Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2022
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Gnutzmann Küster SchrammFremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Lutz Küster, Birgit Schädlich, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung koordiniert von Dagmar Abendroth-Timmer und Britta Viebrock FLuL 51. Jahrgang · 2 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgegeben von: Lutz Küster (Berlin) · Birgit Schädlich (Göttingen) Karen Schramm (Wien) · Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Lutz Küster, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin, eMail: lutz.kuester@ rz.hu-berlin.de Prof. Dr. Birgit Schädlich, Georg-August-Universität Göttingen, Philosophische Fakultät, Humboldtallee 19, 37073 Göttingen, eMail: birgit.schaedlich@phil.uni-goettingen.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Stephan Breidbach (Berlin) · Eva Burwitz- Melzer (Gießen) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Daniela Elsner (Frankfurt) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Laurenz Volkmann (Jena) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 65,- (print) bzw. € 76,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 46,- (print), das Einzelheft € 38,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2022 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISBN 978-3-8233-1201-7 · ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG (Fortsetzung umseitig) Themenschwerpunkt: Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive Koordination: D AGMAR A BENDROTH -T IMMER , B RITTA V IEBROCK D AGMAR A BENDROTH -T IMMER , B RITTA V IEBROCK Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ....................................................... 3 B RITTA V IEBROCK , G ABRIELA M EIER , R ANDA AIS ABAHI DISSECTing multilingual research in the field of language education: a framework for researcher development ............................................................ 10 K ATJA L OCHTMAN Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study .......................................................................................................... 26 C ONSTANZE B RADLAW , B RITTA H UFEISEN , S TEFANIE N ÖLLE -B ECKER Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit im Kontext der Internationalisierung deutscher Hochschulen ..................................................................... 38 D AVID S OLER O RTÍNEZ , C ATERINA S UGRANYES E RNEST Understanding the plurilingual researcher in context .......................................... 53 C HRISTIAN K OCH Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen. Vorschläge zur Transkription mündlicher Sprachdaten in der Fremdsprachenforschung ............ 68 G RIT M EHLHORN Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung am Beispiel eines longitudinalen Verbundprojekts mit bilingualen Jugendlichen ......................................................................................................... 85 51. Jahrgang • Heft 2 Herausgegeben von: Lutz K ÜSTER (Berlin), Birgit S CHÄDLICH (Göttingen), Karen S CHRAMM (Wien), Britta V IEBROCK (Frankfurt) © 2022 Narr Francke Attempto Verlag Internet: www.narr.de/ linguistik/ zeitschriften/ flul/ 51 • Heft 2 Nicht-thematischer Teil S ILVIA F RANK S CHMID , N IKOLA M AYER Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe. Eine Good Practice-Studie wie heterogene Englischlernende bilinguale Module in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten für ihr Lernen nutzen ......... 102 P r o u n d C o ntr a : W e ni g e r Ko mp e t e n z, me hr Re s o na n z 120 Be sprechunge n Anna Katharina S CHNELL : Schreibprozesse und Schreibentwicklung in der Fremdsprache. Eine empirische Untersuchung zum L2-Schreiben von Französischstudierenden. Berlin [etc.]: Lang 2020 (M ARLENE A UFGEBAUER ) ........................................................... 122 Sarah D IETRICH -G RAPPIN : Mehrsprachigkeit als Bildungsziel im schulischen Tertiärspachenunterricht. Transferbasierte Kommunikationsstrategien im Kontext von spontaner Mündlichkeit und Zwei-Sprachen-Aufgaben. Trier: WVT 2020 (C ARMEN K ONZETT - F IRTH ) ................................................................................................................................ 125 Giuseppe M ANNO , Mirjam E GLI C UENAT , Christine L E P APE R ACINE , Christian B RÜH - WILER (Hrsg.): Schulischer Mehrspracherwerb am Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I. Münster: Waxmann 2020 (J ÜRGEN M ERTENS ) ........................................ 127 Michael T HOMAS , Christel S CHNEIDER : Language Teaching with Video-Based Technologies. London: Routledge 2020 (M ANUELA W IPPERFÜRTH ) .................................. 130 Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT : Fremdsprachliches Lesen mit literarischen Texten: Zur Entwicklung von Leseverstehen und literarischer Kompetenz im DaF-Unterricht der niederländischen Sekundarstufe I. Berlin: Erich Schmidt 2020 (C AROLA S URKAMP ) ....... 132 David G ERLACH : Kritische Fremdsprachendidaktik. Grundlagen, Ziele, Beispiele. Tübingen: Narr 2020 (L UTZ K ÜSTER ) ................................................................................ 135 Andreas B ONNET , Uwe H ERICKS : Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Empirische Studien zur (Un-)Möglichkeit fremdsprachlicher Bildung in der Prüfungsschule. Tübingen: Narr Francke Attempto 2020 (P ETRA K NORR ) .................................................. 137 Vorschau 141 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 D AGMAR A BENDROTH -T IMMER , B RITTA V IEBROCK * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit, individuelle Plurilingualität und deren Bedeutung für Schule und Unterricht haben sich als zentrale Themen der fremdsprachendidaktischen Forschung etabliert. Dies ist zum einen Forschung zu Spracherwerbsprozessen von Lernenden verbunden mit Entwürfen von mehrsprachigkeitsdidaktischen Bildungsangeboten (Interkomprehension, Tertiärsprachen, Gesamtsprachencurriculum, CLIL etc.) und ihrer möglichen Wirkung. Zum anderen sind Einstellungen von Lehrenden und Lernenden zu Mehrsprachigkeit Gegenstand von Forschung und von Tragweite für bildungs- und gesellschaftspolitische Empfehlungen. Die Beiträge des vorliegenden Themenschwerpunkts gehen über diese Dimension der Konzepte zu Mehrsprachigkeit, Mehrsprachigkeitsdidaktik und die damit verbundenen Forschungsergebnisse (siehe dazu F ÄCKE / M EIßNER 2019) hinaus und begreifen Mehrsprachigkeit als Forschungsmodus. Sie befassen sich mit der übergeordneten Analyse der theoretischen und methodologischen Herausforderungen von Forschung über Mehrsprachigkeit und Forschung in mehrsprachigen, häufig internationalen Zusammenhängen sowie Forschung mit mehrsprachigen Forschungspartner: innen. Während Mehrsprachigkeit als Forschungsthema regelmäßig Gegenstand von Überlegungen ist, wurde es als Forschungsressource selbst bisher nur selten reflektiert (vgl. aber G ANASSIN / H OLMES 2013; H OLMES et al. 2013; P HIPPS 2013; C URRY / L ILLIS 2014; H OLMES et al. 2016, A NDREWS et al. 2018). Betrachtet werden auch plurilinguale Forscher: innen in mehrsprachigen Forschungsteams und die Frage, wie diese * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Dagmar A BENDROTH -T IMMER , Universität Siegen, Romanisches Seminar, Adolf-Reichwein-Str. 2, 57076 S IEGEN E-Mail: abendroth@romanistik.uni-siegen.de Arbeitsbereiche: Didaktik der französischen und spanischen Sprache und Kultur, mehrsprachige-mehrkulturelle Bildung, reflexive Lehrkräftebildung, virtuelle Lernumgebungen, Motivation, Handlungsorientierung und Dramapädagogik. Prof. Dr. Britta V IEBROCK , Goethe-Universität Frankfurt/ Main, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 F RANKFURT / M. E-Mail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Arbeitsbereiche: Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Lehrkräfteprofessionalisierung, Forschungsethik, Filmbildung im Fremdsprachenunterricht. Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive 4 Dagmar Abendroth-Timmer, Britta Viebrock DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 51 • Heft 2 ihre individuellen sprachlichen Ressourcen in ihrer Forschung über Mehrsprachigkeit nutzen. Mit Blick auf Forschung über Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeit als Forschungsmodus stellt sich eine Reihe von Fragen, die zum einen praktische Entscheidungen betreffen, zum anderen aber auch ganz grundlegende Überlegungen berühren. Im Hinblick auf die Arbeit mit mehrsprachigen Forschungspartner: innen ist beispielsweise Folgendes zu überlegen: • Welche Sprachbegriffe liegen dem Forschungsprojekt zugrunde, das selbst Mehrsprachigkeit als Thema in den Blick nimmt, und wie werden diese Sprachbegriffe offengelegt? • Welchen Einfluss haben die Sprachbegriffe auf das Forschungsdesign? D.h. in welchen Sprachen wird der Forschungsprozess durchlaufen, in welchen Sprachen werden Forschungsinstrumente entwickelt und Daten erhoben und welche Entscheidungen liegen dem zugrunde? • Welche Rolle spielt der gesellschaftliche und institutionelle (mehrsprachige/ monolinguale) Rahmen für die Generierung möglicherweise stark kontextualisierter Forschungsthemen sowie die Auswahl der Forschungsinstrumente? Fremdsprachendidaktische Forschung erfolgt zunehmend in größeren internationalen Forschungsverbünden, wobei die einzelnen Partner: innen in ihre spezifischen institutionellen Kontexte eingebunden sind, aber gemeinsam im Prozess eines Projektes eine eigene Forschungspraxis entwerfen. Dazu ist eine Diskussion über das Verständnis von Konzepten, die Abläufe im Forschungsprozess, geeignete Forschungsinstrumente und Publikationsorgane erforderlich. Hier müssen sich internationale Forschungsteams mit nachstehenden Fragen auseinandersetzen: • Welche eventuell unterschiedlichen Sprachbegriffe und Begriffe von Mehrsprachigkeit werden international diskutiert und welche Entwicklungsperspektiven ergeben sich dann aus einer internationalen Kooperation? • Welche unterschiedlichen kontextuellen Forschungserfordernisse und Forschungsschwerpunkte und welche gesellschaftlichen oder institutionellen Rahmungen von Forschung gibt es, die möglicherweise eine Kooperation erschweren oder ein additives Vorgehen erfordern? • Wie wird in der Analyse von mehrsprachigen Forschungsdaten verfahren? • In welchen Sprachen, gemeinsam in der internationalen Gruppe oder in nationalen Untergruppen, und wo erfolgen Vorträge und Projektpublikationen? Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus? • Welche Lingua franca wird für Vorträge/ Publikationen verwendet und welche Wirkung hat das auf die Darstellung von theoretischen Konzepten und von (mehrsprachigen) Forschungsdaten? Welche Praxis der Übersetzung theoretischer Konzepte wird von der Forschungsgruppe eingesetzt oder von Herausgeber: innen von Fachzeitschriften etc. eingefordert? Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus? Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 Darüber hinaus ist die internationale Forschungslandschaft und sind die vielfach überwiegend englischen Praktiken im internationalen akademischen Diskurs kritisch zu betrachten (vgl. hierzu A MMON 2012, A MANO et al. 2016). Nachstehende Fragen lassen sich in diesem Zusammenhang diskutieren: • Wie zugänglich sind internationale Publikationsorgane und welche Sprachen - insbesondere im Hinblick auf mehrsprachige Forschungsmodi - werden zugelassen? • Welche Mechanismen sind erforderlich zur Herstellung internationaler Transparenz von Forschungsprojekten und -ergebnissen, insbesondere, wenn diese mehrsprachig sind bzw. auf mehrsprachigen Daten beruhen? • Inwieweit berücksichtigen peer review-Verfahren eine mögliche sprachlichkulturelle Situiertheit von theoretischen Ansätzen und Forschungsperspektiven, und zwar sowohl auf Seiten der Gutachter: innen als auch auf Seiten der Begutachteten? • Welche Wirkung hat Mehrsprachigkeit und internationale Diversität in der Forschungslandschaft auf die Bewertung von Forschungsprojekten und welche Sprachen werden berücksichtigt (z.B. Zitierindices, Rezensionen, Vergabe von Drittmitteln)? Ein großer Teil dieser Fragen wird in den nachfolgenden Beiträgen diskutiert. Hierbei werden Chancen und Herausforderungen mehrsprachiger Forschungsansätze in den Blick genommen und Fragen nach spezifischen Entscheidungsfeldern (z.B. hinsichtlich der Erhebung, Auswertung, Dissemination mehrsprachiger Daten) sowie nach den Voraussetzungen, Optionen und Bedingungen der beteiligten Akteur: innen (Forscher: innen, Studienteilnehmer: innen, akademischer Kontext) reflektiert. Der Beitrag von B RITTA V IEBROCK , G ABRIELA M EIER und R ANDA AIS ABAHI entwirft ein Modell zur Reflexion mehrsprachigkeitsbezogener Entscheidungen im Forschungsprozess. Anhand empirischer Daten sowie weiterer theoretischer Modelle (H OLMES et al. 2013) liefern die Autorinnen einen Rahmen mit sechs Dimensionen: doability, identity, structure/ system, ethics, context and theory (DISSECT), anhand derer notwendige Entscheidungsprozesse systematisch reflektierbar werden und gerade auch im Kontext der Ausbildung der Nachwuchsförderung - nicht nur im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung - nutzbar gemacht werden können. Zunächst heben sie die besonderen Kompetenzen mehrsprachiger Forscher: innen hervor, die aufgrund ihrer Zugänge zu spezifischen Forschungsfeldern den jeweiligen Akteur: innen Gehör verschaffen können und damit weitere Perspektiven auf rein englischsprachig generierte Daten werfen. Die Autorinnen machen zudem die Zwänge deutlich, in denen sich Forscher: innen im nationalen und internationalen Kontext sehen, d.h. die Erfordernis, die eigene Forschung sichtbar zu machen und geschickt zu platzieren. Auch Gepflogenheiten im Publikationswesen und die Setzung von Englisch als internationaler Wissenschaftssprache werden kritisch hinterfragt: So kann ein bereits publizierter Beitrag in der Regel nicht erneut in einer Übersetzung als reguläre 6 Dagmar Abendroth-Timmer, Britta Viebrock DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 51 • Heft 2 Publikation in einer anderen Sprache veröffentlicht werden. Dies verhindert die Dissemination von Forschungsergebnissen je nach Wahl der Sprache entweder im lokalen oder internationalen Raum. Eine Rolle spielt bei dieser Entscheidung letztlich die Kontextualisiertheit von Projekten in lokalen bzw. nationalen Bildungssystemen. Mit dem Beitrag von K ATJA L OCHTMAN wird eine Bildungsinstitution in einem mehrsprachigen gesellschaftlichen Kontext in den Blick genommen. Die enge Verbindung zwischen der gesellschaftlichen und der institutionellen Ebene zeigt Katja L OCHTMAN in ihrer Fallstudie zur Nachwuchsförderung im Bereich Mehrsprachigkeit an der Vrije Universiteit Brussel. Sie geht der Frage nach, wie auf Mehrsprachigkeit hin orientierte Strukturen in der Ausbildung (und in einem offiziell mehrsprachigen Land) von Forscher: innen auf ihre Forschung wirken. Dazu umreißt sie zunächst die Besonderheit des mehrsprachigen Raums Brüssels, in dessen Bevölkerung über 100 Sprachen vertreten sind. In Belgien selbst gibt es drei Schulsysteme in den Landessprachen Niederländisch, Französisch und Deutsch. In der Bewertung aller Herkunfts- und Schul(fremd)sprachen zeigen sich aber große Prestigeunterschiede und auch hier setzt sich das Englische in verschiedenen gesellschaftlichen und beruflichen Bereichen als Verkehrssprache durch. Im Wissenschaftsbereich sind wichtige Leistungsindikatoren mit internationalen Forschungsaktivitäten und ebenfalls mit Englisch als Lingua franca verbunden. Insofern ist ein hoher Bedarf an Mehrsprachigkeitskonzepten gegeben. Im Folgenden liefert Katja L OCHTMAN Prinzipien einer Mehrsprachigkeitspädagogik (Interkomprehension, Code-switching, Translanguaging, Sprachbewusstheit, Lernerautonomie, Gesamtsprachencurricula), die auf die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs im Bereich Mehrsprachigkeitsforschung angewandt werden können. Einige anschauliche Beispiele von Themen und betrachteten Sprachen in Masterarbeiten an der Vrije Universiteit Brussel runden den Beitrag ab. Auf der Ebene institutioneller Strukturen und damit verbundener personeller Mindsets zu Englisch als Wissenschaftssprache und der Umsetzbarkeit von Mehrsprachigkeitsansätzen im universitären System setzt der Aufsatz von C ONSTANZE B RAD - LAW , B RITTA H UFEISEN und S TEFANIE N ÖLLE -B ECKER an. Es wird zunächst betrachtet, welche Konsequenzen Internationalisierungsbestrebungen deutscher Universitäten haben und welche Fragen sich hinsichtlich der Rolle des Englischen, Deutschen und der Herkunftssprachen internationaler Studierender stellen. Die Autor: innen plädieren für die Anwendung des Konzeptes der funktionalen Mehrsprachigkeit, das auch im Companion Volume des Gemeinsamen Referenzrahmens (C OUNCIL OF E UROPE 2018) als Basis verwendet wird. Dabei geht es um die individuelle und kontextbezogene Verwendung des gesamten sprachlichen Repertoires der Sprach: nutzerinnen mit dem Ziel gelingender Kommunikation, die asymmetrisch mehrsprachig erfolgen kann. Dies setzen sie als europäisches Bildungsziel innerhalb eines Modells gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe und Integration. Hochschulen müssen es insofern zum einen ermöglichen, Bildungsangebote sprachlich rezipierbar und damit für internationale Studierende oft in englischer Sprache zu liefern. Fragen der Gewinnung und der Dissemination von Forschungsergebnissen stehen damit selbstverständlich in Zusammenhang. Hochschulen müssen zum anderen aber auch dafür Sorge tragen, Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 dass sich internationale Absolvent: innen in ihrem universitären, außeruniversitären und späteren beruflichen Lebensraum sprachlich-kulturell einfinden. Die Autor: innen beschreiben schließlich an einigen Beispielen den Stand der konzeptuellen Überlegungen zur Förderung funktionaler Mehrsprachigkeit an der Universität Darmstadt. C ATERINA S UGRAÑES E RNEST und D AVID S OLER O RTÍNEZ stellen eine Befragung von Nachwuchswissenschaftler: innen in einem Erasmus-Programm zur Vernetzung internationaler Forschung im Bereich Mehrsprachigkeitsforschung in den Mittelpunkt ihres Artikels. Sie befragen internationale Teilnehmer: innen einer online Studienwoche und gehen dabei der Frage nach, wie die Teilnehmer: innen ihr mehrsprachiges Repertoire einsetzen und welche Rolle hierbei das Englische als Lingua franca spielt. Gerahmt wird die Studie durch theoretische Überlegungen zu Englisch als facilitator, also als Sprache, die Kommunikation zwischen Personen unterschiedlicher Sprachen ermöglicht. Weiterhin thematisieren die Autor: innen die Rolle von Sprachen in der Identitätsbildung mehrsprachiger Individuen bzw. Forscher: innen. Dabei stützen sie sich auf einen dynamischen und situierten Identitätsbegriff, wodurch sie die Rolle des (mehrsprachigen) sozialen Kontextes und auch die Wirkung des (mehrsprachigen) Individuums auf das eigene Umfeld im Sinne von agency betonen. In der empirischen Studie stellt sich heraus, dass einige Teilnehmer: innen dem Englischen in der Tat eine Funktion als facilitator bei der kollaborativen Arbeit in der Studienwoche zuschreiben, andere dagegen hierin eine Hürde bei der Entwicklung von mehrsprachigen Praktiken sehen. Teils wird Englisch auch als Brückensprache betrachtet, d.h. als Kommunikationsmittel um andere Sprachen vergleichend einzubringen und dabei sprachlich zu mitteln. Im Hinblick auf die Identität der Befragten als mehrsprachige Individuen trug die Studienwoche zu einer verstärkten Bewusstheit bei, wohingegen sich bezüglich der Identität als mehrsprachige Forscher: innen den Autor: innen kein einheitliches Bild zeigt, so dass weiterer Forschungsbedarf besteht. C HRISTIAN K OCH widmet sich in seinem Artikel den praktischen Fragestellungen der Transkription mündlicher mehrsprachiger Daten von Sprachlerner: innen. Der Beitrag siedelt sich damit - wie der Verfasser betont - an einer wichtigen Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Fremdsprachendidaktik an. Vor allem der jeweils zugrundeliegende Begriff von Sprache und Sprecher: innen spielt für die konversationsanalytische Transkription eine Rolle, d.h. die Abkehr von einem Muttersprachenkonzept hin zur nicht defizitorientierten Vorstellung mehrsprachiger Sprachnutzer: innen. So zeigt sich, dass Entscheidungen bezüglich der Darstellung sprachlicher Realisierungen im Transkript hoch komplex sind, d.h. werden Normabweichungen mit [sic! ] markiert oder werden individuelle, mehrsprachig begründbare Sprachrealisierungen wertneutral über eine phonetische Umschrift sichtbar gemacht. Christian K OCH analysiert detailliert die einzelnen Schritte, die Forscher: innen von der Erhebung bis zur ersten Analyse gehen müssen. Dabei wird sehr deutlich, wie die jeweiligen Entscheidungen unmittelbar auf die analytischen Schlussfolgerungen der Forscher: innen und auch der Rezipient: innen ihrer Daten und Analysen wirken. In dem Zusammenhang wird ferner auf mögliche Verfahren der Übersetzung von Teilen der Transkripte eingegangen. All dies wird anhand von Daten einer eigenen umfassenden 8 Dagmar Abendroth-Timmer, Britta Viebrock DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 51 • Heft 2 Studie zu polyglotten Sprecher: innen anschaulich illustriert. Die Tatsache, dass der Fokus auf romanischen Sprachen liegt, liefert einen besonderen Beitrag zur Forschung über Mehrsprachigkeit, da diese zu komplexen lernersprachlichen Phänomenen führen. Damit zeigt sich auch hier, dass der alleinige Blick auf L1 + Englisch durch Forschung über andere Sprachkonstellationen zu erweitern ist und von grundsätzlicher Relevanz für etablierte Forschungsprozesse und -methoden ist. Den Abschluss bildet ein Beitrag von G RIT M EHLHORN zu einem longitudinalen Forschungsprojekt über vier Jahre zu Herkunftssprachen bilingualer Jugendlicher im Alter von 12 bzw. 13 Jahren bei Projektbeginn. Zunächst liefert die Autorin vertiefte Einblicke in die aktuelle Herkunftssprachenforschung und damit verbundene dynamische Kompetenzmodelle. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen dann forschungsmethodische Fragestellungen der Mehrsprachigkeitsforschung. Auch hier geht es um die Frage der Erfassung sprachlicher Daten, mehrsprachiger Praktiken und der diesbezüglichen Einstellungen. Berücksichtigt werden neben den Herkunftssprachen, die Umgebungs- und Schul(fremd)sprachen der Jugendlichen. Diese Komplexität wird mit einem ebenso umfassenden Methodenrepertoire von Sprachstandtests bis hin zu Interviews der Jugendlichen und ihrer Bezugspersonen ermittelt. Es zeigt sich, dass insbesondere standardisierte Testverfahren auf die Einzelsprachen (Closeversus C- Tests) und die möglichen Spracherwerbsbedingungen (z.B. schriftsprachliche Kompetenzen im Russischen) abzustimmen sind. Auch der Vergleich von Kompetenzen und Einstellungen zwischen den Bezugspersonen (i.d.R. die Mütter) und den Jugendlichen liefert wichtige zusätzliche Erkenntnisse. Ferner zeigt sich, wie wirksam die Integration von Herkunftssprachen in schulische Bildungsangebote für den Kompetenzaufbau der Jugendlichen ist. Die Ergebnisse belegen daneben den hohen Einfluss der individuell variablen Kontextfaktoren wie familiärer Input, Einstellungen, außerschulische Bildungsangebote und Sprachkontakte. All dem kann nur mit einem komplexen Erhebungsverfahren begegnet werden. Insgesamt bilden die Beiträge exemplarisch die oben aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf gesellschaftliche und institutionelle Strukturen, forschungspraktische Fragestellungen zum Umgang mit mehrsprachigen Forschungsdaten und pragmatische Entscheidungen von Forscher: innen im Hinblick auf Sichtbarkeit ihrer Forschung im Wechselverhältnis mit Gepflogenheiten im Wissenschaftsbetrieb auf einer internationalen Ebene bestens ab. Es zeigt sich, dass Mehrsprachigkeit nicht nur als Forschungsthema von großer Bedeutung ist, sondern dass diese auch als Forschungsmodus in fundamentaler, institutioneller und pragmatischer Weise zu reflektieren ist. Ähnlich wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist Mehrsprachigkeit eine gelebte Realität, die auch in Forschungskontexten offensiv adressiert und nutzbar gemacht werden sollte. Zur dringend notwendigen Erweiterung der Diskussion um mehrsprachige Forschung versteht sich das vorliegende Themenheft als wichtiger Impulsgeber. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0015 Literatur A MANO , Tatsuya / G ONZÁLEZ -V ARO , Juan P. / S UTHERLAND William J. (2016): „Languages are still major barrier to global science“. In: PLoS Biology 14.12, e2000933. A MMON , Ulrich (2012): „Linguistic inequality and its effects on participation in scientific discourse and on global knowledge accumulation - With a closer look at the problems of the second-rank language communities“. In: Applied Linguistics Review 3.2, 333-355. A NDREWS , Jane / F AY , Richard / W HITE , Ross (2018): „From linguistic preparation to developing a translingual mindset - possible implications of plurilingualism for researcher education“. In: C HOI , Julie / O LLERHEAD , Sue (Hrsg.): Plurilingualism in teaching and learning. London: Routledge, 220-233. http: / / eprints.uwe.ac.uk/ 34402 (30.05.2022). C OUNCIL OF E UROPE (2018): Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment. Companion Volume with New Descriptors. Online: www.coe.int/ lang-cefr (23.5.2022). C URRY , Mary Jane / L ILLIS , Theresa M. (2014): „Strategies and tactics in academic language production by multilingual scholars“. In: Education Policy Analysis Archives 22.32, 1-24. F ÄCKE , Christiane / M EIßNER , Franz-Joseph (Hrsg.) (2019): Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik. Tübingen. Narr, Francke, Attempto. G ANASSIN , Sara / H OLMES , Prue (2013): „Multilingual research practices in community research: The case of migrant/ refugee women in North East England“. In: International Journal of Applied Linguistics 23.3, 342-356. H OLMES , Prue / F AY , Richard / A NDREWS , Jane / A TTIA , Mariam (2013): „Researching multilingually: New theoretical and methodological directions“. In: International Journal of Applied Linguistics 23.3, 285-299. http: / / eprints.uwe.ac.uk/ 20419 (30.05.2022). H OLMES , Prue / F AY , Richard / A NDREWS , Jane / A TTIA , Mariam (2016): „How to research multilingually: Possibilities and complexities“. In: Z HU , Hua (Hrsg.): Research Methods in Intercultural Communication: A Practical Guide. New York: Wiley Blackwell, 88-102. http: / / eprints.uwe.ac.uk/ 26111 (30.05.2022). P HIPPS , Alison (2013): „Linguistic incompetence: Giving an account of researching multilingually“. In: International Journal of Applied Linguistics 23.3, 329-341. DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 B RITTA V IEBROCK , G ABRIELA M EIER , R ANDA AIS ABAHI * D ISSECT ing multilingual research in the field of language education: a framework for researcher development Abstract. Our contribution presents the DISSECT framework we have developed in order to foster the reflexive education of plurilingual researchers regarding contexts, approaches and opportunities of multilingual research. The framework focusses on multilingual social contexts, within which research takes place, and on plurilingual researchers and their individual linguistic resources. We discuss the scope and dimensions of multilingual research approaches and systematise six languagerelated aspects of decision-making during the research process. We then consider the systemic perspective, extend our considerations to the international research community and discuss the opportunities and challenges of multilingual research approaches with regard to the hegemonic role of English in academic contexts. Our examples illustrate specific language-related choices in the research process and possible consequences. We discuss how plurilingual researchers can be encouraged to systematically reflect on language-related aspects of their research process as a way of not only supporting multilingual research approaches, but also social justice aspects that are related to this. While our considerations take the field of language education research as their starting point, the proposed framework is also applicable to other disciplines. Abstrakt. Unser Beitrag stellt das von uns erarbeitete DISSECT-Modell vor, das zur reflexiven Bildung von plurilingualen Forschenden in Bezug auf Kontexte, Ansätze und Möglichkeiten mehrsprachiger Forschung dient. Mehrsprachigkeit beschreibt zum einen multilinguale gesellschaftliche Kontexte, innerhalb derer Forschung stattfindet, zum anderen plurilinguale Forscher: innen und ihre individuellen sprachlichen Ressourcen. Wir diskutieren Reichweite und Dimensionen mehrsprachiger Forschungsansätze und nehmen eine Systematisierung von sechs spezifischen sprachlichen Entscheidungsfeldern im Forschungsprozess vor. Im Anschluss berücksichtigen wir die systemische Perspektive, erweitern unsere Überlegungen auf die internationale Forschungsgemeinschaft und diskutieren die Chancen und Herausforderungen mehrsprachiger Forschungsansätze im Hinblick auf * Contact addresses: Prof. Dr. Britta V IEBROCK , Goethe-Universität Frankfurt/ Main, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 F RANKFURT / M., Germany E-mail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Research areas: Teaching English as a Foreign Language, research ethics, qualitative research methodology Dr. Gabriela M EIER , University of Exeter, Graduate Schools of Education, School of Social Science and International Studies, St Lukes Campus, E XETER , EX1 2LU, UK E-mail: g.s.meier@exeter.ac.uk Research areas: Language teacher education, multilingual socialisation and social cohesion, mixed method research in multilingual educational environments. Dr. Randa AIS ABAHI , Alyamamah University, INTERLINK Language Institutes, King Fahd Branch Road, A L Q IRAWAN R IYADH , 13451, Kingdom of Saudi Arabia E-mail: rsibahi@interlink.edu Research areas: Teaching English to Speakers of Other Languages, pre-service and in-service teacher training, curriculum development and design in language teaching D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 11 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 die Hegemonie der englischen Sprache in akademischen Kontexten. Es folgen einige Beispiele zur Illustration konkreter sprachlicher Entscheidungen im Forschungsprozess und möglicher Konsequenzen. Die systematische Anleitung plurilingualer Forscher: innen zur Reflexion sprachbezogener Aspekte im Forschungsprozess diskutieren wir als Entwicklungsmöglichkeit zu einer umfassenden Förderung gesellschaftlich notwendiger mehrsprachiger Forschungsansätze. Während unsere Überlegungen ihren Ausgangspunkt in der fremdsprachendidaktischen Forschung haben, ist das vorgeschlagene Modell auch in anderen Disziplinen anwendbar. .ةﺮﺼﺘﺨﻣ ةﺬﺒﻧ ) "ﺖﻜﺴﯾد" جذﻮﻤﻨﻟا ﺎﻨﺘﻤھﺎﺴﻣ ضﺮﻌﺗ DISSECT ﻢﯿﻠﻌﺘﻟا لﺎﺠﻣ ءاﺮﺛإ ﻞﺟأ ﻦﻣ هﺮﯾﻮﻄﺘﺑ ﺎﻨﻤﻗ يﺬﻟا ( ﻚﻟذو تﺎﻐﻠﻟا يدّﺪﻌﺘﻣ ﻦﯿﺜﺣﺎﺒﻠﻟ ﺔﺒﺴﻨﻟﺎﺑ ﻲﻠﻣﺄّ ﺘﻟا ﺮﯿﺸﯾ ﺎﻤﻨﯿﺒﻓ .تﺎﻐﻠﻟا دّﺪﻌﺘﻤﻟا ﺚﺤﺒﻟا صﺮﻓو تﺎﺑرﺎﻘﻣو تﺎﻗﺎﯿﺳ ﻰﻠﻋ ﺰﯿﻛﺮﺘﻟﺎﺑ ﻻا تﺎﻗﺎﯿ ّ ﺴﻟا ﻰﻟإ ﺔﯿﺣﺎﻧ ﻦﻣ جذﻮﻤﻨﻟا ﻦﯿﺜﺣﺎﺒﻟا ﻰﻟإ ىﺮﺧأ ﺔﯿﺣﺎﻧ ﻦﻣ ﺮﯿﺸﯾ ،ﺎﮭﻟﻮﺣ ﺚﺤﺒﻟا ﺰﻛﺮﻤﺘﯾ ﻲﺘﻟا تﺎﻐﻠﻟا ةدّﺪﻌﺘﻤﻟا ﺔﯿﻋﺎﻤﺘﺟ .ﺔﯾدﺮﻔﻟا ﺔﯾﻮﻐﻠﻟا ﻢھدراﻮﻣو تﺎﻐﻠﻟا يدّﺪﻌﺘﻣ ﺐﻧاﻮﺟ ﺔّ ﺘﺳ ﻢّ ﻈﻨﻧو تﺎﻐﻠﻟا دّﺪﻌﺘﻣ ﺚﺤﺒﻟا ﺞھﺎﻨﻣ دﺎﻌﺑأو قﺎﻄﻧ ﺔﺸﻗﺎﻨﻤﺑ مﻮﻘﻧ ،ﺔﻠﻜﺸﻤﻠﻟ ضﺮﻋو عﻮﺿﻮﻤﻠﻟ ةﺰﺟﻮﻣ ﺔﻣﺪﻘﻣ ﺪﻌﺑ ا ﻊﻨﺼﺑ ﻖّﻠﻌﺘﯾ ﺎﻤﯿﻓ ﺔﯾﻮﻐﻟ ﻞﻤﺸﺘﻟ ﺎﻨﺗارﺎﺒﺘﻋا ﻊّ ﺳﻮﻧو ،ﻲﺠﮭﻨﻤﻟا رﻮﻈﻨﻤﻟا رﺎﺒﺘﻋﻻا ﻦﯿﻌﺑ ﺬﺧﺄﻧ ﻢﺛ .ﺚﺤﺒﻟا ﺔﯿﻠﻤﻋ ءﺎﻨﺛأ ﻦﯿﺜﺣﺎﺒﻠﻟ راﺮﻘﻟ تﺎﻗﺎﯿ ّ ﺴﻟا ﻲﻓ ﺔﯾﺰﯿﻠﺠﻧﻹا ﺔﻐﻠﻟا ﺔﻨﻤﯿﮭﺑ ﻖﻠﻌﺘﯾ ﺎﻤﯿﻓ تﺎﻐﻠﻟا ةدّﺪﻌﺘﻣ ﺚﺤﺒﻟا ﺞھﺎﻨﻣ تﺎّﯾﺪﺤﺗو صﺮﻓ ﺶﻗﺎﻨﻧو ﻲﻟوﺪﻟا ﺚﺤﺒﻟا ﻊﻤﺘﺠﻣ ﺔﯾﻮﻐﻟ تارﺎﯿﺧ ﺔﻠﺜﻣﻷا ﺾﻌﺑ ﺢ ّ ﺿﻮﺗ .ﺔﯿﻤﯾدﺎﻛﻷا ﻊﯿﺠﺸﺗ ﻦﻜﻤﯾ ﻒﯿﻛ ﺶﻗﺎﻨﻧ ﺎﻤﻛ .ﺔﻠﻤﺘﺤﻤﻟا ﺞﺋﺎﺘﻨﻟاو ﺚﺤﺒﻟا ﺔﯿﻠﻤﻋ ﻲﻓ ﺔﻨّﯿﻌﻣ ﺲﯿﻟ ﺔﻘﯾﺮﻄﻛ ﻢﮭﺑ ﺔﺻﺎﺨﻟا ﺚﺤﺒﻟا ﺔﯿﻠﻤﻋ ﻲﻓ ﺔﻐﻠﻟﺎﺑ ﺔﻘّﻠﻌﺘﻤﻟا ﺐﻧاﻮﺠﻟا ﻲﻓ ﻲﺠﮭﻨﻣ ﻞﻜﺸﺑ ﺮﯿﻜﻔﺘﻟا ﻰﻠﻋ تﺎﻐﻠﻟا يدّﺪﻌﺘﻣ ﻦﯿﺜﺣﺎﺒﻟا ﺗﺮﻤﻟا ﺔﯿﻋﺎﻤﺘﺟﻻا ﺔﻟاﺪﻌﻟا ﺐﻧاﻮﺟ ﺎ ً ﻀﯾأ ﻦﻜﻟو ،تﺎﻐﻠﻟا دّﺪﻌﺘﻣ ﺚﺤﺒﻟا ﺞھﺎﻨﻣ ﻢﻋﺪﻟ ﻂﻘﻓ ﻚﻟﺬﺑ ﺔﻄﺒ . لﺎﺠﻣ ﺎﻨﺗارﺎﺒﺘﻋا ﺬﺧﺄﺗ ﻦﯿﺣ ﻲﻓ ىﺮﺧأ تﺎﺼّ ﺼﺨﺗ ﻲﻓ ﺎ ً ﻀﯾأ ﻖﯿﺒﻄﺘﻠﻟ ﻞﺑﺎﻗ حﺮﺘﻘﻤﻟا جذﻮﻤﻨﻟا ّ نﺈﻓ ،قﻼﻄﻧا ﺔﻄﻘﻨﻛ ﺔﻐﻠﻟا ﻢﯿﻠﻌﺗ ثﺎﺤﺑأ . 1. Introduction “If we were only to work in English, we would misunderstand our world. Monolingualism keeps us parochial even if the language we speak has achieved global dominance.” (B UTLER 2020: n.p.) B UTLER ’s remark nicely illustrates what we wish to establish in this article: a position in favour of multilingual research practices within an international academic community that often takes an English-dominated language bias for granted. We take as a starting point the documented demand for alternative research practices implied in critical approaches (cf. A MANO et al. 2016; C URRY / L ILLIS 2014) and steer away from more radical positions which tend to view English as an imperialist tool or as part of a linguicide (cf. P HILLIPSON 1998; S KUTNABB -K ANGAS 2015). We suggest a more reconciliatory position that recognises English as an important and relevant - but by far not the only - language of knowledge production and dissemination. Hence, we embrace the need for integrating the multilingual realities researchers navigate in their daily practice, by promoting and cherishing plurilingualism as a valuable resource. We use the terms multilingual(ism) to describe situations and practices and plurilingual(ism) to refer to personal resources. Multilingual research practices position the plurilingual researcher in a mediating role between English-dominated academic conventions and contexts in which other languages are foregrounded. A plurilingual researcher is, therefore, capable of making audible and mediating the voices of population groups or individuals that would otherwise remain unheard in the wider academic world and/ or public discourse. Through this, multilingual research contributes to a greater understanding of society’s 12 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 diversity, including linguistic diversity in global contexts. According to P ENNYCOOK (2001: 101), voice is “the opening up of a space for the marginalized to speak, write or read [...] so that the voicing of their lives may transform both their lives and the social system that excludes them.” A plurilingual researcher who manages a multilingual research project can thus be understood as a catalyst figure for enabling solidarity and social justice by making voices and knowledge heard across linguistic boundaries that might otherwise remain silent or invisible. Against this backdrop, we make visible and systematise six dimensions, in which juggling with more than one language may pose challenges or offer opportunities for plurilingual researchers. We are concerned with the question as to which linguistic options are available to researchers in the fields of multilingualism, language and education studies, when conducting their research projects and positioning themselves in their respective academic communities. We address this question and substantiate our position (a) by drawing on selected studies that are either concerned with the inclusion of various languages at different stages of the research process (cf. G ANASSIN / H OLMES 2013; H OLMES et al. 2013, 2016; A NDREWS et al. 2018; K ULL et al. 2019) or with options plurilingual researchers, like ourselves, have for disseminating their research results and thus make their voices heard in an English-dominated academic community (cf. G NUTZMANN 2008; C URRY / L ILLIS 2014; AIS ABAHI 2019), (b) by presenting ethnographic data (informal interviews, field notes, reflections, documents and workshop products) we collected in the ENROPE project during two intensive study weeks that aspired to provide high-quality networking and qualification structures for novice researchers in the field of multilingualism, language and education studies (cf. ENROPE 2020b) and (c) by sharing our own autoethnographic explorations as researchers in and of multilingual situations (cf. E LLIS et al. 2011). 1 From our respective positions, we are aware that multilingualism is not systematically considered in the development of novice researchers. Drawing on our joint experiences, observations, as well as existing research, we have developed the DISSECT framework to support colleagues who wish to engage in reflective education for plurilingual researchers. We will start by defining the scope of multilingual research and its different dimensions (section 2) before looking at the opportunities and challenges of multilingual research within an English-dominated academic world both from a systemic as well as an individual researcher’s perspective (section 3). We will then move towards elaborating on concrete examples of language choice and their consequences (section 4). Based on our analysis, we will reflect upon future options for carrying out much-needed multilingual research (section 5) before we finally present the main tenets of the DISSECT framework and highlight our theoretical and 1 All three authors of this paper are speakers of English as a second or further language and experts in the field of multilingualism, language and education studies with experience in European and Middle Eastern contexts. While not all of us master the following languages, between us we use variants of (in alphabetical order) Arabic, Dutch, English, French, German, Spanish to varied extents. D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 13 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 practical contributions to understanding and doing research in multilingual contexts (section 6). 2. Scope and dimensions of multilingual research practices At the outset of our considerations is a contradictory development: On the one hand, the “multilingual turn” (C ONTEH / M EIER 2014; M AY 2014) has been recognised in language and education studies. It highlights the role of multilingualism in globalised societies and proposes an alternative to long cherished monolingual speaker norms by valuing the language competences of plurilingual individuals as resources for learning and communication. It has led to a greater appreciation of languages that were formerly perceived as less prestigious, to a greater appreciation of different competence levels in several languages and of different competence levels in the various language skills. While the notion of a plurilingual individual who employs versatile language competences in various multilingual settings for learning and teaching has become studied more widely and is appreciated by the multilingual turn literature (cf. M EIER 2017), this does not necessarily transfer to knowledge produced and disseminated by research and academia as a whole. In these contexts, the hegemonic function of English is undeniable (cf. A MMON 2012; O’N EILL 2018). This hegemony also influences disciplines that attach great importance to multilingualism and plurilingual language competences and becomes particularly apparent in formal research communication (such as this article), where the use of English grants access to opportunities of publications or conference presentations, or in more informal international communication, where English is used as a “lingua academica” (F AN 2017; Y ANAPRASART / L ÜDI 2018). Given the multilingual reality of today’s societies and research contexts, we find it somewhat surprising that reflections on the representation of multilingual research practices are not more prominent. From our own experiences and observations, we know that researchers who engage in multilingual research are faced with complex questions and difficult decisions. In this article, we aspire to unpack some of these questions by defining and theorising dimensions that are relevant to researching multilingually. Research in multilingual contexts or across linguistic boundaries requires one or more languages and/ or language varieties for different purposes and in different phases of the research process. It may be a common practice either out of necessity, i.e. because it takes place in a multilingual community with plurilingual research participants (cf. G ANASSIN / H OLMES 2013; P HIPPS 2013; K ULL et al. 2019), or out of academic interest, i.e. because plurilingualism or multilingualism are to be examined. It may also be a combination of both, for instance because a plurilingual researcher who is part of the researched community aspires to mediate the experiences of plurilingual individuals in multilingual environments (cf. M AEDER -Q IAN 2018). Many of these practices are also concerned with social and ethical issues of providing underrepresented groups with a voice, for instance where local communities use a 14 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 language that is different from that used by the researcher (cf. L EE 2017). While the legitimacy of such multilingual research is not to be questioned, the opportunities and challenges that come with it for the individual researcher in an English-dominated academic world require careful reflections. By reflecting on our sets of data and experiences, we have identified five of the six DISSECT dimensions - practical, structural, ethical, identity-related as well as theoretical/ methodological - that help structure the understanding that, we argue, might become necessary for the individual researcher to engage in multilingual research practices: While the doable/ practical (D) dimension focuses on practical or technical decisions concerning language choices made at different points in the research process, the structural or systemic (SS) dimension refers to the institutional context in which one’s research takes place, the decision-making authorities and norms that influence language choice. The ethical (E) dimension foregrounds the relationship between the researcher, research participants and user groups and its maintenance through language choice, while the identity-related (I) dimension emphasises the researcher as a plurilingual individual making sense of the influences of their different languages on their personal and professional self. The theoretical (T) dimension sets apart extended methodological contemplations or theoretical and conceptual discussions that might become necessary on account of some of the previously mentioned questions. A sixth dimension was derived from H OLMES et al. (2013: 93-94), who modelled four levels of analysis at which language decisions need to be made: the researcher, the researched phenomenon, group or person, the research context as well as the aspect of representation or dissemination. H OLMES et al.’s (2013) model thus strongly suggests a need to reflect on context, which we thus included as the sixth dimension. The contextual (C) dimension enables a reflection on situational requirements, expectations and traditions related to language choices in the local context. This requires a reflection on social norms, interactions and meaning-making that may differ from context to context. Together the initial letters of the six dimensions spell DISSECT. We use this as a metaphor that represents our way of dissecting research processes into separate parts, which then allow us to examine their structure and respective relations. The DISSECT framework offers a guide for the individual researcher to reflect on their research projects and consider both individual and contextual language options as well as structural and systemic influences (see section 5). The next section shows the rationale of our considerations related to the interlinkages of practical and structural and systemic influences, through critically examining the international academic community in which such researchers operate. D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 15 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 3. Multilingual research within an English-dominated academia: systemic considerations A consideration of the constraints and benefits of multilingual research is inextricably linked with the discussion of the controversial role of English as the dominant language in academia. Looking at the mere numbers, English certainly is “the undisputed lingua franca of scholarly exchange […] the language of the most prestigious international conferences and journals” (B ENNETT 2013: 169), which might render multilingual approaches a hidden practice that remains unreflected and does not become visible in the final outputs. This dominance of English has been associated with notions such as ‘cultural imperialism’ or even ‘epistemicide’, defined as the practice of appraising ideologies, knowledge, values or scientific approaches associated with an Anglo-American culture as superior to the extent that other knowledge systems are threatened with extinction (cf. G NUTZMANN 2008; B ENNETT 2012). In a similar vein, fears have been expressed that the academic discourse may run the risk of being dominated by an ‘Anglo-American mindset’ (cf. the discussion in G NUTZMANN 2008: 78- 81). Moreover, it has been argued that articles in languages other than English are often not on the radar of scientists with potentially serious consequences (cf. A MANO et al. 2016). Indeed, “a bias toward English-language science can result in preventable crises, duplicated efforts and lost knowledge” (P ANKO 2017: 1). English dominance in academia is, therefore, not merely a practical issue, but importantly also points to the systemic dimension of language use as constrained in research practices that can limit progress. In contrast, other scholars have rejected what some refer to as an ideological or cultural imperialist agenda underlying the use of English (e.g. P HILLIPSON 1998; S KUTNABB -K ANGAS 2015), and stressed other aspects such as the practicality, international intelligibility and neutrality or impartiality of a shared language (cf. B RUTT - G RIFFLER 2008). The latter particularly comes into play when English is no longer understood as a national language that privileges its speakers of English as a first language, but as an international lingua franca which is used between speakers of other languages for whom English is a medium to achieve communicative balance and reach out to wider audiences, thus offering opportunities. English arguably plays a crucial role in today’s global communication and knowledge production. Taking a slightly different point of departure, namely the understanding of linguistic appropriation as an empowerment strategy, T URNER (2004) has argued in favour of the importance of proficiency in (written) English as an important component of ‘academic literacy’ that might open up (rather than constrain) spaces for researchers for the participation in or critique of academic practices. This is also expressed by participants of AIS ABAHI ’s (2019) study, which deals with the question whether English medium publications are opening or closing doors to authors with non-English language backgrounds. Even those academics who displayed conflicting sentiments towards the prevalence of the English language admitted that publishing in English helps them establish their credibility and standing as international researchers, accept- 16 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 ing the English language as a “reality” or “tool” as illustrated by a Portuguese journal editor and reviewer: “It’s a fact […] I think it’s positive that the information are [sic] circulating via an international lingua franca” (AIS ABAHI , 2019: 80). 