlenwerte = Anzahl der mit dem Code codierten Wörter. Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 123 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 Abb. 1: Codefrequenz im Datensatz schriftliche Unterrichtsvorbereitung von LiV 6 zum Zeitpunkt T 1 (Beginn Vorbereitungsdienst) Abb. 2: Codefrequenz im Datensatz schriftliche Unterrichtsvorbereitung von LiV 6 zum Zeitpunkt T 2 (Mitte des Vorbereitungsdiensts) 124 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 Als Vergleichsmoment sollen die jeweils höchstfrequenten Codes dienen. Während in der schriftlichen Unterrichtsplanung zum Zeitpunkt T 1 von LiV 6 auf die für die Planung von Unterricht für die spezifische Lerngruppe wesentlichen Lernvoraussetzungen und die damit einhergehende Lernausgangslage nur über als allgemein zu wertende Kommentare zu den Schülerinnen und Schülern eingegangen wird, zeigt sich dies zum Zeitpunkt T 2 wesentlich komplexer. Hier sind es nicht länger als Kommentare zu wertende Aussagen über die Lernenden, die als höchstfrequent auszumachen sind. Vielmehr zeigt sich in dieser schriftlichen Unterrichtsplanung (T 2 ), dass Lernvoraussetzungen und die Lernausgangslage im Zusammenhang mit curricularen Zielbereichen sowie dem Unterrichtsgegenstand dargestellt werden und damit ein höherer Expertisegrad angenommen werden kann. Im Interview, in dem zum Zeitpunkt T 4 nach dem zweiten Staatsexamen auf die absolvierte zweite Ausbildungsphase zurückgeblickt wird, benennt LiV 6 die zunehmende Komplexität der Unterrichtsplanung erneut als zentralen Indikator für die eigene Kompetenzentwicklung: Vignette 3 (Datenmaterial Steininger: Interview T4 LiV6 , 07: 30-10: 08) LiV6: Also, ich hab‘ glaube nach dem Studium, hatte ich zwar teilweise Ideen und Vorstellungen davon, wie - ähm - kann man jetzt sag ich mal ‘ne, - ähm - , ich sag mal in Anführungszeichen schöne Storytelling-Einheit zum Beispielmachen, ja. Wie kann ich mir ‘n - ähm -, ‘n Buch neh - ähm -heraussuchen und was kann ich dazu machen. Aber das waren mehr zusammengewürfelte Aktivitäten rund um das Buch - […]. Aber nicht - ähm - so, dass nachher ‘n sprachliches Ziel am Ende steht. I: Mhm (bejahend) […] LiV6: Das ist denke ich - ähm - der große Unterschied, der halt eben die ganze Planung ja verändert. Wenn man - ähm - das im Fokus hat und nicht einfach sich überlegt, was könnte ich in Stunde eins zu dem Buch machen, was könnte ich in Stunde zwei zu dem Buch machen - So das ist sirgendwie willkürlicher. Verstehen Sie was ich meine? I: Ich verstehe, was Sie meinen, ja. LiV6: Und ich glaub‘ das - ähm - Ja, da quasi das sprachliche Lernziel im Blick zu haben und - ähm - die Kompetenzen, die man dann auch damit anstrebt. Den Aussagen der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst zufolge spiegelt Unterrichtsplanung den fachdidaktisch kompetenten Umgang mit komplexen Anforderungssituationen wider. Dies realisiert sich in der zielgerichteten Planung von Unterrichtsstunden, die sowohl das kommunikative Ziel, die Fremdsprache als Unterrichtsinhalt und Unterrichtsgegenstand, die Bedürfnisse der Akteure im jeweiligen Unterrichtsszenario im Blick behält und darüber hinaus die Anschlussfähigkeit der Planung mit Vorangegangenem und Folgendem zugrunde legt. Zur Spezifik fremdsprachendidaktischer Professionsforschung 125 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 4. Fazit: Impulse für die Professionsforschung für Fremdsprachenlehrer/ innen und Fremdsprachenunterricht Unterrichtsplanung hat individuell für die (angehenden) Fremdsprachenlehrkräfte wie auch als Untersuchungsgegenstand hinsichtlich der Fragen professioneller Ausbildung und Entwicklung großes Potential. Als Kategorie fremdsprachendidaktischer Forschung zeigt sich in ihr als Konglomerat Fachwissen und (fach-)didaktisches Wissen und bietet sich deshalb sowohl für die Erforschung innerhalb der Professionalisierungsprozesse als auch als Ausbildungsgegenstand besonders an. In ihren Reflexionen über Unterrichtsplanungen zeigen Novizen mit zunehmendem Reflexionsgrad, dass sie in der Lage sind, von ihrer eigenen Rolle Abstand zu nehmen und verstärkt die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen (vgl. auch Befunde der Expertiseforschung, R OTERS 2012). Die Vignette aus der laufenden Studie von S TEININGER (siehe Abschnitt 3) bestätigt diesen Befund: LiV 6 : Und ich glaub‘ das - ähm - Ja, da quasi das sprachliche Lernziel im Blick zu haben und - ähm - die Kompetenzen, die man dann auch damit anstrebt. Da Reflexionskompetenz bereits in einer frühen Professionalisierungsphase angestrebt werden kann, können Reflexionen über Unterrichtsplanung und Unterricht bereits in diesen Phasen eine gewichtige Rolle spielen. Hier bieten sich forschende Lernprozesse in besonderem Maße im Rahmen universitärer Phasen an (vgl. D IEHR 2018a), die z.B. auch kooperativ gestützt werden können (und entsprechend von Lehrerbildner/ innen angeleitet) und in jedem Fall fremdsprachendidaktisch ausgeschärft werden sollten (vgl. K NORR 2015). Als Forschungsgegenstand lässt sich die kontextsensible Unterrichtsplanung darüber hinaus auch als phasenübergreifendes Professionalisierungsprojekt abbilden, das durchaus mittel- und langfristig im Rahmen von Aktionsforschungsprozessen genutzt werden könnte. Eine Fokussierung auf die Planung von Fremdsprachenunterricht kann dabei aus professionstheoretischer Perspektive die Bestimmungsansätze nach T ERHART (2011) vereinen: Neben der kompetenztheoretischen Frage nach der Integration von verschiedenen Wissensbeständen und ihrer Reflexion müssen strukturtheoretisch angenommene Unsicherheiten, Antinomien und Krisen (vgl. auch H ERICKS et al. 2019), die im Unterricht auftreten könnten, bereits in der Planung antizipiert werden. Gleichzeitig erscheint logisch, dass Unterrichtsplanung auch aus einer berufsbiographischen Perspektive relevant ist, wenn zum einen die eigene Lernbiographie der Fremdsprache mit ihren Überzeugungen und Einstellungen zum Lehren und Lernen Relevanz für die methodisch-didaktische Gestaltung hat, und zum anderen auch die Entwicklung des Fähigkeits-/ Fertigkeitsbereichs ‚Unterrichtsplanung‘ im Rahmen eines Modells fachdidaktischer Kompetenz beginnend mit dem Studium, vertieft im Vorbereitungsdienst und ständig fortentwickelt in der Berufstätigkeit eine Relevanz für Unterrichtsqualität und -entwicklung, Innovation und fortlaufende Professionalisierung haben dürfte. Eine Fokussierung auf Unterrichtsplanung im Professionalisierungsprozess könnte 126 David Gerlach, Bianca Roters, Ivo Steininger DOI 10.2357/ FLuL-2020-0008 49 (2020) • Heft 1 verhindern, dass die Anforderungen an (angehende) Lehrkräfte ‚überfrachtet’ werden: Als Kerngeschäft des Lehrer/ innenhandelns dürfte die Bedeutung einer solchen Kompetenz nicht nur individuell im wissenschaftlich-reflexiven Habitus an der Universität nachvollziehbar sein, sondern erlaubt auch die didaktische Transformation fachlichen Wissens in antizipierte oder reale Anwendungssituationen der Praxis. In Bezug auf die Forschung kann damit auch kein Bestimmungsansatz den Anspruch erheben, Fremdsprachenlehrer(innen)professionalität in Gänze erhebbar zu machen. Vielmehr bietet die fremdsprachendidaktische Professionsforschung die Chance der Überwindung der oftmals überfachlich wahrgenommenen Unvereinbarkeit insbesondere eines struktur- und kompetenztheoretischen Deutungsansatzes (vgl. B AUMERT / K UNTER 2006; H ELSPER 2007). Aufgrund der spezifischen Anforderungspraxis des fremdsprachlichen Unterrichts kann und darf sich die Disziplin Fremdsprachendidaktik nicht auf vermeintlich generisch übertragbare Empfehlungen aus anderen Fächern oder der Allgemeinen Pädagogik verlassen, sondern sollte eigenständig Kategorien entwickeln und diese empirisch ergründen. Mit der Kategorie ‚Unterrichtsplanung“, so wie sie hier präsentiert wurde, ist damit u.E. ein Anfang unternommen. Literatur A BENDROTH -T IMMER , Dagmar (2017): „Reflexive Lehrerbildung und Lehrerforschung in der Fremdsprachendidaktik: Ein Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 28.1, 101-126. A PPEL , Joachim (2000): Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. München: Langenscheidt- Longman. B AUMERT , Jürgen / K UNTER , Mareike (2006): „Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften“. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9.4, 469-520. 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In: W ILDE - MANN , Anja / H OODGARZADEH , Mahzad (Hrsg.): Sprachen und Identitäten. Innsbruck: StudienVerlag, 132-145. W ILDEN , Eva / P ORSCH , Raphaela (Hrsg.) (2017): The Professional Development of Primary EFL Teachers. National and International Research. Münster: Waxmann. W IPPERFÜRTH , Manuela (2015): Professional Vision in Lehrernetzwerken. Berufssprache als ein Weg und ein Ziel von Lehrerprofessionalisierung. Münster: Waxmann. Z IBELIUS , Marja (2014): Cooperative Learning in Virtual Space. A Critical Look at New Ways of Foreign Language Teacher Education. Tübingen: Narr. 