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Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
121
2023
522 Gnutzmann Küster Schramm
Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Birgit Schädlich, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Gamification koordiniert von Marta García García F Lu L 52. Jahrgang · 2 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgegeben von: Birgit Schädlich (Göttingen) · Karen Schramm (Wien) Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Birgit Schädlich, Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37073 Göttingen, eMail: birgit.schaedlich@phil.uni-goettingen.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Stephan Breidbach (Berlin) · Eva Burwitz- Melzer (Gießen) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Laurenz Volkmann (Jena) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 68,- (print) bzw. € 79,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 49,- (print), das Einzelheft € 42,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISBN 978-3-381-10331-7 · ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG (Fortsetzung umseitig) Th e m e n s c h w e rp u nkt: G a m ifi c a ti o n Koordination: M ARTA G ARCÍA G ARCÍA M ARTA G ARCÍA G ARCÍA Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ....................................................... 3 C AROLINE C RUAUD A certain degree of freedom: the challenge of learner autonomy in playful foreign language learning .................................................................................... 14 E RIC W OLPERS Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF): Eine empirische Design-Based Research Studie zur Förderung spielerischer und narrativer Lernzugänge ................................................................... 31 M ARTA G ARCÍA G ARCÍA „weil es halt schwieriger ist zu reden, als einfach selber zu machen“ - Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht .................... 50 J ULES B UENDGENS -K OSTEN , F REDERIK C ORNILLIE , S HANNON S AURO Teaching (multi)literacies, supporting identities: Plurilingual writing in an interactive fiction project ..................................................................................... 72 C AROLYN B LUME Ene, mene, muh, raus bist du? Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung ................................................................. 90 52. Jahrgang • Heft 2 Herausgegeben von: Birgit S CHÄDLICH (Göttingen), Karen S CHRAMM (Wien), Britta V IEBROCK (Frankfurt) © 2023 Narr Francke Attempto Verlag Internet: www.narr.de/ linguistik/ zeitschriften/ flul/ 52 • Heft 2 Nicht-thematischer Teil S ILVIA I NTRONA Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch: Erste Erkenntnisse zur Förderung einer noch unerforschten Schlüsselkompetenz und ihrem Erwerb seitens internationaler Studierender ..................................................................... 108 P r o u n d C o ntr a : S c hulfo r s c hung nur be i w e c h s e l s e itig e m Int e r e s s e ? 124 Be sprechunge n Christiane L ÜTGE (Hrsg.): Foreign Language Learning in the Digital Age. Theory and Pedagogy for Developing Literacies. London: Routledge 2022 (J ULES B ÜNDGENS - K OSTEN ) ............................................................................................................................. 126 Ruth T RÜB : An Empirical Study of EFL Writing at Primary School. Tübingen: Narr 2022 (H EIKE M LAKAR ) ........................................................................................................ 128 Elizabeth B. B ERNHARDT , Michael L. K AMIL : Conducting Second-Language Reading Research. A Methodological Guide. New York, London: Routledge 2022 (E RZSÉBET S ZABÓ ) ............................................................................................................... 131 T HI Than Hien Bui: Selbstlernen mit einem Online-Sprachlernprogramm. Eine empirische Untersuchung zum Lernverhalten von DaF-Lernenden auf Niveaustufe A1 beim Umgang mit Duolingo. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022 (N ICOLA W ÜRFFEL ) ........ 133 Katrin T HOMSON (Hrsg.): Classroom Discourse Competence. Current Issues in Language Teaching and Teacher Education. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022 (M ARLENE A UFGEBAUER ) .................................................................................................... 136 Frank H EISEL : Politische Bildung im Fremdsprachenunterricht. Eine Analyse aktueller Lehrbücher für den Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem 2022 (K ATHARINA W IELAND ) .... 138 Brooke R. S CHREIBER , Eunjeong L EE , Jennifer T. J OHNSON , Norah F AHIM : Lingustic Justice on Campus. Pedagogy and Advocacy for Multilingual Students. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022 (C ONSTANZE B RADLAW ) ............................................................. 141 Vorschau 144 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 M ARTA G ARCÍA G ARCÍA * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 1. Einleitung Von der Beziehung zwischen Spielen und Lernen geht etwas Faszinierendes aus: Einerseits ist in der Entwicklungspsychologie und der pädagogischen Psychologie längst belegt, dass beide Aktivitäten in den frühen Lebensphasen sehr eng miteinander verbunden sind (z.B. B RUNER 1983; P IAGET 1975). Das Spielen und das (Er-)Lernen neuer Fähigkeiten teilen viele Merkmale: Beide stellen eine Herausforderung dar, haben eine starke soziale Komponente, wirken selbstbelohnend und sind autotelisch, d.h. sie werden aus Freude an der Tätigkeit selbst ausgeübt. Sie sind im besten Sinne Beispiele für Flow-Erfahrungen (C SIKSZENTMIHALYI 1990: 4). Solche Momente erleben Menschen, wenn sie so sehr in eine Tätigkeit involviert sind, dass für sie nichts anderes mehr wichtig zu sein scheint. Andererseits erfahren die Kinder, sobald sie in die Schule kommen: „the game is over“ (B ALTRA 1990: 446). Die Verbindung zwischen Spielen und Lernen scheint unwiderruflich getrennt zu sein, was sich in einer im Laufe der Schulzeit kontinuierlich sinkenden Motivation widerspiegelt (vgl. S CHERRER / P RECKEL 2019). Spielen ist allerdings alles andere als ein neues Phänomen im Fremdsprachenunterricht - man denke nur an Klassiker wie Bingo zum Üben von Zahlen oder Memory zum Wiederholen von Vokabeln. Auch eine der ersten Überblicksartikel wurde bereits vor 40 Jahren zum Forschungsstand über Spiele im Fremdsprachenunterricht (P ALMER / R ODGERS 1983) veröffentlicht. Der Terminus gamification/ Gamifizierung entstand dennoch erst mit der Jahrtausendwende im marketing- und betriebswirtschaftlichen Kontext (vgl. S AILER 2016: 5) und ist erst seit den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ein fester Diskursbegriff in der Fremdsprachendidaktik. Definiert ist Gamifizierung im engeren Sinne als „the use of game design elements in non-game contexts“ (D ETERDING et al. 2011: 10). Wie die Autor: innen betonen, liegt der Fokus der Begriffsbestimmung einerseits auf Game (ein strukturiertes Regelsys- * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Marta G ARCÍA G ARCÍA , Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37073 G ÖTTINGEN E-Mail: marta.garcia@phil.uni-goettingen.de Arbeitsbereiche: Konversationsanalyse, Unterrichtsinteraktion, Spanisch als Herkunftssprache, Gamifizierung Gamification 4 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 52 • Heft 2 tem mit klaren Zielen) vs. Play (freies, improvisiertes Spielen) und andererseits auf den einzelnen Elementen vs. einem vollwertigen Spiel. Zu den Elementen von Spielen 1 gehören bspw. Punkte, Klassifikationstabellen, Preise, Avatare oder Narrative, die einzeln oder kombiniert in einer Lernaktivität oder in einer Lernumgebung integriert werden, um sie spielerisch, d.h. „more game-like“ zu gestalten (W ERBACH 2014: 266). In den Worten von P UJOLÀ / H ERRERA J IMÉNEZ (2018: 585) ist Gamifizierung in der Tat eine „Dekonstruktion“ des Spiels. Demgegenüber wird der Begriff „spielbasiert“ (game-based) generell für den Einsatz von eigenständigen (Video-)Spielen in Lernkontexten verwendet. Einige Autor: innen treffen weitere Differenzierungen − je nachdem, ob die Spiele spezifisch zu Lernzwecken konzipiert wurden oder ob es sich um kommerzielle Spiele handelt. Dafür haben sie weitere Termini geprägt, wie game-enhanced und game-informed (S YKES / R EIN - HARDT 2012; G ODWIN -J ONES 2014; R EINHARDT 2019), deren Gebrauch sich weder flächendeckend durchgesetzt hat, noch in der Literatur einheitlich ist. Wie an anderen Stellen bereits angemerkt (S AILER 2016; Y ORK / P OOLE / DE H AAN 2021), werden die Grenzen zwischen all diesen Konzepten klar in der Theorie gezogen, gestalten sich aber in der Praxis äußerst fließend. Erstens sind viele der sogenannten Lernspiele eigentlich Adaptionen von kommerziellen Spielen, und selbst nicht-didaktisierte Spiele werden für den Unterrichtseinsatz angepasst. Zweitens lässt sich die Frage, ob es sich beim Einsatz bspw. eines Escape Games im Unterricht um ein eigenständiges Spiel oder um eine durch einige Elemente (die Rahmengeschichte, der Zeitdruck, der Wettbewerb in Teams) gamifizierte Aufgabe handelt, nicht immer eindeutig beantworten. Dies hängt letztendlich von den Teilnehmenden und ihren subjektiven, sozialen Erfahrungen ab (vgl. D ETERDING et al. 2011: 11). Um die Terminologie noch weiter zu differenzieren, wird zusätzlich noch zwischen ‚struktureller‘ und ‚inhaltlicher‘ Gamifizierung unterschieden (K APP 2012; s. W OLPERS in diesem Heft). Der Gamifizierung im engeren Sinne wird häufig vorgeworfen, es ginge dabei um das bloße mechanische Einsetzen von Elementen wie Punkten, Abzeichen und Klassifikationstabellen, die lediglich auf die extrinsische Motivation wirken und kein langfristiges Engagement bei den Lernenden auszulösen vermögen (vgl. P UJOLÀ / H ERRERA J IMÉNEZ 2018: 587). Im Kontrast dazu werden bei einer inhaltlichen Gamifizierung die Lerninhalte derart modifiziert, dass sie „spielähnlich“ wirken. 2 Dieses Verständnis von inhaltlicher Gamifizierung stimmt weitgehend mit dem von S ÁNCHEZ et al. (2017: 503) geprägten Begriff der ludicization überein: rather than focusing on the use of game elements such as points or rewards in a mechanical way, ludicization consists in selecting a metaphor for the classroom situation and creating a 1 Eine der bekanntesten Klassifikationen von Spielelementen stammt von W ERBACH / H UNTER (2012). 2 Beispielsweise werden bei A CEDO A MIGO (2019) die Sprachfertigkeiten (Hörverstehen, Lesen, Schreiben und Sprechen) in Superkräfte (Überschallhören, Hypervision, Ultramanipulation) umbenannt, welche die Schüler: innen im Kampf (Klassenarbeiten) gegen die Schurken (Subjunktiv, Zeitformen der Vergangenheit) erhalten können. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 reflexive space in which the nature and the meaning of interactions include aspects of both play and learning. […] [it] does not limit itself to mobilizing gamification elements (avatars, points, etc.) but consists of the combination of multiple game features to create a situation in which the student will find a favorable context to develop a lusory attitude (S UITS 1990). An der Diskussion zeigt sich, dass nicht nur eine terminologische Differenzierung zur besseren Einordnung der Forschungsergebnisse sinnvoll ist, sondern dass aufgrund der großen Schnittmengen zwischen ‚gamifiziert‘ und ‚spielbasiert‘ ein Oberbegriff ebenfalls notwendig erscheint. Als mögliche Kandidaten wurden u.a. gameful (R EIN - HARDT 2019) und ludic (H ERRERA J IMÉNEZ / G ONZÁLEZ A RGÜELLO 2016; Y ORK / P OOLE / DE H AAN 2021) vorgeschlagen, aber auch Gamifizierung und vor allem das englische Pendant gamification hat sich als übergreifender Begriff etabliert (G RÜN et al. 2019; K RATH / S CHÜRMANN / K ORFLESCH 2021). Verstanden wird Gamifizierung/ gamification in diesem Themenheft und in Anlehnung an S AILER (2016: 18) und K OIVISTO / H AMARI (2014: 180) als die Anreicherung von Lernaktivitäten durch den Einsatz von Spielen und Elementen des Spieldesigns mit dem Ziel, spielähnliche Erfahrungen zu schaffen. Weshalb spielähnliche Erfahrungen das (Fremdsprachen-)Lernen fördern, wird im nächsten Abschnitt erläutert. 2. Potenziale der Gamification für den Fremdsprachenunterricht Gute Spiele sind motivierend. Und sie müssen es - aus kommerzieller Sicht - auch sein, um das Spielerlebnis angenehm, aber zugleich fesselnd zu gestalten und den (kommerziellen) Erfolg zu garantieren. Es liegt für die Konzeption von Lernsettings und Lernaufgaben daher nahe, sich von den Prinzipien des Spieldesigns inspirieren zu lassen. Dies ermöglicht intensive, anregende und nachhaltige Lernerfahrungen im Kontext Schule. Als theoretische Rahmenmodelle zur Erklärung der motivierenden Wirkung von Gamifizierung bieten sich vor allem die Selbstbestimmungstheorie nach D ECI / R YAN (u.a. 1985, 1991) sowie die Flow-Theorie von C ZIKSZENTMIHALYI (1990, 2014) an, wobei sich die drei wichtigsten Aspekte wie folgt zusammenfassen lassen 3 : Erstens präsentieren Spiele ein klar definiertes Ziel, dessen Erreichen einen optimalen Schwierigkeitsgrad darstellt. Etwas lösen zu können, das weder zu einfach und banal ist, noch außerhalb der eigenen Fähigkeiten liegt, vermittelt den Spielenden das Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit. Im Allgemeinen wird dies von einem Erfolgserlebnis begleitet, womit es das menschliche Grundbedürfnis nach Kompetenzerleben erfüllt (D ECI / R YAN 1985, 1991). Zu wissen, was man gerade tut und wozu, sowie die Wahrnehmung einer Balance zwischen einer Herausforderung und den eigenen Fähigkeiten sind ebenfalls Eigenschaften von Flow-Erfahrungen (C SIKSZENTMIHALYI 1990). 3 Weitere, detailliertere Ausführungen finden sich in G EE (2005), D ICKEY (2005), S AILER (2016) sowie spezifisch für den Fremdsprachenunterricht in B ALTRA (1990) und M ERCER / D ÖRNYEI (2020). 6 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 52 • Heft 2 Zweitens ist ein hoher Grad an Freiheit charakteristisch für gute, beliebte Spiele. Die Spielenden können dem eigenen Lösungspfad folgen oder sogar kreative Lösungsansätze entwickeln. Auch wenn in der Regel eine gewisse Struktur vorgegeben ist, überwiegen die (zumindest so wahrgenommenen) Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten. Dieses Gefühl, am Steuer zu sein (vgl. S YKES / R EINHARDT 2012: 18; s. auch C RUAUD in diesem Heft), und das Wissen, dass der Erfolg von der eigenen Verantwortung abhängt, zielt auf ein weiteres Grundbedürfnis ab, das Autonomieerleben, das ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für Flow-Erfahrungen ist. Dabei begünstigt ein weiteres Element des Spieldesignsdas Erleben von Autonomie: das Narrativ bzw. die Rahmenhandlung, die die Teilnehmenden in eine fiktionale Welt eintauchen lässt und dem zu erreichenden Ziel eine Bedeutsamkeit verleiht. „Durch ein Narrativ kann der Nutzer das Gefühl haben, den vorgegebenen Weg als lohnenswerte und spannende Handlung zu empfinden, die er ausführen möchte. […] Somit können Aufgaben als bedeutsamer wahrgenommen und Autonomie erlebt werden“ (S AILER 2016: 120). Und drittens sind Spiele interaktiv, und dies gleich in zweierlei Hinsicht (P RENSKY 2001): In erster Linie sind ‚Gesellschaftsspiele‘ viel beliebter als ‚Solitäre‘, weil man normalerweise mit anderen und gegen sie spielt. Das Gefühl, Teil eines Teams zu sein und dazuzugehören, erfüllt das dritte Grundbedürfnis nach der Selbstbestimmungstheorie, nämlich das nach sozialer Eingebundenheit. Spiele sind aber auch interaktiv in Bezug auf die Feedbackmöglichkeiten, die sie durch Elemente wie Punkte, Abzeichen und Ranglisten anbieten. Dadurch wissen Spielende jederzeit, wie gut ihnen gelingt, was sie gerade tun. Dies trägt nicht nur ebenfalls zur Flow-Erfahrung bei, sondern fördert auch jeglichen Lernprozess: „Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Erkenntnis, die Lehrende dem Spieldesign entnehmen können: sein Feedback-System“ (P UJOLÀ / H ERRERA J IMÉNEZ 2018: 11; Übersetzung MGG). Neben dem Zusammenhang zwischen „guten Spielen“ und „gutem Lernen“ (G EE 2005) wurde auch bereits eine enge Verbindung zwischen den Eigenschaften von Spielen und denen von Lernaufgaben festgestellt, wie z.B. die klare Ziel- und Ergebnisorientierung, die angemessene Herausforderung oder die Wahlmöglichkeiten (u.a. C ORNILLIE / T HORNE / D ESMET 2012; S YKES / R EINHARDT 2012; H ERRERA J IMÉNEZ / G ONZÁLEZ A RGÜELLO 2016; Y ORK 2020). Für das Fremdsprachenlernen sind außerdem zwei weitere Aspekte von besonderer Relevanz: zum einen die soziale, interaktive Natur von Spielen, da sie in der Regel Aushandlungen, Absprachen und - in einem Wort - Kommunikation von den Teilnehmenden erfordern; zum anderen die Authentizität und Sinnhaftigkeit, die - paradoxerweise - durch den Spielkontext und insbesondere durch das fiktive Narrativ der Lernsituation und der konkreten Aufgabe verliehen werden kann (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022: 5). Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 3. Forschungsstand Wie aus den vorherigen Ausführungen hervorgeht, eröffnet die Gamifizierung spannende Möglichkeiten für einen motivierenden, lebendigen und - nicht zuletzt - lernförderlichen Fremdsprachenunterricht. Aber inwiefern sind diese Potenziale einer gamifizierten Lernumgebung in der empirischen Forschung bislang nachgewiesen? Die Forschungslage wirkt auf den ersten Blick überwältigend, denn die Anzahl an empirischen Arbeiten, die sich mit den Effekten eines gamifizierten Ansatzes auf den Lernerfolg beschäftigen, liegt bei mehreren hundert Veröffentlichungen pro Jahr (vgl. D ICHEV / D ICHEVA 2017: 5). Beschränkt man sich jedoch auf das Fremdsprachenlernen, so stellt sich die Situation wesentlich umfassender mit fünf thematischen Hauptlinien dar: Wortschatz, Motivation, Authentizität, Kooperatives Lernen und Feedback. Für jeden dieser Bereiche sind im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus dem aktuellen Stand der Forschung mit einigen Beispielarbeiten - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zusammengefasst. Die Wirkung von kommerziellen Videogames (S UNDQVIST 2019), digitalen Lernspielen (C ALVO -F ERRER 2017) sowie gamifizierten LernApps (R ACHELS / R OCKIN - SON -S ZAPKIW 2018) auf den Wortschatzerwerb wurde in einer relativ hohen Anzahl an Studien erforscht. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass die gamifizierten Lernsettings im Vergleich zu konventionellen Unterrichtsmethoden keine bis nur leicht positive Effekte haben, wobei die LernApp in der Studie von R ACHELS und R OCKINSON -S ZAPKIW (2018) ohne Unterstützung einer Lehrkraft eingesetzt wurde, d.h. die Grundschullernenden haben selbstständig mit der App genauso viel Wortschatz wie im normalen Unterricht gelernt. Die statistisch signifikantesten Ergebnisse wurden jedoch durch die außerschulische Teilnahme an Massively Multiplayer Online Videogames und dem dadurch einhergehenden größeren Kontakt zur Zielsprache erreicht. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Studien zu den affektiven Faktoren. Grundsätzlich erhöht demnach ein gamifiziertes Design die intrinsische Motivation, die Lernautonomie und die Selbstwirksamkeit (C HO / C ASTAÑEDA 2019). Zugleich lässt sich die Fremdsprachenangst reduzieren, insbesondere bei Lernenden, bei denen sie am stärksten ausgeprägt ist (H WANG et al. 2017). Die Möglichkeiten (affordances) von digitalen sowie traditionellen, analogen Spielen für das kooperative Lernen wurden auch in unterschiedlichen (Lern-)Kontexten erprobt, bspw. als Freizeitaktivität ohne didaktische Unterstützung (P IIRAINEN - M ARSH / T AINIO 2009), als Teil eines Sprachkurses (Z HENG et al. 2009) oder als Augmented-Reality-Lernspiel (P ERRY 2021). Da Spiele als authentische Sprachgelegenheiten wahrgenommen werden (Y ORK 2020), eignen sie sich bestens für die Entwicklung der pragmatischen Kompetenz in der Zielsprache. So hängt beispielsweise im Fall von Mentira, einem Augmented-Reality Detektivspiel, die Lösung des Falls von der Fähigkeit der Spielenden/ Lernenden ab, sich in verschiedenen kommunikativen Situationen adäquat auszudrücken. Die Analysen von H OLDEN / S YKES (2011, 2012) belegen einen positiven Effekt der Spieldynamik auf die Wahrnehmung der pragma- 8 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 52 • Heft 2 tischen Phänomene seitens der Spielenden/ Lernenden, allerdings ist oftmals ein weitaus detaillierteres und vielfältigeres Feedback für eine erfolgreiche Sensibilisierung notwendig. Gamifiziertes Feedback ist im Gegensatz zu seiner prominenten Rolle in der Theorie bislang ein eher vernachlässigtes Forschungsgebiet. Beispiele für entsprechende Analysen sind die Studien von C ORNILLIE / C LAREBOUT / D ESMET (2012) sowie C OR - NILLIE / V AN DEN B RANDEN / D ESMET (2015), die bestätigen, dass die Lernenden in der Lage waren, die im Spiel dargebotenen Korrekturen und metalinguistischen Erklärungen zu verstehen und auf andere Kontexte und Aufgaben zu übertragen, was als Indikator für Lernen gilt. Trotz der allgemeinen positiven Tendenz sind die Ergebnisse dieser Analysen dennoch kritisch zu betrachten, denn es handelt sich überwiegend um explorative Studien mit einer geringen Anzahl an Teilnehmenden, sodass die gemessenen Effekte nicht verallgemeinerbar sind. Studien mit einem experimentellen Design, wie bspw. die drei zitierten zum Wortschatzerwerb, liefern eher ernüchternde Ergebnisse, die als „lowhanging fruit of sorts“ (T HANYAWATPOKIN / Y ORK 2021: 243) bezeichnet werden können. Aussagekräftige Ergebnisse zum gamifizierten Feedback ließen sich in anspruchsvoll gestalteten Lernumgebungen, wie die Adaptierung eines kommerziellen Videogames, erreichen, die allerdings weder in jedem Lernsetting einsetzbar sind, noch für die meisten Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Dies trifft insbesondere auf den Schulkontext zu, einem Feld, in dem generell kaum Studien zu Gamifizierung durchgeführt wurden, was häufig bemängelt wird (C RUAUD 2018; S AILER et al. 2019; B ENINI / T HOMAS 2021; T HANYAWATPOKIN / Y ORK 2021). 4. Fragestellungen und Beiträge dieses Themenheftes Aufgrund dieses Forschungsdesiderats widmen sich die hier präsentierten Studien ausschließlich Fragestellungen, die den schulischen Fremdsprachenunterricht betreffen. Darüber hinaus nehmen all die Beitragenden eine emische, in der Forschungsliteratur seltene Perspektive ein: Die Autor: innen fokussieren sowohl auf die Lernenden als auch auf die Lehrkräfte und untersuchen, wie diese jeweils mit den Potenzialen und Herausforderungen des gamifizierten Settings umgehen. Wenngleich das Erleben von Autonomie eine große Rolle hinsichtlich des Motivationspotenzials von Gamifizierung spielt (s. Abschnitt 2), besteht kaum Forschung in diesem Bereich. Dazu untersucht die Studie von C AROLINE C RUAUD , wie Schüler: innen eines Französischkurses in Norwegen mit den Autonomiemöglichkeiten, die eine gamifizierte LernApp anbietet, zurechtgekommen sind. Im Fokus steht der Umgang der Lernenden mit ihrer Freiheit bei der Auswahl von Themen und Aufgaben, aber auch von Methoden, Ort und Zeit, um diese Aufgaben zu erledigen. Die Ergebnisse zeigen die Grenzen von (zu viel) Freiheit in Lernkontexten auf und verdeutlichen, dass die Schule ein Rahmen ist, in dem gewisse Erwartungen bezüglich Kontrolle und Autonomie vorherrschen, die schwierig zu verändern sind. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 Der Beitrag von E RIC W OLPERS widmet sich der inhaltlichen Gamification im Rahmen des Spanischunterrichts. In dieser Studie, die sich am Design-Based-Research orientiert, wird der App-Prototyp Perdido en Valencia analysiert, der eine komplette Unterrichtseinheit aus dem Lehrwerk in ein Detektivspiel umwandelt: Die typischen Sehenswürdigkeiten Valencias werden zu Standorten einer virtuellen Umgebung, in der die Inhalte der Lektion die Missionen darstellen, die zum Lösen des Falls gemeistert werden müssen. Mittels Interviews mit den Teilnehmenden wird der Frage nachgegangen, welche (lernförderlichen) Zugänge der App-Prototyp auslöst, bspw. inwiefern die Schüler: innen in das Narrativ eintauchen, sich mit den Charakteren identifizieren und die Differenzierungsmöglichkeiten des Designs ausschöpfen. Insbesondere zeigt der Beitrag das Potenzial der inhaltlichen Gamifizierung für die Entstehung authentischer sprachlicher Handlungen innerhalb eines fiktiven Szenarios auf. Nicht auf die subjektiven Meinungen, sondern auf das tatsächliche Agieren der Spielenden/ Lernenden zielt der Beitrag von M ARTA G ARCÍA G ARCÍA , der das Engagement der Schüler: innen beim Lösen von Escape Games im Spanischunterricht in den Blick nimmt. Die Transkriptionen von zwei Lerngruppen (eine 10. und eine 13. Klasse), die jeweils ein unterschiedliches Escape Game zu lösen versuchen, werden mittels Konversationsanalyse untersucht, um die unterschiedlichen Dimensionen des Engagements (kognitiv, affektiv, sozial und verhaltensbezogen) nachzuzeichnen. Im Zentrum der Analyse steht die Frage, wie die Teilnehmenden miteinander interagieren, um gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Darüber hinaus ist von Interesse, welche Sprachen und sprachliche Ressourcen sie wann einsetzen und inwiefern das Escape Game als gamifiziertes Szenario den Fremdsprachenunterricht bereichern kann. J ULES B ÜNDGENS -K OSTEN , F REDERIK C ORNILLIE und S HANNON S AURO beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der sehr selten adressierten Schnittstelle zwischen Gamifizierung und Mehrsprachigkeit. Dazu untersuchen sie eine bestimmte Form von (digitalen) Spielen, die interaktive Fiktion (IF) und deren potenzielle Förderung mehrsprachiger Identitäten von Englischlernenden der 9. und 10. Klasse eines Gymnasiums. Sie präsentieren dabei die Ergebnisse einer Interventionsstudie, in deren Rahmen eine Unterrichtsreihe zur Präsenz von Sprachen im Lebensalltag sowie zur den Kurslektüren stattfand; den Abschluss bildete das kollaborative Schreiben einer IF mittels des Tools Twine. Die Diskussionen in den Fokusgruppen sowie die Lernprodukte der Schüler: innen werden dahingehend ausgewertet, ob die didaktische Intervention zur Bildung eines „translanguaging space“ beigetragen hat. Zugleich wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die Lernenden der Auswahlstruktur bedienten, um Sprach(en)wahl und unterschiedliche Handlungsstränge miteinander zu verflechten. Abschließend adressiert der Beitrag von C AROLYN B LUME zwei ebenfalls eher unterrepräsentierte Felder in der Gamification-Forschung: Inklusion und Lehrkräftebildung. Die Autorin wirft die Frage nach dem Inklusionsbzw. Exklusionspotenzial von Videospielen als Lerngelegenheit im Kontext des Englischunterrichts auf. Dabei klärt sie, inwiefern die Lehramtsstudierenden im Rahmen einer universitären Lehrveranstaltung eine critical digital gaming literacy entwickeln können. Der Komple- 10 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0018 52 • Heft 2 xität dieses Kompetenzkonstrukts wird ein mehrstufiges Forschungsdesign gerecht: Hierzu wird erstens eine mögliche Veränderung in den Einstellungen zum Gaming im Englischunterricht aus Prä-/ Post-Fragebögen ermittelt; zweitens wird aus den schriftlichen Seminarleistungen (Game-Reviews) analysiert, ob die Studierenden inkludierende bzw. exkludierende Elemente von Videospielen erkennen und geeignete Handlungsmaßnahmen entwickeln können. Drittens erfolgt anhand von Audioaufnahmen der Gruppendiskussionen eine Analyse der Reflexionsfähigkeit von Studierenden bzgl. ihrer eigenen Vorerfahrungen mit Exklusionspraktiken sowie ihrem zukünftigen Handeln. Die Beiträge dieses Themenheftes zeigen exemplarisch die Vielfalt an Szenarien und Instrumenten mit ihren Potenzialen innerhalb der Gamifizierung auf. Aus den unterschiedlichen Analysen ergeben sich vor allem zwei Erkenntnisse: Der Einsatz von Gamification im Fremdsprachenunterricht wird zwar immer wieder als positive Veränderung des Unterrichtsalltags wahrgenommen, bedarf aber zugleich einer sehr zeitintensiven, teilweise auch komplexen technischen Vorbereitung und Umsetzung. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, Ideen, Materialien und digitale Entwicklungen innerhalb der Scientific- und Praxis-Community zu teilen. Denn für Gamifizierung gilt dasselbe wie für Gemeinschaftsspiele: Je mehr mitmachen, desto besser wird sie. 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A reflexive thematic analysis of the interview data reveals a surprising contrast between the designers’ wish to give students the opportunity to develop their autonomy, and the students suggesting the playful learning experience should be closer to traditional schoolwork. The findings of this paper show the challenge of combining a playful frame with the potential for the emergence of learner autonomy in the school context. This challenge has interesting implications for the design of playful learning situations and for further research on the intersection of the playful learning and learner autonomy research fields. 1. Background “Sometimes the beauty of play resides in the tension between control and chaos” (S ICART 2014: 83). In the last decades, control in the language classroom has been moving more and more from being the domain of the teacher to being shared with students. Control, as a natural feature of language learning, is closely associated with learner autonomy, a construct defined as taking control over one’s learning (cf. B ENSON 2011). Multiple works have been published on the topic of learner autonomy within the field of Foreign Language Learning (FLL). There seems to be a consensus as to the benefit of autonomous learning for students (cf. e.g., B ENSON 2011; L ITTLE 2007; M URRAY 2014). Indeed, the literature underlines the importance of autonomy for reaching learning outcomes and motivating students (cf. D AM / L EGENHAUSEN 1996; D AM 2011; O XFORD 2015). A recent systematic study in English as a Second Language (ESL) found however, that empirical studies are few (C HONG / R EINDERS 2022). In addition, * Address for correspondence: Dr. Caroline C RUAUD , Associate Professor, Unit for Digitalization and Education, University of South-Eastern Norway, Postboks 7053, 3007 D RAMMEN , Norway. E-Mail: Caroline.Cruaud@usn.no Research areas: Playful learning, Game-based learning, Educational technology A certain degree of freedom 15 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 the authors report the lack of empirical work “exploring how learners craft and experience their own journeys” (C HONG / R EINDERS 2022: 18). This article responds to the need for studies investigating students’ perspectives. If learner autonomy is a known field, at least theoretically, the intersection of learner autonomy and play is less researched (cf. H UNG et al. 2018). There is, however, a clear link between autonomy and play. Indeed, games are engaging partly because they give players agency or even just “the illusion of agency” (S YKES / R EINHARDT 2012: 19). In this paper I will explore the connection between autonomy and play, through the example of a gamified application for French as a foreign language (FFL), Spilltakulær. Previous studies of this application, which was used for upper-secondary school students in Norway for one year, showed that the playful design supported the emergence of learner autonomy by giving students more choice and more space to take decisions about their learning (cf. C RUAUD 2016, 2018a). However, these studies have not looked into how the students felt about the potential for autonomy offered by the design. In the present study, I will investigate the students’ perspective by answering the following research question: How have the design aims for autonomy been interpreted by the students in the interview data? Knowing more about students’ perception of the potential for autonomy within a playful learning situation will help inform future designs and develop our knowledge of the intersection of these two fields of research. 