2 Such an acceptance of the English-dominance in academia does not necessarily discard the “sense of disempowerment by standardised procedures” (H OLMES et al. 2013: 287) that has reportedly been experienced by plurilingual researchers whose first language is not English or who do not work in an English-speaking environment within what plurilingual researchers perceive as a predominantly monolingual academic world. The remarks of a Serbian journal editor from AIS ABAHI ’s (2019: 82) study may serve as a case in point: “I am not in favour of Englishisation in our academic world. […] It still revolves around a very narrow circle of people. […] It marginalizes a lot of non-native English speakers in terms of publishing, in terms of editing and in terms of writing”. Thus, language use and language choice in academia seem to be about the accepted hegemony of English and related to this the legitimisation and belonging to a professional community, as well as resistance to this, as addressed by the structural/ systemic and identity dimension mentioned above. Nevertheless, we believe that the sense of disempowerment described could be turned into a sense of empowerment when looking at the benefits of multilingual research practices which may not only be a reflection of the multilingual setup of contemporary society but could also be understood as a political act against any imperialist or epistemicidal tendencies, and by redefining one’s individual plurilingualism as an expression of B OURDIEU ’s (2000 [1974]) ‘symbolic capital’, which describes the individual’s opportunities to gain and maintain social recognition and social prestige. Appreciation of one’s own language repertoire - including but not being limited to English - and related opportunities in the research context is expressed in the identity dimension. However, this appreciation of languages as a resource, also for research, has not readily translated into the recognition of academic literature in languages other than English, which indicates that the structural/ systemic dimension of the English bias in research is rather persistent. A more positive valuation of multiand plurilingualism as expressed in the multilingual turn and contemporary moves towards valuing other languages, for example in multilingual journals or annotated bibliographies promoting publications in languages other than English (cf. ENROPE 2020a), which may offer alternatives to mainstream publishing in English (cf. also C URRY / L ILLIS 2014). Despite the alleged imperative of the academic world to publish in English, plurilingual researchers do have a choice to use other languages. These alternatives may carry an element of subversiveness in an English-dominated environment and have yet to prove themselves as equally respected modes for academic exchange. That said, a questioning of estab- 2 Interestingly, all 14 interviews in AIS ABAHI ’s study were conducted in English. Even the one interviewee who shared Arabic as a first language with the researcher, chose to speak English. This insight may point to the identity dimension (4), in that academics between them might appropriate English to express belonging to the global research community. D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 17 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 lished practices, underlying power relations and the suggestion of reformatory interventions is a sine qua non from a critical perspective. C URRY and L ILLIS (2014) draw on the notions of ‘strategies’ and ‘tactics’ to capture the individual’s choices to conform to existing rules and practices or to subvert them. From their point of view, strategies - in essence - denote the conformance to official policies, rules and expectations or established academic practices, while tactics denote the “contingent, subversive moves” (ibid.: 5) exercisable by an individual to undermine the official strategy or erode established practices, arguably related to our identity dimension. One such way of making language choices is expressed by a participant in AIS ABAHI ’s study (2019: 90) who adopts a dual focus in order to address both local and international contexts: “half of my research is published in my L1 and I intend to keep it this way.” This choice is a calculated action with both strategic and tactical elements to find a balance between English requirements, plurilingual academic realities and the way researchers position themselves. Admittedly, a non-mainstream choice is more difficult to make for an early-career researcher, who seeks entry into the international academic community, than it is for a well-established one. Nonetheless, the mere opportunity of language choice should be understood as empowering, while being aware of its challenges, as multilingual research yields the opportunity to find and develop one’s voice in different languages. It depends on the specific systemic conditions whether or not this symbolic power will be redeemed. What is more, while the international recognition of research is of indisputable importance, its impact is often even more significant at local level, which indicates that there are tensions between the structural and contextual dimensions. Local significance is particularly important in educational contexts as research results might be used to improve teaching approaches, for the purpose of material development or the design of teacher education programmes in relation to a specific curriculum and context. C URRY and L ILLIS (2014: 3) have critically discussed how through the exclusive use of English in academic communication, knowledge may be ‘circulated away’ from the local communities where it was produced and might be used to improve local practices. This observation can also be interpreted as a prompt for reflecting on the purpose and audience of the dissemination of research results. Our observation data (see also section 5) suggest that early-career researchers explore the possibilities of an alternative understanding of impact when reflecting on the benefits of local publications (easy accessibility for local community, feedback into local practices, more direct impact) as opposed to English-medium international publications (international visibility, academic prestige). In a similar vein, participants in AIS ABAHI ’s (2019: 90) study conceptualise publishing in their respective first language as an ethical obligation to promote academic discussion in local contexts as felt by the Portuguese journal editor and reviewer: “Writing in your own mother tongue […] trying to promote your own field in your own country and also internationally if you can.” To give another example, M EIER (2010) summarised publications written in German about bilingual programmes in Germany in English, thus making visible epistemic knowledge to the international research community, which had hitherto largely been ignored in the Eng- 18 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 lish-speaking discourse. In response to M EIER ’s article, a researcher working in the field of bilingual education in Australia expressed her shock that she had until then ignored those programmes, even though she was able to read German. Such mediation between academic language communities points to an empowerment of multilingual researchers, as described by T URNER (2004). At the same time, the observations indicate a close inter-dependence between practical, ethical, identity and contextual dimensions, and how together they may perpetuate or transform practice at system and theoretical/ methodological level. 4. Examples of language choices in multilingual research projects Our fundamental appreciation of the necessity and benefits of multilingual research should not obscure its challenges. Indeed, reading, writing or communicating across languages within a research team or with participants who do not share a mutual language can be very strenuous and time-consuming. Moreover, it might impact the outcome of a research project. K ULL et al. (2019) for example report on the methodological and practical challenges in a binational (Switzerland, China), trilingual research project resulting from the different languages and educational cultures involved. The linguistic complexities included interviewing in different languages (including regional vernaculars), partly with the help of interpreters, and the transcription of data into the different languages and coding across languages. In a similar fashion, M EIER (2012) conducted a study in an English-French bilingual school in London that required a range of linguistic decisions. Offering participants a choice of French and English, the two school languages and languages the researcher could use, interviews and other data were collected in both languages. However, other languages were not considered as means of data collection. This means some participants could speak their first language and others used their 2nd or 3rd language in the interviews. The themes that resulted from coding the transcripts were based on the English and French quotes. Such methodological considerations query whether the findings might have been different had all participants been able to use their first or strongest language, as cultural biases or perceived expectations inherent in the two school languages may have influenced what they said. In M EIER ’s (2012) study, data in the original language was coded and analysed. In some cases, however, data is translated before analysis. K ULL et al.’s study (2019: paragraph 4) is an example of how interpretation and translation might influence the representation of research participants’ voices. K ULL et al. observed that the translated interviews were less comprehensive and less detailed than the interviews carried out in the first language and questioned whether the use of a foreign language for interviewing or the help of an interpreter were responsible for this. T AROZZI (2013) argues that translation and mediation for research purposes inevitably involves bias and may potentially distort participants’ views. But he also stresses how it can be a helpful tool or analytic resource in social research: Assuming that any data translation is based on D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 19 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 careful and differentiated linguistic and cultural negotiations, additional challenges might stem from the calibration of codes across languages or the use of codes identified in one language to sets of data or texts that are only available in another. The necessity to mediate codes and data between languages might also contribute to a greater accuracy. Therefore, translation touches on practical, ethical and methodological dimensions, as language decisions in these areas can potentially influence findings. Ethical and systemic dimensions become particularly apparent in the dissemination process of M EIER ’s study (2012): For various reasons, she published a formal article on her study in French. She first wrote the article in English, her strongest academic language. This was then translated with the help of the French Embassy in London, resulting in two versions of the same text. While one might think that this will help disseminate the findings in two language communities, only one could officially be submitted to an academic journal. Of course, she informally shared both versions with the participating groups, but the English version is not findable through conventional academic directories. In addition, the French-language publication has not been recognised or quoted widely in the international academic sphere. This example illustrates and confirms that language choices researchers make can mean a choice between serving the community and furthering their own academic career, while the system perpetuates this dilemma by allowing only one language version to be formally published. How a plurilingual researcher’s identity may be influenced by such rigorous structures of academic publishing and the dominance of English is illustrated by further examples from AIS ABAHI (2019). She shows how the researchers’ local contexts and their linguistic resources diverge from mainstream academic publishing in English and result in feelings of insecurity, uneasiness, low self-esteem and fears of rejection, affecting their identity. Experience of this type of scholarly exclusion may be attributed to insufficient language competences or the rejection of what are perceived as non-mainstream ways of thinking or expressing arguments. In addition, international novice researchers, whose L1 is not English, may choose to do their dissertations in an Anglo-American setting and experience a troublesome socialisation process into academia, where their alternative ways of thinking or approaches to academic writing are not rewarded or supported (cf. T URNER 2004). The way this attribution may influence the voice and the identity of plurilingual researchers is shown in the comment by a Romanian scholar in AIS ABAHI ’s study (2019: 97): When you are writing, you’re projecting your own identity or your own voice in whatever it is the message that you want to put forth, right? I think that it is something that has to do with academia […] with the objectivity ideal […] so in order to fit in the model that the academia proposes, you have to sacrifice your own voice, and you have to sacrifice your own identity. The notion of “sacrifice” (or “loss” in another participant’s comment) experienced by plurilingual researchers in international academic publishing on account of their perceived language boundaries is yet another example of the identity dimension. Such 20 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 findings may support H OLMES et al.’s (2013) idea of disempowered rather than empowered international researchers. 5. Ways forward: reflective researcher education with the DISSECT framework So far, we have shown that language choices may not only be influenced by individual language competences, but also by structural or systemic prerequisites, which may not be easily overcome by an individual researcher. In this section, we draw on our experience of working with and as post-graduate researchers. Through examples from the ENROPE (2020b) project we indicate the power of reflective researcher education, and the role our six-dimension framework may play in this. We believe it is the responsibility of established researchers to challenge, creatively re-negotiate and expand established language practices in academia. Not only do they have the institutional grounding to do so, they also serve as role models and are influential in the education and mentoring of the next generation of researchers and can thus sway possible professional trajectories. Through their gatekeeping function they can perpetuate established procedures including English-dominated practices. Alternatively, they can encourage exploratory reflection by opening spaces to carefully dissect multilingual research practices and consider the complex linguistic opportunities and challenges, plurilingual researcher identities and any potential political and ethical implications of this. In the process, novice researchers may discover their voice and reflect on their experiences (cf. also H OLMES et al. 2016) and develop their own identity stances. Critical researcher socialisation of this kind may also include reflections on whether the choice of language is a deliberate conformance, subversion or unconscious subjugation to existing practices and strategies. Our experiences of two intensive study weeks with early career researchers (see ENROPE 2020b) suggest that the hegemony of English as a default position in academic contexts exists even when plurilingualism and education is the topic of scrutiny. However, we have also observed that in response to specific prompts and invitations for reflection greater complexity and critical understandings surface: When encouraged to map which languages the study week participants used in their daily academic work and for what purposes (ENROPE 2021: 36f.) it became clear that they engaged in versatile multilingual practices and had encountered some of the questions and choices we have discussed above. When encouraged to reflect on their personal identities as plurilingual speakers and the multiple languages they have at their disposal for different (also non-academic) purposes, a greater sense of recognition became visible in the participants’ expressions that had not been there before. This sense of recognition led to the inclusion of several different languages (not only English) in subsequent presentations at the venue, which did carry a sense of subversion in view of existing practices (cf. ENROPE 2021a). Our observations and experiences also highlight the influential position of established researchers to raise awareness of D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 21 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 multilingual practices in academia as they, by way of habitual practices, conform to existing language choices or, by way of deliberate reflective interventions, make visible alternatives that challenge and expand on those. Moreover, our observations illustrate that reflective researcher education lends itself to an extended awareness-raising opportunity, focusing on questions of how to be(come) a researcher, establish international contacts, get access to and position oneself in the academic community. While initially novice researchers start their projects with learning the tools of the trade, i.e. methods of data collection, instruments for analysis, academic writing skills in the target language etc., it is often only after they have been specifically prompted that they gain a more systemic understanding of research institutions and the structure of academia, including the language factor in this. Such prompts are also helpful for questioning the systemic and political implications of language choices, underlying power relations, strategic and tactical options within the academic system (cf. C URRY / L ILLIS 2014) or working on their voice as a political instrument. This can also be seen in the reflection of one ENROPE studyweek participant on the context of an earlier workplace where the use of English served neutrality purposes and reconciled the divergent language uses of conflicting ethnic groups. Thus, the use of English can be an acceptable compromise, or preference, in contexts where other language choices may be contested. This example illustrates how language choice - both monolingual or multilingual - is context-sensitive and inevitably a political choice. Our call for a reflection of multiand plurilingualism in research, as well as reflective researcher education in this field is in line with A NDREWS et al. (2018) and H OLMES et al. (2016). For the purpose of explicit and systematic reflection, we propose the DISSECT framework (see table 1) as a necessary routine in researcher education in multilingual contexts. The framework offers dimensions for awareness raising, decision-making and action for both established researchers in their roles as researchers, researcher educators and change agents as well as novice researchers, who wish to understand the research processes and respective options to exercise plurilingual agency (cf. ENROPE 2021). 22 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 Dimension Focus on How do I as a researcher… D Doability practical or technical decisions concerning language choice … collect and analyse data in practical ways in one or more languages? I Identity the researcher as a plurilingual individual making sense of the influences of their different languages on their personal and professional self … understand, construe or position myself in my local academic context as well as in an English-dominated academic world? SS Structure System academic structures and linguistic expectations … situate my work within formal language regulations, relevant institutional requirements and personal assumptions? E Ethics the relationship between the researcher, research participants and user groups and role of language choice in this … use one or more languages to enhance or hinder trust and/ or bias between me as a researcher and the participants and user groups? C Context situational requirements, expectations, norms and traditions related to language choices … understand and relate to the linguistic context in which participants are situated and in which findings are produced? T Theory theoretical and conceptual discussions that might privilege knowledge produced in English over that produced in other languages … construct theoretical understanding that guides my work; is this based on publications that stem from English and/ or more diverse language traditions? Tab. 1: DISSECT framework of dimensions for reflection in plurilingual research 6. Conclusion Drawing on literature that either criticises, or accepts, the hegemony of English in the field of academia, we discussed opportunities, constraints and risks that such monolingual academic practices afford for individuals and societies and illustrated these with examples. We placed the development of plurilingual researchers at the centre of this article, as they can function as catalyst figures and mediate between language communities, thus empowering voices of those who may otherwise not be heard and enabling knowledge to be shared across and within language boundaries. Being able to provide access to those voices is linked to developing our own voices and understanding our power as researchers. As illustrated in this article however, novice - and more established - researchers may not be aware of their potential as linguistic catalysts and may therefore continue to perpetuate an English bias in academia, and “mis- D ISSECT ing multilingual research in the field of language education 23 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 understand the world” as B UTLER (2020) suggests. Thus, we understand this article as a response to the call for an explicit reflection of multiand plurilingualism in research, as well as a more systematic researcher education related to this (in line with A NDREWS et al. 2018; H OLMES et al. 2016). In order to enable explicit reflection in a systematic way, we produced a sixdimension framework - DISSECT - that can be used in researcher education to stimulate reflection on language practices in academia, and how researchers can position themselves in - and in the long term influence - this. To develop this framework, we drew on relevant literature, our own research, educational projects and observations in our roles as novice and experienced researchers, researcher educators and supervisors working in diverse research settings in Europe and in the Middle East. The main contribution of this articles is twofold, as it has theoretical and practical implications. Theoretically, our article incorporates and expands on existing understandings, above all H OLMES et al. (2013), and theorises the English hegemony in academia, as well as plurilingual practices that exist, in the new six-dimension DISSECT framework. We theorise, discuss and illustrate each of the six dimensions (Doability, Identity, Structure/ System, Ethics, Context and Theory), and show the intertwined and complex linguistic dilemmas that researchers might encounter in relation to these. The DISSECT framework is designed to stimulate reflection on the way language choices can influence theory and knowledge generation, and how they can perpetuate and transform power structures and systems. In practical terms, our six-dimension DISSECT framework can be used as a prompt in researcher education, potentially together with this article. As shown through the ENROPE intensive study weeks, offering spaces for reflection and discussions to evaluate language practices in a systematic way are a precondition to raise awareness and open up new identity possibilities and practices as researchers. Through our six-dimension framework, we invite researchers - potentially of all disciplines - to reflect on the way languages are used in the different practices and processes, and what relationships of power are established in situations where research is negotiated between different groups (author-reader, researcher-research participants, student researcher-supervisor, author-reviewer, colleagues in research teams, colleagues in conferences). Assuming multilingual research is a common and even desirable practice, whose importance is likely to increase even further, we hope that by theorising opportunities and challenges of researching plurilingually and by providing a concrete tool for researcher educators, we help pave the way for a future generation of linguistically aware researchers who are able to engage in linguistically sensitive and conscious practices of knowledge production and dissemination, rather than take the status quo for granted. Acknowledgements: We are grateful to Goethe University, the University of Exeter, The ENROPE Group and critical friends who enabled, inspired and guided our work. 24 Britta Viebrock, Gabriela Meier, Randa AISabahi DOI 10.24053/ FLuL-2022-0016 51 • Heft 2 References AIS ABAHI , Randa (2019): English Medium Publications: Opening or Closing Doors to Authors with Non-English Language Backgrounds? University of Exeter, PhD thesis. A MANO , Tatsuya / G ONZÁLEZ -V ARO , Juan P. / S UTHERLAND William J. (2016): “Languages are still major barrier to global science”. In: PLoS Biology 14.12, e2000933. A MMON , Ulrich (2012): “Linguistic inequality and its effects on participation in scientific discourse and on global knowledge accumulation - With a closer look at the problems of the second-rank language communities”. In: Applied Linguistics Review 3.2, 333-355. 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The question is, how and to what extent multilingual researcher education programmes determine the success of dealing with multilingual research practices of (future) researchers. Multilingual research education within the programme of the Multilingual Master in Linguistics and Literary Studies at the Vrije Universiteit Brussel is discussed. It is felt that research methodology courses, master paper supervision and research internships in a multilingual context - where students can use more than one language in the research process - are considered an example of good practice in the light of the university’s successful internationalisation policy. 1. Introduction Brussels is officially a bilingual city (French/ Dutch), but the majority of Brussels’ residents speak French as their first language and only a minority report Dutch as their first language. Many families are bior multilingual at home (cf. V AN M ENSEL 2018). Approximately one third (also) speak other languages, whereby English, Arabic, Spanish, German, Italian, Turkish belong to the top six of foreign languages spoken. English is the international language or ‘lingua franca’ for science, business and tourism. Moreover, Brussels is located at the heart of Europe where many institutions of the European Union are located, which officially makes it an international and multilingual city. Brussels is thus a small but linguistically diverse and complex region where multilingualism is the norm rather than the exception both within the public and the private spheres. Similarly, in the whole of Europe multilingualism seems to become more and more commonplace for individuals and societies alike. Because of this evolution and partly due to the universities’ current internationalisation policies, learner and researcher groups are becoming increasingly more heterogeneous with * Contact address: Prof. Dr. Katja L OCHTMAN , Vrije Universiteit Brussel, Pleinlaan 2, 1050 B RUSSEL E-mail: Katja.Lochtman@vub.be Research areas: Multilingualism, SLA, Foreign Language Pedagogy. Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study 27 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 regard to their language backgrounds, which calls for more appropriate multilingual pedagogical approaches (cf. L OCHTMAN 2018), and this also applies to methodology courses both within exact and human sciences programmes. This article discusses the impact of multilingual researcher education on multilingual research practices as part of the internationalisation strategies in place at the Vrije Universiteit Brussel. The question is, how and to what extent multilingual researcher education programmes determine the success of dealing with multilingual research practices of (future) researchers. Based on the analysis of research education within the Multilingual Master in Linguistics and Literary Studies at the Vrije Universiteit Brussel, I will examine these questions further. Research methodology courses, master paper supervision and internships with practical research training for pre-doctoral and master students in a multilingual context - where students can use more than one language in the research process - are considered an example of good practice in the light of the university’s successful internationalisation policy. First, I will discuss the multilingual realities for students and researchers at a university in a by definition multilingual city, the Vrije Universiteit Brussel. Then I will turn to the university’s internationalisation policy with a special focus on researcher education. As a case study, I will highlight the practices within the internationally oriented study programme ‘Multilingual Master in Linguistics and Literary Studies’. The paper concludes with potential benefits that research seminars of this kind may bring to various stakeholders. Furthermore, it points at challenges of promoting and strengthening the use of a variety of languages within multilingual education in researcher training. 2. The multilingual city of Brussels Since mid 2019, the Government of the Brussels-Capital Region has got its own minister for the promotion of multilingualism and the image of Brussels. For this, the project ‘Be Talky’ was created. On its website we can read the following: Our city has 1.2 million inhabitants, who speak more than 100 different languages. The advantages of multilingualism are numerous. In addition to the opportunities it opens up in the labour market, multilingualism promotes cohesion among the people of Brussels. In our super-diverse city and beyond, speaking several languages is important for shared citizenship and the mutual understanding it requires. Multilingualism is now a central ingredient of Brussels’ identity and will be even more so in the future (https: / / en.betalky.brussels/ aboutus/ ). That multilingualism still needs promotion in a city like Brussels can partly be explained through the fact that myths, such as the alleged disadvantage of growing up with two or three languages as a child, still persist (cf. F ESTMAN et al. 2017). A second explanation can be found in the different status and prestige different languages still have in society (cf. G ARC í A 2009). Some languages - e.g. the languages that are taught at school such as English, French, Dutch, German or Spanish, are being valued dif- 28 Katja Lochtman DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 51 • Heft 2 ferently from (i.e. seem to have more prestige than) many immigrant or minority languages that are spoken in the Brussels’ homes, such as Arabic, Chinese or Turkish, but which make up for the diverse, multicultural and multilingual society. However, it is precisely this diversity that is believed to offer great potential. A third explanation is the status of English as the international language for science, business and tourism, which would reduce the need for the promotion of multilingualism (cf. L OCHTMAN 2018). However, falling back on the motto ‘L1 plus English - we are bilingual’ does by no means do justice to social reality of Brussels. Rather the idea is that English coexists with all other languages that play a role in the multilingual context of Brussels and its (higher) education (cf. L OCHTMAN 2015). In the present paper it is suggested that the success of foreign languages other than English in research and in higher education depends on the principles of multilingual education. “The teaching of, in and through foreign languages might even prove to be an example of good practice for a successful internationalisation programme” (L OCHTMAN 2018: 81). The top eight languages that are most widely spoken at home in Brussels are French, English, Dutch, Arabic, Spanish, German, Italian and Turkish (cf. L OCHTMAN 2017). The majority of Brussels’ residents speak French as their first language (about 60%) and only a minority use Dutch as their first language (about 10%). The remaining thirty percent of residents in the city speak other languages (cf. L OCHTMAN 2018). French, English, Dutch, German and Spanish are traditionally taught as foreign languages at school. Because of internationalisation and globalisation as current determining social developments in the European capital, international research projects and exchange programmes are increasingly being promoted in higher education. In this context, English is used as a lingua franca. The next section discusses the internationalization policy of the Dutch-speaking university in Brussels, the Vrije Universiteit Brussel (VUB). It will be shown that in order to facilitate, sustain and promote the use of foreign languages other than English in research and researcher education, an experience-based multilingual pedagogy is needed (cf. ibid.). 3. Internationalisation policies in higher education Internationalisation is currently a top priority in higher education. On the whole, a distinction can be made between a strong and weak form of internationalization (cf. T REVASKES / E ISENCHLAS / L IDDICOAT 2003; M ARLINA 2013). A strong form of internationalisation focuses on the integration of an international and intercultural dimension into the curricula and educational programmes. The weak form is linked to economic arguments, focusing on maximizing profits based on the worldwide exchange of researchers, teachers and (fee-paying) students (cf. L OCHTMAN 2018). According to H U (2016: 257), the weak form and thus the economic arguments even prevail in most internationalisation policies at universities. Since knowledge, knowledge gain and research output must also be measurable (and therefore subsidisable), university rankings and performance indicators were introduced (cf. H U 2016). Internationalisa- Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study 29 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 tion is quantified through key performance indicators (KPIs) for Education/ Teaching, Staff and especially also for research output (cf. L OCHTMAN 2017). The main KPIs for research at the VUB are: • the number of international or joint PhDs (i.e. in cooperation with an international partner university), • the number of excellent researchers from abroad, e.g. ERC, Francqui, Odysseus, etc. (This KPI is also related to research output, networking and reputation), • the number of international peer-reviewed publications. Due to the great importance of KPIs related to the amount of scientific output, there is an increased focus on English as a lingua franca in both research and teaching, in that the output is made available to the wider public. This has led to concerns that English may soon dominate all other languages and that in terms of culture, an ‘Anglo- Americanized’ uniformity could arise (cf. R AMPTON 1995; H OBERG 2012). This way, the use of English as a lingua franca could even play a cultural imperialist role, especially in economically weaker countries which in turn could pose a threat to the continued existence of diversity and multilingualism (cf. H OBERG 2012). As a result, there is an increasing demand for an education and research policy that focuses on cultural diversity and multilingualism (cf. K RAMSCH 1996; B YRAM / R ISAGER 1999; H OBERG 2012; L OCHTMAN 2018). 4. Researcher education within the Multilingual Master in Linguistics and Literary Studies (VUB) 4.1 Multilingual pedagogy in researcher education: intercultural sensitivity, blended learning and principles of multilingual education One crucial advantage of multilingualism in education is that it could be considered a route to improve equal opportunities and cohesion (cf. R EICH / K RUMM 2013: 91; B E T ALKY no year) among student and research groups alike. This implies that, within a group, multiple languages are regarded equivalent and perceived as a means of communication. When a research topic is described and discussed in a particular language, that language becomes particularly relevant, which, in turn, is believed to lead to great advantages both in terms of language learning (especially with regard to the academic register) and social inclusion (cf. D E G RAAFF 2013; L OCHTMAN 2018). Moreover, teachers from within the multilingual education context appear to be convinced that students are more open-minded and more tolerant than students from a monolingual context, and that they are more open about learning new languages and discovering new or different cultures, thus broadening their horizons. As such, the multilingual environment is also believed to overcome stereotypes and prejudices (cf. L OCHTMAN 2018, 2020) and is believed to promote intercultural sensitivity as one of the dimensions of intercultural communication competence (cf. C HEN 2010). Intercultural sen- 30 Katja Lochtman DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 51 • Heft 2 sitivity is understood to be the individual’s affective “ability to develop emotion towards understanding and appreciating cultural differences that promotes appropriate and effective behavior in intercultural communication” (C HEN / S TAROSTA 1997: 5). According to this definition" intercultural sensitivity could be understood as “a prerequisite or even a predictor for achieving intercultural competence (cf. C HEN / S TAROSTA 2000; H AMMER / B ENNET / W ISEMAN 2003; W U 2015)” (L OCHTMAN 2020: 31). According to C HEN / S TAROSTA (1997), open-mindedness and non-judgmental attitudes are two key elements of intercultural sensitivity. Open-mindedness towards cultural differences is also believed to be a characteristic of multilinguals and could therefore be regarded as an important skill needed for students doing research in a multilingual research environment. Nowadays, multilingual researcher education inevitably involves blended learning activities. Online exercises and research activities are supported through a Moodle environment, fostering learner autonomy and lowering foreign language (classroom) anxiety. According to D EWAELE (2019) a higher degree of multilingualism and a higher frequency of use of foreign languages, a higher degree of socialisation in the foreign language, a higher degree of networking in the foreign language and higher selfratings for one’s own language competence are all linked to a lower foreign language (classroom) anxiety. Conversely, a higher level of anxiety may lead to less willingness to initiate communication (cf. ibid.), i.e. a lower “readiness to enter into discourse at a specific time with a specific person or persons” (M AC I NTYRE et al. 1998: 547). A higher degree of multilingualism has also been linked to higher levels of foreign language enjoyment, lowering cultural distances, a higher level of proficiency in a foreign language (cf. D EWAELE / M AC I NTYRE 2014) and a higher level of emotional intelligence (cf. D EWAELE 2019). Finally, a high level of foreign language enjoyment could also be linked to a higher level of cultural empathy, to better exam results, to positive attitudes towards foreign languages and to the relative status within the student group (cf. D EWAELE / M AC I NTYRE 2014). Multilingual pedagogy consists of a set of principles that are also of interest to the context of multilingual researcher education, as there are: intercomprehension and communication in multilingual situations (comprising the notions of code-switching and translanguaging), awakening to languages, learner autonomy and efforts to develop and implement an overall language curriculum (cf. G ARC í A 2009; W EI 2011; M ORKÖTTER / S CHRÖDER -S URA 2018: 225; L OCHTMAN 2018; H UFEISEN / M ERKEL - BACH 2020). Intercomprehension refers to communication strategies used by speakers who do not speak the same, but similar languages that provide sufficient transparency to understand each other. Code-switching implies a more or less unintentional process of switching between languages and translanguaging refers to a methodological strategy in which switching between languages is a more intentional procedure (cf. L OCHTMAN 2018). Moreover, translanguaging is believed to create a social space for multilingual students “by bringing together different dimensions of their personal history, experience and environment, their attitudes, beliefs and performance” (W EI 2011: 1223). This way, multiple languages could be used flexibly and strategically so Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study 31 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 that students can choose the language of their research assignments without being stigmatized (cf. G ARC í A 2009). Such communication situations which are often based on scientific sources in different languages, lead to multilingual discussions and differentiation of the scientific content, and are believed to promote the competence of language and intercultural mediation in researchers. 4.2 Cognitive advantages of multilingualism Multilingualism and multilingual pedagogy are also believed to have beneficial effects not only in the linguistic, communicative and intercultural domains, but also in cognitive domains such as attention, working memory, and cognitive control (cf. B LOM et al. 2014; B LUMENFELD 2014; F RIESEN et al. 2015). Cognitive control can be defined as the coordination and regulation of thoughts to respond appropriately to stimuli in the environment (cf. B RAVER 2012). Advantages of multilingualism are believed to include inhibitory control, attention, updating information in working memory, cognitive flexibility, planning, reasoning, and problem solving and shifting of mental sets (cf. F IDLER / L OCHTMAN 2019; V AN DEN N OORT et al. 2019: 2) which are key skills for a successful (student) researcher. When switching from one language to the other in a multilingual research environment, the multilingual researcher needs to manage the use of multiple languages in the brain (cf. A BUTALEBI / G REEN 2008). This constant management is believed to develop and enhance the domain-general cognitive control (cf. W U et al. 2019). In other words, this extra training in managing multiple languages in multilinguals is thought to be the reason multilinguals have an advantage in cognitive control (cf. V AN DEN N OORT et al. 2019: 2). 4.3 The programme Because of the internationalisation policies in place, the number of international students and researchers increases over time, and degree courses and doctoral schools attract scholars and students from all over the world, which also results in a great diversity in terms of language backgrounds. Research groups are becoming increasingly heterogeneous and at the same time, the English language is gaining more and more importance in research and teaching. Here, the universities face many challenges (cf. L OCHTMAN 2018). Within the context described above, the Multilingual Master in Linguistics and Literary Studies at the VUB focuses on reading, writing and speaking in multiple languages and in multilingual contexts. The one-year programme consists of sixty ECTS credits and offers students the possibility to major in at least two languages (i.e. Dutch, English, French, German, Italian or Spanish), but there is also the possibility to study more than two languages at the time. More concretely, students can choose courses in up to ten different languages within a profile and are therefore not restricted to the language(s) they choose to major in, which attests to the programme’s emphasis on 32 Katja Lochtman DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 51 • Heft 2 multilingualism and cross-disciplinary learning. The languages on offer are: Arabic, Chinese, Dutch, English, French, German, Italian, Spanish and Russian. The programme furthermore assigns twenty-four ECTS credits to domain-specific modules, which equals four elective courses in either literary studies, linguistics or any of the other four profiles, and twelve ECTS credits to language-specific modules, which equals two elective courses of six ECTS. The profiles to choose from are (apart from literary studies and linguistics): psychoand neurolinguistics, intermediality, multilingualism and foreign language acquisition and multilingual mediation and communication. Knowing how to communicate effectively in an increasingly multilingual and transcultural world is believed to greatly benefit students in their personal, academic, and professional life. The multilingual profiles are dedicated to helping the students develop their (multilingual) communicative skills, with a particular focus on making them harness these skills in a manner fitting to context, genre, audience, and/ or communicative goal. The profiles also aim to equip the students with theoretical insights in that they learn to reflect critically on how they operate between languages, as well as on the challenges pertaining to communication in a multilingual society. Considering its status as the international (academic) lingua franca, English is at the centre of this programme, but every other week class meetings are devoted to exercises and activities where the students will have to mediate between English and their language of choice 1 . The programme’s courses in research methodology are oriented towards the broad fields of either literary studies or linguistics: for each domain there is a specific module which offers methodological support for the completion of the master paper specifically and which caters for reading, writing and speaking in multiple languages. The year-long courses pay attention to both narratological and statistical skills and both oral and written assignments in a multilingual environment. 4.4 Evaluation: learning by doing, the Master’s thesis and the research internship in a multilingual environment The programme requires the student-researchers to write their MA thesis of eighteen ECTS in (one of) their target (foreign) language(s). For this, student-researchers actively engage in reading sources in multiple languages, relying on the principle of multilingual pedagogy such as intercomprehension, translation and multilingual writing strategies. On top of this, courses in academic English are provided, because for many students English is a foreign language. The research process for the MA thesis is evaluated through both a written and spoken assignment in the target language. For the written assignment, students will have to present a research proposal including a multilingual annotated bibliography at the beginning of the writing process. Not only do the students have to present personal and original work, they are also expected to define the subject (and corpus) adequately, taking into consideration the feasibility of the study in a multilingual context. The oral assignment is a presentation on the state 1 https: / / www.vub.be/ en/ study/ multilingual-master-in-linguistics-and-literary-studies#programme Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study 33 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 of affairs of the research activities in the middle of the writing process. Both for the written and the oral presentation language form and style are evaluated. For the oral presentation in the target language, pace of delivery and pronunciation are considered as well. In addition, the student researchers are evaluated by their supervisor and a second reader who are competent in the language of delivery and can thus offer individual supervision. Moreover, the students are able to choose their supervisor and have the possibility of collaborating with fellow students and as such, of writing a joint MA thesis. Such collaboration often involves intercultural communication and mediation. Increasingly more students are suggesting or choosing a master's thesis topic related to multilingualism and/ or in another language than English. Table 1 displays some examples of topics selected by the students in 2020-2021. - CLIL in English, Dutch, French or German. - La influencia de la lengua materna en el aprendizaje del español como lengua extranjera. - Identity Formation for Multilingual Students - The Arabic Classroom: towards a multilingual and inclusive society? - Schrijven van onderop. Een vergelijkend onderzoek naar brieven van Italiaanse en Vlaamse soldaten uit de Eerste Wereldoorlog. - La Tregua di Primo Levi, dal libro al film: analisi stilistico-linguistica. - The importance attached to mediation when interpreting from Chinese language - La variation linguistique: jusqu’à quel point la variation au niveau du français de France et de Belgique est-elle reflétée dans les différences entre la LSF et la LSFB? - Der Erwerb der Klammerstruktur bei chinesischen DaF-Lernenden Table 1: Some examples of Master’s thesis topics in multiple languages The Master’s thesis topics in table 1 reflect the advantages of researcher education in a multilingual context. Since Belgium is a trilingual country with three separate school systems in Dutch, French and German, and English being the lingua franca for business and research practices, the topic of Content and Language Integrated Learning (CLIL) in secondary and higher education is of high relevance to both teachers and learners. CLIL represents a successful and demanding way of multilingual didactics which subscribes to the objectives of individual multilingualism, the acquisition of academic or specialist knowledge, social inclusion, multiculturalism and internationalisation (cf. L OCHTMAN 2015: 89f.). The multilingual contexts of Brussels and Belgium offer ample empirical research opportunities for student-researchers, making them aware of and more open-minded towards linguistic diversity and the advantages of multilingual education. Topics also include languages with less prestige (i.e. migrant languages such as Arabic, Chinese), aimed at raising students’ intercultural sensitivity, intercultural competence/ mediation, and social inclusivity, all of which is believed to lead to less foreign language anxiety and a higher willingness to communicate in the foreign language (cf. D EWAELE 2019). This way, students are also encouraged to reflect on identity formation in multilinguals. Highly popular within 34 Katja Lochtman DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 51 • Heft 2 (applied) linguistics are furthermore topics on second or foreign language acquisition (e.g. the role of explicit and implicit knowledge), on interlanguage sociolinguistic or pragmatic competence and on language variation in society. Literary topics focusing on multilingualism and multilingual mediation mainly include papers on intermediality (e.g. the link between literature, digital humanities, film studies, theatre and performance arts), literary translation and the presence and influence of authors with different language backgrounds in/ on the multilingual society that is Brussels. For all the topics, i.e. linguistic and literary topics alike, student-researchers are encouraged to actively engage in reading and discussing references in multiple languages, again relying on the principle of multilingual pedagogy such as intercomprehension, translation and multilingual writing strategies. Moreover, in doing so, student-researchers are believed to be more susceptible to developing a certain advantage in cognitive control (cf. V AN DEN N OORT et al. 2019). Although the possibility for collaboration exists between student-researchers from both similar and different linguistic backgrounds, resulting in joint master’s theses, almost all of the master students seem to prefer to work independently on their research topic. Nevertheless, it is believed that such collaboration opportunities would strengthen the advantages of the programme’s multilingual pedagogical aims. Possibilities to encourage such collaboration are definitely to be considered in the future. A second main aspect of multilingual researcher training within the programme is the elective internship, which covers a variety of sectors and domains and research stays in a multilingual environment. The internship is entitled ‘Multilingualism and Foreign Language Learning and Teaching’ and is managed by a team of ten training supervisors (academic staff, each representing a different language) and one coordinator. For student-researchers, there is the possibility of a research-oriented internship at the language and linguistics departments of the VUB, e.g. in preparation of a PhD or a research career. The student-researchers are expected to actively participate in an ongoing research project on multilingualism, multilingual education, language acquisition or language teaching at the VUB (e.g. with one of the internship supervisors) or elsewhere. Participation may involve one or more of the following research-related activities: • developing data collection procedures and materials (e.g. questionnaires, language tests, speech elicitation protocols) • collecting data • processing (e.g. transcribing) and/ or analysing data • self-study, to get acquainted with certain research methodological procedures (incl. statistics) on the basis of textbooks or online courses. Minimally thirty hours and maximally hundred and fifty hours should be spent ‘on site’ (i.e. on the premises of the organisation, school, company or research centre). The remaining time is spent on the preparation (incl. finding and contacting a mentor), writing (minimally two) short interim feedback reports to the internship supervisor, keeping a log book and producing a final written report. All the written assignments Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study 35 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0017 are in the target foreign language. The final report should contain a critical description of the internship provider and of the activities performed during the internship. It should also contain a scientific reflection linking practice to theory. Language form (accuracy), style (appropriateness; formal written language), cohesion and coherence (logical sequencing of sentences and paragraphs) are an essential part of the evaluation process. Both the Master’s thesis and the internship in a multilingual environment are believed to be good examples of implementing the pedagogical principles of multilingual research education offering the student researcher to practice translanguaging and mediation strategies, and developing learner autonomy in a multilingual environment where English is not the only target foreign language. Such learning by doing is also believed to lower foreign language anxiety in researchers who are working in a multilingual environment. 