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0009 Karin A GUADO , Claudia F INKBEINER , Bernd T ESCH (Hrsg.): Lautes Denken, «Stimulated Recall» und Dokumentarische Methode. Rekonstruktive Verfahren in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung. Frankfurt/ M.: Lang 2018 (Language Culture Literacy, Band 10), 201 Seiten [55,95 €] Um die Jahrtausendwende hat sich in der Fremdsprachenforschung eine starke Hinwendung zu empirischer Forschung vollzogen. Der dadurch entstehende Bedarf einer methodischen und methodologischen Fundierung hat zu Publikationen zu Forschungsmethoden geführt. Der vorliegende Band erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern fokussiert drei der sogenannten rekonstruktiven Methoden, nämlich Lautes Denken, Stimulated Recall und Dokumentarische Methode. In drei einführenden Beiträgen und anschließenden Aufsätzen zu Einzelprojekten werden methodologische und methodische Grundlagen mit konkreter Anwendung in Projekten dargestellt. Bernd T ESCHS einführender Beitrag „Die Dokumentarische Methode in der Fremdsprachenforschung“ beginnt mit einem Überblick über den wissenssoziologischen Forschungszweig mittels Dokumentarischer Methode (DM) in der Fremdsprachenforschung. Der Beitrag zielt darauf, Herausforderungen, die die DM an die Fremdsprachenforschung stellt, zu benennen, wie z.B. Handling und Fülle der Daten oder komplexe Sinnkonstruktionen, die in Begriffen wie ‚Heterogenität‘ stecken. T ESCH markiert als Besonderheit der DM u.a. die ausgeprägte methodisch-methodologische Reflexion. Des Weiteren geht er auf neuere Forschungszweige wie Bild- und Videoanalyse ein. Julia F RITZ stellt in ihrem Beitrag „Dokumentarische Interpretation von Gruppendiskussionen“ den - wie es im Untertitel heißt - „Analyseschritt der reflektierenden Interpretation am Beispiel der Rekonstruktion von Lernerlebnissen im Französischunterricht“ dar. Dabei zeichnet sie mithilfe der Begriffe ‚positiver Horizont‘, ‚negativer Gegenhorizont‘, ‚Enaktierungspotenzial‘ und ‚Diskursorganisation‘ den Prozess der Rekonstruktion der aktivierten Orientierungsrahmen nach. Ihr Vorgehen ist methodisch nachvollziehbar, wird aber nicht methodologisch diskutiert. F RITZ kritisiert implizit, dass die reflektierende Interpretation in der Präsentation der Ergebnisse häufig nicht zur Darstellung komme, schließt aber, dass sich die Dokumentarische Methode für Anwendungsforschung eigne, um Prozesse der fachbezogenen Hin- und Abwendung von Schüler/ innen besser beleuchten zu können. Matthias G REIN zielt mit seinem Aufsatz „Der Schüler_innen-‚Blick‘ auf die Fremdsprache praxeologisch rekonstruiert. Sinnkonstruktion, symbolisches Kapital und schulischer Französischunterricht“ darauf, die Perspektive der Französischdidaktik mit der rekonstruierten Perspektive einer Schülerin auf „Französisch“ zu kontrastieren. In der theoretischen Verknüpfung von Aspekten aus B OURDIEUS Praxistheorie mit Sinnkonstruktion setzt G REIN die zentralen Begriffe zueinander in Beziehung und zeigt, wie kollektiv geprägt und feldbezogen Sinnkonstruktionen sind. Anhand der Analyseergebnisse dieses Falls stellt er eine relationale Sinnkonstruktion dar, in der „Französisch“ lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Annika K REFT gibt mit ihrem Beitrag „‘Hä, warum lebt die denn nicht auf Hawaii? Ich versteh‘ das nicht.‘ Zur Förderung von transkultureller Kompetenz im fremdsprachlichen Literaturunterricht“ einen Einblick in ausgewählte Ergebnisse ihres Projekts, welches sich mit der Rekonstruktion von Unterrichtsprozessen zur Anbahnung von transkultureller Kompetenz im B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l 132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0009 49 (2020) • Heft 1 fremdsprachlichen Literaturunterricht beschäftigt. K REFT diskutiert methodische Fragen der Episoden- und Bildauswahl und stellt einen kurzen methodologischen Bezug zum Gegenstand (transkulturelle Kompetenz) her. Inhaltlich analysiert sie z.B. den Einfluss der Lehrperson auf das Unterrichtsgeschehen und die individuellen Kulturbegriffe der Akteure. Karin A GUADO stellt in ihrem Überblicksartikel „Lautes Denken als Datenerhebungsverfahren in der empirischen Fremdsprachenforschung“ das Verfahren des Lauten Denkens (LD) vor. Es wird erläutert, wie sich introspektive Verfahren auszeichnen und in welchen Dimensionen sich diese unterscheiden, wobei auch das mehrmethodische Arbeiten im Zusammenhang mit LD Erwähnung findet. In einem zweiten Teil wird genauer auf die Forschungspraxis des LD eingegangen. An dieser Stelle verweist A GUADO auf die Passung des LD für empirische Untersuchungen, u.a. von Handlungen von Lehrenden, und inwiefern die Sprache der Untersuchung hier eine Rolle spielt. Auf die Auswertung von introspektiven Verfahren wird nicht explizit eingegangen. A GUADO gibt an, dass für introspektive Verfahren nur qualitativ inhaltsanalytische Verfahren nutzbar seien. Franziska P RÜSMANN beginnt ihren Beitrag „Erfassung von Einschätzungsprozessen bei der Bewertung von Texten mehrsprachiger Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Überlegungen zum Einsatz des Laut-Denk-Verfahrens“ mit der Darlegung des theoretischen Hintergrundes ihres Projektes. Hierbei geht sie auf die schulische Situation von Seiteneinsteigern/ innen, mit dem Fokus auf mehrsprachige Schüler/ innen, und auf die Bewertung von Schülertexten ein. Ziel des Projektes sei es, Einschätzungsprozesse durch Deutschlehrende über Texte von Seiteneinsteiger/ innen zu rekonstruieren und Schlüsse für mögliche Schulung von ebendiesen Lehrenden zu ziehen. Innerhalb des Abschnitts zu methodischen Überlegungen geht P RÜSMANN vor allem auf die Frage der Authentizität der einzuschätzenden Schüler/ innentexte ein und diskutiert anhand von Transkriptauszügen die Gegenstandsangemessenheit des Erhebungsinstruments LD für den Untersuchungszweck. Claudia F INKBEINER und Jennifer S CHLUER stellen in ihrem Überblicksartikel „Stimulated Recall als Zugang zu mentalen Prozessen in der Fremdsprachenforschung“ die Methode des Stimulated Recalls (SR) vor und grenzen diese von anderen Erhebungsinstrumenten, wie ‚Lautes Erinnern‘, ab. SR wird als eine Methode bestimmt, bei der Verbalisierungen von Kognitionen generiert werden. Kognitionen selbst sind dadurch eben nur indirekt zugänglich. S CHLUER / F INKBEINER benennen die Aspekte, derer sich Forscher/ innen bewusst sein müssen, wenn sie sich entscheiden, Daten mit Hilfe von SR zu generieren. Im Folgenden werden Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung einer Datenerhebung mit SR gegeben. Anhand zweier Transkriptauszüge wird die Auswertung im Rahmen einer Kodierung beschrieben. Malgorzata B ARRAS erläutert in ihrem Beitrag „Stimulated Recall in der Sprachtestforschung. Ein praktisches Beispiel aus der Erprobung eines computerbasierten Leseverstehenstests“ den Einsatz des SR im Kontext der Entwicklung quantitativ auszuwertender Tests. Dabei wird das nachträgliche Laute Denken (LD) dazu genutzt, die „Lösungswege und Gedanken, welche Schüler/ innen zu ihren Antworten führen“ (S. 75) zu rekonstruieren. Nachfolgend werden Aspekte der Aufgabenbearbeitung vertieft diskutiert, z.B. die der dabei verwendeten Sprache. In der abschließenden Reflexion der Methode wird resümiert, dass prozessbegleitendes LD unter Umständen genauere Ergebnisse geliefert hätte, da damit ein direkter Zugriff auf die Prozesse der Aufgabenbearbeitung möglich gewesen wäre. Für die etwas weniger unmittelbare Fragestellung nach Strategien aber sei SR eine sehr fruchtbare Forschungsmethode. Ganz ähnlich kann man den forschungsmethodischen Ertrag des Aufsatzes von Fränze S CHARUN „Retrospektive Interviews mittels Videostimulus: Ein Instrument zur Erhebung subjektiver Sprachbildungstheorien von Erzieher/ innen in bilingualen Krippen“ resümieren. Sie stellt die Kombination von Videographie, Leitfadeninterview und SR zur Erforschung subjek- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0010 tiver Theorien dar. Die Auswertung der Daten wird im Aufsatz nicht vertieft angesprochen, sondern nur als „Kombination aus thematischem Kodieren nach Flick (2000) und der Typenbildung nach Kluge (1999)“ (S. 164) benannt. Sehr gewinnbringend sind die Überlegungen zur Auswahl der Methode, die einen Kompromiss zwischen Unmittelbarkeit und Reduzierung des Feldes darstellt. Hier setzt auch der Beitrag „Videobasierter Stimulated Recall zur Erforschung von Wort- und Konzeptbewusstheit“ von Jennifer S CHLUER an. Sie führt aus, dass es die Multimodalität des Mediums Video sei, die es ermögliche, auch in handlungsentlastetem Nachgang recht nah an die während eines Geschehens ablaufenden Denkprozesse heranzukommen. In Bezug auf die Datenanalyse wird auf den eigentlichen Prozess des Gewinnens der Kodes zum Bezeichnen der Textstellen nicht eingegangen, sondern eher auf technische und formale Fragen. Umfassender werden nachfolgend diverse Herausforderungen der Erhebungssituation und ihre Bearbeitung in der Studie thematisiert. Der vorliegende Band dokumentiert einmal mehr, dass die empirische Wende in der Fremdsprachenforschung zu einer forschungsmethodischen Fundierung und zu einer stetig zunehmenden Reflexionshöhe geführt hat. Die Konzeption des Bandes, in grundlegenden Beiträgen Methoden einzuführen und dann in Anwendungsbeiträgen ihre Verwendung zu illustrieren, geht auf. Da die Beiträge des Bandes insgesamt sehr verständlich geschrieben sind, eignen sie sich auch für Einsteiger/ innen in rekonstruktive Verfahren, um Einblick in bestimmte Verfahren und deren Anwendung in Bezug auf verschiedene Gegenstände zu erhalten. Das wäre allerdings noch besser gelungen, wenn die Herausgeber/ innen die Beiträge thematisch und nicht alphabetisch sortiert hätten. Dabei hätte auch herausgearbeitet werden können, dass die drei dargestellten Verfahren unterschiedlichen Zwecken dienen: So stellen LD und SR Erhebungsinstrumente dar, mit Hilfe derer sich Daten generieren lassen, die sich dann mit einer rekonstruktiven Auswertungsmethode analysieren lassen. In diesem Zusammenhang wäre dann auch der Begriff der Rekonstruktion selbst in den Blick geraten. Je nachdem, wie eng man ihn fasst, z.B. in der Gegenüberstellung kodierender vs. sequenzanalytischer Verfahren, wäre zu diskutieren, worin die Unterschiede zwischen den Auswertungsmethoden bestehen: sequenzanalytische Interpretation bei der DM, kodierende Inhaltsanalyse bei den Auswertungen der mit SR und LD gewonnenen Daten. Auch wäre zu überlegen, inwieweit die Berücksichtigung der Relevanzsysteme der Akteure als Grundbedingung empirischer Rekonstruktion bei den gezeigten Verfahren umgesetzt wird. Dies stellt den Wert des Bandes jedoch keinesfalls in Frage, denn den Herausgeber/ innen ist ein in Bezug auf seinen inhaltlichen Gehalt und seine Kohärenz bemerkenswerter Tagungsband gelungen. Hamburg A NDREAS B ONNET , S HIVAUN O’C ONNOR , A NJA W ILKEN Bärbel D IEHR (Hrsg.): Universitäre Englischlehrerbildung. Wege zu mehr Kohärenz im Studium und Korrespondenz mit der Praxis. Berlin: Lang 2018 [49,95 €] Die Frage, welche Anteile fachdidaktische, fachwissenschaftliche und bildungswissenschaftliche Studieninhalte im Rahmen der Lehramtsausbildung einnehmen sollen, bildet ein Dauerthema bildungspolitischer