2. Learner and player autonomy Autonomy has been consistently defined in the literature as “the ability to take charge of one’s learning” (H OLEC 1979). Placing autonomy at an individual level, this definition focuses on a learner’s choice and control over the learning activities. Over the past decades, however, the understanding of learner autonomy has expanded to “include increased recognition of the importance of the social context and interaction in the learning process” (M URRAY 2014: 320). In this collaborative and interactive understanding, investigations of an individual learner’s autonomy also take into consideration other students and the context of the learning situation (L EWIS 2014), e.g., the classroom. In line with the Action-Oriented Approach presented by the C OUNCIL OF E UROPE (2001) and dialogic perspectives (cf. B AKHTIN 1986), an emphasis on the collaborative dimension of learning (cf. R OSEN 2009) is central to the present study. Empirical studies on mobile and online platforms for FLL have demonstrated the importance of the group, and of interactions among students and between students and teachers for the development of autonomy (cf. P ELLERIN 2017; Z OUROU / P OTOLIA / Z OUROU 2017). Similarly, a recent study on autonomy and English as a foreign language learning (EFL) showed that within the autonomous design, students performed better when they worked collaboratively (cf. S HADIEV / H WANG / L IU 2018). 16 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 In games, autonomy is also linked to the concept of control and choice. Game designers are always in control of the content and the possibilities offered by a game. They create a frame within which players can take decisions. A player is then someone who can take charge of the course of their playing. However, “the most important thing about players and control is not their actual control in a game, but their feeling of control in the experience of play” (S ALEN / Z IMMERMAN 2004: 225, emphasis in original). Games give players limited choices, choices that can appear to be unlimited. This illusion of agency is crucial for players’ motivation to continue to play the game, even when their actual freedom is limited (cf. S YKES / R EINHARDT 2012). As mentioned earlier, empirical research on language learning and autonomy within playful learning is scarce. However, findings from previous studies investigating playful learning within FLL show that students appreciated the gamified systems because they could be in control of their own learning and decide which tasks they would work on and when (L OMBARDI 2015; P ERRY 2015). These findings relate to the concept of autonomy through the notion of control. In her study of gamers’ informal language learning through participation in online gaming communities, C HIK (2014) also shows the connection between autonomy and play. Gamers took control over their learning by consciously selecting activities and games that would help them learn the foreign language. The participants designed their own learning paths, another key element of autonomous learning. These studies show a connection between playful learning and learner autonomy. This connection, however, depends in part on how we understand play and playfulness, which in turn has relevance for the ways in which we design playful learning situations for the emergence of autonomy. 3. Spilltakulær: designing for playfulness and learner autonomy 3.1 A description of the application Spilltakulær This article takes as a starting point Spilltakulær, a gamified application for FLL designed to foster learner autonomy and create the opportunity for a playful interpretation of learning activities (cf. C RUAUD 2018b). This study and the design of Spilltakulær are taking a play-based understanding of gamification and shifting consciously towards a stronger theoretical focus (cf. C RUAUD 2018b; N ACKE / D ETERDING 2017). The consequence of this choice is moving the research lens from the effect of single elements towards a holistic approach of playful learning encompassing the designed artefact, the instructional design and the students’ perspectives. The web-based application is a platform where students can find tasks (either small activities or longer quests), communicate with other students and follow their team’s progress. The tasks themselves are solved outside of the application, as students can complete them in many ways using different media (e.g., oral, written, video). A certain degree of freedom 17 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 Fig. 1: Anonymised screenshots from the application Spilltakulær The application is divided in five main sections accessed through the menu at the bottom of the screen (see Figure 1). When opening the application, the students arrive on the Activités page, a message thread including the students’ short messages and notifications from the application. The tasks can be found in two categories: Quêtes, longer tasks grouped in different themes with several levels, and Check’ins, smaller permanent tasks that can be done daily or weekly. Solving all the tasks from a level will open up the next level, and in the same way, solving all the levels from a quest will give students access to a new quest. On the Groupes page, students can check the progress of all teams in the different quests as well as the total number of awarded badges. Badges can be earned as a group or personally. Half of the badges are auto- 18 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 matically awarded by the application when a certain number of tasks or quests have been solved, whereas the other half are awarded by the teacher and focus on the quality of the students’ production or participation in class. The structure of the application and its use in the classroom stem from an understanding of play as a playful attitude. I will now review this concept and give examples of how it was operationalised in the design of Spilltakulær. 3.2 Playful attitude and designs Understanding play as an attitude (cf. H ENRIOT 1969), something that depends on the players’ mindset and not only the artefacts of play, emphasises the connection between play and autonomy. H ENRIOT (1969) defines play as the attitude a player takes towards an activity. This definition and its focus on the player represent a shift from more traditional definitions that instead look at play through the properties of its activities (cf. H UIZINGA 1949; C AILLOIS ,1958). For Henriot, play does not lie in the things we use during play. However, through cues in the design or in the situation, artefacts and activities can suggest a playful interpretation. As H ENRIOT (1989) argues, some situations have a higher degree of playability (i.e., they are more inviting of play) than others (e.g., a visit to the playground more than a job interview). Being in a social situation means constantly negotiating the rules of interaction through cues in the activity, the artefacts, or the behaviour of other participants. We unconsciously read the situation to know the expected behaviour. G OFFMAN (1974) talks about framing a situation, or answering the question “What is going on here? ” This negotiation, however, is not something explicitly pronounced or conscious. Players who decide to play and be playful, perhaps after interacting with artefacts or an activity with high playability, will not consciously and explicitly declare that they are playing. H ENRIOT (1969) underlines the paradoxical balance between the awareness of the play - knowing that you are playing as a necessary element of play - and the unconscious aspect of giving yourself fully to the game. Additionally, the actual decision of playing and being playful cannot be forced on a player. Play is always an intention before being an act (cf. H ENRIOT 1969: 80), and players are in charge of the decision of committing to play or not. A previous study of the Spilltakulær application has found that students did start to play in interaction with the learning environment (cf. C RUAUD 2016). Signs of playfulness in the data included for example language play or friendly competition. Spilltakulær was developed following H ENRIOT ’s idea of playability operationalised through S ILVA ’s (2008) four dimensions of play. In her framework, S ILVA describes playful learning situations in four playful areas: objects, structures, context, and attitude. In three of these areas, teachers and instructional designers can work to develop the playability of their learning activities and maximise the chances of a playful interpretation by students. The design of Spilltakulær comprises elements from these three domains of play: playful objects (e.g., using mobile phones, words usually associated with games as quest or badges), playful structures (e.g., unlocking system, A certain degree of freedom 19 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 achievement system, teams of students), and playful context (e.g., how teachers introduced a session with the app, how activities on Spilltakulær were not graded or corrected). Understanding play as an attitude and playful designs as creating a space for interpretation (cf. C RUAUD 2018b) - within a structure - has implications for both how to design playful learning activities and how to analyse the actualisation of such a design in the learning environment. This understanding of play also makes a natural link between playful designs and player autonomy, as playfulness comes only as a consequence of a player’s decision to play. 3.3 Learner autonomy in the design Designing for autonomy in playful learning could be described as designing for the illusion of agency. In the same way as autonomy can be seen as a design feature of the learning environment (cf. B ENSON 2008), a playful design should support the emergence of autonomy, or the illusion of it, by giving students space to make choices and to interpret the learning activity as playful (cf. C RUAUD 2018a). Increasing the playability of the application, by for example adding playful cues in its design (e.g., a quest structure, play-related words, badges) is a way of making space for a playful interpretation of the learning activity. A previous study of Spilltakulær shows that students interpreted these design cues as playful, with a student comparing the application’s levels to a video game they played in their free time (cf. C RUAUD 2016: 336). An implication of these findings is that playful digital designs may contribute to the emergence of autonomy by giving students control over the learning tasks. This, in turn, may give learners a better chance of reaching learning outcomes. Indeed, another study on autonomous language learning in secondary education showed that the use of mobile learning systems supported students in their learning and that students using the mobile platform received higher scores on the tasks than the control group (cf. S HADIEV / H WANG / L IU 2018). In line with these findings, previous studies of Spilltakulær have shown that the playful design supported the students’ emergence of autonomy by providing open tasks within a gamified structure (cf. C RUAUD 2018a, 2018b). The idea of autonomy within a structure is well expressed in T REBBI ’s (2008: 38) “supportive constraints”. Her project about innovative approaches to FLL as a way to challenge traditional structures imposed by school culture emphasises that constraints do not inhibit freedom, but instead provide a way to develop autonomy, given the possibilities the constraints entail. Autonomy was operationalised in the design of Spilltakulær through offering “a structure where students [could] make decisions at each step”, and especially within these four areas of choice: choice of working methods; choice of task type; choice of topic; and choice of place and time (cf. C RUAUD 2018a: 30). Previous studies have shown that the application did indeed open up for both playfulness and emergence of autonomy: students made choices at different levels, created their own learning paths and adapted the learning activities to their own needs (C RUAUD 2018a, 2018b). A 20 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 more detailed account of the application Spilltakulær, the design process and its implementation can be found in C RUAUD (2016, 2018a, 2018b, 2018c). 4. Methods 4.1 Semistructured interview The data analysed in this article consist of four group interviews conducted at the end of the school year (June 2015) with nine students (see Table 1). At the time of the interview, students had used the gamified application for approximately one hour per week during an entire school year. The interviews were semistuctured, which means an interview guide was used as a starting point, but as interviewer I had great flexibility to follow participants’ narrative and prompt them in “new directions they may open up” (B RINKMAN / K VALE , 2015: 156). During the interview students had access to an offline version of Spilltakulær on a tablet to help them remember the application’s categories and let them physically point at different elements. The interviews were video-recorded to capture the students’ gestures when pointing at the tablet and thus simplify transcription. As the interviews were conducted in Norwegian, I translated the data extracts used in this article to English. While translating I tried to keep the students’ hesitations, repetitions, and formulation as close to the original as possible.Students were invited to the interviews not just as participants in a gamified classroom sharing their experience, but as co-designers for a potential future iteration of the Spilltakulær application. The premises for the interview were to hear about the students’ experience during the year and the changes they wanted to suggest by discussing the following themes: • students’ use of the different functions in the application and what happened in the classroom while using the application; • what they think worked or did not work with the design (application and instructional design); • changes students would make to the application or instructional design; how they would improve it in a new iteration; • things they thought were missing or they would like to add to the design. This choice of positioning was done to empower the students by asking them to help improve the design. As part of the research setting the students had spent a year using the application and interacting with me, as both designer and researcher. Giving students an active role in the design of the future iteration might make them feel more at ease in sharing critiques of the application and the project. A certain degree of freedom 21 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 # Participants Duration Group composition Interview 1 Erik - Jonas 30 min 2 out of 3 students Interview 2 Marianne - Peter - Sindre 38 min 3 out of 4 students Interview 3 Ida - Jan 53 min 2 out of 3 students Interview 4 Maja - Nora 27 min 2 out of 3 students Table 1: Overview of interview data: participants (anonymised), duration, and group composition 4.2 Reflexive thematic analysis A reflexive thematic analysis (RTA) of the interview data has been conducted (cf. B RAUN / C LARKE 2006, 2019). I decided to use RTA to better understand how the students experienced and valued the potential for autonomy in the application. RTA is “a method for identifying, analysing and reporting patterns (themes) within data” (B RAUN / C LARKE 2006: 79). As this study is placed within a dialogic perspective (Bakhtin 1986), it also made sense to use a method where the researcher’s interpretation and reflexivity was at the centre of the process (cf. B RAUN / C LARKE 2019). Reflexivity in this study was supported by a research journal that documented data collection as well as the analytical process. The journal allowed me to reflect on my own participation in the project at the time, both as a designer and a researcher, and to keep track of my analytic thoughts when encountering the data again in this more recent study. While extracts from these journals are not included in this article, they have been an integral part of the analysis presented in this report. As this study is specifically interested in how students perceived the design’s opportunities for developing autonomy, I first followed a theory-driven approach to narrow down the dataset. I created an initial codebook linked to the definition of autonomy as presented in section 2 of this article and the design aims for autonomy (e.g. choice, freedom, control, initiative). However, this initial codebook was only a starting point, a way of marking where topics related to autonomy were found in the interviews. The dataset, thus defined, was coded in an inductive way with both latent and semantic coding (cf. B RAUN / C LARKE 2006: 88), to represent different patterns of meaning in the transcript (e.g., too much choice: negative; more to choose from; deadlines). Through further analysis of the coded extracts and the relationship between the different categories, I generated three initial themes. Then, I reviewed all four interviews once more to code data extracts that might have been left out during the delimitation of the dataset. All three initial themes were reviewed and adjusted to ensure coherence in my interpretation. The following figure presents the thematic map of the three final themes with the main strands of meaning they are covering: 22 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 Fig. 2: Thematic map of the three generated themes The first theme generated during the analysis of the data is called “freedom is good”. It groups those data extracts where students expressed different ideas about how they appreciated having more choice and being able to take decisions on their own. The second theme “too much freedom is overwhelming” represents how students felt lost when faced with too much choice. They talked about how taking initiative is hard, when it’s all up to them and how hard it is to start on a task. They sometimes said they felt left to themselves. The last theme is called “ways to limit freedom”. In the interview data students gave suggestions for a new iteration of the design. Their ideas are often linked to giving more control to the teacher, and sometimes to the application. They also discussed adding deadlines, using the application as homework and other ways that are linked to a more school-like environment. Finally, they appreciated the application functions (e.g., quest unlocking system) that limited choice. All of these different strands of meaning can be interpreted as different ways to limit the freedom the design made possible. Before developing the three themes in the next section, I discuss the choice of freedom as a keyword. A certain degree of freedom 23 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 4.3 A note on freedom Students did not use the term “autonomy” when they described their experience of using the playful design, but words such as “freedom” (frihet; fri), “choice” (valg; velge) and “open” (åpent) appeared frequently in the interviews. All these words are connected semantically to the concept of autonomy. I decided to use “freedom” in the theme titles as it is wider than “choice”, but I could just as well have used “autonomy” as it would represent the meanings expressed in the data. Indeed, freedom can be seen as “a prerequisite of learner autonomy” and can be “understood as the capacity for identifying and taking into consideration the dual relationship of necessity and possibility” (T REBBI 2008: 45). Following T REBBI ’s definition, freedom within learner autonomy will not represent absolute freedom, in other words absolute lack of constraints, but freedom within and through internal and external constraints. Freedom is then not only the possibility to choose to do something, but also how to do something within given constraints. This definition fits well with the idea of an open design within a playful frame. 5. Students’ interpretation of design aims for autonomy: a thematic analysis 5.1 Freedom is good Freedom is good is a clear theme in the analysis of the interview data. Students appreciated the potential for autonomy and took advantage of the design that let them do what they felt like. There are different aspects of the students’ answers that can be interpreted as signs of their acknowledgment and appreciation of freedom. For example, when Nora described how her group went about selecting tasks to work on: 1. Nora: We jump back and forth a bit and see what suits us that day. (Interview 4 - Extract 1, written after as I4E1) 2. Nora: We just look at the next task and ask each other if it’s something we feel like doing in a way. (I4E2) Students are taking charge of their learning activities by selecting what they like or what they would rather do at a given time. This appreciation of freedom is also apparent in the way students talked about being able to choose both their own working method (individual or collaborative), and the manner in which they would solve the tasks they had selected. Indeed, students could choose to solve tasks in any way they wanted (e.g., multimodal, text only, video) and choose how extensive their answers would be (e.g., a simple paragraph with short sentences or an audio file going in depth on a subject): 3. Ida: I think it was nice that we could choose, well, what method we wanted to use to solve the task. (I3E1) 24 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 These two strands of meaning converge in the fact that students in general valued positively being able to make their own decisions, to take charge of their learning process entirely. In other words, doing things on their own: 4. Jonas: We had to figure it out on our own and it was lovely. (I1E1) In conclusion, the students appreciated this potential for autonomy, for taking charge of their learning in different manners and aspects. 5.2 Too much freedom is overwhelming Alongside the dominating theme of students appreciating their freedom, there is a less prominent and opposing theme of students feeling overwhelmed by too much freedom. In some situations, students have a negative perception of the potential for autonomy. This is clear for example when students expressed how hard it was to take initiative, especially when they had to select tasks, as in this example from Nora and Maja: 5. Nora: I felt that sometimes I just sat and did nothing because we were kind of [voice trailing off] Maja: Struggling to start. (I4E3) This might be a consequence of a design that gives students a greater role, also as initiators of their learning. Students expressed needing to be pushed to action as when Erik talked about the difficulty of pushing himself to do more than just solving the tasks in a minimal way. 6. Erik: Sometimes we lacked the initiative to do more. (I1E2) This struggle to start or do more than necessary could be a sign that Nora, Maja and Erik do not have a complete mastery of what it means to be an autonomous learner. In these occurrences, they seem to need someone or something to support them in their learning, to guide them towards the next step. The open design gives students so much responsibility for their own learning that they might sometimes experience a certain inertia when having to take a decision: 7. Nora: Because when we kind of just sit there and [voice trailing off] it’s of course nice that it’s free and that we can choose, but when you just sit there and do nothing then it kind of becomes boring. (I4E4) This inertia or struggle seems also to be linked to a certain tipping point, where the design becomes too open, and “almost a bit too free” (Nora). Even though students appreciated the freedom as we have seen in the first theme, they sometimes felt lost when faced with choosing a task: 8. Erik: Yes, and then it becomes very open, and so it can be a bit difficult to choose what we will do and how we will do it. (I1E3) A certain degree of freedom 25 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 Both strands of meaning in this theme Hard to start and Too much to choose from are in a way summed up by Jan: 9. Jan: I think it was in a way, that everything was left to us; the only thing Mari [the teacher] did was to give us badges. (I3E2) This theme underlines that it is hard to be in charge and seems to delineate a thin line between too much or just enough freedom. Too much freedom can lead to negative experience and latent meanings in the interview data are feelings of being lost and overwhelmed. 5.3 Ways to limit freedom In the face of the design’s freedom that was perceived as overwhelming sometimes, students suggested different ways in which their autonomy could be limited. These suggestions often emerged in response to my request to give feedback on the design and especially on how it could be improved or changed in a following iteration. First, students indicated in the interviews ways to relinquish some of the control the design gave them. They describe changes in the design that would let the application give students suggestions or limit their choice, and changes in the instructional design giving the teacher a greater role in task selection. For example, Ida described how she thought the application should be used in a future iteration: 10. Ida: The teacher for example says ‘now you can work with the blog for example the tasks connected to it’ or ‘you can work with voyage’ for example, that we in a way do it in a more structured way, then we wouldn’t all end up in such different places, because after a while someone had done some tasks, others not, and then we all ended up so different. (I3E3) In this comment, the teacher is given greater control, orchestrating a common progression for the class. It could indicate a more collective way of learning, where the individual learner’s choice of learning path is less important than the group and the teacher is guiding the whole group towards an identical outcome. Across all the interview data, students also suggested changes that would bring a more rigid structure to the learning experience. I interpret this as another way to limit the freedom offered by the design. Marianne and Maja talked about using the application as homework and adding deadlines to the tasks: 11. Marianne: Maybe that’s why we think it’s fine to have it as homework, so that we are a bit forced to do it. (I2E1) 12. Maja: that it needs to come within a certain period of time, like homework, like we have on it’s learning for example, so you have a deadline for when you need to submit it. (I4E5) These changes have in common that they make the playful design closer to their experience of schoolwork through deadlines, grades, tests, homework. Maja even 26 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 compared her design idea to the school Learning Management System (LMS), It’s Learning, and how the system administered homework. In addition to these suggested changes, students appreciated the existing functions that limit choice within the application. Jonas mentioned for example the unlocking system that limited the number of tasks students could choose from: 13. Jonas: But some things were locked and such, so it was fine that you couldn’t choose everything. (I1E4) All of these different strands of meaning can be interpreted as different ways to limit the freedom the design made possible. Through suggestions for changes in the design, and indications of what they appreciated in the current iteration, students expressed ways in which their autonomy could be limited, ways in which they could give away some of the control the design had given them in the first place. 