5. Conclusion The organisation of multilingual researcher education leads to the idea that the promotion of multiple languages other than English at universities is possible through an adequate approach to multilingualism pedagogy and can therefore be beneficial for the development of multilingual skills in researchers as part of the research institution’s internationalisation policy (s. also B RADLAW / H UFEISEN / N OELLE in this volume). Through the unique characteristics of Brussels, the city offers a truly multilingual location to practice research in an international and multilingual environment. Indeed, this situation allows for the development of multilingual and experience-based research methodologies. The advantages of multilingual research practices are plenty, such as promoting social cohesion and inclusion among researchers, general cognitive advantages, the promotion of open-mindedness and the development of intercultural sensitivity and intercultural communication and mediation skills and lowering negative emotions that may interfere with the language learning process fostering learner autonomy. The use of foreign languages other than English in this context could serve as a role model within the current internationalization policies of European universities. References A BUTALEBI , Jubin / G REEN , David W. 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Internationalisation is a key word for Higher Education Institutions (HEIs) in Germany. It also encompasses mobility policies in order to increase the numbers of incoming international students from all over the world as well as the numbers of outgoing national students. For this reason, English as lingua franca/ lingua academica is becoming the language of teaching and communication in German international university courses more and more. The authors argue that this attitude often labelled as English only neither mirrors nor exploits the vast multilingual repertoires of today’s societies in general and European HEIs in particular. Nevertheless, building truly inclusive (scientific) communities deeply committed to democratic and pluralistic principles allowing participation for all citoyennes and citoyens needs to encompass our multilingual and multicultural realities. Anchoring the concept of functional multilingualism in the institution’s internationalisation and languages strategies, the Technical University Darmstadt serves as an example of a German HEI following multilingual paths beyond German and English. 1. Zur Einführung Im Zuge der Internationalisierungsbestrebungen der deutschen Hochschulen werden immer häufiger sogenannte internationale Studiengänge etabliert. Das Attribut international ist dabei semantisch nicht eindeutig definiert, es bedeutet in diesem Zusammenhang in der Regel die Umstellung der Verkehrs- und Fachsprache in Forschung und Lehre von Deutsch auf Englisch (vgl. F ANDRYCH / S EDLACZEK 2012: 9, 11; H ET - TIGER 2019: 383; K RUMM 2021: 148). Damit rücken Aspekte des Sprachengebrauchs zunehmend in den Fokus: Die sich häufig aus vielen Nationalitäten zusammensetzende internationale Studierendenschaft an deutschen Hochschulen verfügt über ein * Korrespondenzadressen: Constanze B RADLAW M.A., Technische Universität Darmstadt, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, FG Sprachwissenschaft - Mehrsprachigkeit, Hochschulstraße 1, 64289 D ARMSTADT E-Mail: constanze.bradlaw@tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Internationalisierung und Sprachenpolitik an Hochschulen Prof. Dr. Britta H UFEISEN , Postadresse wie oben E-Mail: britta.hufeisen@tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Mehrsprachigkeitsforschung, Textkompetenz Stefanie N ÖLLE -B ECKER M.A., Postadresse wie oben E-Mail: stefanie.noelle-becker@tu-darmstadt.de Arbeitsbereiche: Linguistic Landscapes, Sprachenpolitik, Mehrsprachigkeit Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 39 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 reiches Sprachenrepertoire, und auch die BildungsinländerInnen sind sowohl durch ihre schulischen Fremdsprachenkenntnisse als auch durch diverse Herkunftssprachen oftmals mehrsprachig. Diese Sachlage befeuert den Diskurs über Mehrsprachigkeit nicht zuletzt im akademischen Kontext. Dabei stellen sich viele Fragen: Welche Sprachen nutzen wir zum Lehren, welche zum Kommunizieren, welches sind offiziell vorgegebene, welches alltäglich gebräuchliche Sprachen? Welche Rolle spielen die Sprachen, die internationale Studierende mitbringen? Ersetzt Englisch als Lehrsprache die Kommunikation in anderen Sprachen? Welche Rolle wollen wir Englisch zusprechen? Unser Beitrag versteht sich als einführender Überblick. Er versucht, die verschiedenen Dimensionen zusammenzuführen, in denen Mehrsprachigkeit an Hochschulen relevant ist. Dazu gehören Sprachenpolitik und -planung, sekundäre und tertiäre Bildungspolitik, europäische Hochschulpolitik sowie Aspekte des Sprachenerwerbs. Dabei versteht er sich als Plädoyer, mehr Mehrsprachigkeit - über Deutsch und Englisch hinaus - in den Hochschulen zu wagen. Mehrsprachigkeit wird nicht einheitlich definiert. Die Definition in diesem Beitrag folgt derjenigen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) und fasst zwei unterschiedliche Dimensionen: Als Plurilingualität oder Mehrsprachigkeit beschreibt der GeR die individuelle Mehrsprachigkeit einer einzelnen Person und als Multilingualität oder Vielsprachigkeit die Mehrsprachigkeit ganzer Gesellschaften (vgl. C OUNCIL OF E UROPE 2020: 34). Der Terminus Mehrsprachigkeit umschließt im Weiteren als eine Art Oberbegriff beide Dimensionen. Außerdem verstehen wir unter mehr-, pluri-, multi- oder vielsprachig immer mehr als zwei Sprachen (L1+L2+Ln). Zweisprachigkeit/ Bilingualität ist für uns ein Spezialfall, der eine eigene Nomenklatur hat.Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit fußt zunächst auf Überlegungen beziehungsweise bezieht Dimensionen ein, die an anderer Stelle bereits formuliert wurden, vor allem, wenn es um individuelle Sprachenverwendung geht. Diese Sichtweisen gehen davon aus, dass sich sprachliche Fertigkeiten von mehrsprachig Sprechenden auf unterschiedlichen Niveaus bewegen können. Insbesondere mit Blick auf mündliche Interaktion charakterisiert L ÜDI (2020) die Verwendung der verschiedenen Sprachenrepertoires als funktional: „Viele Menschen sind mehr oder weniger asymmetrisch mehrsprachig, d.h., sie besitzen Gebrauchskompetenzen in mehreren Sprachen auf sehr unterschiedlichem Niveau. Diese Sprachrepertoires werden in aller Regel funktional eingesetzt, also in einer Art, welche jedes Mal den größten symbolischen oder ökonomischen Nutzen verspricht“ (ebd.: 50). Dies bezeichnen G OGOLIN und L ÜDI (2015: o.S.) als individuelle Mehrsprachigkeit, bei der die Kommunikationsleistung unabhängig von Erwerb und Sprachenniveaus betrachtet wird. Wie bei B ERTHELE s (2010: 226) Konzept der mehrsprachigen kommunikativen Kompetenz kommt dabei dem Kontext der Sprachenverwendung eine besondere Bedeutung zu. Wir würden hierbei von mehrsprachiger Sprachenhandlungskompetenz sprechen, deren Zweck immer die Sicherstellung von gelingender Kommunikation ist. So sieht es auch F RANCESCHINI : „Unter funktionaler Mehrsprachigkeit versteht man deshalb allgemein die Fähigkeit, in mehr als einer Sprache kommunizieren zu können“ (2014: 40 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 o.S., Hervorhebung im Original). Die Auffassung eines flexiblen und dynamischen sprachlichen Repertoires, die auch unserer Auffassung von funktionaler Mehrsprachigkeit zugrunde liegt, hat Eingang in den aktuellen Begleitband des GeR gefunden, der die Förderung der plurilingualen Kompetenzen der Lernenden adressiert und diese wie folgt definiert: Mehrsprachigkeit wird als „ungleichmäßige und sich verändernde Kompetenz dargestellt, bei der die Ressourcen eines/ einer Sprachnutzenden/ Sprachlernenden in der einen Sprache oder Varietät sehr verschieden von den Ressourcen in einer anderen sein können“ (C OUNCIL OF E UROPE 2020: 34). Hier deutet sich die Ausweitung des Konzepts der funktionalen Mehrsprachigkeit über die individuelle Mehrsprachigkeit hinaus an, wie wir es in diesem Aufsatz vorstellen. Eine weitere Verwendung des Begriffs findet sich bei O ETER (2020: 330) in Bezug auf Gesellschaften und spezifische Domänen, in denen beispielsweise Englisch in seiner Funktion als Verbindungssprache verwendet wird und damit zu plurilingualer Sprachenverwendung in funktionalen Gefügen führt. Für uns hat das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit neben anderen auch ausgeprägte interkulturelle Dimensionen, die gesellschaftspolitisch kommunikationsfördernd oder hinderlich sein können: „Kunskaper i olika språk stärker oftast också interkulturell kompetens und förståelse, vilket spelar en viktig roll för sammamhållnigen i samhället och internationella kontakter“ (U NDERVISNINGS - OCH KULTURMINISTERIET o.J.: 7). 2. Mehrsprachigkeit als Bestandteil und Bildungsziel europäischer Lebensrealität Mehrsprachigkeit ist kein aktuelles Phänomen der Gegenwart, sondern eine konstante Begleiterin der Menschheit und ihrer Migrationsbewegungen. Aktuell wird der gesellschaftlichen Bedeutung individueller Mehrsprachigkeit ein besonders starkes öffentliches Interesse entgegengebracht. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einer liegt sicherlich in dem wirtschaftlichen Nutzen, den Mehrsprachigkeit im Umgang mit den unter dem Begriff Globalisierung subsumierten, die ganze Welt umspannenden Vernetzungs- und Beziehungsgeflechten bringen kann. Das Arbeiten in multidisziplinären und multikulturellen Teams profitiert nicht nur von angemessenen Englischkenntnissen aller Beteiligten, sondern auch von Kenntnissen der von den jeweiligen GeschäftspartnerInnen gesprochenen Herkunftssprachen und ihrer kulturellen Bezüge und Einbettung (vgl. z.B. M EYER 2015). Die Sprachensituation in Europa ist dabei im internationalen Kontext als einzigartig zu bezeichnen, denn durch die offizielle Sprachenpolitik der Europäischen Union (EU) hat die Sprachenvielfalt dieses Kontinents eine weltweit einmalige institutionelle Verankerung erfahren. Die mit Stand Dezember 2021 27 Mitgliedstaaten der EU verfügen über insgesamt 24 Amtssprachen mit 3 Alphabeten (Lateinisch, Griechisch und Kyrillisch). Mit dem im Jahr 2002 veröffentlichten sogenannten Barcelona-Ziel 1+2 empfiehlt der Europäische Rat erstmals Mehrsprachigkeit als Bildungsziel europäischer BürgerInnen (vgl. E UROPEAN C OUNCIL 2002: 19). Dieses Bestreben gewann Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 41 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 zusätzlich an Dynamik durch die oft als Grundsatzrede bezeichneten Ausführungen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel M ACRON im September 2017 an der Pariser Sorbonne. In seinem Plädoyer „Initiative pour l’Europe“ bezieht er sich direkt auf das europäische Sprachenrepertoire und fordert, dass „chaque étudiant parle deux langues européennes d’ici 2024“ (M ACRON 2017). Weiter führt er aus: „Nous devons créer des Universités européennes, réseaux d’universités qui permettent d’étudier à l’étranger et de suivre des cours dans deux langues au moins“ (ebd.). Tatsächlich kam es in der Folge dieser Rede zur raschen Formierung zahlreicher Europäischer Hochschulallianzen, die den Ausbau des Europäischen Hochschul- und Forschungsraums maßgeblich befördern. Aktuell gehören dem Europäischen Hochschulraum 48 Mitgliedstaaten an, er erschöpft sich also nicht in den Mitgliedstaaten der EU und ist somit bei weitem mehrsprachiger als die Union selbst. Die Schaffung dieses Raums wird begleitet von der eines gemeinsamen Europäischen Forschungsraums und steht mit ersterer in einem sowohl inhaltlich als auch strategisch engen Zusammenhang. Beide eint das übergeordnete Ziel einer zu fördernden Internationalisierung europäischer Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen, auch, um sich geeint im internationalen Wettbewerb um talentierte NachwuchswissenschaftlerInnen behaupten und möglichst prominent platzieren zu können. Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass internationale Studierende einen nicht zu vernachlässigenden ökonomischen Faktor darstellen, allerdings in Abhängigkeit von der Organisation des jeweiligen Hochschulsystems. Eine Studie von London Economics beziffert den Netto-Erlös durch internationale Studierende in Großbritannien mit 25,9 Milliarden Britischen Pfund, derzeit umgerechnet rund 30,6 Milliarden Euro (siehe ACA 2021: o.S.). Am Beispiel Australien beschreibt H ETTIGER (2021: 259f.), dass zur Sicherung der Einnahmen durch internationale Studierende die sprachlichen Eingangsniveaus gesenkt wurden, mit negativen Auswirkungen auf den akademischen Erfolg. Auch wenn die Finanzierung der deutschen Hochschullandschaft anders organisiert ist, so gibt es doch gravierende wirtschaftliche Auswirkungen durch eine Erhöhung der Zahl internationaler Studierender an deutschen Universitäten. Vor diesem Hintergrund sehen Kritiker neoliberaler Strömungen in der Hochschullandschaft eine Tendenz, Sprachenkenntnisse und dabei insbesondere die Beherrschung von Englisch als wirtschaftliche Ressource (commodity) zu betrachten, welche weitreichende Folgen für die Bewertung und Vermittlung von Sprachen im akademischen Kontext hat (vgl. H ELLER / D UCHÊNE 2016: 141). Auch in Deutschland stellen Studierende einen Wirtschaftsfaktor dar: Neben den Erfordernissen, die sich aus der Zugehörigkeit deutscher Hochschulen zur EU ergeben, ist ein weiterer wichtiger Ursachenfaktor für Internationalisierung der zahlenmäßige Rückgang inländischer Studierender. Um die Kapazitäten des deutschen Hochschulsystems in Zukunft wenigstens annähernd auszuschöpfen, sind die Hochschulen in Deutschland sehr um die Gewinnung ausländischer Studierender bemüht. 42 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 3. Die Internationalisierung der deutschen Hochschulen, Englishization und Mehrsprachigkeit Vor diesem Hintergrund wird in Deutschland unter dem Begriff Internationalisierung deshalb die Öffnung der deutschen Hochschulen für Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben, sowie für ausländische Dozierende und Forschende gefasst. Sie wird als Notwendigkeit zeitgemäßer Hochschulpolitik und -entwicklung angesehen, weshalb die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ihrer Internationalen Strategie (2012: 3) folgende These voranstellte: „Die Hochschule der Zukunft ist eine transnationale Hochschule“. In ihren „Empfehlungen zur Internationalisierung von Hochschulen“ (2018) definiert sie die „[…] Internationalisierung der Wissenschaft als ein[en] Prozess zunehmender grenzüberschreitender Aktivitäten und länderübergreifender Kooperationen“ (HRK 2018: 18). Begleitet wird dieser Prozess oft von hochschulspezifischen Internationalisierungsstrategien, die zusätzlich durch Sprachenstrategien ergänzt werden können. Diese gehen allerdings sehr selten explizit auf Mehrsprachigkeit oder auf diesbezügliche sprachenpolitische Vorgaben seitens der EU ein, sondern konzentrieren sich meist auf die Umstellung auf Englisch als Lehrsprache bzw. den Ausbau englischsprachiger Studiengänge (vgl. G ÖPFERICH 2021: 95) sowie die Etablierung des Englischen als zweiter Gremiensprache. Dieses Vorgehen wird mit unterschiedlichen Termini wie z.B. Englishization (z.B. H U 2018: 372) oder Anglisierung (z.B. R ABE 2016) belegt. Dabei wird gerne vergessen, dass es zwischen Studiengängen in ausschließlich deutschsprachiger oder ausschließlich englischsprachiger Version viele Varianten geben kann. So kann ein Studiengang zwar rein auf Englisch beginnen, den Studierenden kann aber im Laufe des Studiums durchaus abverlangt werden, soweit Deutsch zu lernen, dass sie spätestens im letzten Semester Veranstaltungen auf Deutsch besuchen können (vgl. A LTHAUS et al. 2014). Die Dominanz des Englischen als lingua franca bzw. lingua academica erscheint im akademischen Kontext bisweilen so weit vorangeschritten, dass sich die internationale Wissenschaftsgemeinschaft auf sie zum einen als gemeinsamen Nenner bereits abschließend geeinigt haben mag, zum anderen scheint man im deutschen Hochschulkontext im Sinne von „Publish in English or Perish in German“ (G NUTZMANN / J AKISCH / R ABE 2015) die Unvermeidlichkeit des Englischen als gemeinsame Kommunikations- und Publikationssprache weitestgehend akzeptiert zu haben (vgl. F ORSDICK 2018: 76 sowie die Diskussion in V IEBROCK / M EIER / A L S ABAHI in diesem Band). Kommen internationale Studierende und GastwissenschaftlerInnen in universitären Lehr- und Forschungsformaten womöglich gut mit Englisch und ohne oder lediglich basalen Kenntnissen der (deutschen) Umgebungssprache zurecht, so kann dadurch dennoch die soziale und später auch berufliche Integration in der Hochschule oder am Arbeitsplatz maßgeblich erschwert oder verhindert werden (vgl. F ANDRYCH / S EDLACZEK 2012: 47f.). Eine weitere Erschwernis für das Gelingen von Studium und Lehre sind für den wissenschaftlichen Gebrauch ungenügende Englischkenntnisse, die Lehrende ihren Studierenden, und zwar inländischen wie ausländischen gleichermaßen, vorwerfen und vice versa (vgl. E ARLS 2014: 18). Das Spektrum Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 43 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 der gegenseitig unterstellten Unzulänglichkeiten ist breit und reicht von fachsprachlichen und allgemeinsprachlichen Defiziten (vgl. A IREY 2012: 74-76) über Schwierigkeiten beim Verstehen ungewohnter Aussprachen (vgl. M ITTERER / E GER / R EINISCH 2020) bis hin zu ungenügenden Kenntnissen der diversen Varietäten der International Englishes (vgl. E ARLS 2014). „Internationalisierung einer Hochschule ohne Professionalisierung der Lehrenden im Umgang mit Mehrsprachigkeit birgt […] Gefahren für den Lernerfolg der Studierenden und ihrer Kommunikationsfähigkeit in multilingualen Gesellschaften“ (G ÖPFERICH 2021: 96). Die Gleichsetzung von Internationalisierung an deutschen Hochschulen mit einer sprachlichen Situation, die als English only bezeichnet werden kann, droht dabei im Zuge eines möglichen Domänenverlustes (erneut) in einen monolingualen Habitus abzurutschen (vgl. F OSCHI A LBERT / F AISTAUER 2019: 88f.): Die Emanzipation vom Lateinischen als Wissenschaftssprache war ein jahrhundertelanger Prozess, verbunden mit großen Mühen und Anstrengungen. Nun erscheint Englisch mancherorts als das „neue Latein“ (F ORSDICK 2018: 76). In diesem Zusammenhang ist es wichtig herauszustellen, dass die Wissenschaft und das Generieren von Erkenntnissen vom Austausch über sprachliche und fachliche Grenzen hinweg leben und insofern per se auf Mehrsprachigkeit angelegt sind. Der internationale wissenschaftliche Diskurs wird auf den ersten Blick durch Englisch sehr erleichtert; nichtsdestotrotz können Kenntnisse in weiteren und anderen Sprachen für spezifische Wissenschaftskontexte immanent bzw. konstituierend sein: Ohne Kenntnisse des Chinesischen wäre keine Sinologie möglich, ohne Kenntnisse des Deutschen könnten bedeutende Werke der Philosophie nicht im Original rezipiert werden. Die Akzeptanz und auch die Notwendigkeit der Verwendung des Englischen variieren allerdings stark. Sie hängen u.a. von den Diskurskonventionen der einzelnen Disziplinen ab und berühren Aspekte der wissenschaftlichen Kooperations- und Wettbewerbsfähigkeit sowie der internationalen Sichtbarkeit (vgl. D I B ITETTI / F ERRERAS 2017: o.S.) - auch innerhalb der jeweiligen Wissenschaftsgemeinschaft. Indes stehen seit geraumer Zeit die Ansprüche, die an (fremd)sprachliche Kompetenzen im Allgemeinen und an (fremd)sprachliche Hochschulzulassungsanforderungen im Speziellen gestellt werden, auf dem Prüfstand. So stellt beispielsweise A LTHAUS (2018: 93-95) die existierenden Praktiken der Festlegung und Testung sprachlicher Studienzulassungsvoraussetzungen in Deutschland in sehr grundsätzlicher Art in Frage, zumal sie die allgemeine Studierfähigkeit berühren können. Allerdings sind diese Ansprüche, neben allgemeinen Sprachenwandelerscheinungen, auch in Zusammenhang mit dem fortschreitenden Abrücken vom sprachlichen Ideal von ErstsprecherInnen zu stellen. War der Blick (und die Beurteilung) von Standardsprachen selbst nach der kommunikativen Wende ab den 1970er Jahren immer noch stark normativ geprägt, so weitet sich dieser aktuell im Zuge einer Hinwendung zu einer stärker diversifizierenden und realitätsnäheren Sichtweise mit Schwerpunkt auf Aspekten der Handlungsorientierung und Angemessenheit: „Sowohl das Beschreibungssystem des GeR als auch der handlungsorientierte Ansatz stellen die gemeinsame Konstruktion von Bedeutung (durch Interaktion) in den Mittelpunkt des Lehr-/ 44 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 Lernprozesses“ (C OUNCIL OF E UROPE 2020: 34). Im Begleitband des GeR steht in diesem Zusammenhang „Paradigmenwechsel“ (ebd.: 31), da die in ihm dargestellten Kann-Beschreibungen davon ausgehen, „was Sprachnutzende/ Lernende mit Sprache tun können sollen“ (ebd.) und sich von einer „linearen Progression“ (ebd.) beim Sprachenlernen sowie von einer Fokussierung auf Defizite abwenden. Dieser Standpunkt bezieht explizit die mehrsprachliche Lebensrealität als menschlichen Kommunikationsstandard mit ein, wobei Dynamik ein wesentliches Charakteristikum dieses Standards ist. Dabei wird C2 als höchste Niveaustufe des GeR zwar als kompetente Sprachverwendung (Master) bezeichnet, dies bedeutet aber nicht, dass eine muttersprachliche oder fast muttersprachliche Kompetenz erreicht ist. Beabsichtigt ist nur, die Präzision, Angemessenheit und Leichtigkeit zu charakterisieren, welche die Sprache dieser sehr erfolgreich Lernenden auszeichnen (ebd.: 44). Genau hier setzt das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt an, welches anerkennt, dass selbst L1-Sprechende und -Schreibende keineswegs stets in allen Fertigkeiten C2 erreichen würden und dennoch berücksichtigt, dass es im Wissenschaftsbetrieb Situationen gibt, in denen die hochpräzise und detaillierte korrekte Ausdrucksweise notwendig ist, egal in welcher Sprache (vgl. G ÖPFERICH s Gegenüberstellung von Sprache als Kommunikationsmittel und Sprache als Denkwerkzeug, 2021: 99). 4. Funktionale Mehrsprachigkeit als Sprachenhandlungskompetenz Funktionale Mehrsprachigkeit bezeichnet Sprachenhandlungskompetenzen 1 in mehreren Sprachen, die für eine spezifische Situation, eine bestimmte Domäne und den jeweiligen Kommunikationskontext angemessen sind. Dabei wird u.a. zwischen den einzelnen Fertigkeiten differenziert (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen sowie Sprachenmitteln und Hörsehverstehen) und auf eine Nutzung derjenigen Fertigkeit(en) gesetzt, die in einer Situation oder einem Sachverhalt notwendig und angemessen sind. So ist gerade im universitären Kontext das Hörsehverstehen eine solche Fertigkeit, die Studierende bei Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen besonders benötigen. Hier erfolgt neben Hören und Sehen sogar der Einsatz einer weiteren Fertigkeit, nämlich Schreiben. Indem die einzelnen Fertigkeiten situationsspezifisch betrachtet werden, können sie den jeweils benötigten Sprachenstand präzise abbilden. So lesen Forschende beispielsweise französischsprachige wissenschaftliche Beiträge in ihrem Forschungsfeld, sprechen es aber nicht, verstehen auch nur wenig gesprochenes Französisch, und zu schreiben brauchen sie es nicht. Für sie reicht die Fertigkeit Lesen in ihrem beruflichen Kontext vollkommen aus. Auch der Wissenschaftsrat berücksich- 1 Wir verwenden bewusst den Plural, um zu verdeutlichen, dass SprecherInnen in den beschriebenen Kontexten in mehreren Sprachen, Varietäten, Soziolekten etc. denken, sprachenhandeln, sprachenmitteln, um zu kommunizieren. Der Plural verdeutlicht, dass im Sprachenmittlungsprozess immer zwei oder sogar mehr Sprachen verwendet werden. Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 45 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 tigt die Unterschiedlichkeit sprachlicher Anforderungen je nach Kontext und Situation in seinen „Empfehlungen zur Internationalisierung von Hochschulen“ und schlägt als Maßnahme vor, „ein Sprachenkonzept [zu] erarbeiten, das zwischen Unterrichts-, Prüfungs-, Fach- und Verkehrssprache unterscheidet“ (W ISSEN - SCHAFTSRAT 2018: 11). Indem sich funktionale Mehrsprachigkeit an konkreten Kontexten orientiert, ist sie dynamisch und anpassungsfähig. Ihre Dynamik kann sich beispielsweise darin ausdrücken, dass Teilnehmende einer Tagung an der chinesischen Partneruniversität einige chinesische Wendungen aufgreifen, um sie im Laufe der Tagung zu verwenden und Interesse und Entgegenkommen zu signalisieren. Das erfreut die Gastgeber, weil sie sich wertgeschätzt fühlen, und erleichtert vielleicht sogar Gespräche und Verhandlungen auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Später werden diese Wendungen vielleicht im Langzeitgedächtnis integriert oder aber vergessen, weil sie nicht mehr benötigt werden. Sprachenhandlungskompetenz bedeutet also, dass die SprecherInnen produktiv und/ oder rezeptiv alle Sprachenhandlungen, die für den jeweiligen Kontext relevant sind, in den Sprachen vollziehen können, die ihr Sprachenrepertoire bilden. Sie sprachenhandeln. Dabei gilt, dass mit Sprachen nicht nur National-, Wissenschafts- oder Kultursprachen wie Deutsch, Spanisch, klassische Sprachen wie Latein und Altgriechisch oder Herkunftssprachen zugewanderter MitbürgerInnen gemeint sind, sondern auch Dialekte und Varietäten, Fachsprachen oder Sprachen mit vergleichsweise wenigen SprecherInnen wie Schweizerdeutsch. Mit dieser Schwerpunktsetzung werden SprecherInnen jedweder Sprache(n) als sozial Handelnde begriffen, die bei und mit ihrer sprachlichen Interaktion Bedeutungen schaffen. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der individuellen Sprachenrepertoires SprecherInnen unterschiedlich sprachenhandeln, weil sie andersartige Anforderungssituationen bewältigen müssen. So tauscht sich ein Gärtner mit seinem Kollegen in beider Herkunftssprache fachkundig auf Serbisch aus, eine Professorin tut dies in ihrer Arbeitssituation mit ihren südafrikanischen KollegInnen auf Englisch. Dies geschieht immer auf verschiedenen sprachlichen Ebenen, auch in der/ den Erstsprache(n), denn menschliche Kommunikation ist multimodal und schließt zum Beispiel im persönlichen Gespräch körperliche Ausdrucksmöglichkeiten wie Mimik, Gestik etc. mit ein bzw. kann das gesprochene Wort sogar ganz ersetzen. Auch in ihren L1 passen SprecherInnen ihre Sprache(n) und Sprechweise(n), oft intuitiv, der spezifischen Kommunikationssituation an. So ist im Gespräch mit einem kleinen Kind beispielsweise häufig zu beobachten, dass Erwachsene unvermittelt in eine höhere Stimmlage wechseln, ihr Sprechtempo verlangsamen und sich aus ihrer Sicht einfacherer Wörter und Satzkonstruktionen bedienen. Desgleichen erfolgt das Wechseln in einen allen GesprächsteilnehmerInnen bekannten Dialekt oft ohne explizit getroffene Übereinkunft. Sie geschieht aus der Situation heraus und kann sehr zu einem Gemeinschaftsgefühl und zum Gelingen der Kommunikation beitragen. Diese verschiedenen Verwendungen ein und derselben Sprache in funktionalen Zusammenhängen wird als „innere Mehrsprachigkeit“ (z.B. W ANDRUSZKA bereits 1979) einer 46 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 Person bezeichnet. Das Verwenden unterschiedlicher Sprachenregister ist ebenfalls ein Ausdruck von Angemessenheit und, im fremdsprachlichen Kontext, von inter- oder transkultureller Kompetenz und kann hier wesentlich zur Herstellung eines Gemeinschaftsgefühls oder einer von allen Beteiligten geteilten metasprachlichen Kommunikationsebene beitragen. Auf diese Weise berücksichtigt das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit, dass das Sprachenrepertoire einer Person ein dynamisches System darstellt und deshalb veränderlich ist. Diese Sichtweise findet sich in vielen Modellen in der Mehrsprachigkeitsforschung wieder (siehe beispielweise die Beiträge in G OGOLIN et al. 2020). Ihr inhärent ist ein hohes Maß an Flexibilität, Toleranz und Empathie gegenüber Phänomenen, die sich typischerweise aus authentischen mehrsprachlichen Sprech- und Denkweisen ergeben und die die mentale Verknüpfung der verschiedenen Sprachensysteme einer Person belegen. Code-Switching oder Code-Meshing erfahren insofern eine Neubewertung, als dass sie im Sinne eines Translanguaging 2 als die den Sprachenwechsel begleitenden Normalfälle und nicht als Defizite definiert werden. Die mitunter hochkomplexen Situationen urbaner und transnationaler Kommunikation, wie sie auch mit dem Begriff des Metrolingualism beschrieben werden (vgl. O TSUJI / P ENNYCOOK 2010: 246) und sich in sprachlich, kulturell und ethnisch superdiversen Settings darstellen, verlangen nach kreativen Lösungen, um Kommunikation gelingen zu lassen: We are facing serious Post-Multilingualism challenges […] where simply having different languages is no longer sufficient either for the individual or for society for a whole, but multiple ownerships and more complex interweaving of languages and language varieties, and where boundaries between languages, between languages and other communicative means, and the relationship between language and the nation-state are being constantly reassessed and challenged (L I 2017: 15). Das Hin- und Herwandern zwischen verschiedenen Sprachen zeugt insbesondere in polyglotten Kommunikationssituationen von dem Bemühen der SprecherInnen, ihre Gedanken mit einem Höchstmaß an sprachlicher Präzision zum Ausdruck zu bringen und so zu einem optimalen gegenseitigen Verstehen beizutragen. Auch sprachökonomische Gründe kommen hier zum Tragen, denn es ist effizienter, in der Sprache zu sprechen, in der der Gedanke mental geformt wird, als Zeit zu investieren, um nach einer passenden Übertragung oder Übersetzung in eine andere Sprache zu suchen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Verständigung, weshalb die Übertragung eher sinngemäß als wortwörtlich vorgenommen wird. Auch in Bezug auf historische Realitäten leistet das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit einen wichtigen Beitrag dazu, anachronistische Vorstellungen zu 2 Gleichzeitig weist der Ansatz des Translanguaging nach L I (2017: 27) über die eigentliche Sprachenhandlung hinaus, da er vielmehr eine Forschungsperspektive darstelle, die nicht nur herkömmliche sprachliche Systeme in Frage stelle, sondern auch über die Disziplinen hinweg neue Sichtweisen auf das Sprachenlernen eröffne. Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 47 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 überwinden, denn die Gleichwertigkeit, die sie allen Sprachen der Welt zuspricht, trägt dazu bei, Resultate kolonialer Sprachendiktaturen zu bewältigen und zu überwinden. Die mit Mehrsprachigkeit einhergehende Vielfalt zielt somit auf das Respektieren menschlicher Diversität und unterschiedlicher Formen der Lebensgestaltung. Das Sprachenrepertoire von HerkunftssprecherInnen birgt in diesem Zusammenhang großes Potential, wenn es darum geht, einander zu verstehen, zwischen verschiedenen Standpunkten zu vermitteln und gemeinsam Lösungen zu finden, denn die SprecherInnen sind nicht nur Sprachen-, sondern auch Werte- und KulturmittlerInnen. So kann funktionale Mehrsprachigkeit Anteil daran haben, Bildungsungerechtigkeiten auszugleichen, indem die Hervorhebung einzelner Sprachen abgeschwächt wird und die Bedeutung und Relevanz von Sprachen und ihren Varietäten gestärkt werden. Fragen des Sprachenprestiges treten bei dieser Betrachtungsweise in den Hintergrund, welche bei einer rein dichotomen Sprachenverwendung Deutsch-Englisch virulent durchscheinen. 5. Funktionale Mehrsprachigkeit am Beispiel der europäischen Technischen Universität Darmstadt Mit der Wahl eines neuen Präsidiums 2019 erfolgte an der Technischen Universität Darmstadt (fortan TU Darmstadt) eine konzeptionelle Neuausrichtung: Das Amt des bisherigen Vizepräsidenten für Transfer wurde um das Ressort Internationalisierung erweitert. Als eine von sieben Teilstrategien bildet die in dessen Aufgabenbereich fallende Internationalisierungsstrategie einen Bestandteil des neu zu entwickelnden bzw. des neu entwickelten innovativen Strategiekonzeptes der TU Darmstadt. Eines der Ziele der Internationalisierungsstrategie ist dabei, die Hochschule zu einer „mehrsprachigen Institution“ (D IE P RÄSIDENTIN DER T ECHNISCHEN U NIVERSITÄT D ARMSTADT 2020: 79) zu entwickeln. Im Rahmen des gesamten Strategiekonzeptes der TU Darmstadt (vgl. ebd.) entsteht ein Sprachenkonzept, für das dieser Beitrag ein Hintergrundbaustein ist. Dieses Sprachenkonzept beauftragt der Vizepräsident für Internationales und beruft Fachleute für seine Erstellung. Dabei ist funktionale Mehrsprachigkeit ein integraler Bestandteil der Internationalisierungsstrategie (ebd.: passim). Dieser Ansatz reflektiert ihr Selbstverständnis als „Europäische Universität“ (ebd.: 77). Als Technische Universität übernimmt die TU Darmstadt hier die Rolle einer Vorreiterin: Dass neben den internationalen auch Studierende aus zugewanderten Familien einerseits fach- und studienbezogene Deutschförderung brauchen, andererseits aber auch sprachliches Kapital mitbringen, das derzeit an den Hochschulen nicht kapitalisiert werden kann […], wird an den Hochschulen bisher noch nicht in vollem Umfang wahrgenommen. Die Ausarbeitung von Mehrsprachigkeitsstrategien an Stelle einer allein auf Englisch ausgerichteten Sprachenpolitik stellt an den Hochschulen ein sprachenpolitisches Desiderat dar (K RUMM 2021: 148, Hervorhebung im Original). Wie das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt aussieht, soll im Folgenden an einigen beispielhaften Kommunikationssituationen veranschau- 48 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 licht werden. Diese trugen entscheidend dazu bei, in den Gremiensitzungen, bei denen über das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit teilweise sehr kontrovers diskutiert wurde, Überzeugungsarbeit zu leisten. Wichtig waren hierbei die bereits oben angesprochenen Aspekte des (noch) nicht Perfekten, des Situativen, des momentan Notwendigen an Sprachlichkeit. Sie sind u.a. Ausdruck der ungeheuren Dynamik nicht nur der institutionellen Transformationsprozesse an Hochschulen in Deutschland und anderswo allgemein, sondern auch speziell der akademischen Mehrsprachigkeitsdebatte. Neben der oder den L1 sollen, und das möglichst früh, wenigstens zwei Fremdsprachen erworben werden, wobei diese idealerweise eine überregionale Verständigungssprache wie Englisch oder Spanisch sowie eine Minderheiten- oder Nachbarsprache umfassen, wie die von der Intellektuellengruppe der Europäischen Kommission vorgeschlagene „persönliche Adoptivsprache“ (E UROPÄISCHE K OMMISSION 2008: 7) als Gegengewicht zur Verkehrssprache. Eine dieser Sprachen kann daher eine sein, die man im Urlaub verwendet, weil man immer wieder gerne in dieses eine Land fährt, oder weil man dort immer wieder universitäre Projekte durchführt. Dann kann es praktisch sein, in dieser Landessprache sprachenhandlungskompetent zu sein, d.h. sie auf einem Niveau benutzen zu können, um beispielsweise mit Universitätsangehörigen außerhalb des eigenen Projektverbunds in einem lockeren Plauderton kommunizieren zu können. Dabei kann funktionale Mehrsprachigkeit den Erkenntnisprozess befördern, wie H U (2018: 379) anhand mehrsprachiger Seminarmitschriften an der Universität Luxemburg nachwies, bei denen das Einbeziehen mehrerer Sprachen „ein tieferes Verstehen und Verarbeiten“ der im Seminar vorgestellten Inhalte ermöglicht. Gleichzeitig gilt es, die Gleichwertigkeit der Sprachen zu betonen. Bei funktionaler Mehrsprachigkeit gibt es keine wichtigen oder unwichtigen, wertvollen oder wertlosen Sprachen. Zweifelsohne sind Deutsch und Englisch an der TU Darmstadt auf den ersten Blick die nützlichsten, trotzdem sind andere Sprachen ebenfalls wichtig und in bestimmten Situationen vielleicht sogar nützlicher als diese beiden. Gerade die sogenannten Herkunftssprachen erfahren in diesem Kontext eine wichtige Aufwertung als Beitrag zur sprachlichen Diversität an der Hochschule. Wenn z.B. ein ERASMUS-Student aus der Türkei einen bestimmten Sachverhalt weder auf Deutsch noch auf Englisch versteht (z.B. weil das verhandelte Verfahren in der Türkei so nicht existiert), ist es sehr hilfreich, wenn jemand mit entsprechenden Kenntnissen sprachenmittelnd eingreifen und durch Übersetzung oder Erklärung die Verständnisprobleme lösen kann. Funktionale Mehrsprachigkeit trägt daher zu einem guten Verstehen bei, denn sie lässt zu, auf weitere Sprachen auszuweichen und sie miteinzubeziehen, wenn die Gedanken in der einen Sprache nicht zufriedenstellend zum Ausdruck gebracht werden können. So kann Sprachenmittlung zwischen Menschen mit verschiedenen Erstsprachen zu gelingender Verständigung beitragen. Beispiele einer solchen Sprachenmittlung könnten Nachfragen, Wechsel in eine der Erstsprache(n) der SprecherInnen oder eine Übersetzung im Sinne einer inhaltlichen Übertragung sein. Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit 49 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 Zur Herstellung von Verständigung wird in solchen mehrsprachigen Kommunikationssituationen häufig auf Englisch zurückgegriffen. Zwar umfasst funktionale Mehrsprachigkeit derzeit an der TU Darmstadt auch Englisch, aber es sollte immer klar sein, dass meist die jeweilige Erstsprache in einer englischsprachigen Version gesprochen wird. Sprachensozialisation, also die erzieherische Vermittlung dessen, was in einem spezifischen sprachlichen und kulturellen Kontext als angemessen gilt, erfolgt in der Regel in unserer/ n Erstsprache/ n. Die kulturell gefärbte, individuelle Sprachensozialisation scheint auch im Gebrauch einer Fremdsprache durch (vgl. z.B. B OLTEN 2006). 6. Fazit Im Kontext Hochschule bietet funktionale Mehrsprachigkeit einen Anlass, Entstandenes und Entstehendes in einer lebendigen Sprachenpraxis verschmelzen zu lassen und demokratische, wissensgenerierende sowie inkludierende Prozesse zu initiieren und zu begleiten. Funktionale Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft ermöglicht die Integration unterschiedlicher Sichtweisen und befördert die Entwicklung von Wissen und Erkenntnissen. Sie bildet zukünftige Sprachenverwendung bereits heute als Ausdruck einer diversen Gesellschaft ab, in der Sprachen nicht streng an Nationen, Staaten, Ethnien oder Kulturen gebunden sind, sondern individuell je nach Kontext eingesetzt und mit anderen Sprachen kreativ verknüpft werden. Das Konzept greift damit aktuelle gesellschaftliche Veränderungen auf und bezieht sie bereits jetzt in akademisches Handeln mit ein. In den oft superdiversen und hochkomplexen Kontexten unserer alltäglichen Kommunikationssituationen beobachten wir die Mischung unterschiedlicher Sprachenrepertoires, oder mischen Sprachen aktiv selbst. Welche Sprache(n) der Welt im Laufe der weiteren Menschheitsgeschichte für Gesellschaften und ihre Institutionen lokal, regional und global Bedeutung erreichen, können wir heute noch nicht wissen. Aber wir können uns und alle AkteurInnen der Universitäten darauf vorbereiten - indem wir Mehrsprachigkeit fördern und so über die oben beschriebene Inklusion aller zeigen, dass funktionale Mehrsprachigkeit eine demokratische Grundhaltung fördert und abbildet, was wir an anderer Stelle weiter vertiefen werden. Damit kommen wir unserem Auftrag nach, alle Mitglieder der Hochschulgemeinschaften nachhaltig zu bilden, zu fördern und im Sinne unserer europäischen Werte Gleichheit und Solidarität zu schaffen sowie (Sprachen-) Barrieren abzubauen. Gemeinsam werden wir so zu Handelnden, die akademische Kommunikations- und Erkenntnisprozesse aktiv mitgestalten und die angesichts der globalen Herausforderungen notwendige gesellschaftliche Transformationsprozesse in demokratischer Weise befördern. Lasst uns also mehr Mehrsprachigkeit wagen! 50 Constanze Bradlaw, Britta Hufeisen, Stefanie Nölle-Becker DOI 10.24053/ FLuL-2022-0018 51 • Heft 2 Literatur A CADEMIC C OOPERATION A SSOCIATION (ACA) (2021): „Economic benefit of int. students in the UK“. https: / / aca-secretariat.be/ newsletter/ economic-benefit-of-international-students-in-the-ukpre-pandemic-rise-but-what-next/ (07.12.2021). A IREY , John (2012): „‘I don’t teach language’. The linguistic attitudes of physics lecturers in Sweden“. In: AILA Review 25, 64-79. A LTHAUS , Achim / H UFEISEN , Britta / K LEPPIN , Karin / K OREIK , Uwe / L UCKSCHEITER , Roman / R OCHE , Jörg / R ÖSLER , Dietmar / T HIMME , Christian / W ERNER , Jürgen (Hrsg.) 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The main purpose of this article, therefore, is to examine how research on plurilingualism is developed in a context where researchers from different language backgrounds work together in plurilingual collaborative research teams. Framed by the European project ENROPE, which enables networking structures for researchers in the field of language education and plurilingualism, the study was conducted during a plurilingual intensive study week in Barcelona (June-July 2021). The participants of the study are researchers, professors and PhD candidates from different European Universities developing research on plurilingualism. Relevant factors, such as the role of the English language and the role of languages other than English in plurilingual contexts, specific collaborative strategies and practices or the plurilingual identity are analysed. Initial results regarding the benefits and drawbacks of collaborating in plurilingual teams are discussed. 1. Introduction ENROPE (European Network for Junior Researchers in the Field of Plurilingualism and Education) is “an international, cooperative project aiming to provide high-quality qualification and networking structures for junior researchers in the field of plurilingualism and language education” which ensures “an interand transdisciplinary environment for academic exchange and reflection” (https: / / enrope.eu). The following study conceives ENROPE as a plurilingual collaborative setting which enables plurilingual competences through the use of language repertoires as well as English as a facilitator language and identity negotiation. Framed by the most recent research in plurilingual collaborative connections, language use and identity negotiations, this study focuses firstly on the linguistic repertoire of the participants, referred to as ‘own languages’ (cf. C OOK 2012) in the present article, and how the use of these languages enables the development of plurilingual competence of junior researchers. It also * Contact addresses: David S OLER O RTÍNEZ , PhD, FPCEE-Blanquerna, Universitat Ramon Llull. Carrer del Císter, 34, 08022 B ARCELONA , Spain E-mail: Davidso1@blanquerna.url.edu Research areas: CLIL, Plurilingualism, Educational innovation, Educational leadership. Caterina S UGRANYES E RNEST , PhD, FPCEE-Blanquerna, Universitat Ramon Llull. Carrer del Císter, 34, 08022 B ARCELONA , Spain E-mail: Caterinase@blanquerna.url.edu Research areas: Plurilingualism, Use and visibility of own languages. 54 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 examines how these collaborative strategies in plurilingual settings can favour the development of plurilingual competence. Secondly, it looks at the role of English as a facilitator language within plurilingual collaborative settings. The third field of research upon which this study is based, focuses on defining the identity of the junior researcher in plurilingual collaborative settings by addressing the concepts of identity negotiation and development. The article then explains the ENROPE project, the context referred to in this study and defines the participants involved. Through a thorough analysis of the data collected, results will be presented in view of the aims identified previously. Final conclusions point to the fact that in collaborative settings such as ENROPE, English is perceived as a facilitator language which promotes the use of one’s own languages and the development of metalinguistic awareness. Moreover, collaborative strategies are favoured and plurilingual identity awareness is promoted. 