Diskussionen. Wiederkehrend wird die Zersplitterung des Lehramtsstudiums moniert und eine fehlende inhaltliche Kohärenz der verschiedenen Studienanteile beklagt. Die Beiträge des hier vorgestellten Bandes widmen sich dieser Thematik aus der Perspektive der Englischlehrerbildung. Die Grundlage des Bandes bildet ein im Juni 2017 an der Bergischen Universität Wuppertal abgehaltenes Symposium mit dem Titel „Kohärenz und Korres- 134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0010 49 (2020) • Heft 1 pondenz in der universitären Englischlehrerbildung“, welchem folgende Leitfrage zugrunde lag: „Wie kann das universitäre Lehramtsstudium so verbessert werden, dass das Lernen der Fremdsprache Englisch der Bildung des Einzelnen, der Mehrsprachigkeit und der internationalen Verständigung zwischen weltoffenen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt [...] ? “ (S. 10). Die Konzepte ,Kohärenz‘ und ,Korrespondenz‘ waren für das Symposium maßgeblich und sind es dementsprechend auch für den Band. Während ‚Kohärenz‘ einen anzustrebenden, starken Zusammenhang zwischen Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und Praxiselementen in der universitären Lehrerbildung meint, lotet ‚Korrespondenz‘ das Verhältnis des Schulfaches Englisch mit den Wissenschaftsdisziplinen Anglistik/ Amerikanistik (sowie deren Teildisziplinen) aus. Nach einer kurzen Einführung der Herausgeberin zeichnet Friederike K LIPPEL die Entwicklung der heutigen Englischlehrerbildung seit Beginn des 19. Jahrhunderts nach. Auf dieser historischen Folie stellt die Autorin die zunehmende Ausdifferenzierung und Komplexität der neuphilologischen Anglistik und Amerikanistik heraus, die eine Herstellung von Kohärenz innerhalb dieser Disziplinen durch einzelne Professuren unmöglich mache. Aus dem Umstand, dass die Fülle an persönlichen Erfahrungen mit schulischem (Fremdsprachen-)unterricht sowohl starke Berufsals auch Studienwahlmotive angehender Lehrkräfte darstellt, leitet die Autorin zwei grundlegende Aufgaben der universitären Lehrerbildung ab: Zum einen seien Erfahrungen und Einstellungen von Studienanfängern hinreichend zu berücksichtigen, zum anderen sei die „Zielperspektive“ (S. 25) nicht aus dem Blick zu verlieren, also die Frage, welche Kompetenzen im Studium erlangt werden sollen, um einem gelungenen Berufseinstieg den Weg zu ebnen. In vergleichbarer Perspektive fragt Joachim A PPEL , welches „Wissen“ Englischlehrkräfte heute benötigen, um den unterrichtlichen Anforderungen professionell begegnen zu können. Bezogen auf den Fremdsprachenunterricht unterscheidet er zwischen dem „prozeduralen“ und dem „deklarativen“ Wissen von Lehrkräften, die sich ihm zufolge häufig wenig kohärent zueinander verhalten. Die herausgestellte Komplexität des Wissens von Lehrkräften führt den Autor zu der Frage nach deren Korrespondenz mit dem Wissen, das in Sprachpraxis, Literaturwissenschaft, Linguistik und Fachdidaktik an der Universität vermittelt wird bzw. werden sollte. Fachwissenschaften und Fachdidaktiken - so seine Forderung - seien angehalten, schulpraktische Anforderungen und die Vermittlung komplexer Wissensbestände besser miteinander zu verzahnen. In das Thema Komplexität taucht auch Carola S URKAMP ein. In Bezug auf das von ihr befürwortete Ziel einer Entwicklung von „Filmkompetenz“ in fortgeschrittenem fremdsprachlichen Englischunterricht moniert sie, dass die mit diesem Ziel verbundenen hohen Anforderungen an Lehrkräfte keine Entsprechungen in bildungspolitischen Dokumenten finden und dass entsprechend auch „so gut wie keine Korrespondenzen zwischen schulischem Englischunterricht und universitärer Lehrerbildung im Hinblick auf die Arbeit mit Filmen festzustellen“ (S. 61) seien. Um die Korrespondenz zwischen universitärer Ausbildung und schulischem Unterricht im Kontext der Filmarbeit zu stärken, plädiert die Autorin für eine Öffnung der fachwissenschaftlichen Studienanteile hin zu einem Verständnis von Filmen als „kulturelle […] Handlungsfeld[er]“ (S. 64). Bislang fehlende Korrespondenz bemängelt ebenfalls Bärbel D IEHR mit Blick auf das Studienfach Anglistik und das Schulfach Englisch. So sei die Anglistik auf einen „expandierenden Gegenstandsbereich bezogen, der in einer kompartmentalisierten Disziplin studiert wird“ (S. 83) und stehe damit einer Lehrerbildung beinahe konträr gegenüber, die den Auftrag habe, die „Grundlagen für integriertes und kompetenzorientiertes Unterrichten [zu] legen“ (ebd.). Überlegungen der Autorin zu einer simultanen Erhöhung von Kohärenz und Korrespondenz umfas- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0010 sen die Stärkung des „Professionsbezug[es]“ (S. 93) in den Fachwissenschaften, der Zusammenarbeit schulischer und universitärer Akteure im Praxissemester sowie der Anbahnung einer „forschenden Grundhaltung“ (S. 94) der Studierenden in allen Teildisziplinen. Ein weiteres Szenario zur Erhöhung der Korrespondenz zwischen der an der Schule bereits durchgeführten integrativen Kompetenzförderung und der an der Universität existierenden Trennung derselben beschreibt Dirk S IEPMANN . Ihm zufolge ist es notwendig, dass sich „alle universitären Lehrenden […] auch als Sprachlehrer begreifen“ (S. 110). Am Beispiel eines literarischen Textes, der sowohl aus literaturwissenschaftlicher als auch linguistischer und didaktischer Perspektive untersucht werden kann, illustriert der Autor Möglichkeiten eines „potenziellen übergreifenden universitären anglistischen Curriculums“ (S. 112). Mit dem Begriff des „konzeptuellen Transfers“ (S. 124ff.) lotet Wolfgang H ALLET im anschließenden Beitrag das Verhältnis zwischen Fachwissenschaften und Fachdidaktiken aus. Konzepte definiert H ALLET als „Kategorien mit Theoriestatus“ (S. 124) die, so der Autor, von den Fachdidaktiken oft in unreflektierter Weise übernommen - eben transferiert - wurden und werden. Ein solches Vorgehen behindere Studierende in der Entwicklung einer „Vertrautheit mit Kategorien, Konzepten und Theorien“ (S. 125), die es ihnen im späteren Berufsalltag ermögliche, eigenständig und wohl begründet Unterrichtsgegenstände zu bestimmen und zu bearbeiten. Wie reflektierte, wechselseitige Transfers von Konzepten zwischen einer selbständigen Didaktik und den Fachwissenschaften aussehen können, verdeutlicht der Autor am Beispiel des ethnographischen Forschens und der Gattung der Autobiographie. Während H ALLET s Beitrag die Englischlehrerbildung theoretisch-konzeptionell ergründet, wirft Bianca R OTERS im Folgebeitrag einen empirisch orientierten Blick auf die Professionalisierung von Lehrkräften. Der Beitrag erörtert zunächst empirische Studien, die sich aus professionstheoretischer Perspektive des Konstrukts „Fremdsprachenlehrerprofessionalität“ (S. 144) annehmen. Nach einem kurzen Abriss einiger weniger Befunde zu den „Subjektiven Theorien“, „Berufswahlmotive[n] und der „Sprachkompetenz“ (S. 149f.) angehender und praktizierender Englischlehrkräfte bzw. deren Einfluss auf „unterrichtliche[s] Handeln“ (S. 149), referiert die Autorin Befunde zur „Reflexionskompetenz“ (S. 151) als „Bestandteil individueller Professionalisierungsprozesse“ (S. 144). Förderlich zur Herausbildung dieser Kompetenz sei die Implementierung (fachspezifischer) „Reflexionsgelegenheiten“ (S. 151) im Studium, bspw. durch den Einsatz von Unterrichtsvideos oder Aktivitäten des Forschenden Lernens. In Kohärenz mit dem Themenschwerpunkt des Sammelbandes, führt dieser schließlich von der Theorie über die Empirie zur Praxis. Der Beitrag von Bruno Z ERWECK bemängelt aus Schulleitungsperspektive eine Korrespondenzkluft zwischen der Englischlehrerausbildung und schulpraktischen Anforderungen, und zwar bezüglich der Persönlichkeitskompetenzen von (angehenden) Lehrkräften. Basierend auf der Überzeugung, Persönlichkeitskompetenzen seien im Professionalisierungsprozess herausbildbar, also nicht „naturgegeben“ (S. 179), spricht sich der Autor für eine strukturierte und überprüfbare Integration der Persönlichkeitsbildung in universitäre Ausbildungscurricula aus. Praktisch orientiert ist auch der Beitrag von Carolin W EMHOFF -W EINAND . Um Kohärenz und Korrespondenz in der universitären Englischlehrerbildung zu stärken, stellt die Autorin die Wichtigkeit eines „erfahrungsbasierten und exemplarischen“ Lernens (S. 191) in den Vordergrund. In Zusammenarbeit mit Lehrerbildner(inne)n, die angehenden Lehrkräften interdisziplinäre Zusammenhänge exemplarisch verdeutlichen, könnten Studierende in die Lage versetzt werden, als „kritisch-konstruktive und […] mündige Lehrerinnen und Lehrer mit einem ausgeprägten Professionsverständnis und hoher fachlicher wie pädagogischer Flexibilität im Unterricht“ (S. 192) zu agieren. Auf Basis dieser „Lerngelegenheiten“ (S. 189) seien u.a. Untersuchungsprojekte für Studierende im Sinne des Forschenden Lernens abzuleiten. 