6. Discussion In the first theme, freedom is good, students acknowledged and appreciated the potential for autonomous learning offered by the design. This finding is not surprising as previous research on the Spilltakulær application showed that students took advantage of the design principles for learner autonomy (cf. C RUAUD 2018a). Other studies have also shown the importance of designing for autonomy and how it can influence students’ motivation or performance (cf. S HADIEV / H WANG / L IU 2018; Z OUROU / P OTOLIA / Z OUROU 2017). If not surprising, this finding is nonetheless interesting as it does not focus on what happened in the classroom but on the students’ perception of it, a perspective lacking in research on language learner autonomy (cf. C HONG / R EINDERS 2022). The second theme showed that a design that is too open can be overwhelming for students. This is in line with the pedagogical concept of scaffolding, where learning activities should not be too difficult or too easy. Scaffolding is also a cornerstone of game design, even if this specific term might not be used. Game designers strive to create challenges and tasks that meet the player’s abilities at a given time (cf. S ALEN / Z IMMERMAN 2004). Limiting players’ range of action at the beginning of a game, and then gradually increasing the range of action as players gain experience is a common design feature of video games. This finding illustrates how difficult it can be to find the correct balance between too much freedom or not enough. T REBBI (2008: 45) also reports this issue when describing freedom not as the lack of constraints, but “as consciousness about external and, in particular, internal constraints”, turning “constraints into necessity on the one hand and opportunities or possibilities on the other.” This finding suggests that some students needed more support, if not continuously at least occasionally. A less expected finding is seen in the third theme ways to limit freedom. At the time of data collection, I found some of the design suggestions expressed by students A certain degree of freedom 27 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 surprising, and wanted to learn more about what motivated these suggestions. When asked to imagine an iteration of this gamified application, students proposed what seemed to me the exact opposite of playful and autonomous learning. Indeed, their design suggestions tended to limit students’ autonomy and give more control to the teacher or the application itself. At this point B ENSON (2013: 87) comes to mind: “autonomous language learners often find themselves, or willingly place themselves, in situations where they have little direct control over their learning.” My interpretation of the data through the three themes suggest that students were trying, consciously or not, to find ways to limit their autonomy, in line with B ENSON ’s observations. In an effort to counter the potentially overwhelming factor of a design that gives them too much responsibility and control, students turned towards solutions that would structure their learning with more external constraints. This question of balance between an imposed framework and the students’ space for taking initiative is also taken up by T REBBI (2008: 45). She remarks that supportive constraints in a design create the potential for emancipation, in other words, space for the emergence of learner autonomy, but that “internal constraints, i.e. cemented learners’ attitudes and beliefs” can sometimes come in the way of this emancipation (ibid.). Another way to understand this finding could be to turn towards the school context as a frame that is difficult to transform. School and being a student in a classroom could be seen as a primary framework that a playful design tries to transform by adding another layer to the activity (cf. G OFFMAN 1974). Students in upper secondary schools, including the participants in this research project, have studied within the school system for at least ten years. They come to the group interview with ten years of expectation and first-hand knowledge about what school is and what school should be. They have experience of what the rules of interaction are in such a situation, and what it means to be a student. It is to be expected that students would turn towards what they know best and associate most with school when asked to design an iteration to a learning activity: grades, homework, and deadlines. Students need time and training to accept playfulness and autonomous learning as valid alternatives to the learning designs they are used to. As in T REBBI ’s (2008: 37) study on freedom within innovative approaches to language learning, students lacked “experiences to build on” and could only think of “learning activities they were already familiar with.” In the design of Spilltakulær, the openness offered to the students was gradual. At first, they only had access to one quest, a sort of tutorial to learn the play mechanism of the application, but the students rapidly opened more quests to explore. The design might need to be modified to ensure all students have time to experience the potential for autonomy gradually before they open too many alternative paths. This takes me to the last section of this article, implications for future designs and research. 28 Caroline Cruaud DOI 10.24053/ FLuL-2023-0019 52 • Heft 2 7. Where do we go from here? That learner autonomy in playful learning situations is challenging does not mean that it is not worth pursuing. Literature on FLL reveal that there are many benefits to learner autonomy, and that it is a natural part of playful learning. Indeed, previous studies of Spilltakulær have shown that students took advantage of the open playful design. These new findings confirm that students clearly value the potential for autonomy, while showing that providing students with the right amount of freedom is challenging. Students need time to adapt to innovative learning situations and understand how to be an autonomous and playful learner. This is especially true within the school context, where students’ expectations are built upon years of experience. Learners need time to stretch their playful muscle and expand as independent beings in the learning situation. When designing for playful learning, it is tempting to go all in, but it might be preferable to introduce different degrees of freedom and playfulness to give students the opportunity to build on them progressively and to slowly create a new understanding of what it means (or what it can mean) to be a student at school. Some students may need more time to interpret the new cues in the learning environment and to explore the possibilities a playful design offers. A design that gives students space to try and fail at being playful students, that offers different degrees of support or of freedom, in other words a flexible design that give students the space to become autonomous, may be an interesting way to approach this. Literature B AKHTIN , Mikhail M. (1986): Speech Genres and other Late Essays. Austin: University of Texas Press. 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Learning content, such as sociocultural knowledge or linguistic resources, becomes part of a playful setting. Within the design-based research study, the app was cyclically tested with several groups of 7th graders. Qualitative data were collected and evaluated. The results show that this approach leads to a high level of problem orientation. The learners work on the tasks primarily in order to solve the detective case. The virtual space has the potential to promote perspective-taking and immersion processes so that learners immerse themselves in a target language world. Finally, these results culminate in a model for content-based gamification in TBLL (IGAF), which can be used for the development of similar teaching and learning arrangements. 1. Einleitung und Forschungsfrage Inzwischen wird Gamification in vielzähligen Sprachlern-Apps eingesetzt. Jedoch steht dieser Ansatz nicht selten in der Kritik, da typischerweise auf behavioristische Verfahren, wie Punkte- oder Belohnungssysteme sowie auf geschlossene Übungsformate, gesetzt wird, um Sprachlernende zu motivieren. Gleichwohl reichen solche Belohnungen nicht aus, um Lernende nachhaltig zu motivieren, und Übungsformate allein können Lernende ebenso wenig auf ein situatives Handeln in der Zielsprache vorbereiten. Es fehlt demnach an aufgabenorientierten Anwendungen, was zur Folge hat, dass das Potenzial der Gamification bis heute kaum ausgeschöpft wird (vgl. B LUME / S CHMIDT 2016; S CHMIDT 2016). Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag der Frage, welche schülerseitigen Zugänge zu den Lerninhalten im Fremdsprachenunterricht entstehen können, wenn die Inhalte einer Lehrwerkslektion über * Korrespondenzadresse: Dr. Eric W OLPERS , Struensee Gymnasium Wohlwillstraße 46, 20359 H AMBURG E-Mail: wolpers@uni-bremen.de Arbeitsbereiche: Gamification, Digitale Medien, Digitalisierungsprozesse im Fremdsprachenunterricht. 32 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 einen Detektivfall auf spielerische und narrative Weise vermittelt werden. Hierzu wurde im Rahmen einer Dissertation (vgl. W OLPERS 2023) der App-Prototyp Perdido en Valencia entwickelt, der auf dem Ansatz der inhaltlichen Gamification basiert (vgl. K APP / B LAIR / M ESCH 2014: 55). Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass spielerische Elemente, Storytelling und Lerngegenstände miteinander in Verbindung gebracht werden: Aufgabenorientierte Lerninhalte, ein soziokulturelles Orientierungswissen und sprachliche Mittel werden Teil einer spielerischen Mission. Dieser Artikel wird zunächst auf theoretischer Ebene den Ansatz der inhaltlichen Gamification vorstellen und aufzeigen, wie nach diesem Prinzip das gamifizierte Unterrichtsdesign in Form eines App-Prototypen entwickelt wurde. Anschließend wird dargestellt, wie dieser Prototyp im Rahmen einer Design-Based Research (DBR) Studie zyklisch evaluiert wurde. Hierzu wurden umfangreiche qualitative Interviewdaten erhoben, welche mithilfe der inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse ausgewertet wurden, um folgende Forschungsfrage zu beantworten: Welchen Einfluss hat die inhaltlich-gamifizierte und aufgabenorientiere App Perdido en Valencia auf die schülerseitigen Zugänge zu den Lerngegenständen der Schülerbuchinhalte? Im Ergebnisteil dieses Artikels wird dargestellt, inwiefern das Lehr-Lernarrangement z.B. zu einer Problemorientierung beitragen oder Immersionsprozesse auslösen kann. Ebenfalls wird der Frage nachgegangen, inwieweit dieser Ansatz eine schülergesteuerte Differenzierung fördern kann. Die Ergebnisse münden abschließend in einem Modell zur inhaltlichen Gamification im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF), welches zukünftig zur Entwicklung ähnlicher Lehr-Lernarrangements herangezogen werden kann. 2. Inhaltliche Gamification vs. strukturelle Gamification D ETERDING et al. (2011) definieren Gamification als den Einsatz spielerischer Designelemente in nicht-spielerischen Kontexten. Da hierbei nur einzelne spielerische Elemente Einsatz finden, stellen gamifizierte Anwendungen im Gegensatz zu Serious Games keine alleinstehenden Spiele dar (vgl. ebd.: 2). Zugleich unterscheiden K APP / B LAIR / M ESCH (2014) die strukturelle von der inhaltlichen Gamification. Bei der strukturellen Gamification werden spielerische Elemente vom Lerninhalt getrennt. Häufig werden dabei Belohnungssysteme in einen Arbeits- oder Lernkontext eingesetzt, indem für das Lösen einer Aufgabe Abzeichen oder Punkte vergeben werden. Bei dieser sogenannten strukturellen Gamification bleiben die nicht-spielerischen Inhalte unverändert und werden lediglich in eine spielerische Umgebung eingebunden (vgl. K APP / B LAIR / M ESCH 2014: 55). Ein typisches Beispiel hierfür bildet die Unterrichtsplattform Classcraft, die von ihrer grafischen Darstellung an Online- Rollenspiele wie World of Warcraft erinnert. In ihrer einfachsten Umsetzung stellt die Lehrkraft dort Aufgaben zu Verfügung und für jede gelöste Aufgabe erhalten die Lernenden Punkte oder Abzeichen. Ein Vorteil dieses Ansatzes liegt in der einfachen Integrierbarkeit in bestehende (Kurs-)Strukturen. Der Nachteil ist, dass spielerische Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 33 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 Potenziale und Erfahrungen durch den Einsatz weniger spielerischer Elemente kaum ausgeschöpft werden (s. Abb. 1,  S. 34). Zudem zeigen zahlreiche Studien, dass solche Belohnungssysteme langfristig kaum motivieren und sogar demotivieren können (vgl. B AI / H EW / H UANG 2020; C HRISTY / F OX 2014; H ANUS / F OX 2015). Die im Rahmen dieses Beitrags vorgestellte Studie befasst sich mit der inhaltlichen Gamification. Bei diesem Ansatz werden die Lerninhalte so angepasst, dass sie Teil der spielerischen Umgebung werden. Hierbei kann z.B. eine Spielgeschichte eingesetzt werden, um Lerninhalte mit spielerischen Inhalten zu verbinden. So können z.B. Lektionstexte so angepasst werden, dass sie zu einer spielerischen Herausforderung werden. Der Vorteil bei diesem inhaltlichen Ansatz ist, dass Potenziale aus Spielen, wie eine hohe Motivation und Anziehung, mithilfe von Gamification gefördert werden können. Im Gegensatz zu alleinstehenden Spielen (s. Abb. 1) muss dafür die Produktivumgebung nicht verlassen werden (vgl. K APP / B LAIR / M ESCH 2014: 55). Der Nachteil liegt in einer aufwendigeren Entwicklung solcher Anwendungen, da die Lerninhalte zwangsläufig angepasst werden müssen. Die folgende Abbildung (Abb. 1,  S. 34) stellt die zuvor erläuterten Unterscheidungsmerkmale verschiedener spielerischer Ansätze dar. Gamification wird in der Regel ausschließlich in produktiven Umgebungen wie Bildung oder Wirtschaft eingesetzt, um z.B. Lern- oder Arbeitsprozesse zu verbessern. Im Gegensatz zu Serious Games stellt Gamification nie ein eigenständiges Spiel dar, sondern kann in einen bestehenden nicht-spielerischen Kontext integriert werden. Serious Games hingegen können sowohl in produktiven als auch in unproduktiven spielerischen Kontexten eingesetzt werden. Eine klare Abgrenzung zwischen diesen Ansätzen gibt es jedoch nicht (s. auch Einführung in den Themenschwerpunkt). Die Abbildung verdeutlicht dies durch Pfeile, die das Spektrum von einem Extrem, welches das gesamte Spiel umfasst (Serious Games), bis zu einem anderen Extrem, das weniger spielerische Elemente enthält (strukturelle Gamification), aufzeigen. Die inhaltliche Gamification liegt zwischen diesen beiden Ansätzen. 34 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 Abb. 1: Modell zur Unterscheidung zwischen Game-Based Learning (GBL), Serious Games, inhaltlicher und struktureller Gamification (aus W OLPERS 2023: 22) 3. Perdido en Valencia als Unterrichtsdesign und Lerngegenstand Der App-Prototyp Perdido en Valencia ist einem Detektivspiel nachempfunden und vermittelt die Inhalte einer Lehrbuchlektion des Spanischunterrichts durch spielerische, insbesondere narrative Elemente. Dabei orientiert sich die App an den Inhalten und Kompetenzzielen der Unidad 6 des Spanischlehrwerks ¡Apúntate! 1 - Nueva edición (B ALSER et al. 2016) und vermittelt typische Unterrichtsinhalte des zweiten Spanischlernjahres wie soziokulturelles Orientierungswissen über Valencia oder sprachliche Mittel zu Wegbeschreibungen. Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 35 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 Abb. 2: Der Spielleiter Tonino spricht über eine Videonachricht zur Lerngruppe (aus W OLPERS 2023: 105) Die App nutzt eine Detektivgeschichte (Storytelling), um die Lerninhalte zu vermitteln und orientiert sich am Aufgabenmodell der komplexen Kompetenzaufgabe (vgl. H ALLET 2012: 12). Zu Beginn der Unterrichtseinheit meldet sich der Spielleiter Tonino mit einer Videonachricht und erzählt, dass seine Schwester Olivia derzeit im Urlaub in Valencia sei und sich seit zwei Tagen nicht mehr gemeldet habe. Daher mache sich Tonino Sorgen und bittet die Klasse um Hilfe, um Olivia zu finden (s. Abb. 2). Im Verlauf der Unterrichtseinheit suchen die Lernenden in verschiedenen Textsorten (Lesetexte, Videos, Hörtexte) nach Hinweisen zum Verschwinden von Olivia und finden schließlich heraus, dass sie entführt wurde. Im Unterrichtsverlauf lernen sie verschiedene Orte und Sehenswürdigkeiten (Levels) Valencias kennen, müssen Wegbeschreibungen verstehen und auch eigene Wegbeschreibungen formulieren. Zudem entwickeln sie eigene Dialoge und spielen in Rollenspielen Szenen aus dem Fall nach (s. Abb. 3,  S. 36). Sukzessive bearbeiten die Lernenden verschiedene Aufgaben und Übungen, welche allesamt dazu beitragen, neue Informationen zum Detektivfall zu erschließen und gleichzeitig neue zielsprachige Kompetenzen anzubahnen (vgl. W OLPERS 2019: 28f.). 36 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 Dabei bildet die Kopplung aus zielsprachigen Lernzielen (wie das Formulieren von Wegbeschreibungen) mit dem Spielziel, die Spielfigur Olivia zu finden, eine inhaltliche Gamification. Hierzu verwendet Perdido en Valencia verschiedene spielerische Elemente, wie eine investigative Problemorientierung (Sammeln von Hinweisen und Informationen), das Erkunden verschiedener Levels, eine spielerische Benutzeroberfläche (Levelbalken, Landkarten etc.) sowie kollaboratives und spielerisches Lernen (vgl. G ATAUTIS et al. 2016: 90). Abb. 3: Der Aufgabenzyklus von Perdido en Valencia (aus W OLPERS 2023: 89) Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 37 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 Das Lehr-Lernarrangement besteht aus einem App-Prototyp und einem Arbeitsheft zur schriftlichen Sicherung. Der App-Prototyp ist webbasiert, für die Auflösung des iPads optimiert und nutzt verschiedene Medien und Textsorten zur Vermittlung der Inhalte (Audios, Videos, Texte, Stadtpläne zum Anklicken etc.). Die gesamte Unterrichtseinheit ist einsprachig. Dementsprechend sind alle Texte, Hörverstehensaufgaben und Arbeitsaufträge auf Spanisch formuliert. Um die Lernenden sprachlich zu unterstützen verfügt jedes Level über ein umfangreiches Vokabel- Scaffolding (Vokabelübersetzungen). Zudem werden Zusatzaufgaben und differenzierende Aufgaben und Inhalte zur Verfügung gestellt. Um in ein nächstes Level zu gelangen, benötigen die Lernenden einen Level-Code. Dieser lässt sich entweder durch eine geschlossene Aufgabe erschließen oder wird nach einer Überprüfung der Ergebnisse von der Lehrkraft ausgehändigt. Letzteres ermöglicht, dass die Lernenden auch komplexere offenere Aufgaben bearbeiten können, welche nicht durch den Computer ausgewertet werden können. 4. Empirisches Forschungsdesign Die Studie wurde im Spanischunterricht eines Bremer Gymnasiums in verschiedenen siebten Klassen (zweites Spanischlernjahr) durchgeführt und orientiert sich forschungsmethodologisch an Design-Based Research (DBR) (vgl. B AKKER 2018: 18; G RÜNEWALD et al. 2014: 242; P REDIGER et al. 2012). Zudem wird eine explorative qualitative Forschungslogik verfolgt, welche möglichst ergebnisoffen verschiedene Lernzugänge erforscht, die über die inhaltliche Gamification ausgelöst werden. Der zunächst auf theoretischen Grundlagen entwickelte Designgegenstand Perdido en Valencia wurde in drei Zyklen empirisch untersucht und weiterentwickelt: Jeder DBR-Zyklus besteht aus einer (Weiter-)Entwicklung des Unterrichtsdesigns, einer Designerprobung im Unterricht, einer Datenauswertung und einer (Weiter-)Entwicklung einer lokalen Lehr-Lerntheorie. Somit hat DBR den Vorteil, dass auf der einen Seite ein Designgegenstand entsteht, welcher in der Praxis getestet wurde, und auf der anderen Seite aus den erhobenen Daten eine lokale Lehr-Lerntheorie entwickelt wird (vgl. ebd.). Zu den primären Erhebungsinstrumenten zählen fokussierte Interviews (n=12), welche mit einem Video-Stimulated Recall (VSR) gestützt werden, sowie kurze Feldinterviews, die während des Unterrichts geführt wurden (n=149). Die fokussierte Interviewtechnik wird aufgrund ihrer Flexibilität gewählt, da diese hypothesengenerierend und -überprüfend eingesetzt werden kann und trotz eines Leitfadens Raum für freie Stellungnahmen zur erlebten Situation bietet (vgl. H OPF 2007: 353f; L AMNEK 2002: 174). Dabei wird ein offener Ansatz verfolgt, bei dem die Lernenden verschiedene Aufgaben beschreiben sollen, um eine thematische Lenkung (z.B. auf die Wahrnehmung der spielerischen Elemente) zu vermeiden. Für den VSR wurden im Unterricht Bildschirmaufnahmen und Screenshots von den Tablet-PCs aufgezeichnet, welche die Interviewten dann in der Interviewsituation beschreiben sollten. Dieser Ansatz 38 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 hat den Vorteil, dass die Befragten darin unterstützt werden, ihre Denkprozesse, die im Unterricht entstanden sind, zu rekonstruieren (vgl. M ESSMER 2015: o.S.). Da die Interviews zum Teil mehrere Wochen nach bestimmten Unterrichtssituationen stattfanden, wurden spontane Feldinterviews während des Unterrichts durchgeführt, um die Lernenden zu bestimmten Aufgaben, Inhalten oder Entscheidungen zu befragen. Zusätzlich zu den Interviews wurden sekundäre quantitative Daten mittels Fragebögen (n=109) erhoben und die Artefakte der Lernenden (n=55) (Arbeitshefte und Produkte der Tarea final) analysiert. Bei der Datenauswertung wurden die Aussagen der Befragten nach Möglichkeit mit den quantitativen Sekundärdaten trianguliert, um Rückschlüsse vom Einzelfall auf die gesamte Lerngruppe ziehen zu können. Die Datenauswertung erfolgt über die inhaltlich-strukturierte Inhaltsanalyse nach K UCKARTZ (2016). Prinzipiell ermöglichen qualitative Inhaltsanalysen systematische Analysen verschiedener Daten und Materialarten, was auch für diese Studie von großer Bedeutung ist (M AYRING 2015: 13; S TAMANN / J ANSSEN / S CHREIER 2016: 291). Die inhaltlich-strukturierte Inhaltsanalyse wurde gewählt, da sie eine kombinierte induktiv-deduktive Kategorienbildung zulässt und je nach Studie anpassbar ist (vgl. S CHREIER 2014). Während der Auswertung konnten neben den deduktiven Kategorien z.B. zur Charakterisierung von Spielfiguren oder zur Nutzung von Scaffolding- Angeboten auch induktive Hauptkategorien (Problemorientierung, Immersionsprozesse, Perspektivenübernahmen) zur Beantwortung der Forschungsfrage gebildet werden, welche nachfolgend vorgestellt werden. Der Entwicklungsprozess des Kategoriensystems wurde von verschiedenen Expertinnen und Experten begleitet und abschließend peerevaluiert. Dabei konnte eine Intercoder-Übereinstimmung von 84,8% ermittelt werden (vgl. W OLPERS 2023: 161). 5. Lernzugänge durch inhaltliche Gamification Nachfolgend sollen die primären Ergebnisse vorgestellt werden, indem Ausschnitte der Datenanalyse der Dissertationsstudie vorgestellt werden (vgl. W OLPERS 2023). Dabei wird erläutert, wie über die inhaltliche Gamification eine hochgradige Problemorientierung bei den Lernenden ausgelöst wird, wie dieser Ansatz Perspektivübernahmen und Immersionsprozesse bei den Lernenden fördern kann und welche Potenziale der spielerische und räumliche Level-Ansatz für eine schülergesteuerte Differenzierung bietet. In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass die Verwendung von visualisierten und virtuellen Orten Valencias als Level einen intuitiven Zugang zur Differenzierung bietet, indem die Lernenden Sehenswürdigkeiten oder Gebäude virtuell besuchen. 5.1 Rezeption und Wahrnehmung der Spielgeschichte (Storytelling) Ein erstes prägnantes Ergebnis der Studie bildet die hohe Relevanz der Spielgeschichte für die Probandinnen und Probanden. Die Interviewten lenken ihren Dis- Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 39 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 kurs bei der Beschreibung der verschiedenen Aufgaben immer wieder auf die Spielgeschichte, ohne dass sie nach dieser explizit gefragt wurden. Dabei sprechen die Lernenden häufiger über die narrativen Elemente und die soziokulturellen Inhalte als bspw. über grammatikalische Formen. So konnten aus den Leitfaden- (n=12) und Kurzinterviews im Feld (n=149) insgesamt 57 verschiedene Details zur Spielgeschichte und ihren Figuren (z.B. Olivia ist in Valencia, hat auf Instagram ein Foto gepostet, hat nicht viel Geld und wohnt im günstigsten Hotel) abstrahiert und mit 167 Fundstellen codiert werden. Der Großteil dieser Codierungen entstand dabei durch die persönliche Schwerpunktsetzung der Befragten, während die anderen Kodierungen aus direkten Fragen zur Spielgeschichte gewonnen wurden. Daher ist auch davon auszugehen, dass die Geschichte die Lernenden interessiert und dass diese nachhaltig in Erinnerung geblieben ist (vgl. W OLPERS 2023: 168f.). Demzufolge konnte aus der Analyse der Daten festgestellt werden, dass die Lernenden über ein hohes Erinnerungsvermögen zur spanischsprachigen Geschichte verfügen, da sie viele Details und Informationen auch ohne einen entsprechenden Bildimpuls in der richtigen Chronologie beschreiben können. So berichten die Befragten über wichtige Ereignisse des Detektivfalls, beschreiben die Figurenkonstellationen und sprechen zugleich über Orte Valencias (Mercat Central, Acuario etc.). Demzufolge bestätigt sich die Annahme von K UHN (2014), dass Informationen, die über Geschichten transportiert werden, nachhaltig in Erinnerung bleiben. In der Schlussfolgerung eignet sich das Storytelling als Vermittlungskonzept soziokultureller und narrativer Inhalte (vgl. ebd.: 2). Dabei ist davon auszugehen, dass die Lernenden die Spielgeschichte nicht nur über (Hör-)Texte aufnehmen, sondern dass auch der visuelle Aufbau der App sie darin unterstützt, die Story zu rezipieren. Daher ist davon auszugehen, dass der multimodale Zugang das Leseverstehen unterstützt. Im Gegensatz zu typischen Unterrichtslektüren oder Lehrbuchtexten wird die Spielgeschichte über verschiedene multimediale Zugänge rezipiert, um den Detektivfall zu lösen. Bei den Lernenden entsteht somit eine hohe Relevanz der Spielgeschichte. Die eigentliche Geschichte ist dabei Bestandteil aller Teilaufgaben, auch wenn diese Aufgaben der Sprachproduktion dienen oder einen grammatikalischen Fokus haben. Auf diese Weise findet auch eine beiläufige Förderung der Lesekompetenz statt, da sie z.B. Teile der Geschichte rezipieren, indem sie in einem Rollenspiel eine Figur spielen (s. Abb. 4,  S. 40) oder eine grammatikalische Übung lösen. Somit zeigt sich, dass die inhaltliche Gamification inzidentelle Lernprozesse fördern kann (vgl. W OLPERS 2023: 176f.). 40 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 Abb. 4: Dialogentwicklung und Rollenspiel in Perdido en Valencia (aus W OLPERS 2023: 97) 5.2 Problemorientiertes Fremdsprachenlernen Im Sinne der inhaltlichen Gamification (s. Abschnitt 2) bilden bei Perdido en Valencia die Aufgabenziele immer auch spielerische Ziele, welche dazu beitragen, im Detektivfall voranzuschreiten. Wie zuvor dargestellt, liegt das übergeordnete Aufgabenziel darin, Olivia zu finden. Um zu diesem Ziel zu gelangen, müssen Teilziele erreicht werden, wie z.B. Olivias Hotel zu finden (Wegbeschreibungen verstehen) oder in Olivias Hotelzimmer Hinweise zu ihrem Aufenthaltsort zu finden (Textrezeption & Recherche). Das nachfolgende Beispiel des Probanden Luca zeigt auf, wie die Befragten die Aufgaben und eben solche Ziele beschreiben: Luca 1 : Das ist Tonino, und seine Schwester (-) ist, war in Valencia, und sie geht nicht mehr ans Telefon. Und deshalb hat er uns um Hilfe gebeten, dass wir sie finden. (LF_Luca: 26) (diese und alle nachfolgenden Hervorhebungen wurden von E.W. vorgenommen) 1 Die Namen wurden anonymisiert. Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 41 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 Insgesamt wurden über 75 Passagen codiert, in denen die Interviewten davon sprechen, dass sie eine Aufgabe bearbeiten, um Olivia zu finden, verschiedene Textsorten rezipieren, um Olivias nächsten Aufenthaltsort zu bestimmen, oder Wegbeschreibungen verstehen müssen, um Olivias Hotel zu finden. Dabei konnte auch bei Leistungsschwächeren festgestellt werden, dass sie Teil- und Hauptziele miteinander in Verbindung bringen: Luis : (3 sec.) Äh (-) ich glaub da hat man geguckt, wie viel ein Hotel kostet, um zu gucken, wo Olivia ist, weil Olivia nicht so viel Geld dabei hatte. (LF_Luis_1: 60) Das Beispiel zeigt auf, dass der Proband Hotelpreise vergleicht (Teilziele), um herauszufinden, wo Olivia sich befinden könnte (Hauptziel). Dabei weiß der Schüler, dass Olivia wahrscheinlich in einem günstigen Hotel sein müsste, da sie als Schülerin nicht viel Geld hat. Aus den vielzähligen codierten Fundstellen geht hervor, dass die Lernenden sich stark an dem spielerischen Hauptziel orientieren und über die Kombination aus Teil- und Hauptzielen eine facettenreiche Problemorientierung entsteht. Diese hohe Anteilnahme am narrativen Spielgeschehen lässt ein sogenanntes Goal-Based Szenario entstehen, nach dem das Voranschreiten in der Spielgeschichte das eigentliche Ziel für die Lernenden darstellt (vgl. K APP / B LAIR / M ESCH 2014: 109). Die Analyse zeigt, dass die Lernenden im Rahmen des Detektivspiels dazu angehalten werden, sich auf die gestellten Probleme zu konzentrieren und die entsprechenden Aufgaben in der Zielsprache zu bearbeiten, um im Spiel voranzuschreiten. Somit ermöglicht die inhaltliche Gamification eine innovative Form des problemorientierten Fremdsprachenlernens, bei dem die Aufgaben nicht primär für den Unterricht gelöst werden, sondern für das Lösen des Falls. Die Lernenden werden dabei zwangsläufig zum zielsprachlichen Handeln aufgefordert und produzieren aufgrund dieser Problemorientierung zielsprachliche Texte. Spielerische Ansätze wie Detektivgeschichten, Rätsel oder Escape Rooms eignen sich daher sehr gut zum problem- und handlungsorientierten Fremdsprachenlernen (vgl. W OLPERS 2023: 264f.; s. auch G ARCÍA G ARCÍA in diesem Heft). 5.3 „Ich bin Hacker“ - Rollen wählen, sich in Figuren hineinversetzen Im Verlauf der Unterrichtseinheit gibt es verschiedene Aufgaben, in denen die Lernenden Dialoge entwickeln und ein Rollenspiel durchführen. In der virtuellen Hotel- Lobby sollen die Lernenden Olivias Hotelzimmer finden. Hierzu müssen sie zwischen zwei Rollen wählen: dem Hacker und dem Spion. Während der Hacker in der Hoteldatenbank nach Olivias Zimmer sucht, muss der Spion die richtigen Fragen stellen und den Weg durchs Hotel virtuell nachlaufen. Aus der Auswertung geht hervor, dass sich mindestens die Hälfte der Befragten stark auf die verschiedenen Rollen beziehen. Auffällig ist, dass die Lernenden die Rollen häufig aus der Ich-Perspektive beschreiben. 42 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 Milly : ich hab’ gesagt ich bin Hacker (Lachen). (LF_Milly: 267) Jan : Ja ich war Hacker . (LF_Jan: 212) Dabei beschreiben die Befragten nicht nur, welche Rolle sie gewählt haben, sondern erzählen auch aus der Figurenperspektive, welche Handlungen sie durchgeführt haben: Lea: Und ich war Olivia , und dann hab’ ich halt mhmh gemacht , weil halt (-) ehm (-) sie halt (-) zum Beispiel im Mund irgendwie Stoff war oder so. Und ja, und dann sind wir halt irgendwie auch (lachen) durchs Fenster verschwunden . (LF_Lea: 204) So erzählt die Probandin Lea, wie sie in die Rolle der Olivia schlüpft und wie sie von den Detektiven befreit wird. Sie spricht hierbei nicht nur aus der Ich-Perspektive, sondern beschreibt auch in der ersten Person Plural, wie sie mit den Detektiven fliehen konnte. Andere Probandinnen erzählen ebenfalls aus der Ich-Perspektive, wie sie jemanden festhalten, verfolgen oder befreien: Alisa: und dann halt ich den fest . Und dann bin ich hinterhergerannt . (LF_Alisa: 164) Marta: Doch, relativ am Schluss . Wo wir dann ehm Olivia befreit haben. (LF_Marta: 146) Gleichzeitig sprechen andere Befragte davon, wie sie sich für den Hacker entschieden haben oder eine Rolle gewählt haben. So ist davon auszugehen, dass sich nicht alle Befragten gleichermaßen in die Figuren hineinversetzen. Dennoch sprechen Erzählungen aus der Ich-Perspektive dafür, dass Rollenspiele in Verbindung mit einer inhaltlichen Gamification eine Erlebbarmachung des Storytellings ermöglichen. Diese wird auch dadurch gefördert, dass über „unterschiedliche Medien […] die Geschichte gegenständlich, im wahrsten Sinne des Wortes ‚[b]egreifbar‘ [und] körperlich erlebbar [wird]“ (K UHN 2014: 2). Die Kombination aus unterschiedlichen Medien und spielerischen und performativen Zugängen führt dazu, dass sich die Lernenden mit der Spielgeschichte identifizieren (siehe 5.1). Dieser Prozess wird über das Rollenspielen verstärkt, da sich ein großer Teil der Lernenden in die Rollen und in die spielerische Welt (siehe 5.4) hineinversetzt. Laut P ADILLA -Z EA et al. (2014) entstehen solche Identifikationsprozesse dann, wenn sich Lernende in die Rolle der Protagonistinnen und Protagonisten hineinversetzen können und interessiert am narrativen Spielverlauf sind (vgl. ebd. 2014: 462). Ungefähr die Hälfte der Befragten beschreiben ihr Handeln sehr nah am Spielgeschehen und an den Figuren, was eine Identifizierung mit den Spielrollen implizieren könnte. Im nächsten Abschnitt wird gezeigt, dass das Unterrichtsdesign neben der Übernahme der Figurenperspektive auch immersive Erlebnisse auslösen kann, indem Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 43 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 die Lernenden nicht nur in die Rolle der Spielfiguren schlüpfen, sondern auch virtuell in den zielsprachlichen Spielraum eintauchen. 