2. Setting the scene: ENROPE as a plurilingual collaborative space for using own languages As stated in the ENROPE Handbook (ENROPE 2021: 6), “ENROPE operates at the interface of language education research, language teaching and professional development to develop more plurilingual mind-sets and practices in education and research”. For the purpose of the present study, ENROPE is therefore conceived as a plurilingual setting in which own languages and experiences are not only acknowledged but also encouraged to interrelate and interweave in order to generate new linguistic practices. This study adopts the definitions put forward by the Common European Framework for Languages (cf. C OUNCIL OF E UROPE 2001, 2020) in relation to multilingualism and plurilingualism. Plurilingualism emphasises the fact that an individual person’s experience of language in its cultural contexts expands from the language of the home to that of society at large and then to the languages of other peoples. He or she does not keep these languages and cultures in strictly separated mental compartments but rather builds up a communicative competence to which all knowledge and experience of language contributes and in which languages interrelate and interact (C OUNCIL OF E UROPE 2020: 123). Multilingualism on the other hand focuses on the use of more than one language either by an individual speaker or by a group of speakers. Authors such as A RONIN / S INGLETON (2012) and C ONTEH / M EIER (2014) refer to multilingualism from a plurilingual perspective. In plurilingual spaces, individuals integrate their own languages (cf. G ARCÍA / W EI 2014) and promote plurilingual competence, the ability to use - in different ways and forms of communication − the different languages a person knows (cf. C OUNCIL OF E UROPE 2020). A plurilingual speaker therefore, makes use of their integral linguistic repertoire (cf. M EIER 2017). As suggested by W EI (2017), within these spaces, language practices are not only brought together to extend their language repertoire, but also for “sophisticated metalinguistic awareness” (G ARCÍA / W EI 2014: 228) to Understanding the plurilingual researcher in context 55 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 develop. In plurilingual settings, mainstream language and cultural practices, which are commonly developed, are transformed (cf. G UITIÉRREZ / B AQUEDANO -L ÓPEZ / T EJADA 1999). Plurilingual competences, moreover, can be effectively developed through the use of collaborative strategies in plurilingual spaces. In this study, collaborative strategies are defined as the active exchange of ideas in small group interactions with the objective of completing or achieving specific shared goals (cf. L AW / C HUNG / L EUNG / W ONG 2017). The effectiveness of collaborative strategies, however, may vary on different factors, such as the quality of the interactions or the type of goal to be achieved (cf. G ÖMLEKSIZ 2007). What role does English have in plurilingual collaborative settings? How can communication be guaranteed and plurilingual competence developed in a research context where many languages coexist? The following section addresses the above questions by suggesting that, despite widespread belief that English substitutes the use of other languages in multilingual contexts, English may be conceived as a language that facilitates communication and favours plurilingual development. 3. English as a facilitator language within plurilingual settings The ENROPE language policy document defines English as a Lingua Franca (henceforth ELF) which is the language used in “the negotiating act of mediating between interlocutors with varied multilingual repertoires” (J ENKINS 2015: 55). The viewpoint put forward in this study claims that English may be conceived as an opportunity language (cf. P ENNYCOOK 2011) in plurilingual collaborative settings and not as a threat to other lesser spoken languages as would be generally believed, as English in this context may not be a predator language (cf. H ORNBERGER 1997) which would annihilate other languages. As P ENNYCOOK (2007: 111) suggests: If we are concerned about the relation between English and lesser used languages, the way forward may be not so much in terms of language policies to support other languages over English but rather in terms of opposing language ideologies that construct English in particular ways. In the context concerning this study, it is suggested that ELF is a language for facilitating communication and for developing plurilingual competence. The challenge of a setting such as ENROPE is to enable plurilingual competence by promoting the free use of different languages of the participant. It has been explored that a critical approach to English can be used to support other languages (cf. G OITIA / S UGRANYES 2011; L ÓPEZ -G OPAR / J IMÉNEZ / D ELGADO 2014; S UGRANYES / G ONZÁLEZ D AVIES 2014) and similar studies point to the fact that the learning context where English is the means of instruction can be conceived as a possible space for plurilingual competences to develop (cf. S UGRANYES 2017). Nevertheless, effective plurilingual competence goes hand in hand with recognition and the development of plurilingual identity 56 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 (cf. S TRATILAKI 2014) by negotiating and renegotiating our sense of self in relation to the larger social world and reorganising that relationship across time and space (cf. S UGRANYES 2017). The following section attempts to understand the identity of the researcher within plurilingual settings. 4. The plurilingual identity of language users in plurilingual settings One of the aims of the ENROPE project is to promote meta-reflection with regard to one’s own role as a researcher in a plurilingual context (ENROPE Handbook 2021: 11). This relates to understanding how the identity of the researcher in a plurilingual collaborative setting is developed through the use of their own languages and ELF. Following C UMMINS (2001), identity integrates the language user and their context; it develops in a social context (cf. C REESE / B LACKLEDGE 2015; R ILEY 2008) and emerges through social interaction (cf. Jø RGENSEN 2008; R ILEY 2008), much in line with a socially-culturally constructed framework such as ENROPE by “creating a sense of community through establishing a community of practice offering meaningful interaction between junior researchers from different disciplines and academic and linguistic backgrounds” (ENROPE 2021: 11). According to B YRAM (2006), identity is a negotiation act between the individual and the environment. It is a negotiation and renegotiation of our sense of self in relation to the social world (cf. N ORTON 2013; T HORNBORROW 2004) and these negotiations are strongly influenced by social and cultural factors (cf. C UMMINS 2001). Identity is dynamic, it changes depending on the goals and situations the individual encounters and it is a never-ending process (cf. N ORTON 2013). The diversity of languages that coexist within a given context may imply, as suggested by R ILEY (2010: 376) that identities are “reconfigured, recovered and rejected”. As stated by A RONIN / O’L AOIRE / S INGLETON (2011: 171), the study of identities goes hand in hand with the “background of a myriad of language repertoire configurations and patterns of language use”. C UMMINS (2001) argues that interactions between teachers and pupils always entail a process of negotiating identities, of affirming who pupils are and “recognising the agency of culturally diverse pupils and communities” (C UMMINS 2001: preface VIII). Identity, therefore, is seen as a whole within a milieu that influences language learning and use (cf. A RONIN 2016) and recognises the “cumulative effects on a person of emotional, psychological and linguistic aspects” (A RONIN / S INGLETON 2012: 80). For the purpose of this study, identity is defined as a complex negotiating process between the researcher and their environment and it is contextbased, plural and dynamic as, understanding ENROPE as a plurilingual space, entails conceiving it as a plurilingual and holistic whole which implies considering and recognising the different individualities that compose it. In accordance with the authors above, each individual has their own identity forged by the languages they use and their relationship with the environment through these languages. We shall now turn to describe the context of this study by explaining how the Understanding the plurilingual researcher in context 57 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 ENROPE project developed, the participants part of this study and the instrument designed for collecting the data. 5. The Study The European Network for Junior Researchers in the Field of Plurilingualism and Education ENROPE was sequenced in different training and learning phases running from 2018 to 2021. As stated in the ENROPE Handbook (2021: 6), “as part of its aim to foster strong and reflected professional and researcher identities, ENROPE offered an Intensive Study Programme (ISP) which provided junior researchers with opportunities for collaboration, networking and professional qualification. The ISP consisted of three annual Intensive Study Weeks (henceforth ISW) from 2019 to 2021, linked and enhanced through regular Online Study Phases (OSPs)”.The aim of the ISWs was to develop the “reflection, practice, and interaction of practitioners about multi-/ plurilingualism and multi-/ pluriculturalism in the field of research and education” (ENROPE 2021: 31) in an optimal setting for awareness-raising where, among other actions, participants are encouraged to share their own research and promote plurilingual collaborative spaces. The study presented here focuses on ISW3 titled “Context-Based Research: Integrating the Stakeholders” which took place online and was hosted by FPCEE Blanquerna − Universitat Ramon Llull (Barcelona). It welcomed 36 participants during the first week of July 2021. The aims of ISW3 were to develop context-based research by integrating the stakeholders (such as teachers and policy planners), to understand how multilingual policies are developed in different European contexts and to analyse how research can be taken to real classrooms. The week was structured in morning sessions which were devoted to talks and workshops. In the afternoons participants were grouped into ‘family groups’ according to research interests, and previous ISW experience. 5.1 Objective and research questions The general objective of the present article is to understand the role of the plurilingual researcher when collaborating in a plurilingual context by analysing the perceptions of researchers who had participated in the ENROPE ISW3. Taking this objective into consideration, and the previous theoretical framework, the present study poses the following research questions: RQ1. What role does the English language have when collaborating in plurilingual contexts? RQ2. What uses do languages other than English have when collaborating in plurilingual contexts? RQ3. What strategies enabled a plurilingual collaborative context in ENROPE ISW3? 58 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 RQ4. How did the identity of the plurilingual researcher change throughout the ENROPE ISW3 experience? 5.2 Participants [= Partic.] The original sample was made up of 36 participants, however, the survey was only fully completed by ten of them. Seven of the participants that were included in the study are junior researchers who have been developing research in plurilingualism for 1-3 years. Two of them have an experience of 4-6 years in this field and one has been studying plurilingualism for 7-9 years. Nine participants stated that they currently use the English language in their daily professional life. Spanish (3), French (3) Catalan (3), German (1), Dutch (1), Gaelic (1), Welsh (1) and Greek (1) were the other languages that the participants affirmed to use daily. 5.3 The instrument The survey used in this research (see Table 1) was sent online to the participants and they were invited to answer it with the language they felt more comfortable with. The survey consisted of four different dimensions of analysis which correspond to the theory which frames this study. The first dealt with the role of English when collaborating in a plurilingual context and its aim was to understand the role of English during the ENROPE ISW3. The second section explored the use of other languages when researching in a plurilingual context. The main aim of this second section was to understand the role of languages (other than English) during the ENROPE ISW3. The third section examined the impact of ENROPE as a plurilingual collaborative context. The fourth section dealt with the identity of the plurilingual researcher, which in this study we define as the complex negotiating process between the learner and their environment, and is portrayed through the languages the researcher uses. Moreover, before its implementation, the survey was shared and validated by two senior researchers on the field of plurilingualism. The instrument was designed after ISW Barcelona had taken place. It was designed specifically for this study, while guaranteeing, through the nature of its question, that it could also be transferable to other similar settings. Understanding the plurilingual researcher in context 59 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 Section / Dimension of analysis Question The role of English when collaborating in a plurilingual context 1. Observation developed during ISW3 suggests that English was the main language used for communicating. What have been the main benefits (if any) of using English when working on plurilingualism with other researchers? 2. To what extent (if any) has the use of English facilitated the use of other languages? 3. Did you feel comfortable when using English in collaborative meetings with international researchers? The use of other languages when researching in a plurilingual context 4. Besides English, how have the languages you know contributed when collaborating with other researchers in a plurilingual context? 5. In what specific situations (if any) have you used languages other than English? (if possible, support your answer with an example) The impact of ENROPE as a plurilingual collaborative context 6. Could you explain (if any) what made ENROPE ISW3 a plurilingual collaborative context? What activities or tasks enabled a plurilingual collaborative context? 7. In your opinion, do collaborative strategies (which we define as dynamics that facilitate the construction of knowledge and the achievement of common goals through interaction and collaboration) benefit speaking and using other languages in a plurilingual context? The identity of the plurilingual researcher 8. Has your approach to research methodology changed when collaborating with other plurilingual researchers on plurilingualism? If so, in what ways? 9. Do you think that ENROPE has helped you become aware of your own plurilingual identity? If so, how? Table 1: Survey questions 5.4 Data collection and analysis The data were collected online in November 2021 through the use of Google Forms. Web survey was used due to the fact that the participants were placed in different countries throughout Europe and it has been proved to be effective and practical (C HECK / S CHUTT 2012). The dimensions of analysis were established before sending 60 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 the survey. Thematic coding was later used to analyse the data and identify subdimensions using Atlas ti (version 8.4.4). 6. Results Results are presented in relation to the research questions. Examples of the participants’ citations have been included in order to make the discussion more transparent. RQ1. What role does the English language have when collaborating in plurilingual contexts? The analysed data show that the English language allowed participants to communicate effectively as it was perceived as a “language that everyone understood and, therefore, communication was easier” (Particip. 2). Although this is a perspective shared by all participants, data presents other relevant roles that the English language had when collaborating in a plurilingual context. Therefore, “English was also used to compare our languages as it worked as a bridge” (Particip. 5) and, consequently, this allowed participants to “understand each other, learn from others and learn from their culture and their language” (Particip. 4). Besides, English set the context to connect with other researchers globally and was a facilitator to have “a common ground to interact with each other” (Particip. 6). Seven participants perceived that the English language facilitated the use of other languages. According to their views, this was possible because of the use of English “worked as a bridge and [...] by being understood, we were encouraged to make use of our mother tongues” (Particip. 3). Comparing languages was also a common strategy used by the participants when collaborating in a plurilingual context. Thus, this allowed participants to learn more about other languages, such as “German or French” due to “similarities among languages in its syntactic or semantic sides” (Particip. 4). However, two participants stated that they are not sure whether the use of English facilitated the use of other languages or not. Moreover, one participant expressed that, instead of facilitating the use of other languages, English could exclude them: The use of English does rather mean the exclusion of other languages; once English has been established as the linguistic norm it “kills” the use of other languages, more so than French or German (Particip. 1) 9 participants stated that they felt comfortable when using English in collaborative meetings with international researchers. Although one participant expressed that he/ she “would have liked to hear other participants’ own languages more” (Particip. 6), data show that participants tend to perceive that English had a positive impact on the collaborative relation among the participants as it was “one of the things we all shared and this made me feel closer to them” (Particip. 5). However, one participant mentioned that the use of English made his/ her “emotional relationship with the language get worse” as “English seems for me to be a duty, not a personal choice” (Particip. 7). Understanding the plurilingual researcher in context 61 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 RQ2. What uses do languages other than English have when collaborating in plurilingual contexts? Considering the use of other languages than English in a plurilingual context, nine participants perceived that they were useful in different spheres. First, other languages than English “reduced misunderstandings because I could figure out the meaning from the perspective of their mother tongue or other languages they know” (Particip. 8). Second, the use of different languages facilitated the understanding of the diverse cultures and contexts of the participants. Finally, participants also expressed that languages other than English were used at some points when “we needed to compare languages” (Particip. 5). The most common situations in which participants stated that they used other languages than English to collaborate and better understand different contexts and research cultures were when (1) talking about concepts and defining them in other languages, (2) comparing languages, (3) talking in informal moments of the meeting and (4) developing the ENROPE activities and tasks, as mentioned by one participant: We first created a poem using all the L1s of all the members of our family group. At that moment, we all had to use our L1 and make comparisons to enable the other members to understand what we were saying. (Particip. 5) However, one participant felt that other languages than English did not contribute when collaborating in a plurilingual context and they were only used to “mention some words” (Particip. 7). RQ3. What strategies enabled a plurilingual collaborative context in ENROPE ISW3? Seven participants perceived that most of the tasks done in the ENROPE ISW3 enabled them to develop collaborative strategies as “all of them were great opportunities” (Particip. 3). Designing a plurilingual educational project, creating a presentation in small groups and preparing the farewell for the end of the ISW3 were the activities in which, according to the participants, most of the collaborative strategies took place. However, regarding the relation between collaborative strategies and its impact on the use of other languages in a plurilingual context, participants do not share a common perspective. Five of them stated that collaborative strategies, which we defined as dynamics that facilitate the construction of knowledge and the achievement of common goals through interaction and collaboration, benefited speaking and using other languages. One participant believed that collaborative strategies “gave people the opportunity to participate, interact and learn from others. This interaction, at the same time, gave space to using other languages when people needed to translate something or when we naturally codeswitch” (Particip. 5). In some cases, collaborative strategies “without realising it, pushed us to use different languages” (Particip. 6). Although very few specific strategies were mentioned in the collected data, participants stated that “we were able to use our languages with English if we wanted and to make our 62 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 languages visible on the presentation we were preparing” (Particip. 9) or that “we taught each other some sentences in our own native languages” (Particip. 4). Results show, nevertheless, that four participants perceived that the collaborative strategies developed in the ISW3 did not facilitate a plurilingual context or they did it to a very short extent. Among others, participants highlighted that the predominance of English as the language of communication among them was an obstacle when it comes to promoting strategies to enable plurilingual collaboration. This perception can be seen in the following extract: The small group discussions could have enabled the use of other languages, but in my experience, they didn’t, as everyone spoke English. I think it is difficult to find an alternative language that everyone is equally comfortable using in a context where people have such different linguistic backgrounds. (Particip. 8) Finally, one participant referred to the importance of working in small groups in order to make the collaborative strategies effective. Otherwise “it is highly likely someone will feel excluded by the choice of language” (Particip. 8). This participant highlighted the relevance of ‘passive competence’ in language proficiency and suggested that this could encourage the use of own languages in collaborative plurilingual contexts: I don’t know why people feel everyone needs to actively speak and use one language. Passive competence of large European (French, Spanish, German) languages is quite high across Europe, yet the default seems to be English. I think it would be great if more people were encouraged to use their native languages to express themselves, without the expectation that others would respond in this language. Hearing a multitude of different languages spoken in collaborative contexts would be so much more enriching. Perhaps groups could be created according to passive knowledge, without the expectation that everyone should use that language to speak actively. (Particip. 8) RQ4. How did the identity of the plurilingual researcher change throughout the ENROPE ISW3 experience? Considering the impact of collaborating with other plurilingual researchers on the participants’ approach to research methodology and their identity as researchers, five of them perceived that it changed throughout the ENROPE ISW3 experience. This change experienced by half of the participants was mainly promoted by the exchange of perspective among them as they “learnt from such interactions” (Particip. 8). As a result, due to the ENROPE ISW3 experience some participants decided to rethink or redesign their own research methodology since “I have viewed some ways of research design in other cultures and contexts and I have my own now based on what I have seen” (Particip. 4) or since ENROPE “has opened me up to many other methodologies, I have researched them and try to frame them and compare them” (Particip. 10). In a similar line, another participant mentioned that “I have looked at more creative ideas and contexts for research and considering different linguistic lenses” (Particip. 1). The other five participants, however, stated that their research methodology had Understanding the plurilingual researcher in context 63 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 not changed due to the ENROPE ISW3 experience or it changed “just in winning some new ideas on cultural perspectives” (Particip. 7). One of them perceived that it had not changed since the participant considers herself as “new in the research world and I feel my first steps have been taken in that same way” (Particip. 3). Moreover, there is a shared perception by eight of the participants that working together in a plurilingual context helped them to become aware of their own plurilingual identity. Among other aspects, participants highlighted that collaborating in a plurilingual context modified their identity and helped them reflect on the languages they use and it encouraged them to redefine their “relation to my languages and how I feel about them” (Particip. 7) and, at the same time, “I could see other people’s reality and reflect on mine” (Particip. 2). Other reflections, such as the different uses of languages and their impact on the researchers’ plurilingual identity, were present among participants. Therefore, collaboration made them “reflect on the languages I know and realize that we can use all of them in different contexts and for different purposes. It has also made me think about the languages I would like to learn” (Particip. 5). Other participants, took a similar standpoint, stating, that “through networking with other people included in ENROPE and the activities and tasks we have conducted broaden my identity as well” (Particip. 4). Although English was the main language used for communicating in the meetings of ENROPE ISW3, the analysed data also suggests that those participants whose dominant language is English also became aware of their plurilingual identity. Thus, ENROPE ISW3 “made me aware that I am privileged to use English as my dominant language [...] and that means that I am at an advantage at communicating − it has helped” (Particip. 1). Nevertheless, one participant considered that collaboration in a plurilingual context did not help her become aware of her own plurilingual identity as she “already was aware” (Particip. 10). Finally, another participant “could only attend for a short amount of time in the meetings” and, therefore, and since she “only heard and spoke in English”, the participant “did not feel that I became more aware of my own plurilingual identity” (Particip. 8). 7. Discussion and conclusions We shall conclude this article by providing a discussion of the data collected according to the different aims posed for this study. It should be noted that prior to discussing the results, reference should be made to the limitations encountered when analysing the results, specifically in relation to the limited numbers of participants. As stated by L ATORRE / R INCÓN / A RNAL (2003), research in the field of education is dynamic, interactive and often uncontrollable. In this study, the relevance resides in the interpretation of the data within the ENROPE context and it is considered that the results may be extrapolated to other learning contexts and studies with similar characteristics. Special emphasis will be placed on the discussion of specific individual cases in order to 64 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 explore the different positions of the participants. Worth mentioning is the fact this study emerged from observation of a specific context (in this case ENROPE) and not the other way round. In relation to research question 1, our analysis of the results reveal that participants perceive English as a facilitator language in contexts such as ENROPE where different own languages of participants coexist. This is consistent with research developed by P ENNYCOOK (2007) and H ORNBERGER (1997) who regard that the use of English in these contexts can actually be beneficial, as one participant states “communication was easier in English”. However, Participant 1 and 7 expressed that they did not feel especially comfortable when using English as they perceived that English did not favour using other languages and that the use of English meant “the exclusion of other languages” (Particip. 1). In a similar way, Participant 7 highlighted the relevant role that languages have in the construction of emotions, as pointed out by many authors (cf. e.g. R ICHARDS 2020). In this specific case, the use of English made the participant’s emotional relationship with the language “get worse” as English was “a duty, not a personal choice” (Particip. 7). With regards to research question 2, data reveal that participants referred to using other languages especially for defining and understanding concepts. This is especially revealing as it seems that metalinguistic reflection has emerged through own language use in a plurilingual setting where ELF is the language of communication. This is very much in line with the model developed by W OLFF / L EGENHAUSEN (1992) and E STEVE / M ARTÍN -P ERIS (2013), in which language use has two dimensions: firstly, use is conceived as an action which implies using the language in communicative situations. Secondly, use implies reflection from a cognitive perspective upon the functioning of the new linguistic system. From this perspective, it is argued that ENROPE has become a space for social negotiations, metalinguistic awareness and practicebased learning as participants feel that they can use their own language for learning, reflection and communication within a context where ELF eases communication. Participant 7, however, perceived a limited impact of languages other than English when collaborating in a plurilingual context as they were “only used to mention specific words” (Particip. 7). From this perspective, English was seen as a bridge to other languages but the use of these other languages was rather selective and did not lead to a critical discussion and integration of the different languages. Considering research question 3, data indicates that working together in a small group and towards a common goal favoured the development of collaborative strategies in a plurilingual context. The types of tasks done in ENROPE ISW3, considering participants’ views, could have facilitated the use of the above-mentioned strategies. This is in line with previous studies on collaboration learning (cf. e.g. L AW / C HUNG / L EUNG / W ONG 2017) and could indicate that the effectiveness of collaboration is connected to grouping criteria and a thorough design of the goals and tasks to be achieved. Although few strategies were identified from the collected data, five participants referred to the benefits of interaction. Through this interaction, specific strategies such Understanding the plurilingual researcher in context 65 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 as intentional and unplanned codeswitching, translation or language comparison were used by the respondents and they were reported as practices that facilitated the inclusion of languages other than English. This perception exemplifies what different studies have concluded concerning the benefits of plurilingual strategies and practices (cf. e.g. C ORCOLL / G ONZÁLEZ -D AVIES 2016). Nevertheless, 4 participants perceived that the predominance of English as the language of communication could be an obstacle when it came to promoting strategies to enable plurilingual collaboration and collaborative strategies. There is a common belief among these four participants that the use of a majority language such as English could be a threat to the inclusion of other languages and, as a result, interaction is not considered an opportunity to promote plurilingual strategies. This perception is connected to the results obtained in research question 1, where some participants perceived that English did not favour the use of other languages. A fact worth mentioning is that Participant 8 suggested ideas of collaborative strategies to increase the use of languages other than English when collaborating in plurilingual contexts. This participant highlighted the relevance of what has been referred to as ‘passive competence in language proficiency’ and suggested that strategies encouraging the use of one’s own languages without the expectation that the others will respond in that same language could create an enriching collaborative context and, at the same time, enhance mediation skills. Besides, Participant 8 made reference to the relevance of working in small groups in order to make the collaborative strategies effective. Participant 8 also suggested that when grouping participants, ‘passive’ knowledge and languages could be taken into account “without the expectation that everyone should use that language to speak actively” (Particip. 8). A close examination of the data with regards to the last research question 4 shows that respondents perceived their participation in ISW3 as helpful for becoming aware of their own plurilingual identity. As the data reflects, participating in ISW3 encouraged participants to redefine their relation and feelings towards their own languages by viewing other realities and languages, as “broadening my identity”, as one participant suggested, would entail that their identities have been re-negotiated. These reflections exemplify what N ORTON (2013) and T HORNBORROW (2004) refer to as the negotiation and renegotiation of our sense of self in relation to the social world and seem very pertinent to this study. With regards to their identity as a researcher, collaborating in plurilingual settings does not seem to have significantly affected their perceptions in this sense, as half of the respondents do manifest change and the other half do not. However, more research should be done in similar settings to confirm this result. All in all, collaborating in plurilingual settings seems to have affected the participants of this study in terms of metalinguistic awareness. Respondents perceive that they have broadened their plurilingual mindset by linguistically collaborating with other junior researchers mainly in ELF through their own languages. It could be suggested that this should impact, in one way or another, their research on plurilingualism. 66 David Soler Ortínez, Catarina Sugranyes Ernest DOI 10.24053/ FLuL-2022-0019 51 • Heft 2 References A RONIN , Larissa (2016): “Multi-competence and dominant language constellations”. In: C OOK , Vivian / W EI , Li (Eds.): The Cambridge Handbook of Linguistic Multicompetence. Cambridge: Cambridge University Press, 125-141. A RONIN , Larissa / O’L AOIRE , Muiris / S INGLETON , David (2011): “The multiple faces of multilingualism: Language nominations”. In: Applied Linguistics Review 2, 169-190. A RONIN , Larissa / S INGLETON , David (2012): Multilingualism. Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamin. B YRAM , Michael (2006): Language and Identities. Strasbourg, France: Council of Europe. C HECK , Joseph / S CHUTT , Russell (2012): Research Methods in Education. University of Massachusetts, Boston: SAGE. C ONTEH , Jean / M EIER , Gabriela (Eds.) 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In the case of bilingual data and if both languages are clearly distinguishable from each other, this can still be solved by simple typographical marking (regular vs. oblique), but it requires more elaborate solutions to visualise multilingualism and language hybrids, that can be particularly frequent in settings of language learning. For this purpose, I present a transcription system developed for polyglot speaking. With regard to practices of international publishing, but also for the access to languages that are not understood by the entire readership, the translation of language data is discussed in a final chapter. 1. Einleitung Die Betrachtung von Mündlichkeit ist für die Fremdsprachenforschung von zentralem Interesse, stellt die Forschenden im Hinblick auf die Verarbeitung und Präsentation sprachlicher Daten jedoch auch vor große Herausforderungen. Akustische oder audiovisuelle Aufnahmen müssen für die weitere Analyse in eine schriftliche Form überführt werden. Für das Handwerk des Transkribierens kann die Fremdsprachendidaktik auf Methoden der Nachbardisziplinen - insbesondere der sprachwissenschaftlichen Konversationsanalyse und der empirischen Sozialforschung - zurückgreifen. Bei der Abbildung von Lernersprache besteht jedoch eine besondere Schwierigkeit darin, dass für die Darstellung erwartbarer lautlicher, grammatikalischer und lexikalischer Abweichungen von der zielsprachlichen Norm in der Transkription sinnvolle Lösungen gefunden werden müssen. Die Verbindung von Mündlichkeit und Mehrsprachigkeit kann zum einen im Hinblick auf spezifische Bereiche des mehrsprachigen Handelns (vgl. A BENDROTH - * Korrespondenzadresse: Dr. Christian K OCH , Universität Siegen, Romanisches Seminar, Adolf- Reichwein-Str. 2, 57076 S IEGEN . E-Mail: koch@romanistik.uni-siegen.de Arbeitsbereiche: Mehrsprachigkeitsforschung, Diskursmarker im Spracherwerb, kontrastive Linguistik. Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 69 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 T IMMER / G ERLACH 2021: 211-223) wie etwa Tertiärsprachenlernen (z.B. D IETRICH - G RAPPIN 2020) oder Sprachmittlung (z.B. P ANZER 2021) verstanden werden, zum anderen ist darunter eine universelle Auffassung von Fremdsprache im Zusammenspiel mit Erstsprache(n) und weiteren zuvor und parallel gelernten Sprachen sowie sprachlichen Varietäten zu begreifen, wie sie etwa in den Konzepten des Gesamtsprachencurriculums (vgl. H UFEISEN 2018) und der Aufgeklärten Mehrsprachigkeit (vgl. R EIMANN 2016) vertreten werden. Mehrsprachige Gesprächsaufnahmen sind daher nicht ausschließlich solche Formate, in denen voneinander abgrenzbare Sprachen zum Einsatz kommen, sondern auch vermeintlich monolinguale Lernersprache, in der hybride oder translinguale Phänomene auftreten, kann diesem Bereich im weiteren Sinne zugeschrieben werden. Der folgende Beitrag diskutiert Methoden der Transkription von mündlichen Sprachdaten und macht Vorschläge zur Abbildung von Mehrsprachigkeit. Im ersten Teil geht es um grundlegende Abwägungen bei der Wahl und Gestaltung von Transkriptionssystemen im Hinblick auf spezifische Bedarfe des Forschungsvorhabens. Abschnitt 3 stellt ein in K OCH (2020) entwickeltes System vor, das zur Verschriftlichung mündlicher Erzählungen von romanisch-polyglotten Sprecher: innen eingesetzt worden ist und als Beispiel für die Abbildung komplexer mehrsprachiger Repertoires dienen soll. Insbesondere die einführende Konzeption des Systems (ebd.: 219-224) wird hier aufgegriffen und anhand von Beispielen erläutert. Im letzten Teil werden Strategien zur Präsentation von Forschungsdaten in Form von Übersetzungen angesprochen. 2. Grundlegendes zur Transkription von Sprachdaten 2.1 Funktionen der Transkription Die Arbeit des Transkribierens mag als lästige Tätigkeit empfunden werden, bietet jedoch Gelegenheit, das Datenmaterial eingehend zu studieren, denn bereits das Transkribieren selbst ist „als analytische Praxis“ (G ÜLICH / M ONDADA 2008: 30) zu betrachten. Hauptfunktionen der Transkription sind die Durchführbarkeit von Analysen und die Präsentation der Daten, da die nach wie vor dominierenden Publikationsformate der Wissenschaft an das geschriebene Wort und die statische Visualisierung auf dem Papier gebunden sind. Selbst wenn das Korpus multimedial bereitgestellt werden kann, ist eine Darstellung in Form eines Transkriptes kaum zu ersetzen, schon allein, weil das Aufrufen entsprechender Medien parallel zur Lektüre einen erhöhten Arbeitsaufwand darstellt. Davon abgesehen ist die allgemeine Bereitstellung von Aufnahmen, die im schulischen Kontext entstanden sind, gemeinhin nicht möglich, da trotz Anonymisierung das Risiko der Wiedererkennung von Schüler: innen in sensiblen Unterrichtssituationen besteht. Hier tragen Wissenschaftler: innen, die mit Aufzeichnungen von Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine besondere Verantwortung (vgl. V IEBROCK 2015). Insofern stellt die Transkription in ihrem Anspruch der genau- 70 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 eren schriftlichen Abbildung gesprochener Sprache auch ein Surrogat für die Rohdaten dar, die aus juristischen und/ oder forschungsethischen Gründen nicht veröffentlicht werden können. 2.2 Festlegung von Transkriptionskonventionen Zur Transkription gesprochener Sprache, die im Unterrichtsgeschehen oder als spezifische Sprachprobe aufgezeichnet worden ist, bietet die Konversationsanalyse eine Reihe von Werkzeugen zur Erstellung einer sog. literarischen Umschrift, d.h. einer Verschriftlichung, die sich an den orthographischen Konventionen der geschriebenen Sprache orientiert. Transkriptionskonventionen dienen der Darstellung von Parametern der gesprochenen Sprache, die über das konventionelle Schriftbild hinausgehen. Dies sind Merkmale wie Intonation, Sprechtempo, Lautstärke, Pausen, Atmung, Häsitation (äh usw.) sowie Redeorganisation insbesondere im Hinblick auf Wechsel zwischen den Gesprächsteilnehmer: innen. Weiterhin sind Indikationen von Undeutlichkeiten - d.h. nicht identifizierbaren Äußerungen oder vermutetem Wortlaut - und Kommentaren zum außersprachlichen Interaktionsgeschehen notwendig. Die Transkription versteht sich dabei als „Kompromiss zwischen Genauigkeit und Lesbarkeit“ (J ENSEN 2005: 257). Daher orientieren sich Transkripte an der geschriebenen Sprache, wobei die Lesbarkeit mit jeder zusätzlichen Markierung erschwert wird, die über das konventionelle Schriftbild hinausgeht oder davon abweicht. Die Auswahl der zu transkribierenden Parameter erfolgt im Hinblick auf die Relevanz für die Forschungsfrage. So darf man diskutieren, ob etwa die Atmung einschließlich Varianten des Ein- und Ausatmens in unterschiedlicher Dauer und Lautstärke dokumentiert werden muss, wenn z.B. die Verwendung von Wortschatz im fremdsprachlichen Sprechen untersucht werden soll. Aber man müsste weiter differenzieren: Soll verwendeter Wortschatz lediglich quantitativ inventarisiert werden, kann man vielleicht auf die Darstellung der Atmung verzichten, und es wäre sogar von Vorteil für eine automatische Auszählung, ein stark an der Schriftsprache orientiertes Transkript zu erstellen. Soll hingegen die Abrufbarkeit von Vokabeln aus dem mentalen Lexikon qualitativ analysiert werden, kann es von Bedeutung sein, wie zügig der Redefluss abläuft und ob es sich bei einer Verzögerung vor einem Lexem um eine ungefüllte (Denk-)Pause oder eben ein notwendiges Einatmen handelt. Für die folgenden Transkriptionsvorschläge wird das in der deutschsprachigen Germanistik entstandene Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT) in der modernisierten Form als GAT 2 (vgl. S ELTING et al. 2009) genutzt. Hierfür gibt es auch eine englische Version (S ELTING et al. 2012) sowie eine spanische Adaption (E HMER et al. 2019). Vorzüge von GAT 2 liegen in der einfach gehaltenen Symbolik, die ohne Sonderzeichen jenseits des Tastaturinventars auskommt 1 , und in der relativ 1 Allein im Feintranskript sind zwei Pfeilsymbole (↓, ↑) zur Kennzeichnung von auffälligen Tonhöhensprüngen vorgesehen (vgl. S ELTING et al. 2009: 391f.). Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 71 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 schlichten Layoutgestaltung, die i.d.R. gut an verschiedene Publikationsformate angepasst werden kann. Darüber hinaus wird nach Minimal-, Basis- und Feintranskript differenziert (vgl. den Überblick der Symbole in S ELTING et al. 2009: 391-393), so dass man nach Verwendung grundlegender Parameter des Minimaltranskripts entscheiden kann, welche Stufen der genaueren Transkription für die spezifische Analyse von Bedeutung sind. Die Adäquatheit des Transkribierens mit GAT 2 wird jedoch dann auf die Probe gestellt, wenn die Transkriptionsprogramme EXMARaLDA oder FOLKER eingesetzt werden, da hier die GAT-Interpunktion kontrolliert wird (vgl. ebd.: 401). 2 Die Wahl des Transkriptionssystems kann von weiteren Faktoren abhängen. Ist eine Eingliederung in eine Datenbank eines Verbundprojektes vorgesehen, bestehen zumeist Vorgaben. Im Hinblick auf moderne Publikationsformate wie ePUB sind aufwändige Layouts - insbesondere die Partiturschreibweise - eher aus der Mode gekommen und können allenfalls noch als Grafiken sicher in eBooks fixiert werden. Auch nicht in jeder Publikation durchzusetzen ist die für diverse Transkriptionssysteme übliche Wiedergabe der Schreibmaschinenschriftart Courier New, deren Verwendung als „äquidistanter Schrifttyp“ (ebd.: 358) mit der Minimierung von Konvertierungsproblemen begründet wird. Hierbei geht es v.a. um die genaue vertikale Positionierung von Redeüberlappungen. Daneben sehe ich einen wesentlichen Wert der Verwendung einer solchen Schriftart als Mittel der typographischen Abgrenzung für die Darstellung gesprochener Sprache. Allen gängigen Transkriptionssystemen gemein ist, dass der Aspekt der Mehrsprachigkeit gar nicht oder nur am Rand diskutiert wird. Bei S ELTING et al. (363) gibt es lediglich den Hinweis, dass die Schreibweise von Fremdwörtern beibehalten bleiben solle, und dann eine etwas wunderliche Ergänzung: „Auffällige Abweichungen von der in der deutschen Standardsprache üblichen Aussprache werden aber notiert, z.B. zitty für city mit anlautender Affrikate.“ Tatsächlich ist artikulatorische Abweichung ein potenziell wichtiges Element für die fremdsprachendidaktische Analyse. Ob allerdings die Schreibweise „zitty“ - wofür das Doppel-t? - als lesbar gelten kann, sei dahingestellt. Die Transkription mehrsprachiger Daten beruht nicht selten auf Improvisationen wie dieser. Im Folgenden stelle ich einige Strategien vor, die für die Transkription multilingualer bzw. translingualer Rede in K OCH (2020) zum Einsatz gekommen sind. 3. Transkription mehrsprachiger Daten 3.1 Herausforderungen und Lösungsansätze Zunächst sei ein Beispiel angeführt, in dem die Wiedergabe von Mehrsprachigkeit unproblematisch erscheint. R EIMANN (2019) untersucht kommunikative Prozesse in 2 So erlaubt die Software keine orthographiekonforme Verwendung des Bindestrichs, der ausschließlich als Intonationszeichen dienen soll (s. hierzu weiter unten). 72 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 der mündlichen Sprachmittlung und gibt hierfür eine Reihe von Auszügen aus Aufnahmen aus dem schulischen Spanischunterricht wieder, u.a. den folgenden (ebd.: 370): (1) 1 Dolm: sie ist zwanzig jahre. 2 D: okay aber in deutschland leben wir ja eigentlich schon 3 alle alleine mit zwanzig. 4 Dolm: sí, pero en alemania los jóvenes viven ehm °h en un piso: 5 propia: (.) cuando tienen (.) veintes años. 6 Sp: eh: : sí pero (.) la familia por mí es más importante que 7 tener un piso propio. 8 Dolm: ja für sie ist es wichtiger, mit der familie zusammen zu 9 leben als ein eigenes zimmer (.) also eine eigene wohnung 10 zu haben. Das nach GAT-Konventionen verfasste Transkript 3 enthält Sequenzen auf Deutsch und auf Spanisch, wobei die Unterscheidung nicht typographisch markiert ist. Trotzdem ist die Sprachverteilung deutlich, denn es gibt zum einen einsprachige Rollen, und auch die dolmetschende Person wechselt nicht innerhalb der einzelnen Turns. Außerdem sind die beiden Sprachen in ihren Schreibkonventionen so unterschiedlich, dass man sich an keiner Stelle fragen wird, ob etwas deutsch oder spanisch zu lesen ist. Generell wäre bei der Verwendung von zwei Sprachen eine typographische Markierung (z.B. recte vs. kursiv) denkbar, gleichwohl sie in den GAT-Konventionen nicht vorgesehen ist, u.a. weil diese Markierung in der softwarebasierten Korpusanalyse zumeist nicht berücksichtigt werden kann. Bezüglich der Lernersprache fällt in diesem Auszug in Z. 5 eine im Spanischen inexistente Form auf: *veintes anstelle von veinte (‘zwanzig’). Dass Numeralia eine Pseudo-Pluralendung erhalten, ist ein gängiger Fehler, allerdings stellt sich bei der Verschriftlichung von Lexemen, die gegen die Norm verstoßen, manchmal die Frage, ob bei der Imitation der lernersprachlichen Äußerung eine Überinterpretation des akustisch Wahrnehmbaren oder womöglich nur ein Tippfehler im Transkript vorliegt. Letzteres könnte mit der Markierung durch „sic! “ ausgeschlossen werden, wie sie in Zitaten üblich ist. Prinzipiell sehen die GAT-Konventionen eine genaue Verschriftlichung des akustischen Wortlauts vor (vgl. S ELTING et al. 2009: 360--362). Im Kontext der L1 handelt es sich dabei um den Anspruch der literarischen Verschriftlichung von Nähesprache in Form des sog. eye dialect (gehn statt gehen, haste statt hast du; vgl. D ITTMAR 2009: 66), der den Gepflogenheiten orthographischer Normabweichung folgt. Diese unterscheiden sich wiederum von Sprache zu Sprache und es ist fraglich, inwieweit die Strategien zur Verschriftlichung von Nähesprache auf die Transkription von Lerner- 3 Ob es lediglich Mikropausen - (.) - gibt, ob jeder Turn zum Ende stark fällt, wie es die Punkte anzeigen, und ob danach gar keine Pausen folgen, muss hinterfragt werden. Diese kritische Anmerkung zum Transkript soll jedoch nicht die analytische Qualität des Beitrags für die Erforschung von Sprachmittlungsprozessen infrage stellen. Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 73 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 sprache übertragen werden können. Während es bei der Nähesprache um die Rekurrenz auf geläufige Schreibmuster geht, treten in der Lernersprache z.T. ganz individuelle Merkmale der Normabweichung auf, für die Lösungen improvisiert werden müssen. Dies betrifft v.a. phonetische Besonderheiten, die durch unabgeschlossene Lernprozesse und eine generell xenolektale - d.h. fremdsprachlich markierte - Artikulation zu erklären sind. D ITTMAR (2009: 140) schlägt die partielle Verwendung von Lautschrift in GAT vor: „Phonetische Umschrift erfolgt, wo gewünscht, in IPA.