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0011 49 (2020) • Heft 1 Die Bedeutung des Forschendes Lernen unterstreicht ebenfalls Ansgar N ÜNNING . Eine Rückbesinnung auf das Humboldtsche Ideal einer „Bildung durch Wissenschaft“ (S. 195f.) sei angesichts vorherrschender Standardisierung der Studiengänge anzuraten, wenn Lehrende und Studierende als „die eigentlichen Erzeuger von Kohärenz und Korrespondenz“ (S. 201) in die Lage versetzt werden sollen, holistischen „Abschlussprofilen der Studierenden und […] Qualifizierungsprofilen angehender Lehrerinnen“ (S. 202) gerecht zu werden. Holistisch meint in diesem Fall die Inkorporation forschungsmethodischer Versiertheit zum Zwecke der Erkenntnisgewinnung und zur Steigerung „kognitive[r] Kohärenz“ (S. 205), sowie fachlicher wie didaktischer Kompetenz, und, schlussendlich, Enthusiasmus für den Lehrerberuf. Weniger Enthusiasmus als „intellektuelle Neugier“ (S. 225), hält Roy S OMMER für eine zentrale Voraussetzung für eine gelingende Professionalisierung. Ausgehend von der Kluft zwischen dem „Praxishunger“ (S. 219) angehender Lehrkräfte und dem universitären Anspruch, disziplinspezifisches „Expertenwissen“ (S. 221) zu generieren, verdeutlicht der Autor, warum sich die universitäre Phase der Lehrerbildung nicht daran messen lassen dürfe, inwieweit sie in der Praxis unmittelbar anwendbares Wissen zur Verfügung stelle. So bedürfe es der studentischen Auseinandersetzung mit disziplinimmanenten Terminologien, mit Verfahren der Theoriebildung, mit der methodisch fundierten Hervorbringung wissenschaftlicher Erkenntnis sowie mit einer Teilhabe an aktuellen und sich ständig wandelnden wissenschaftlichen Diskursen. Die auf diesem Wege ausgebildete „kognitive Kohärenz“ (S. 232) befähige Lehrkräfte, den Ansprüchen eines Englischunterrichts gerecht zu werden, der sich nicht auf die Vermittlung sprachlicher skills verkürzen lässt, sondern einer „‘Philosophie‘ des Schulfaches Englisch“ (S. 222) folgt, die Lernende in die Lage versetzt, interkulturell kompetent und im gesellschaftlichen Gefüge mündig zu handeln. Der bis hierher, trotz der fachlichen Fokussierung der Thematik, multiperspektivisch angelegte Sammelband schließt mit einem Rückblick auf die Ergebnisse des Symposiums und einem Ausblick auf die zukünftige Qualitätsentwicklung der Englischlehrerbildung. Bärbel D IEHR , Stefanie F RISCH und Michael K. L EGUTKE halten als ein wichtiges Ergebnis die Bedeutung des Forschenden Lernens sowie die Notwendigkeit eines Diskurses zwischen unterschiedlichen, an der Lehrerbildung beteiligten Akteuren fest. Bezüglich der anvisierten Korrespondenz zwischen der Anglistik als universitärer Disziplin und dem Schulfach Englisch habe sich im Symposium die inhaltliche und methodische Bearbeitung „koordinierter Themen mit praxisbezogener Relevanz“ (S. 238) in universitären Lehrveranstaltungen, der Einsatz von Unterrichtsvideographien sowie das Praxissemester als wegweisend herauskristallisiert. Der Band vermittelt eine Vielfalt an Vorschlägen hinsichtlich einer anzustrebenden Kohärenz im Lehramtsstudium. Alle an der universitären Englischlehrerbildung beteiligten Akteure dürften hier zumindest einen Beitrag finden, der sie zum Nach- und Weiterdenken in Bezug auf Studiengangsentwicklungen und/ oder die Entwicklung von disziplinübergreifenden Seminarkonzepten anregen kann. Frankfurt/ M. D ANIELA E LSNER Monika D ANNERER , Peter M AUSER (Hrsg.): Formen der Mehrsprachigkeit. Sprachen und Varietäten in sekundären und tertiären Bildungskontexten. Tübingen: Stauffenburg 2018, 440 Seiten [49,80 €] Das aus 22 Beiträgen bestehende Buch ist kein Tagungsband im herkömmlichen Sinne. Die Herausgeber(innen) haben sich für einen mehrsprachigen Sammelband (Deutsch - Englisch, Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0011 mit Abstracts in noch anderen Sprachen) mit einer übergreifenden Perspektive entschieden, was sie unter dem Titel „Innere und äußere Mehrsprachigkeit in Bildungsinstitutionen“ in der Einleitung ausführlich darlegen. Das Begriffspaar ‚innere und äußere Mehrsprachigkeit‘ „stellt das Verfügen über verschiedene Varietäten ein und derselben Sprache und das Verfügen über verschiedene (Standard-)Sprachen nebeneinander bzw. setzt es durch die parallele Benennung gleichzeitig zueinander in Beziehung“ (S. 9). Anhand eines gebrauchsbasierten Normkonzepts werden der Erstbzw. Zweitsprachenerwerb sowie der Erwerb von Fremdsprachen, Dialekten oder auch Herkunftssprachen und deren Rolle für die Identitätskonstruktion von Individuen und Gruppen zur Diskussion gestellt. Verfolgt man das Thema weiter, so kommt man über den Einfluss von Sprachpolitik und Sprachideologien an Schulen und Hochschulen zu Themen in Bezug auf die Lehrerausbildung und Mehrsprachigkeitsdidaktik, wobei aktuelle Begriffe wie CLIL (Content and Language Integrated Learning) und Translanguaging nicht außer Betracht bleiben. Das Thema ‚Mehrsprachigkeit in Bildungskontexten‘ wird im vorliegenden Sammelband sehr weit gefasst, damit die Beiträge von einem möglichst breiten Fachpublikum wahrgenommen werden. Allerdings haben sich die Herausgeber(innen) in einem reichhaltigen ersten Kapitel darum bemüht, das Konzept der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit in den Griff zu bekommen und zwar „im Spannungsfeld unterschiedlicher Konzeptualisierungen, Forschungsmethoden und Perspektiven“ (S. 17). Im grundlegenden Artikel skizzieren die Herausgeber(innen) die „Parallelen und Differenzen im Hinblick auf Erwerbsprozesse, angestrebte Kompetenzen und Kompetenzvorstellungen, Gebrauch und Gebrauchsdomänen sowie sprachen- und bildungspolitische Einflussnamen“ (S. 10) und zwar sowohl in (Sekundar-)Schulen wie an Universitäten. In einem ersten Kapitel über den Erwerb und Kompetenzkonzeptionen wird klargemacht, dass es sich hier sowohl um den Erwerb verschiedener Varietäten der L1 wie auch um den Fremdsprachenerwerb handelt. Dabei wird auf die Normfrage zurückgegriffen, wobei nicht nur die Rolle einer präskriptiven Norm der/ einer Standardsprache, sondern auch der Einfluss und die Funktion soziolinguistischer Normen beim Gebrauch unterschiedlicher situationsbedingter Varietäten diskutiert werden. In einem zweiten Kapitel wird die Diskussion um den Gebrauch von Varietäten und Sprachen weitergeführt, wobei „die Verbindung von Dialektkompetenz und lebensweltlicher Mehrsprachigkeit in ihrer Rolle für die Identitätskonstruktion von Individuen und Gruppen“ (S. 13) im Mittelpunkt steht. In einem dritten und letzten Kapitel zur Erläuterung des übergreifenden Themas werden die Sprachenpolitik und Sprachideologien an Schulen und Hochschulen angesprochen, wobei schon auf institutionenübergreifende Beiträge und auf die Rolle der Lehrausbildung verwiesen wird. Im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb spielt der CLIL-Unterricht eine immer wichtigere Rolle. Im ‚muttersprachlichen‘ Unterricht wird die lernfördernde Rolle der von Schülern mitgebrachten sprachlichen Kompetenzen (Dialekte und Standardsprachen als Erst- und Herkunftssprachen) in der Schule thematisiert. Daneben wird der höchst aktuelle Diskurs zur Internationalisierung und zur Rolle des Englischen als lingua franca an den Universitäten zur Geltung gebracht. Der Sammelband besteht aus vier Teilen mit insgesamt 22 Beiträgen, die hier nicht alle ausführlich besprochen werden können. Dabei haben die Herausgeber(innen) versucht, die Beiträge „auf Basis der Behandlung von innerer und/ oder äußerer Mehrsprachigkeit bzw. dem institutionellen Fokus auf Schule und/ oder Universität“ (S. 17) zu strukturieren. Der erste Teil enthält die 5 Beiträge von Regula S CHMIDLIN , Andrea A BEL und Aivers G LAZNIEKS , Rudolf DE C ILLIA , Johan D E C ALUWE und Jannis H ARJUS und behandelt die innere Mehrsprachigkeit in der Schule. Dabei werden Situationen in der Deutschschweiz (Diglossie), Österreich (Schreibkompetenzen und Varietätengebrauch), Belgien (Varietätengebrauch in Flandern) und Spanien (Varietätengebrauch in Andalusien) beschrieben und analysiert, die alle die Sensibilisierung für 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 49 (2020) • Heft 1 einen flexiblen, situations- und gruppenspezifischen Sprachgebrauch befürworten. Der zweite Teil umfasst die nächsten 7 Beiträge, die sich alle eher mit der äußeren Mehrsprachigkeit in der Schule befassen (Sabrina C OLOMBO und Maria S TOPFNER , Südtirol; Ulrike J ESSNER und Kerstin M AYR -K EILER , Tirol; Kristine H ORNER und John B ELLAMY , Luxemburg; Phemelo K EWAGA - MANG , Botswana; Anna S CHNITZLER , Schweiz; Carmen K ONZETT -F IRTH , Österreich; Ute S MIT und Thomas F INKER , Österreich). Dabei stehen notwendige Veränderungen im Bereich der jeweiligen Bildungspolitik und Mehrsprachigkeitsdidaktik im Mittelpunkt. Es wird dabei jeweils anhand einer Fülle von Forschungsmethoden an die Thematik herangegangen. So werden für die empirische Datensammlung Fragebögen (zu Spracheinstellungen), Interviews/ Fokusgruppen, Klassenbeobachtungen und Videoaufnahmen eingesetzt, mit denen die Autor(inn)en die Konkretisierung der Bildungspolitik anhand der vorhandenen Didaktik im mehrsprachigen Unterricht in den Griff bekommen möchten. Die Beiträge 13 (Annemarie S AXALBER , Südtirol) und 14 (Angelika R EDDER , Deutschland) bilden zusammen den dritten Teil des Sammelbandes, weil sich beide an der Schnittstelle zwischen Schule und Universität befinden und somit „die Relevanz der Entwicklung institutionenübergreifender Sprachbildungskonzepte“ (S. 19) wie die „europäische Mehrsprachigkeit“ (R EDDER ) hervorheben. Die letzten 8 Beiträge rücken den tertiären Bildungsbereich in den Vordergrund und behandeln schwerpunktmäßig die äußere Mehrsprachigkeit. Eine Auseinandersetzung mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Fragen in der Lehrerausbildung findet sich in den Studien von Barbara H INGER und Katrin S CHMIDERER (Österreich), Wolfgang S TADLER (Österreich) sowie Andrea B OGNER und Jacqueline G UTJAHR (Deutschland). Sabine D ENGSCHERZ (Wien), Ulrike V OGL (Belgien), Adelheid H U (Luxemburg) und Rita F RANCESCHINI (Italien) beschreiben und analysieren die Einstellungen zum Sprachenlernen und zur Internationalisierung an der Universität. Der letzte Beitrag von Monika D ANNERER (Österreich) betont nochmals die Förderung der Integration aller Formen von Mehrsprachigkeit im Bildungswesen „im Sinne einer umfassenden Internationalisierung, zur Förderung der Nutzung sämtlicher verfügbarer sprachlicher Ressourcen“ (S. 21). Das Buch ist empfehlenswert für alle, die sich für die vielen Aspekte und Perspektiven des mehrsprachigen Unterrichts interessieren und mit Hilfe der dargestellten Fallstudien näher an die vielfältige Thematik herangehen möchten. Wie sich gezeigt hat, ist das Thema der „Mehrsprachigkeit in Bildungskontexten“ in diesem umfangreichen Sammelband tatsächlich sehr breit gefächert. So konnten Beiträge aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass es sich hier um einen Tagungsband handelt. Äußerst positiv an diesem Buch ist aber, dass sich die Autor(innen) sehr bemüht haben, konkrete und praxisbezogene Beispiele anzuführen. Die Theoriebildung in der Mehrsprachigkeitsforschung kommt nicht ohne empirische Forschung voranbzw. aus. Schade ist, dass einige Druckfehler stehengeblieben sind. Brüssel K ATJA L OCHTMAN Barbara S CHMENK , Stephan B REIDBACH , Lutz K ÜSTER (Hrsg.): Sloganization in Language Education Discourse. Conceptual Thinking