5.4 „Dann sind wir nach Valencia gegangen“ - Förderung von Immersionsprozessen Milly: er hat uns halt gesagt (.) also der Junge da hat uns halt gesagt, dass (-) Olivia nach Valencia ist (°hh.) und dann sind wir auch nach Valencia gegangen und sollten jetzt ihr Hotel halt suchen. (LF_Milly: 58) Neben Hinweisen auf die hohe Relevanz der Spielgeschichte, der Problemorientierung und der Perspektivübernahme liegen in den Daten auch solche für mögliche Immersionsprozesse vor. In dem Eingangszitat beschreibt die Probandin Milly das erste Level, in dem der Spielleiter Tonino die Klasse darum bittet, ihm dabei zu helfen, seine Schwester zu finden (s. Abb. 2). Zunächst ist auch aus diesem Zitat erkennbar, dass für die Probandin die Spielgeschichte wichtig ist, da sie verschiedene Details (Olivia ist in Valencia, Olivia lebt in einem Hotel etc.) nennt. Auch hier zeigt sich die oben beschriebene Problemorientierung, denn sie erzählt von der Suche nach Olivias Hotel. Das interessante an dieser Fundstelle ist jedoch, dass die Probandin aus der ersten Person Plural davon berichtet, dass sie „nach Valencia gegangen“ (ebd.) ist, obwohl sie sich physisch im Klassenraum befand. Viele weitere Stellen wurden dieser Codierung zugeordnet, bei denen die Befragten davon erzählen, dass sie sich an einem virtuellen Spielort befinden. Zudem berichten die Lernenden davon, wie sie sich durch die spielerische Welt bewegen, indem sie das Verb gehen verwenden. So erläutert eine Probandin bspw., dass sie „nochmal zum Oceanográfico gegangen“ (LF_Lea: 12) ist. Neben diesen Berichten über einen Aufenthalt in oder ein Durchwandern der Spielwelt gibt es Momente, in denen die Befragten über virtuelle Gegenstände sprechen, als wären es reale Gegenstände: Miguel: Konnte man sich glaub ich die Sprachnachricht anhören. Und halt dies Handy, was da im Hintergrund ist . Da, dann konnte man sich nehmen, und ich glaub halt die Nachrichten durchlesen . Ich weiß nicht, ob man da schreiben konnte. (LF_Miguel: 127) In dem Beispiel spricht Miguel über das Level 4, welches in Olivias Hotelzimmer spielt. Der Proband erzählt, dass dort ihr Handy liege und dass man sich das Handy nehmen könne. Diese und weitere Fundstellen zeigen, dass die Lernenden in das Spiel eingetaucht sind. Die Gegenstände der virtuellen Welt werden häufig wie Realien dargestellt und mit der Spielgeschichte assoziiert. Somit unterstreicht die Einbeziehung von Realien ebenfalls, dass die Lernenden sich auf die spielerische Welt einlassen. Diese Hinweise sprechen für eine Spielimmersion, also dafür, dass die Lernenden in 44 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 die Spielwelt eintauchen, in der sie agieren (vgl. C AIRNS / C OX / N ORDIN 2014: 340), obwohl die Datenlage nicht eindeutig ist und Limitationen aufweist: Zum einen sind Codierungen, die für eine Immersion sprechen, bei den Probandinnen und Probanden unterschiedlich häufig ausgeprägt. Trotz Triangulation mit den soziokulturellen Daten konnten die Hintergründe hierfür nicht festgestellt werden. Beispielsweise wurde untersucht, ob Lernende, die in ihrer Freizeit häufig spielen oder lesen, eher zu Immersionsprozessen neigen als andere. Es gab jedoch keine Hinweise darauf. Zum anderen lässt sich die Stufe der Immersion (vgl. ebd.), also wie tief die Lernenden in diese Welt eintauchen und welche Unterschiede zur Immersion bei klassischen Videospielen vorliegen, anhand der erhobenen Daten nicht bestimmen. Auch stellt sich die Frage, inwiefern die Befragten lediglich auf einen sprachlichen Duktus zurückgreifen, den sie aus Videospielen kennen. Das würde bedeuten, dass sie weniger in die Spielwelt eintauchen und das Lehr-Lernarrangement vielmehr einen spielerischen Sprachgebrauch auslöst. 5.5 Förderung der schülergesteuerten Differenzierung durch inhaltliche Gamification Perdido en Valencia verfügt über verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten, wie der Einsatz verschiedener Scaffolding-Angebote zur Unterstützung der Sprachproduktion und -rezeption sowie verschiedene Aufgabenformate. Im Zusammenhang mit der zuvor beschriebenen Spielimmersion eröffnet das bereits erwähnte Level 4 ein neues Potenzial zur schülergesteuerten Differenzierung. Mit dem Auftrag, in Olivias Hotelzimmer nach Hinweisen zu ihrem Aufenthaltsort zu suchen, inspizieren die Lernenden das Zimmer, in dem ein Handy (mit einer Audionachricht) und eine Postkarte platziert sind. Im Sinne einer Differenzierung nach Textsorten können die Lernenden über beide Quellen das Rätsel lösen. Das Interessante dabei ist, dass die große Mehrheit der Interviewten zunächst beide Medien überfliegen, bevor sie eine Quelle genauer rezipieren: Luca: Ich hab’ mir erstmal angeguckt, was da für Dinge sind. Und dann hab’ ich mich halt für die schriftliche, also für den Text entschieden, weil ich mit nem Text besser arbeiten kann, als mit der Sprachnachricht. Weil die muss man sich immer wieder anhören. Und dadurch ging das deutlich schneller. (LF_Luca: 114) Demnach ist anzunehmen, dass die Lernenden auf eine intuitive Weise auf Skimming- Strategien zurückgreifen und sich anschließend für eine Quelle entscheiden. Im Gegensatz zu klassischen Unterrichtssettings, bei denen sich die Lernenden bspw. zwischen zwei Arbeitsblättern entscheiden können, entsteht hierbei ein niederschwelliger Zugang. So haben sich selbst die leistungsschwächeren Probandinnen und Probanden in der Studie zunächst beide Quellen angesehen, bevor sie sich für eine entschieden haben. Dabei ist davon auszugehen, dass die Lernenden auf Explorationsstra- Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 45 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 tegien zurückgreifen, die sie bereits aus Spielen kennen (spielerische Oberflächen, Trial & Error, Click-Adventures etc.). Dies wird erreicht, indem die Quellen in das spielerische Szenario integriert werden (inhaltliche Gamification). Neben dem exemplarischen Level 4 konnte zudem festgestellt werden, dass die spielerische Oberfläche in Form von Lernlandkarten, Levelbalken und diversen Visualisierungen der App den Lernenden eine strukturelle Unterstützung bietet (vgl. W OLPERS 2023: 201). Der Einsatz eines virtuellen Raums in Kombination mit einer inhaltliche Gamification birgt meines Erachtens ein noch kaum ausgeschöpftes Potential zur schülergesteuerten Differenzierung und könnte in Zukunft zur Anbahnung von Recherchekompetenzen genutzt werden. So könnten Unterrichtseinheiten, die diesen Ansatz verstärkt verfolgen, die Lernenden sukzessive auf die Recherche zielsprachlicher Texte und Internetseiten vorbereiten. 6. Das IGAF-Modell Die Ergebnisse der Studie münden im IGAF-Modell, welches darstellt, wie mithilfe einer inhaltlichen Gamification im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht die zuvor beschriebenen Lernzugänge erzielt werden können. Die Abb. 5 (  S. 46) beschreibt zunächst die wesentlichen Bausteine, die für ein inhaltlich-gamifiziertes Unterrichtsdesign benötigt werden: Eine aufgabenorientierte Unterrichtseinheit wird mithilfe einer Spielgeschichte und spielerischer Elemente so angepasst, dass ein inhaltlich-gamifiziertes Lehr-Lernszenario entsteht (s. Abschnitt 3). Ein solches Szenario löst verschiedene Lernzugänge aus, wie die zuvor beschriebene Problemorientierung, eine hohe Involvierung (Interesse und Aufmerksamkeit) in die Spielgeschichte und -mechanik, eine Identifikation mit den Spielcharakteren, Immersionsprozesse sowie eine spielerisch-räumlich gestützte Differenzierung. Letztere beschreibt einen Differenzierungsansatz, welcher mithilfe spieltypischer Visualisierungen (Schaltflächen, Levelanzeigen etc.) und virtueller Orte (Level) Hilfestellungen und differenzierende Inhalte anbietet. 46 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 Abb. 5: Das IGAF-Modell - inhaltliche Gamification im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (aus W OLPERS 2023: 279) Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF) 47 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 All diese Vermittlungsprozesse sind Teil eines Szenarios, welches die Lernenden vor spielerische Herausforderungen stellt und Exploration- und Identifikationsprozesse auslöst (s. Abschnitt 5.1-5.5). Diese Vermittlungsprozesse führen schließlich zu vielfältigen positiven Auswirkungen: Über den spielerischen Aufbau erfolgt eine Anknüpfung an die Lebenswelt der Lernenden. Zugleich entstehen authentische Handlungsräume, welche für einen problem- und inhaltsorientierten Fremdsprachenunterricht förderlich sind. Somit begegnet der IGAF-Ansatz zentralen Anforderungen der Aufgabenorientierung (vgl. B URWITZ -M ELZER 2006: 27; M ERTENS 2017: 9). Gleichzeitig fördert IGAF inzidentelle Lernprozesse und führt zu einem hohen Interesse der Lernenden am Spielgeschehen. Aus diesem Grund und aufgrund eigener Beobachtungen im Feld wird davon ausgegangen, dass der Ansatz in Kombination mit interessanten Inhalten des Fremdsprachenunterrichts zu einer erhöhten Lernmotivation beitragen kann. Hier besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf (vgl. W OLPERS 2023: 278). 6. Fazit Aus der Studie geht hervor, welche Potenziale entstehen, wenn spielerische Elemente und Lerninhalte zusammengeführt und nicht nur isoliert voneinander eingesetzt werden. Eine inhaltliche Gamification kann facettenreiche Lernzugänge entstehen lassen: Die spielerische Herausforderung führt zu einer hochgradigen Problemorientierung bei den Befragten. Diese erarbeiten die Aufgaben des Fremdsprachenunterrichts primär, um im Fall voranzuschreiten. Dabei eignen sie sich inzidentell narratives Wissen aus einer zielsprachigen Spielgeschichte an und es entsteht eine hohe Identifikation mit der Geschichte und ihren Spielfiguren. Darüber hinaus kann eine inhaltliche Gamification, die durch eine visuelle Spielästhetik, unterschiedliche Aufgabenformate und spielerische Herausforderungen verstärkt wird, Immersionsprozesse auslösen und schließlich auch schülergesteuerte Differenzierungsprozesse initiieren. Literatur B AI , Shurui / H EW , K HE Foon / H UANG , Biyun (2020): „Does gamification improve student learning outcome? Evidence from a meta-analysis and synthesis of qualitative data in educational contexts“. In: Educational Research Review 30, 1-20. B AKKER , Arthur (2018): Design Research in Education. A Practical Guide for Early Career Researchers. New York: Routledge. B ALSER , Joachim / C ALDERÓN V ILLARINO , Isabel / G RIMM , Alexander / K OLACKI , Heike / L ÜTZEN , Ulrike (2016): ¡Apúntate! 1 Nueva edición. Berlin: Cornelsen Verlag. B LUME , Carolyn L. / S CHMIDT , Torben (2016): „One size fits none: Adaptivity in digital games for language learning“. In: A PPEL , Joachim / J EUK , Stefan / M ERTENS , Jürgen (Hrsg.): Sprachen lehren. Dokumentation zum 26. Kongress für Fremdsprachendidaktik der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 253-268. 48 Eric Wolpers DOI 10.24053/ FLuL-2023-0020 52 • Heft 2 B URWITZ -M ELZER , Eva (2006): „Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht“. In: B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik. 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The study focuses on the construct of learner engagement from the perspective of conversation analysis and investigates the extent to which learners engage cognitively, affectively, and socially. The results demonstrate that the participants jointly accomplished the task of solving the puzzles as a shared activity, underscoring the high potential of EEGs in promoting engagement with the target language. However, the interaction in the target language still presents a significant challenge. 1. Einleitung Escape Games (EG) sind Spiele, in denen die Teilnehmenden gemeinsam eine Reihe von Rätseln in einem bestimmten Zeitrahmen lösen müssen, um entweder dem verschlossenen Raum oder mehreren Räumen zu entkommen (Escape Room) oder um den Code eines Gegenstands (Schatztruhe, Tresor, Bombe o.Ä.) herauszufinden, sodass er entweder geöffnet oder deaktiviert wird (Breakout Game). Kernelemente jedes EGs sind neben dem Zeitdruck die kniffligen Aufgaben und Rätsel, die den Mitspielenden einen originell-kreativen Lösungsansatz abverlangen. Charakteristisch ist auch ein Szenario, das den verschiedenen Aufgaben eine Kohärenz verleiht und sie in einen spannenden narrativen Rahmen einbettet (z.B. die Welt vor einem verrückten Kriminellen retten, aus einem Geisterhaus entkommen etc.). Das gemeinsame Lösen der Rätsel erfordert von den Teilnehmenden hohe Konzentration, kreativ-logisches Denken, Problemlösekompetenz, Kommunikation und Interaktion sowie strategisches und kooperatives Arbeiten; all dies sind Fähigkeiten, deren Einsatz in Lernsettings angestrebt wird. Aber nicht nur diese transversalen * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Marta G ARCÍA G ARCÍA , Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37073 G ÖTTINGEN . E-Mail: marta.garcia@phil.uni-goettingen.de Arbeitsbereiche: Konversationsanalyse, Unterrichtsinteraktion, Spanisch als Herkunftssprache, Gamifizierung Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 51 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 Schlüsselkompetenzen werden anhand von EG gefördert, auch fachliche Inhalte können leicht in die Konzeption eines EGs integriert und beim Lösen der Rätsel auf spielerische Art und Weise vermittelt werden. Ein pädagogisches EG wird daher nach F OTARIS / M ASTORAS (2019: Abs. 3) definiert als an instructional method requiring learners to participate in collaborative playful activities explicitly designed for domain knowledge acquisition or skill development so that they can accomplish a specific goal (e.g., escape from a physical room or break into a box) by solving puzzles linked to unambiguous learning objectives in a limited amount of time. In diesem Sinne sind EG als typische Beispiele für eine inhaltliche Gamifizierung zu betrachten, da die Lerninhalte in das Spiel integriert sind, sodass die Lernziele und Spielelemente miteinander verflochten sind (s. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt). EG eignen sich für den Fremdsprachenunterricht (FSU) besonders und erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit, weil alle dem EG inhärenten Prozesse, wie z.B. das Formulieren von Vorschlägen, das Abwägen von Lösungsansätzen und das laute Denken, auf Sprache basieren. Somit zielt ein für den FSU entwickeltes pädagogisches EG viel weniger auf die Aneignung von inhaltlichem Wissen ab (obwohl dies durchaus integrierbar ist) als vielmehr auf die (fremdsprachliche) Interaktion zwischen den Teilnehmenden. Bislang fehlt es jedoch an Studien zur Erforschung des Potenzials von EG für den FSU. Nur wenige wissenschaftliche Arbeiten liegen im Bereich des Fremdsprachenlernens vor, die sich zudem hauptsächlich mit den Effekten von EG auf die Motivation beschäftigt haben. Offen bleibt dabei, was während des EGs vor sich geht, inwiefern die Teilnehmenden in das Spiel eintauchen, wie sie gemeinsam die Rätsel kommunikativ bewältigen und wie diese Kooperation sprachlich bewerkstelligt wird. Die Besonderheit von Kommunikation in der bzw. über die Fremdsprache in den EG hat bisher ebenfalls kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten. Aufgrund dieser Forschungslücke wird in diesem Beitrag zunächst das Konzept des (Lernenden-)Engagements vorgestellt (Kap. 2), um dann im Anschluss auf den Kontext der Studie und die Datenerhebung einzugehen (Kap. 3). Anschließend werden zwei Sequenzen aus pädagogischen EGs, die im Rahmen eines Projektseminars an der Universität Göttingen für den Spanischunterricht entwickelt und erprobt wurden, unter gesprächsanalytischer Perspektive beleuchtet (Kap. 4). Zum Abschluss werden anhand dieser Ergebnisse der Mehrwert von EG für das Lernen der (in diesem Fall zweiten) Fremdsprache sowie deren Grenzen diskutiert. 2. Begriffsklärung: Lernenden-Engagement In der Lernpsychologie wird Engagement als ein Zustand hoher Aufmerksamkeit, Konzentration und Involvierung in einer Lernaktivität verstanden, der darüber hinaus mit positiven Emotionen wie Freude oder Enthusiasmus einhergeht (vgl. P HILP / D UCHESNE , 2016; M ERCER / D ÖRNYEI , 2020). In der Alltagssprache lässt sich Lernen- 52 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 gagement als der Zustand des ‚Voll-dabei-Seins‘ beschreiben, den sich letztendlich jede Lehrkraft für ihre Schüler: innen wünscht. Zentral beim Konstrukt von Engagement ist der Handlungsaspekt, d.h. Engagement manifestiert sich als aktive Beteiligung an einer Lernaktivität (vgl. H IVER / M ERCER / A L -H OORIE 2021a) und ist als Verhalten beobachtbar. Darin unterscheidet sich Engagement von dem - sehr eng verwandten - Konstrukt der Motivation: „Ziele, Werte oder Überzeugungen können [als motivationale Faktoren] zu Handlungen führen, sie sind aber nicht mit ihnen oder deren Erfolgen identisch“ (J ÖRGENS 2013: 102). Engagement wird demnach als die sichtbare Dimension von Motivation betrachtet: Während Motivation eher grundsätzlich für die positive Disposition steht, etwas zu tun, beinhaltet Engagement das eigentliche Tun: „[the] more overt and tangible efforts - i.e. their [learners’] pursuits and practices while learning“ (H IVER / M ERCER / A L - H OORIE 2021b: 280). In der Literatur wird weiterhin zwischen kognitivem (Denken), affektivem (Fühlen) und verhaltensbezogenem (Handeln) Engagement differenziert, wobei sich diese drei Ausprägungen wie folgt zusammenfassen lassen: Kognitives Engagement bezieht sich auf die mentale Anstrengung und fokussierte Aufmerksamkeit, die Lernende beim Problemlösen oder beim Verstehen komplexer Ideen zeigen. Es drückt sich typischerweise in der Verbalisierung von Denkprozessen sowie in der Kommunikation mit Lehrkräften und Peers aus, aber auch Gestik, Mimik und Körperhaltung gehören zu den Indikatoren von kognitivem Engagement (vgl. J ÖRGENS 2013; P HILP / D UCHESNE 2016). Affektives Engagement hingegen umfasst positive Gefühle wie Enthusiasmus, Interesse und Freude beim Erledigen einer Aufgabe; zuletzt wird dem verhaltensbezogenen Engagement das Involviertsein in Lernaktivitäten (Anstrengung, Aufmerksamkeit, time on task) zugeschrieben (vgl. J ÖRGENS 2013; T ROLL / P IETSCH / B ESSER . 2020). Ferner ist in manchen Modellen auch die soziale Dimension berücksichtigt (vgl. P HILP / D UCHESNE 2016). Soziales Engagement ist explizit relationaler Natur und bezieht sich insbesondere auf die Interaktion und die Zusammenarbeit mit anderen (vgl. S ANG / H IVER 2021: 23). Diese Dimension ist für die fremdsprachendidaktische Forschung von besonderer Relevanz, denn der Prozess des Fremdsprachenlernens bedeutet im Wesentlichen eine zunehmende Fähigkeit zur Partizipation (L AVE / W ENGER 1991) und seine relationale Komponente ist weitaus stärker ausgeprägt als beispielsweise beim Mathematiklernen (vgl. P HILP / D UCHESNE 2016: 59). Entlang dieser Ausführungen wird aber schnell klar, dass sich die Engagement- Dimensionen nicht immer trennscharf voneinander differenzieren lassen (vgl. J ÖRGENS 2013: 104). Beispielsweise zeigt sich kognitives Engagement durch Kommunikation (Fragen formulieren, Vorschläge machen), was wiederum schwer vom sozialen Engagement zu lösen ist. Auch aufgrund der Definition von Engagement als (beobachtbare) Handlung beziehen sich die Indikatoren der verschiedenen Dimensionen immer auf die (sichtbaren) Verhaltensweisen von Lernenden, was eine Grenzziehung zwischen verhaltensbezogenem Engagement einerseits und affektivem, sozialem und kognitivem andererseits erschwert und teilweise sogar infrage stellt (S ANG / Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 53 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 H IVER 2021: 21). Um diesen Widerspruch aufzulösen, schlagen H IVER / M ERCER / A L - H OORIE (2021b) vor, Engagement als ein multidimensionales Konstrukt zu begreifen, dessen unterschiedliche Dimensionen sich gegenseitig beeinflussen, sodass nur dann von „echtem Engagement“ (M ERCER 2019: 4) die Rede sein kann, wenn alle vier Komponenten gleichzeitig auftreten. Ungeachtet dieser Definitionsprobleme eignet sich das Engagement-Konstrukt für die Unterrichtspraxis besonders aufgrund seiner Situiertheit (vgl. M ERCER 2019; M ERCER / D ÖRNYEI 2020). Denn anders als die Lernmotivation ist das Engagement keine grundsätzliche Disposition, sondern immer anlass- und gegenstandsbezogen sowie stets von der konkreten, aktuell zu bearbeitenden Aufgabe abhängig. Engagement muss daher im Unterrichtskontext und in Bezug auf die konkrete Aufgabe erforscht werden: „(Engagement) needs to be explored through context-specific research, through observation of students in action, that is, in the classroom context, actually working on tasks in class“ (P HILP / D UCHESNE 2016: 52). Während sich jedoch viele Studien auf die Einflussfaktoren von Lernengagement fokussieren (z.B. A UBREY / K ING / A LMUKHAILD 2020; S ULIS 2022), steht in der Fremdsprachenforschung noch weitestgehend die Analyse aus, wie sich Engagement in der Praxis zeigt. Methodisch bietet sich die Konversationsanalyse mit ihren emischen Perspektiven und ihrem Fokus auf die beobachtbaren Praktiken der Gesprächsteilnehmenden besonders an, um die praxeologische Dimension von Engagement zu untersuchen. Mittlerweile existiert eine kleine, aber wachsende Zahl von Studien aus dem Feld der CA-for-SLA (Conversation Analysis for Second Language Acquisition) zu konkreten Aspekten von Engagement. G REER (2016) betrachtet beispielsweise Engagement im Sinne von Initiative und der Fähigkeit, sich in die Interaktion mehr einzubringen, als die eigentliche Aufgabe es erfordert, während andere Autorinnen Engagement aus Goffmans Perspektive als einen öffentlich zugänglichen Hinweis der Bereitschaft zur Partizipation am Unterricht (vgl. E VNITSKAYA / B ERGER 2017; J ACKNICK 2021) bzw. an einer mündlichen Prüfung (vgl. S ANDLUND / G REER 2020) untersuchen. Konversationsanalytische Studien zum Zusammenhang zwischen Engagement und Gamifizierung im FSU stehen meines Wissens noch aus. Der vorliegende Beitrag widmet sich deshalb der Frage, wie sich das Engagement der Lernenden beim Lösen eines pädagogischen, für den Spanischunterricht konzipierten EGs rekonstruieren lässt. Es stellt sich die zentrale Frage, inwiefern die Teilnehmenden miteinander (sprachlich) interagieren, um gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Aufschlussreich sind für die Fremdsprachendidaktik hierbei besonders die Aspekte des sozialen Engagements, die sich wie folgt aufschlüsseln lassen: (1) Wie zeigt sich das Engagement beim Lösen der Rätsel des EGs? (2) Inwiefern wird das Lösen des EGs als eine gemeinsame Aufgabe verstanden bzw. wo zeigen sich individuelle Lösungsprozesse? (3) Welche Sprache(n) bzw. welche sprachlichen Ressourcen setzen die Lernenden wie ein? 54 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 3. Kontext der Studie und Datenerhebung Die Daten stammen aus dem Projektseminar „Gamifizierte Ansätze und kooperatives Lernen im Fremdsprachenunterricht“, das im Wintersemester 19/ 20 für Spanisch- Lehramtsstudierende an der Universität Göttingen durchgeführt wurde. Im Rahmen der Lehrveranstaltung wurden die Studierenden zuerst mit den Prinzipien der Gamifizierung sowie dem Design von EG vertraut gemacht, danach entwickelten sie in Gruppen eigene EG. Parallel dazu hospitierten die Studierenden in zwei Spanischklassen regelmäßig und unterrichteten gelegentlich. Am Ende des Semesters probierten sie dort die EGs in Form eines außerschulischen Angebots im YLAB (geisteswissenschaftliches Schüler: innenlabor der Uni Göttingen) aus. Das erste EG - „Barcelona 2020“ - wurde für die 13. Klasse einer IGS konzipiert und basiert auf folgender Ausgangssituation: Ihr befindet euch auf Klassenfahrt in der katalanischen Hauptstadt. Heute ist der letzte Tag eures Aufenthalts und ihr kommt zum ausgemachten Treffpunkt, um zusammen mit eurer Klassenlehrerin zum Flughafen zu fahren. Und genau dann merkt ihr, dass ihr den Rucksack, in dem die Flugtickets waren, verloren habt. Ihr habt genau eine Stunde Zeit, um den Rucksack zu finden, sonst verpasst ihr den Rückflug. Dafür müsst ihr die 5 Sehenswürdigkeiten, die ihr in den letzten Tagen besucht habt, noch mal abklappern und den Rucksack finden. Schafft ihr das noch, bevor der Flug startet? Der Rahmen und die Situation hatten insofern lebensweltliche Relevanz für die Schüler: innen, als die Klasse tatsächlich eine Klassenfahrt nach Barcelona plante, sodass das EG zur Voreinstimmung diente. Die zehn Schüler: innen wurden in zwei Gruppen und auf zwei Räume des YLABs aufgeteilt. Als allgemeine Spielregel war es ihnen zwar erlaubt, das Wörterbuch in ihren Handys zu benutzen, allerdings sollten sie versuchen, ausschließlich auf Spanisch zu sprechen. Die Schüler: innen verfügten im Allgemeinen über ein B1 Niveau in Spanisch. Im zweiten EG - „Robo en el museo“ - schlüpften die Schüler: innen einer 10. Gymnasialklasse in die Rolle von Detektiven, die einen Diebstahl aufklären müssen: Die wertvolle Heilige Inka-Maske wurde in der Nacht des 31. Dezember aus dem Museo Mapuche de Santiago de Chile gestohlen. Nach intensiver Recherche ist es der Polizei gelungen, eine verdächtige Truhe zu finden; es wird vermutet, dass die Maske sich dort drinnen befindet. Wenn die Truhe allerdings mit Gewalt geöffnet wird, könnte die fragile Maske beschädigt werden. Ihr wurdet von der Polizei beauftragt, in die Wohnung des gefährlichen Hauptverdächtigen einzudringen und nach dem Schlüssel zu suchen. Ihr habt nur eine Stunde Zeit, bevor der mutmaßliche Täter zurückkommt und euch erwischt. Beeilt euch! Geografisch wurde der Fall dort verortet, weil die Klasse in den Wochen davor eine Unterrichtsreihe zu Lateinamerika absolviert hatte. Die 16 Schüler: innen wurden in drei Gruppen aufgeteilt und lösten die sechs Rätsel ebenfalls in drei getrennten Räumen des YLABs, in denen sich jeweils eine Studentin als Spielmeisterin aufhielt. Aufgrund des etwas niedrigeren Spanischniveaus der Klasse (A2) wurde den Gruppen mitgeteilt, dass sie nicht zwingend auf Spanisch sprechen müssten, sondern sie dürften das auch auf Deutsch tun. Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 55 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 Die Durchführung der EG wurde anhand einer statischen und einer mobilen Kamera in den fünf Gruppen videografiert. Zusätzlich befanden sich 1-2 Aufnahmegeräte im Raum. Darüber hinaus interviewten die Studierenden einzelne Schüler: innen. Für die Datenerhebung lag das informierte Einverständnis der Lernenden und Erziehungsberechtigten sowie die Genehmigung der niedersächsischen Landesschulbehörde vor. Aus dem insgesamt ca. fünfstündigen Material wurde für den Fallvergleich eine Sequenz aus jedem EG ausgewählt, in der die Schüler: innen kognitiv besonders gefordert wurden. Diese Sequenzen sind repräsentativ für den Gesprächsverlauf in der jeweiligen Gruppe hinsichtlich der verwendeten Sprache(n) und der von den Schüler: innen angenommenen Rollen. Anschließend wurden die Videoausschnitte mithilfe der Software ELAN transkribiert, die sich insbesondere für die Analyse multimodaler Daten eignet (s. Transkriptionskonventionen im Anhang). 4. Datenanalyse 4.1 Fall 1: ¡Edificio! Die folgende Szene aus dem EG „Barcelona 2020“ entstand an der ersten und zugleich schwierigsten Station, dem Kreuzworträtsel zum Parc Güell. Die Schüler: innen erhielten sechs Fotos von verschiedenen Orten des Parks mit jeweils einer kurzen lückenhaften Bildunterschrift. Es fehlen 14 Wörter in den Sätzen, die sie mithilfe der Fotos - und ihren Spanischkenntnissen - erraten und dann in ein Kreuzworträtsel übertragen müssen. Schließlich entsteht aus einer bestimmten Buchstabenkombination im Kreuzworträtsel ein Wort, das als Schlüssel für das nächste Rätsel fungiert. Die Gruppe besteht aus Jakob, Clara, Helena, Svea und Luisa (alle Pseudonyme); alle fünf Schüler: innen sitzen zur Lösung des Rätsels an einem Tisch. Aufgrund des umfangreichen Rätsels haben sich die Lernenden die zahlreichen Fotos und Texte aufgeteilt. So überlegen zumeist Clara und Helena sowie Svea und Luisa in Zweiergruppen, während sich Jakob den Rätseln allein widmet (s. Abb. 1). In diesen interaktiven Räumen (vgl. M ONDADA 2009) spielt sich im Laufe der Szene die Suche nach den unterschiedlichen Wörtern ab. Zum Zeitpunkt des transkribierten Fragments sind Svea und ihre Mitschülerin Luisa damit beschäftigt, das passende Wort für die Lücke Nummer 1, nämlich edificios, zu finden. 1 1 Als Bildunterschrift stand der unvollständige Satz: „Este es uno de los … de entrada al Parque Güell“. 56 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 Abb. 1: Arbeit während des EGs „Barcelona 2020“ Die Sequenz (  S.57) beginnt mit Sveas Formulierung einer ersten Hypothese, in der sie das Wort entradas als Lösungsmöglichkeit in Form einer Vermutung einführt. Sie leitet ihren turn mit dem epistemischen Marker pienso (ich denke) 2 ein, womit sie gleichzeitig ihre Unsicherheit hinsichtlich der Richtigkeit ihres Vorschlags signalisiert, den sie damit zur Disposition in die Runde stellt. Das Ausbleiben einer Erwiderung von der durch den Blickkontakt ratifizierten Adressatin, Luisa, wird nicht als problematisch behandelt, stattdessen prüft Svea nun, ob das Wort in die dafür vorgesehenen Felder des Kreuzworträtsels passt. Indem Luisa ihre Mitschülerin einfach gewähren lässt und sie in ihrem Tun begleitet (Z. 2f.), kann dies als stillschweigende Zustimmung gelten. Nachdem Svea mit Enttäuschung feststellt (Z. 4), dass entradas nicht in die Lücke passt, kündigt sie mit dem gesprächsorganisatorischen Imperativ „warte mal“ eine erneute Überprüfung an (Z. 5). Dieser Imperativ wird häufig in kooperativen Kontexten mit einer gemeinsamen Zielsetzung, wie hier der Lösung eines Rätsels, eingesetzt (vgl. P ROSKE 2017: 85). Damit wird dem Gegenüber eine Unterbrechung der laufenden Aktivität mitgeteilt und um Aufschub gebeten. 