“ In der Tat existiert mit der IPA-Lautschrift ein Instrument zur sehr genauen Wiedergabe von Lautlichkeit, allerdings wiederum begleitet von dem Problem der erschwerten Lesbarkeit. Daher plädiere ich für einen Minimaleinsatz phonetischer Symbole zur Herausstellung signifikanter Besonderheiten, da diese so zum einen durch eckige Klammern gut graphisch markiert und zum anderen fiktive Schreibweisen vermieden werden können, die beim Lesen nicht immer einwandfrei interpretierbar sind. Die Vor- und Nachteile verschiedener Varianten sollen in Tabelle 1 anhand von zwei Beispielen illustriert werden: (1) Die Konjugation spanischer Verben ist von einer Reihe von Vokalwechseln geprägt. So kann z.B. ein fehlender Vokalwechsel in der indefinido-Form von pedir (‘bitten’) zu der Artikulation [ˈel peˈðjo] für él pidió/ [ˈel piˈðjo] führen. (2) Das französische Adverb plus (‘mehr’) besitzt die Schwierigkeit, dass es je nach Position unterschiedlich ausgesprochen wird: [ply]/ [plyz]/ [plys]. Kommt es vor einem Adjektiv zu einer normabweichenden Aussprache [plys], z.B. bei plus grand - [plyɡʁɑ͂ ] -, so gibt es auch hier verschiedene Möglichkeiten der Transkription: Option Beispiel 1 Beispiel 2 Vorzüge und mögliche Schwierigkeiten normative Umschrift él pidió plus grand Diese Form ist am leichtesten lesbar, aber das Aussprachephänomen wird nicht deutlich. eye dialect él pedió pluS 4 grand pluss grand plusse grand Das Aussprachephänomen ist sichtbar. Die improvisierte Schreibung könnte jedoch als Fehler im Transkript missinterpretiert oder übersehen werden. phonetische Umschrift él [peˈðjo] [plys] grand Die Umschrift weist auf eine artikulatorische Besonderheit hin, die von den Leser: innen jedoch erst entdeckt werden muss. minimale phonetische Umschrift él p[e]dió plu[s] grand Die Transkription ist noch gut lesbar und setzt den Fokus auf das artikulatorisch abweichende Element. Tab. 1 Transkriptionsoptionen für artikulatorische Normabweichungen 4 Die Verwendung von Majuskeln dient in GAT 2 ausschließlich zur Kennzeichnung lautlicher Hervorhebungen (Fokusakzent). Da es bei der Schreibweise pluS nicht um einen Fokusakzent handelt, kann man über die Zulässigkeit streiten. 74 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 Das Prinzip der minimalen phonetischen Umschrift, d.h. die in die literarische Transkription eingebettete Herausstellung einzelner, bemerkenswerter Laute, erweist sich für mich im Hinblick auf Lesbarkeit und Hervorhebung gleichermaßen als praktikabel, da es den Leser: innen das abweichende Element markant vor Augen führt. Obwohl die eckigen Klammern auch für die Kennzeichnung von Redeüberlappungen verwendet werden, halte ich die Doppelbelegung der Symbole für unproblematisch, da die Redeüberlappung durch die vertikale Anordnung der Redeteile zusätzlich angezeigt wird (s.u. Transkript 2), so dass eine inhaltliche Verwechslung kaum gegeben sein dürfte. An der deutschen Sprache entworfen, müssen weitere GAT-Vorgaben bei der Übertragung auf andere Sprachen überprüft werden. So wird etwa vorgeschlagen, auf Bindestriche bei Komposita zu verzichten, da das Symbol als Anzeige schwebender Intonation verstanden wird (vgl. S ELTING et al. 2009: 363). Wörter mit Bindestrich sollen dann entweder zusammen oder mit Leerzeichen geschrieben werden. Unter den größeren romanischen Sprachen ist man insbesondere bei der Transkription von Französisch, Portugiesisch und Rumänisch 5 auf den Bindestrich angewiesen, um Wortbedeutungen nicht zu verfälschen und die Lesbarkeit nicht zu gefährden. Gleichzeitig ist auch hier die Verwechslungsgefahr gering, da der Bindestrich als Symbol für schwebende Intonation nur am graphischen Wortende steht. Zur Kennzeichnung verschiedener Sprachen wurde oben bereits die Möglichkeit zur typographischen Hervorhebung erwähnt und eingeräumt, dass die Markierung in der digitalen Korpusverwaltung je nach Software problematisch sein kann. In der Präsentation von Transkripten besteht häufig Bedarf, einzelne Analysestellen noch einmal gezielt hervorzuheben, wo dann eine Hervorhebungsform durch die Kennzeichnung der zweiten Sprache bereits belegt wäre. Die im Folgenden vorgestellten Transkripte aus polyglotten Kontexten benötigen überdies Kennzeichnungen von mehr als zwei Sprachen. Hierfür werden zwei Strategien angewendet: Zum einen ist jede Sprechersigle zu Beginn der Zeile mit einem Sprachenkürzel indiziert, welche die (primär) gebrauchte Sprache in dem Turn anzeigt. Zum anderen werden einzelne Phrasen oder Wörter einer anderen Sprache in spitzen Klammern 6 angezeigt: <<X>…>. In Abschnitt 3.3 werden einige Beispiele zur Umsetzung - einschließlich sprachlich hybrider Formen - gezeigt. Ergänzt werden die GAT-Konventionen noch um ein Element zur Anzeige sprachlich korrekter Formen, eingerahmt durch geschweifte Klammern: {…}. Gerade dort, wo das Transkript subtile Fehler verzeichnet, die u.U. als Fehler der Transkription interpretiert werden könnten, hilft ein solcher Hinweis und ist wahrscheinlich aussagekräftiger als die laufende Verwendung von „sic! “. Also kennzeichnet z.B. engl. she 5 Im Rumänischen kennzeichnet der Bindestrich die Elision (z.B. n-am aus nu + am, ‘ich habe nicht’). Hierfür verwenden andere Sprachen den Apostroph, dessen Gebrauch in GAT 2 gemäß S ELTING et al. (2009: 360) für das Deutsche ebenfalls ausgeschlossen wird. 6 Eigentlich handelt es sich um die mathematischen Operatoren Kleiner als und Größer als, die in GAT 2 anstelle von ‹…› als spitze Klammern verwendet werden. Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 75 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 speak {speaks}, dass eine normabweichende Form wahrgenommen worden ist. Die Verwendung der geschweiften Klammern ist eine Konvention, die zu Missverständnissen führen könnte, wenn sie mit tatsächlichen Äußerungen der Sprecher: innen verwechselt würde. Alternativ könnte eine Mehrebenen-Architektur (vgl. H IRSCHMANN 2019: 119) eingesetzt werden, in der die korrekten Formen in einer weiteren Zeile eingetragen würden. Ein solches Layout, das sich mit verschiedenen Transkriptionsprogrammen einrichten lässt, ist jedoch bei GAT gar nicht vorgesehen. Die lineare Eingliederung von kommentierenden Elementen basiert auf der Vorstellung, dass die Transkription als Überführung gesprochener Sprache in eine geschriebene Form der Deskription in Form einer der paratextuell kommentierenden Beschreibung grundsätzlich vorzuziehen sei (vgl. G ÜLICH / M ONDADA 2008: 32). 3.2 Übersicht von Konventionen für die Transkription mehrsprachiger Daten Auf Grundlage der Konventionen von GAT 2 (S ELTING et al. 2009: 391-393) werden für die Transkription mehrsprachiger Daten folgende Konventionen vorgeschlagen. Symbole, die zuvor nicht angesprochen worden sind, werden direkt aus den Vorgaben übernommen. [ ] Überlappungen/ phonetische Transkription { } korrekte, aber nicht realisierte Form °h / h° Einbzw. Ausatmen (.) Mikropause, geschätzt, bis ca. 0,2 Sek. Dauer (-) (--) / (---) kurze/ mittlere/ längere geschätzte Pause bis 1,0 Sek. Dauer (1.0) gemessene Pausen ab 1,0 Sek. Dauer un_homme Verschleifungen/ liaison/ Sandhi hm_hm zweisilbige Signale realiz/ Wortabbruch 7 ((lacht)) nonverbale Handlungen und Ereignisse <<lachend> > paraverbale Merkmale (xxx) unverständlich (c’est) vermuteter Wortlaut (m-os/ m-es) mögliche Alternativen : / : : / : : : Dehnung, Längung conTAto Fokusakzent ? hoch steigend , mittel steigend - gleichbleibend, schwebend ; mittel fallend . tief fallend <<D> > Wörter oder Phrasen aus einer anderen Sprache, hier Deutsch 7 Dieses Symbol ist in GAT 2 - anders als in anderen Transkriptionssystemen - nicht vorgesehen, scheint aber gerade für hybride Formen sinnvoll, etwa wenn ein Wort in eine Sprache transferiert und dabei apokopiert oder transformiert wird (s.u. Beispiel 5). 76 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 Sprachenkürzel, z.B.: D Deutsch E Spanisch F Französisch I Italienisch P Portugiesisch 3.3 Anwendungsbeispiele In diesem Abschnitt werden zur Illustration der Umsetzung Auszüge aus dem für meine Studie (K OCH 2020) entwickelten Korpus romanisch-polyglotte Sprechens 8 genutzt. Bevor es um die Visualisierung von Mehrsprachigkeit geht, sollen anhand eines einsprachigen Ausschnitts (vgl. ebd.: 352) einige generelle Merkmale des Transkribierens erläutert werden. Dafür enthält das Beispiel eine Reihe von Markierungen, die im Anschluss erläutert werden: (2) 01 P05 F : okay (--) eu: : h 1 donc euh il y a: il était_une 2 foi: s 02 euhm (.) euh un_homme de neige, ((lacht)) 3 03 et euh (--) 4 04 euh un monsieur, euh est passé, 5 eu: h et (.) 05 donc je je je vais parler au passé composé hein? 06 parce que 07 I F : oui 08 P05 F : euh le <<lachend>le passé> 6 simple je (ne) 7 l’utilise 09 jamais ((lacht)) 10 I F : non (.) c’est [pas] la peine (-) 11 P05 F : [euh] 8 12 oui (.) donc euh un monsieur est passé, et euh (-) euhm (--) 13 a donné une gifle eu: h au au à l’ 9 homme de neige, 14 I X : 10 hm, (-) 15 P05 F : eu: : h (-) et la casserole qui étai: t le chapeau de 16 l’homme de neigë: 11 est tombée, (.) 17 I X : hm_hm, (.) 18 P05 F : eu: : h et en fait même l’homme de neige il est (.) 19 la partie supérieure elle est elle est tombée par 20 TErre 12 °h euhm et ça c’était d’une (.) 21 dans la nuit (-) 1 Verzögerungssignale (hesitation phenomena) sind den einzelsprachlichen Schreibungen angepasst, also französisch euh (vgl. G ÜLICH / M ONDADA 2008: 32), 8 In der empirischen Studie sind 15 Personen untersucht worden, die in der Lage sind, vier oder mehr romanische Sprachen mindestens auf dem Niveau B1 mündlich zu verwenden. Für der Untersuchung wurden Sprachproben in Form der Erzählung von Bildergeschichten erhoben, die umfassend auf Transferphänomene analysiert und den Zusammenhalt der romanischen Vielsprachigkeit in Gestalt einer romanischen Sprachkompetenz untersucht worden sind. Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 77 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 sp./ it./ pt. eh, dt. äh, engl. uh/ er usw. Hier ist abzuwägen, ob diese vokalischen Laute als Quasi-Internationalismen immer identisch artikuliert oder den jeweiligen Besonderheiten (frz. [ø]/ [œ]) angepasst sind. Zur genaueren phonetischen Untersuchung vgl. K OCH (2020: 325f.). 2 Die Kennzeichnung von Verschleifung mit Unterstrich ist in GAT 2 vorgesehen. Für das Französische ist gerade in der Lernersprache die Kennzeichnung der liaison von besonderem Interesse, wenn man Realisierungen und Auslassungen genauer beobachten möchte. 3 Die doppelten runden Klammern geben Raum für jede Art von Kommentar, der i.d.R. in der Analysesprache oder Grundsprache des Korpus erfolgt. Ggf. könnte der Kommentar noch um eine Zeitangabe ergänzt werden. 4 Pausenzeichen sind in GAT 2 bereits im Minimaltranskript vorgesehen, da sie ganz wesentlich dazu beitragen, den syntaktischen Aufbau gesprochener Sprache zu verstehen. 5 Interpunktionszeichen werden für prosodische Konturen verwendet. Sie können jedoch von den syntaktischen Strukturen abweichen und dürfen nicht als Satzzeichen missverstanden werden. 6 Die äußeren spitzen Klammern markieren Anfang und Ende einer Äußerungsstelle, die mit einem Kommentar in den inneren spitzen Klammern beschrieben wird. Diese Symbolik ist auch wesentlich für die Kennzeichnung von Elementen aus anderen Sprachen (s. die folgenden Transkripte). 7 Mit den einfachen runden Klammern wird ein vermuteter Wortlaut angegeben. An dieser Stelle kann die Negationspartikel ne wegfallen. Die Kennzeichnung zeigt an, dass der Laut [n] allenfalls angedeutet ist. Man könnte auch eine Alternative mit Nullform angeben: (ne/ Ø). 8 Für Redeüberlappung ist bei GAT 2 eine vertikale Ausrichtung wie in der Partiturschreibweise anderer Transkriptionssysteme vorgesehen. 9 Die Präzision der Transkription sieht vor, dass Reformulierungen - hier zunächst zweimal die kontrahierte Form au, dann die im syntaktischen Umfeld notwendige zu à l’ - in allen Einzelheiten aufgeführt werden, zumal gerade hieran die Formulierungsarbeit untersucht werden kann. 10 Anders als bei den anderen Sprechersiglen, die in diesem Beispiel mit F für Französisch indiziert sind, bezeichnet X eine keiner Sprache zuordbare Lautung, wie sie bei den Hörersignalen in den Zeilen 14 und 17 gegeben ist. 11 Die Kennzeichnung auffälliger Artikulation des e muet mit ë ist ein Spezifikum für die Transkription des Französischen (vgl. G ÜLICH / M ONDADA 2008: 34). Auch für die lernersprachliche Untersuchung kann der Aspekt der Artikulation bzw. Tilgung dieses Lautes von Interesse sein. 12 Die Großschreibung markiert Silben, die artikulatorisch besonders hervorstechen. Hingegen werden keine initialen Großbuchstaben bei Eigennamen und dergleichen verwendet. 78 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 Mehrsprachigkeit kann z.B. in Form von code-switching auftreten. Im folgenden Beispiel wird etwas auf Vallader erzählt (vgl. K OCH 2020: 316): (3) 60 P03 V : cun l’hom da: (---) <<Dm>weiß ich jetzt nicht (4.6) 61 ist weg> (-) °h (-) e: : (3.2) (i til) dà_ün: (.) 62 ün [fwɔt] {ferm} ([golp]/ cuolp) (2.9) Im Satz wechselt der Proband in seine Erstsprache Deutsch - hier durch „m“ gekennzeichnet - und kommentiert die Wortfindungsschwierigkeit metasprachlich. Komplexer wird die Indikation dort, wo verschiedene Sprachen aufeinandertreffen und vermischt werden (vgl. K OCH 2020: 267): (4) 99 P07 I : volTÒ voltò la la (<<E>cabeza>/ <<P>cabeça>) no, 100 <<E/ P>cabe/ > (-) la te/ eh però s/ 101 <<E>giró> {girò} la testa, (1.2) Das italienische Wort für ‘Kopf’ lautet testa (Z. 101). Hier interferiert jedoch zunächst eine iberoromanische Form. Aus dem Sprachrepertoire des Probanden heraus kann man sowohl auf sp. cabeza als auch auf pt. cabeça schließen. Die Darstellungen in Z. 99 und Z. 100 zeigen zwei Varianten. Da in Z. 99 das gesamte Wort verschriftet wird, aber die Schreibweise in den beiden Sprachen unterschiedlich ist, werden runde Klammern mit Schrägstrich für alternative Formen verwendet. In Z. 100 ist nur der schriftlich gleiche Wortanfang realisiert, weshalb die Alternative „E/ P“ verkürzt in den Kommentarbereich eingetragen werden kann. Möglich wäre auch die Langform: (<<E>cabe/ >/ <<P>cabe/ >). In Z. 101 wird mit „<<E>giró>“ angezeigt, dass die Aussprache spanisch anmutet: sp. [xiˈɾo] statt it. [d͡ ʒiˈrɔ]. Schließlich sei noch ein Beispiel gezeigt, in dem das System der sprachlichen Markierung sehr weit ausgereizt worden ist (vgl. K OCH 2020: 303): (5) 52 P10 F : euh (.) quand le: quand l’HOMMe (--) euh (---) 53 eu: : : h (--) a: (--) 54 <<C>s’ha aprop/ >[e] {s’est approché} (--) 55 à à à <<E/ C/ I>al> {au/ du} <<E>m[y]ñec/ > {bonhomme} (-) 56 que {qui} le {lui} (1.0) donne (-) donne un coup, (-) 57 (a donné) (---) un (1.6) hm: (2.1) euh le (.) 58 mais (-) mais le <<E>m[y]ñe/ > le <<E>m[y]ñec/ > 59 est très très (--) très_heureux, (---) et (.) 60 ça: le le H° le fil {fils} (-) 61 observe toute la situation de la fenêtre (2.0) Die Schwierigkeit der Darstellung besteht darin, dass Lexeme transferiert und dabei lautlich und morphologisch an die Zielsprache angepasst werden. Aus dem katalanischen Verb s’apropar (‘sich nähern’) wird ein französisches Partizip *apropé gebildet Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 79 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 (kat. apropat). Die gewählte Darstellung zeigt an, dass der Teil in den spitzen Klammern katalanisch und dann phonetisch ein [e] als Endung zu lesen ist, was der französischen Partizipialendung -é entspricht. Ähnlich funktioniert die Form „<<E>m[y]ñec/ >“ von sp. muñeco (‘Puppe’ bzw. hier ‘Schneemann’). Diese Form ist durch Vokalverschiebung zu [y] und durch Wegfall der Endung französisiert worden, existiert so jedoch nicht. In beiden Fällen könnte man vereinfachend mit Fantasieschreibungen (apropé und mugnec o.ä.) arbeiten. Das könnten für die Leser: innen jedoch zunächst rätselhafte Lexeme sein und die interpretierten Interferenzen, die letztlich auch in den Fantasieschreibungen enthalten sind, würden nicht explizit ausgedrückt. Die Form al (Z. 55) kann gleich drei Sprachen im Repertoire des Probanden zugeordnet werden, wobei die Reihenfolge die abnehmende Wahrscheinlichkeit andeuten soll, die im Kontext und im Hinblick auf die jeweilige Sprachbiographie postuliert werden kann. In Z. 60 ist eine Form „fil“ notiert wo fils gemeint ist. Hier liegt ein phonologisch relevanter Aussprachefehler vor: [fil] - fil (‘Faden’) vs. [fis] - fils (‘Sohn’). Das System der sprachlichen Markierung stößt jedoch in Z. 56 an seine Grenzen. Sinngemäß steht hier *que le donne un coup und es wäre korrekt qui lui donne un coup (‘der ihm einen Schlag gibt’). Entweder kann man hier innersprachliche Fehler identifizieren: Objekt-Relativpronomen que statt Subjekt-Relativpronomen qui und direktes Objektpronomen le statt indirektem Objektpronomen lui. Oder man interpretiert die Konstruktion über das Spanische: que le da un golpe. Der spanische Einfluss ist wahrscheinlich, allerdings sind die sprachlichen Formen selbst im Französischen vorhanden, so dass eine Kennzeichnung einer anderen Sprache hier nicht selbstverständlicher Teil des Transkripts sein kann. Vermutlich wird die Visualisierung von Mehrsprachigkeit in anderen Kontexten leichter handhabbar sein als bei den hier dargebotenen Auszügen aus den Transkripten, die romanisch-polyglottes Sprechen abbilden und wo häufig mehrere Sprachen als Ursachen für Auffälligkeiten herangezogen werden können. 9 Wenn man im schulischen Kontext jedoch neben Deutsch und vorgelernten Schulfremdsprachen auch Herkunftssprachen berücksichtigen will, so mag dafür das hier vorgestellte System behilflich sein (vgl. K OCH 2020: 324f., 346): (6) 25 P10 E : <<polnisch m>reper/ >ar el muñeco (.) 26 bueno no <<polnisch m>reper/ >ar el muñeco sino (---) Statt des spanischen Verbs reparar (‘reparieren’) wird eine lautlich leicht abgewandelte Form realisiert, die durch die Metatonie der zweiten Silbe an reperować aus der Erstsprache Polnisch erinnert. Aber auch dies ist lediglich eine These, die deutlich 9 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass interlinguale Transfererscheinungen nur einen Erklärungsansatz ausmachen. Daneben gibt es autonome lernersprachliche Phänomene, die in der Studie v.a. im Kontext des Gebrauchs von Diskusmarkern angesprochen worden sind (vgl. K OCH 2020: 330-347). 80 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 macht, wie sehr Transkription gesprochener Sprache, die den Anspruch erhebt, multilinguale und translinguale Phänomene abzubilden, auf Interpretation beruht und damit weniger Ausgangspunkt, als vielmehr Teil des Ergebnisses einer Analyse darstellt. 4. Übersetzung von Sprachdaten Die Präsentation der vorigen Transkripte setzt auf Interkomprehension, die innerhalb des Fachgebiets der Romanistik zu erwarten ist (vgl. K OCH 2020: 17). Mit anderen Worten ist auf die Übersetzung von Sprachdaten verzichtet worden. Jedoch kann für die Verständigung zwischen den Philologien, v.a. auch zwischen den Fremdsprachendidaktiken die Übersetzung von Transkripten förderlich sein, und wird insbesondere in diversen englischsprachigen Publikationsorganen eingefordert. Anders als in der Allgemeinen Sprachwissenschaft, wo der Austausch über verschiedenste Sprachen das Übersetzen notwendig macht und der internationale Diskurs ohnehin auf Englisch stattfindet, stellt sich in der Romanistik die Frage des Englischen als Publikationssprache insgesamt (z.B. W EINRICH 2003: 242-248, s. auch V IEBROCK / M EIER / A L S A - BAHI in diesem Band) sowie im Besonderen dahingehend, für welche Leserschaft die Objektsprachen einer Untersuchung tatsächlich übersetzt werden müssen. Hierzu ein Beispiel aus K OCH / T HÖRLE (2021: 170). Wenn wir erklären, wie in Französisch als Fremdsprache alors und oui in der Redeplanung eingesetzt werden, mag man sich fragen, inwieweit außerhalb eines spezifischen Fachdiskurses zum Französischen eine solche Analyse von Interesse ist. Gleichzeitig rekurrieren wir dort (ebd.: 157) aber beispielsweise auf eine Studie zum Hebräischen (M ASCHLER 2009), die wir ohne Übersetzung der Transkripte nicht gleichermaßen hätten rezipieren können. In diesem letzten Abschnitt sollen kurz einige Aspekte der Transkriptübersetzung angesprochen werden, zunächst im Allgemeinen und dann im Hinblick auf mehrsprachige Daten. Ein Auszug aus dem genannten Artikel sei als Beispiel angeführt (K OCH / T HÖRLE 2021: 170): (7) 01 N: ça vous semble: CHER ou pas cher. it seems to you expensive or not expensive 02 L: euh non, uh no 03 pas cher, (-) not expensive 04 parce que: (.) je pense quebecause I think that 05 °h alors ça dépend, alors it depends Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 81 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 06 s’il y a beaucoup de monde dans ce cours, if there are many people in that course 07 euh °h c’est (--) oui c’est ça dépend de cela, (-) uh it is oui it is it depends on that 08 alors (.) est-ce qu’il y a euh beaucoup de gens qui alors are there uh many people who 09 suivent le cours avec moi? (.) attend the course with me Die englische Übersetzung wird interlinear und damit nah am Text dargeboten. Durch Kursivsetzung ist sie typographisch vom Original abgesetzt und es wird auf die Übernahme der Symbolik ganz verzichtet. Letzteres ist damit zu begründen, dass es sich nicht um wirklich artikulierte Sprache handelt und dass somit jegliche Markierung von Pausen, Prosodie usw. das Translat verkünsteln würde. Wenn man z.B. in Z. 04 die Vokallängung bei „parce que: “ zu engl. becau: se übersetzte, würde man damit suggerieren, dass beide Sprachen hier exakt gleich funktionierten. Die Formen alors und oui (Z. 05, 07, 08) bleiben unübersetzt. Das ist hier insofern wichtig, als die Polyvalenz dieser Marker im Fokus des Artikels steht. Eine Übersetzung etwa zu engl. well und yes würde die Komplexität der Analyse ad absurdum führen, weil man damit suggerieren würde, der Gebrauch der Formen wäre in beiden Sprachen identisch. Ansonsten versucht die Übersetzung Zeile für Zeile so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber dennoch - mit Ausnahme der genannten unübersetzten Wörter - zielsprachenkonform zu erscheinen. Sofern der Bedarf besteht, kann zwischen Original und Übersetzung noch eine Interlinearglossierung erfolgen. Dies ist eine besonders exakte Form der sprachstrukturellen Erklärung, die wiederum verschiedene Varianten kennt. Nach den Leipzig Glossing Rules (M AX -P LANCK -I NSTITUT L EIPZIG et al. 2015) kann die erste Zeile des vorigen Beispiels folgendermaßen aussehen: (8.1) 01 N: ça vous sembl-e: CHER ou pas cher. this you; PL ; DAT seem-3; SG ; PRS expensive or not expensive it seems to you expensive or not expensive Die Glossierung kann dabei helfen zu zeigen, dass das Personalpronomen im Französischen vor dem Verb steht und wie die Verbform aufgebaut ist. Allerdings sehen die Leipzig Glossing Rules für Letzteres Markierungen im Originaltext vor (hier „semble: “ mit abgetrennter Endung). Die Kombination der Symbole aus beiden Konventionen ist wahrscheinlich nicht sehr zuträglich. Alternativ könnte man noch eine weitere Zeile hinzufügen, um beide Markierungsebenen voneinander zu trennen: 82 Christian Koch DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 51 • Heft 2 (8.2) 01 N: ça vous semble: CHER ou pas cher. ça vous sembl-e cher ou pas cher this you; PL ; DAT seem-3; SG ; PRS expensive or not expensive it seems to you expensive or not expensive Für die Übersetzung mehrsprachiger Transkripte besteht das grundlegende Problem der Transformation eines mehrsprachigen Ausgangstextes in einen einsprachigen Zieltext. Wollte man etwa das oben angeführte Transkriptbeispiel (1), welches keine Indizierungen der Sprachen Deutsch und Spanisch enthält, ins Englische übersetzen, so müssten wohl zusätzliche Hinweise im Translat gegeben werden. Beispiel (4) enthält viele Sprachindikationen und ließe sich inhaltlich in einem Satz wie ‘er drehte seinen Kopf’ zusammenfassen. Nach dem Muster von Beispiel (7) könnte eine Übersetzung (ins Deutsche) so aussehen: (9.1) 99 P07 I : volTÒ voltò la la (<<E>cabeza>/ <<P>cabeça>) no, er drehte er drehte den den Kopf nein 100 <<E/ P>cabe/ > (-) la te/ eh però s/ Ko/ den Ko/ äh aber 101 <<E>giró> {girò} la testa, (1.2) er drehte den Kopf In dieser Form wird allein anhand der Übersetzung nicht deutlich, dass eine interferenzbedingte Wortfindungsschwierigkeit besteht. Die Leser: innen sind also in jedem Fall gezwungen, in den Originaltext zu schauen. Mit Aufnahme der Sprachindikationen könnte das Beispiel folgendermaßen aussehen: (9.2) 99 P07 I : volTÒ voltò la la (<<E>cabeza>/ <<P>cabeça>) no, er drehte er drehte den den <<E/ P>Kopf> nein 100 <<E/ P>cabe/ > (-) la te/ eh però s/ <<E/ P>Ko/ > den Ko/ äh aber 101 <<E>giró> {girò} la testa, (1.2) <<E>er drehte> den Kopf Auf diese Weise ist vielleicht die größtmögliche Transparenz in Form einer erklärenden Übersetzung erreicht, wenngleich sich die Symbolik auf die Lesbarkeit niederschlagen mag. So gilt auch hier, wie bei allen Fragen des Transkribierens, dass es immer darauf ankommt, was im Anbetracht des Forschungsvorhabens mit der Kennzeichnung einzelner Parameter gezeigt werden soll. Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen 83 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0020 5. Fazit Die konversationsanalytische Transkription gesprochener Sprache ist ein anspruchsvolles Handwerk, das im Hinblick auf Mehrsprachigkeit über keine allgemein geläufigen Standards verfügt. Wie Sprachen voneinander abzugrenzen sind, wie man Übergänge zwischen den Sprachen kennzeichnen sollte, wie lernersprachliche Besonderheiten in der Verschriftlichung zum Ausdruck gebracht werden können, welche Formen der Übersetzungen angemessen scheinen, das alles sind anspruchsvolle Fragen, für die in diesem Beitrag Vorschläge gemacht worden sind. Dabei wird eingeräumt, dass aus den Spezifika des polyglotten Sprechens und aus der romanistischen Perspektive nicht der Anspruch erhoben werden kann, damit Standards setzen zu wollen, aber Anregungen mögen an manchen Stellen gegeben worden sein. Forschenden in den Fremdsprachenfächern, die sich in den Bereich der Analyse gesprochener Sprache begeben und zum ersten Mal eigene Transkripte erstellen, sei angeraten, die Festlegung von Transkriptionskonventionen ausführlich zu planen und die ersten Versuche intensiv und kritisch zu evaluieren. Gerade wenn ein Schwerpunkt auf der qualitativen Analyse des sprachlichen Materials liegt und großflächige Transkriptausschnitte das Seitenbild der Publikationen prägen, ist kaum vermeidbar, dass ebendiese plakativen Textelemente zu einem Aushängeschild für die forscherische Qualität der Arbeit geraten. Literatur A BENDROTH -T IMMER , Dagmar / G ERLACH , David (2021): Handlungsorientierung im Fremdsprachenunterricht. Eine Einführung. Berlin: Metzler. D IETRICH -G RAPPIN , Sarah (2020): Mehrsprachigkeitskompetenz als Bildungsziel im schulischen Tertiärsprachenunterricht. Transferbasierte Kommunikationsstrategien im Kontext von spontaner Mündlichkeit und Zwei-Sprachen-Aufgaben. Trier: Wissenschaftlicher Verlag. D ITTMAR , Norbert ( 3 2009): Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. Wiesbaden: VS. E HMER , Oliver / S ATTI , Luis Ignacio / M ARTÍNEZ , Angelita / P FÄNDER , Stefan (2019): „Un sistema para transcribir el habla en la interacción: GAT 2“. 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In addition to extensive surveys of language proficiency, the perceptions of the young people, their parents and teachers, on language use in the family, bilingual education, attitudes towards multilingualism and teaching in the heritage language were collected in guided interviews. In line with the dynamic model of multilingualism (Herdina/ Jessner 2002), the study was carried out in a joint project as a longitudinal investigation over a period of four years at three different locations (Berlin, Hamburg, Leipzig). The paper discusses the time-consuming and resource-intensive multilingual study design with different test administrators for the languages studied as well as the development of special survey instruments for multilinguals. 1. Einleitung Studien zu bilingual aufwachsenden Menschen beschäftigen sich in der Regel mit einzelnen ausgewählten, isoliert betrachteten sprachlichen Bereichen oder Kompetenzen und nehmen dabei meist nur eine der beiden Sprachen in den Blick. Bei den Arbeiten, die sich mit dem Erhalt der Herkunftssprache (HS) beschäftigen, dominiert zudem eine Fokussierung auf die Dokumentation von sprachlichen Abweichungen im Vergleich zu einer monolingualen Vergleichsnorm, die den spezifischen Erwerbsbedingungen der HS kaum Rechnung trägt. Dieser Beitrag stellt ein Forschungsprojekt vor, das 1. den Blick auf eine möglichst holistische Erfassung der sprachlichen Kompetenzen bilingualer Jugendlicher - sowohl in der HS (Russisch bzw. Polnisch) als auch der * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Grit M EHLHORN , Universität Leipzig, Institut für Slavistik, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG E-Mail: grit.mehlhorn@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik der slawischen Sprachen, Mehrsprachigkeit, Herkunftssprachendidaktik, Sprachlernberatung und Ausspracheerwerb. 86 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 Umgebungssprache Deutsch - lenkt sowie zusätzlich gelernte Schulfremdsprachen berücksichtigt und 2. neben umfangreichen Sprachstandserhebungen die Wahrnehmung der Jugendlichen, ihrer Eltern und Lehrkräfte zum Sprachgebrauch in der Familie, zur bilingualen Erziehung, zu Einstellungen in Bezug auf die Mehrsprachigkeit und Unterricht in der HS in Interviews erhebt. Im Sinne des Dynamischen Modells des Multilingualismus (H ERDINA / J ESSNER 2002) wurde die Studie als longitudinale Untersuchung über einen Zeitraum von vier Jahren durchgeführt. Zu Projektbeginn waren die bilingualen Schüler: innen 12 bzw. 13 Jahre alt und begannen gerade mit dem Erlernen ihrer zweiten Fremdsprache. Im Beitrag wird nach Vorüberlegungen zum Forschungsstand (Abschnitt 2) das mehrsprachige Untersuchungsdesign des Projekts erläutert (Abschnitt 3). Dazu gehören neben der zeit- und ressourcenaufwendigen Anlage als Längsschnittstudie in 50 Familien an drei verschiedenen Standorten (Berlin, Hamburg, Leipzig) die Durchführung der Erhebungen in den Familien mit verschiedenen Testleiter: innen für die untersuchten Sprachen sowie die Entwicklung spezieller Erhebungsinstrumente für Mehrsprachige. Abschnitt 4 diskutiert forschungsmethodische Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten im Rahmen des Verbundprojekts. 2. Stand der Herkunftssprachenforschung Ein großer Teil der Kinder aus zugewanderten Familien wächst in Deutschland mit zwei oder mehr Sprachen auf. Der Begriff Herkunftssprecher: in (engl. heritage speaker) bezeichnet ein Individuum, in dessen Familie nicht ausschließlich die Sprache der umgebenden Mehrheitsgesellschaft verwendet wird (vgl. P OLINSKY 2015: 8). Herkunftssprecher: innen können entweder mit zwei Sprachen aufwachsen oder zuerst nur die HS (L1) erwerben, bevor zu einem späteren Zeitpunkt die Sprache der Bevölkerungsmehrheit (L2) hinzukommt. Viele Herkunftssprecher: innen wurden bereits in Deutschland geboren; andere sind mit den Eltern (erste Einwanderergeneration) noch vor dem Schuleintritt eingewandert und wachsen somit seit der frühen Kindheit in einer mehrsprachigen Lebenswelt auf (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2018a). Die HS wird häufiger im familiären Alltag verwendet, Deutsch dagegen intensiver im schulischen Kontext. Die Umgebungssprache Deutsch spielt für die zweite Generation schon im Kindesalter eine wichtige Rolle und entwickelt sich meist in den ersten Schuljahren zur dominanten Sprache, während der Erwerb der HS im Hinblick auf bestimmte grammatische Strukturen noch nicht abgeschlossen ist. Die HS wird unter Bedingungen begrenzten Inputs erworben, da der Sprachkontakt auf wenige Personen im familiären Alltag und somit häufig auf die gesprochene Umgangssprache beschränkt ist (vgl. ebd.: 38-39). In der Mehrsprachigkeitsforschung hat sich inzwischen die Vorstellung durchgesetzt, dass Bilinguale nicht zwei Monolinguale in einer Person verkörpern Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 87 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 (G ROSJEAN 1989: 3). Mit der „Abkehr vom Ideal des ,Muttersprachlers‘ (native speaker) als Ziel des Spracherwerbs“ (B ALLWEG 2019: 266) geht eine kritische Betrachtung der immer noch üblichen Testpraxis einher, bei der Monolinguale den Bezugsmaßstab bilden. Dabei werden die Aneignungsvoraussetzungen mehrsprachiger Personen ausgeblendet (vgl. L ENGYEL 2020: 318). Statt in sprachdiagnostischen Tests ausschließlich die soziale Bezugsnormorientierung über Altersgruppen zu konstruieren, plädiert L ENGYEL (vgl. ebd.) dafür, die idiografische Bezugsnorm - individuelle Entwicklungsverläufe über die Zeit - und die kriteriale Bezugsnorm - Erwerb bzw. Nichterwerb sprachlicher Merkmale - in den Vordergrund zu rücken. Das Dynamic Model of Multilingualism von H ERDINA / J ESSNER (2002) bezieht Erst-, Zweit- und Fremdsprachen gleichermaßen ein und geht davon aus, dass das individuelle Sprachenrepertoire eines Menschen sich im Laufe des Lebens entsprechend den sprachlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten sowie den persönlichen und sozialen Lebensumständen verändert. Eine Grundannahme der Forschung zum Tertiärsprachenerwerb (L3-Erwerb) lautet, dass Bilinguale beim Erwerb weiterer Sprachen von ihren zuvor gelernten Sprachen auf vielfältige Weise profitieren, sodass es qualitative und quantitative Unterschiede zum Zweitspracherwerb (L2) gibt. Vorteile bestehen z.B. in generell höheren kognitiven Fähigkeiten von Bilingualen im Vergleich zu Monolingualen, größerer Sprachlernerfahrung, ausgefeilteren Sprachlernstrategien sowie einer weiteren gelernten Sprache als Ressource für den schnelleren Erwerb analoger Strukturen in der L3. Wenn diese ,Multikompetenz‘ mehrsprachiger Lernender (vgl. C OOK 1993) auch auf die im ungesteuerten Kontext innerhalb der Familie erworbenen HSn zuträfe, dann könnte diese sprachliche Ressource gewinnbringend für den Erwerb weiterer (Schul-)Fremdsprachen eingesetzt werden. Das Faktorenmodell von H UFEISEN (2010) postuliert, dass neben den Interimssprachen der zuvor gelernten Sprachen auch sprachenspezifische Faktoren Auswirkungen auf das Lernen der jeweiligen Zielsprache haben. Für die Untersuchung mehrsprachiger Individuen sollten daher sprachlernbiografische Aspekte berücksichtigt werden. In der Herkunftssprachenforschung besteht Konsens darüber, dass mehrsprachige Kinder Vorteile in der metalinguistischen Sprachenbewusstheit aufweisen (vgl. B ALLWEG 2019: 267). Die crosslinguistic influence hypothesis (vgl. u.a. J ARVIS / P AVLENKO 2008) besagt, dass sich die Sprachen eines Individuums gegenseitig beeinflussen. In der Bootstrapping-Hypothese (G AWLITZEK -M AIWALD / T RACY 1996) wird eine verstärkende Wirkung von Kenntnissen aus der einen auf die andere Sprache und eine temporäre gemeinsame Nutzung von sprachlichen Ressourcen angenommen. Beim Lernen einer Fremdsprache wird eine andere (Fremd-)Sprache zur wichtigsten supplier language. Diese unterstützende Funktion zuvor gelernter Sprachen findet sich auch im Konzept der Interkomprehension und im Mehrsprachenverarbeitungsmodell. M EIßNER (2007) geht bei multilingualen Rezeptionsvorgängen von der Bildung einer Spontan- oder Hypothesengrammatik unter Einbeziehung von Brückensprachen aus. Ob auch HSn eine solche stützende Funktion übernehmen können, ist bislang noch nicht untersucht worden. In der bisherigen Herkunftssprachenforschung lassen sich v.a. soziolinguistische, 88 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 psycholinguistische und kontaktlinguistische Untersuchungen identifizieren (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2018a: 87), die sich oft mit ausgewählten, isoliert betrachteten sprachlichen Bereichen oder Kompetenzen beschäftigen und nur eine der beiden Sprachen berücksichtigen. Studien, die vergleichend einzelne Kompetenzen im Deutschen und in der HS untersuchen, stellen bislang eine Ausnahme dar (z.B. B ÖHMER 2015 zur Beherrschung literater Strukturen bei russisch-deutschen Bilingualen). Durch den Vergleich mit monolingualen Sprecher: innen werden die Kompetenzen von Herkunftssprecher: innen fast ausschließlich aus einer defizitären Perspektive beurteilt (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 86). Dies war für die vorliegende Studie Ansporn, zum einen den Aspekt der Nutzung des mehrsprachigen Potenzials durch die Sprecher: innen selbst, aber auch seine Wahrnehmung durch Akteure des familiären und schulischen Umfelds in den Mittelpunkt zu rücken, sowie zum anderen den Blick auf eine möglichst holistische Erfassung der sprachlichen Kompetenzen, sowohl in der jeweiligen HS als auch der Umgebungssprache Deutsch, zu lenken. Die Förderung von Mehrsprachigkeit impliziert, dass die lebensweltliche Mehrsprachigkeit von Lernenden, die mit einer direkten oder über die Eltern vermittelten Migrationserfahrung verbunden ist, stärker Eingang in die Schule finden muss. Neben herkunftssprachlichem Unterricht, der sich speziell an Herkunftssprachenlernende richtet, ist für die vorliegende Studie schulischer Fremdsprachenunterricht (Polnisch/ Russisch) relevant, der neben Fremdsprachenlernenden auch von (polnischen/ russischen) Herkunftssprecher: innen besucht wird (vgl. M EHLHORN 2017). 3. Forschungsprojekt Russisch und Polnisch stellen neben Türkisch und Arabisch die am häufigsten in Deutschland gesprochenen HSn dar. Das Projekt „Russische und polnische Herkunftssprache als Ressource im Schulunterricht“, aus dem die Daten für die vorliegende Studie hervorgegangen sind 1 , gründet sich auf der theoretischen Vorannahme, dass Mehrsprachigkeit aufgrund der Komplexität der miteinander interagierenden sprachen- und sprecherbezogenen Faktoren nur durch eine ganzheitliche Betrachtung adäquat erfasst werden kann (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 88). Dabei sollte versucht werden, Zweisprachigkeit als Aneignung mehrerer sprachlicher Teilfähigkeiten darzustellen. Dem Projekt liegen das Dynamische Modell des Multilingualismus (H ERDINA / J ESSNER 2002) und das Faktorenmodell (H UFEISEN 2010) zugrunde. Durch ihre ganzheitliche Sicht der Mehrsprachigkeit auf individueller Ebene sowie die Betonung individueller Faktoren und chronologischer Komponenten eignen sich diese Modelle 1 Dieses Verbundprojekt der Universitäten Greifswald und Leipzig (Laufzeit: Okt. 2013 - Sept. 2016 sowie Jan. 2017 - Dez. 2019) unter der Leitung von Bernhard Brehmer und Grit Mehlhorn wurde vom BMBF im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit“ unter den Kennzeichen 01JM1302 und 01JM1701 finanziert. Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 89 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 besonders gut für Einzelfallanalysen in Längsschnittuntersuchungen, wie sie im Projekt durchgeführt wurden. Für mehrsprachige Sprecher: innen bedeutet dies, dass die Sprachkompetenz in Bezug auf die Einzelsprachen nicht nur zwischen verschiedenen Personen derselben Sprachkombination variieren kann, sondern auch innerhalb eines Individuums in Abhängigkeit von der Zeit bzw. Lebensphase. Daher wurden die Familien im Projekt im Abstand von einem Jahr erneut untersucht, um Aufschluss über Entwicklungstendenzen hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten sowie der Einstellungen in Bezug auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit zu erhalten. So stand die Erfassung der Variabilität des Sprachsystems von mehrsprachigen Individuen und der sprachinternen wie -externen Faktoren, die selbst wiederum diese Variabilität beeinflussen, im Mittelpunkt des Projekts. Während die bisher vorliegenden Studien zu HSn in Deutschland in erster Linie Kinder im Vorschulbzw. Grundschulalter erfassen oder aber Erwachsene (meist Studierende) untersuchen, haben wir 2 uns im Projekt auf Schüler: innen zu Beginn des Erlernens der zweiten Fremdsprache in den Klassenstufen 6 oder 7 (d.h. im Alter von 12-13 Jahren) konzentriert. Nach Aufnahme des Unterrichts in einer zweiten Fremdsprache könnten die Schüler: innen möglicherweise für Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen sensibilisiert sein und durch das Hinzutreten einer neuen Sprache (oder das Aufwerten der bisherigen Familiensprache Russisch/ Polnisch zu einer offiziellen Schulfremdsprache in Schulen, die diese als Fremdsprache anbieten) verstärkt ihre lebensweltliche Mehrsprachigkeit als Potenzial wahrnehmen. 3.1 Erkenntnisinteressen Im Projekt sollte daher untersucht werden, - wie sich der Sprachstand der Jugendlichen in den HSn Russisch/ Polnisch und im Deutschen entwickelt, - welche Rolle der familiäre Input für die Entwicklung beider Sprachen spielt, - wie die betreffenden Jugendlichen selbst ihre Mehrsprachigkeit sehen, - welche Sichtweisen auf Mehrsprachigkeit in den Familien vorherrschen, - welche Möglichkeiten die Schüler: innen und ihre Eltern sehen, diese Potenziale in den Unterricht einzubringen, und - wie diese Wahrnehmungen den Sprachstand in der HS, aber auch im Deutschen beeinflussen. Von Interesse waren die Sichtweisen der Befragten dazu, wie stark ihnen das Potenzial ihrer HS für das (außer)schulische Leben bewusst ist und inwiefern sich diese Sicht im longitudinalen Verlauf ändert. Darüber hinaus sollte erhoben werden, ob sich 2 Die Sprachstandserhebungen und Interviews an den drei Standorten wurden von Vladimir Arifulin, Joanna Burkhardt, Ewa Krauss, Tatjana Kurbangulova, Grit Mehlhorn, Aleksandra Pyra, Katharina Mechthild Rutzen, Andreas Schmidt, Dominika Steinbach, Martin Winski und Joanna Ziemba durchgeführt. An der Datenaufbereitung und Transkription der Aufnahmen waren neben den genannten Personen mehrere Hilfskräfte beteiligt. 90 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 der Besuch von Unterricht in der HS auf diese Wahrnehmung auswirkt, inwieweit dadurch die HS bewusster gelernt und das metasprachliche Bewusstsein in Bezug auf die HS erhöht wird, wie das Wissen um das Potenzial der HS von den Eltern gestützt wird und welche Rolle dabei (mono- und bilinguale) Freunde und Mitschüler: innen spielen (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 89-90). 3.2 Forschungsdesign In russisch- und polnischsprachigen Familien in drei deutschen Großstädten wurden zwischen 2014 und 2018 in vier Erhebungswellen (T - Erhebungszeitpunkt) Sprachstandserhebungen, soziolinguistische Befragungen und Interviews durchgeführt. Pro Familie nahm ein: e bilinguale: r Jugendliche: r (K - Kind) teil, in den ersten beiden Testwellen zudem jeweils ein (russischbzw. polnischsprachiger) Elternteil und in den letzten beiden Testwellen ein: e gleichaltrige: r Freund: in (P - Peer), der: die monolingual deutsch aufgewachsen ist (s. Abb. 1). Abb.1: Longitudinales Erhebungsdesign 3.2.1 Erhebungsmethoden Um dem holistischen Ansatz des Projekts bei der Dokumentation des Sprachstands in der HS und im Deutschen gerecht zu werden, wurde ein umfassendes Repertoire an Instrumenten erarbeitet. Getestet wurden sowohl funktional-kommunikative Kompetenzen (Hör- und Leseverstehen, Sprechen, Schreiben) als auch sprachliche Ausdrucksvariation in verschiedenen stilistischen Registern (Alltagssprache vs. Bildungssprache) und individuelle Fertigkeiten bezüglich Aussprache und Intonation, Orthografie, Grammatik und Wortschatz. Alle Instrumente liegen sowohl für Russisch und Polnisch als auch für das Deutsche vor (s. Tab. 1). Um Aussagen über die Qualität des zur Verfügung stehenden Inputs in der HS treffen zu können, wurden mit den gleichen Instrumenten auch Sprachdaten der Eltern (i.d.R. der Mütter der untersuchten Kinder) in der HS und im Deutschen erhoben. Der Fokus der Sprachstandserhebungen bei den Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 91 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 Eltern lag auf den produktiven Kompetenzen, um festzustellen, inwiefern mögliche Phänomene des Sprachverlusts (attrition) und der kontaktinduzierten Veränderungen im Russischen/ Polnischen und im Deutschen durch den Input der Eltern vorgezeichnet sind oder als individuelle Probleme der Sprachproduktion bei den Kindern angesehen werden können (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 91). Neben bewährten Erhebungsinstrumenten, die zum Teil für die HSn adaptiert werden mussten, wurden neue Instrumente entwickelt, z.B. für die Untersuchung der mündlichen Sprachmittlung zwischen dem Deutschen und der HS (vgl. M EHLHORN 2020) sowie Aufgaben zur Interkomprehension (vgl. A RIFULIN / B REHMER 2020). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Instrumente (jeweils in der HS und im Deutschen) sowie die zu testenden Kompetenzen (ausführlich zur Herkunft der Instrumente und Beschreibung der Neuentwicklungen für das Projekt vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015 sowie B REHMER 2016). Kompetenz Instrument (Aufgabentyp) Hörverstehen (HV) Multiple Choice, Richtig/ Falsch/ Nicht im Text, Ordnen von Bildern zum Text in die richtige Reihenfolge Leseverstehen literarischer Text: Aufgaben wie beim HV Sachtext: wie beim HV, statt Bildreihenfolge Zuordnung von Überschriften Schreiben Fast Catch Bumerang: Proband: in muss anhand einer Bilderserie Bauanleitung für einen Bumerang verfassen (vgl. R EICH / R OTH / D ÖLL 2009) E-Mails: Proband: in soll zwei E-Mails mit Entschuldigung für das Nichteinhalten eines Termins formulieren, 1. an Lehrer: in, 2. an Freund: in (Registervariation) Sprechen Erzählen der Bildergeschichte „Fisch“ von Erich Ohser Map Task: Proband: in muss Mitspieler: in Weg auf einem Spielplan mit verschiedenen Symbolen beschreiben, damit diese: r den Weg auf seinem: ihrem Spielplan nachzeichnen kann (diese Aufgabe lösten die Kinder jeweils gemeinsam mit ihrer Mutter) Aussprache Benennen abgebildeter Gegenstände Vorleseaufgabe (literarischer Text) Grammatik DE: C-Test 3 RU/ PL: Cloze-Test Wortschatz Synonymtest: Ermittlung bedeutungsgleicher Wörter aus einer Liste Übersetzung von Lexemen verschiedener Wortarten und Frequenzkategorien ins Deutsche und in die HS Verbal Fluency Task: Proband: in muss in 60 Sek. alle Wörter nennen, die ihm: ihr zu einer vorgegebenen semantischen Kategorie einfallen 3 Zum Russischen/ Polnischen existieren kaum valide C-Tests. Zudem ist ein C-Test in einer morphologiereicheren Sprache schwieriger als ein deutscher C-Test und die Ergebnisse wären nicht direkt vergleichbar. 92 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 Kompetenz Instrument (Aufgabentyp) Interkomprehension Ein Text in einer zuvor nicht gelernten Sprache (Schwedisch, Kroatisch) zu einem Wikipediaartikel über einen bekannten Musikstar soll global verstanden und auf Deutsch zusammengefasst werden. Zusätzlich soll von ausgewählten Wörtern im Text die Wortart bestimmt werden mündliche Sprachmittlung Proband: in soll für die plötzlich erkrankte Großmutter im Krankenhaus anrufen und muss das, was die Großmutter - powerpointgestützt - auf Polnisch/ Russisch erzählt, dem Krankenhausmitarbeiter auf Deutsch wiedergeben und dessen Repliken - powerpointgestützt - ins Polnische/ Russische mitteln Tab. 1: Übersicht über die im Projekt getesteten Kompetenzen und eingesetzten Instrumente Für die Erfassung der sprachlichen Situation in den Familien dienten neben einem ausführlichen Fragebogen zu soziologischen und sozioökonomischen Hintergrundvariablen leitfadengestützte Interviews, in denen Angaben zur Sprachenbiografie der Familienmitglieder, der (selbst eingeschätzten) Sprachkompetenzen, des Sprachengebrauchs, zu Spracheinstellungen sowie zu den praktizierten Formen der Spracherziehung elizitiert wurden. Dabei ging es v.a. um - Entscheidungen zum Spracherhalt und -ausbau oder zur Aufgabe der HS in der Familie, - Entscheidungen zum Besuch von Unterricht in der HS, - Maßnahmen zum Ausbau der Kompetenzen im Deutschen in der Familie, - den Stellenwert der Mehrsprachigkeit für Eltern und Kinder, - die Thematisierung von Sprachenwahl und sprachlichen Defiziten in der Familie, - Formen der Schriftlichkeit der HS, die in der Familie praktiziert werden, - kulturelles Wissen über das Herkunftsland (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 89). Die Verwendung experimenteller Methoden erlaubte eine direkte Vergleichbarkeit der erhobenen Daten, sowohl intrapersonal im Hinblick auf die longitudinale Erfassung von Veränderungen im Sprachstand, als auch interpersonal. Da die jugendlichen Fokuspersonen und die Eltern mit denselben Tests konfrontiert wurden, waren auch hier direkte Vergleiche möglich. 