in the Age of Academic Marketization. Bristol, UK: Multilingual Matters 2019, 178 Seiten [25,00 €] Dass Theorie und Praxis der Fremdsprachenforschung eine bestimmte Terminologie benötigen, ist unbestritten. Fachspezifische Phänomene können nur durch klare und gezielte Begriffe angemessen erfasst werden. Von einem konsequenten und klar definierten Gebrauch fach- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 spezifischer Terminologie kann in der Fremdsprachenforschung jedoch nicht die Rede sein. Mit dieser Thematik befasst sich der vorliegende Sammelband. Diese Tendenz in der Fachdisziplin, Termini inkonsequent, ohne Problematisierung und unzureichend definiert zu verwenden, bezeichnen die Herausgeber als „Sloganisierung“: „Sloganization is meant to denote a tendancy to use a range of popular terms in scholarship, policy papers, practical applications and curriculum development as if their meaning were obvious and shared across the globe“ (S. 4). Der Band vereinigt Beiträge zu einer 2014 an der Humboldt Universität zu Berlin abgehaltenen Tagung und wird durch einige neu hinzugekommene Untersuchungen ergänzt. In der Einleitung beschreiben die Herausgeber, wie sich die immer größere Rolle von Werbung und Markenbildung in der Gesellschaft auf die Fremdsprachenforschung auswirkt, indem Wissenschaftler, Institute und Forschungszentren die Relevanz ihrer wissenschaftlichen Arbeit stetig mehr nachweisen müssten. Eine Konsequenz dieser neuen akademischen Realität sei die Propagierung ‚modischer‘ Begriffe, die gesteigerte Aufmerksamkeit in der Fachöffentlichkeit versprechen und dem Produkt zu Verkaufserfolgen verhelfen. Einige Fachtermini seien zwar zunächst akkurat in die fremdsprachendidaktischen Diskurse eingeführt worden, hätten dann aber im Zuge ihrer Popularisierung vielfache Bedeutungserweiterungen erfahren und seien so Opfer des eigenen Erfolgs geworden. In einem solchen Fall, wenn der ursprüngliche Kontext und die genaue Definition eines Begriffs verloren gehen, wird der Begriff zu einem Slogan. Anhand des Beispiels „learner autonomy“ verdeutlichen die Herausgeber diesen Prozess der Dekontextualisierung und Idealisierung eines Begriffs. In den folgenden Kapiteln werden weitere Beispiele von Begriffen vorgestellt, die sich allmählich in Slogans verwandelten. Im ersten Beitrag „We innovators“ befasst sich D. G RAMLING mit einem Begriff, der in letzter Zeit im englischsprachigen Raum kaum häufiger verwendet wurde, um sich selbst, eine Einrichtung oder eine Leistung im positivsten Sinne zu charakterisieren: „innovation“. Durch seine gründlichen Recherchen der Begriffsverwendung arbeitet G RAMLING zentrale Eigenschaften von Slogans generell heraus. Zum einen werde ein Slogan so breit und allgemein gefasst, dass Gegenargumente schwer vorzubringen seien. Zum anderen könne ein Slogan eingesetzt werden, um bestimmte Gruppen, welche sich der vorgeschlagenen Innovation nicht anschließen, auszuschließen. Außerdem zeigt G RAMLING in einem historischen Rückblick, wie sich die Definition eines Begriffs im Zuge einer Sloganisierung verändert, denn bei dem Gebrauch eines Slogans in der akademischen Welt geht es nicht um wissenschaftliche Stringenz, sondern um Vermarktung. D. R ÖSLER bedauert in dem eigenwillig betitelten Beitrag „The only turn worth watching in the 20th century is Tina Turner’s: How the sloganization of foreign language research can impede the furthering of knowledge and make life difficult for practitioners“ die unnötige Tendenz in der Fremdsprachenforschung, die neueste Entwicklung im Fachgebiet als bahnbrechend zu bezeichnen und sie dadurch zu sloganisieren. Wie er anhand des Beispiels „Communicative Language Teaching“ ausführlich dokumentiert, sei immer versucht worden, diesen Ansatz von anderen methodisch-didaktischen Ansätzen wie z.B. „grammar translation method“ stark abzugrenzen, damit die Rede von einem Paradigmenwechsel sein konnte, obwohl die Unterschiede zwischen den Ansätzen nicht so dramatisch wie behauptet gewesen seien. Aus diesem Grund schlägt er vor, einen neuen Ansatz nicht als Paradigmenwechsel zu betrachten, sondern eher als Erweiterung. Außerdem müsse die Fremdsprachenforschung eine Metadiskussion über die Zeitpunkte führen, wenn Begriffe zu Slogans werden, um diese steigende Tendenz zu problematisieren. G. B ACH beklagt in „Slo(w)ganization. Against the constant need for re-inventing the discourse on language education: The case of ‚multiple intelligences‘“ die vereinfachte Übernahme von Begriffen aus anderen Fachbereichen und deren Anwendung als Slogans in der 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 49 (2020) • Heft 1 Fremdsprachenforschung, um sich mit ihnen zu schmücken. Diese Sloganisierung sieht B ACH als Konsequenz des raschen Wandels der globalisierten akademischen Welt, in der man sich als Akademiker immer öfter innerhalb des wissenschaftlichen Wettkampfs beweisen müsse. Der Begriff „multiple intelligences“ wird als Beispiel dieses Vorgangs detailliert vorgeführt. Was in der medizinischen Forschung entwickelt wurde, sei in der Fremdsprachenforschung übernommen worden, um individuelle Lernprozesse zu untersuchen, obwohl diese Prozesse anhand schon vorhandener Begriffe (z.B. „learning strategies“) präzise beschrieben werden konnten. Noch bedauerlicher sei der Mangel an empirischen Studien in der Fremdsprachenforschung, die die Theorien der „multiple intelligences“ im Hinblick auf deren Anwendung im Fremdsprachenunterricht untermauern. B. V IEBROCK berichtet in „Just another prefix? From interto transcultural foreign language learning and beyond“ von der Reduzierung, Vereinfachung und Ungenauigkeit, die die Sloganisierung der beiden Begriffe „interand transcultural learning“ kennzeichneten. Anhand der Wichtigkeit der beiden Begriffe in der Fremdsprachenforschung in den letzten 30 Jahren zeigt V IEBROCK in überzeugender Weise, wie die Begriffe in drei Bereichen des Fremdsprachenunterrichts unpräzise und zum Teil fehlerhaft definiert worden seien: in der Forschung, in der Sprachenpolitik und in der Praxis. Während die Sloganisierung von Termini einerseits zu bemängeln sei, besonders wenn es um zentrale Säulen eines Fachgebiets gehe, sei eine Vereinfachung schwer zu vermeiden. Die Begriffe seien in allen drei Bereichen relevant und signifikant, müssten aber anders behandelt und konzipiert werden. Deswegen müsse etwas Vereinfachung und sogar Sloganisierung erwartet werden, wenn damit Kommunikation zwischen den Bereichen ermöglicht werden kann. Im folgenden Beitrag „On common ‚exposure‘ and expert ‚input‘ in second language education and study abroad“ vergleicht J. P LEWS im Rückgriff auf R. Williams‘ (1985) Studie zu „keywords“ den Gebrauch von zwei thematisch-verwandten Begriffen „exposure“ und „input“. Während der Begriff „exposure“ schon länger existiere und auf intuitive Vorstellungen vom Zweitspracherwerb stoße, werde seit den 1980er Jahren der Begriff „input“ bevorzugt. Zunächst könne diese Bevorzugung auf den Einfluss von S. Krashens „input hypothesis“ zurückgeführt werden, aber auch nachdem Krashens Theorien in Frage gestellt wurden, habe sich der Begriff „input“ trotzdem durchgesetzt. Da der Begriff „input“ - anders als „exposure“ - mit einer Theorie verbunden war und sich dadurch etwas wissenschaftlicher anhörte, habe er sich dafür geeignet, in dem relativ neuen Fachgebiet Fremdsprachenforschung sloganisiert zu werden. D. B LOCK geht in „What on earth is ‚language commodification‘? “ diesem in der Soziolinguistik häufig verwendeten Begriff nach. Trotz der marxistischen Wurzeln des Begriffs werde dieser Ursprung im heutigen Gebrauch kaum erwähnt und demzufolge der Begriff in den meisten Fällen auch nicht marxistisch konzipiert, sondern wie bei den anderen Beispielen im Sammelband wird der Begriff oft ungenau oder ohne theoretischen Bezug definiert. Ob wegen dieser Ungenauigkeit „language commodification“ zu einem Slogan geworden sei, verneint B LOCK , denn es gehe nicht um die Markenbildung oder Vermarktung einer bestimmten wissenschaftlichen Agenda. Vielmehr nennt er den Begriff eher ein „buzzword“, was die Frage aufwirft, wie sich generell abwertende Bezeichnungen (wie z.B. auch „jargon“) von Slogans unterscheiden. A. P AVLENKO zeigt in „Superdiversity and why it isn’t: Reflections on terminological innovation and academic branding“ anhand einer ausführlichen Definition von Sloganisierung, warum der Begriff „superdiversity“ als Musterbeispiel eines Slogans zu sehen sei. Zunächst nennt sie drei Eigenschaften von erfolgreichen Slogans: Einfachheit, Wiederkennungswert und Emotionalität. Dann erklärt sie zehn weitere Kriterien für die effektive Markenbildung eines Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0013 Begriffs, d.h. dessen Sloganisierung. Im zweiten Teil des Beitrags wird sorgfältig vorgeführt, wie bei dem Begriff „superdiversity“ alle genannten Kriterien meisterhaft erfüllt werden. Angesichts der detaillierten Modellierung dieses Konzepts empfiehlt es sich für diejenigen, die von vornherein Wert auf eine ausführliche Definition von Slogans legen, diesen Beitrag einführend zum Buch lesen. In ihrem Rückblick auf die vorigen sieben Beiträge betonen die Herausgeber in „Sloganization: Yet another slogan? “ die zentrale Rolle einer kritischen Auseinandersetzung mit Begriffen und deren Sloganisierung in der Fremdsprachenforschung, denn ein Fachgebiet kann nicht auf Begriffen beruhen, die undefiniert oder inkonsequent verwendet werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es allen Beiträgen gelingt, den Leser an das Phänomen „Sloganisierung“ heranzuführen und es an konkreten Beispielen aus dem Forschungsfeld zu illustrieren. Als besonders gelungen einzustufen sind die sehr detaillierten historischen Überblicke zu jedem Begriff und ihrer Entwicklung zu einem Slogan. Der potenzielle Rezipientenkreis des Bandes umfasst alle an der Fremdsprachenforschung Beteiligten, denn der Umgang mit der fachlichen Terminologie bleibt ein Fundament von Wissenschaft. Das gilt besonders für ein Fachgebiet, das sich mit Sprachen, Formulierungen und Diskursen auseinandersetzt. Wien