2 Idiomatischer wäre hier die Form creo (ich glaube) anstatt pienso (ich denke). Helena Svea Luisa Clara Jakob Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 57 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 Abb. 2: Transkript EG „Barcelona 2020“ - Teil 1 58 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 Abb. 3: Transkript EG „Barcelona 2020“ - Teil 2 Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 59 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 Die erneute Prüfung der Felder (Z. 6) führt zum gleichen (ernüchternden) Ergebnis und beide Mitschülerinnen reagieren gestisch mit einer ähnlichen nonverbalen Choreografie: Zunächst distanzieren sie sich vom Blatt, dann neigen sie sich wieder darüber. Auch wenn Luisa bisher keinen eigenen Redebeitrag realisiert hat, zeigt sie ihr mentales Engagement durch ein embodied display of doing thinking (vgl. H ELLER 2021), wie z. B. mit einem deliberativen Wegblicken (Z. 7), „wie es typisch ist für Momente, in denen ein Abrufversuch aus dem Gedächtnis unternommen wird“ (K ONZETT -F IRTH 2021: 60). Svea beginnt nun einen neuen Lösungsvorschlag zu entwickeln (Z. 8), den sie erneut durch pienso als Vermutung markiert. Die turn-interne Pause nach dem epistemischen Marker ist ein Zeichen der mentalen Aktivität - des tatsächlichen Denkens - und der sich anschließende Blickkontakt mit Luisa ratifiziert diese als adressierte Teilnehmerin und involviert sie in die Überlegung. An dieser Stelle, bevor Svea noch ihre Äußerung zu Ende bringen kann, wird sie von Helena unterbrochen und nach der Bedeutung des spanischen Worts parece gefragt (Z. 10). Somit adressiert Helena explizit Svea und nicht Luisa als Expertin, wobei Helenas Annahme, dass Svea das Wort kennt, sich als richtig erweist. Die kurze Frage-Antwort-Sequenz wird schnell abgewickelt (Z. 10-14) und beide Schülerinnen kehren zum vorherigen interaktiven Räumen zurück: Helena zu Clara und Svea zu Luisa (Z. 15). In Z. 16 unternimmt Svea einen neuen Versuch, ihren in Z. 9 angefangenen turn fortzusetzen und wiederholt ihn in praktisch identischem Wortlaut. Sie blickt zuerst wieder nach oben und danach Luisa direkt an, um sie in die Wortsuche einzubeziehen. In dem Moment ergreift die spielleitende Studentin das Wort und gibt den Schülerinnen einen Hinweis für eine andere Lücke (die Nummer 6) (Z. 17). Es folgt eine (aus Platzgründen hier nicht abgebildete) Sequenz, in der sich Svea und Luisa mit dieser Lücke auseinandersetzen, um die Suche schließlich erfolglos aufzugeben. In der Zwischenzeit hat Jakob mithilfe der Studentin die Lösung für Nummer 5 herausgefunden, die er der Gruppe mitteilt. Svea liest das Wort (salamandra) von Jakobs Blatt ab (Z. 18), bevor sie zum Aufschreiben des Wortes für das Kreuzworträtsel übergeht. Während Svea dies festhält, nähert Helena sich ihr und beobachtet sie kurz. Sie lässt ihren Blick kurz über den Tisch wandern, nimmt ein Blatt und tritt in den Partizipationsrahmen von Svea und Luisa ein, indem sie auf die Stelle des Kreuzworträtsels hinweist, die der Lücke im Satz 1 entspricht (Z. 20). Clara, die jetzt ohne Partnerin ist, versucht sich durch Gesten, Blicke und Körperhaltung in den interaktiven Raum einzubringen (Z. 21-26). Nun versucht Svea zum dritten Mal ihren Lösungsvorschlag zu Nummer 1 zu formulieren (Z. 22). Mit Blicken sucht sie den Tisch nach dem Blatt ab, bekommt es von Helena und liest den Beginn des Lückensatzes vor. Sie pausiert und macht dabei mit ihren Fingerspitzen eine ikonische Geste, mit der sie den Versuch, etwas zu be-greifen, symbolisiert (Z. 26). Nun gelingt es Svea endlich, ihren Lösungsansatz ohne Unterbrechung hervorzubringen („es gibt vielleicht ein anderes Wort für casa“) (Z. 28). Dass es sich dabei lediglich um einen Vorschlag für einen Lösungsweg handelt, markiert sie mit dem epistemischen Adverb quizás (vielleicht). Damit lädt Svea die anderen Teilnehmerin- 60 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 nen zum Mitdenken ein und teilt mit ihnen die epistemische Verantwortung (vgl. S TIVERS / M ONDADA / S TEENSIG 2011). Es folgt eine Pause, in der sowohl Svea als auch Luisa damit beschäftigt sind, dieses Wort aus dem Gedächtnis abzurufen: Sie schauen sich an und insbesondere in Luisas multimodalen Handlungen (Z. 29) spiegelt sich erneut ein Moment des doing thinking wider, das in einen Lösungsvorschlag mündet: das Wort edificio (Z. 30). Das Gefühl, dass dies die richtige Lösung sein könnte, und die damit verbundene Aufregung der Schülerinnen wird in der intonatorisch steigenden Betonung von Luisa deutlich, was einem Ausrufezeichen gleichkommt, sowie in der darauf folgenden überraschten Reaktion von Svea (Z. 31f.). Auf Initiative von Helena überprüft Svea, ob das Wort in die Wortfelder passt und ob die Rechtschreibung stimmt (Z. 34-38). Schließlich erkennt Svea mit einem Zeichen der Bewunderung Luisas Beitrag zur Lösung des Kreuzworträtsels an (Z. 39), während Helena das Blatt als ‚erledigt‘ vor sich herschiebt und Clara zufrieden lächelt (Z. 40). In den knapp zwei Minuten dieser Sequenz ist das kognitive, affektive, soziale und verhaltensbezogene Engagement der Lernenden durchgängig sichtbar: An keiner Stelle - dieser Sequenz und des gesamten EGs - sind die Teilnehmenden mit etwas anderem beschäftigt als mit dem Lösen des Kreuzworträtsels, die Körperbewegungen und die Blicke sind alle auf das Material und auf die anderen Mitschülerinnen gerichtet, die Teilnehmenden sind über die gesamte Zeit on task. Die Konzentration spiegelt sich in den vielen Momenten des doing thinking wider sowie in der Frustration über die ergebnislose Suche und der Freude, als die Lösung gefunden wird. Das soziale Engagement lässt sich zum einen an den synchronen Blicken und Handbewegungen ablesen, zum anderen an der permanenten und gegenseitigen Einbeziehung der Partnerinnen, unabhängig von ihren Kompetenzzuschreibungen. Tatsächlich handelt es sich bei der Lösung um eine kooperative Hervorbringung, die erst zustande kam, nachdem Svea ihren Vorschlag zu Ende formuliert hatte (die Äußerung wurde bis zu dreimal unterbrochen) und Luisa, die bis dahin nichts gesagt hatte, darauf reagierte. Dass ausgerechnet Luisa, die über den gesamten Zeitraum der Lösungssuche keinen turn produziert hatte, diejenige ist, die auf das richtige Wort kommt, ist ein Beleg dafür, dass sie die Handlungen sehr genau verfolgt hat. Das fünfte Mitglied, Jakob, bleibt jedoch während der Lösungssuche ein ‚Einzelgänger‘ und ist offensichtlich jemand, der es lieber „einfach selber“ macht (s. Kap. 5 und auch Fußnote 7). Hinsichtlich des Einsatzes sprachlicher Ressourcen fällt auf, dass Svea und Helena hauptsächlich Spanisch sprechen und nur an zwei Stellen auf das Deutsche zurückgreifen (Z. 5 und Z. 34), während sich Luisa und Clara sprachlich kaum bis gar nicht beteiligen, obwohl sie sich gleichermaßen in den Lösungsprozess einbringen. Dieser Aspekt wird später in der Diskussion (Kap. 5.) noch einmal aufgegriffen. 4.2 Fall 2: Was haben wir jetzt falsch gemacht? Im folgenden Transkript bearbeiten die Schüler: innen das dritte Rätsel des EGs „Robo en el museo“, das darin besteht, sich Zugang zu einem Laptop zu verschaffen, um dort weitere Beweismittel zu finden. Um das Passwort herauszufinden, müssen die Teil- Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 61 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 nehmenden zunächst sechs Sätze über die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende lesen und entscheiden, ob sie richtig oder falsch sind. Jeder Antwort (richtig oder falsch) wird eine bestimmte Zahl zugeordnet, sodass 64 verschiedene sechsstellige Kombinationen möglich sind, aber nur eine richtig ist. Anders als im vorherigen EG muss sich die 5er-Schüler: innen-Gruppe (mit den Pseudonymen Janina, Greta, Diana, Tom und Christian) ein Arbeitsblatt teilen und ihnen steht nur ein Laptop zur Verfügung, in den sie die Lösung eingeben müssen (s. Abb. 2). Abb. 4: Arbeit während des EGs „Robo en el museo“ Unmittelbar vor Beginn des Ausschnitts hat die Gruppe bereits zweimal ein falsches Passwort eingetippt. Die im Raum anwesende studentische Spielleiterin warnt die Schüler: innen, dass sich bei einer erneuten falschen Eingabe der Laptop (tatsächlich! ) sperren würde. Auf Nachfrage von Janina bestätigt die Studentin, dass die bisherige Zahlenkombination falsch ist. Tom Christian Greta Janina Diana 62 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 Abb. 5: Transkript EG „Robo en el museo“ - Teil 1 Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 63 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 Abb. 6: Transkript EG „Robo en el museo“ - Teil 2 64 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 Abb. 7: Transkript EG „Robo en el museo“ - Teil 3 Mit dem Diskursmarker „ok“ läutet Janina in Z. 1 den Übergang zwischen zwei Handlungen ein, denn dieser besitzt einen „transitional value“ (O LOFF 2019), sodass Janina von der vorangegangenen Klärungssequenz mit der Studentin zum Lösungsprozess zurückkehrt. Zudem fördert sie durch die Frage („was haben wir falsch gemacht? “) Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 65 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 die Gruppe auf, den Fehler in der Zahlenkombination zu finden. Die Wahl des Pronomens „wir“ impliziert, dass es sich um eine gemeinsame Aufgabe handelt, außerdem wird kein Gruppenmitglied durch Blickkontakt als einzelner Adressat bestimmt. Sie führt ihre Hand zum Gesicht, eine pragmatische Geste, die für Suchprozesse typisch ist (S KOGMYR M ARIAN / P EKAREK D OHLER 2022), während sie mit ihrem Blick das Blatt fokussiert. All diese multimodalen Ressourcen tragen zur eindeutigen Denkhaltung bzw. „thinking posture“ bei (vgl. H ELLER 2021: 8). Nachdem niemand darauf antwortet (Z. 2) und eine kurze Pause entsteht, setzt Janina ihren turn fort und schlägt selbst einen Satz 3 als die Fehlerquelle vor (Z. 3f.). Der Vorschlag wird in Form einer Frage realisiert, womit wiederum, wie in Z. 1, sowohl der eigene epistemische Status relativiert als auch die Mitarbeit der Gruppe eingefordert wird. Diesmal kann jedoch nur Greta, die neben Janina sitzt und dadurch einen Blick auf das Blatt werfen kann, die Adressatin der Frage sein, da nur sie sieht, auf welchen Satz sich Janina bezieht. Greta lehnt den Vorschlag vehement ab (Z. 5) und begründet dies mit Emphase, sowohl auf prosodischer (MEHR als, Z. 8) als auch gestischer Ebene, indem sie mit dem Stift auf das Schlüsselwort tippt. Am Ende ihres turns blickt Greta zu Janina auf. Nach diesem kurzen Blickkontakt richten beide gleichzeitig ihren Blick auf das Blatt und verweilen einen Moment nachdenklich (Z. 9). Während Janina und Greta eine in sich geschlossene Gemeinschaft bilden und ihren (eigenen) Partizipationsrahmen kokonstruiert haben, bleiben die anderen drei Gruppenmitglieder (Diana, Christian und Tom) als Zuschauer: innen bzw. eavesdropper außen vor. Nach dieser kurzen Pause (Z. 9) bringt Greta einen Gegenvorschlag ein (Z. 10-14), mit dem sie ihre vorherige Ablehnung revidiert, wobei sie - wie in der vorherigen Sequenz - hier mit „warte mal“ eine Ressource einsetzt, um ihre Gesprächspartnerin an diesem Aktivitätswechsel teilhaben zu lassen. 4 Gretas Alternativdeutung beinhaltet nun eine neue Interpretation des vorherigen Satzes: nämlich dass jeder einzelne Roman von Isabel Allende in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurde. Damit folgt Greta der Theorie der Interpretationsfrage, die Janina in Z. 3 aufgeworfen hatte. Janina reagiert auf den neuen Vorschlag mit einem Eingeständnis der eigenen Unwissenheit, wobei sie ihren claim of insufficient knowledge (S ERT 2015) mit einem Schulterheben unterstreicht. Greta solidarisiert sich mit ihr durch das Pronomen „wir“ (Z. 15f.). Diese ‚gemeinsame Unwissenheit‘ löst neue Handlungen aus: Zuerst Janina (Z. 18), dann aber auch Tom und Christian (Z. 21) gehen zu dem Bücherstapel, der als Requisit für das EG auf einem anderen Tisch liegt. Greta bleibt in einer Denkhaltung (Z. 20f.), bis die für sie wenig überraschende Bestätigung kommt (Z. 22-24), dass die Information auf der Buchklappe mit dem Satz auf dem Blatt identisch ist (Z. 25-28). Direkt danach schlägt Greta einen neuen Satz 5 („das hier“, Z. 30) als Kandidat 3 Der Satz lautet im Original: „Sus libros han sido traducidos a más de veinte idiomas“. 4 In turninitialer und syntaktisch vorangestellter Position wird warte (mal) zur Markierung von Unterbrechungen der Progressivität und von Aktivitätswechseln verwendet, z.B. um Verstehensprobleme zu klären oder Argumente in eine Diskussion einzubringen (vgl. P ROSKE 2017). 5 Greta bezieht sich auf den Satz „Isabel Allende vive actualmente en California“. 66 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 für die Fehlerquelle vor; sie bietet die Interpretation an, dass Isabel Allende, obwohl in Chile geboren, „irgendwie woanders hingezogen“ sei. Es folgt keine Reaktion auf diesen Vorschlag (Z. 33) und Greta setzt ihren turn mit einem Argument fort, nämlich dass die Nationalität noch keinen unmittelbaren Hinweis auf den aktuellen Wohnort darstelle (Z. 34-36). Diese Argumentation scheint Janina nicht zu überzeugen, da sie weiterhin keine Reaktion auf Gretas Vorschlag zeigt (Z. 37), der somit nicht validiert wird. Nach ca. fünf Minuten erfolgloser Suche (nicht im Transkriptausschnitt abgebildet) sitzen Tom, Diana und Christian wieder mit Janina am Tisch, während Greta weiter in den Requisiten sucht. In diesem Moment kommt die Durchsage, dass der Hauptverdächtige in 30 Minuten nach Hause kommt und die Detektivgruppe die Wohnung verlassen muss. Tom erkundigt sich nach den noch ausstehenden Sätzen (Z. 38) und zeigt damit, dass sein Wissensstand nicht dem der anderen Gruppenmitglieder entspricht, was seinen bisher geringen Beitrag zur Lösung des Rätsels erklärt. Die Antwort von Christian wird sofort von Janina unterbrochen, die die noch offenen Fragen in einer bestimmten Reihenfolge aufzählt: „also einmal das mit dem Paula buch“ […] und „dann ob sie jetzt momentan in chile wohnt“, wovon sie sich „ziemlich sicher“ sei (Z. 40-46). Diese Anordnung ist ihr so wichtig, dass sie dafür sogar den turn von Christian unterbricht, der einen Aspekt relativ unkonkret benennt („dass mit chile auf jeden fall“; Z. 39). Die hier von Janina manifestierte Überzeugung, dass das Land, in dem Allende wohnt, Chile ist, erklärt noch einmal ihre Zurückhaltung in den Zeilen 33 und 37. Diana begründet, warum sie zu keinem Ergebnis kommen, weil die zentrale Information „da“, auf dem Klappentext eines der Romane Allendes, fehle (Z. 47-52). Die Schüler: innen rätseln noch ca. zehn Sekunden (nicht im Transkript enthalten) weiter, bei welchem Satz sie die falsche Antwort angekreuzt haben könnten. Janina ist weiterhin davon überzeugt, dass der Fehler beim Satz über den Roman Paula liegt, kann aber die endgültige Information nicht finden, was sie zweimal wiederholt, worin sich ihre Frustration zeigt (Z. 60f.). Alle suchen weiter in den Büchern und Janina äußert erneut ihre Vermutung bezüglich des Satzes (Paula sei das erste Buch von Allende), obwohl sie sich immer noch „nicht sicher“ ist. Auch Diana bekräftigt die schwere Suche, weil sie selbst in dem Buch Paula, das sie in der Hand hält (Z. 65), keine Informationen dazu findet (Z. 66). In diesem Moment kommt der befreiende Ausruf von Greta, die alle auffordert innezuhalten (Z. 68). Mit sichtlicher Freude liest sie den Satz über den aktuellen Wohnort von Isabel Allende vor (Z. 69), was von den Gruppenmitgliedern mit Jubelausdrücken („genial“, „perfekt“) und mit breitem Lächeln begrüßt wird (Z. 70-72). Sowohl in dieser Sequenz als auch im EG „Barcelona 2020“ ist das Engagement der Lernenden beobachtbar: Von „was haben wir falsch gemacht“ (Z. 1) bis „a: : : h perfekt“ (Z. 72) sind die Schüler: innen mit dem Lösen des Rätsels beschäftigt und gehen keinen off-task-Aktivitäten nach. Indikatoren für das kognitive und soziale Engagement sind neben dem ständig gerichteten Blick auf das Blatt und der Denkerpose (thinking posture) auch die in den turns geäußerten Vorschläge, Begründungen Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 67 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 sowie Alternativen, mit dem sich die Gruppenmitglieder an der Lösung des Rätsels beteiligen. Auch affektives Engagement zeigt sich an einer emotional aufgeladenen Sprache durch die Verwendung von Ausdrücken wie „verkacken“ (Z. 4) und Wörtern wie „genial“ (Z. 71). Anders als im vorherigen Datenbeispiel, in dem sich die Schüler: innen in Kleingruppen aufgeteilt haben, findet die Lösungssuche hier in der Gesamtgruppe statt, dennoch überlegen nicht alle Schüler: innen über den gesamten Zeitraum gemeinsam. In der ersten Hälfte (Z. 1-37) beobachten Tom, Christian und Diana nur passiv die Überlegungen von Janina und Greta, ohne in den von den beiden etablierten Partizipationsrahmen einzutreten. Auch im Gegensatz zu „Barcelona 2020“ reden die Schüler: innen hier nur Deutsch, während Spanisch lediglich zur Wiedergabe der Wörter aus den Sätzen verwendet wird. 5. Diskussion und Fazit Obwohl die kommentierten Sequenzen sehr kurz sind, sind sie repräsentativ für den gesamten Gesprächsverlauf des jeweiligen EGs und dessen Tenor. Aus der Datenanalyse ergibt sich hinsichtlich der ersten Forschungsfrage nach dem gezeigten Engagement beim Lösen der Rätsel, dass EG im FSU (hier: Spanisch) zu einem hohen Engagement bei den Lernenden führen können, das in folgenden Aspekten zum Ausdruck kommt: eine hohe Konzentration über einen vergleichsweise langen Zeitraum; ständiges Bemühen, andere Mitglieder in das Lösen der Rätsel einzubeziehen; Enttäuschung, wenn eine Lösung nicht funktioniert; Verzweiflung, wenn keine Lösung in Sicht ist; Freude und Jubel, wenn die richtige Antwort gefunden wird. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass - mit der Ausnahme von Jakob, der im Alleingang agiert - das EG als eine gemeinsame Aufgabe verstanden wird, in der die Spielrollen (eher führend oder eher begleitend) ohne Aushandlung eingenommen werden: Svea und Helena sowie Janina und Greta positionieren sich als die kompetenteren Spieler: innen, was von Luisa, Clara, Diana, Christian und Tom akzeptiert und ratifiziert wird. Die vier aktiveren Schülerinnen kommunizieren stets ihr Vorgehen, stellen ihre Vorschläge zur Disposition und suchen nach Rückversicherung innerhalb ihrer Spielgruppe, was sich an den zahlreichen epistemischen Markern und Ausdrücken von Unsicherheit zeigt. Generell wird der Löseprozess interaktiv verhandelt und kollaborativ gestaltet. Zwar variiert die Anzahl der Schüler: innen erheblich, die jeweils zusammen an der Lösung eines Rätsels arbeiten, wobei bei der Aufteilung - sicherlich neben persönlichen Sympathien - die zur Verfügung stehenden Materialien eine wichtige Rolle spielen sowie die Eigenschaften des Rätsels. 6 Im Rätsel „Parc Güell“ war es aufgrund der vielen Blätter und der Komplexität der Aufgabe nahezu unvermeidlich, dass sich die Schüler: innen in kleinere Gruppen aufteilen, denn das gemeinsame Lösen aller Wörter nacheinander wäre sehr ineffizient gewesen. In „Robo en el 6 Ich danke den Teilnehmenden der digitalen Datensitzungen des Arbeitskreises Gesprächsforschung in der Lehrer*innenbildung für diesen wertvollen Hinweis. 68 Marta García García DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 52 • Heft 2 Museo“ hatten die Spieler: innen nur ein einziges Blatt und nur einen Laptop, sodass eine Aufteilung in bspw. Zweier-Gruppen nicht möglich war. Dadurch wurden die leistungsschwächeren Schüler: innen allerdings zeitweise zu Zuschauer: innen. Bezüglich der dritten Forschungsfrage nach den sprachlichen Ressourcen lassen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen beobachten: Die Teilnehmenden von „Barcelona 2020“ bemühen sich stets, die spanische Sprache zu verwenden. Zwei Schülerinnen (Luisa und Clara) melden sich während der gesamten Sequenz kaum zu Wort. Aber auch die Redebeiträge der aktiveren Schülerinnen, Svea und Helena, sind sprachlich sehr begrenzt. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Jakob im Anschluss an das EG, der meint, es sei „schwieriger zu reden, als es einfach selber zu machen“. 7 Unzureichende sprachliche Mittel für die Verständigung und die Interaktion in der Zielsprache üben einen direkten Einfluss auf die (Zusammen-)Arbeit in der Gruppe aus. Dies wirft die Frage auf, inwiefern die Aufforderung („versucht Spanisch zu verwenden“) eher kontraproduktiv für das EG war, weil es dessen Spielcharakter gefährdete. Die Situation ist letztendlich nichts anderes als das „im Fremdsprachunterricht vorherrschende, beinahe unvermeidliche Dilemma zwischen der natürlichen Sprachwahl zur Herstellung von Intersubjektivität und der vorgegebenen Sprache für die Interaktion zum Zweck des Übens“ (K ONZETT -F IRTH 2021: 68). Demgegenüber wird in „Robo en el Museo“ auf die zielsprachliche Kommunikation schlichtweg verzichtet, was Greta und Janina ein sehr breites Repertoire an sprachlichen Handlungen ermöglicht und eher dem entspricht, was man einem EG zuschreibt (s. Kap. 1). Dennoch zeigt sich interessanterweise auch hier, dass die im Spanischen leistungsstärkeren Schülerinnen (Greta und Janina) die Verantwortung für die Lösung des Rätsels übernehmen, die zugleich auch die Interaktion dominieren. So scheint letztlich die (sprachliche) Beteiligung der Lernenden an der Beantwortung des Denkspiels mehr von den (selbst wahrgenommenen) Kenntnissen der Zielsprache abhängig zu sein als von der Sprache, in der die Kommunikation stattfindet. 8 Die Frage nach den zielsprachlichen Ressourcen bezieht sich zudem auf die übergeordnete Frage, inwieweit die EGs einen Mehrwert für das Fremdsprachenlernen darstellen. Zwar sind Engagement und Kooperation grundsätzlich lernförderlich, aber es stellt sich dennoch die Frage, inwiefern ein Szenario, in dem höchstens einzelne Sätze in der zu lernenden Sprache gesprochen werden, überhaupt seinen Zweck erfüllt bzw. ob es zufriedenstellend ist, wenn sich die Schüler: innen mit zielsprachlichen Materialien auseinandersetzen, aber nicht in der Zielsprache reden. Ein zweiter Blick auf das Transkript von „Was haben wir falsch gemacht? “ offenbart jedoch, dass die dort formulierten Redebeiträge keine außergewöhnlichen, sondern alltägliche sprachliche Mittel erforderten, die zum schulischen Lerncurriculum gehören. Insofern stellt das EG ‚nur‘ ein Szenario zur praktischen Verwendung der Zielsprache dar. Ob sie 7 Diese Bemerkung wurde im Rahmen eines Feedbackinterviews geäußert. 8 Inwiefern dies nur beim pädagogischen EG im FSU der Fall ist oder in anderen (Sach-)Fächern Ähnliches zu beobachten ist, müsste im Rahmen anderer Forschungsarbeiten untersucht werden. Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht 69 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0021 letztendlich als Interaktionssprache auch zur Bewältigung der Aufgabe des EGs verwendet wird, hängt von der Praxis ab, die die Schüler: innen aus ihrem eigenen FSU mitbringen, und kann vom EG allein nicht oder kaum beeinflusst werden. Abschließend ist jedoch anzumerken, dass die Rätsel in beiden EG auf typische, eher ‚altmodische‘ Aufgabenformate des Fremdsprachenunterrichts rekurrieren, nämlich einen Lückentext und eine Richtig-Falsch-Übung zum Leseverstehen. Da diese Art von Übungen normalerweise wenig Begeisterung und kaum Engagement bei den Lernenden hervorrufen, lässt sich feststellen, dass das pädagogische EG zwar kein didaktisches Allheilmittel ist, aber ein sehr anregendes, durchaus engagierendes Szenario für den FSU darstellt. Literatur A UBREY , Scott / K ING , Jim / A LMUKHAILD , Haydab (2020): „Language learner engagement during speaking tasks: A longitudinal study“. 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Pause (in Zehntel von Sekunden) .h Einatmen h Ausatmen (auch Lachpartikel) <sa la man dra> langsameres Sprechen (das wäre) unsichere Transkription ALLE verstärkte Sprechintensität (lauter) so: : gedehnter Laut °el seis° leiseres Sprechen mehr- Wortabbruch warte Rede in anderen Sprachen - Multimodalität SVE / sve Teilnehmende. Großbuchstaben werden verwendet, wenn die Handlung verbal ist; Kleinbuchstaben werden für multimodale Handlungen verwendet. #Abb. 1 Stelle, an der der Screenshot (Abbildung) entnommen wurde. *…* %...% +…+ ^…^ #...# Beginn und Ende der multimodalen Handlungen von Svenja / Janina Beginn und Ende der multimodalen Handlungen von Helena / Tom Beginn und Ende der multimodalen Handlungen von Luisa / Greta Beginn und Ende der multimodalen Handlungen von Clara / Christian Beginn und Ende der multimodalen Handlungen von Diana *+%^# --> Eine multimodale Handlung einer identifizierten sprechenden Person wird in den nächsten Zeilen fortgesetzt. DOI 10.24053/ FLuL-2023-00022 52 • Heft 2 J ULES B UENDGENS -K OSTEN , F REDERIK C ORNILLIE , S HANNON S AURO * Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities Plurilingual writing in an interactive fiction project Abstract. The EFL classroom can be a place in which students develop target language skills and overarching plurilingual competencies, but also their multilingual identities. Digital games - including interactive fiction (IF) - may play a role in this context, as participation in digital games and gaming practices has been claimed to afford identity work. This paper is based on a follow-up study for the “FanTALES” Erasmus+ project. Drawing on IF stories created in a pedagogic intervention and on follow-up focus group interviews, it finds that multilingual storytelling in an interactive fiction context was challenging for students, even though they self-assessed their productive plurilingual competencies as fairly high, and that the writing task itself was only partially successful in creating a ‘translanguaging space’ in which all linguistic resources could be used and valued. 1. Introduction Teaching language and teaching literacy are intertwined, as they both involve preparing learners to use a wide range of semiotic systems, productively and receptively. Or, as the D OUGLAS F IR G ROUP put it: “language learning is semiotic learning” (2016: 27). In this article, we draw on the N EW L ONDON G ROUP ’s notion of multiliteracy, the ability to use a wide range of semiotic resources in a wide range of settings. In their article, which suggested a reconceptualization of literacy and an approach to teaching multiliteracies, they draw on two sources of societal change for their arguments: “the * Addresses for correspondence: Dr. Jules B UENDGENS -K OSTEN , IEAS, Goethe-Universität Frankfurt, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 F RANKFURT / M. E-Mail: buendgens-kosten@em.uni-frankfurt.de Research areas: Computer-assisted language learning, Multi/ plurilingualism, Inclusive education Dr. Frederik C ORNILLIE , Itec, KU Leuven & imec, Etienne Sabbelaan 51 box 7800, 8500 K ORTRIJK E-Mail: frederik.cornillie@kuleuven.be Research areas: Computer-assisted language learning, Instructed second language acquisition, Games and play Associate Prof. Dr. Shannon S AURO , Department of Education, University of Maryland, Baltimore County (UMBC), 1000 Hilltop Circle, B ALTIMORE , MD 21250, USA E-Mail: ssauro@umbc.edu Research areas: Fan practices, Computer-assisted language learning, Virtual exchange Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 73 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 context of our culturally and linguistically diverse and increasingly globalized societies, for the multifarious cultures that interrelate and the plurality of texts that circulate” as well as “the burgeoning variety of text forms associated with information and multimedia technologies” (N EW L ONDON G ROUP 1996: 61). These two dimensions might - partially - be discussed under the labels of ‘multilingualism/ plurilingualism’ and ‘digitalization’. In this article, we will look at an pedagogicall intervention in the English as a foreign language (EFL) classroom that is situated in the intersection between digitalization and plurilingual practices, and at the impacts of this intervention on both identity and plurilingual competencies. In the next section, therefore, we will discuss storytelling practices that lie at the foundation of this intervention. 1.1 Storytelling in the EFL classroom: Interactive fiction In the EFL/ ESL classroom, creative writing and storytelling have been used to support the development of language skills and literary knowledge (cf. S AURO / S UNDMARK 2016). One type of creative writing of increasing interest to EFL instructors is interactive fiction (IF), playful narrative texts with which the reader can interact in some way, for example by playing the role of a character or by manipulating other elements of the world depicted in the story through mechanics that are associated with the design of games, often resulting in a non-linear narrative experience (for a more restrictive definition, see P LOTKIN 2011). While IF predates the digital age (cf. choose-your-own-adventure books), the reading and writing of IF is typically mediated by digital technologies. Moreover, accessible authoring tools like Twine (twinery.org) have put the creation of IF within the hands of hobbyist writers, and are also being adopted for educational purposes, including for the teaching of foreign languages in multilingual classrooms (e.g. C ORNILLIE et al. 2021). 