3.2.2 Durchführung Die Studienteilnehmer: innen wurden über Aushänge in Institutionen mit Unterricht in der HS gesucht und meldeten sich selbst bei den Projektleiter: innen. Aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme bestand die Stichprobe überwiegend aus bildungsnahen Familien, denen der Erhalt der HS ihrer Kinder wichtig war. Die Datenerhebung in Hamburg wurde vom Greifswalder Projektteam durchgeführt, die Erhebungen an den Standorten Leipzig und Berlin zeitgleich vom Leipziger Projektteam. Dabei orientier- Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 93 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 ten sich die Projektmitarbeiter: innen an einem ausführlichen Manual, das die Reihenfolge der Aufgaben pro Testtermin und die konkreten Aufgabeninstruktionen enthielt, sodass die Erhebungen trotz unterschiedlicher Testleiter: innen unter vergleichbaren Bedingungen verliefen. Die Befragungen der Jugendlichen und ihrer Mütter fanden gleichzeitig in unterschiedlichen Räumen der Wohnung der Familie statt, wobei die Mutter stets auf Russisch bzw. Polnisch und das Kind in der dominanten Sprache - in der Regel auf Deutsch - interviewt wurde. Die Eltern absolvierten dieselben Aufgaben wie ihre Kinder, mit Ausnahme der Aufgaben zum Hör- und Leseverstehen. Die russischen Instrumente, die Lesekompetenzen erforderten, wurden in zwei Versionen vorgehalten: in kyrillischer Schrift und in einer Transliteration mit lateinischen Buchstaben, um nicht im Russischen alphabetisierte Schüler: innen in die Testung einbeziehen zu können. Diese Jugendlichen durften auch bei den Schreibaufgaben eine lateinische Umschrift benutzen. Die Durchführung der Sprachstandstests und Interviews wurde auf fünf Sitzungen an unterschiedlichen Tagen verteilt, um Ermüdungseffekten vorzubeugen. Die Erhebungen zum Sprachstand Deutsch und in der HS fanden an getrennten Tagen statt, um die Neigung zu zwischensprachlichen (negativen) Transfers zu minimieren. Zudem wurden die Aufgaben zum Russischen, Polnischen und Deutschen jeweils von muttersprachlichen Testleiter: innen betreut, die in den Gesprächen mit den Proband: innen konsequent die zu testende Sprache verwendeten, um zum Erhebungszeitpunkt die Aktivierung eines monolingualen Modus im Sinne von S OARES / G ROSJEAN (1984) zu stimulieren. 3.2.3 Datenauswertung Während die Datenerhebung zu den vier Testwellen an allen Standorten auf dieselbe Weise verlief, erfolgte bei der Datenauswertung eine Arbeitsteilung: Das Greifswalder Projektteam (unter der Leitung von Bernhard B REHMER ) zeichnete für die linguistischen Analysen der Sprachstandsdaten verantwortlich, transkribierte die Sprechaufgaben, nahm Messungen der Sprechgeschwindigkeit und verschiedener Parameter vor (z.B. Voice Onset Time der Plosive), transliterierte die russischen Schreibprodukte und analysierte die Performanz von Kindern und Eltern in Bezug auf die verschiedenen sprachlichen Ebenen. Im Leipziger Teilprojekt wurden die audiografierten Interviews mit der Software f4 transkribiert und mithilfe des Programms MAXQDA einer qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. K UCKARTZ 2012) unterzogen, wobei neben den deduktiv aus den Leitfäden abgeleiteten Kategorien weitere induktive Kategorien am Material bestimmt und das komplette Material mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystem jeweils von zwei Projektmitarbeiter: innen konsensuell kodiert wurde. Ziel der kategorienbasierten Auswertung war eine möglichst dichte Beschreibung der einzelnen Fälle, in denen die Sichtweisen der Beteiligten mit allen eventuell vorhandenen Widersprüchen herausgearbeitet werden sollten (vgl. B URKHARDT / M EHLHORN / Y ASTREBOVA 2018; M EHL - HORN / R UTZEN / K RAUSS 2020). Im Anschluss wurden Fallübersichten erstellt, um die 94 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 untersuchten Personen hinsichtlich bestimmter Themen zu vergleichen. So konnten typische Muster und Zusammenhänge zwischen Merkmalsausprägungen aufgedeckt und als unterschiedliche Typen interpretiert werden (vgl. K ELLE / K LUGE 2010). Auf diese Weise wurde ein Überblick zu den Spracheinstellungen der untersuchten bilingualen Jugendlichen erstellt; darüber hinaus konnten förderliche und hinderliche Einstellungen hinsichtlich des Spracherhalts und deren Bedingungsfaktoren herausgearbeitet werden. Die Triangulation der Sprachstands- und Interviewdaten erfolgte im Projektverbund in zahlreichen Datensitzungen während der Projekttreffen. 3.3 Ausgewählte Ergebnisse In dem aufwendigen Design des longitudinalen Verbundprojekts wurde eine Fülle von Daten erhoben (vgl. exemplarisch B REHMER / M EHLHORN 2018a, M EHLHORN / B REH - MER 2018). Die Ergebnisse können hier aus Platzgründen nur skizzenhaft zusammengefasst werden. Zum Vergleich der Sprachbewusstheit der bilingualen Jugendlichen und ihrer monolingual aufgewachsenen Peers vgl. z.B. das Abschneiden in den Interkomprehensionstests bei A RIFULIN / B REHMER (2020). 3.3.1 Erkenntnisse aus den Sprachstandserhebungen Zum Ende der Studie waren die untersuchten Jugendlichen 16-17 Jahre alt und hatten im Durchschnitt vier Sprachen in ihrem Repertoire (vgl. M EHLHORN / R UTZEN / K RAUSS 2020). Deutsch war für alle Herkunftssprecher: innen die dominante und v.a. schriftlich wesentlich besser beherrschte Sprache. Ein Teil der Jugendlichen sprach auch die HS akzentfrei; bei einigen waren nur wenige Aussprachephänomene auffällig (am häufigsten das nicht apikal realisierte / r/ ). Die deutsche Grammatik erwies sich bei fast allen Jugendlichen zielsprachenkonform. In der deutschen Orthografie waren wenige Abweichungen nachweisbar, die sich auch bei monolingual deutsch aufgewachsenen Kindern finden, z.B. Unsicherheiten bei der Klein- und Großschreibung oder Verwechslung von <das> und <dass>. Die deutsche Aussprache aller getesteten bilingualen Jugendlichen war frei von Einflüssen der HS. Die Eltern zeigten eine diametral entgegengesetzte Sprachendominanz im Vergleich zu ihren Kindern: Für die Mütter war Russisch bzw. Polnisch eindeutig die stärkere Sprache. Sie schnitten in den entsprechenden deutschen Aufgaben durchgängig schlechter ab. Beim Leseverstehen des Sachtexts in der HS hatten die Jugendlichen mehr Schwierigkeiten als mit dem literarischen Text (vgl. u.a. B REHMER / M EHLHORN 2015: 107). Die Übertragung lexikalischer Einheiten in die HS war schwieriger als ins Deutsche. Hinsichtlich der literalen Fähigkeiten waren die Schüler: innen im Deutschen wesentlich besser aufgestellt als in der HS. Beim Schreiben des Bumerang-Textes fehlte den Jugendlichen zum Teil Fachlexik in der HS. Ihre deutschen Texte waren länger und ausgefeilter. Die Eltern zeigten das umgekehrte Bild im Russischen/ Polnischen. Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 95 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 Einige russischsprachige Jugendliche wiesen Buchstabeninterferenzen aus der lateinischen Schrift ins Kyrillische auf und gaben phonetische Assimilationsprozesse grafisch wieder, die normalerweise nicht im Schriftbild ausgedrückt werden (vgl. B REHMER 2017). Grammatische Fehler in der HS wurden insbesondere durch nicht korrekte Flexionsendungen verursacht. In den schriftlichen Texten, in denen ein formelles Register erwartet wurde, verwendeten die Jugendlichen teilweise Kolloquialismen. Bei der Verbalisierung der Bildergeschichte und bei der Map Task hatten einige Schüler: innen Wortfindungsprobleme. Ihr Sprechtempo war deutlich langsamer als im entsprechenden deutschen Test; das betraf auch das Vorlesen (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 109-110). Sehr aufschlussreich waren die Interaktionsdaten bei der Map Task von Mutter und Kind. So haben einige Mütter bei der Map Task in der HS sehr gezielt nachgefragt und die Kinder so bisweilen in eine eher passive Rolle bei der Beschreibung des Weges gedrängt, sodass die Aufgabe in erster Linie durch die Initiative der Mutter gelöst wurde. Interessant sind zudem die gegenseitigen Korrekturen und Selbstkorrekturen von Mutter und Kind in den beiden Sprachversionen der Map Tasks. In den Sprachmittlungsaufgaben konnten die bilingualen Jugendlichen die mündlichen Äußerungen auf Deutsch und in der HS problemlos verstehen. Dagegen zeigten die produktiven Kompetenzen ein stark heterogenes Bild. Während die Jugendlichen recht souverän ins Deutsche mittelten, gab es bei der Mittlung in die HS ein großes Spektrum zwischen stockenden Beiträgen mit vielen Pausen, Wort- und Satzabbrüchen und Umformulierungen bis hin zu flüssigen und akzentfreien Äußerungen. Insgesamt konnten die wesentlichen Informationen erfolgreich gemittelt werden, auch wenn die in der Aufgabe erwähnten Symptome bzw. Krankheiten sowie die behördensprachlichen Begriffe nicht zum produktiven Wortschatz aller Herkunftssprecher: innen gehörten (vgl. M EHLHORN 2020). Die getesteten Mütter waren diesbezüglich sicherer, zeigten jedoch meist einen deutlichen Akzent in ihren deutschsprachigen Repliken. 3.3.2 Erkenntnisse aus den Interviews Die Interviews bieten Einblicke in den Sprachgebrauch in den Familien, die Spracherziehung, die Einstellungen in Bezug auf die Mehrsprachigkeit und den Unterricht in der HS aus Sicht der Schüler: innen, Lehrkräfte und der Eltern (vgl. u.a. M EHLHORN 2015; B REHMER / M EHLHORN 2018b; M EHLHORN / R UTZEN / K RAUSS 2020). Außerdem haben wir erfahren, dass neben dem Herkunftssprachenunterricht einige russischsprachige Kinder im Vorschul- und Grundschulalter außerschulische Veranstaltungen besucht haben, in denen sie regelmäßig Kontakt zur HS hatten (z.B. Chor, Theaterklub, Kulturverein, Zeichenunterricht, Mathematiknachhilfe). Mehrere Kinder hatten durch den Besuch der polnischen katholischen Kirche in Deutschland außerschulischen Kontakt zu ihrer HS. Einige russische Herkunftssprecher: innen konnten bereits vor Schuleintritt lesen, weil ihnen die Eltern dies beigebracht hatten (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2015: 105). 96 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 Die meisten befragten Jugendlichen waren stolz darauf, dass sie neben dem Deutschen eine weitere Sprache beherrschen. Allerdings berichteten mehrere Schüler: innen, dass ihre Lehrkräfte an der weiterführenden Schule nicht wüssten, dass sie zu Hause noch eine andere Sprache sprechen (vgl. M EHLHORN 2015). In den Interviews bestätigten die Eltern, dass ihre Kinder im Alltag oft sprachmittlerisch aktiv seien; dabei erlebten die Jugendlichen Selbstwirksamkeit und eine Aufwertung ihrer mehrsprachigen Kompetenzen. Durch den longitudinalen Zuschnitt wurde zudem deutlich, wie lange Unterricht in der HS besucht wurde (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2018b). Wenn auch alle teilnehmenden Familien Interesse am Erhalt der HS ihrer Kinder hatten, konnten wir in Bezug auf die Spracherziehung verschiedene Strategien und ein unterschiedliches Problembewusstsein ausmachen. Während mehrere Familien zusätzlichen Unterricht als hilfreich für den Erhalt der HS ansahen und sich einige Mütter Gedanken machten, wie die Kompetenzen ihrer Kinder noch ausgebaut werden könnten, gab es auch Eltern, die mit dem erreichten Sprachstand zufrieden und überzeugt waren, dass die Kinder ihre Kenntnisse bei Bedarf jederzeit schnell ausbauen könnten und separater Unterricht übertrieben wäre. Einige Mütter bereuten jedoch im Nachhinein, in ihrer bilingualen Spracherziehung nicht konsequenter auf den Ausbau der HS geachtet zu haben (vgl. B URKHARDT / M EHLHORN / Y ASTREBOVA 2018). 3.3.3 Erkenntnisse aus der Methoden- und Datentriangulation Eine Stärke des Projekts besteht darin, dass die Sprachstandsdaten mit den Erkenntnissen aus den Interviews in Verbindung gebracht werden konnten bzw. letztere auch Erklärungen für Sprachverlust bzw. Erhalt in der HS lieferten. Der im Bereich des Hörverstehens und der mündlichen Sprachproduktion als hoch zu bezeichnende Sprachstand der Jugendlichen in der HS kann als Folge des Inputs in der Familiensprache gewertet werden. Insbesondere die Familien mit zwei russischbzw. polnischsprachigen Elternteilen konnten ihren Kindern einen vielgestaltigen zielsprachlichen Input in der HS bieten. Förderbedarf bestand im Wesentlichen bei den literalen Fähigkeiten, was sich mit bisherigen Befunden der HS-Forschung deckt (vgl. u.a. B ÖHMER 2015). Eine höhere Sprachbewusstheit in der HS zeigten diejenigen Jugendlichen, die die HS konsequent als Familiensprache genutzt und zugleich über mehrere Jahre hinweg regelmäßig mit mehreren Wochenstunden an Unterricht in der HS teilgenommen haben. Wenn sich der Unterrichtsbesuch auf kürzere Zeiträume oder nur 1-2 Wochenstunden erstreckte, waren die Effekte wesentlich geringer bis gar nicht nachweisbar (vgl. B REHMER / M EHLHORN 2018b). Die Interviewdaten ergänzten und erklärten z.T. die Antworten aus den soziodemografischen Fragebögen. So war die Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkompetenzen der Jugendlichen u.a. abhängig davon, mit wem diese sich verglichen: mit monolingual aufgewachsenen deutschen Mitschüler: innen, die die HS nicht kannten, mit Geschwistern oder mit zweisprachig aufwachsenden Gleichaltrigen, mit denen sie Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 97 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 gemeinsam Unterricht in der HS besuchten. Die für die Selbsteinschätzung herangezogenen Maßstäbe waren zum einen auf Schulnoten bezogen, d.h. institutionell geprägt, und zum anderen durch das private Umfeld, z.B. durch Reaktionen von Familienmitgliedern und Freunden. Dabei schien die Einschätzung der Sprachkompetenzen durch die Mütter für die Selbstwahrnehmung der Kinder eine große Rolle zu spielen (vgl. M EHLHORN / R UTZEN / K RAUSS 2020). Die Eltern ergänzten die sprachlernbiografischen Informationen (und teilweise fehlenden Erinnerungen) der Kinder. Der Zugang zu kulturellen Angeboten in der HS war den Kindern als Inputquelle für den Erhalt der HS weniger bewusst als den befragten Eltern. Russische und polnische Traditionen, die laut Interviewaussagen der Mütter in den Familien gepflegt wurden, schienen die Kinder nicht unbedingt als ‘russisch’ bzw. ‘polnisch’ wahrzunehmen; hierin unterschieden sich die Sichtweisen beider Generationen. Das Russlandbzw. Polenbild während der ersten Erhebung wurde offensichtlich von den Eltern übernommen; die Kinder äußerten sich diesbezüglich sehr ähnlich wie ihre Mütter; das veränderte sich jedoch bei einigen Jugendlichen im Laufe der Pubertät (ausführlicher vgl. M EHLHORN / R UTZEN / K RAUSS 2020). 4. Forschungsmethodische Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten Das Schneeballverfahren gilt als weniger optimales Verfahren zur Gewinnung von Proband: innen für eine Stichprobe, war jedoch im Falle der zeitaufwendigen Erhebungen, die zu Hause in den untersuchten Familien stattfanden, die einzige Möglichkeit zur Rekrutierung der Teilnehmenden. Eine große Herausforderung in einem Verbundprojekt mit verschiedenen Teilprojekten und Erhebungsstandorten besteht darin, dass mehrere Personen in die Erhebung involviert sind, die z.T. während der Längsschnittstudie auch noch wechseln. Um die Datenerhebung dennoch in standardisierter Form durchzuführen, wurde ein ausführliches Manual für jeden Erhebungstermin mit detaillierten Instruktionen für die Testleiter: innen zusammengestellt. Zudem fanden drei Projekttreffen pro Jahr mit allen Projektmitarbeiter: innen statt, in denen die Datenerhebung und -auswertung besprochen wurden. Ein Großteil der aus anderen Studien zur Verfügung stehenden Instrumente war ursprünglich für andere Altersgruppen konzipiert worden (z.B. das Instrument Fast Catch Bumerang für 15-16jährige). Zudem mussten die Erhebungsinstrumente sowohl für die 12-13jährigen Jugendlichen als auch für deren Eltern geeignet sein. Hier galt es, vernünftige Kompromisse einzugehen (im Falle des Bumerangs wurde bspw. der zweite Teil des Erhebungsinstruments - das Verfassen eines Bewerbungsschreibens - weggelassen). Bei den ursprünglich für eine jüngere Altersgruppe entwickelten Instrumenten (z.B. aus dem Kontext der IGLU/ PIRLS-Studie, die auf Dritt- und Viertklässler: innen abzielte) wurde in einer Reihe von Pretests sichergestellt, dass sich beim Einsatz für unsere Probandengruppe keine Deckeneffekte einstellten (vgl. 98 Grit Mehlhorn DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 51 • Heft 2 B REHMER / M EHLHORN 2015: 91-92). Da wir aufgrund des Umfangs der eingesetzten Testbatterie nur eine relativ kleine Stichprobe pro HS untersuchen konnten (geplant waren 20 Proband: innen pro HS), brachte der Einsatz von Instrumenten, die bereits in anderen Studien mit bilingualen Kindern und Jugendlichen zum Einsatz gekommen waren, den zusätzlichen Vorteil, Vergleichsdaten zu erhalten, die die individuellen Ergebnisse der untersuchten Proband: innen in einen größeren Kontext einordnen lassen.Eine aus Longitudinalstudien bekannte Schwierigkeit besteht darin, dass im Laufe der Erhebungen Proband: innen abspringen und somit Datensätze unvollständig bleiben. Wir haben versucht diese Fälle zu minimieren, indem wir zum einen zu Beginn mehr Proband: innen (insgesamt 50 Familien) rekrutiert und den Jugendlichen nach Abschluss der Termine Incentives ausgezahlt haben (z.B. 50 € nach der ersten und 70 € nach der zweiten Erhebungswelle). Zudem haben die Familien nach Abschluss des ersten Projekts (2016) und des Anschlussprojekts (2019) eine Auswertung der Sprachstandsergebnisse ihres Kindes erhalten. Tatsächlich war der Teilnehmerschwund über beide Projekte sehr gering, und es lagen am Ende für die polnisch- und russischsprachigen Familien insgesamt 40 vollständige Datensätze über einen Zeitraum von vier Jahren vor. Die umfangreichen Daten einer solchen aufwendigen Erhebung sollten auch nach Projektabschluss zur Nachnutzung für interessierte Wissenschaftler: innen zur Verfügung stehen und werden daher zur Archivierung in das Hamburger Zentrum für Sprachkorpora eingespeist. Dafür war eine Anonymisierung sämtlicher Rohdaten und Transkripte mit einem identischen Kodiersystem notwendig. Während der gemeinsamen Projekttreffen fanden Schulungen aller beteiligten Mitarbeiter: innen zur Datenkodierung, -speicherung und -ablage statt. 5. Fazit Die Möglichkeit der Datentriangulation über die vier Erhebungswellen hinweg erlaubt Aussagen zu Veränderungen in der Zeit hinsichtlich Spracherhalt, -stagnation und Sprachverlust. Anhand der Sprachstandserhebungen konnten ausgeglichene Kompetenzen der bilingualen Jugendlichen im Deutschen nachgewiesen werden. In der HS zeigte sich dagegen eine große Varianzbreite bei den getesteten Fertigkeiten: Während sich die Ergebnisse bei den rezeptiven Tests (Hör- und Leseverstehen) denen im Deutschen weitgehend annäherten, waren die Resultate der Jugendlichen im schriftsprachlichen Bereich verschieden ausgeprägt. Dies galt für beide untersuchten Sprachgruppen (Russisch/ Polnisch), die insgesamt wenig prinzipielle Unterschiede aufwiesen. Die Stärken der untersuchten Jugendlichen in der HS lagen im Bereich der gesprochenen Sprache einschließlich des Hörverstehens; viele verfügten darüber hinaus über eine akzentfreie Aussprache und teilweise auch eine zielsprachennahe Intonation. Die lexikalischen Kompetenzen in der HS waren bei denjenigen Schüler: innen am stärksten ausgeprägt, die zu Hause Russisch bzw. Polnisch als Familiensprache nutzten und zusätzlich an Unterricht in der HS teilnahmen. Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung 99 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0021 Zudem wurde deutlich, dass die Qualität des elterlichen Inputs ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der HS ist (vgl. B REHMER 2018), während dies für das Deutsche nicht zutrifft: Die Jugendlichen wiesen unabhängig von den Deutschkenntnissen ihrer Eltern ein sehr hohes Sprachniveau in der Umgebungssprache auf. Der Vergleich der quantitativen und qualitativen Daten erlaubte interessante Einsichten in Gemeinsamkeiten bzgl. des Spracherhalts der HSn Russisch und Polnisch sowie zu standortspezifischen Unterschieden. So unternahmen z.B. die Berliner polnischsprachigen Jugendlichen - aufgrund der geografischen Nähe zu Polen - viel häufiger Reisen ins Herkunftsland ihrer Eltern. Die Fallanalysen zeigen, dass sich eine ganze Reihe von Variablen auf den Erhalt der HS und die individuelle Mehrsprachigkeit der SuS auswirkt (vgl. auch das Faktorenmodell von H UFEISEN 2010) und dass diese Faktoren in verschiedenen Fällen unterschiedliches Gewicht haben. Die Interviews verdeutlichen darüber hinaus, wie viele Anstrengungen notwendig sind, um Kinder konsequent zweisprachig zu erziehen und Sprachverlust in der HS zu verhindern. Ein Vorteil des Studiendesigns besteht in der Möglichkeit, Sprachstands- und Interviewdaten miteinander in Beziehung zu setzen und eine Perspektiventriangulation der beteiligten Jugendlichen, Eltern und Lehrkräfte vorzunehmen. Im Verbundprojekt konnten psycholinguistische und soziolinguistische Forschungsansätze auf gewinnbringende Weise miteinander verbunden werden. Durch die Zusammenarbeit der beiden Projektteams wurden innovative Instrumente entwickelt, die die Vorzüge der Mehrsprachigkeit der untersuchten Proband: innen anschaulich dokumentieren (Sprachmittlung, Interkomprehension) und denen beim Ausbau des Potenzials der Mehrsprachigkeit im Rahmen von systematischem Unterricht in der HS besondere Bedeutung zukommen sollte. Literatur A RIFULIN , Vladimir / B REHMER , Bernhard (2020): „‘Wir understand svenska i srpski! ’ - Spontane Interkomprehension bei Herkunftssprecher*innen des Russischen in Deutschland“. In: K OSTIU - ČENKO , Anastasija / M ÜNZER , Tamara / Z AWADZKA , Agnieszka (Hrsg.): Slawische Sprachen unterrichten. Frankfurt/ M. u.a.: Lang, 227-257. B ALLWEG , Sandra (2019): „Erst-, Zweit- und Mehrsprachenerwerb in der Forschung“. In: F ÄCKE , Christiane / M EIßNER , Franz-Joseph (Hrsg.): Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik. Tübingen: Narr Francke Attempto, 265-270. B ÖHMER , Jule (2015): Biliteralität. 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Content and Language Integrated Learning (CLIL) combining the subjects English and art lends itself to heterogeneous language learners at the primary level due to the emphasis on highly visualized task-based and action-oriented learning. Against this backdrop, a comprehensive, qualitative-dominant mixed-methods research study was carried out. The article focuses on how primary pupils with different levels of competence in English make use of CLIL tasks for developing their competences in both subjects. We provide insights into two CLIL tasks including short conversation analyses from dialogues between the pupils. The research design is laid out in detail. In the data analysis we focus on four criteria for assessing the pupils’ speaking competences in the CLIL setting. The results indicate that strong and average pupils could benefit from the CLIL in very similar ways to develop both languageand content-based competences whereas the group of the pupils with weaker competences in English utilize this setting in a significantly different way needing more and diverse scaffolding for the dual-focused learning. * Korrespondenzadressen: Dr. Silvia F RANK S CHMID , Pädagogische Hochschule Luzern, Frohburgstraße 3, CH 6002 L UZERN E-Mail: silvia.frank@phlu.ch Arbeitsbereiche: Englischunterricht auf der Primarstufe, CLIL / bilingualer Unterricht, heterogenitätsfreundlicher Unterricht Prof. Dr. Nikola M AYER , Pädagogische Hochschule Zürich, Didaktik Englisch Sekundarstufe; Lagerstraße 2, CH 8090 Z ÜRICH E-Mail: nikola.mayer@phzh.ch Arbeitsbereiche: Englischunterricht in der Sek I, Multimodales Lesen, Literatur im Fremdsprachenunterricht. 1 Das in der Schweiz und in Österreich als ‘Bildnerisches Gestalten’ bezeichnete Schulfach entspricht dem Fach Kunst in Deutschland. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 103 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 1. Einleitung Bilingualer Unterricht bzw. Content and Language Integrated Learning (CLIL) ermöglicht eine Fusion von Fächern, die normalerweise getrennt unterrichtet werden und schafft dadurch einen neuen Zugang zu Sprache und Sachfach (vgl. W OLFF / S UDHOFF 2015: 28). Mehrere in Deutschland durchgeführte Studien (R YMARCZYK 2003; W ITZIGMANN 2011; B ECHLER 2014) zeigen, dass das Fach Bildnerisches Gestalten (kurz BG) für die Umsetzung von CLIL mit Fremdsprachenanfänger*innen besonderes Potential birgt. Die Eignung dieses Faches für bilinguales Lernen hängt primär mit der im BG natürlich vorkommenden Anschaulichkeit und Handlungsorientierung zusammen sowie mit den damit einhergehenden authentischen Lernsituationen und mit dem direktem Zugang zu interkulturellen Inhalten (vgl. B ADSTÜB - NER -K IZIK / L AY 2019). CLIL wird hier als eine echte Fächerfusion verstanden, bei der die Lernziele und Inhalte des Sach- und Fremdsprachenfaches integrativ vermittelt werden. Diese von M ASSLER / S TOTZ (2013: 10f.) als CLIL-Variante C bezeichnete Umsetzungsform eignet sich speziell für die Primarstufe, weil das fremdsprachliche Lernen an anschauliche, erlebbare Inhalte geknüpft wird und so zur unmittelbaren Anwendung kommt. In der Schweiz gibt es bislang noch kein theoriebasiertes, empirisch begründetes Vorgehen, wie CLIL-Lerneinheiten unter Berücksichtigung der im Lehrplan aufgeführten Kompetenzen 2 in heterogenen Primarschulklassen lernanregend umgesetzt werden können. Dieses Forschungsdesiderat adressiert eine kürzlich durchgeführte Good Practice-Studie, bei der qualitätsvolle CLIL-Lernaufgaben entwickelt und von verschiedenen Expert*innen hinsichtlich ihres potenziellen Lernertrags evaluiert wurden. Die als qualitätsvoll erachteten Aufgaben wurden mittels des Lesson Study- Ansatzes (D UDLEY 2014) in acht Primarschulklassen 3 implementiert. Dabei wurden die Lernhandlungen von jeweils drei sogenannten case pupils (ebd.: 5), die die Heterogenität in der Klasse in Bezug auf drei Leistungsniveaus im Englischen abbilden, in jeweils drei Klassen videografiert und analysiert (N=9 Schüler*innen). Ihre Lernhandlungen im Rahmen von zwei als besonders positiv eingeschätzten Lernaufgaben wurden anhand einer adaptierten Version des COLT-Beobachtungsinstruments (vgl. A LLEN / F RÖHLICH / S PADA 1983) ausgewertet. Ergänzend wurden Fragebögen an die acht Lehrpersonen und an alle 151 beteiligten Schüler*innen ausgegeben. Über zusätzliche Gruppeninterviews konnten genauere Einsichten über die Perspektiven der Lehrpersonen und der case pupils gewonnen werden. Der vorliegende Beitrag beleuchtet einen Ausschnitt aus dem umfassenden Forschungsprojekt (vgl. F RANK S CHMID 2021) und zeigt, wie Lernende der Primarstufe mit heterogenen Englisch-Leistungsniveaus die bereitgestellten Lernaufgaben für den 2 Der kompetenzorientierte Schweizer Lehrplan (D-EDK 2014) schlägt vor, vermehrt Sequenzen bilingualen Lernens ergänzend zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht anzubieten. 3 In der Schweiz umfasst die Primarstufe die Klassen 1-6. Der Englischunterricht beginnt in den untersuchten Kantonen in der 3. Klasse. 104 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 Kompetenzaufbau in beiden Fächern nutzen. Exemplarisch wird dies in Bezug auf die Verwendung von Englisch, das dialogische Sprechen und die sachfach-inhaltliche Kommunikation von Wahrnehmung gezeigt. 2. CLIL mit Englisch und BG für heterogene Primarschulklassen CLIL-Programme werden oft als Angebot für leistungsstärkere, meist privilegierte Lernende betrachtet, die aufgrund ihrer intellektuellen oder familiären Voraussetzungen für bilingualen Unterricht selektiert werden (vgl. W OLFF 2016: 27; S TEINLEN 2021: 37). Daraus könnte man schließen, dass bilingualer Unterricht lernschwache Schüler*innen überfordert. Verschiedene Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass CLIL-Unterricht in heterogenen Klassen gelingen kann und für alle Schüler*innen geeignet ist (vgl. G ENESEE 2007: 659; P ÉREZ C AÑADO 2019: 12; P ÉREZ C AÑADO 2021: 40; S CHMIDT 2016: 258). Dank der europaweiten Bestrebungen zur Förderung der Mehrsprachigkeit (vgl. E UROPEAN U NION 2008: 1) gibt es inzwischen CLIL-Lernangebote für alle Lernenden auf allen Schulstufen (vgl. W OLFF 2016: 27). Jedoch muss bei der Umsetzung von CLIL-Unterricht auf der Primarstufe, wo lernschwache und lernstarke Kinder ohne vorgängige Selektion miteinander lernen, der großen Heterogenität besondere Beachtung geschenkt werden. Ein erfolgreiches Unterrichtsprinzip im Umgang mit heterogenen Klassen ist die Bereitstellung differenzierter Lernangebote mit vielseitigen, sowohl individualisierten als auch kooperativen Lerntätigkeiten. Handlungsorientiertes Arbeiten, bei dem die Lernenden unter Einbezug mehrerer Sinne den Lerngegenstand aktiv konstruieren, wird dabei als besonders wertvoll erachtet (vgl. K LIPPERT 2010: 52). Im CLIL-Unterricht in der Fächerverbindung Englisch und BG kann ganzheitliches Lernen durch Einbezug der auditiven, visuellen und haptischen Sinne beispielhaft umgesetzt werden (vgl. K LIPPERT 2010: 61; G EHRING 2017: 17), wobei das hohe Maß an Handlungsorientierung den frühen Einstieg in den bilingualen Unterricht zusätzlich begünstigt. Vor allem die visuelle Komponente, die im BG zentral ist, unterstützt die fremdsprachliche Rezeption und Produktion optimal (vgl. R YMAR - CZYK 2015: 194). Bei der Umsetzung von BG-spezifischen Techniken und Prozessen können Beispiele und Modellierungen das Verstehen fördern. In Unterrichtsgesprächen über eigene oder fremde Kunstwerke können die Lernenden auch mit non-verbaler oder basaler, deiktischer Sprache (z.B. I like this.) zeigend-unterstützt kommunizieren (vgl. R YMARCZYK 2003: 269). Weiter verspricht der bilinguale BG-Unterricht ein hohes Maß an gestalterischer Individualität und lässt viel Raum für autonomes Arbeiten (vgl. ebd.: 122). Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 105 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 3. Lernaufgaben als Dreh- und Angelpunkt einer CLIL-Didaktik In Anlehnung an ein sozial-konstruktivistisches Lehr-Lernverständnis und im Zeitalter der Kompetenzorientierung spielen Lernaufgaben eine zentrale Rolle. Bei der Operationalisierung von Kompetenzen entscheiden sie als „kleinste Einheit“ über die Qualität von Unterricht (C RIBLEZ 2016: 28). Damit Kompetenzen aufgebaut werden, braucht es eine Reihe aufeinander abgestimmter Lernaufgaben, die zu Beginn aktivieren, dann erlauben den Lerngegenstand zu erarbeiten, zu üben und zu vertiefen und schließlich im Sinne einer Synthese oder eines Transfers das Gelernte zur Anwendung zu bringen (vgl. L UTHIGER / W ILDHIRT 2018: 38). Ein heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht zeichnet sich nicht nur durch die Bereitstellung verschiedener Aufgabentypen auf unterschiedlichen kognitiven Anforderungsstufen aus, sondern manifestiert sich auf Unterrichtsebene vor allem über die Qualität der einzelnen Lernaufgaben und deren didaktische Begleitung im Unterricht. 3.1 Qualitätsvolle CLIL-Lernaufgaben Lernaufgaben und CLIL verbindet eine symbiotische Beziehung (vgl. M EYER 2010: 19). Doch ob Lernaufgaben den sachfachlichen bzw. fremdsprachlichen Kompetenzaufbau initiieren, hängt von ihrer Lernwirksamkeit ab (vgl. L UTHIGER / W ILDHIRT 2018: 38). Als potenziell wirksame Lernaufgaben werden nach A STLEITNER (2006: 14) solche erachtet, die sich mit den empirisch belegten Merkmalen von ‘gutem Unterricht’ (vgl. z.B. H ELMKE 2015; M EYER 2014) decken. Jedoch sind neben allgemeindidaktischen Qualitätsmerkmalen für den jeweils spezifischen Unterrichtskontext immer auch fachdidaktische Ausdifferenzierungen und Ergänzungen nötig (vgl. L UTHIGER / W ILDHIRT 2018: 70). Für die CLIL-Unterrichtsmodule mit Englisch und BG müssen demzufolge Lernaufgaben sowohl Qualitätsmerkmale der allgemeinen Didaktik als auch der beiden Fachdidaktiken erfüllen. Um theoriebasierte Qualitätsmerkmale ausfindig zu machen, wurde eine breit abgestützte Literaturrecherche und Analyse durchgeführt, die in 14 beobachtbaren Indikatoren zu fünf übergeordneten Qualitätsmerkmalen resultierte: ‘Interesse & Motivation’, ‘Anregung von CLIL-Lernprozessen’, ‘kognitive Aktivierung’, ‘Offenheit’, ‘Differenzierung’. 4 3.2 Lernförderung durch vielseitiges Scaffolding Lernaufgaben sind keine „didaktischen Selbstläufer“ (L UTHIGER / W ILDHIRT 2018: 37). Dies gilt insbesondere für den CLIL-Unterricht mit Sprachanfänger*innen in 4 Die Auswahl und die Begründung der beigezogenen Literaturquellen, die zugrundeliegenden Theorien zu den verschiedenen Qualitätsmerkmalen und deren Indikatoren sowie das Vorgehen als auch die Auswertung der Aufgabenevaluation können in der Publikation des gesamten Forschungsvorhabens (F RANK S CHMID 2021) nachgelesen werden. 106 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 heterogenen Primarschulklassen. Scaffolding ist deshalb von eminenter Wichtigkeit und wird in Anlehnung an die ursprüngliche Definition von W OOD und Kollegen (vgl. W OOD / B RUNER / R OSS 1976: 90) als Begleitprozess unter Berücksichtigung von sozialen, kognitiven und funktional-sprachlichen Aspekten verstanden. Im CLIL-Unterricht hilft Scaffolding die Kluft zwischen kognitiv-inhaltlichen und fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden zu überbrücken (vgl. Z YDATISS 2010: 3). Auf der Makro-Ebene bezieht Scaffolding sich auf die Unterrichtsplanung. Die Abfolge und Wahl der Lernaufgaben, die Aktivierung des Vorwissens oder die Unterrichtsmaterialien stellen hierbei eine wichtige Lernunterstützung dar. Bei Scaffolding auf der Mikro-Ebene handelt es sich um anlassbezogene, spontan eingesetzte Hilfestellungen, die das unmittelbare Unterrichtsgeschehen erleichtern (vgl. H AMMOND / G IBBONS 2005: 14-20). Auch wenn im vorliegenden CLIL-Setting, die starke Handlungsorientierung im BG die Diskrepanz zwischen kognitiv-inhaltlichen und fremdsprachlichen Anforderungen schmälert, da auch kreative Anforderungen in den Vordergrund rücken, bedarf es dennoch diverser Lernhilfen auf sprachlicher, inhaltlicher und strategischer Ebene (vgl. M ASSLER / I OANNOU -G EORGIOU 2010: 61; B ELLET 2017: 243-245). Abb. 1: Übersicht Scaffolding für den CLIL-Unterricht 5 5 F RANK S CHMID (2021: 18); adaptiert auf der Grundlage von M ICHELL / S HARPE 2005: 53. Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 107 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 3.3 Einblicke in das CLIL-Modul II: New jobs and colours for the crayons Basierend auf den eben dargelegten didaktischen Überlegungen zu verschiedenen Aufgabentypen, qualitätsvollen Lernaufgaben und reichhaltigem Scaffolding wurden von der Forscherin zwei aufgabenbasierte CLIL-Module für jeweils drei Doppelstunden entwickelt. Das zweite CLIL-Modul, das die Grundlage für die Hauptstudie war, wird nachfolgend kurz portraitiert. Der Einstieg erfolgte über die Bilderbuchgeschichte ‘The day the crayons quit’ (D AYWALT 2016), in der die Wachsfarben ihren Ärger über ihre ungleiche Verwendung beim Malen in Briefen mitteilen. Anhand von Leitfragen (What is his job? Why is the crayon fed up? What does he wish for? ) wurden diese Briefe gelesen und besprochen. Die Lernenden erfahren, dass den unzufriedenen Wachskreiden mittels Kreierens von neuen Farbtönen mit passenden Bezeichnungen geholfen werden kann. Doch die crayons (Kreidestifte) sind auch noch unglücklich darüber, dass sie stets dieselben Gegenstände malen sollen. Deshalb wird nun die Idee des ungegenständlichen Malens initiiert. Die Lernenden lernen den Künstler Wassilis Kandinsky kennen, der sich vom gegenständlichen Malen löste. Seine Bilder werden betrachtet und beschrieben. Das Malen von fantasievollen Formen und Wesen im Stil von Kandinsky wird im Anschluss daran geübt. Schließlich malen die Lernenden ihr eigenes ungegenständliches Bild und sprechen in Gruppen darüber. Die beiden besonders positiv evaluierten Lernaufgaben basieren auf folgenden Zielen: Erarbeitungsaufgabe Create new colours and give the new shades suitable names. Syntheseaufgabe Create a fantasy painting, describe it in a letter to the crayons. Lernziele • Die Lernenden können mit wasserlöslichen Wachsfarben verschiedene Mischtechniken erproben. • Sie können vielfältige Farbtöne kreieren und ihre Vorgehensweise protokollieren. • Sie können ihren Farben passende Namen geben. • Sie können ihre neuen Farbtöne in Gruppen präsentieren. Lernziele • Die Lernenden können ein ungegenständliches Fantasiebild mit verschiedenen Farben malen. • Sie können ihr Bild in einem Brief beschreiben. • Sie können ihre Wahrnehmungen zu den fremden Bildern in der Gruppe mitteilen. • Die Lernenden können ihr Bild mit Hilfe ihres Briefes vorstellen. Tab. 1: Lernziele der beiden im Detail analysierten Lernaufgaben Im Folgenden wird nun der Blick auf die Forschungsmethode und das Forschungsdesign gelegt. 108 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 4. Forschungsmethodisches Vorgehen Dieser Beitrag stellt die Nutzung der CLIL-Lernangebote in der Fächerfusion Englisch und BG durch die case pupils in den Fokus und beantwortet die folgenden Forschungsfragen: • Wie nutzen Primarschulkinder mit heterogenen Englisch-Leistungsvoraussetzungen die CLIL-Lernaufgaben im Hinblick auf fremdsprachliche und inhaltliche Sprechhandlungen? • Wie schätzen Lehrpersonen und Lernende die Nutzung der CLIL-Lernaufgaben ein? Für die vertiefte Beantwortung dieser Forschungsfragen wurden Datensätze aus unterschiedlichen Perspektiven (Forscherin, Lehrpersonen und Lernende) und mit verschiedenen Instrumenten (Unterrichtsanalyse, Befragungen) erhoben und mittels qualitativen sowie quantitativen Ansätzen analysiert. Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich somit um einen „qualitative dominant mixed methods“ Forschungsansatz (J OHNSON / O NWUEGBUZIE / T URNER 2007: 124). 4.1 Die Untersuchungsteilnehmenden Die acht Lehrpersonen aus öffentlichen Deutschschweizer Primarschulen wurden über eine Weiterbildungsveranstaltung zu CLIL in der Fächerkombination Englisch und BG gefunden. Teil der Weiterbildung waren neben theoretischen Informationen auch praktische Anregungen für die Umsetzung der zwei bilingualen Module im Unterricht. Von den insgesamt 151 Lernenden, die sich im zweiten, dritten respektive vierten Englischlernjahr befanden, wurden in jeder Klasse drei Schüler*innen als case pupils von den Lehrpersonen aufgrund ihrer Englischnoten 6 ausgewählt. Sie fungierten als Vertreter*innen der leistungsschwachen, durchschnittlichen und lernstarken Englischlernenden. Drei dieser acht Klassen wurden als engere Forschungsmitwirkende bestimmt. 4.2 Forschungsdesign und Instrumente der Datenerhebung Die Implementierung der beiden CLIL-Module orientierte sich am Konzept der Lesson Study, bei dem Forschende und Lehrpersonen eng kooperieren, mit dem Ziel, das Lernen der Schüler*innen, exemplarisch durchgeführt über fokussiertes Beobachten der ausgewählten case pupils, zu analysieren und zu optimieren (D UDLEY 2014). Vor der Umsetzung füllten die Lehrpersonen und die Lernenden einen Fragebogen aus, in dem sie ihr Vorwissen und ihre Erwartungen an den CLIL-Unterricht in der 6 Da das fremdsprachliche Vorwissen das Verstehen und die Kommunikation im CLIL-Unterricht maßgeblich beeinflussen, wurde die Erfassung der Heterogenität der case pupils auf deren Englischkompetenzen beschränkt. Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 109 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 Fächerfusion Englisch und BG mitteilten. Die Durchführung eines CLIL-Moduls dauerte rund drei Doppelstunden. Im Fokus standen jeweils die drei case pupils. Ihre Lernhandlungen wurden von der unterrichtenden Lehrperson sowie der teilnehmenden Forscherin genau beobachtet und videografiert. Im Anschluss an jede Doppelstunde wurden die case pupils zu ihrem Lernen befragt. Zusätzlich hielten die acht Lehrpersonen ihre Beobachtungen in Form von reflektierenden Notizen fest und alle Lernenden teilten ihre Eindrücke zum CLIL-Lernen in einem Fragebogen mit. Bei einem Treffen am Ende des ersten Moduls tauschten sich die Lehrpersonen über das duale Lernen ihrer Schüler*innen, insbesondere ihrer case pupils, aus. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde ein revidiertes CLIL-Modul II (s. Kapitel 3.3) entwickelt und ein weiterer Lesson Study-Zyklus gestartet. 4.3 Methodisches Vorgehen der Datenauswertung Die videografierten und transkribierten Unterrichtssequenzen wurden anhand einer adaptierten Version des COLT-Beobachtungsinstruments (A LLEN / F RÖHLICH / S PADA 1983) mit der Software MAXQDA ausgewertet. Das Beobachtungsinstrument besteht aus zwei Teilen: In einem ersten Schritt untersucht es die Oberflächenstrukturen des Unterrichts, in einem zweiten Schritt werden die Lernhandlungen analysiert. Für den vorliegenden Forschungskontext und für die Analyse der Lernhandlungen wurde das Beobachtungsinstrument durch Kriterien gemäß der fremdsprachlichen und inhaltlichen Kompetenzbeschreibungen aus dem Schweizer Lehrplan (D-EDK 2014) ersetzt. Tabelle 2 ( S. 110) veranschaulicht die Qualitätskriterien zur Einschätzung der Verwendung der englischen Sprache (‘Use of English’), des dialogischen Sprechens (‘Speaking dialogue’) und des Bereichs ‘Wahrnehmung und Kommunikation’ 7 , der sich auf die sachfach-inhaltliche Qualität der Sprechhandlungen bezieht. Mittels Ereigniscodierung (event sampling) konnte nicht nur die Häufigkeit der CLIL-Lernhandlungen eines jeden case pupil bei der Bearbeitung der beiden oben dargestellten Lernaufgaben bestimmt werden, sondern auch deren Qualität wurde auf einer vierstufigen Skala (++ = sehr gut, + = gut, - = genügend, -- = ungenügend) eingeschätzt. 8 Ziel der umfassenden Unterrichtsanalyse war es, sowohl aus qualitativ-deskriptiver Perspektive als auch auf quantitativ-vergleichender Ebene, unter anderem mittels Chi-Quadrat-Test (vgl. K UCKARTZ et al. 2013: 87-92), die Lernhandlungen über die drei Leistungsgruppen hinweg zu analysieren und vergleichen. Die Daten wurden von einer Zweitcodiererin in einem unabhängigen Verfahren eingeschätzt. Für die Bestimmung der Reliabilität bei intervallskalierten Ratings wird die justierte Intraklassenkorrelation (ICC just ) als geeignetes Maß angesehen (vgl. W IRTZ / C ASPAR 2002: 157). 7 Die Kategorien, die sich auf das Fach Englisch beziehen, sind bewusst auf Englisch betitelt. Jene zugehörig zum Fach BG haben deutsche Bezeichnungen. 8 Die Codes wurden über jede zusammenhängende Sprechhandlung (= Ereignis) eines case pupils gelegt. Die Regeln können im Codierleitfaden in der Publikation (F RANK S CHMID 2021) nachgelesen werden. 110 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 Tab. 2: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zur Qualitätseinschätzung von mündlichen Lernhandlungen Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 111 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 In der vorliegenden Untersuchung mit hoch-inferenten Ratings wurde ein Reliabilitätsmaß von mindestens 0.70 als zuverlässig festgelegt. Die Daten, die aus den Gruppeninterviews mit den case pupils und den Gruppendiskussionen mit den Lehrpersonen resultierten, wurden gemäß dem Vorgehen der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach K UCKARTZ (2018: 100) bearbeitet. Durch ein mehrstufiges Verfahren wurde ein Kategoriensystem bestehend aus Codes und Subcodes in Bezug auf die Forschungsfragen entwickelt. Während sich einige der Kategorien deduktiv aus den Forschungsfragen ergaben (z.B. Englisch- oder BG-Lernerfahrungen, Differenzierung, Scaffolding etc.), wurden andere induktiv aus dem Datenmaterial herausgearbeitet (z.B. Neuer Zugang zur Sprache, Sprachgebrauch in Gruppen, Kooperatives Lernen, etc.). Die Einordnung der Codes in positive und negative Aspekte erlaubte es zudem, die transkribierten Interviewaussagen in Chancen und Herausforderungen einzuteilen. Auch hier wurde für die Sicherstellung der Beurteilerreliabilität die Kategorisierung sowohl von der Forscherin als auch von der geschulten Zweitcodiererin vorgenommen. Die Angaben aus den 151 Fragebogen der Schüler*innen wurden in einem Excel- Sheet nach ihrer Zugehörigkeit zu der Leistungsgruppe der starken, durchschnittlichen oder schwachen Englischlernenden ausgewertet. 5. Ergebnisse Bevor im Folgenden die Ergebnisse hinsichtlich der Nutzung der CLIL-Lernangebote zuerst aus den Unterrichtsanalysen und dann aus den Befragungen dargelegt werden, sollen exemplarische Sprechhandlungen der case pupils die konkrete Unterrichtssituation weiter veranschaulichen. 5.1 Mündliche Unterrichtsbeispiele Im Rahmen der Erarbeitungsaufgabe ‘Create new colours and give the new shades suitable names’ (s. Kapitel 3.3) stellten die Lernenden der 5./ 6. Klasse ihre Farbkreationen in Gruppen vor. Die folgenden ausgewählten Beiträge der drei case pupils (H1 = schwach; H2 = durchschnittlich; H3 = stark) sind Ausschnitte aus einer längeren Gesprächsrunde: H3: Ehm, this colour’s name is ‘Water’ because it looks like water in the lake when there are no sea grass and ‘Schlamm’. Uahh! (verzieht das Gesicht) I mixed it with blue, yellow, pink, purple and water. H2: Okay. Ehm. This colour has the name ‘Candyfloss’. Ehm I used the colours blue and purple and mixed it with water. H1: This is my favourite colour, this is ‘Jeans’. 112 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 Alle drei case pupils waren in der Lage ihre Farben auf Englisch (EN ++) 9 zu kommunizieren. Der case pupil (H3) mit den guten Englischleistungen konnte seinen 10 Farbton fließend, umfassend und mehrheitlich fehlerfrei vorstellen (SD++). Seine Wahrnehmung zur Farbe stellte er äußerst differenziert dar (WK++). Es gelang ihm aufzuzeigen, dass sein selbstkreierter Farbton nur an bestimmten Stellen zum Seewasser passt. Auch der case pupil (H2), mit den Englischnoten im mittleren Bereich, beschreibt seinen Farbton umfassend und korrekt (SD++). Zudem verwendet er einen zutreffenden Begriff, um seinen hellblauen Farbton mit dem Blau einer Zuckerwatte zu vergleichen (WK++). Der case pupil (H1), mit schwachen Leistungen im Fach Englisch, macht eine kurze, jedoch korrekte Aussage zu seiner Farbe (SD+). Seine Beschreibung der Farbe als ‘Jeans’ ist passend und hat einen konkreten Lebensweltbezug, jedoch enthält sie inhaltlich keine weiterführenden Informationen (WK+). Im Zusammenhang mit der finalen Syntheseaufgabe wurden die Farben und Formen in den ungegenständlichen Bildern in Gruppen besprochen. Der folgende Ausschnitt zeigt, wie die drei case pupils der 5. Klasse (E1 = schwach; E2 = durchschnittlich; E3 = stark) und die Lehrperson (L) dialogisch über das finale Bild eines weiteren Lernenden sprechen. E2: I like this part of the picture with the colour explosion. (zeigt auf die Stelle im Bild) L: Explosion, ya, good. E1: Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das heißt: ‘Regenschirm’? L: Ah, an umbrella! It looks like an umbrella? E1: Mhm. (nickt) L: Mhm, okay. (…) Anything else? E2: It’s a rainbow with the colours red, yellow, green. (zeigt auf die Stelle im Bild) E3: Ah, I think that’s (zeigt auf das Bild) / it’s a stock for the old. (zeigt pantomimisch eine Person am Gehstock) L: (lacht) That’s true. That’s a walking stick. E3: Yes! E1: Ähm, / cook ähm Hut/ L: A cooking hat! Ahh, or a cook’s hat! E2: Ähm, the butterfly ähm (zeigt auf ihre Schultern, hebt und senkt den Arm), the butterfly Flügel. L: The wings of the butterfly. Mhm, good! Die beiden case pupils mit guten und durchschnittlichen Englischleistungen verwenden mehrheitlich Englisch (EN+) und bringen sich auf Satzebene meist sprachlich korrekt in den Dialog ein (SD ++). Beide äußern kreative, unvorhergesehene Assoziationen zum Bild (WK ++). Der case pupil mit den durchschnittlichen Englischleistungen bringt sich sogar öfters ein als der lernstarke case pupil. Beide verwenden Kommunikationsstrategien wie das Verweisen auf Bilder, die Verwendung von Ges- 9 Die Beschreibungen der Kriterien (Codes) und Qualitätsstufen finden sich in Tabelle 2 (S. 110). 10 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und für die Einhaltung der Anonymität werden die case pupils in maskuliner Form adressiert. Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 113 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 ten oder das Code-Switching. Der case pupil mit den schwachen Leistungen im Englischen beteiligt sich kaum auf Englisch (EN-). Deshalb kann bei ihm der fremdsprachige Code ‘Speaking dialogue’ nicht vergeben werden. Er bringt sich jedoch zweimal auf Deutsch ein und zeigt damit, dass er seine Wahrnehmungen zum Bild kommunizieren kann (WK+). 5.2 Nutzung der CLIL-Lernaufgaben durch die heterogenen case pupils Die Analyse der mündlichen Lernhandlungen (=N) aller case pupils, aufgeteilt nach ihrer Leistungszugehörigkeit und nach Qualitätsstufen beim Gebrauch von Englisch, bei dialogischen Sprechhandlungen auf Englisch und hinsichtlich der Kommunikation ihrer Wahrnehmung, erbrachte folgende Ergebnisse: Tab. 3: Häufigkeit der Lernhandlungen für Englisch nach Qualitätsstufe und Leistungsgruppe Wie in Tabelle 3 ersichtlich, zeigten die case pupils insgesamt 844 mündliche Lernhandlungen. Die case pupils mit sehr guten und durchschnittlichen Englischleistungen zeigten erwartungsgemäß gute bis sehr gute (++ / +) Leistungen in allen drei Bereichen. Das heißt, sie führten über 80% ihrer Sprechhandlungen nur oder mehrheitlich auf Englisch aus und in über 90% ihrer dialogischen Sprechhandlungen konnten sie sich fließend sowie relativ umfassend einbringen. Die Ergebnisse zum Code ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, bei dem die Lernenden ihre Eindrücke zu Bildern oder Farben mehrheitlich auf Englisch formulierten, korrelierten mit jenen der fremdsprachlichen Codes. Obwohl sich die case pupils mit schwachen Leistungen im Fach Englisch im CLIL-Unterricht deutlich weniger oft mündlich einbrachten (n=225), benutzten sie trotzdem in knapp 60% ihrer Sprechhandlungen nur oder mehrheitlich Englisch (++/ +). 29% ihrer dialogischen Sprechhandlungen lagen im guten bis sehr guten Code N ICC just starke case pupils mittlere case pupils schwache case pupils ++ + - - - ++ + - - - ++ + - -- Use of English (EN) 844 0.99 253 38 8 44 204 24 2 46 122 7 6 90 n = 343 n = 276 n = 225 Speaking dialogue (SD) 156 0.74 56 21 2 0 27 13 4 0 2 8 20 4 n = 78 n = 44 n = 34 Wahrnehmung & Kommunikation (WK) 208 0.73 54 30 1 1 28 33 2 0 8 39 10 2 n =86 n = 63 n = 59 114 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 Bereich (++/ +), während die Mehrheit (58%) als zufriedenstellend (-) eingeschätzt wurde. Die meisten Codes zu ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ lagen im guten Bereich (+). Hierbei wurden auch deutsche Sprechhandlungen codiert. Mittels Chi-Quadrat-Test wurde statistisch untersucht, ob zwischen den drei Leistungsgruppen signifikante Unterschiede bestehen. In den Kategorien ‘Use of English’, ‘Speaking dialogue’ und in der ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ zeigten sich signifikante Unterschiede (p < 0.001) zwischen den Gruppen der lernstarken und durchschnittlichen case pupils gegenüber den case pupils mit schwachen Englischleistungen. Keine signifikanten Unterschiede waren hingegen zwischen den Gruppen der case pupils mit durchschnittlichen und starken Leistungen im Englischunterricht zu erkennen. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die case pupils mit schwachen Leistungen im Fach Englisch die Lernangebote signifikant anders in Bezug auf Qualität und Quantität nutzten als die anderen beiden Gruppen. 5.3 Einschätzungen der Lehrpersonen und Lernenden Die Lehrpersonen wie auch die befragten Lernenden nannten den neuen Zugang zur Sprache einen großen Vorteil des CLIL-Unterrichts. Alle Lehrpersonen schätzten die Andersartigkeit und die als authentisch erlebte Art des Sprachenlernens als Mehrwert ein. Einige Lehrpersonen waren überzeugt, dass die Lernenden dadurch auch öfters Englisch sprachen und es wagten, spielerisch mit der Fremdsprache zu experimentieren. Dies machte sich insbesondere während des kreativen Gestaltens bemerkbar. Zum Beispiel malte ein case pupil seinen Finger blutrot an und rief: «I have my finger ehm ‘eingeklemmt’! ». Hierauf antwortete der andere case pupil: «You need to ‘hol’ the ambulance.». Auch die case pupils bestätigten in den Interviews, dass sie in diesem Setting mehr Englisch sprächen als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht und dass sie Fehler als weniger schlimm betrachteten. Die Fragebogenauswertung unterstützt diese Befunde. Die Mehrheit der befragten Lernenden (siehe Tab. 4), unabhängig von ihrer Leistungszugehörigkeit, empfand das Sprechen im CLIL- Unterricht an beiden Erhebungszeitpunkten (EZP) als einfacher. «Im BG-Englisch fällt es mir einfacher, Englisch zu sprechen als im normalen Englischunterricht.» Stimmt Stimmt eher Stimmt eher nicht Stimmt nicht Level schw. mittel stark schw. mittel stark schw. mittel stark schw. mittel stark 1.EZP 22% 19% 16% 44% 38% 34% 19% 26% 34% 16% 13% 16% 3.EZP 50% 30% 22% 22% 23% 16% 19% 16% 32% 6% 26% 28% n = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 3 (1.DL) / 5 (3.DL) Tab. 4: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zur Schwierigkeit beim Englischsprechen Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 115 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 Weiter teilten die Lehrpersonen mit, dass aufgrund der Anschaulichkeit und Handlungsorientierung im BG die allermeisten Lernenden im CLIL-Unterricht partizipieren konnten. Dabei bestätigten sie den bereits aus dem Unterrichtsrating resultierenden Befund, dass das verbale Scaffolding von den Lernenden unterschiedlich genutzt wurde: Während die lernstarken Schüler*innen oft ohne Hilfsmittel auskamen, benutzten die schwachen Lernenden die vorgegebenen Satzstrukturen öfters. Die Fächerfusion ermöglichte oftmals auch eine natürliche Differenzierung. Dies stellten die Lehrpersonen zum Beispiel dann fest, wenn sich die Lernenden bei kooperativen Gruppenarbeiten gemäß ihren sprachlichen oder bildnerischen Fähigkeiten organisierten oder wenn die Lernenden bei einer gemeinsamen Bildbesprechung das einbrachten, was sie im Bild fremdsprachlich benennen konnten. Die Lernenden gaben an, dass sie Visualisierungen bei Erklärungen, die angepasste Sprache der Lehrperson und die vorgegebenen Wörter oder Sätze als besonders unterstützend wahrnahmen. Insbesondere die lernstarken und durchschnittlichen case pupils benannten zudem einige Lern- und Kommunikationsstrategien (z.B. Codeswitching, Deuten auf visuelle Komponenten, Einsatz von Gestik). Der Aussage, ob sie im CLIL-Unterricht Englisch verwendeten, stimmten mehrheitlich alle Lernenden ungeachtet ihrer Leistungszugehörigkeit eher oder ganz zu (s. Tab. 5). Während die Bemühungen Englisch zu sprechen bei den starken und schwachen Lernenden mit der Zeit nachließen (s. 1. EZP vs. 3. EZP), nahmen diese bei der großen Gruppe der mittelstarken Schüler*innen leicht zu. «Ich habe mich bemüht, so viel wie möglich Englisch zu sprechen.» stimmt genau stimmt eher stimmt eher nicht stimmt nicht Levels schw. mittel stark schw. mittel stark schw. mittel stark schw. mittel stark 1.EZP 38% 52% 42% 38% 29% 40% 16% 13% 14% 9% 1% 4% 3.EZP 38% 46% 30% 31% 39% 30% 16% 10% 22% 13% 0% 16% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 3 (1.EZP) / 5 (3. EZP) Tab. 5: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zur Verwendung von Englisch 6. Diskussion Die obigen Ergebnisse legen nahe, dass der untersuchte CLIL-Unterricht eine positive Lernumgebung bot, in der sich die heterogenen Lernenden gemäß ihrer Leistungsvoraussetzungen rege fremdsprachlich einbrachten und insgesamt die auf dem Lehrplan (D-EDK 2014) basierenden Anforderungen beider Fächer erreichen konnten (s. Tab. 3). Dass alle Lernenden vorwiegend Englisch sprachen, kann neben dem positiven Unterrichtsklima auch mit dem sogenannten mask effect (M AILLAT 2010: 53-55) 116 Silvia Frank Schmid, Nikola Mayer DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 51 • Heft 2 zusammenhängen. Gemäß dieser Theorie steht für die Lernenden im CLIL-Unterricht das inhaltliche Lernen im Vordergrund, welches das als anstrengend empfundene Fremdsprachenlernen ‘maskiert’. Dies führt dazu, dass die Lernenden frei von Druck und mit einem tiefem affective filter (vgl. K RASHEN 1987: 31f.) vermehrt von der Fremdsprache Gebrauch machen. Die Tatsache, dass die Lernenden die englische Sprache besonders oft während des kreativen Gestaltens verwendeten, könnte auf eine symbiotische Beziehung von Bildern und Sprache hinweisen (vgl. G EHRING 2017: 9). Damit ist gemeint, dass Bilder als visualisierte Informationsträger nicht nur das Verständnis erleichtern, sondern auch die Sprachproduktion anregen. Dies zeigte sich in vorliegender Untersuchung nicht nur bei gemeinsamen Bildbesprechungen und dem Gebrauch deiktischer Sprache, sondern auch bei der experimentierfreudigen Verwendung der Fremdsprache, teils unterstützt mit Codeswitching, während der unbeobachteten gestalterischen Lernphasen. Die Berücksichtigung der Heterogenität konnte dadurch erreicht werden, dass die Beschäftigung mit Kunst vielfältige individuelle Zugänge und ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen ermöglichte (vgl. G EHRING 2017: 17; R YMARCZYK 2013: 113, 122). Zusätzlich wurde die Palette an Lernzugängen durch die englische Sprache erweitert. Einige Lehrpersonen betitelten den CLIL-Unterricht deshalb gar als ‚Begabungsförderung’, weil sich viele Lernende vermehrt oder anders kommunikativ einbrachten, als sie das sonst im Englischunterricht tun. Die Heterogenitätsfreundlichkeit wurde dadurch gesteigert, dass das breitgefächerte Angebot an Scaffolding von den Lernenden auf individuelle Weise genutzt wurde. Insgesamt konnte so die Prämisse erfüllt werden, dass differenzierter Unterricht vielfältig sein muss, um die Vielfalt der Schüler*innen zu berücksichtigen (vgl. K LIPPERT 2010: 52). Die Gruppe der ‚guten’ Lernenden, zu denen case pupils mit sehr guten und durchschnittlichen Englischkompetenzen gezählt werden, konnten im CLIL-Unterricht mit Englisch und BG erwartungsgemäß in allen Bereichen positive Leistungen zeigen. Dies ließ sich zudem in Bezug auf den sachfachlichen Kompetenzzuwachs nachweisen (s. Kapitel 5.1). Auch wenn bei genauerer Betrachtung die Gruppe der lernstarken gegenüber den durchschnittlichen case pupils etwas überlegen war, so unterschied sich deren Performanz nicht signifikant. Das Entdecken neuer Stärken in der experimentierfreudigen, kommunikativen Verwendung der Fremdsprache, die im traditionellen Englischunterricht oft zu kurz kommt, schien insbesondere die durchschnittlichen Lernenden zum ausgiebigen fremdsprachlichen Sprechen zu motivieren (s. Tab. 5) und zu einer mit den starken Lernenden vergleichbaren Performanz anzuspornen. Erfreulicherweise konnte auch die Gruppe der Schüler*innen mit schwachen Englischleistungen den CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG für ihr Lernen zufriedenstellend nutzen. Eine Erklärung scheint gemäß Fragebogenauswertung (s. Tab. 4) darin zu liegen, dass diese Lernenden die Verwendung der Fremdsprache im CLIL-Unterricht als einfacher empfanden als im herkömmlichen Englischunterricht. Weil diese Lernenden insgesamt jedoch mit deutlich mehr Herausforderungen konfrontiert waren als die Schüler*innen mit günstigeren Leistungsvoraussetzungen, sollten mit ihnen im zukünftigen CLIL-Unterricht vermehrt Kommunikationsstrate- Heterogenitätsfreundlicher CLIL-Unterricht auf der Primarstufe 117 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0022 gien thematisiert werden, wie zum Beispiel non-verbale Ausdrucksmittel oder die Verwendung von deiktischer Sprache, so dass sie sich auch auf sachfachlich-inhaltlicher Ebene stärker einbringen können. 7. Fazit und Ausblick Der hier untersuchte CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG konnte praxisorientiert und auf der Grundlage eines breiten Datensatzes darlegen, dass bei Verwendung geeigneter Lernaufgaben die heterogenen Lernenden das vielfältige Angebot entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten vorteilhaft nutzen konnten. Die mehrheitlich positiven Erkenntnisse hängen nicht nur mit dem heterogenitätsfreundlichen CLIL-Setting zusammen, sondern auch mit der Tatsache, dass die Untersuchung basierend auf dem Forschungsansatz der Lesson Study, ausschließlich auf das Lernen der Schüler*innen fokussierte. Dadurch konnten vertiefte Einblicke in das Lernen der case pupils gewonnen und Vergleiche zwischen den drei Leistungsgruppen gemacht werden. Dabei ergab die Untersuchung, dass sich die Lernenden grundsätzlich in zwei Gruppen aufteilen lassen: zum einen in die große Gruppe der Schüler*innen mit sehr guten bis durchschnittlichen Englischnoten, die alle über genügend fremdsprachliche Kenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme am CLIL- Unterricht verfügen; zum anderen in eine Minderheit an Lernenden mit schwachen Englischleistungen, die sich im CLIL-Unterricht gemäß ihrer Möglichkeiten zwar beteiligen, jedoch mit zusätzlichem Scaffolding auf inhaltlicher, verbaler und strategischer Ebene begleitet werden sollten. Auch wenn die Ergebnisse dieser Good Practice-Studie nicht generalisiert werden können, liefern sie doch wertvolle Anregungen, dass bilingualer Unterricht auf der heterogenen Primarstufe gelingen kann. Für zukünftige schülerorientierte Forschungsdesigns mit Fokus auf die Heterogenität könnte es hilfreich sein, neben den unterschiedlichen Fremdsprachenkenntnissen auch die personalen und sozialen Dispositionen sowie die sachfachlichen Leistungsvoraussetzungen bei der Datenerhebung und Analyse zu berücksichtigen. Literatur A LLEN , Patrick / F RÖHLICH , Maria / S PADA , Nina (1983): „The communicative orientation of language teaching: an observation scheme“. In: TESOL 83. The Question of Control. Selected papers from the Annual Convention of Teachers of English to Speakers of Other Languages 17, 231-252. A STLEITNER , Hermann (2006): Aufgaben-Sets und Lernen. Instruktionspsychologische Grundlagen und Anwendungen. Frankfurt/ M.: Lang. 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Nach meiner Überzeugung gilt sie auch für den Bildungssektor generell, für sprachliches Lernen sogar in verstärktem Maße. Vor dem Hintergrund soziokultureller Lerntheorie gehe ich davon aus, dass Sprachlernen am nachhaltigsten wirkt, wenn es aus einem Sprachgebrauch in intersubjektiv belangvoller Interaktion erwächst. In dieser Hinsicht liefert uns die soziologische Resonanztheorie Hartmut R OSA s, obwohl primär auf den gesamtgesellschaftlichen Rahmen bezogen, auch für Lehr-/ Lernkontexte wertvolle Anregungen. Ähnlich wie Ruth C OHN s Konzept der Themenzentrierten Interaktion richten R OSA s Ausführungen den Blick auf die zwischenmenschliche Kommunikation. Darüber hinaus betonen sie jedoch auch die Bedeutung von Lerngegenständen, welche die Lernenden unmittelbar ansprechen, sie kognitiv und inhaltlich herausfordern sowie emotional „packen“. Dahinter steht ein phänomenologisches Verständnis von der Leibgebundenheit menschlicher Wahrnehmung, Erfahrung und Erkenntnis. Ihr zufolge kann es keine Trennung von Verstand und Gefühl, von Intellekt und Emotion geben. Die Zielvorstellung von einem Klassenraum, in dem es atmosphärisch gleichsam knistert (so die Wortwahl R OSA s), da in ihm die Akteure engagiert und konzentriert Inhalte verhandeln und subjektiv relevante Lernerfahrungen machen, mag idealtypisch überspitzt und nicht regelhaft umzusetzen sein. Sie lenkt jedoch völlig zu Recht unsere Aufmerksamkeit auf die komplexen, die gesamte Persönlichkeit der Lernenden einschließenden Prozesse des Lernens. Wenn alle Beteiligten sich auf resonante Beziehungen einlassen, also einander anerkennen, zuhören und antworten, entsteht ein Klima, in dem umfassende Bildungsprozesse, entdeckendes und oft auch implizites (fremdsprachliches) Lernen möglich sind. Mit R OSA halte ich Prüfungsdruck hingegen für kontraproduktiv, da er die Gegenstände des Lernens tendenziell als beliebig erscheinen lässt und die Lernenden in die Vereinzelung führt, bei vielen sogar lähmende Angst hervorruft. Die Zügel einer auf abprüfbare Lernresultate fixierten Kompetenzorientierung zu lockern und mehr in die Qualität interaktiver Lernprozesse zu investieren, bedeutet, sich auf deren geringe Vorhersehbarkeit einzulassen. R OSA spricht hier von Unverfügbarkeit und bringt damit den Verzicht auf die Illusion einer ins Detail gehenden Steuerbarkeit interaktiven Geschehens auf den Punkt. Ein solcher Verzicht ist jedoch der richtige Schritt, um die Qualität der Lernprozesse zu erhöhen und damit letztlich auch zu nachhaltigen Lernresultaten zu führen. Berlin L UTZ K ÜSTER Weniger Kompetenz, mehr Resonanz Pro und Contra 121 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0024 Urheber Hartmut R OSA definiert das soziologische Konzept der Resonanz als „eine durch Af←fizierung und E→motion, intrinsisches Interesse und Selbstwirksamkeitserwartung gebildete Form der wechselseitigen Weltbeziehung, in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und transformieren. […] Resonanz impliziert ein Moment konstitutiver Unverfügbarkeit.“ * Resonanz ist demnach ein Beziehungsmodus, in dem eine Person und eine andere, aber auch Tiere oder ein Gegenstand im konkreten oder abstrakten Sinne (bspw. Musik, Schnee), auf verschiedene Arten affektiv-emotional aufeinander wirken. Offenheit ist dabei eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung, da Resonanz nicht willentlich herbeigeführt oder erzwungen werden kann; es können nur günstige Bedingungen für ihre Entstehung geschaffen werden. Resonanz beschreibt demnach ein „kognitives, affektives und leibliches Weltverhältnis, bei dem Subjekte auf der einen Seite durch einen bestimmten Weltausschnitt berührt und bisweilen bis in ihre neuronale Basis ‚erschüttert‘ werden, bei dem sie aber auf der anderen Seite auch selbst ‚antwortend‘, handelnd und einwirkend auf Welt bezogen sind und sich als wirksam erfahren“ (ebd.: 279). So lässt sich unter anderem auch nachhaltiges (Fremdsprachen-)Lernen charakterisieren - Wer würde davon weniger wollen? Nachfolgend werden drei Aspekte diskutiert, die Resonanz als bestimmendes Unterrichtsziel zumindest in Teilen problematisch erscheinen lassen und zur Vorbzw. Umsicht mahnen: 1) Jeder Person muss ein Resonanzverweigerungsrecht zugestanden werden. Intensiv-prägende, tiefgehende und das Subjekt (quasi vollständig) ergreifende Resonanzbeziehungen, die auf der Basis von Offenheit und Vertrauen entstehen, gehen - insbesondere in der prägenden und vulnerablen Phase der Pubertät - mit Wirkmächtigkeit, Macht und damit substantiellen Risiken sowie potentiellem Schaden einher (Berichte von Insidern aus Vereinigungen, die sich bspw. gegen Offenheit, Toleranz und demokratische Grundordnungen positionieren, deuten vielfach auf die erfolgreiche Erschaffung von missbräuchlich genutzten und/ oder manipulativen Resonanzräumen hin). 2) Resonanzerfahrungen erinnern - nicht zuletzt aufgrund ihrer Intrinsik - stark an das von Csikszentmihályi geprägte Flow-Erleben und die damit einhergehende Problematik: Von den dahinterliegenden Mechanismen lassen sich zwar durchaus gewisse Leitlinien für lernwirksam-motivierenden Unterricht ableiten; sie führen aber nur unter sehr selten erreichten Idealbedingungen vereinzelt zum angestrebten Flow-Erleben. Aufgrund der voraussetzungsreichen Entstehensbedingungen und des extrinsisch geprägten schulischen Kontextes scheinen sowohl Flow als auch Resonanzerfahrungen ungeeignet und unrealistisch als konkret zu erreichendes Ziel täglichen Unterrichts. 3) Von Beginn an treten Säuglinge mit der Welt in Resonanz und entwickeln sich auf dieser Basis; dieser profunde Beziehungsmodus stellt damit einen der ureigensten Wege bzw. Methoden (von griechisch μετά/ metá und ὁδός/ hodós = Weg nach/ zu etwas hin) des Lernens dar. Resonanz ist damit ein Weg, Kompetenz mit ihren kognitiven, affektiv-motivationalen, volitionalen und Problemlösekomponenten ein Ziel. Daher mutet es seltsam an, mehr ‚Weg‘ statt mehr ‚Ziel(erreichung)‘ bzw. Inhalt zu fordern - auch wenn der Weg ein wichtiger Teil von Kompetenz bzw. Zielen ist. Als Quintessenz ist Kompetenz daher (unter anderen) das geeignete, regelmäßige Ziel des Unterrichtens, das Anstreben umsichtig-verantwortungsvoller Resonanzerfahrungen als „Königsweg“ das i-Tüpfelchen. Paderborn D OMINIK R UMLICH * Hartmut R OSA : Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp 2016, S. 298; die von Rosa verwendeten Pfeile symbolisieren die unterschiedliche Wirkrichtung nach innen/ zum Subjekt hin bzw. nach außen/ aus dem Subjekt heraus. DOI 10.24053/ FLuL-2022-0025 51 • Heft 2 Anna Katharina S CHNELL : Schreibprozesse und Schreibentwicklung in der Fremdsprache. Eine empirische Untersuchung zum L2-Schreiben von Französischstudierenden. Berlin [etc.]: Lang 2020, 460 Seiten [74,80 €] Desiderata der Schreibprozess- und Schreibentwicklungsforschung sowohl in Bezug auf das erstsprachliche als auch auf das fremdsprachliche Schreiben sind trotz mindestens fünf Jahrzehnten Forschungsarbeit in diesen Bereichen bis heute zahlreich vorhanden. S CHNELL thematisiert in ihrer Monographie einleitend in Kapitel 1 ebenso das Fehlen von „Forschungsarbeiten und wissenschaftliche[n] Diskussionen [vor allem] zu methodisch-didaktischen Fragen zum L2-Schreiben“ (S. 13), verdeutlicht die Dringlichkeit weiterer Untersuchungen zu L2-Schreibprozessen und daraus ableitbarer Erkenntnisse für die fremdsprachliche Schreibdidaktik und setzt sich in ihrer Longitudinalstudie das Ziel, L2-Schreibprozesse anhand der Grounded Theory (GT) zu analysieren, mögliche Veränderungen von L2-Schreibprozessen über den Untersuchungszeitraum von zwei Jahren aufzudecken und ausgehend von den Ergebnissen ihrer Analysen schreibdidaktische Empfehlungen abzuleiten. Im Sinne der GT formuliert die Autorin sehr offene forschungsleitende Fragestellungen, die darauf fokussieren, welche L2- Schreibprozesse sich bei den Studienteilnehmer*innen (10 Frankoromanistikstudierende (BA) der Universität Bremen) generell rekonstruieren lassen, wie sich diese innerhalb von zwei Jahren verändern, wie sich die Produktqualität der produzierten Lerner*innentexte verändert, welche L2-schreibdidaktischen Empfehlungen sich aus den Ergebnissen ableiten lassen und ob „neue Erkenntnisse für die Theoriebildung des L2-Schreibens oder der L2-Schreibdidaktik ermittelt werden“ (S. 15) können. In diesem ambitionierten Vorhaben werden synchrone Schreibprozessdaten mittels Lauten Denkens und Bildschirmaufnahmen sowie asynchrone Daten mittels retrospektiver Interviews erhoben und um Informationen aus einer Fragebogenerhebung zu Lese-, Schreib-, und Fremdsprachenlernerfahrungen sowie Fremdsprachenlernbemühungen ergänzt. Nach diesem einleitenden Überblick wird in Kapitel 2 der Forschungsstand der L1- und L2-Schreibprozessforschung dargestellt, der von zahlreichen, ungewöhnlich langen direkten Zitaten vorangegangener Studien geprägt ist. Bemerkenswert bei der Darstellung des Forschungsstandes ist der sehr interessante Blick über den Tellerrand, der neben Erkenntnissen aus der Expertise- und Problemlösungsforschung auch Gefühle und Selbstregulationsmechanismen beim Schreiben sowie lernpsychologische Aspekte (writing-to-learn-content v.a. beim L1-Schreiben und writing-to-learn-language in Bezug auf die fremdsprachliche Sprachlehr- und -lernforschung) integriert. Kapitel 3 fokussiert ausführlich die einleitend bereits angerissenen Aspekte der Datenerhebung und beschreibt den Ablauf der Studie, die Schreibaufgabe, die Datenaufbereitung und die Teilnehmer*innen en détail. Erwähnenswert und diskussionswürdig erscheint die Entscheidung der Autorin, für alle Datenerhebungen (sowohl zu Beginn der Untersuchung, am Ende der Untersuchung und bei 4 der 10 Teilnehmer*innen auch ca. in der Mitte des Untersuchungszeitraumes) dieselbe Aufgabestellung * für das Elizitieren der Schreibprozessdaten vorzugeben (S. 144f.). Es stellt sich die Frage, inwiefern sich ein Gewöhnungseffekt einstellt (eine Möglich- * „Ist das Studentenleben dem Schülerdasein vorzuziehen? “ (S. 144). B e s p r e c h u n g e n Besprechungen 123 51 • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2022-0025 keit, deren sich die Autorin auch bewusst ist) und ob aufgrund einer möglichen Entlastung des Arbeitsgedächtnisses während des Ideengenerierungsprozesses durch bereits vorhandenes bereichsspezifisches Wissen die tatsächliche Schreib(prozess)-entwicklung abgebildet werden kann. Gerade in Bezug auf die Datenerhebungsmethode des Lauten Denkens wird davon ausgegangen, dass automatisierte Prozesse nicht verbalisiert werden und demnach kaum rekonstruiert werden können. Für den Einsatz derselben Aufgabenstellung spricht neben der besseren Vergleichbarkeit der Textprodukte laut S CHNELL auch folgendes Argument: Am wichtigsten ist, dass die Art der Fragestellung den Schreibaufgaben ähnelt, die in dem Kurs Schriftliche Kommunikation gestellt wurden und zu denen die untersuchten Studierenden während des Untersuchungszeitraums mehrere Texte schrieben. Dadurch konnte in dieser Arbeit der Einfluss schreibdidaktischer Interventionen in die Auswertung miteinbezogen werden (S. 144). Die Schreibproduktuntersuchung wird in Kapitel 4 dargestellt. Trotz einer recht allgemein gehaltenen kurzen Definition der Analysekriterien für die Textbewertung (Orthografie, Grammatik, Ausdruck, Textgrammatik, Inhalt) überzeugt das weitere Vorgehen in Bezug auf die Auswahl und Anzahl der Rater*innen (10 Lehrer*innen; L1Französisch), die Wahl der Ratingskala (sechsstufige bipolare Rating-Skala zur Vermeidung einer starken Tendenz zur Mitte) und die Integration von drei Texten von Schreiber*innen mit der L1 Französisch (S. 175f.). Die Berechnung der Interrater-Reliabilität ergibt für alle fünf Kriterien gute bis sehr gute Übereinstimmungen. Überraschend waren für die Autorin die Ergebnisse der Textqualitätsbewertung, die zeigten, dass die Bewertungen der sprachlichen Leistungen vieler Studierender zumeist im Minusbereich, also zwischen einem und drei Punkten, wobei nur vier bis sechs Punkte eine „positive“ Leistung darstellen, und bei der finalen Datenerhebung nur leicht darüber lagen (S. 179f.). Kapitel 5 beleuchtet die Grenzen und Möglichkeiten von Lautdenkdaten bei Schreibprozessuntersuchungen. Hier werden neben den hinlänglich bekannten Aspekten wie Güteeinschätzung des Lauten Denkens, Sprachvorgaben, Sprachwahl während der Instruktion der Proband*innen und Reaktivität auch selten thematisierte Aspekte berücksichtigt, wie beispielsweise die Verbalisierungsfähigkeit der einzelnen Teilnehmer*innen. Ebenso werden zahlreiche sehr treffende Beispiele aus den erhobenen Lautdenkdaten diskutiert, die vor allem selten rekonstruierbare Prozesse (z.B. Selbstbeobachtung) und während des Lesens oder Formulierens parallel ablaufende Prozesse (Planung, Bewertung, Entscheidungen), die mitunter erst im Nachhinein verbalisiert werden, veranschaulichen. Die gewählte Datenanalysemethode Grounded Theory wird in Kapitel 6 zielführend mit Blick auf die Anwendbarkeit einzelner Analyseschritte auf das eigene Datenmaterial beschrieben. Adaptierungen der Methode bzw. Limitationen werden reflektiert und nachvollziehbar begründet. In Kapitel 7 werden die entwickelten Analysekategorien präsentiert und anhand von Datenbeispielen untermauert. Zunächst werden Subkategorien aufgezeigt, welche anschließend zwei Hauptkategorien zugeordnet werden. Die Hauptkategorien repräsentieren zwei Phasen im Schreibprozess, die als Problembezogene Passagen (Schreib- und L2-Probleme) und Voranschreitende (problemfreie) Textproduktion bezeichnet werden. Ebenso konnten im Sinne der GT Prozessaspekte der Aktualgenese rekonstruiert werden, die drei Textproduktionsphasen (Nebentext-, Haupttext- und Revisionsphase) abbilden. Kapitel 8 geht auf die Ergebnisse der Schreibprozessuntersuchung ein. Es werden Bearbeitungszeit und Textproduktionsgeschwindigkeit, die Textproduktionsphasen, problembezogene 124 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0025 51 • Heft 2 Passagen (unterschiedliche L2-Probleme, Schreibprobleme und Problembehandlungen) sowie die voranschreitende problemfreie Textproduktion (Planungsprozesse, Formulieren und Verschriften, Bewertungs-, Entscheidungs- und Leseprozesse) in den Blick genommen und hinsichtlich der Veränderungen bzw. Entwicklungen im Laufe des Untersuchungszeitraumes diskutiert. In Bezug auf die problembezogenen Passagen ließen sich Probleme im Bereich der Lexikosemantik am häufigsten und im Bereich der Morphosyntax zahlreich identifizieren. Zu den rekonstruierbaren Schreibproblemen (inhaltliche Probleme, Probleme in Bezug auf Textgrammatik und -pragmatik) und den entsprechenden Lösungsversuchen schreibt die Autorin: „Es gab zahlreiche Hinweise in den Lautdenkdaten, dass die Schreibproblembehandlungen emotional-kognitiv wesentlich belastender für die untersuchten Studierenden waren als die L2- Problembehandlungen“ (S. 373). Trotz des vergleichsweise langen Zeitraumes von zwei Jahren zwischen der ersten und der letzten Datenerhebung und trotz der zwischen den Datenerhebungen von den Studienteilnehmer*innen absolvierten sprachpraktischen Veranstaltungen an der Universität überrascht es sehr - auch die Autorin -, dass nur in wenigen Bereichen (positive) Entwicklungstendenzen zu erkennen waren. Ein leichter Rückgang an Wissenslücken (fehlende L2-Äquivalente) ließ sich ermitteln und es konnten häufiger Ad-hoc-Formulierungen in der L2 und ein entsprechend leichter Rückgang an L1-Formulierungen beobachtet werden. In Kapitel 9 werden ausgehend von den Ergebnissen der Schreibprozessuntersuchungen Hypothesen formuliert, deren Überprüfung ein Desiderat für zukünftige Forschungsarbeiten darstellt, da sich diese „nicht bis zu einer sogenannten Sättigung an den Daten verifizieren“ (S. 381) ließen. Diese Hypothesen werden mit Blick auf die fremdsprachliche Schreibdidaktik diskutiert und in Kapitel 10 in Form von methodisch-didaktischen Vorschlägen für den L2- Schreibunterricht präsentiert. In den schreibdidaktischen Überlegungen werden u.a. die Schulung text- und sprachbezogener Fähigkeiten durch Prewriting-Aktivitäten, die Ausbildung eines Problembewusstseins und die Entwicklung von funktionalen L2-Schreibstrategien, das Definieren von Lernzielen und das Anpassen von Hilfsmitteln (themenbezogene Wortfelder vertiefen; Textmuster anhand von Mustertexten bewusst machen), die zeitliche Entlastung von Gliederungs- und Überarbeitungsphasen sowie die gezielte sprachliche Arbeit vor dem Schreiben vorgeschlagen. Diese methodisch-didaktischen Überlegungen sind passgenau auf die Behebung der in der Studie identifizierten Schreibschwierigkeiten ausgerichtet und auch allgemein für die (fremdsprachliche) Schreibdidaktik empfehlenswert, jedoch kein Novum. Innovativ und interessant sind der in anderen Studien kaum thematisierte Aspekt der Gefühlsregulation und die Vorschläge, die zum Training der Gefühlsregulation gemacht werden, wie beispielsweise in kognitiv-emotional-belastenden Situationen Prozesse bewusst zu verlangsamen, um hohe Erregung (und auch Frustration oder schnelles Aufgeben) zu reduzieren oder zu vermeiden. Kapitel 11 bietet eine kurze Zusammenfassung der Studie und rundet die Arbeit durch Schlussbemerkungen ab. Die Lektüre lohnt sich nicht nur für Schreibforscher*innen, sondern auch für Fremdsprachendidaktiker*innen, obwohl der Lesefluss zeitweise durch bedauerliche Tippfehler unterbrochen wird. Besonders zu empfehlen ist die Lektüre aufgrund der in anderen Schreibprozessstudien kaum thematisierten Aspekte, wie beispielsweise die Gefühlsregulation während des Schreibens, die sich förderlich oder hemmend auf den Schreibprozess auswirken kann. Wien M ARLENE A UFGEBAUER Besprechungen 125 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0026 Sarah D IETRICH -G RAPPIN : Mehrsprachigkeit als Bildungsziel im schulischen Tertiärsprachenunterricht. Transferbasierte Kommunikationsstrategien im Kontext von spontaner Mündlichkeit und Zwei-Sprachen-Aufgaben. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier 2020 (Studien zur Fremdsprachendidaktik und Spracherwerbforschung), 276 Seiten [36 €] Die Monographie entspricht der von der Autorin 2018 an der Pädagogischen Hochschule Freiburg eingereichten Doktorarbeit. Sarah D IETRICH -G RAPPIN untersucht darin in einer empirischen Studie in Form eines qualitativen Experiments die Mehrsprachigkeitskompetenz von L3- Französischlernenden. Das Untersuchungsinteresse gilt den von den Lernenden angewandten Kommunikationsstrategien in durch Zwei-Sprachen-Aufgaben elizitierten Spontangesprächen in einem Unterrichtssetting. Unter Kommunikationsstrategien versteht die Autorin sowohl Produktionstransferprozesse als auch Code-Switching. Die erste Kategorie bezeichnet die Übernahme von sprachlichen Ressourcen in eine andere Sprache aus Kompensationsgründen, während die zweite auf den gezielten Einsatz mehrerer Sprachen für pragmatische oder stilistische Zwecke verweist. Die erste Kategorie ordnet also den Transferprozess eindeutig einer Dimension des Lernens zu, während die zweite keinen zwingenden Bezug zur Identität der Sprechenden als Lernende herstellt. Im ersten Teil des Buches (Kapitel 2) werden grundlegende Begriffe und theoretische Konzepte diskutiert. Dazu zählen nicht nur die Mehrsprachigkeitskompetenz als zentrales Forschungsobjekt, sondern auch kommunikative Kompetenz und Gesprächskompetenz, welche die Autorin aus ihrer jeweiligen theoretisch-begrifflichen Entstehungsgeschichte herleitet und diskutiert. Für Leser*innen ist besonders interessant, dass unterschiedliche Blickwinkel verschiedener fremdsprachendidaktischer Forschungskulturen auf Mehrsprachigkeitskompetenz beleuchtet werden. Insbesondere zeigt die Autorin Unterschiede zwischen der deutschsprachigen, franko- und anglophonen Wissenschaftstradition auf und verweist auch auf die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die zum Teil auf diese divergenten Zugänge zurückzuführen sind. Sarah D IETRICH -G RAPPIN legt ihrer eigenen Forschung in Anlehnung an den französischen Begriff der „compétence plurilingue“ den Begriff der „Mehrsprachigkeitskompetenz“ zugrunde. Sie unterstreicht in diesem Zusammenhang die Relevanz des (schulischen) L3- Erwerbs, da erst ab dem Erwerb einer zweiten Fremdsprache von einer tatsächlichen Diversität und nachhaltigen Abkehr von einem monolingualen Habitus gesprochen werden könne. Im zweiten Teil des Buches (Kapitel 3) legt die Autorin dar, in welchen Bereichen ihre Arbeit zur Schließung einer Forschungslücke beiträgt. Sie setzt sich kritisch mit bestehenden mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen auseinander und schließt an neuere Tendenzen (insbesondere in der romanistischen Fachdidaktik) an, wenn sie zu einer Erweiterung der Interkomprehensionsansätze im Hinblick auf eine „produktive Mehrsprachigkeitsdidaktik“ (S. 31) aufruft. Die Autorin stellt auch Desiderate im Bereich der methodologischen Zugänge zum Forschungsfeld der Mehrsprachigkeit fest. Sie hebt darunter besonders eine Notwendigkeit für qualitativ ausgerichtete sozialwissenschaftliche Studien und mehr unterrichtliche Interventionsforschung hervor. Im dritten Teil der Arbeit (Kapitel 4-6) geht es um die Vorstellung der Forschungsfragen und des Forschungsgegenstands, den die Autorin in einen lernseitigen und einen lehrseitigen Gegenstand unterteilt. Sie beschreibt zunächst detailliert die Genese ihrer Forschungsfragen als Zwischenergebnis eines qualitativ-heuristischen Forschungsprozesses, den sie erfreulich ausführlich offenlegt. Im Kapitel zum lernseitigen Forschungsgegenstand werden verschiedene Modelle für transferbasierte Kommunikationsstrategien diskutiert, wobei sich die Autorin selbst grundlegend auf Definitionen aus der pragmatischen Interlanguage-Forschung bezieht. Der lehrseitige Forschungsgegenstand wird in Kapitel 6 beschrieben und bezieht sich auf die 126 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0026 51 • Heft 1 Aufgaben, die im qualitativen Experiment zur Anwendung kommen. Die Autorin gibt an, einem „starken kommunikativen Ansatz“ zu folgen, was sich unter anderem im Weglassen der sprachlichen Vorentlastung von Aufgaben niederschlägt. Außerdem folgt die Autorin einer interaktionsanalytischen Definition von Gespräch. Schließlich wird in Kapitel 6 noch das Konzept der Zwei-Sprachen-Aufgaben erklärt, das in der Studie zur Anwendung kommt und bei dem die Schüler*innen dieselbe Aufgabe (im gegebenen Fall sukzessiv) in zwei verschiedenen Sprachen lösen: das erste Mal in ihrer - schulisch erlernten - L2 (Englisch), das zweite Mal in ihrer L3 (Französisch oder Deutsch). Der vierte Teil der Arbeit umfasst die Kapitel 7 und 8 und beschreibt das Untersuchungsdesign, den Erhebungsablauf und die Datenaufbereitung der Studie. Die Autorin erläutert im Detail die von ihr gewählte Methode des qualitativen Experiments, welches nicht nur eine Pilotierung der Untersuchungsaufgaben erfordert, sondern gemäß einer explorativen Forschungshaltung auch ein Überdenken und gegebenenfalls Verändern der Forschungsfragen vorsieht. Neben einer Erprobung des Untersuchungsdesigns und der darauffolgenden Unterrichtsintervention in einer deutschen und einer französischen Schule umfasst die Studie auch Gruppendiskussionen der Schüler*innen im Anschluss an die Unterrichtsintervention sowie schriftliche Befragungen der Lehrpersonen, um Einstellungs- und Identitätsaspekte zu erheben. Die Gesprächsaufgaben und die retrospektiven Gruppendiskussionen wurden transkribiert und kodiert. Durch die Anwesenheit der Forscherin im Feld konnten auch zusätzliche ethnographische Daten in Form von Feldnotizen erhoben werden. Der fünfte Teil des Buches (Kapitel 9 und 10) widmet sich der Datenanalyse. In Kapitel 9 werden die beiden Kommunikationsstrategien Produktionstransfer und Code-Switching behandelt, in Kapitel 10 erfolgt eine Analyse verschiedener Aktualisierungen des ein- oder mehrsprachigen Habitus unter den Schüler*innen. Aus der Analyse geht u.a. hervor (Kapitel 9), dass die L3-Lernenden beim Produktionstransfer häufiger auf ihre L2 als ihre L1 zurückgreifen. Bei der Auswahl von transferierten Elementen spielen überdies vor allem lautlich-semantische und orthographische Ähnlichkeiten zwischen Lexemen der verschiedenen Sprachen eine große Rolle, und die übernommenen Formen werden häufig nicht an die Zielsprache angepasst. In Bezug auf Code-Switching kann die Studie von D IETRICH -G RAPPIN einige Ergebnisse früherer L3-Forschung aus dem ungesteuerten Erwerb für den gesteuerten Kontext bestätigen: Die L2 scheint vorrangig als (lexikalische) Transferquelle zu dienen, während die L1 eine instrumentelle Rolle einnimmt. D IETRICH -G RAPPIN stellt außerdem fest, dass „regulierendes Code- Switching“ vor allem am Anfang und Ende von Gesprächen stattfindet sowie bei Turntaking zum Einsatz kommt, und dass die Schüler*innen im Setting der Zwei-Sprachen-Aufgaben in der L3-Aufgabe stärker in der Zielsprache verbleiben (also weniger in die L1 und L2 switchen). In Kapitel 10 stellt die Autorin vier Fallanalysen von Schüler*innen-Dyaden vor, aus deren Beschreibung sich vier kommunikative Profiltypen mehrsprachiger Identitäten ergeben, die Schüler*innen im Gespräch aktualisieren: monolingual, monolingual-exolingual, mehrsprachig und mehrsprachig-exolingual. D IETRICH -G RAPPIN verbindet im Stil einer ethnographischen Beschreibung die Gesprächshandlungen der Schüler*innen mit deren Aussagen über ihre mehrsprachige Praxis, die in den Gruppeninterviews erhoben wurden. Zusammen ergibt das ein ausführliches Bild der wahrgenommenen und umgesetzten sprachpraktischen Identität der Lernenden, jeweils bezogen auf das Zusammenspiel in einer konkreten Dyade. Für detaillierte Ergebnisse sei auf das Buch verwiesen, es soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, dass das Profil „mehrsprachig-exolingual“ die größten Lernpotenziale zu versprechen scheint. Fazit: Die Studie von Sarah D IETRICH -G RAPPIN ist theoretisch fundiert und methodologisch durchdacht. Die Kombination unterschiedlicher theoretischer Ansätze aus verschiedenen Diskurstraditionen und die ausführliche Reflexion der Methoden sowie des Forschungshabitus sind Besprechungen 127 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0027 ein besonders interessantes Merkmal des Buches. Was den Aufbau betrifft, so ist die kleinteilige Strukturierung der Kapitel ohne Zusammenlegen auf größerer Ebene zwar auf den ersten Blick etwas unübersichtlich, erlaubt aber im Gegenzug ein schnelles und zielgenaues Nachlesen und Wiederauffinden von Informationen. Einige Kleinigkeiten in der Formatierung hätte man noch verbessern können um die eigentlich gute Lesefreundlichkeit noch zu erhöhen: weniger Fußnoten und ein Index rerum wären hilfreich gewesen. Durch den Fokus auf den L3-Erwerb und das Miteinbeziehen der ersten Fremdsprache Englisch im Forschungsdesign behandelt die Studie ein wichtiges Thema für die Fachdidaktik der L3-Sprachen (d.h. v.a. der romanischen Sprachen) im deutschsprachigen Raum. D IETRICH - G RAPPIN nimmt dadurch die L3-Lehrpersonen in die Verantwortung für eine mehrsprachigkeitsdidaktische Unterrichtsgestaltung, aber sie liefert auch konkrete Vorschläge dafür, wie dies gelingen kann. Besonders interessant ist zudem die Haltung der Autorin (und ihrer Studie) gegenüber dem Englischen, das nicht als leidige Konkurrenz behandelt wird, sondern aktiv als Ressource im L3-Unterricht zum Einsatz kommt. Der Appell der Autorin in ihren abschließenden Überlegungen, Mehrsprachigkeitskompetenz als Bildungsziel zu verankern, ist aus Forschungssicht eine logische Konsequenz - und zu begrüßen. Dadurch wäre es besser möglich, die Heterogenität dieser Kompetenz anzuerkennen (und zuzulassen! ) und auch den identitätsstiftenden Aspekt von Mehrsprachigkeit mit in den Blick zu nehmen und zu fördern. Innsbruck C ARMEN K ONZETT -F IRTH Giuseppe M ANNO , Mirjam E GLI C UENAT , Christine L E P APE R ACINE , Christian B RÜHWILER (Hrsg.): Schulischer Mehrspracherwerb am Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I. Münster: Waxmann 2020, 342 Seiten [39,90 €] Strukturveränderungen im Bildungsbereich kollidieren i.d.R. mit systemischer Trägheit, sind oft Folge von gegenstandsfernen Abwägungsprozessen und geben Anlass zu innersystemischen Konflikten. Umsetzung und Akzeptanz von Bildungsreformen beruhen nicht allein auf valider Evidenz und fundierten Sachargumenten; oft sind sie Ausdruck eines Kompromisses angesichts divergierender politischer Interessen. Das Autorenteam des vorliegenden Sammelbandes stellt sich der Aufgabe, eine evidenzbasierte Fachexpertise zu generieren. Es beforscht im Kontext der bereits 2004 lancierten Schweizer Fremdsprachenreform, vor dem Hintergrund der eidgenössischen Mehrsprachigkeit (4 Nationalsprachen, hoher Anteil an Herkunftssprachensprecher*innen, Diglossie-Situation für die Deutschschweiz) verschiedene Wirkungen einer solchen Systemveränderung; diese ist gekennzeichnet durch die Vorverlegung des Englischfrühbeginns in die 3. Klasse, die Umkehrung der Sprachenfolge (Englisch vor Französisch) und somit die Einführung eines „doppelten schulischen Fremdsprachenerwerbs“ (S. 9) innerhalb der 6 Klassen umfassenden Schweizer Primarstufe. Im Rahmen eines quasi-experimentellen Forschungsdesigns evaluieren die Forscher*innen auf der Grundlage umfangreicher Stichproben (Kanton St. Gallen) die horizontale wie auch die vertikale Kohärenz dieser Reform und setzen die Ergebnisse der Untersuchungsgruppe („Modell 3/ 5“, d.h. E ab Kl. 3, F ab Klasse 5) mit den Ergebnissen einer Vergleichsgruppe („Modell 5/ 7“, d.h. F ab Kl. 5, E ab Klasse 7) in Beziehung. Unter horizontal sind die Bezüge der Fremdsprachen Englisch und Französisch zueinander, wie auch zur Schulsprache Deutsch zu verstehen, unter vertikal die Verknüpfung des Fremdsprachenlernens über Schulstufen hinweg, insbesondere vor dem „Kontext wachsender sprachlicher Diversifizierung durch Migra- 128 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0027 51 • Heft 2 tion“ (S. 312). Diese Perspektive ist vor allem im Hinblick auf die Nachhaltigkeit grundschulischen (Fremd-)Sprachenlernens von Relevanz, zumal die Bewertung dieses Lernbereichs i.d.R. unidirektional ausfällt und die Qualität der abgebenden Instanz Primarstufe, nicht aber die Qualität der aufnehmenden Sekundarstufe ins Visier genommen wird, was in der Geschichte des Fremdsprachenfrühbeginns in mehreren Fällen - bis heute - zum Um- und Abbruch entsprechender Initiativen geführt hat. Das Forschungsprojekt ist im Rahmen der Mehrsprachigkeits- und Tertiärsprachenforschung verortet, die von einem „dynamische[n], komplexe[n] Zusammenspiel zwischen den Sprachen“ (S. 10) ausgeht und sprachliches Lernen als integrativen Prozess, bei dem Lernende im konstruktivistischen Sinn neue Wissensbestände mit bereits vorhandenen verknüpfen. Untersucht werden am Übergang von (schweizerischer) Primar- und Sekundarstufe (d.h. anhand der Klassen 6 und 7) (1) „sprachenübergreifende Bezüge bzw. Spuren von Transferleistungen“ zwischen den beteiligten (Fremd-/ Schul-)Sprachen im Hinblick auf Textkompetenzen (mdl./ schriftl. Textproduktion und -rezeption) und (2) Überzeugungen zum und Wahrnehmung von Sprachunterricht aus der Sicht von Lehrkräften und Lernenden. Angesichts der Komplexität dieses Forschungsprojekts kann eine Rezension die vielfältigen Ergebnisse des Sammelbandes nur unzureichend würdigen. Diese Komplexität - mehrsprachlicher Ansatz, Vergleich zweier Kontexte, Lehrer*innen und Schüler*innenperspektive sowie eine Vielzahl an verschiedenen miteinander in Bezug gesetzten Variablen - zeugt von ungemein präziser Forschungsarbeit und macht zugleich die Lektüre des Bandes zu keinem Selbstläufer. Trotz einer klaren Struktur, einer auch in den Einzelbeiträgen erkennbaren transparenten Kontextbeschreibung, informierter fachlicher Einbettung und einer gründlichen methodischen Reflexion wie auch detailreich präsentierter und diskutierter Ergebnisse verlangt dieser Band seiner Leserschaft ein Höchstmaß an Konzentration, Ausdauer und Geduld ab. Es empfiehlt sich daher, neben dem ausgezeichnet synthetisierten Vorwort von Britta H UFEISEN (S. 7f.) sich zuerst der Einleitung (S. 9-27) und dem Synthesekapitel (S. 311-340) zuzuwenden. Diese rahmenden Kapitel (I, IV) verhelfen dazu, das Projekt einzuordnen und sich einen groben Überblick über die vielfältigen Facetten zu verschaffen. In den zentralen Kapiteln II und III widmen sich die Autoren in unterschiedlichen Teilforschungsteams den beiden Hauptachsen des Projekts: 1) der gegenseitigen Einflussnahme vorhandener mehrsprachlicher Ressourcen auf die rezeptive und produktive Textkompetenz bei den Lernenden und 2) der Rolle externer Einflussfaktoren (individuelle Lernvoraussetzungen, Unterrichtsmerkmale, Schultypen) auf den parallelen Erwerb mehrerer Sprachen. Unerlässlich ist es für den/ die Leser*in aber, sich parallel einen groben Überblick über das eidgenössische Bildungssystem zu verschaffen, um die Strukturbedingungen wie auch die verwendeten Begrifflichkeiten (z.B. Übergang, Primarstufe, Sekundarstufe, Schulsprache) korrekt einordnen zu können. Diese Informationen werden von den Autor*innen zwar immer wieder geliefert, z.T. auch redundant, doch nicht so kompakt, dass einem an zentraler Stelle der Lesefluss geebnet würde. Die jeweiligen Autoren*innen leiten die einzelnen Fragestellungen ihres Beitrags, mit exzellenten bibliographischen Verweisen und ausführlich dokumentierten Forschungskurzberichten versehen, kenntnisreich ein: - Giuseppe M ANNO referiert zentrale Forschungsarbeiten aus der Kognatenforschung und schließt von der Kognatenerkennung auf das Detailverständnis der schulischen Fremdsprachen. - E GLI C UENAT / B RÜHWILER stellen Arbeiten zur Entwicklung mündlicher und schriftlicher Textproduktion in Beziehung zur Frage der Transversalität und zur Kontinuität des Lernens. Besprechungen 129 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0027 - E GLI C UENAT / B LEICHENBACHER fokussieren auf den Tertiärsprachenerwerb (hier: Französisch) und die Wirkungen vorgelagerten Fremdsprachenlernens. - In einem zweiten Einzelbeitrag beschäftigt sich M ANNO mit den Zusammenhängen der Lesekompetenz beim Tertiärspracherwerb (hier: Französisch) in Bezug zu einer lebens- und schulsprachlichen Mehrsprachigkeit. - Dem Themenbereich der Lesestrategien widmen sich M ANNO / L E P APE R ACINE . - E GLI C UENAT / M ANNO unternehmen den Versuch, Zusammenhänge zwischen Rezeption und Produktion der Schulsprache Deutsch und der zwei Schulfremdsprachen aufzuzeigen. - Ein weiterer Beitrag (G EBHARDT / B RÜHWILER / M ANNO / E GLI C UENAT ) identifiziert Profile mehrsprachiger Textkompetenz. - Im zweiten Hauptteil des Bandes befragen L E P APE R ACINE / B RÜHWILER die Einstellungen von Schüler*innen und Lehrkräften nach Häufigkeit und Wirksamkeit von Sprachlernstrategien und stellen diese zu demographischen und sozialen Variablen in Beziehung. - Einblicke in die Gestaltung des Sprachunterrichts in Schul- und Fremdsprachen zu geben, ist das Anliegen des weiteren Beitrags von L E P APE R ACINE / B RÜHWILER : sie befragten sowohl Schüler*innen wie auch Lehrpersonen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Unterrichts in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch mit dem Ziel, Ansätze für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik identifizieren zu können. - M ANNO / G EBHARDT fokussieren abschließend auf die systemische Ebene und stellen den Schultyp bzw. das Anforderungsniveau in den untersuchten Schul-(fremd-)sprachen mit den Lesekompetenzen von Schülern*innen im 7. Schuljahr in Beziehung. Aus der Fülle der Ergebnisse seien exemplarisch ein paar wenige herausgegriffen: - Im Hinblick auf die Lesekompetenz in Französisch konnte gezeigt werden, dass Englisch eine wichtige Brückenfunktion für die Merkleistung romanischer Lexik hat. Zugleich konnte ein Zusammenhang hergestellt werden zwischen der Kognatenerkennung in einer Fremdsprache und der fremdsprachlichen Leseleistung. - Was die Textproduktion anbelangt, so ließ sich vorrangig für das Schreiben nachweisen, dass Lernende sprachenübergreifend auf ihre Textstrukturierungsressourcen in Abhängigkeit der jeweiligen sprachtypologischen Nähe bzw. Distanz zurückgreifen können. - In Bezug auf die Umsetzung von Elementen einer Mehrsprachigkeitsdidaktik verweist die Studie auf die Diskrepanz zwischen dem, was die Lehrkräfte für sinnvoll halten und was sie tatsächlich tun, und folgert daraus Handlungsbedarf, um das Potenzial transversaler Spracharbeit auszuschöpfen. Der Band ist ein Musterbeispiel dafür, wie schulische Reformen begleitet, evaluiert und - so ist zu hoffen - weiterentwickelt, im Sinne von optimiert, werden. Erste Ansätze dazu skizziert das Autorenteam abschließend in seinem als „Desiderate“ bezeichneten Abschlussteilkapitel. Vor allem die Ausführungen zur Curriculumgestaltung, zur Weiterentwicklung von Lehrwerken und zur Lehrerbildung sind es mehr als wert - nicht nur in der Schweiz - Gehör zu finden. Es würde sich lohnen, das Synthesekapitel (S. 312-340) in einer sprachlich noch zugänglicheren Version auszukoppeln, damit die Erkenntnisse in bildungspolitischen Kreisen leichter ihren Einfluss entfalten können. Allen anderen sei die aufwändige, aber erhellende Lektüre des Buches sehr ans Herz gelegt! Ludwigsburg J ÜRGEN M ERTENS 130 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0028 51 • Heft 2 Michael T HOMAS , Christel S CHNEIDER : Language Teaching with Video-Based Technologies. London: Routledge 2020, 250 Seiten [96 £; 98,11 € - e-Book: 29,59 £; 27,20 € ] Das vorliegende Buch präsentiert und diskutiert die Erfahrungen aus einem zweijährigen EUgeförderten Projekt zur Verwendung von Lernvideos im projektbasierten Fremdsprachenlernen. Im Fokus stehen zum einen Fallstudien aus fünf nationalen Kontexten, in denen fremd- oder selbstproduzierte Lernvideos zum Einsatz kamen, und zum anderen die Beschreibung und Evaluation von zwei Fortbildungen für Praktiker(inne)n zur Erstellung und Verwendung dieser speziellen Lernvideos, woraus sich viele praktische und konzeptuelle Anregungen ergeben. Die Autor(inn)en ordnen ihr Projekt und ihre Forschung dem CALL-Ansatz zu, sowohl in Bezug auf das Fremdsprachenlernen als auch die untersuchte Form der (fremdsprachendidaktischen) Lehrer(innen)bildung. Die Autor(inn)en sind