H IRAM M AXIM Heiner B ÖTTGER , Michaela S AMBANIS (Hrsg.): Focus on Evidence II - Netzwerke zwischen Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr Francke 2018, 278 Seiten [58 €] Der Band ist das Ergebnis einer zweiten Konferenz mit dem fast gleichnamigen Titel „Focus on Evidence - Fremdsprachendidaktik trifft Neurowissenschaften“, die 2017 in Berlin stattfand. Ziel sowohl der Tagung als auch der Publikation ist es, die Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften in konkrete Handlungsimpulse für den Fremdsprachenunterricht zu übertragen. Im Zentrum stehen dabei die Prozesse, die sich beim Lernen mithilfe neurowissenschaftlicher Verfahren „erkennen“ lassen, also beispielsweise die stärkere Aktivierung im Gehirn, wenn Wortschatz nicht nur in Form von ein- und zweisprachigen Verfahren und Bildern eingeführt wird, sondern ergänzend mit konkreten Aktivitäten verbunden ist. Diese Erkenntnisse, also evidenzbasierte Einsichten, sollen dann die Grundlage für didaktische Entscheidungen werden. Der Tagungsband ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil finden sich die Verschriftlichungen der vier Hauptvorträge - auf Deutsch verfasst - mit einer Zusammenfassung auf Englisch, die es dieser ermöglicht auch internationale Verbreitung zu finden. Es folgt ein kurzes Resümee der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion mit Fragen und Antworten. Der 2. Teil umfasst sogenannte „Transferbeiträge“, die von Teilnehmenden der Tagung verfasst wurden. Transfer bedeutet hier, dass die Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Studien (und konkret der Vorträge) der Fremdsprachendidaktik als Bezugswissenschaft bzw. direkt der Praxis des Lehrens und Lernens von Sprachen dienen können. Vor dem 1. Teil findet sich die Begrüßung von Michaela S AMBANIS . Es folgt die abgedruckte Rede des Schirmherren Carl H. H AHN (Schulgründer und ehemaliger VW- Vorstandschef), der die Schlüsselrolle des Bildungssystems thematisiert und für ein Umdenken in der frühkindlichen Bildung plädiert. Der 1. Teil beginnt mit Markus K IEFER („Verkörperte Kognition: Die Verankerung von Denken und Sprache in Wahrnehmungs- und Handlungserfahrung“), der zunächst das Konzept 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0013 49 (2020) • Heft 1 der Embodied Cognition skizziert. Ausgangspunkt des Konzepts ist, dass Wissen multimodal abgespeichert ist. Das Beispiel von K IEFER (S. 34) mag das verdeutlichen: Das Wissen, dass ein Hund vier Beine hat, ist in einem visuellen semantischen System in der Nähe des visuellen Kortizes abgespeichert; das Wissen, dass man einen Hund streicheln kann, in einem motorischen semantischen System in anatomischer Nähe der motorischen Kortizes. Begriffliches Wissen ist also in verschiedenen kortikalen Arealen modalitätsspezifisch gespeichert. Diese modalitätsspezifischen semantischen Netzwerke können mit bildgebenden Verfahren bestätigt werden. Ergänzt wird die Multimodalität um die Bereiche der Geräusche und der Gerüche. Seine Schlussfolgerungen: Erfahrungen mit dem Lerngegenstand in möglichst konkreten Situationen erleichtern das Lernen, so Lernen mit Bewegungen, an konkreten Objekten und in dialogischen Rollenspielen, vorzugsweise ein Aufenthalt im Zielland mit konkreten Interaktionserfahrungen. Der zweite Beitrag von Petra A. A RNDT („Schreiben mit der Hand: Wichtiger Beitrag zum Schriftspracherwerb oder veraltete Kulturtechnik? “) beschäftigt sich mit der Verankerung von Schrift im Gehirn. Wie im Titel formuliert, stellt sie sich die Frage, ob man nicht auf das Schreiben mit der Hand verzichten könnte. Aufgeführt werden nicht neurowissenschaftliche Studien, die belegen, dass Texte, die mit der Hand geschrieben werden, mehr komplexe Sätze mit einer höheren Textqualität und größerer Kohärenz aufweisen als solche Texte, die mit einer Tastatur verfasst wurden. Ebenfalls auf die Embodied Cognition zurückgreifend geht A RNDT davon aus, dass das Schreiben mit der Hand eine Repräsentation der einzelnen Buchstaben in den motorischen Arealen erzeugt, die die visuelle Repräsentation unterstützt. Durch das Schreiben entsteht eine Verbindung zwischen der visuellen Buchstabenerkennungsregion und den motorischen Arealen. Schreiben mit der Hand führt zu einer stärkeren Verankerung im Gehirn. Im dritten Beitrag von Sebastian J ENTSCHKE („Interaktion zwischen Sprache und Musik“) werden zunächst die relativ lange Forschungsgeschichte und die zentralen Fragestellungen zur Verknüpfung von Sprache und Musik resümiert. Heute besteht Einigkeit darüber, dass zumindest ähnliche (oder auch gemeinsame) neuronale, perzeptuelle und kognitive Prozesse bei der Verarbeitung von Musik und Sprache beteiligt sind. Drei Verarbeitungsbereiche werden hier fokussiert: (1) die Repräsentation akustischer Merkmale im auditorischen Hirnstamm (2) die Verarbeitung komplexer akustischer Merkmale wie Rhythmus oder Prosodie und (3) die Verarbeitung von Syntax. Da mit der Methode der Elektroenzephalographie (EEG/ engl. ERP) gearbeitet wird, wird kurz in diese eingeführt. Was zeigen die Studien, knapp zusammengefasst? Musiker(innen) haben Vorteile beim Erlernen der Aussprache; der Einsatz von Musik beim Lernen verbessert die phonologische Bewusstheit und die prosodischen Fähigkeiten. Der vierte Beitrag von Julia F ESTMANN („Von Psycholinguistik und Neurowissenschaften zum Umgang mit Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer“) resümiert zunächst die Befunde zu Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer. Im Bereich Psycholinguistik wird auf Codeswitching, die größeren kognitiven Anforderungen und den kognitiven Vorteil bilingualer oder mehrsprachiger Menschen eingegangen (wobei deren Heterogenität berücksichtigt wird). Neurowissenschaftlich wird zusammengefasst, dass die Lokalisation der Sprachen entweder vom Erwerbszeitpunkt oder dem Beherrschungsgrad abhängig ist, also auch eine später erlernte, aber gut beherrschte Zweitsprache überlappend mit der Erstsprache sein kann. Ihren Fokus legt F ESTMANN jedoch auf das Einbeziehen der Sprachen der Lernenden in den Unterricht, was eine Abwendung vom Postulat der Einsprachigkeit impliziert. Die Erstsprache übernimmt dabei die Funktion einer „Unterstützersprache“, weswegen die Sprachen der Lernenden gezielt in den Unterricht integriert werden sollten. Die insgesamt 15 Transferbeiträge lassen sich in Anlehnung an den ersten Teil grob in drei nicht konkret abgrenzbare Bereiche gliedern: (a) Embodied Cognition (b) Wortschatzerwerb und Vokabellernen und (c) Sprachenlernen und Musik. Dabei sind die Beiträge alphabetisch Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0014 und nicht thematisch angeordnet und entweder auf Deutsch oder Englisch verfasst. Hier möchte ich lediglich auf den Bereich der Embodied Cognition und das Wortschatzlernen eingehen. Der Beitrag von Anna B ITMANN beispielsweise verbindet den Bereich des Wortschatzlernens mit dem der Embodied Cognition und zeigt die deutlich größere Aktivierung im Gehirn, wenn Wortschatz mit Gestik gelernt wird. In diesem Bereich liegen bereits einige Studien mit bildgebenden Verfahren vor. Mithilfe der Visualisierung der Gehirnregionen, die beim Abrufen von Wörtern aktiviert werden, wird deutlich, dass Wörter mit visuellen, auditiven, olfaktorischen und taktilen Informationen gespeichert werden. Vokabeln wie „aufheben“ oder „treten“ aktivieren beispielsweise zum einen den Bereich, in dem die Vokabeln abgespeichert sind, aber auch den motorischen Bereich, der aktiv ist, wenn die jeweiligen Körperteile tatsächlich aktiviert werden. Man geht also davon aus, dass ein „nur“ akustisch gelerntes Wort über ein weniger tiefes Netz verfügt als ein Wort, das mit verschiedenen sensorischen Modalitäten gespeichert wurde. Auch Matthias H UTZ resümiert die Embodied Cognition als „Verfahren“, mit dem man Wortschatz besser abspeichern kann, wenn Wörter mit Sinneserfahrungen, Emotionen oder körperlichen Erfahrungen verknüpft sind. Er plädiert konkret für den Einsatz sensomotorischer Vermittlungsstrategien (u.a. visuelle Stimuli, Realien, Bewegungslieder) im Fremdsprachenunterricht und gibt Praxisbeispiele. Dabei ist der Einsatz multimodaler Wortschatzverfahren keineswegs neu - mithilfe bildgebender Verfahren kann nun aber bestätigt werden, dass Informationen, inklusive Wortschatz, wenn multimodal oder multisensorisch dargeboten, mehr Prozesse im Gehirn aktiviert. Die Studien zeigen auch, dass die Behaltensleistung durch den Einsatz von Gestik und Bildern signifikant größer ist als bei rein visueller oder auch audio-visueller Darbietung. Das Buch bietet eine Vielfalt an Studien und konkreten Vorschlägen, die sich aus neurowissenschaftlicher Forschung für den Fremdsprachenunterricht ableiten lassen. Jeder Artikel kann für sich alleine gelesen werden, trotzdem werden die Bezüge zwischen den einzelnen Artikeln durch die Autoren hergestellt. Was macht dieses Buch so besonders? In G REIN (2013) 1 wurde der Versuch einer Verknüpfung der Bereiche Neurowissenschaften und Fremdsprachenunterricht angestrebt, erhielt jedoch neben viel positiver Rückmeldung auch viele kritische Kommentare zum umstrittenen Bereich der „Gehirnforschung“ und deren Relevanz für das Fremdsprachenlernen. Dieser Kritik kann man genau mit dem evidenzbasierten Ansatz des Buches entgegenwirken. Das Buch ist sowohl für die Fremdsprachendidaktik als auch die Neurowissenschaften ein Gewinn: Die Fremdsprachendidaktik kann Vieles, was man bisher durch Beobachtung „erahnte“, nun neurowissenschaftlich begründen und die Neurowissenschaften können ihre praxisorientierte Ausrichtung deutlich machen. Mainz M ARION G REIN Tim G IESLER : Die Formation des institutionellen Englischunterrichts. Englisch als erste Fremdsprache in Bremen (1855-1873). Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2018, 261 Seiten [34,50€] Die Historiografie des Fremdsprachenunterrichts ist kein Forschungszweig, der sich durch viele Neuerscheinungen auszeichnet. Auch bei den wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten sind historische Untersuchungen leider sehr selten. Umso erfreulicher ist es, dass mit der an der 1 Marion G REIN : Neurodidaktik. Grundlagen für Sprachkursleitende. München: Hueber 2013. 