1.2 Storytelling in the EFL classroom: Multilingual storytelling Writing multilingual texts deserves a space in the foreign language classroom for two main reasons: Being able to draw on multiple languages to transport a message, for rhetorical effects or humor, is a relevant language skill (C OUNCIL OF E UROPE 2018: 161-162), and opportunities to draw on a broad range of language skills might impact the (multilingual) identity of learners. Identity, understood here as “the way a person understands his or her relationship to the world, how that relationship is constructed across time and space, and how the person understands possibilities for the future” (N ORTON 2013: 4), is an important concept in the teaching of EFL, as it contributes directly and indirectly to language learning success. There is a growing awareness that looking at identity with a focus on only one language at a time might not give the full picture. D ÖRNYEI ’s popular “L2 self system” model, which focuses on a person’s self guides, i.e. self-directed standards or acquired guides for being” (H IGGINS 1987 p. 321), for example, has been 74 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 extended from L2 contexts to “situations where bilinguals/ multilinguals learn additional languages, or where monolinguals are learning two or more L2s” (H ENRY 2017: 549). This system of relevant, interacting self-guides forms part of learners’ Multilingual Identity System (H ENRY 2017, 553), or, shortly, their multilingual identity. Henry discusses how the Ideal Multilingual Self emerges from the interaction between different Ideal Selves related to specific languages, and how different higher-order self guides might impact language learning in different ways (H ENRY 2017, 552-558). Multilingual identity, i.e. aspects of a person’s identity related to being or becoming a speaker of several languages (as opposed to aspects of identity related to each specific language, seen in isolation), has been found to influence foreign language learning outcomes (H ENRY / T HORSEN 2018) and pedagogical interventions can impact multilingual identity and related concepts such as plurilingual self-aspirations (F ORBES et al. 2021). Multilingual writing is relevant to identity as well. P RADA (2022) describes a university-level Spanish composition class for Spanish (heritage language/ native language) speakers, in which students engaged in digital storytelling with a focus on bilingualism. P RADA argues that digital stories can serve as (digital) translanguaging spaces (defined by W EI 2011 as spaces for translanguaging, and spaces created by translanguaging), supporting student empowerment. C UMMINS (2007) uses the term “identity texts” to refer to (often bilingual) texts where learners “invest their identities in these texts […] that then hold a mirror up to students in which their identities are reflected back in a positive light.” (C UMMINS 2007: 60). He pointed out that digital formats, with their ability to reach a broader audience, can amplify the impact of multilingual writing (C UMMINS 2007: 71). Research on fanfiction has pointed to identity as a motivating factor for multilingual creative writing in the digital wilds. This is illustrated in the case study of Nanako (T HORNE / B LACK 2010) and a case study of teenage Finnish fanfiction (L EPPAÄNEN 2007). Similarly, participation in digital games and gaming practices has been claimed to afford identity work. B ARAB / G RESALFI / I NGRAM -G OBLE (2010) explore the relation between playing narrative digital games and identity development in educational contexts. They have tested the hypothesis that ‘transformational play’, requiring a player’s agentic and consequential role in simulated and narratively rich experiences, aids both conceptual understanding in complex problem solving activities and the development of “potentially more enduring outcomes, such as the development of identity or affiliation” (B ARAB / G RESALFI / I NGRAM -G OBLE 2010: 525). B UENDGENS - K OSTEN (2022: 139) argues that this notion of “transformational play” might also be conceptually transferred to apps and games for language learning, where “language learners can play around with language and language use, and experience themselves as somebody who uses language(s) for specific communicative or non-communicative goals, achieving outcomes within the game world”. R EINHARDT (2019: 129) conceptualizes identity work in gameful language learning and teaching as “the actions and behaviors integrating one’s newly forming L2 identity into existing identities”, for example by shifting between the player’s out-of-game stance, their stance as a Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 75 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 player, and the stance of their avatar. IF, as a form of digital game, equally affords learners such identity work. Specifically, by playing the role of characters using multiple languages in meaningful ways or by envisioning multilingual roles for readers, learners can engage in identity work that contributes to their multilingual identity. In this paper, we argue that creating a translanguaging space (W EI 2011) in EFL settings through writing and reading multilingual IF has the potential to support learners’ higher order self-guides related to multilingual identity, by supporting learners in developing more elaborate future selves and supporting an Ideal Multilingual Self connected to all languages in a learner’s repertoire (including those that learners plan to study in the future). 1.3 Research questions Accordingly, this project investigates the following research questions in the context of an EFL classroom intervention that involved reading and writing multilingual IF based on concepts and materials from the FanTALES project (S AURO / B UENDGENS - K OSTEN / C ORNILLIE 2020): • Does a pedagogical intervention based on the reading and writing of multilingual IF have the potential to impact plurilingual competencies (in the sense of “Building on a plurilingual repertoire” and “Plurilingual comprehension”, C OUNCIL OF E UROPE 2018: 160-162)? • Does a pedagogical intervention based on the reading and writing of multilingual IF provide a context for engagement with multilingual self-aspirations and/ or multilingual identities? 2. Methods The study used a pretest/ posttest design with a delayed treatment control group (see Fig. 1,  page 76), enriched by a collection of stories and other materials created during the pedagogical intervention, and by focus group discussions with students and interviews with teachers. 76 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 Fig. 1: Research design Fig. 2: Structure of the intervention The five-lesson intervention (see Fig. 2) included lessons raising awareness for languages within students’ communities and lives, and in the book they were reading, introducing students to IF (including a IF sample story featuring multilingual storytelling), time for multilingual IF writing with the digital authoring tool Twine, and for peer feedback and revision. Homework included observation and reflection tasks (such as linguistic soundscaping activities), or writing text sections (such as imagining the linguistic landscape and soundscape at different settings mentioned in the books). In small groups, students created an IF based on the book they were reading (grade 9: Coast to Coast by David Fermer, grade 10: 13 Reasons Why by Jay Asher, both chosen by their teachers). Students were asked to focus on a situation in which a character has to make an important, meaningful choice, to demonstrate their understanding of the story, setting and characters, and to include descriptions and dialogues in their Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 77 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 IF. Additionally, they were asked to include three to four choices for the player, and a maximum of three to four endings. This requirement and a sample structure that students could use were provided to reduce the risk of combinatorial explosion, where each passage branches into two or three new passages, resulting in a large number of passages but short play times. Students were instructed to include at least three different languages, “in a way that makes sense for the story” and were provided with suggestions. 2.1 Sample The study took place at a comprehensive school (Gesamtschule) in Rhineland-Palatinate. Four classes, two 9th grade and two 10th grade classes (78 students), and their 2 teachers, participated. The average age in classes A and B (9th grade) was 14.8; in classes C and D (10th grade) 15.9 and 16.0. In a demographic questionnaire, students were asked to identify all the languages that played a role in their lives, and to provide additional information on this. 70 students identified German as (one of their) mother tongues (Muttersprache), three students Russian, two students each Moroccan (Arabic) and Turkish, one student each Albanian, English, Italian, Persian, Romanian, Hungarian. A larger number of languages were identified as playing a role in their lives, though, encompassing both school and non-school languages, including, for example, Arabic, French, Italian, Japanese, and Latin. Students’ self-assessment of plurilingual competencies - at least referring to some of the languages in their repertoire - was fairly high, corresponding to an average selfassessment between C1 and C2 levels. 54.5% of students (1 NA) out of the 78 had prior experience reading multilingual stories, but only 22.4% (2 NAs) had experience writing them. 2.2 Data collection & Instruments This study was approved by Rhineland Palatinate’s ADD and data protection office. All participants were over the age of 14 and provided written informed consent. 2.2.1 Demographic questionnaire Students provided their age and gender, their most recent grades in German, English and, if applicable, a second foreign language. Language use was assessed using a variant of H AUKÅS / S TORTO / T IURIKOVA ’s (2021) items on language use habits (translated, reformatted, with additional items). Plurilingual competence was assessed using a selection of translated, simplified descriptors from the Companion Volume scale “Building on plurilingual repertoire” (C OUNCIL OF E UROPE 2018: 162). Self-developed items included items on language study (current/ desired), experience with media in different languages and in multilingual formats, and with transformative works. 78 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 2.2.2 Pretest/ Pre-Posttest/ Posttest/ delayed Posttest & Feedback questionnaire Pretest, pre-posttest, posttest, delayed posttest used identical items, focusing on students’ identity (or using identity related constructs) in relationship to English, and to multilingualism. As these will not be discussed in this paper, details are omitted for brevity. This also applies to the feedback-questionnaire, which used a range of selfdeveloped items to ask students about the experience of writing and reading multilingual IF. 2.2.3 Stories Stories were collected by the teacher using the school’s learning management system and transmitted to the researchers in a pre-anonymized format, using pseudonymous codes to identify learners/ authors (grade 9 only). This pseudonymization was doublechecked by one of the researchers. 2.2.4 Focus groups & interviews A self-selected sub-group from each class participated in the focus groups, which were conducted on school grounds by one of the researchers. Four focus groups with four to six students each took place, lasting between 13 and 30 minutes each. Discussions were audio-recorded. The teachers were also interviewed. These interviews are beyond the scope of this paper. 2.3 Analysis procedure Source files of students’ texts were collected in the authoring tool Twine and descriptive statistics were extracted: number of words and of passages. The word-to-passage ratio was computed to indicate the extent to which the story included descriptive narrative text. 1 Such narrative stretches of text preceding choices provide context for the player which may explain why certain choices are meaningful for the player character. A low word-to-passage ratio can result in a rather meaningless point-and-click reading experience. Segments of multilingual storytelling were identified in the stories, and bottom-up codes were developed to qualify how students made use of multiple languages in the segments. These codes comprised: which languages were used, how they were used, and whether the use of more than one language appeared in the choices or in other parts of the text. Two researchers independently applied the developed codes to the data and found their codes to match. They also identified ‘edge cases’ that could qual- 1 The word count procedure in Twine does not distinguish between words that appear in the story and markup or other programming code. However, the amount of code which students used in their stories was negligible. Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 79 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 ify either as use of different languages as part of multilingual storytelling, or as typographical deviations or instances of L1 interference. The focus groups were transcribed in standard orthography, with emphasis indicated by capitalization. A rater identified segments related to multilingualism or multilingual storytelling. The unit of coding was at the level of ‘meaning segments’, i.e. units of discourse (partial sentence to multi-utterance exchanges) that contained an identifiable idea or statement. For content analysis, descriptive codes were developed bottom up from the data by two researchers. Where researchers developed codes that differed not only in wording but in substance (11 codes), they discussed their codes and agreed on shared codes. One researcher structured these codes and allocated code categories, which were adapted based on feedback from a second researcher (2 adaptations at the level of code categories). 3. Results 3.1 Stories The groups in grade 9 produced 20 IF stories in total, one per group of two or three students. One story not based on the assigned book was omitted from the analysis. Average story length was 206 words, (minimum 23, maximum 413). The average number of passages was 11 (minimum 1, maximum 18). The ratio of the number of words to the number of passages was 22.3 on average (minimum 7.1, maximum 41.3). To compare, the words-to-passages ratio of the most highly-rated work published on the popular Interactive Fiction Database, for which the source code was available at the time of writing (A NTHROPY 2013) - thus allowing the inspection of its statistics - is 68.8. To illustrate, Excerpt 1 and Excerpt 2 (  page 80) contain the introductory passages to the stories with the highest and lowest words-to-passages ratio, respectively. In Excerpt 1, the preceding narration contextualizes the choice for the reader to a certain extent, and also creates an interesting conflict for the reader: travelling by foot can be more dangerous if the boy is at the perils of nature, but so could driving if the car needs to pass checkpoints where the boy is likely to be questioned by the Taliban. In this excerpt, the students demonstrate some understanding of the setting of the story and the main character Bashir, as well as considerate use of a choice. Both the author and the reader need to critically think through the options by devising or carefully reading the context of the interactive choices in the text. 80 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 Start You are Bashir and you live in Afghanitan. It’s a dangours land and you are a seventeen year’s old boy who flees the country. What are you doing to flee the land from the talibans? [[ You are traveling by foot to the coast ]] [[ You are driving to teh coast of Pakistan ]] Excerpt 1: Introductory passage to story with the highest words-to-passages ratio (text between square brackets represents an option within a choice) In contrast, Excerpt 2, also from an introduction passage, provides no background on the characters or setting in which the story takes place, resulting in a rather meaningless reading experience (unless readers draw on their knowledge of the book). Dad find Bashir in the hut [[ call the police ]] [[ helps bashir ]] Excerpt 2: Introductory passage to story with the lowest words-to-passages ratio Overall, and contrary to the task instructions, students designed few meaningful and important choices, and did not demonstrate through their design of choices to what extent they comprehended the fictional text that formed the basis of their writing task. As for the multilingual nature of the stories, 12 out of the 19 analyzed stories were found to incorporate at least one language other than English. 5 stories used two or more, thus meeting the requirement of the assignment (see Section 2). Table 1 comprises an overview of the languages used. Language other than English Used in … stories German 9 Spanish 5 French 2 Romanian 1 Russian 1 Table 1: Languages other than English used for multilingual storytelling Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 81 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 The use of languages other than English typically appeared at a single point in the story text and was limited to a word, multi-word unit or sentence. Analysis revealed 26 segments drawing on more than one language (see Table 2), of which three appeared in the choices, and 23 in the rest of the text. Three of these 26 segments were identified as edge cases, as they included deviations from the primary target language (English) that can best be described as typographical errors or L1 interference. In the other cases, the majority of integrating an additional language occurred in direct speech (13 segments), which was always a full sentence, one of which occurred with mediation. In five segments, German was used for what could be called ‘interface text’: instructions to the player about the state of the game (a full sentence or a part of it). Use of more than one language also appeared in narrative descriptions (four segments). Finally, multilingual storytelling could be connected to player choice, where the reader can decide to act in one language or another language, with different effects. This was least frequent, found in only one segment in our corpus. Ways of integrating more than one language in the story Number of segments Example(s) in descriptions (full sentence) 1 So you call the police. Du überlegst ob du Bashir verraten sollst oder ob du ihm und cooper einfach in Ruhe lassen sollst. in descriptions (part of sentence) 3 You will stay in a Jugendherberge and take the next ferry. in direct speech, with mediation 1 You ask a man with a Russian accent, If he can take you to the coast he says “Да, я отвезу тебя туда, это в пути” (Yes, I’ll drive you there, it’s on the way) in direct speech, without mediation 12 He loose and his last words were “merde”. in interface text 5 Hans you leave him. Next day you read the news paper. You see that the police found a dead stranded Man. Game Over du Lappen go back home. [[ versuche es noch einmal ]] 82 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 Ways of integrating more than one language in the story Number of segments Example(s) in player choice 1 yes he gives you the mobilephone but you need to do some sexual things for him [[ do the sexual things ]] [[ matarol y robar el telefono ]] edge case 3 You take him to the shed and hide him. You go in and take something to trink. Table 2: Segments including use of more than one language Looking at the story data qualitatively, and similar to the students’ overall random use of choices as a narrative device, use of multiple languages typically did not make much sense for the story. The prototypical case in direct speech is where a secondary character communicates in another language than English and appears to be monolingual, without any backstory that can explain why the character is unable or unwilling to talk in a language known to the main character (see Excerpt 3). Further, it is worth noting that in partial-sentence multilingual descriptions, changes from English to German may be the result of a vocabulary gap in English, instead of a device to achieve a particular narrative effect. You stay in Nauru and you meet a group of criminals, they say to you “du verdammter Veräter gib uns sofort das Geld” they mistake you for someone else, but since you don’t know German you don’t understand, so the boys beat you up and you die Excerpt 3: Segment of multilingual storytelling comprising a monolingually-acting character One story features an example of multilingual storytelling that is more meaningful and imaginative, and plays with the use of choices and multilingualism in an intertwined way. In this story, the reader subsequently plays the role of Bashir and Cooper. When playing as Cooper, they find out that Bashir is fond of learning languages, and can extend the story as long as they keep asking Bashir to demonstrate his knowledge of other languages. When the reader chooses not to engage with Bashir’s love of languages, the story ends sooner, with a message stating that the player loses the game. 3.2 Focus groups 98 segments were identified and coded, resulting in 83 codes across three domains: Writing multilingual stories (64 segments; 50 codes), Reading multilingual stories (31 segments; 30 codes), and Other (three segments; three codes). The codes were sorted into code-categories listed in Table 3. Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 83 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 Domain Code-category Number of codes Number of segments Writing multilingual stories Decisions for/ against specific languages 9 19 Factors influencing integration/ nonintegration of languages beyond English 26 29 Ways of integrating languages beyond English 11 12 Relationship between book and unit/ story 2 2 Descriptions of languages integrated 2 2 Reading multilingual stories Expectations & norms 10 10 Dealing with non-comprehension 7 8 (Emotional) responses to reading multilingual stories 6 6 Ease of/ lack of comprehension 4 4 Description of stories/ languages in stories 2 2 Other 1 1 Other - 3 3 Table 3: Codes and categories In this paper, we will only refer to codes from the domain “Writing multilingual stories”, focusing on its first three code-categories. 3.2.1 Decisions for/ against specific languages During the focus groups, volunteers from all four classes (9th and 10th grade groups) shared their reasoning process for using or not-using specific languages. Several students identified English as default (without specifying what exactly made English a default, two segments), or, more specifically, English as default in the EFL classroom (two segments): 84 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 Also, bei mir war es jetzt so, da wir jetzt im Englischunterricht sind, habe ich jetzt die diese ganze, also die ganze Seite halt auf Englisch so gut wie gemacht. (FG4) English also played a prominent role in statements that framed language choice as based on competence in a specific language, mentioned alongside German, Spanish, Romanian and French (five segments). One group also made a statement that might be seen as the corollary of this code: they explained that they used English due to a lack of skill in other languages (one segment). Also important was the status of languages as school languages, either as current (three segments) or as future (two segments) foreign languages. Ehm, wir haben überlegt was für eine Sprache man nehmen könnte, und dann haben wir überlegt, was für Sprachen wir jetzt im nächsten Schuljahr lernen müssten, und da war dann bei uns in der Gruppen halt zwei Leute, die Spanisch lernen müssen, haben wir uns halt auf Spanisch geeinigt. (FG1) An interesting example is the use of Russian, which was mentioned only in one focus group, by one student. He explained that the use of Russian was motivated by a lack of language skills in his group beyond German and English. As they did not speak any other languages, they had to choose between all languages they did not speak as their third language. The student explained further why Russian specifically was chosen: Nein, wir haben, wir konnten nur Deutsch und Englisch, deswegen haben wir Russisch genommen, weil es gerade durch den Ukraine Krieg aufgeleuchtet hat. (FG2) Notably, later in the focus groups, students mentioned languages they speak at home, which were not used in their stories (and were not mentioned, therefore, in the discussion of why they used the languages they did use). 3.2.2. Factors influencing integration/ non-integration of languages beyond English The next code-category helps us understand the factors that supported or hindered integration of languages beyond English from the perspective of students. A range of statements made might best be summarized as falling under the vagaries of teaching reality. Two codes (two segments) credit time constraints for failure to include several languages. Several codes - nearly all from a single focus group - refer to forgetting the requirements to include several languages (nine codes, eleven segments) or to mislaid/ lost instructions (one code, one segment). As the majority of stories from grade 9 included more than one language, this might not have been a typical experience. Task factors were referred to both as justification for including additional languages (as this was a task requirement) and for not including them (non-comprehension of task) (two codes, two segments). Also, ehm, ich kann, glaube ich, für unsere ganze Klasse sprechen, wir haben das nicht so ganz kapiert, sagen wir das mal so. (FG3) Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 85 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 Beyond the vagaries of teaching reality, four codes (four segments) refer directly to absence of language competence and how this relates (usually: negatively) to including additional languages. This absence of language competence should not be misunderstood as an inability to tap into resources that would have allowed the inclusion of additional languages. One student acknowledged the option of using translation tools for multilingual writing (and argues against this, due to concerns of this not contributing to language competence), while one student cited that it would have been awkward to use a language only they spoke: Bei uns in der Gruppe war eigentlich nur Englisch, eeh weil ja der einzigste, der bei uns in der Gruppe noch ne andere Sprache konnte, war ich, und dann bisschen komisch gewesen so. Ja. (FG3) Of special interest are those codes that cite the story or storytelling in general as reasons to include or not include languages beyond English. Four codes (four segments) clearly fall into this category, all stemming from the same focus group. Factors cited against including additional languages are focus on plot, rather than on languages, and it not making sense within a plot to have additional languages. The idea to draft a plot that would have allowed all this, or to include characters or situations that would have supported use of multiple languages, was not mentioned. These were things, though, that pop up in another code-category (“Ways of integrating languages beyond English”), which will be discussed below. Finally, one code/ one segment each could be identified that referred either to the needs of readers (the confusion readers might experience who do not understand all languages in the text) or to the logic of the source text (which was monolingual). Overall, many more codes from this code-category were about justifying noninclusion, with only one code explaining inclusion of languages besides English (citing the formal task requirement to do so), while a number of codes might be seen as neutral, providing additional information on these points without stating explicitly whether this supported or hindered including additional languages. 3.2.3 Ways of integrating languages beyond English Four codes (four segments) were identified that connected language choice to the characters in the stories - all from one focus group, and, more specifically, relating to the same IF. This group had created a new character, a German exchange student in the US who was studying Spanish at school, adding her to the existing roster of characters and using her as a device to integrate both languages into the story. In several interviews, the interviewer asked explicitly about connections between the branching structure allowed by Twine and its integration into the game, through player choices/ story branching connected to languages. They did not succeed to elicit examples for this from any of the focus groups, to whom this seemed to be a novel idea they had not considered in writing their stories (even though this was demonstrated in the sample IF). 86 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 Two codes (two segments) were identified that connected language choice to setting: In one story, the visual landscape was used to introduce Spanish through a Spanishlanguage advertising board. Even though one of the preparatory lessons looked specifically at languages in California, the decision to use Spanish was not based on their knowledge of local language use, but on their own prospective language studies. It is surprising that there are few comments regarding drawing upon characters and setting to introduce languages. Preparatory activities (learning about languages in the book’s settings, an activity in which students imagined which languages they could see or hear in specific book locations, a linguistic soundscaping activity), as well as the sample story and the task description prompted exactly these kinds of storytelling. Instead, other ways to integrate languages were sought for - such as using the narrator/ game interface for adding additional language (one code, one segment) - or the task instruction was ignored. 2 4. Discussion This paper aimed to investigate how a pedagogical intervention based on multilingual IF can teach (multi-)literacies, including plurilingual competences, and support the development of plurilingual identity by creating a context for the use of learners’ full repertoires in social settings (i.e. translanguaging spaces). We will structure the conclusion along these lines. 