der Bildungswissenschaftler Michael T HOMAS , der sich als Forscher an der Universität von Liverpool seit seiner Promotion auf digitale Bildung und Fragen der Bildungsgerechtigkeit spezialisiert hat, und Christel S CHNEIDER , Fremdsprachenlehrerin für DaF, Lehrer(innen)bildnerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Central Lancashire, die bereits mehrere EU-geförderte Projekte zu digitalen Medien und Spielen im Fremdsprachenunterricht koordinierte und als Unternehmerin Machinima-Produktionen und Lehrer(innen)fortbildungen anbietet. Hier ergibt sich eine nicht problematisierte Doppelrolle einer Autorin, die als Unternehmerin kommerzielle Interessen in das Projekt einbringt. Erprobt wurde eine spezielle Form der Lernvideos, die sich Machinima nennen. Das Kofferwort setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern machine und cinema und bezeichnet Videos, die auf der Basis von Videospielen erstellt werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Lernvideos, in denen fremdsprachliche Interaktionen inszeniert werden, wird die Produktion durch die Verwendung von Avataren und virtuellen Welten deutlich weniger aufwändig und schafft weitere Möglichkeiten der Gestaltung. Im vorliegenden Kontext basieren die Videos auf Szenarien in Second Life, welches seit seiner Einführung 2003 eine virtuelle Welt bietet, die von den Benutzer(inne)n selbst gestaltet werden kann und in der sie als selbst kreierte Avatare interagieren können. Lernende, die in der Folge mit Machinima arbeiten, interagieren selbst nicht aktiv in immersiven Kontexten (Videospielen). Vielmehr schauen sie sich Videomitschnitte von Interaktionen an, die innerhalb von Videospielen inszeniert wurden und in der Regel vorab als Drehbuch geschriebenen wurden. Spürbar begeistert von diesem Medium erkundeten die Projektteilnehmer(innen) dessen Potenzial für den Einsatz bestehender Machinima in unterschiedlichen Lernkontexten, sowie für die Eigenproduktion durch Lehrer(innen) und Lernende. Möglich wurde dies durch das von der EU-Kommission geförderte Forschungsprojekt (CAMELOT, ca. 500.000€), an dem Forscher(innen) und Praktiker(innen) aus Großbritannien, der Türkei, Polen, und Tschechien mit Start-up-Unternehmen aus Deutschland, Holland, Belgien und Polen zusammenarbeiteten. Die Darstellung im Buch folgt dabei der Chronologie des Projektes. Die drei einleitenden Kapitel (S. 1-63) verorten die Arbeit mit Machinima und begleitenden Lernaufgaben in Ansätzen des immersiven Lernens, des technologieunterstützten und des projektbasierten Fremdsprachenlernens, wobei sich das Projekt eng am Ansatz von G ONZÁLEZ - L LORET (2017) * des technology-mediated project-based language teaching (TMPBLT) orientiert. * Marta G ONZÁLEZ -L LORET : „Technology for task-based language teaching“. In: Carol A. C HAPELLE , Shannon S AURO (Hrsg.). The Handbook of Technology in Second Language Teaching and Learning. Malden, MA: Wiley-Blackwell 2017, 234-247. Besprechungen 131 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0028 Das 49-seitige Kapitel 4 (Creating and Field Testing Machinima in the Language Classroom) behandelt die fünf durchgeführten Fallstudien, die an drei Universitäten, im Sekundarstufenunterricht an einer auf bilingualen Sachfachunterricht spezialisierten Schule und einem privaten Sprachlehrinstitut durchgeführt wurden. In den meisten dieser Lernkontexte wurden die Lernvideos und die begleitenden Aufgaben für das Selbststudium der (in der Regel erwachsenen) Lernenden konzipiert, wobei als Begleitaufgaben „gap-filling“ oder „mix and match“- Aufgaben genannt werden. Aus den Lernkontexten ergibt sich, dass in vier von fünf Fällen sowohl fachliche als auch fremdsprachliche Lernziele durch die Lernvideos abgedeckt werden. Manches Mal führt dies sehr weit weg von Zielen und Methoden des Fremdsprachenunterrichts, wenn etwa ein Lernvideo lediglich die Animation von geometrischen dreidimensionalen Körpern enthält und die Lernenden vor dem Hintergrund schriller Elektrogitarrenmusik Anweisungen zur Berechnung dieser Körper auf Englisch lesen. Die Erprobungskontexte werden anhand von Interviews, Berichten, Fokusgruppeninterviews und Fragebögen mit den Lehrer(innen) und Lernenden evaluiert. Die Vertrautheit der Lernenden mit virtuellen Welten würde das Einlassen auf Machinima sehr erleichtern. Die Lernenden waren nicht dadurch gestört, dass die Avatare sehr eingeschränkt in ihren Bewegungen sowie Gestik und Mimik waren. Insbesondere die erwachsenen Lernenden beklagten die geringe Audioqualität mancher Videos, die beim Ansehen der als Links zur Verfügung gestellten Machinima tatsächlich verwundert ob der Kooperation mit kommerziellen Anbietern. Die Lehrer(innen) schätzen den Arbeitsaufwand, bestehende Machinima zu sichten und durch Aufgaben zu adaptieren ähnlich groß ein wie eigene zu produzieren, wobei sich dies nur manche der teilnehmenden Lehrer(innen) zutrauen würden. Sehr positiv bewertet wird, dass insbesondere introvertierte und autistische Lernende die Arbeit mit virtuellen Welten als besonders einladend für mehr eigene Sprachproduktionen und Interaktionen empfanden (S. 81). Kapitel 5 (Evaluating a Machinima CALL Teacher Education Course, 59 Seiten) stellt das umfassendste Kapitel und auch das Kerninteresse der Autor(inne)n dar: Um Möglichkeiten digitaler Medien für den Fremdsprachenunterricht stärker in der schulischen Praxis zu verankern, sehen die Autor(inn)en eine angepasste Lehrer(innen)bildung als Schlüssel, wobei sie dabei im kompakten Format der Fortbildungen denken. Sie stellen sich deshalb der Frage, wie eine effiziente video-basierte und hybride Fortbildung gestaltet werden kann und welche Unterstützung und Begleitung die teilnehmenden Lehrer(innen) für die Erstellung und den Einsatz von Machinima brauchen. Es wurden zwei Fortbildungen durchgeführt, wobei eine Zwischenevaluation zu Adaptionen im zweiten Durchgang geführt hat. Die Projektteilnehmer(innen) grenzen sich dezidiert von sog. MOOCs (massive open learning courses) ab, da diese anders als intendiert oft behavioristischen Lernansätzen folgen und sprechen deshalb von MOOT (massive open online training), um den pädagogischen Fokus zu betonen, in dem Dialog und kreative Zusammenarbeit in Lerngemeinschaften zentral sein sollen. Technologischen und pädagogischen Grundsätzen soll Rechnung getragen werden, indem Lehrer(innen) zunächst selbst diejenigen Medien und Arbeitsweisen verwenden, die später ihre Lernenden nutzen werden. In der Fortbildung lernen die Teilnehmer(innen) die behandelten Lehrmöglichkeiten (projektbasiertes fremdsprachliches Lernen mit digitalen Videos) zu verstehen und in ihre Praxis zu integrieren. Der MOOT wurde als 5-wöchiger blended-learning Kurs konzipiert und auf der Plattform Moodle erstellt. Die Lehrer(innen) wurden zunächst an die virtuelle Welt Second Life herangeführt und erprobten diese, bevor sie in die Möglichkeiten des Filmens und des Drehbuchschreibens für die anvisierten Machinima eingeführt wurden. Am Ende haben alle mindestens ein eigenes Machinima erstellt und in ihrer Praxis erprobt. Evaluiert wurde die Fortbildung in einem Mixed-Methods-Verfahren anhand von Beobachtungen während der synchronen Kurs- 132 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0029 51 • Heft 2 einheiten, Einzel- und Fokusgruppeninterviews, sowie Beobachtungen und inhaltlichen Analysen der Interaktionen und Aufgaben auf der Lernplattform, Selbsteinschätzungen und Fragebögen. Kapitel 6 bietet eine sehr knappe Zusammenfassung der Ergebnisse, während der Anhang viele Ergänzungen liefert wie eine attraktive Liste mit Links zu einerseits bereits bekannten Programmen wie Audacity oder Screencast O Matic, aber andererseits auch alle innerhalb des Projektes entwickelten Materialien wie einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung für Lehrer(innen) sowie zahlreiche Links zu den YouTube-Videos der verwendeten Machinima und der durchgeführten Interviews. Leider funktionieren zwar nicht alle Links auf Grund fehlender Freigaben, man erhält aber auch so sehr gute detaillierte Einblicke. Insgesamt steht eindeutig das Medium (Machinima) im Zentrum, wobei schnell deutlich wird, dass dessen Einbettung und begleitende Lernaufgaben für den Lernerfolg wichtig sind. Dieser Aspekt wird offenbar in den Vorbereitungen auf das Projekt mitbedacht, was man an Details in den Falldarstellungen ablesen kann. In der theoretischen Konzeption und insbesondere der Evaluation hingegen spielen diese eine untergeordnete Rolle. Die Evaluationen beschränken sich allzu oft auf generelle Aussagen über gesteigerte Motivation und Engagement der Lernenden. Hier wäre eine breitere Auseinandersetzung mit früheren Forschungsarbeiten, die sich auf Einzelaspekte fremdsprachlichen Lernens fokussieren (wie etwa in den Beiträgen des in der Fußnote zitierten Sammelbandes), sicherlich lohnenswert gewesen. Weitere theoretische Bezüge zu durchaus angesprochenen Bereichen des interkulturellen Lernens oder Lernendenidentitäten fehlen gänzlich. Gerade bei der Arbeit mit virtuellen Welten wäre ein kritischer, zumindest bewusster Umgang mit kulturellen Stereotypen angebracht, genauso wie mit den häufig sehr überzeichneten geschlechtsspezifischen Rollenbildern, wie sie auch in den verwendeten Machinima dominieren. Es wird vielmehr gelobt, dass kulturelle Spezifika leicht durch Kleidung und Attribute markiert werden könnten (S. 97). Insgesamt wird das Projekt anschaulich und in seinen konzeptionellen Überlegungen auch ausführlich beschrieben. Sehr überzeugend argumentieren und illustrieren die Autor(inn)en, wie gewinnbringend eine Doppelperspektive auf die Lernerfahrungen sowohl der Lehrenden und als auch der Lernenden mit neuen digitalen Lernmöglichkeiten (hier Machinima) sein kann, so wie sie auch in den beliebter werdenden Design-Based-Formaten gelebt wird. Problematisch bleibt die Verstrickung kommerzieller und wissenschaftlicher Interessen im Projekt. Das Buch trägt insgesamt überzeugend und anschaulich an einem Beispiel zu einem differenzierten Blick auf digitale Bildung und Medien im Fremdsprachenunterricht bei. Wien M ANUELA W IPPERFÜRTH Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT : Fremdsprachliches Lesen mit literarischen Texten: Zur Entwicklung von Leseverstehen und literarischer Kompetenz im DaF-Unterricht der niederländischen Sekundarstufe I. Berlin: Erich Schmidt 2020, 342 Seiten [79.95 €] In ihrer im Rahmen eines Promotionsprojekts entstandenen Studie geht Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT der Frage nach, inwiefern sich ein über ein Schuljahr durchgeführtes, intensives und integratives Literaturprogramm mit kreativen Aufgaben im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in der Sekundarstufe I an Schulen in den Niederlanden auf die Lesefähigkeit und die literarische Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler auswirkt. Damit trägt sie der seit Jahren deutlich zu vernehmenden Forderung Rechnung, dass die Forschung zur Literaturdidaktik empirischer werden müsse, um literarisches Lernen umfassender und nachhaltiger im Besprechungen 133 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0029 Fremdsprachenunterricht zu verankern. Während auf theoretisch-konzeptioneller Ebene vielfältige Ansätze, Modelle und Methoden vorliegen, sind im Hinblick auf deren Erforschung in der konkreten Unterrichtspraxis noch Forschungslücken festzustellen. Insbesondere fehlt es an Studien zum Literaturunterricht in der Sekundarstufe I, wodurch sich der Autorin zufolge auch erklären lässt, warum literarische Texte hier selten zum Einsatz kommen. Lesefähigkeit würde mit Sachtexten trainiert und der Fokus liege auf funktional-kommunikativen Kompetenzen (vgl. S. 25). In der Sekundarstufe II würden dann zwar verstärkt literarische Texte eingesetzt, aber die Entwicklung von Sprachkompetenz werde nicht mit der Förderung von literarischer Kompetenz verbunden. Anknüpfend an diese Desiderata setzt die Autorin sich zum Ziel zu untersuchen, „wie die Auseinandersetzung mit literarischen Texten bereits in der Sekundarstufe I stattfinden kann“ (S. 32). Sie nimmt die Frage in den Blick, ob sich Leseverstehen und literarische Kompetenzen bei einem intensiveren Einsatz von Literatur und einer stärkeren Verzahnung von sprachlichem und literarischem Lernen fördern lassen. Dafür hat sie ein spezielles Treatment in Form einer literaturbezogenen Unterrichtsreihe entwickelt, die über 30 Unterrichtsstunden innerhalb eines Schuljahres für 14-15jährige Lernende mit der Fremdsprache Deutsch im zweiten bzw. dritten Lernjahr angeboten wurde. Durchgeführt wurde das Treatment in zwei Zyklen an sechs verschiedenen Schulen und zwei Schulformen (Gymnasien und Schulen für den mittleren Schulabschluss). Pro Kohorte haben ca. 300 Lernende teilgenommen. Die vorgeschlagenen rezeptiven und produktiven Lernaufgaben wurden orientiert an rezeptionsästhetischen Überlegungen und auf Basis verschiedener Genres konzipiert. Ausgegangen wurde von einem weiten Textbegriff, der auch Songs, graphische Erzählungen und Filme einschloss. Die Lernenden beschäftigten sich durchschnittlich eine Unterrichtsstunde pro Woche mit einem deutschsprachigen literarischen Text. Die theoretischen Grundlagen zur Studie werden in einem eigenen Kapitel unter Diskussion aktueller Arbeiten aus verschiedenen Fremdsprachendidaktiken dargelegt. Die empirische Studie selbst war als Longitudinal-Studie mit multimethodischem Zugriff angelegt und folgte einem quasi-experimentellen Prä-Post-Design, d.h. jeweils zu Beginn und Ende eines Schuljahres wurden in beiden Kohorten quantitative und qualitative Daten erhoben. Es gab Experimentalgruppen, die das besondere Treatment zur Literaturarbeit erhalten haben, und Kontrollgruppen, die dem an ihrer Schule üblichen Regelunterricht folgten. Die einzelnen Kapitel der Studie sind jeweils einer Teilforschungsfrage gewidmet. Kapitel drei beschäftigt sich mit der Position von Lehrkräften zu Literatur im DaF-Unterricht; Kapitel fünf widmet sich der Auswertung des Unterrichtsprojekts durch die Befragung der teilnehmenden Lehrkräfte, Unterrichtsbeobachtungen und eine schriftliche Evaluation des Treatments durch die Lernenden der Experimentalgruppen; Kapitel sechs nimmt die Entwicklung der Lesefähigkeit der Lernenden in den Blick; und Kapitel sieben fokussiert schließlich die Entwicklung von deren literarischer Kompetenz. Durch eine Fragebogenuntersuchung mit 219 DaF-Lehrenden wollte die Autorin zur ersten Teilfrage herausfinden, ob literarische Texte Eingang in den DaF-Unterricht finden, welche Ziele Lehrkräfte damit verfolgen und inwiefern auch handlungs- und produktionsorientierte Aufgaben eingesetzt werden. Wesentliche Ergebnisse sind, dass die Förderung rezeptiver Kompetenzen als wichtigstes Lernziel angesehen und literarische Kompetenzen nicht spezifisch angestrebt werden. Eingesetzt werden Songtexte, Kurzgeschichten und Jugendbücher; Grundlage der Unterrichtspraxis ist das Lehrbuch. Kreative Aufgabenstellungen werden kaum genutzt. Beklagt wird von den Lehrenden, dass die Unterrichtszeit kaum für den Einsatz literarischer Texte ausreiche und dass nicht genügend Materialien für die Literaturarbeit in der Sekundarstufe I zur Verfügung stünden. Auch seien in den Lehrplänen Ziele für den Einsatz literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I nicht klar formuliert. 134 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0029 51 • Heft 2 Im Hinblick auf die zweite Forschungsfrage war die Autorin interessiert zu erfahren, wie das angebotene Literaturprogramm in den Experimentalgruppen genau durchgeführt und bewertet wurde. Dazu führte sie eine weitere Fragebogenuntersuchung zur Erhebung der Unterschiede zwischen den Unterrichtsinhalten der Experimental- und Kontrollgruppen durch, interviewte die Lehrkräfte der Experimentalgruppen leitfadengestützt, videographierte einzelne Stunden und befragte die Lernenden mittels Fragebogen. Herausgekommen ist, dass die im Treatment vorgeschlagenen Aufgaben zur Förderung der Sprechfähigkeit weniger häufig eingesetzt wurden als Schreibaufgaben und dass recht viel Wortschatzarbeit stattfand, um die Rezeption der literarischen Texte zu erleichtern. Die literarische Kompetenzförderung stand weniger im Fokus. Durch das Treatment sind die Lernenden der Experimentalgruppen allerdings mit deutlich mehr literarischen Texten in der Fremdsprache in Berührung gekommen. Ihre Lesemotivation war ausgeprägt und einen persönlichen Lernzuwachs sahen sie vor allem in ihrer Sprachentwicklung. Die Wirkung des Treatments auf die Lesefähigkeit der Lernenden, also deren informationsentnehmendes Leseverstehen, im Vergleich zum regulären Unterrichtsprogramm wurde mit einem standardisierten Lesetest im Multiple-Choice-Format erfasst. In den Blick genommen wurden dabei neben Unterschieden zwischen Experimental- und Kontrollgruppen auch Unterschiede zwischen Lernenden verschiedener Schulabschlüsse sowie zwischen Jungen und Mädchen. Die Analysen zeigen interessanterweise, dass Lernende mit Treatment einen höheren Leistungszuwachs in Bezug auf ihr Leseverstehen erzielten als Lernende, die nicht am intensiven, integrierten Literaturunterricht teilnahmen - und dies, obwohl der Testung selbst keine literarischen Texte, sondern nur Sachtexte zugrunde lagen. Bei den Schulniveaus und im Vergleich von Jungen und Mädchen ließen sich hingegen keine signifikanten Unterschiede feststellen. Hinsichtlich der literarischen Kompetenzentwicklung sind weder in den Experimentalnoch in den Kontrollgruppen Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten erkennbar. Erhoben wurde dies durch einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung, den die Autorin auf Basis existierender Studien zu literarischer Kompetenz entwickelt hatte. Dabei wurde literarische Kompetenz in den einzelnen Items allerdings vornehmlich an Lesetexten ausgerichtet und nicht etwa auch an auditiven oder audiovisuellen Texten. Dass die Lernenden der Treatment-Gruppe keine Entwicklung ihrer literarischen Kompetenz festgestellt haben, könnte nach Auffassung der Autorin daran gelegen haben, dass eine so komplexe Kompetenz sich nicht so leicht durch Kann-Beschreibungen erfassen lässt und dass die Lehrkräfte selbst den Fokus bei der Literaturarbeit nicht explizit auf der Förderung literarischer Kompetenz gelegt hätten. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine äußerst komplexe und dichte Studie, die mehrere Teilstudien umfasst, welche einzeln in ihrem Forschungsdesign vorgestellt sowie in ihren Ergebnissen diskutiert werden. Bei der Komplexität der Gesamtanlage und den vielen Detailaspekten, die sich aus der übergeordneten Forschungsfrage und deren Aufgliederung in mehrere Teilfragen ergeben, beschleicht den Leser bzw. die Leserin bisweilen das Gefühl, als habe die Autorin vielleicht für eine Untersuchung etwas zu viel gewollt. Es gelingt ihr allerdings sehr gut, den Überblick zu behalten und die Teilergebnisse ihrer Studie am Ende in eine kohärente Zusammenschau zu bringen. In der Auswertung ihrer Ergebnisse kommt Elisabeth L EHRNER - TE L INDERT zu vielen sehr aufschlussreichen Ergebnissen. Auch wenn die Studie im Bereich des DaF-Unterrichts an Schulen in den Niederlanden verortet ist, sind die Ergebnisse fächerübergreifend von Relevanz, indem sie die Bedeutung von literarischen Texten für den Fremdsprachenunterricht allgemein herausstellen. Illustriert wird dies abschließend durch Empfehlungen für die Unterrichtspraxis in der Sekundarstufe I. Diese umfassen die Forderung nach einer verstärkten Anknüpfung des Literaturunterrichts an die multimodalen Formate, die Besprechungen 135 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0030 Lernende außerschulisch rezipieren, nach der Entwicklung einer schulischen Lesekultur, um keine Bildungsausschlüsse zu produzieren, sowie nach einer stärker fächerübergreifend gedachten Förderung literarischer Kompetenzen. Ableiten lassen sich aus diesen Empfehlungen auch Implikationen für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden. Nicht zuletzt ist die Studie ein Plädoyer für die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis - auch, weil die beteiligten Lehrkräfte das Projekt für sich als gewinnbringend empfunden haben. Göttingen C AROLA S URKAMP David G ERLACH : Kritische Fremdsprachendidaktik. Grundlagen, Ziele, Beispiele. Tübingen: Narr 2020, 236 Seiten [28,99 Euro] Der Titel des Bandes macht neugierig, ist doch das Konzept einer Kritischen Fremdsprachendidaktik bislang nicht etabliert. Was ist darunter zu verstehen? Der Untertitel kündigt an, dass den Leser bzw. die Leserin sowohl theoretische Fundierungen und fremdsprachendidaktische Zielbestimmungen als auch beispielhafte Konkretisierungen erwarten. Der thematische Horizont ist also weit gesteckt. In seinem Einleitungsbeitrag, der in einer Entwurfsfassung vorab allen Beitragenden als Orientierungsrahmen zur Verfügung gestellt wurde, versucht der Herausgeber, an unterschiedliche soziologische, erziehungswissenschaftliche und sprachdidaktische Konzepte anknüpfend die Reichweite dessen auszuloten, was in seinem Verständnis unter kritischer Fremdsprachendidaktik gefasst werden kann. Wie ambitioniert das Vorhaben ist, lässt bereits ein der Einleitung vorangestelltes Zitat von Allan L UKE erahnen. Es sei, so der zitierte Autor, an der Zeit „to reconsider the nature of education and schooling in society“ (S. 7). Um eine derart umfängliche gesellschaftliche und pädagogische Perspektive geht es auch David G ERLACH . Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die im deutschen Bildungssystem angelegte und sich selbst reproduzierende Ungerechtigkeit, die laut OECD daraus resultiert, dass schulischer Erfolg in entscheidendem Maß von sozioökonomischen Faktoren abhängt. „Was wäre“, so G ERLACH , „wenn Schule und Bildung grundsätzlich auf den Abbau dieser Ungerechtigkeit fokussieren würde? “ (ebd.) Hierzu einen Beitrag zu leisten, betrachtet er als zentrale Aufgabe schulischen Fremdsprachenunterrichts. Schließlich ist dessen Gegenstand Sprache bzw. Sprachen ein Medium, das gesellschaftliche Machtstrukturen etabliert und perpetuiert, andererseits aber auch in der Lage ist, diese Machtstrukturen zu erkennen, zu hinterfragen und ihnen Paroli zu bieten. Daraus leitet G ERLACH das pädagogisch-didaktische Ziel ab, die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen zu einer Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen anzuleiten und sie in der Selbständigkeit des Denkens und Handelns zu fördern. Diesbezüglich sieht er in fremdsprachendidaktischen Diskursen zwar sehr wohl wichtige Ansätze, dominant sei jedoch eine Ausrichtung, der es vor allem um eine möglichst effektive Vermittlung funktional-kommunikativer Kompetenzen gehe. Pädagogische und bildungstheoretische Zielsetzungen macht er demgegenüber allenfalls isoliert in kultur- und literaturdidaktischen Schriften aus. Zur theoretischen Fundierung einer Kritischen Fremdsprachendidaktik, wie er sie versteht, greift er auf folgende „mögliche Bezugsquellen“ (S. 10-17) zurück: Kritische Theorie im Sinne der Frankfurter Schule, Kritische Erziehungswissenschaft (u.a. S ÜNKER , K LAFKI , J ANK und M EYER ), Kritische Pädagogik (v.a. F REIRE , G IROUX ), Critical Literacy (u.a. J ANKS , L UKE , B REIDBACH ) sowie Kritisches Denken (u.a. B LOOM , W ILLINGHAM ). Die Vielzahl dieser Theoriebasen vermittelt dem Band einen eher explorativen Charakter. Ein kohärentes Konstrukt vermag er hingegen nicht vorzustellen, was aber auch nicht sein Anspruch ist (vgl. S. 33). 136 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0030 51 • Heft 2 In unterschiedlicher Gewichtung verbindet ein Großteil der Einzelbeiträge Grundsatzüberlegungen mit didaktisch-methodischen Konkretisierungen, insbesondere wenn danach gefragt wird, welche Themen und Texte (in einem semiotischen Sinne des Begriffs) das Potenzial bieten, dominanzkritische Bewusstwerdungsprozesse unter Lernenden im Fremdsprachenunterricht anzuregen. Folgende inhaltliche Schwerpunkte kommen dabei zur Sprache: • die Transgender-Thematik anhand von Jugendliteratur (Jan-Erik L EONHARDT , Britta V IEBROCK ), • die Queer Theory im Kontext einer unterrichtlichen Auseinandersetzung mit Heteronormativität (Thorsten M ERSE ), • „Schönheits- und Köpernormen als Thema in einer Kritischen Fremdsprachendidaktik“ (so der Untertitel des Beitrags von Lotta K ÖNIG ), • die Rolle von critical literacy zum Verständnis der gegenwärtigen Risikogesellschaft im Rahmen einer unterrichtlichen Behandlung literarischer Texte (Frauke M ATZ ) sowie • Gaming als kulturelle Praktik sprachlichen Lernens wie auch als Gegenstand gesellschaftskritischer Reflexion (Carolyn B LUME / Jonathon R EINHARDT ). Primär konzeptuell bzw. grundlagentheoretisch ausgerichtet sind Beiträge in Bezug auf • das Konzept einer critical digitalisation zur Fundierung eines machtkritischen Umgangs mit kulturellen Praktiken sozialer Interaktion und fremdsprachlichen Lernens in der digitalen Welt (Ivo S TEININGER ), • Hartmut R OSA s Resonanzkonzept in seiner Bedeutung für Bildungsprozesse generell und für gelingende Interaktionen im Fremdsprachenunterricht im Besonderen (Jochen P LIKAT ) und • die erziehungswissenschaftliche Rahmung des Plädoyers, Fremdsprachenunterricht pädagogisch zu denken (Andreas B ONNET , Uwe H ERICKS ). Dieser Beitrag zeichnet sich zudem dadurch aus, dass er die Setzungen des vorliegenden Bandes bereits einer kritischanalytischen Betrachtung unterzieht. Nicht nur den schulischen Kontext nimmt der Band in den Blick, auch hochschuldidaktische Aspekte kommen zum Tragen. Empirisch unterfüttert sind dabei Ausführungen zu • „Gestaltungsprinzipien einer Kritischen Fremdsprachendidaktik am Beispiel eines universitären Programms im Bereich Deutsch als Fremdsprache“ (Michael S CHART ) und zu • den Potenzialen dramapädagogischer Praktiken im Hinblick auf eine kritisch-reflexive Ausrichtung universitärer Lehrkräftebildung (Dagmar A BENDROTH -T IMMER ). Den Profilen einer Kritischen Lehrer*innenbildung gelten darüber hinaus die den Band abschließenden Überlegungen von David G ERLACH und Kenneth F ASCHING -V ARNER . Es ist hier nicht der Raum, auf alle Beiträge differenziert einzugehen. Gemein ist ihnen ein Menschenbild, das die Selbständigkeit des Denkens und Handelns gegen den Anpassungsdruck dominanter gesellschaftlicher Kräfte ins Recht setzt, seien diese (bildungs)politischer, wirtschaftlicher, moralisch-ethischer oder auch ästhetischer Natur. Sie weisen somit eine Nähe zu Ansätzen der Subjekt- und Bildungsorientierung auf, denen das Leitziel eines empowerment of the learner eingeschrieben ist. In ähnlicher Weise sehen B ONNET / H ERICKS das alle Beiträge Einende in einem pädagogischen Anspruch, der sich gegen vorrangig psycholinguistisch argumentierende und den Erwerb testbarer skills fokussierende Ansätze der Fremdsprachendidaktik wendet (vgl. S. 165). Eine erziehungswissenschaftliche Rahmung hätte in ihren Augen zur Folge, dass Fragen nicht so sehr der Themenwahl als vielmehr der Interaktionsgestaltung zwi- Besprechungen 137 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0031 schen Lehrer*innen und Schüler*innen das Hauptaugenmerk Kritischer Fremdsprachendidaktik gälte (vgl. ebd.). Indirekt distanzieren sie sich somit von vielen der oben gelisteten Schwerpunktsetzungen des vorliegenden Bandes. Der von ihnen präferierten Ausrichtung entspricht hingegen der (m.E. besonders lesenswerte) Aufsatz von P LIKAT zu R OSA s Resonanztheorie und deren Relevanz für das Verständnis und die Ziele unterrichtlicher Interaktion im fremdsprachlichen Kassenzimmer. Alle Beiträge habe ich mit Gewinn gelesen, ich kann das Buch somit unbedingt empfehlen. Gleichwohl weist es auch Schwachstellen auf. Wie oben angedeutet, haben wir es bei der ‚Kritischen Fremdsprachendidaktik‘ mit einem fuzzy concept zu tun, das in den einzelnen Beiträgen durchaus unterschiedlich mit Bedeutung gefüllt wird. Das muss keineswegs ein Manko sein. Wo allerdings innerhalb der Beiträge das Adjektiv ‚kritisch‘ so inflationär gebraucht wird, wie dies in manchen von ihnen der Fall ist (mir ist es vor allem im Beitrag zum Gaming aufgefallen), drängt sich der Eindruck einer Sloganisierung des Begriffs auf (vgl. auch S. 165). Das hätte vermieden werden können. Mich überrascht ferner, dass G ERLACH in seinem Einleitungsbeitrag die angeführten Bezugsquellen Kritischer Fremdsprachendidaktik nicht historisch rahmt. So wird die gesamte Debatte um die poststrukturalistisch inspirierte Kritik eines Denkens in Kategorien der Aufklärung unerwähnt gelassen. Ich denke v.a. an die Kritik Bruno L ATOUR s an eben jener strukturalistischen bzw. dekonstruktivistischen Kritik mitsamt ihrer Infragestellung des Wahrheitsbegriffs - eine Positionierung, die in soziologischen und philosophischen Diskursen bis in die Gegenwart hinein lebhaft diskutiert wird. Eher in der Einleitung hätte ich mir zudem eine Systematisierung des Kritikbegriffs gewünscht, wie sie später bei B ONNET / H ERICKS zu finden ist. Unter Berufung auf eine Verwendung in deutscher Wissenschaftstradition unternehmen die Beiträger einen pragmatisch-vereinfachenden Definitionsversuch: Zum einen bezeichne ‚Kritik‘ „die grundlegende und kategoriale Analyse einer Sache“, zum anderen aber auch „sich gegenüber einer Sache im Modus des Zweifels zu nähern und damit auszudrücken, dass man selbst damit noch nicht zufrieden“ sei (S. 165). Diesen Gedanken greifen David G ERLACH und Kenneth F ASCHING -V ARNER in einer den Band abschließenden Überlegung auf, wenn sie metareflexiv anmerken, dass das Postulat einer zweifelnden Grundhaltung selbstverständlich auch für die Positionierungen des vorgelegten Werks gelte (S. 230). Allzu leicht gerät Kritik in der Tat - wie in der aktuellen Pandemie auf beiden Seiten einer gespaltenen Öffentlichkeit zu beobachten ist - zu einer dogmatischen Haltung, die sich gegen jeweils anderslautende Auffassungen systematisch abschottet. Summa summarum: Das Buch stellt den gelungenen Versuch dar, die deutschsprachige Fremdsprachendidaktik hinsichtlich ihrer zentralen Aufgaben und Verantwortlichkeiten neu zu hinterfragen und kontroverse Diskussionen anzustoßen. In diesem Sinne ist dem Buch ein breites Echo zu wünschen. Berlin L UTZ K ÜSTER Andreas B ONNET , Uwe H ERICKS : Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Empirische Studien zur (Un-)Möglichkeit fremdsprachlicher Bildung in der Prüfungsschule. Tübingen: Narr Francke Attempto 2020, 467 Seiten [78,00€] Die Monographie von Andreas B ONNET und Uwe H ERICKS dokumentiert auf 467 Seiten (inkl. Literatur) in detaillierter Weise eine longitudinal angelegte explorative Studie, in der vier Lehrer: innen und jeweils eine ihrer Klassen über drei Schuljahre bei der Umsetzung von Koopera- 138 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0031 51 • Heft 2 tivem Lernen (KL) im Englischunterricht begleitet wurden. Die in mehrfacher Hinsicht lesenswerte Untersuchung nimmt triangulierend mehrere Perspektiven auf den komplexen Gegenstand ein: eine unterrichtsbezogene Prozessperspektive, eine auf sprachliche und soziale Kompetenzen gerichtete Produktperspektive sowie eine die Lehrer: innen und ihre Professionalisierung in den Blick nehmende Akteursperspektive. Die Studie wurde von 2007 bis 2010 an einem Gymnasium und einer Hauptschule durchgeführt. Grundlage der Publikation sind zwei ausführliche Einzelfallstudien der Gymnasiallehrerinnen Silke Borg und Yvonne Kuse (pseudonymisiert), die sich im Verlauf des Projekts als maximal kontrastierende Fälle herauskristallisierten. Die Einführung von KL in der gymnasialen Mittelstufe wird hier nicht, wie eventuell zu erwarten gewesen wäre, als Wirksamkeitsstudie oder Aktionsforschungsprojekt angelegt. Neben einem empirischen Interesse an der Weiterentwicklung von Unterricht und dem damit verbundenen Kompetenzzuwachs der Schüler: innen richtet sich das primäre Interesse des Forschungsteams auf die Orientierungen der Lehrerinnen in ihrem zeitlichen Verlauf und darauf, wie Schule als gesellschaftliche Institution die Umsetzung von KL erschwert oder unterstützt. Orientierungen bzw. Orientierungsrahmen werden einer wissenssoziologischen Grundhaltung folgend vor allem als implizites, atheoretisches Wissen verstanden, teils ergänzt durch explizites Wissen, welches mittels der Dokumentarischen Methode rekonstruiert wird. Als eine der immer noch seltenen longitudinal angelegten Studien leistet die Untersuchung einen wichtigen Beitrag, Entwicklungsprozesse sowohl in Hinblick auf Englischunterricht als auch bezüglich der Professionalisierung von Lehrer: innen in Wechselwirkung mit schulischen Strukturen nachzuzeichnen. Die im Vorwort vorgeschlagenen Leseoptionen für diesen umfangreichen Band wenden sich an verschiedene Lesergruppen: die Autoren stellen eine eher narrativ angelegte äußere Klammer (Kap. 1 und 7), eine innere Klammer (Kap. 2 und 6) sowie den Kern der Studie (Kap. 3-5) vor und zeigen damit, dass es ihnen trotz (oder aufgrund) des Umfangs von knapp 500 Seiten ein Anliegen ist, durch leserorientierende Maßnahmen eine breite Leserschaft anzusprechen und sich entsprechend auf sie einzustellen. Das erste Kapitel stellt die Ausgangssituation und Genese des Projekts sowie die Ziele der Akteure aus der (rekonstruierten) Sicht der Lehrerinnen sowie der Forscher dar, um anschließend die Forschungsfragen abzuleiten. Unter Rückgriff auf von den Lehrerinnen verwendete Metaphern („Pausenclown“, „Dompteur“, „Entertainer“) wird die Perspektive der Lehrerinnen zu Beginn des Projekts dargestellt. Sie zeugt von Unmut und dem Gefühl andauernder Anspannung, die u.a. aus einem Autonomiedefizit auf Lehrerinnensowie Schüler: innenseite resultiert. Sowohl Silke Borg als auch Yvonne Kuse möchten ihre Schüler: innen perspektivisch eher als Mentorinnen oder Lernbegleiterinnen unterstützen und sehen Potentiale in einer Stärkung individualisierender, kooperativer Lehr- und Lernformen. Die Darstellung anfänglicher Sichtweisen zeigt Beweggründe und Ziele für die Teilnahme an diesem Projekt auf. Gleichzeitig wird der/ die Leser: in bereits implizit mit Methoden der rekonstruktiven Sozialforschung vertraut gemacht. Neben der Sicht der teilnehmenden Lehrpersonen wird auch die Perspektive der Forschenden dargelegt und reflektiert, die an der Schnittstelle von Lehrer: innen(aus)bildung und beobachtender, rekonstruktiver Forschung agierten. Teil des Projekts war u.a. die Erstellung von Unterrichtsmaterialien in Absprache mit den Lehrenden im Rahmen universitärer Veranstaltungen, die den Lehrer: innen als Anregung und Entlastung dienen sollten und im Projektverlauf sukzessive an ihre Bedürfnisse angepasst wurden. Das Forschungsinteresse bestand hingegen primär darin, die Entwicklung des eigenen Unterrichts der Lehrerinnen unter Alltagbedingungen zu rekonstruieren. Der Herausforderung, das Geschehen so wenig wie möglich von außen zu beeinflussen, wurde dahingehend begegnet, dass die Lehrpersonen „didaktisch und methodisch sowohl das erste als auch das letzte Wort“ hatten (S. 24). Besprechungen 139 51 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0031 Theorierahmen und Forschungsstand werden gemessen an der Komplexität des Gegenstands in relativ konziser Form in Kapitel 2 erörtert (S. 33-65). Zentral für die Studie ist die Begriffsdefinition von KL als ein Konzept, das sich auf einem Kontinuum zwischen einfacher, niedrigschwelliger Umsetzung kooperativer Lehr-/ Lernformen auf der methodischen Mikroebene von Unterricht (im Sinne eines Think-Pair-Share), Makromethoden wie z.B. task-based approaches sowie einem umfassenderen Verständnis von KL, das integrative Modelle (z.B. Lernbüro, Projektarbeit) umfasst, befindet. Einen wesentlichen Bezugsrahmen bilden außerdem die sieben Basiselemente von KL (u.a. positive Abhängigkeit, gegenseitige Unterstützung, individuelle Verantwortung), die u.a. genutzt werden, um den Grad an Kooperativität zu bestimmen. Das zweite Kapitel leitet abschließend aus Theorie und Forschungsstand das Design der Studie ab. Gemäß der oben skizzierten drei Perspektiven auf den Forschungsgegenstand umfasst die Untersuchung eine Unterrichtsstudie, eine Sprachstudie und eine Professionsstudie. Die Unterrichtsstudie wird in Kapitel 3 in Form von zwei Fallstudien zum Unterricht von Silke Borg und Yvonne Kuse ausführlich präsentiert. Die Studie verwendet die auf der praxeologischen Wissenssoziologie basierende Dokumentarische Methode, um „wesentliche Merkmale des Unterrichts in den Projektklassen zu rekonstruieren und deren Entwicklung über die Dauer des Projekts nachzuzeichnen.“ (S. 75). Die Datenbasis dieser beiden Fallstudien bilden mehrere teilnehmende Beobachtungen sowie Videographien des Unterrichts, die über die drei Jahre hinweg durchgeführt wurden. Es bleibt unklar, wie viele Daten hier tatsächlich erhoben wurden. Aus der Ausbildungsperspektive ist interessant, dass eine umfassende Materialerstellung inklusive Unterrichtsplanung durch Studierende von den Lehrerinnen als nicht praktikabel, später erstellte, flexibel einsetzbare digitale Aufgabenblätter hingegen als hilfreich empfunden wurden. Diesbezüglich wären Einblicke in die Art der erarbeiteten und genutzten Materialien im Anhang interessant gewesen. Die ausführliche Darstellung der Unterrichtsstudie gewährt tiefe Einblicke in die Umsetzung von KL durch Silke Borg und Yvonne Kuse. Gleichzeitig wird ein Einblick in die forschungsmethodische Praxis der Dokumentarischen Methode gegeben, die für (Nachwuchs-)Wissenschaftler: innen mit Interesse an rekonstruktiver Forschung beispielhaft und inspirierend ist. Gleichermaßen aufschlussreich sind die Ergebnisse, die in Kapitel 3.4 fallvergleichend dargestellt werden. Hinsichtlich der untersuchten Aufgabenstruktur überwiegen die Ähnlichkeiten zwischen den Lerngruppen. Es ist z.B. bemerkenswert, dass eine relativ starke Form-Orientierung und nur in einem Fall eine leicht zunehmende Mitteilungsorientierung im Verlauf der drei Lernjahre rekonstruiert werden kann, obwohl der Grad an Kooperativität steigt. Die Autoren interpretieren dies u.a. als Folge einer starken Orientierung der Lehrer: innen am Lehrbuch. Da die Bedeutung des Lehrwerks eine nicht geringe Rolle im Rahmen der Studie spielt, wäre ein kurzer Exkurs zu Form- und Mitteilungsorientierung sowie Kooperativität innerhalb der verwendeten Lehrbücher, deren Veröffentlichung gegenwärtig bereits ca. 15 Jahre zurückliegt, zusätzlich von Interesse gewesen. In Hinblick auf die Partizipationsstruktur ist ein überwiegend gegenüberstellend-direktives Interaktionsmuster erkennbar. Art und Grad der Kooperativität unterscheiden sich jedoch in beiden Lerngruppen. Den damit einhergehenden bzw. zugrundeliegenden Orientierungen der Lehrer: innen wird in der Professionsstudie weiter nachgegangen. Die im anschließenden Kapitel dargestellte Sprachstudie basiert auf jeweils drei C-Tests der zwei Lerngruppen gegen Ende des 5., 6. und 7. Schuljahres. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der sprachliche Zugewinn der Lernenden dem üblicherweise im Englischunterricht erreichten Kompetenzzuwachs der 5.-7. Klasse entspricht, d.h. nicht signifikant darunter oder darüber liegt. Neben der mittels C-Tests erhobenen globalen Fremdsprachenkompetenz wurden auch die sozialen und metakognitiven Kompetenzen der Schüler: innen in den Blick genommen. 140 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0031 51 • Heft 2 Die Analyse der Unterrichtsvideographien in Hinblick auf interaktionale Kompetenzen (z.B. der Umgang mit Konflikten oder die Organisationsfähigkeit) zeigte hier einen deutlichen Zugewinn. Im Rahmen der in Kapitel 5 dargestellten Professionsstudie wird danach gefragt, welche berufsbiographisch fundierten Orientierungen zu KL zu Projektbeginn vorhanden sind, wie sie sich im Unterricht niederschlagen und wie die Umsetzung von KL wiederum auf die Orientierungen der Lehrerinnen zurückwirkt. Methodisch werden hierfür explizite und implizite Wissensbestände der Lehrerinnen sowie deren Professionalisierung in longitudinaler Hinsicht mittels der Dokumentarischen Methode rekonstruiert, Datenbasis bilden berufsbiografische sowie episodische Interviews. In Kapitel 6 und 7 werden die drei Teilstudien zusammenfassend und aufeinander bezugnehmend diskutiert. Ernüchternd und ermutigend zugleich steht am Ende, was wir schon geahnt haben: Prüfungs- und Testorientierung, Allokations- und Durchprozessierungslogik, letztere u.a. bedingt durch das Lehrbuch, sind Teil des Habitus beider Gymnasiallehrerinnen. Damit wird das System, das kritisiert wird, zugleich aufrecht gehalten. Mit der Umsetzung von KL im gymnasialen Englischunterricht bringen sich die Akteure in Widerspruch zu kollektiven Normen. Den damit verbunden Erfahrungskrisen begegnen sie jedoch auf unterschiedliche Weise: teils durch Rückzug auf eine instruktivistisch-hierarchische Orientierung, teils durch eine Intensivierung der Bemühungen um KL. Mut macht, dass Yvonne Kuse es schafft, agency zu entfalten, u.a. durch kollegiale Kooperation und niedrigschwellige Einstiegsmethoden, und dass am Ende des Projekts ein Zuwachs an Reflexivität konstatiert werden kann. Interessant ist die Frage, wie diesen Befunden in der Lehrer: innenbildung zu begegnen ist. Hier hätte man sich gewünscht, die Autoren würden ihre vor dem Hintergrund dieser Studie zweifelsohne umfangreiche Expertise in weitere Implikationen für die Aus- und Weiterbildung einbringen. Die Studie ist vor allem in dieser Hinsicht von hohem Wert. Sie leistet einen wichtigen Beitrag, gegenwärtige ausbildungsbezogene Bemühungen um einen stärkeren Fokus auf implizite Wissensbestände, verinnerlichte Orientierungen und identitätsbildende, erfahrungsbasierte Lern- und Bildungsprozesse in der Lehrer: innenbildung zu stärken und weiter voranzubringen. Leipzig P ETRA K NORR 51 • Heft 2 Vorschau auf Jahrgang 52.1 Der von C AROLA S URKAMP und A NDREAS W IRAG (beide Georg-August-Universität Göttingen) koordinierte Themenschwerpunkt für den Jahrgang 52.1 trägt den Titel Die Künste und ihr Einsatz im Fremdsprachenunterricht - Potenziale für das fremdsprachliche Lehren und Lernen. Auch wenn die Spur der Künste im Fremdsprachenunterricht sich bis ins 19. Jahrhundert, zu François Gouin und seinen Theaterreihen oder in Lehrwerken abgebildeten Gemälden, zurückverfolgen lässt, stellt eine Gesamtdiskussion der Künste in der Fremdsprachenlehre eine vergleichsweise junge Entwicklung in der Fremdsprachendidaktik dar. So findet sich erst seit den 2000/ 10er Jahren in den USA, Großbritannien und Deutschland eine wachsende Anzahl von Publikationen, die den Einsatz aller Künste (d.h. Literatur, Theater, Bildende Kunst, Musik, Tanz, Film, Fotografie, Poetry Slam usw.) sowie der dazugehörigen Kunstwerke im Fremdsprachenunterricht diskutieren. Der Themenschwerpunkt schließt an diese Diskussion an und hebt hervor, dass und inwiefern die Künste besondere Potenziale zu einer interdisziplinären Öffnung des Fremdsprachenunterrichts mit sich bringen. Diese fächerübergreifenden Potenziale betreffen nicht nur die Kooperation zwischen fremdsprachlichen und künstlerischen Feldern (in der Wissenschaft) oder Schulfächern (im Unterricht), sondern auch die Möglichkeit, spezifische Lernerträge, die durch die Künste eingelöst werden können, in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren. So können die Künste dazu beitragen, die Entwicklung verschiedener persönlicher Fähigkeiten der Schüler*innen zu unterstützen. Dies betrifft beispielsweise kognitive (z.B. Konzentration), personale (z.B. Kreativität), soziale (z.B. Kooperation) oder ästhetische (z.B. Wahrnehmung) Kompetenzen von Lernenden, die künstlerische Tätigkeiten u.a. in Theater-, Musik-, Zeichen- oder Filmaufgaben im Fremdsprachenunterricht ausüben. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: C AROLA S URKAMP , A NDREAS W IRAG (Universität Göttingen): Zur Einführung in den Themenschwerpunkt A NDREAS W IRAG (Universität Göttingen): Ein Rahmenmodell für einen kunstbasierten Fremdsprachenunterricht L UISA A LFES (Universität Duisburg-Essen): (Selbst-)Portraits und ihre besondere Funktion für das interkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht C HRISTINE G ARDEMANN (Universität Bielefeld): Einander besser verstehen - Das Potenzial der Literatur für Selbst- und Weltreflexion im Fremdsprachenunterricht A LMUT H ILLE (FU Berlin): Slam Poetry und Poetry Slams im Fremdsprachenunterricht H ELENA R UDI (Universität Mainz), B ERND E NGELHART (Universität Koblenz-Landau): (Fremd-) Sprache, Tanz und Selbstkonzept bei jugendlichen Englisch-Lerner*innen M ICHAELA S AMBANIS (FU Berlin): Theater im Fremdsprachenunterricht: Kreativität fördern, Kompetenzen entfalten A LINE W ILLEMS (Universität zu Köln): Musik im Unterricht der romanischen Sprachen: Divertimento oder Grave? V o r s c h a u 142 Vorschau 51 • Heft 2 Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 52.2 Gamification (koordiniert von (M ARTA G ARCÍA G ARCÍA ) BUCHTIPP Daniela Caspari, Friederike Klippel, Michael K. Legutke, Karen Schramm (Hrsg.) Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik Ein Handbuch 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2022, 538 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-8233-8432-8 eISBN 978-3-8233-9432-7 Das bewährte Handbuch wurde für die 2. Auflage um neue Kapitel erweitert sowie überarbeitet und aktualisiert. Ausgehend von Grundsatzfragen zu Forschungstraditionen, zu historischer, theoretischer und empirischer Forschungsausrichtung und zur Forschungsethik werden die unterschiedlichen Verfahren der Erhebung, Auswertung und Analyse von ausgewiesenen Expert: innen erläutert. Die Darstellungen individueller Forschungsverfahren beziehen sich auf Referenzarbeiten, in denen diese Verfahren eingesetzt werden. Grafische Darstellungen und Literaturempfehlungen liefern zusätzliche Hilfen. Fremdsprachendidaktische Forschung wird im Handbuch aus mehreren Perspektiven thematisiert: Es geht um die Gestaltung des Forschungsprozesses von der Ideenfindung über die Literaturrecherche und Erarbeitung des Designs bis zur Publikation. Dies schließt Hilfen und Handlungsempfehlungen für die Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten ein. Zudem behandelt der Band die Entwicklung fremdsprachendidaktischer Forschung und ihre Positionierung im aktuellen wissenschaftlichen und (bildungs-)politischen Kontext. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (1994 - 2022) 23 (1994): Wörterbücher und ihre Benutzer (koord. von Ekkehard Zöfgen) 24 (1995): Kontrastivität und kontrastives Lernen (koord. von Claus Gnutzmann) 25 (1996): Innovativ-alternative Methoden (koord. von Gert Henrici) 26 (1997): Language Awareness (koord. von Willis J. Edmondson und Juliane House) 27 (1998): Subjektive Theorien von Fremdsprachenlehrern (koord. von Inez De Florio-Hansen) 28 (1999): Neue Medien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Erwin Tschirner) 29 (2000): Positionen (in) der Fremdsprachendidaktik (koord. von Frank G. Königs) 30 (2001): Leistungsmessung und Leistungsevaluation (koord. von Rüdiger Grotjahn) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): `` Neokommunikativer AA Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs und Lutz Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung (koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) 49.1 (2020): Fremdsprachliches Schreiben (koord. von Hans P. Krings) 49.2 (2020): Aussprache lehren, lernen und evaluieren (koord. von Isabelle Mordellet-Roggenbuck und Julia Settinieri) 50.1 (2021) Bilingualer Unterricht. Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen (koord. von Bärbel Diehr und Dominik Rumlich) 50.2 (2021) Berufsbezogenes Fremdsprachenlernen und -lehren (koord. von Karin Vogt und Hermann Funk) 51.1 (2022) Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I für alle (koord. von Nikola Mayer) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt forschungsbasierte Beiträge zu allen für den Fremdsprachenunterricht und die Förderung der Mehrsprachigkeit relevanten Bereichen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. ISSN 0932-6936 www.narr.digital www.narr.de Themenschwerpunkt: Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive D agmar a benDroth -t immer , b ritta V iebrock Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ........................................................... 3 b ritta V iebrock , g abriela m eier , r anDa aiS abahi DISSECTing multilingual research in the field of language education: a framework for researcher development ............................................................ 10 k atja l ochtman Multilingual researcher education at the Vrije Universiteit Brussel: a case study .................................................................................................... 26 c onStanze b raDlaw , b ritta h ufeiSen , S tefanie n ölle -b ecker Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit im Kontext der Internationalisierung deutscher Hochschulen .................................................................... 38 D aViD S oler o rtínez , c aterina S ugranyeS e rneSt Understanding the plurilingual researcher in context ............................................ 53 c hriStian k och Die Verarbeitung von mehrsprachigen Gesprächsaufnahmen. Vorschläge zur Transkription mündlicher Sprachdaten in der Fremdsprachenforschung ................. 68 g rit m ehlhorn Forschungsmethodische Herausforderungen in der Mehrsprachigkeitsforschung am Beispiel eines longitudinalen Verbundprojekts mit bilingualen Jugendlichen .................................................................................................... 85 ISBN 978-3-8233-1201-7