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0014 49 (2020) • Heft 1 Universität Bremen entstandenen Doktorarbeit von Tim G IESLER eine gründliche Studie zum Englischunterricht in einem bislang in der Forschung vernachlässigten geografischen Kontext, nämlich der freien Reichsstadt Bremen, für die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts vorliegt. Der Titel des Buches weckt große Erwartungen, denn der Begriff „Formation“ suggeriert den Beginn der Etablierung von Englischunterricht in Bremen sozusagen als Pionierleistung für den deutschsprachigen Raum. In der Tat sind Entwicklungen in verschiedenen Regionen bislang in der historischen Forschung weniger in den Blick genommen worden als die in Preußen, die quasi als prototypisch und führend angesehen werden. Es ist daher zu begrüßen, dass der Fremdsprachenunterricht in Bremen hier im Mittelpunkt steht. Historische Forschung basiert auf Quellen; je umfangreicher, vielfältiger und zuverlässiger diese Quellen sind, desto besser sind Entwicklungen und Gegebenheiten nachvollziehbar und ist deren Darstellung belegbar. G IESLER stieß nach eigener Aussage auf eine „archivalische ‚Goldader‘“ (S. 2), nämlich die im Staatsarchiv Bremen gesammelt vorliegenden „Mittheilungen aus der Bürger-/ Realschule“, einem von 1861 bis 1878 monatlich vom Schulleiter der Anstalt herausgegebenen und an die Eltern der Schüler gerichteten Mitteilungsblatt, in dem Schul- und Unterrichtskonzept durch die Lehrer erläutert werden. Damit liegen für einen Zeitraum von anderthalb Jahrzehnten detailliertere praxisnahe Quellen zum Englischunterricht vor, als die historische Forschung sie üblicherweise zur Verfügung hat. Seiner Schlussfolgerung, dass anhand dieser Quellengattung „eine deutlich genauere Rekonstruktion des tatsächlichen Unterrichtsgeschehens“ (S. 241) möglich sei als mit anderen Quellentypen, kann mit Vorbehalt zugestimmt werden. Allerdings sind auch Berichte, die Lehrer zu eigenem Unterricht für die Eltern ihrer Schüler in einer offiziellen Schulbroschüre verfassen, vermutlich nicht ganz frei von Rechtfertigung oder Beschönigung. Historische Forschung kann sich somit den realen Verhältnissen in den Klassenzimmern vergangener Zeiten immer nur annähern. Die vorliegende Studie besteht aus einer Einleitung, drei großen Kapiteln, die die Entwicklung der Realanstalten, den lokalen Kontext und schließlich den Englischunterricht an den bremischen Real- und Bürgerschulen behandeln. Zwei die Grunderkenntnisse resümierende und theoretisierende kurze Kapitel schließen die Arbeit ab. In der Einleitung erörtert der Verfasser seinen methodischen und theoretischen Zugriff. Dabei geht er zunächst auf sein Quellenkorpus ein und bekräftigt die Aussagepotenz der „Mittheilungen aus der Bürger-/ Realschule“, die insgesamt elf Beiträge zum Fremdsprachenunterricht enthalten. Damit ist die Quellenlage für diese Bremer Schule in den 1860er und 1870er Jahren ausgesprochen gut. Was den theoretischen Ansatz betrifft, so entscheidet sich G IESLER im Gegensatz zu anderen fremdsprachendidaktischen historiographischen Arbeiten des letzten Jahrzehnts gegen ein ideengeschichtliches oder diskursanalytisches Vorgehen. Wichtig ist ihm ein Blick auf die langfristigen Entwicklungen, in die die lokalen, zeitlich begrenzten Erscheinungen eingebettet sind. Diese werden auf der Basis der zehn von Scott T HORNBURY (2011) konstatierten methodischen Dimensionen des Fremdsprachenunterrichts im abschließenden Kapitel knapp analysiert. Sein Erkenntnisinteresse gilt dabei sowohl der Stellung des bremischen Realschul-Englischunterrichts im genannten Zeitraum innerhalb einer längeren Tradition als auch Brüchen oder Paradigmenwechseln (S. 13). Das erste große Kapitel (S. 15-107) schildert zunächst die Entstehung und Entwicklung der Real- und Bürgerschulen, die von Anbeginn an dem Gebot der Nützlichkeit schulischen Lernens für das spätere Leben gehorchten und so „die Antwort auf die ökonomisch-sozialen Herausforderungen der Neuzeit“ (S. 17) darstellten, indem sie verstärkt die Realien, d.h. Mathematik, Naturwissenschaften und moderne Sprachen im Lehrplan berücksichtigten, also Gegenstände, die für zukünftige Kaufleute von großer Bedeutung waren. In Teilkapiteln, die nicht alle chronologisch vorgehen, werden zunächst frühe Formen der Realschule, so die von H ECKER Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0014 1747 in Berlin gegründete, daneben Handelsschulen und die Philanthropine vorgestellt. Sodann geht G IESLER auf die geistigen Wurzeln des Schulunterrichts und der Sprachvermittlung ein und springt von den Neusprachenreformern des späten 19. Jahrhunderts (S. 28) zurück zum Protestantismus und zu R ATKE (1571-1635), zu C OMENIUS (1592-1670) und zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts (S. 34-38) mit dem Schulkonzept des Philanthropismus. Die Entwicklungen in Preußen (S. 41-49) im Hinblick auf das Verhältnis von humanistischer und realer Bildung und auf die Diskussionen um die Schulsprachen und deren Sprachenfolge dienen als backdrop für den bremischen Sonderweg. Ein weiteres Teilkapitel widmet sich der Entwicklung des neusprachlichen Unterrichts und rekurriert dabei an vielen Stellen auf das bereits zur Schulentwicklung der Realanstalten Gesagte. Hier ergibt sich ein gewisses iteratives Moment. Ein Wurzelstrang der Entwicklung des Englischunterrichts an den Realschulen im 19. Jahrhundert liegt in den Handelsschulen des 18. Jahrhunderts, deren Konzept von Fremdsprachenunterricht G IESLER vor allem auf der Basis der Studie von D IETZE (1927) mit zahlreichen Zitaten anschaulich erläutert. An den Handelsschulen fand die Vermittlung des Englischen oder Französischen zuweilen auch in Form von Realsprachunterricht statt, der den gleichzeitigen Erwerb von sprachlichen Fertigkeiten und Sachkenntnissen vorsah - ein Konzept, das bereits damals eine Tradition besaß und heute wieder Konjunktur hat. Es verwundert ein wenig, wenn G IESLER , der zu Recht Darstellungen der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts als Abfolge von unterschiedlichen, gleich gewichteten Methoden kritisiert, wie sie in Monografien und Handbuchartikeln leider nicht selten sind, sich etwa bei der Erörterung der Varianten der Grammatik-Übersetzung-Methode ausgerechnet auf Literatur stützt, die diesen Ansatz verkörpert. Seine Ausführungen in diesem Kapitel zur Entwicklung von Schule und Fremdsprachenunterricht basieren im Kern auf einer relativ kleinen Zahl von Überblickswerken, aus denen lange Zitate entnommen sind. Auch leicht zugängliche Quellen, wie etwa die Hauptthesen der Neusprachlichen Reformbewegung oder die Äußerungen zur Ausbildung der Fremdsprachenlehrer etwa bei H ERRIG oder M AGER , werden nicht direkt zitiert, sondern als Paraphrase aus der Sekundärliteratur übernommen. Völlig unbeachtet bleibt die Zeitschriftenliteratur des 19. Jahrhunderts als Quellengattung. Das zweite große Kapitel (S. 108-163) liefert den Kontext für die dann im dritten Kapitel folgende fremdsprachendidaktische Detailstudie, nämlich die Beschreibung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage in Bremen im Untersuchungszeitraum. G IESLER zeichnet ein überzeugendes Bild einer protestantisch geprägten, international anschlussfähigen, selbstbewussten Handelsmetropole, die insbesondere zu den USA enge Beziehungen pflegte, was sich in der hohen Nachfrage nach Englischunterricht an den Realanstalten spiegelte. Diesen Kontext muss man für ein tieferes Verständnis von bildungspolitischen und fremdsprachendidaktischen Entwicklungen kennen. Daher liegt in diesem Kapitel auch der Schlüssel zu Wertung und Einschätzung der spezifisch bremischen Erscheinungsformen des Englischunterrichts und der bremischen Englischlehrer. Diese werden in Werdegang und Tätigkeitsspektrum beschrieben, so dass man einen guten Eindruck von dem gewinnt, was den Englischlehrern bei ihrer Tätigkeit wichtig war. Anders als heute waren viele in der Neuphilologie promoviert und hatten Lehrerstellen in unterschiedlichen Gegenden und an verschiedenen Schultypen inne, bevor sie nach Bremen kamen. Fast alle traten als Autoren von Lehrmaterialien hervor und hatten (längere) Zeit in England oder Irland verbracht. Diese Lehrer gestalteten den Unterricht in Englisch als Fremdsprache an den bremischen Bürger- und Realschulen nach eigenen Angaben in einer Art und Weise, die nicht dem Mainstream der damaligen Zeit entsprach, da auch die Ziele, die in Bremen für den Fremdsprachenunterricht definiert wurden, stärker die sprachlichen Fertigkeiten, insbesondere das Spre- 146 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0014 49 (2020) • Heft 1 chen, als die Kenntnis der grammatischen Regeln und der Literatur fokussierten (dazu das dritte Kapitel, S. 164-222). Für zwei Phasen - die Zeit bis ca. 1867 und ab 1868 - berichtet G IESLER jeweils über die Aspekte: Sprachenfolge, Sprechfertigkeiten, Grammatik und englische Geographie und Geschichte (als Unterrichtsgegenstand) im Englischunterricht u.a. auf der Grundlage der erwähnten monatlichen Mitteilungen an die Eltern. Das differenzierte Bild, das hier gezeichnet wird, umfasst neben vielen aufschlussreichen und zum Teil auch überraschenden Einzelbefunden für die frühere Phase (bis 1867), wie etwa der Unterrichtsführung in der Fremdsprache (S. 172), der Betonung des Ausspracheunterrichts (S. 173) oder der induktiven Erarbeitung der Grammatik (z.B. S. 183) auch zeitgenössisch ubiquitäre Züge. Insgesamt passt sich der Fremdsprachenunterricht nach 1868 den in Preußen üblichen Zielen und Verfahren an, reduziert die Einübung praktischer Sprachfertigkeiten und gibt der formalen Bildung mehr Raum. In den beiden abschließenden Kapiteln versucht Tim G IESLER die zwei Jahrzehnte des Bremer Englischunterrichts (1855-1873) mit der Theorie der Grammatik der Schulentwicklung von T YACK / T OBIN (1994) zu erklären, die allerdings für die in Amerika später einsetzende Schulentwicklung konzipiert wurde. Warum keine der zahlreichen Schulentwicklungstheorien aus der