4.1 Teaching (multi-)literacies: Promoting plurilingual competencies in an IF setting This project aimed to provide a space for developing multiliteracies, with a focus on storytelling that draws on a range of linguistic resources and that utilizes the narrative opportunities of IF. The stories analyzed contained few examples of effective use of more than one language in the sense of CEFR’s Companion Volume’s “Building on plurilingual repertoire” (C OUNCIL OF E UROPE 2018). This is surprising when compared against students’ self-assessment of productive plurilingual competencies, where the majority of students had agreed with can-do statements describing e.g. the ability to use a fitting word from another language, even if this requires explanations, to switch to a language an interlocutor feels more comfortable in, or the ability to draw on similarities and differences between metaphors and proverbs for humor or rhetorical effect. If the selfassessment correctly reflects the students’ ability to draw on their plurilingual reper- 2 In discussions of the stories read as part of peer feedback, a broader range of using words or sentences in the narration were mentioned and critically assessed. Students were well able to critique the multilingual storytelling strategies of others, even if they themselves had struggled or avoided engaging in multilingual storytelling themselves. Teaching (multi)literacies, supporting multilingual identities 87 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 toire, then they did (rarely) succeed in applying these skills to their IFs. The present data is insufficient to determine if the task itself was unsuitable to tap into (and provide a space for practicing) plurilingual competencies, or if the self-assessment of students’ plurilingual competencies was inaccurate maybe borne out of a lack of experience with tasks that required application of these plurilingual competencies. The overall challenge involved in creating literary IF might have been a contributing factor as well, as evidenced by many stories with minimal narrative text beyond the choices, and little information provided on characters and their motivations, on places and their features. Some of the stories lacked the canvas for integrating some multilingual practices (e.g. the absence of dialogues). Against this backdrop, it is not surprising that the choice structure of IF was utilized so little for plurilingual storytelling. Letting a player choose in which language to respond (like modelled in the sample story) would have been an obvious way of combining the requirements for IFs and for plurilingual storytelling. The only IF approaching this is the story discussed above, in which the player can decide to keep encouraging a character to demonstrate their language skills. The player, though, is taking up the role of the encourager, not of the plurilingual speaker. In the focus groups, too, we had many indications that students struggled with the language requirement. This difficulty in imagining how multilingual storytelling could look like seems to have been insufficiently supported by a range of preparatory activities, from a sample story that modeled possible ways to include additional languages, to linguistic landscape/ soundscape focused activities or learning about multilingualism in the US/ California and in Australia/ Darwin. For students, the abstract knowledge “Spanish is a frequently spoken language in California”, did not translate into the ability to use this in storytelling. That this was not mitigated even by the presence of multilingual students in the group will be taken up in the next section. 4.2 Supporting identities Even though this project revealed aspects of language related identity (e.g. students seeing themselves as future learners of French), it is unclear in how far it succeeded in supporting these, in the sense of contributing to increasingly elaborate future selves, or to a stable Ideal Multilingual Self. While the intervention had the potential to create a (digital) translanguaging space (W EI 2011) from the perspective of the task designers, student perspectives diverged on this point. One element in this might be related to the specific context of school, with its associated language policies and habitus (cf. G OGOLIN 2008), including those specific to the EFL setting (e.g. English as default). Of special interest in this context is the selection of languages in the stories, including considerations of which languages were not included. Even if the task partially succeeded in creating a translanguaging space, not all linguistic resources were brought into it equally. The stories drew on English, German, Spanish, French, Romanian and Russian. Italian, Albanian and Turkish were identified as mother tongues by these students, but not used in the stories, nor were other languages iden- 88 Jules Buendgens-Kosten, Frederik Cornillie, Shannon Sauro DOI 10.24053/ FLuL-2023-0022 52 • Heft 2 tified as playing a role in students’ lives within the group. Focus group data suggests that students were aware of the option of using L1s, but did not generally utilize this option, with few exceptions. Of note, the potential for drawing on the linguistic repertoire of multilingual students within the group was perceived, albeit not utilized, by people who did not identify themselves as multilingual: Aber ich glaube so (unv.), wenn wir diese zwei Stunden noch gehabt HÄTTen, die dann jetzt gefehlt haben, eh, und dass wir dann noch mal ein bisschen mehr drauf eingegangen wären mit diesen MEHRsprachigen, weil ja bei uns auch mehrere Leute gibt, die auch mehrere Sprachen sprechen (FG1) Naturally, multilingual identity also encompasses languages formally studied at school. It is interesting in this context that several students in grade 9 pointed towards Spanish as an element of their ‘prospective multilingualism’. The fact remains, though, that the majority of stories analyzed that used additional languages did not seem to reflect many of the practices associated with multilingualism in authentic contexts of language use, such as conversational code-switching or strategic code-choice depending on context and interlocutor(s). When students did draw on their full linguistic repertoire, they seemed to do so primarily in order to meet formal task requirements, rather than as a means to reflect their own or their community’s language practices in their stories. 5. Conclusion Multilingual storytelling appears to be a non-trivial challenge for EFL learners at German secondary schools. In this study, we found indications that the writing of multilingual IF might create a space for identity work. It also laid bare the need for intensive scaffolding, including more intensive work with text models and more support in transferring out-of-school language use experiences to the writing activities. 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An explanation of the theoretical principles and central elements of the learning opportunity for future English teachers is followed by a summary of the accompanying mixed-methods analysis. Subsequently, the ways in which the seminar supports the development of digital gaming literacy among the targeted pre-service teachers is discussed. 1. Einleitung Digitale Spiele und Spielpraktiken (nachfolgend: Gaming) werden zunehmend als authentische und multimodale Artefakte für den fremdsprachlichen Englischunterricht thematisiert (siehe u.a. J ONES / S CHMIDT 2020; B ECKER 2021). Als ein interaktives Medium bietet Gaming rezipierende und produzierende Gelegenheiten zur persönlichen, inter- oder transkulturellen Bildung (vgl. B LUME 2021; T HORNE / S AURO / S MITH 2015). Es kann dabei vielfältige Kommunikationsanlässe fördern und verfügt über einen oft attestierten motivationalen Charakter (vgl. R EINDERS / W ATTANA 2015). Wie auch bei traditionelleren Textsorten weist Gaming jedoch neben den Potenzialen exkludierende Elemente auf, die die Teilhabe von Schüler*innen aufgrund von Ethnie, Religion, sprachlichem Hintergrund, Gender oder sozioökonomischem Status * Korrespondenzadresse: Dr. Carolyn B LUME , Juniorprofessorin für digitales Lehren und Lernen, TU Dortmund, DoKoLL (Dortmunder Kompetenzzentrum für Lehrer*innenbildung und Lehr-/ Lernforschung), Emil-Figge-Str. 50, 44227 D ORTMUND E-Mail: carolyn.blume@tu-dortmund.de Arbeitsbereiche: Englischdidaktische Lehrer*innenbildung, Inklusion, Digitalisierung 1 Das diesem Aufsatz zugrundeliegende Vorhaben wurde im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1930 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin. Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 91 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 gefährden. Hinzu kommen etwaige Hürden in Zusammenhang mit inhaltlichen oder technischen Voraussetzungen, die v.a. Lernende mit Behinderungen ausschließen können (vgl. E ILERT 2020: 208; E LLIS / K AO 2019). Insofern ist für Englischlehrkräfte eine professionelle digital gaming literacy vonnöten, die sowohl die inkludierenden Potenziale als auch die exludierenden Gefahren in Zusammenhang mit fremdsprachlichen Lernzielen kontextualisiert und reflektieren lässt. An dieser Stelle setzt die englischdidaktische Lerngelegenheit für Lehramtsstudierende der TU Dortmund Digital Gaming in English Language Teaching an. Ziel des Seminars ist es, das Wissen und die positiven Einstellungen von zukünftigen Lehrkräften hinsichtlich der teilhaberelevanten Potenziale von Gaming im Englischunterricht aller Schulformen zu fördern. Hierzu gehört die Entwicklung einer Reflexionskompetenz, die es den teilnehmenden Studierenden ermöglicht, über das thematisierte Gaming hinaus Spiele und Spielpraktiken kritisch auf ihre situationsbedingten Partizipationsmöglichkeiten zu evaluieren. In diesem Beitrag werden im zweiten Abschnitt ebenjene inklusiven und exkludierenden Inhalte und Formen von Gaming skizziert. Anschließend werden in Abschnitt 3 relevante Inhalte des fachdidaktischen Seminars näher erläutert. Nachfolgend wird in Abschnitt 4 die begleitende Beforschung des Seminars unter Berücksichtigung der digital gaming literacy als Kompetenz für Englischlehrkräfte dargestellt. Der Schlussabschnitt (5) bietet eine Zusammenfassung und einen Ausblick. 2. Inklusion und Exklusion im englischsprachigen Gaming Als Begriff bezieht sich Gaming sowohl auf die digitalen Spiele selbst als auch auf die ihnen naheliegenden Praktiken, wobei die spielimmanenten und die spielbezogenen Praktiken der Spielenden 2 in den Vordergrund gerückt werden. Hier entwickelt sich u.a. eine englischsprachige Diskursfähigkeit (vgl. J ONES 2018). Zwar stellt Gaming eine globale Praktik dar und wird zunehmend in multiplen Sprachen ausgetragen (vgl. T HORNE / S AURO / S MITH 2015), gleichwohl findet es nach wie vor überwiegend auf Englisch oder mit weitreichenden englischsprachigen Komponenten statt (ebd.). Gaming auf Englisch ist nicht nur zahlenmäßig überrepräsentiert; es stellt eine Form des kulturellen und linguistischen Kapitals nach Bourdieu dar, welches eine symbolische Macht entfaltet. Diejenigen, die Gamingpraktiken ausüben, können sich an Diskursen beteiligen, von denen Nicht-Spielende ausgeschlossen sind. Das Wissen um bekannte Figuren aus der Spielszene, Debatten in der Gaming-Community oder spielaffine Begriffe stellt die Möglichkeit zur Partizipation in bestimmten Gemeinschaften und Anerkennung als Expert*in dar (B LUME 2019). In Bezug auf das formale Fremdsprachenlernen wird Gaming als kreatives, identitätsbildendes und kritisches 2 Aufgrund des umfangreichen Diskurses zum Begriff des ‚Gamers‘ wird hier stattdessen von Spielenden gesprochen. Damit sind auch diejenigen Menschen gemeint, die spielaffine Praktiken ausüben. 92 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 Kommunikationsformat erkannt, das hinsichtlich englischsprachiger Lerngelegenheiten reichhaltiges Potenzial bietet. 2.1 Inklusionsverständnis In diesem Beitrag wird ein breites Inklusionsverständnis zugrunde gelegt, das sowohl (Lern-)Behinderungen als auch Differenzen aufgrund von Neurotyp, Ethnie, Migrationshintergrund, Religion, Gender, Sprache und sozioökonomischem Status als relevante Differenzmerkmale umfasst, die zur Benachteiligung bzw. Marginalisierung führen (vgl. B UDDE 2017: 24). Das Inklusionsverständnis in diesem Sinne schließt eine kritische und ressourcenorientierte Perspektive der Diversitätsbzw. Heterogenitätsorientierung mit ein (ebd.: 22), welche die geltenden normativen Ansprüche an Kognition, Verhalten, intime Beziehungen und Körper infrage stellt (vgl. B ROWN / A NDERSON 2021: 704). So sollen unter Berücksichtigung der Partizipation von marginalisierten Individuen und Gruppen und unter Zuhilfenahme machtkritischer Theorien zu Rassismus, Heteronormativität, Klasse und Dekolonisierung gesellschaftliche (hier: schulische) Veränderungen angestrebt werden, die der Diversität aller Beteiligten gerecht werden. Hierzu gehört der Abbau von sichtbaren und unsichtbaren Barrieren, die die Diskriminierung in Form von u.a. sozialer Isolation, akademischer Chancenungleichheit oder unzureichender beruflicher Qualifizierung reproduzieren (vgl. R IEGEL 2022: 8). 2.2 Gaming als inkludierendes und exkludierendes Feld Die Darstellung von Differenz innerhalb von Spielwelten und der Umgang damit in Praktiken, Produkten und Prozessen ist ein etablierter Aspekt von Gaming-Diskursen und der technischen Entwicklung von Gaming. Es werden u.a. interaktive Aushandlungsprozesse von Sprachlernenden (vgl. Z HENG et al. 2009), die Berücksichtigung behinderter, gegenderter und ethnischer Körper und Kulturen (vgl. B AIRD 2021; B LUME 2022; J ONES 2020) und die Auseinandersetzung mit Diskriminierung bzw. Benachteiligung thematisiert (vgl. E LLIS / L EAVER / K ENT 2023a). Eng damit verbunden ist die Analyse von Partizipationsmöglichkeiten in dezidierten oder inklusiven Spielgemeinschaften (vgl. K REMSNER / S CHMOELZ / P ROYER 2023). Darüber hinaus findet eine rege Auseinandersetzung mit Themen/ Fragen der Spielbarkeit (playability) durch Menschen mit kognitiven, sensorischen oder motorischen Beeinträchtigungen statt (vgl. E LLIS / K AO 2019). 3 Das Potenzial von Gaming als identitätsbildende Aktivität trifft nicht nur auf einzelne Menschen oder Gruppen zu; insgesamt bietet es aus Sicht der Spieltheorie einen geschützten Erprobungsraum für die persönliche Entwicklung (vgl. S CHMIDT / 3 Zusätzlich werden zur gezielten Behebung von Behinderungen Spiele bzw. spielerische Interventionen entwickelt. Da behinderte bzw. beeinträchtigte Spielende diese häufig als objektivierend ablehnen, werden sie in diesem Beitrag nicht weiter thematisiert (vgl. E LLIS / K AO 2019: 113; B ROWN / A NDERSON 2021: 704). Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 93 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 S CHMIDT / S CHMIDT 2016: 5). Gaming gilt aufgrund der sprachlichen Handlungen, die damit einhergehen, als höchstrelevant für das Fremdsprachenlernen (vgl. B ECKER 2021; D IXON / D IXON / J ORDAN 2022). Ebenso gilt die Auseinandersetzung mit der eigenen und mit fremden Identitäten als wesentlicher Aspekt des Fremdsprachenlernens (vgl. N ORTON 2013). So können Aktivitäten in und um Gaming über die Sprachkompetenz hinaus die Identität der Spielenden, wenn sie in der Zielsprache in Gamingszenarien agieren, prägen (vgl. B LUME 2021; P AIZ 2019). Auch G EE (2005: 34) sieht im Gaming eine identitätsbildende und zugleich lernrelevante Möglichkeit: „Good video games capture players through identity. […] Players become committed to the new virtual world in which they will live, learn, and act through their commitment to their new identity“. In Abwesenheit realer Konsequenzen werden vielfältige Gelegenheiten zur Identitätsinszenierung angeboten, die es den Beteiligten ermöglichen, alternative Aspekte des Selbsts auszuprobieren (vgl. B ACALJA 2020). In dieser kulturell entgrenzten Umgebung lernen Spielende neue Rollen- oder Lebensbilder kennen, die den eigenen (Sprach-)Identitätshorizont erweitern (vgl. V AZQUEZ - C ALVO / T HORNE 2022). Sie etablieren dig-entities (digital identities) (vgl. E LLISON 2014: 340), die ihr Selbstbild reflektieren und gleichzeitig prägen. Das Gaming des als lernbehindert beschriebenen Informanten von B UNCE / H ERBERT / C OLLINS (2007) wird als „almost a kind of liberation“ (196) beschrieben. Deutlich wird, wie sonst marginalisierte Individuen gesteigerte Handlungsfähigkeit erfahren. Menschen, deren Behinderung die physische Präsenz erschwert, können z.B. in virtuellen Settings aktiv teilhaben und den Diskurs identitätsrelevant mitgestalten (vgl. A NDERSON / J OHNSON 2022; E ILERT 2020: 209). Es werden ferner durch partizipative Ansätze im Gaming neue Narrative, Charaktere, Handlungen oder Mechaniken eingebracht, um atypische Identitätsmerkmale positiv konnotiert darzustellen (vgl. B AIRD 2022: 358, 361). Zwar bleibt die positive Berücksichtigung weiterer marginalisierter Individuen nach wie vor begrenzt (vgl. P ASSMORE / M ANDRYK 2018: 372; B ROWN / A NDERSON 2021: 703), jedoch entwickelt sich Gaming zu einem Ort der aktiven Teilhabe im konkreten (barrierefreien) und im übertragenen (soziale Partizipation) Sinne (vgl. D ALSEN 2023: 25). Obgleich die identitätsbildenden Merkmale von Gaming inklusive Potenziale bieten, erfahren viele Spielende ebenso exkludierende Praktiken in Bezug auf Gaming. Vor allem ist hinsichtlich rechtsradikalen, misogynen und nationalistisch bzw. chauvinistischen Gedankengutes belegt, dass viele Gamingkontexte Diskriminierung perpetuieren (vgl. C OLLISTER 2016; V EALE 2020). Zusätzlich zu diesem sogenannten toxischen Verhalten stellen die unbedarfte Repräsentation marginalisierter Menschen sowie das Vorhandensein technischer Barrieren Hürden zur Partizipation dar. Trotz des zahlenmäßigen Vorrangs von Frauen und der als weiblich gelesenen Personen wird Gaming nach wie vor mit männlichen Spielenden assoziiert und die Identität als Gamer wird weiterhin v. a. jungen, heterosexuellen Männern zugeschrieben (vgl. B UENDGENS -K OSTEN 2016; E LLIS / L EAVER / K ENT 2023b; R OMANO 2020). Dieser Prozess geht mit einer Trivialisierung von Genres oder der Barrierefreiheit einher, die z.B. als weiblich oder vereinfacht konnotiert werden (vgl. B ROWN / A NDERSON 94 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 2021: 712). Als förderlich für dieses problematische Verhalten gilt die zuvor erwähnte schützende Anonymität im Gaming (vgl. C OLLISTER 2016: 359). Weitere Partizipationshürden ergeben sich aus fehlender oder negativer Repräsentation. D ALSEN (2023: 21f.) zeigt auf, wie Mechaniken, die die Gesundheit oder Abwehr von Verletzungen für den Erfolg des Spielenden zentrieren, Krankheit und Behinderung negativ konnotieren. In Bezug auf Sichtbarkeit und Zugänglichkeit können sich intersektionale Formen der Benachteiligung gegenseitig verstärken (vgl. B UENDGENS -K OSTEN 2016: 200; C OLLISTER 2016: 361). Zwar werden v.a. - aber nicht nur - durch indie games zunehmend Menschen dargestellt, die von der weißen, cis-heterosexuellen und unbehinderten Norm abweichen (vgl. D ALSEN 2023: 23-27; K AO / W OODS 2023: 42). Den Entwickler*innen dieser und kommerzieller Spiele sowie den Spielenden fehlen jedoch nach wie vor in vielen Fällen das Bewusstsein bzw. die Handlungsmöglichkeiten, um intersektionale Gaming-Erfahrungen produktiv zu berücksichtigen (vgl. G RAY 2015: 56ff.; E LLIS / K AO 2019: 117; B ROWN / A NDERSON 2021; E LLIS / L EAVER / K ENT 2023a). So erläutern z.B. die Streamer*innen D OMI / K ATY (2023), wie das textbasierte Spiel Last Legacy (Fictif Games o.J.), welches angeblich ein genderinklusives Narrativ bedient, queerfeindliche Entscheidungen der Spielenden im Quellcode stellenweise mit positiven Ergebnissen belohnt. Angesichts der eben beschriebenen Möglichkeiten mit Gaming, sowohl inkludierende als auch exkludierende fremdsprachliche Lerngelegenheiten zu inszenieren, bedarf der Einsatz von Gaming eine Lehrkraftkompetenz, die ein inhaltliches Verständnis für die Potenziale und Herausforderungen von Gamingartefakten und -praktiken im Englischunterricht hinsichtlich identitäts- und sprachbildender Zwecke mit einer kritischen didaktischen Reflexionskompetenz verzahnt. An dieser Stelle setzt das Seminar Inclusive Gaming in English Language Teaching an. 3. Englischlehrkräfteausbildung: Digital gaming literacy für inklusives Gaming 3.1 Digital gaming literacy als Kompetenz für Englischlehrkräfte Digital gaming literacy kann als eine Komponente von Multiliteracies (vgl. C OPE / K ALANTZIS 2009) verstanden werden, die zunehmend als Aspekt der Medienkompetenz Einzug in bildungspolitische Konzepte hält (vgl. LKM 2015). In Anlehnung an andere digitale Kompetenzmodelle für Lehrkräfte werden förderliche Einstellungen, fundiertes Wissen über die Gegenstände sowie eine kritische Reflexionsfähigkeit als Kernelemente einer digitalen (Gaming) Kompetenz für Lehrkräfte vorausgesetzt (vgl. B OURGONJON / H ANGHØJ 2011: 71; N OUSIAINEN et al. 2018). B ACALJA (2020) hebt hervor, dass ein zielführendes Lehrkräftehandeln ausschlaggebend dafür ist, ob die etwaigen identitätsbildenden Affordanzen von Gaming wie in Abschnitt 2.3.1 beschrieben zustandekommen können. Anhand seiner Fallstudie resümiert er (ebd., o.S.): Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 95 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 Student capacity to engage in projective [identity] work within the classroom space was dependent on the game identities they brought with them and the pedagogical tools which created the opportunities for these identities to be enacted in the classroom space. Diese Analyse betont die Notwendigkeit einer relevanten Lehrkraftkompetenz, damit die sprachförderlichen und zugleich identitätsbildenden Möglichkeiten vom unterrichtlichen Gaming realisiert werden können. Um dies zu entwickeln, wird in der nachfolgend beschriebenen Veranstaltung, die diese Kompetenz entwickeln sollte, auf Prinzipien einer reflexiven Lehrer*innenbildung zurückgegriffen (vgl. G ERLACH 2021). 3.2 Die Lehr-/ Lerngelegenheit Inclusive Gaming in English Language Teaching Das Seminar, welches erstmalig 2020 im Rahmen der inklusionsorientierten Lehrer*innenbildung der TU Dortmund 4 angeboten wurde, hat zum Ziel, eine kritische digital gaming literacy bei angehenden Englischlehrkräften aller Schulformen zu fördern. Hierfür werden reflexive Aufgabenformate eingesetzt, um das Wissen über Gaming als englischsprachige Lerngelegenheit in inklusiven bzw. heterogenen Settings mit diesbezüglich positiven Einstellungen zu fördern. Darüber hinaus sollen Studierende eine Reflexionskompetenz hinsichtlich der Gaminggenres und -formate mit einem Fokus auf identitätsbildende Ansätze bei gleichzeitigem Bewusstsein für teilhaberelevante Mechanismen herausbilden. Anhand einzelner Beispiele wird nachfolgend skizziert, welche didaktischen und inhaltlichen Ansätze der Lerngelegenheit zugrunde liegen. In den ersten Sitzungen steht die Reflexion der eigenen Spielerfahrungen im Vordergrund, um in späteren Diskussionen darauf zu rekurrieren. Hierdurch bildet die eigene Biographie eine Folie für die kritische Auseinandersetzung mit etwaigen vorhandenen Einstellungen gegenüber dem Gaming (vgl. G ERLACH / F ASCHING -V ARNER 2020: 229). Besonders in deutschen Lehrkräftebildungskontexten können ein ablehnender Habitus sowie negative Vorerfahrungen mit digitalen Medien in Schulkontexten für eine zurückhaltende Einstellung zum Gaming im Englischunterricht ursächlich sein (vgl. B LUME 2019, 2020). Nach einführenden Inhalten zu allgemeinen Aspekten von Gaming werden unterschiedliche Aspekte der inkludierenden Potenziale bzw. der exkludierenden Gefahren von Artefakten und Praktiken verschiedener Genres fokussiert. Im Anschluss hierzu identifizieren Studierende eine Vielzahl an Individuen bzw. Gruppen, bei denen in Gamingkontexten Marginalisierung droht, sammeln Beispiele für die Formen der Ausgrenzung und skizzieren Maßnahmen, die unternommen werden (könnten), um der Exklusion entgegenzuwirken (s. Abb. 1,  S. 96). 4 https: / / doprofil.tu-dortmund.de/ projekt/ 96 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 Abb. 1: FLINGA Sammlung zu Formen der Exklusion und etwaigen Gegenmaßnahmen Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 97 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 Ein weiteres Element des Seminars fokussiert die kritische Analyse unterschiedlicher Gaming-Ansätze für den Englischunterricht. In diesem Rahmen stellen Gastvortragende unterschiedliche Vorhaben vor, die beispielhafte Praktiken für verschiedene Schüler*innengruppen fachdidaktisch konkretisieren (s. Tab. 1). Im Anschluss an die Vorträge evaluieren die Studierenden den entlang der Kriterien des kommunikativen Englischunterrichts hypothetisierten Lernertrag der vorgestellten Ansätze und reflektieren etwaige Herausforderungen für den Einsatz in inklusiven bzw. heterogenen Lernsettings. Diese Reflexion dient der Herausbildung einer kriteriengeleiteten Evaluation, die in eine Analyse eines selbstgewählten digitalen Spiels als Game Review mündet. Titel des Vortrags / Workshops (in der Originalsprache) Gastvortragende*r (Institution) Fanfictions and Fantales J. Buendgens-Kosten (Goethe Universität Frankfurt) Wie kann man Gaming ohne Grenzen realisierern? M. Eilert/ S. Moes (Gaming ohne Grenzen e.V.) Virtual Reality (VR) in the EFL Classroom L. Hoenen (TU Dortmund) Myths and Truths about Games for Language Learning and Teaching J. Reinhardt (Arizona State University) Gaming in the Grundschule with Minecraft M. Ritter (WWU Münster) Teaching Fake News with Harmony Square J. Rösener (Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg) Designing Task-Based Teaching with Games J. York (Tokyo Denki University) Tab. 1: Gastvorträge und Workshops zu Gaming 4. Empirische Befunde zur Entwicklung der digital gaming competence Die nachfolgend ausgewählten Befunde hinsichtlich der Entwicklung der Einstellungen, des Wissens und der Reflexionskompetenz der begleitenden Beforschung des Seminars stammen von zwei Kohorten mit insgesamt n = 57 Studierenden. Dargestellt wird eine partielle Auswertung der vielfältigen Daten (s. Tab 2,  S. 98). 98 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 Instrument Konstrukt der digital gaming literacy Kohorte N Prä-/ Post-Seminar Fragebogen Einstellungen zu Gaming im Englischunterricht; selbstwahrgenommene Komptenz hinsichtlich Gaming im Englischunterricht 2 28 insgesamt; ausgewertet 21 Studienleistung (Game Reviews) Wissen und Reflexion hinsichtlich etwaiger inkludierender und exkludierender Aspekte von Gaming 1, 2 39 Transkripte der Gruppenaufgabe (Podcast Group Assignment) Wissen und Reflexion hinsichtlich etwaiger inkludierender und exkludierender Aspekte von Gaming 1 6, je 41 bis 78 Minuten Transkripte einer Gruppendiskussion (VR Gaming) Einstellungen zu (inklusivem) VR- Gaming für den Englischunterricht 2 4, je 32 bis 43 Minuten Tab. 2: Erhebungsinstrumente, Konstrukte und Kohorte 4.1 Einstellungen zu Gaming im Englischunterricht Anhand einer gekürzten Version eines zuvor validierten Fragebogens wurde in Kohorte 2 mit n = 28 Studierenden untersucht, inwiefern die Lehr-/ Lerngelegenheit zu lernförderlichen Einstellungen bezüglich des Gaming als ein didaktischer Ansatz im Englischunterricht allgemein beigetragen hat (vgl. B LUME 2020). Aufgrund fehlender Daten konnten n = 21 vollständige Datensätze ausgewertet werden. Es zeigte sich, dass sich die lernförderlichen Einstellungen zu Gaming für den Englischunterricht gleichzeitig sowohl positiv als auch negativ entwickelten. So reduzierten sich z.B. minimal die Bedenken der Studierenden, dass Gaming im Englischunterricht eine schädliche Abhängigkeit zu digitalen Medien befeuern könnte, wie ein T-Test für gepaarte Stichproben gezeigt hat (t(18) =,900, p = ,38, d = ,21). 5 Gleichzeitig gesellte sich zu dieser positiven Einschätzung die Befürchtung, dass Gaming im Englischunterricht für den regulären Einsatz zu zeitaufwändig sei (t(19) = -1,165, p = ,26, d = -,26). 6 Aufgrund der kleinen Stichprobe sind die Ergebnisse nur begrenzt aussagekräftig. Sie deuten auf einer Multidimensionalität des Konstrukts der Einstellungen hin, 5 Item: Students use digital devices too much already; I don't want to encourage this by using digital games or apps to teach English (Item wurde zur Codierung transformiert). 6 Item: Learning to play and playing digital games in English class is too time-consuming (Item wurde zur Codierung transformiert). Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 99 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 die eine Differenzierung zwischen allgemeinen und didaktischen Beliefs hinsichtlich Gaming vonnöten macht. Die anonymen Transkripte der leitfadengestützten Gruppendiskussionen, die zu VR-Spielen durchgeführt wurden, zeugen in einer induktiven qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. B URWITZ -M ELZER / S TEININGER 2016) ebenfalls von skeptischen Einstellungen zum Gaming im Englischunterricht, wie der folgende Auszug aus Gruppe „Zwei“ zeigt 7 : Hier weist eine Studierende explizit darauf hin, dass die Gruppe sich anhand einer der Fragen bemühen sollte, positive Aspekte des Einsatzes von VR zu nennen. S6: But what else do they learn? S5: They maybe also do it at home, like by themselves just because they want to. S8: Ah yeah problem solving skills. S6: Yeah, what else is the gain? Because, okay, they are speaking. S7: (laughing) We have to say positive things. S6: -they are speaking. Ah sorry. S7: (laughing) Positive things. S6: Ähm VR gaming is great for EFL (laughing) S7: That was a wonderful start. S8: (laughing) Now go on boy. S6: Because it's engaging and immersive and it offers- S7: I mean I think we have just like limited devices right now, but if everybody has like VR glasses and you're working in groups and you're playing in a group it might be better than what we just saw. This time this didn't really highlight like usefulness of VR. S6: It's still difficult to check by the teacher (inaudible). How do I know that Johnny here is not looking at something inappropriate (Group laughing) while everybody is - S7: I mean they are kind of streaming, everybody is streaming what they see, right? And would - S8: That quite loud, yes. Nach zögerlichen und generischen Aussagen zu den positiven Möglichkeiten für das Sprechen und das Engagement werden mit mehr Spezifik die Herausforderungen des VR-Einsatzes thematisiert. Auch wenn aufgrund der fehlenden Indikation des Tonfalls die Interpretation begrenzt ist, bieten das Gelächter, die atypische Verwendung 7 Es werden einfache Transkriptionsregeln nach D RESING / P EHL (2018) verwendet. 100 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 von boy sowie die Unterbrechung durch S7 weitere Hinweise dafür, dass eine positive Einschätzung von VR für diese Gruppe insgesamt nicht identifiziert wurde. Gleichwohl deuten einige Exzerpte von weiteren Gruppen darauf hin, dass andere Studierende durchaus positive Affordanzen von VR-Gaming für den Englischunterricht erkennen konnten. So identifizierten die Mitglieder der Gruppe „Eins“ multiple lernförderliche Aspekte des VR-Gaming für den Englischunterricht. Sie benennen in einer kurzen Passage gleich drei Ziele des Englischunterrichts: Kommunikation, interkulturelle Kompetenz und die Interaktion der Lernenden: S4: That would enhance the communication skills ähm S2: Also intercultural competence S4: And cultural compe/ competence ähm extremely (S2: Yeah). Ähm yeah, but but games as well yeah, just as we said and on the example of this game we can see that ähm communication in there is key (S1: Yeah) ähm S3: And it's not even limited to like the two people that are cooperatively playing this game, because the others were like shouting like, oh you can try this and that when we were like stalling on the progress (S4: Hm) so you can like, the whole classroom can interact if they want. I mean main interaction in communication is between the two players I'd say, (S2: Yeah) but you can have more people, yeah, contributing for conversation. Anzumerken ist, dass Mitglieder von Gruppe „Eins“ im Gegensatz zu Gruppe „Zwei“ vorher ein VR-Spiel durchgeführt haben, welches per Bildschirmübertragung von den anderen Gruppen verfolgt wurde. Ob diese Selbsterfahrung zur positiveren Einschätzung des Ansatzes geführt hat, bleibt spekulativ. 