europäischen bildungshistorischen Forschung herangezogen werden, bleibt offen. Schule als formbares System unterliegt einerseits gewissen Zwängen und Beharrungstendenzen, sie ist andererseits von innen und außen gestaltbar. Insofern ließe sich die Bremer Bürger- und Realschule in den hier im Zentrum stehenden beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sowohl auf der Basis einer empirisch-analytischen als auch einer normativ orientierten Schultheorie analysieren. Die Studie von Tim G IESLER bereichert unser Wissen um die Vergangenheit des Englischunterrichts vor allem durch den genauen Blick auf den Unterricht an einem Ort (Bremen), in einer Schulform (Real-/ Bürgerschule) und in einem klar begrenzten Zeitraum durch die Auswertung eines höchst aufschlussreichen Quellenkorpus. Darin liegt der hohe Wert dieser Arbeit. G IESLERS zuweilen pointierte Wertungen liefern zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung und fachlichen Diskurs. Das betrifft etwa seine Geringschätzung der neusprachlichen Reformbewegung (z.B. S. 53, 55, 57), die pauschale Charakterisierung der Kulturkundebewegung (S. 187) oder auch die Wahl des Titels. - Handelt es sich bei einer nur wenige Jahre bestehenden Realisierung von Englischunterricht als erster Fremdsprache bereits um die Formation dieses Faches? Für diejenigen, die die großen Linien der Schulentwicklung und der pädagogischen Diskurse kennen, ergibt sich in dieser Arbeit ein facettenreiches Bild einer Sonderentwicklung in Bremen über einen kurzen Zeitraum, das allgemeine Annahmen und Urteile zum Fremdsprachenunterricht im 19. Jahrhundert modifiziert. Für Leserinnen und Leser jedoch, die wenig Vorkenntnisse in der Bildungsgeschichte besitzen, dürfte das muntere Hin- und Herspringen in den Jahrhunderten im ersten Kapitel, wobei die jeweiligen historischen Kontexte nur gestreift werden, etwas verwirrend wirken. Zudem setzen die längeren einleitenden Passagen zu einigen Teilkapiteln zuweilen Kenntnis der folgenden Darstellungen voraus, wenn man die pointierten Urteile richtig einordnen möchte. Die beiden Kapitel zu Bremen jedoch versöhnen durch differenzierte und klare Darstellung. Für alle, die Interesse an der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts haben und wissen, dass viele der heute als innovativ beworbenen Konzepte historische Vorläufer besitzen, ist dies ein Buch, das es sich lohnt zu lesen. München Friederike K LIPPEL 49 (2020) • Heft 1 Hinweis in eigener Sache Im Zuge eines schrittweisen Generationswechsels in der Herausgeberschaft der Zeitschrift verlässt C LAUS G NUTZMANN (TU Braunschweig) mit Beginn des Jahres 2020 nach fünfzehnjähriger verdienstvoller Tätigkeit das Leitungsgremium. B RITTA V IEBROCK (Goethe Universität Frankfurt) folgt ihm in dieser Position nach. Wir danken Claus Gnutzmann sehr herzlich für sein engagiertes Wirken, das die Zeitschrift in den zurückliegenden Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Gleichzeitig freuen wir uns auf die künftige Zusammenarbeit mit seiner Nachfolgerin. Vorschau auf Jahrgang 49.2 (2020) Der von Isabelle M ORDELLET -R OGGENBUCK (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Julia S ETTINIERI (Universität Paderborn) koordinierte Themenschwerpunkt für Jahrgang 49.2 (2020) trägt den Titel Aussprache lehren, lernen und evaluieren. Der Bereich der Aussprache gilt in der Fremdsprachenforschung traditionell als besonders herausfordernd, und zwar sowohl in Bezug auf den Erwerb als auch auf die Vermittlung. Häufig hört man auch von Lehrenden, dass es ihnen unangenehm sei, die Aussprache ihrer Lernenden zu korrigieren, oder dass ihnen Aussprachekorrekturen wenig effektiv erschienen und/ oder sie sich unzureichend ausgebildet fühlten. Lernende auf der anderen Seite können unter einem Akzent durchaus leiden, da er nicht nur auf die Verständlichkeit von Äußerungen, sondern auch auf deren soziale Evaluation Auswirkungen haben kann. Gleichwohl gilt Ausspracheschulung immer schon als ein Kernbereich von Sprachpraxis, dem teilweise, insbesondere in der Erwachsenenbildung, sogar ganze Vorkurse gewidmet werden, da der Aussprachekompetenz eine hohe Relevanz für eine gelingende Kommunikation und damit für den Spracherwerb insgesamt zugeschrieben wird. Seit der Einführung der gestuften Studienstrukturen Bachelor und Master in Verbindung mit einer zunehmenden Professionalisierung der Lehrerbildung haben theoretische und praktische Phonetikkurse außerdem auch vielerorts Eingang in die Sprachpraxis-Module der universitären Ausbildung im Lehramt moderner Fremdsprachen gefunden. Zusammenfassend wird deutlich, dass das Lehren, Lernen und Evaluieren von Aussprache ein komplexes Forschungsfeld aufspannt, innerhalb dessen insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten in den Fremdsprachenphilologien ganz unterschiedliche Theorien sowie didaktische Herangehensweisen entwickelt worden sind. Nicht jeder dieser Ansätze ist jedoch auch bereits belastbar empirisch fundiert. Ziel dieses Themenhefts ist es daher, einen Beitrag dazu zu leisten, unterschiedliche in Lehre und Forschung im Bereich Ausspracheerwerb und -didaktik relevante Ansätze, Instrumente und Materialien datenbasiert einer Evaluation zu unterziehen, um so perspektivisch einen Beitrag zu einer zunehmend stärker evidenzbasierten Ausspracheschulung zu leisten. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für die folgenden Beiträge vor: Isabelle M ORDELLET -R OGGENBUCK (Pädagogische Hochschule Freiburg), Julia S ETTINIERI (Universität Paderborn): Zur Einführung in den Themenschwerpunkt I n f o • V o r s c h a u 148 Info • Vorschau 49 (2020) • Heft 1 Isabelle D ARCY , Brian R OCCA , Zoie H ANCOCK (Indiana University), Seung Suk L EE (University of Massachusetts): Do individual differences in stress perception and in selective attention relate to comprehensibility improvements after pronunciation instruction? Grit M EHLHORN (Universität Leipzig): Anbahnung von Diagnosekompetenzen zur Aussprache durch individuelle Sprachlernberatung in der Fremdsprachenlehrerausbildung Mareike M ÜLLER , Julia S ETTINIERI (Universität Paderborn): Evaluative Reaktionen auf einen L2-Akzent aus Sicht von Sprecher*innen Daniel R EIMANN (Universität Duisburg-Essen): Aussprache im Unterricht des Spanischen und Italienischen: Spezifika, beliefs von Lehrkräften und Anregungen für die Praxis Michaela S AMBANIS (Freie Universität Berlin): Embodied Learning im Kontext von Aussprache Kathrin W ILD (Universität Bielefeld): „Von guten Aussprachelernenden lernen“ oder „The good pronunciation learner“ Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 50.1 (2021) Bilingualer Unterricht. Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen (koordiniert von B ÄRBEL D IEHR und D OMINIK R UMLICH ) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgeber: Lutz Küster (Berlin) · Karen Schramm (Wien) · Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Lutz Küster, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin, eMail: lutz.kuester@ rz.hu-berlin.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Stephan Breidbach (Berlin) · Eva Burwitz- Melzer (Gießen) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Daniela Elsner (Frankfurt) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Laurenz Volkmann (Jena) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 62,- (print) bzw. € 72,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 46,-, das Einzelheft € 36,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1994 - 2019) 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) 26 (1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) 28 (1999): Neue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) 30 (2001): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): `` Neokommunikativer AA Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von C. Gnutzmann, F.G. Königs und L. Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung, koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt Beiträge zu Forschung und Unterricht aus allen für den Fremdsprachenunterricht relevanten Bereichen sowie zum Fremdsprachenlehren/ -lernen im Ausland. Grundlage für jeden Beitrag sollte eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung mit unmittelbarer oder mittelbarer Relevanz des Gegenstandes für die fremdsprachenunterrichtliche Tätigkeit an der Hochschule sein. Beiträge, die den schulischen Fremdsprachenunterricht zusätzlich zur Reflexionsgröße erheben, sind gleichermaßen willkommen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. 2020-1_Umschlag.indd 4-6 2020-1_Umschlag.indd 4-6 20.02.2020 09: 58: 59 20.02.2020 09: 58: 59 10,2 ISSN 0932-6936 www.narr.digital www.narr.de Themenschwerpunkt: Fremdsprachliches Schreiben H ans P. K rings Zur Einführung in den Themenschwerpunkt. Wo steht die Forschung und was folgt aus ihr für die Vermittlung fremdsprachlicher Schreibkompetenz? .................... 3 E stHEr O dilia B rEuEr Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache ......................................... 21 M ariE C Hristin r EiCHErt , n iCOlE M arx Mehrsprachige Schreibende - mehrsprachiges Schreiben? .................................. 36 B Ernd t EsCH Formen und Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht ................... 51 r aPHaEla P OrsCH Fremdsprachliches Schreiben in der Schule lehren .............................................. 67 J ulia H üttnEr , a ngEliKa r iEdEr -B ünEMann Growing into Academic L2 Writing. Perceptions, Practices and Challenges of Student Authors ........................................................................................... 83 C laudia H arsCH Schreibkompetenz beurteilen und rückmelden .................................................... 99 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 49. Jahrgang (2020) · 1 Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Lutz Küster, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Fremdsprachliches Schreiben koordiniert von Hans P. Krings FLuL 49. Jahrgang (2020) · 1 2020-1_Umschlag.indd 1-3 2020-1_Umschlag.indd 1-3 20.02.2020 09: 58: 59 20.02.2020 09: 58: 59