4.2 Wissen zu inklusivem Gaming Die Studierenden in der Post-Interventionsbefragung geben in einem T-Test an, sich kompetent zu fühlen. Diese Selbsteinschätzung ist signifikant höher als zu Beginn des Seminars, wobei nach wie vor die begrenzte Aussagekraft der kleinen Stichprobe zu beachten ist (t(20) = -3,63, p = ,002, d= ,792). 8 Die Selbsteinschätzung der Studierenden belegt zudem, dass ihr Wissen um geeignete Spiele signifikant gestärkt wurde (t(20) = -3,873, p < ,001, d = ,85). 9 Diese Selbsteinschätzung ist allerdings nicht mit einem Wissenstest validiert. Hierfür eignet sich ergänzend eine Analyse der Studierendenprodukte, inwiefern sie Prinzipien des inklusiven Gaming aufgrund von teilhabeförderlichen oder ausgrenzenden Aspekten adressieren. 10 8 Item: I don't know how to use digital games to teach English (Item wurde zur Codierung transformiert). 9 Item: I know about digital games I can use for teaching English. 10 Das Einverständnis zur Auswertung der Seminaraufgaben und -produkte wurde von den Studierenden vorab eingeholt. Nur die Transkripte bzw. Produkte von Studierenden, die eingewilligt haben, werden in Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 101 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 Für die Game Reviews (siehe 3.2) konnten 39 Einreichungen berücksichtigt werden. Alle Beiträge wurden einer quantitativen und qualitiativen Inhaltsanalyse unterzogen (vgl. B URWITZ -M ELZER / S TEININGER 2016: 257-259.). Inhaltlich thematisierten 28 Reviews explizit Aspekte von Inklusion bzw. Diversität; die restlichen elf Reviews adressierten implizit Fragen der Teilhabe, indem sie Voraussetzungen zur kognitiven Leistung oder zur Personalisierung beschrieben haben, ohne jedoch einen konkreten Bezug zur Behinderung oder zur Repräsentation marginalisierter Spielender herzustellen. In 22 der Reviews wurden mögliche technische Barrieren für Spielende mit körperlichen, sensorischen oder motorischen Behinderungen identifiziert. Eine relativ geringe Zahl von Reviews demgegenüber nannte Themen der Inbzw. Exklusion wie Gender, Ethnie oder sozialem Status: acht Reviews haben untersucht, ob LGBTQIA* Charaktere vorhanden seien oder erstellt werden könnten. Nur drei Studierende diskutierten die (nicht) vorhandene ethnische Vielfalt der Spielavatare. In zwei Reviews wurde die mögliche Exklusion auf Basis des sozioökonomischen Status thematisiert. Ebenfalls wurde in einer Review das Potential einer Retraumatisierung von Spielenden aufgrund der Fluchtthematik erwähnt. Lediglich drei Reviews adressierten die Gefahren von Exklusion im Austausch mit anderen Spielenden. Insgesamt deutet die Inhaltsanalyse der eingereichten Beiträge darauf hin, dass die Studierenden ein basales Verständnis für unterschiedliche inkludierende bzw. exkludierende Elemente von Spielen haben. Zwar haben sie durchaus vorhandene exkludierende Elemente erkannt, diese jedoch in ihrer Gesamteinschätzung, ob ein Spiel für den inklusiven Englischunterricht geeignet sei, nicht thematisiert. Stattdessen ziehen sie mehrheitlich das Fazit, dass das analysierte Spiel für den Englischunterricht trotz den genannten Barrieren zu befürworten sei. Inwiefern diese Entscheidung behinderte Schüler*innen exludiert, wird weitestgehend nicht berücksichtigt. In einigen Fällen entscheiden sie sich alternativ aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit dafür, gesamte Spielgenres auszuschließen. Vor allem hinsichtlich VR-Gaming wurde die Ablehnung dieser Spiele aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit begründet. Es ist zu hinterfragen, inwiefern ein Verständnis für inklusives Gaming vorhanden ist, wenn die fehlende Barrierefreiheit zwar zur Kenntnis genommen wird, aber entweder nicht in die abschließende Evaluation der Angemessenheit des Spiels für den Englischunterricht fließt oder zum Kurzschluss führt, dass ganze Genres inakzeptabel seien. Hier wird deutlich, dass insgesamt mehr Wissen über Akkommodationsmöglichkeiten sowie ein besseres Verständnis für die Handlungsfähigkeit von behinderten Spielenden vonnöten ist. Ebenfalls gehen Studierende anscheinend anhand der gewählten Spiele für die Game Reviews davon aus, dass Gaming ohne Anbindung an Spielcommunities eher für den Englischunterricht geeignet sei als ein solches, das den Austausch mit anderen Spielenden fördert. Diese Präferenz suggeriert ein naives Verständnis zur Relevanz der Interaktion sowohl für das Gaming als auch für das Engden Analysen berücksichtigt. Die hier fokussierten Game Reviews wurden aus forschungsethischen Gründen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen benotet. 102 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 lischlernen, was vermutlich durch die Sorge um potenziell problematische Aspekte intensiviert wird. Obwohl die meisten Analysen lediglich ein oder zwei Aspekte der Inklusion kurz erwähnten und widersprüchliche Schlussfolgerungen zur Nutzung in Lehr-/ Lernkontexten zogen, haben fünf Studierende Analysen vorgenommen, die ein komplexes Verständnis für inkludierende bzw. exkludierende Elemente darstellen. Bezugnehmend auf ein früheres Spiel des Produzenten Naughty Dog schrieb ein Studierender z.B. über das von ihm fokussierte Spiel Heavy Rain (2016) folgendes: If Naughty Dog’s The Last of Us Part II (2020) is the holy grail of accessibility options, then Heavy Rain (2016) is a plastic cup. […] Unfortunately, these limiting circumstances are excluding, for example for people with color blindness or spinal muscular atrophy. On top of that, the game might ask you to hold multiple buttons simultaneously, thus intentionally forcing the player’s hand into uncomfortable positions during the most impactful situations of the story: the Quick-Time-Events (in short: QTE). (PK_2022). Mit seiner anschließenden Analyse dieser sogenannten QTEs deutet der Studierende ferner an, dass das Spiel eine problematische Verquickung von schnellen Reaktionen, Gesundheit und Tod vornimmt, wie es von D ALSEN (2023) thematisiert wurde. Hier zeigt sich eine ausführliche und teilweise kritische Analyse von einem Game, welches nicht als Lernspiel konzipiert wurde. 4.3 Reflexionskompetenz hinsichtlich Gaming Die Reflexionskompetenz wird in diesem Zusammenhang als die Aktivierung des eigenen Wissens sowie das Problematisieren der eigenen Überzeugungen definiert, wobei die fehlende Praxisanbindung nur eine Annäherung an eine situierte Reflexionskompetenz erahnen lässt (vgl. G ERLACH / L EUPOLD 2019: 76, 85). Es gibt in den Transkripten einer Gruppenaufgabe Indizien dafür, dass viele Studierende die Potenziale und Problematiken von Gaming im Englischunterricht kritisch reflektieren. Für diese Aufgabe haben Studierende sich unterschiedliche Podcasts zu Themen der Exklusion in Gaming angehört, sich hierzu dann im sogenannten Gruppenpuzzle ausgetauscht und nach Einwilligung der Gruppenmitglieder aufgenommen. Hier zeigt sich, dass einige Studierende in der Lage sind, ihre eigenen Erfahrungen differenziert zu evaluieren, intersektionale Ausgrenzungen bzw. themenübergreifende Muster bei der Exklusion zu erkennen und mögliche Handlungsmaßnahmen zu identifizieren und abzuwägen. Vor allem weibliche Studierende und Spielnoviz*innen berichteten im Zusammenhang mit Ausgrenzungen von eigenen Erfahrungen in Gamingkontexten, die mit einer Sensibilität für die Aussagen anderer marginalisierter Spielender einherzugehen scheint. Mehrere Reflexionen zeugen von einem vertieften Verständnis für die Herausforderungen von weiblich zu lesenden Spielenden, die Gamingpraktiken ausüben. Darüber hinaus sind die Studierenden z.T. in der Lage, sich in die Rolle von Lehrkräften hineinzudenken und über ihre eigene Handlungsfähigkeit zu reflektieren. Vor Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung 103 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 allem in Bezug auf exkludierende Mechanismen in Gaming-Kontexten nutzen sie ihre eigenen Spiel- und Schulerfahrungen als Folie dafür, ihr künftiges Handeln zu antizipieren und zu informieren: P1: Now. What do you think about school? As a, as an adult, you’ll always think I should have done more, because I think most people know somebody who got bullied in school. And now that you’re especially a teacher, you know, I’m terrified of not noticing at all in a way. And I think we as teachers also should be aware, not only in a classroom, but maybe also, you know, online or something like that, or students could experience or kind of foster that kind of behavior … P3: I’m also not terrified of not, not noticing bullying in my class, but more of noticing and not taking the right steps. But yeah, German has a very good word: verschlimmbessern (G2_CB_#01: 17: 48-9#). Dieser Austausch, der auf Berichten über aggressives Verhalten in Form von Mobbing in digitalen Spielräumen folgte, zeugt von der Verunsicherung der Studierenden, wie sie als Lehrkräfte mit Exklusionsprozessen online und offline umgehen sollen. Gleichermaßen stellt das Gespräch die biographisch geprägte Reflexion der Studierenden dar, die eine wichtige Komponente zur Professionalisierung bildet. 5. Schluss Anhand ausgewählter Daten der Begleitforschung zum Seminar Inclusive Gaming in English Language Teaching wird in diesem Beitrag untersucht, inwiefern die Studierenden Aspekte einer digital gaming literacy entwickeln. Hierfür werden die Einstellungen, das Wissen und die Anbahnung einer Reflexionskompetenz für das inklusive Gaming fokussiert. Die Analyse aller drei Kompetenzbereiche deutet darauf hin, dass diese Teilkompetenzen bei den Studierenden unterschiedlich ausgeprägt sind. So wird anhand der zum Teil widersprüchlichen Ergebnisse (vgl. Abschnitt 4.1) vor allem deutlich, dass die thematisierte Heterogenität der zukünftigen Schüler*innen in der Heterogenität ebenjener angehenden Lehrkräfte gespiegelt wird. Diese Erkenntnis mag zwar offensichtlich erscheinen, ist jedoch angesichts der verbreiteten Annahme einer spielenden Generation von heranwachsenden Lehrkräften nicht selbstverständlich (vgl. B LUME 2020). Sie unterstreicht die Notwendigkeit, skeptische Einstellungen hinsichtlich des Gaming zu adressieren. Ebenso deutlich wird anhand der Daten, dass der Aufbau von kritischem Wissen mit einer situierten Reflexion einhergehen muss. K LEMPIN (2019: 88) hebt C LARÀ s (2015: 266) Frage hervor, „inwieweit Wissensbestände für den Reflexionsprozess genutzt werden.“ Die Antwort deutet angesichts der Daten der hier beschriebenen Lehr-/ Lerngelegenheit darauf hin, dass diese Wissensbestände nicht konsequent für die Reflexion herangezogen werden. So kann mit Blick auf die Diskrepanz in den Game Reviews zwischen dem Wissen um Barrieren und dem perspektivischen Nutzen im Englischunterricht argumentiert werden, dass das vorhandene Wissen um Behinderung zur kritischen Evaluation des Gegenstands nicht genügt. 104 Carolyn Blume DOI 10.24053/ FLuL-2023-0023 52 • Heft 2 Gleichwohl kann argumentiert werden, dass das Seminar dazu beiträgt, die vorhandenen digital gaming literacies produktiv weiterzuentwickeln. Es kann mit Blick auf die Transkripte aus der Gruppenaufgabe z.B. geschlussfolgert werden, dass viele Studierende ein nuanciertes Verständnis für die Herausforderungen von marignalisierten Spielenden verbalisieren können. Weitere Belege hierfür sind in den (z. T. kleinen) gemessenen Veränderungen in den Einstellungen und im signifikanten Zuwachs der selbstwahrgenommenen Kompetenz zu finden. Diese Daten suggerieren ebenfalls eine wachsende Erkenntnis über die Komplexität von Gaming. Letztendlich verdeutlichen die Ergebnisse, dass weder Gaming noch die Englischlehrkräftebildung für Inklusion Kinderspiele sind. Literatur A NDERSON , Sky LaRell / J OHNSON , Mark R. (2022): „Gamer identities of video game live streamers with disabilities“. In: Information, Communication & Society 25, 1900-1915. B ACALJA , Alexander (2020): „‘It’s got that power over you’: Negotiating projective identities in the English classroom“. In: Game Studies 20. http: / / gamestudies.org/ 2002/ articles/ bacalja (06.03.2023) B AIRD , Josephine (2021): „The Missing’s misdirect: Or how I came to study transgender exploration, expression and embodiment in videogame-based-learning“. In: D ENK , Natalie / P FEIFFER , Alexander / S ERADA , Alesha / W ERNBACHER , Thomas (Hrsg.): A Ludic Society. Krems: Edition Donau-Universität, 41-60. B AIRD , Josephine (2022): „Learning about ourselves: Communicating, connecting and contemplating trans experience through play“. In: gamevironments 17, 355-402. 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That is why the question arises of how international students can achieve the level of academic reading competence required in Germanlanguage degree programs. This paper focuses on findings from a study using educational design research to investigate the academic reading competence in L2 German of international students in humanities and social sciences. Through the development and implementation of an academic reading program for international students, valuable insights into the acquisition of this key competence were gained in authentic learning situations. 1. Ausgangslage Dass die Verarbeitung von Fachliteratur einen wesentlichen Bestandteil jeglichen Studiums darstellt, ist allen Akteur*innen des akademischen Kontexts bestens bekannt. Studienanfänger*innen erfahren das direkt zu Beginn ihres Studiums, spätestens am Ende der ersten Vorlesungswoche, wenn sie die Vorbereitungslektüre der zweiten Sitzungen auf ihre To-do-Liste setzen. Wie sollen sie aber die Fachliteratur lesen? Was genau wird von ihnen erwartet und was heißt überhaupt Lesen im akademischen Kontext? All diese Fragen werden während der ganzen Studienzeit i.d.R. nicht explizit angesprochen. Trotz der wesentlichen Relevanz wissenschaftlichen Lesens im Studium wird akademische Lesekompetenz vorausgesetzt, aber nicht explizit thematisiert * Korrespondenzadresse: Dr. Silvia I NTRONA , Universität Bielefeld, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Universitätsstr. 25, 33615 B IELEFELD E-Mail: silvia.introna@uni-bielefeld.de Arbeitsbereiche: Wissenschaftliche Textkompetenz, Hochschulliteralitätsforschung, Entwicklungs- und gestaltungsorientierte Fremdsprachenforschung. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 109 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 oder vermittelt. Auch internationale Studierende deutschsprachiger Studiengänge erleben die gleiche Situation. Internationale Studierende stellen 11% aller Studierenden in Deutschland dar (vgl. DAAD/ DZHW 2022). Unter dem Stichwort Hochschulinternationalisierung gilt die Anzahl internationaler Studierender heutzutage als ein Qualitätsmerkmal von Hochschulen (vgl. G ROTHUS / M ASCHKE 2013: 10). Durch den Internationalisierungsprozess werden Hochschulen jedoch vor neue Herausforderungen gestellt, die Veränderungen im Einklang mit den spezifischen Bedürfnissen internationaler Studierender notwendig machen. „Internationalisierung […] ergibt sich nicht selbstverständlich aus der physischen Präsenz von ausländischen Studierenden“ (R ÖSCH 2015: 19). Dass der Internationalisierungsprozess der deutschen Hochschulbildung es noch nicht geschafft hat, den internationalen Studierenden die gleichen Studienbedingungen und Erfolgsmöglichkeiten wie deutschen Studierenden zu garantieren, zeigen die höheren Studienabbruchquoten der internationalen Studierendengruppe. Im Hinblick auf den Absolventenjahrgang 2018 haben 49 Prozent der internationalen Studierenden gegenüber nur 27 Prozent der deutschen Studierenden das Bachelorstudium abgebrochen. Bezüglich des Masterstudiums liegen die Studienabbruchquoten internationaler Studierender bei 26 Prozent gegenüber 17 Prozent der deutschen Studierenden (vgl. H EUBLEIN / R ICHTER / S CHMELZER 2020: 3f.). Gründe für die höheren Studienabbruchquoten können u.a. in sprachlichen, fachlichen und finanziellen Problemen gefunden werden (vgl. M ORRIS -L ANGE 2017). Bezüglich des Lesens im Studium kann internationalen Studierenden der Erwerb akademischer Lesekompetenz in der L2 Deutsch aufgrund von sprachlichen Problemen sowie kulturbedingten Lesegewohnheiten und -traditionen schwerfallen. Obwohl Schwierigkeiten beim wissenschaftlichen Lesen noch nicht in Zusammenhang mit dem Studienabbruch erforscht worden sind, weisen einzelne Untersuchungen darauf hin, dass fehlende Kenntnisse und Techniken zum akademischen Schreiben einen Einfluss auf eine solche drastische Entscheidung haben (vgl. H ARJU / W ERNER 2019: 23). Vor dem Hintergrund des engen Verhältnisses zwischen Lesen und Schreiben im akademischen Kontext (vgl. u.a. T HILLOSEN 2008: 73) und angesichts der wesentlichen Rolle von Lesen und Schreiben für den Studienerfolg, die bereits empirisch belegt ist (vgl. W ISNIEWSKI et al. 2020), liegt es nahe anzunehmen, dass die Lesedefizite der internationalen Studierenden bei der Entscheidung, das Studium in Deutschland abzubrechen, eine Rolle spielen könnten. Der Mangel an Unterstützungsangeboten zum wissenschaftlichen Lesen in der Hochschulpraxis lässt sich durch die erheblichen theoretischen und empirischen Lücken begründen, die zur fremdsprachigen akademischen Lesekompetenz existieren. Die Frage, woraus fremdsprachige akademische Lesekompetenz (FALK) überhaupt besteht, wurde bisher noch selten diskutiert, ein kohärentes FALK-Verständnis fehlt. Was die Forschung betrifft, wurden einzelne Studien zu den Schwierigkeiten von Studierenden mit dem Lesen fremdsprachiger wissenschaftlicher Texte fast nur im englischsprachigen Raum durchgeführt (vgl. u.a. P HAKITI / L I 2011; K ONDIYENKO 2010; C HENG 1996). Im Gegensatz zu diesen Studien, die die Meinungen der Studierenden zu eigenen Leseproblemen fokussieren, wird in Deutschland eher eine Außen- 110 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 perspektive bevorzugt. Die Erforschung der Schwierigkeiten der Studierenden erfolgt dabei entweder durch die Befragung von Dozierenden (vgl. W ERDER 1994) oder anhand einer Art Fehleranalyse mündlicher und schriftlicher Textwiedergaben (vgl. E HLICH 1999; S CHRAMM 2001; G ROßMANN 2014). Aufgrund der unterschiedlichen Ziele und Designs dieser Studien sind ihre Ergebnisse nur schwer zu vergleichen. In Bezug auf den Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz sind zudem noch keine empirischen Studien in der Fachliteratur belegt. Auch im Rahmen der Instruktionsforschung, welche mit einzelnen Untersuchungen (vgl. P INNINTI 2019) die Effektivität didaktischer Angebote zur Förderung fremdsprachigen akademischen Lesens erforscht, wird nicht über die Evaluation der Angebote hinausgegangen. Bewegt von der paradoxen Situation akademischen Lesens an deutschen Hochschulen, an denen die Lesekompetenz eine wesentliche Rolle im Studium spielt, aber kaum thematisiert wird, und überzeugt von der Notwendigkeit empirischer Erkenntnisse zur FALK vor dem Hintergrund der großen Desiderata in der Theorie und Forschung habe ich im Rahmen meiner Promotion an der Universität Bielefeld eine Studie durchgeführt, die zu Fortschritten sowohl in der Praxis als auch in der Theorie beitragen sollte. 2. Die FALK-Studie Das Forschungsprojekt „Der Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz. Eine Educational Design Research-Studie zur Lesekompetenz in der L2 Deutsch internationaler Studierender der Geistes- und Sozialwissenschaften“ (I NTRONA 2021) - das im Folgenden FALK-Studie genannt wird - zielte einerseits auf eine empirische Annäherung an das Phänomen des FALK-Erwerbs durch internationale Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften, andererseits auf die Entwicklung eines Programms zur Förderung ihrer akademischen Lesekompetenz im Studium. Diese duale Zielsetzung wurde anhand der Educational Design Research (EDR), des Forschungsansatzes der Studie, verfolgt. Im Folgenden wird zunächst auf die EDR sowie auf das Konstrukt fremdsprachige akademische Lesekompetenz eingegangen, bevor der Ablauf der Studie erläutert wird. Anschließend werden ausgewählte Erkenntnisse jeweils aus einem quantitativen und einem qualitativen Teil der FALK-Studie präsentiert und diskutiert. Der Beitrag schließt mit einem kurzen Fazit. 2.1 Der Forschungsansatz Educational Design Research (M C K ENNEY / R EEVES 2019) - oder design-based research (D ESIGN -B ASED R ESEARCH C OLLECTIVE 2003) oder design research (E ULER 2014; B AKKER 2019) - ist ein relativ junger Forschungsansatz, der seine Wurzeln in der US-amerikanischen Bildungsforschung (in den Arbeiten von C OLLINS 1992 und B ROWN 1992) sowie in der niederländischen Curriculumforschung (developmental research von F REUDENTHAL 1988 und development research von V AN DEN A KKER Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 111 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 1999) hat. Die Besonderheit des EDR-Ansatzes besteht in einer dualen Zielsetzung: Einerseits wird auf das theoretische Verständnis eines untersuchten Phänomens abgezielt, andererseits auf eine Verbesserung der Praxis. Ermöglicht wird dies im Rahmen eines iterativen Forschungsprozesses, in dem die Entwicklung und mehrmalige Erprobung, Evaluation und Revision eines Designs 1 für die Bildungspraxis den Kontext für die empirische Erforschung eines bestimmten Phänomens darstellt. Somit werden anhand der EDR Theorieentwicklung und Praxisverbesserung parallel verfolgt. Der EDR-Ansatz lässt sich als interventionistisch, theorieorientiert, kollaborativ, responsiv und iterativ bezeichnen (vgl. E ULER 2014; B AKKER 2019; M C K ENNEY / R EEVES 2019): • interventionistisch insofern, dass durch das Design die Praxis geändert wird; • theorieorientiert, weil in der EDR die Theorie zur Entwicklung des Designs zentral ist und weil Theoriegewinnung und -erweiterung - anders als in der Aktionsforschung - ein wesentliches Ziel des Ansatzes darstellen; • kollaborativ, denn die duale Zielsetzung der EDR setzt eine Zusammenarbeit zwischen Forscher*innen und Praktiker*innen voraus; • responsiv, weil das entwickelte Design auf den spezifischen Forschungskontext ‚reagieren‘ soll, indem es die Variablen des authentischen Lehr-/ Lernkontexts mitberücksichtigt; • iterativ, denn der EDR-Forschungsprozess besteht aus mehreren iterativen Zyklen, durch die die Relevanz und Qualität des Designs in der Praxis erhöht werden. Trotz dieser gemeinsamen Hauptmerkmale können EDR-Studien sehr vielfältig sein, u.a. aufgrund der Auswahl einer spezifischen Forschungsorientierung sowie je nach entwickeltem Design-Typ. Für eine detailliertere Betrachtung der EDR ist hier auf INTRONA (2021: 9-19) zu verweisen. 2.2 Das FALK-Konstrukt Bevor der Ablauf der FALK-Studie im Einklang mit dem Forschungsprozess anhand EDR beschrieben wird, ist an dieser Stelle das Konstrukt fremdsprachige akademische Lesekompetenz als konzeptueller Rahmen der Studie darzulegen. Eine Definition dieses Begriffs wurde auf der Grundlage einer ausführlichen Revision der Fachliteratur zu den Konstrukten Kompetenz, Sprachkompetenz, Lesekompetenz, akademische und fremdsprachige Lesekompetenz herausgearbeitet. 2 1 Unter Design können u.a. Bildungskonzepte, Lehrmethoden oder Lernmaterialien verstanden werden, die neues Lernen anregen sollen (vgl. R EINMANN 2016: 2). 2 Herangezogen wurden zur Definition des FALK-Konstruktes u.a. Erkenntnisse aus der kognitionspsychologischen Leseforschung (vgl. u.a. C HEN / D RONJIC / H ELMS -P ARK 2016); Literalitätsforschung (vgl. u.a. S TREET / L EFSTEIN 2007); L2-Leseforschung (vgl. u.a. G RABE 2009); L2-Lesestrategieforschung (vgl. u.a. S AMSIAH / M OSES 2011); aus der Forschung zu wissenschaftlichen Texten (vgl. u.a. S TEINHOFF 2007) 112 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 Fremdsprachige akademische Lesekompetenz wurde als multidimensionales Konstrukt aufgefasst, das aus vier Ebenen besteht. Auf kognitiver Ebene (1) umfasst FALK alle Wissensbestände, die für das Lesen fremdsprachiger wissenschaftlicher Texte nötig sind. Während die Rolle des Weltwissens beim Lesen hinsichtlich des allgemeinen Leseverständnisses anerkannt wird, erwiesen sich L2- und kulturelles Wissen als kognitive Voraussetzungen fremdsprachigen Lesens. In Bezug auf das wissenschaftliche Lesen wurde die Notwendigkeit von Text-, Lese- und Fachwissen erkannt. Zuletzt ergab sich Strategiewissen als zentral im Rahmen aller Lese-Forschungsbereiche. Die metakognitive Ebene (2) des Konstruktes bezieht sich auf die Selbstregulierung des Lesens, d.h. die zielgerichtete Planung, Steuerung und Evaluation des eigenen Leseverfahrens anhand metakognitiver Strategien, die insbesondere durch die Praktiken wissenschaftlichen Lesens (vgl. die prozedurale FALK-Ebene) akzentuiert werden. Die motivationale FALK-Komponente (3) umfasst die emotionalen und motivationalen Faktoren des Lesens, wie Selbstwirksamkeit oder attitude. Die kognitiven, metakognitiven und motivationalen Ebenen des FALK-Konstruktes bauen auf denen der akademischen Lesekompetenz in der L1 auf, was sich als zentrales Merkmal fremdsprachiger Lesekompetenz herauskristallisierte, und ermöglichen das fremdsprachige akademische Lesen. Dieses umfasst auf prozeduraler Ebene (4) vier Hauptleseaktivitäten, kritisches Lesen, Lernen aus Texten, Lesen multipler Texte und schreibendes Lesen, die sich als spezifische Lesepraktiken des universitären Kontextes im Sinne von S TREET und L EFSTEIN (2007: 193-200) erwiesen. Kritisches Lesen bezeichnet die tiefgründige reflektierte Textanalyse und die Entwicklung einer eigenen Meinung zum Text; Lernen aus Texten meint den zielbezogenen und selbstregulierten Einsatz verschiedener Lernstrategien im Umgang mit wissenschaftlichen Texten; Lesen multipler Texte heißt, mehrere Texte sowie deren Zusammenhänge tiefgründig reflektiert zu analysieren; schreibendes Lesen besteht schließlich in der Nutzung des Schreibens beim Lesen zwecks einer aktiven und effizienten Textverarbeitung. Als Einflussfaktoren fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz wurden personale Voraussetzungen, soziale Bedingungen, textseitige Anforderungen (vgl. H URRELMANN 2009) und der soziokulturelle Hintergrund des*r L2-Lesers*in erkannt, wobei der Letztgenannte sich als spezifischer Einflussfaktor fremdsprachigen Lesens ergab. 2.3 Die Forschungsphasen Die FALK-Studie gliederte sich in drei Forschungsphasen: die Analyse- und Explorations-, die Entwicklungs- und die Evaluations- und Reflexionsphase. Die Analyse- und Explorationsphase der Studie begann mit der Identifizierung eines verbesserungswürdigen Aspekts der Bildungspraxis, und zwar des Mangels an Unterstützungsangeboten für internationale Studierende zur Förderung ihrer fremdsprachigen akademimit Hinblick auf ihre Anforderungen an die akademische Lesekompetenz sowie aus existierenden Modellen zur Lesekompetenz (vgl. u.a. H URRELMANN 2009). Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 113 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 schen Lesekompetenz an deutschen Hochschulen. Der anschließenden Definition des FALK-Konstrukts als konzeptueller Rahmen der Studie (s. Abschnitt 2.2.) folgte eine Bestandsaufnahme der Situation des Lesens deutscher wissenschaftlicher Texte in den Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld. Diese erfolgte anhand einer quantitativen Befragung (s. Abschnitt 3), durch die a) die Relevanz akademischer Lesekompetenz für ein erfolgreiches Studium nachgewiesen wurde, b) die Notwendigkeit gezeigt wurde, akademische Lesekompetenz in der (Fremd-)Sprache Deutsch zu beherrschen, c) festgestellt wurde, dass sich die befragten Studierenden hinsichtlich aller prozeduralen Komponenten akademischer Lesekompetenz verbessern wollen. Inwieweit sich internationale Studierende bezüglich ihrer Schwierigkeiten im Umgang mit deutschen wissenschaftlichen Texten von anderen Studierenden unterscheiden, wird im Abschnitt 3 genauer diskutiert. In der Entwicklungsphase erfolgte zunächst die Konzeption eines ersten Designentwurfs. Zu diesem Zweck wurde die Fachliteratur zur Förderung fremdsprachigen akademischen Lesens ausführlich rezipiert. 3 Der erste Designentwurf wurde anschließend mehrmals durchgeführt, evaluiert und revidiert. Bei dem Design dieser Studie handelte es sich um ein Blockseminar, das die Vermittlung, Einübung, Reflexion und Verstärkung von Lesestrategien zu verschiedenen Zwecken im Mittelpunkt hatte. Gefördert werden sollten das tiefgründige Textverstehen, die Textkritik, das Lernen aus Texten, das Lesen unter Zeitdruck, das Synthetisieren mehrerer Texte und der Umgang mit der Sprache wissenschaftlicher Texte. Das Blockseminar wurde zum ersten Mal im Sommersemester 2018 im Rahmen der PunktUm 4 -Angebote an der Universität Bielefeld durchgeführt und anhand Evaluationsbögen und einer Gruppendiskussion qualitativ evaluiert. Die qualitativen Daten wurden anhand der konstruktivistischen Grounded Theory (vgl. C HARMAZ 2014) und mithilfe der Software ATLAS.ti interpretiert. Ziel dieser formativen Evaluation war es, die Eignung und Umsetzbarkeit des Designs von den Beteiligten bewerten zu lassen und es darauf aufbauend zu revidieren. Das revidierte Blockseminar wurde im Wintersemester 2018/ 19 erneut an der Universität Bielefeld angeboten. Für die zweite Evaluationsschleife wurden neben den Evaluationsbögen leitfadengestützte Interviews eingesetzt. Nach den zwei iterativen Zyklen von Erprobung, Evaluation und Revision des Programms fand in der letzten Forschungsphase, der Evaluations- und Reflexionsphase, zuerst eine abschließende summative Evaluation des Blockseminars statt. Dabei wurde festgestellt, dass das Blockseminar zur Förderung der Selbstregulierung, des 3 Nachdem hierbei festgestellt wurde, dass zwecks der Leseförderung meistens Lesestrategien trainiert werden, wurden zur Auswahl der im Rahmen des Designs zu vermittelnden Lesestrategien verschiedene Quellen rezipiert, wie Ratgeber für Studierende und Dozierende (vgl. u.a. R OST 2018; S TONE 2013), umfangreiche Werke zum L2- und akademischen Lesen (vgl. u.a. G RABE 2009), Modelle der Strategievermittlung (vgl. u.a. O´M ALLEY / C HAMOT 1990) sowie Förderungsansätze des Lesens, wie z.B. Transactional Strategy Instruction (vgl. P RESSLEY et al. 1992) und CALLA (vgl. O´M ALLEY / C HAMOT 1990). 4 PunktUm, das Deutschlernzentrum der Universität Bielefeld, unterstützt internationale Studierende deutschsprachiger Studiengänge u.a. mit Workshops zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Fremdsprache Deutsch. 114 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 tiefgründigen Verständnisses wissenschaftlicher Texte, des schreibenden Lesens und des Strategie-, Lese- und Textwissens der Seminarteilnehmenden führte. Abschließend wurde die Hauptforschungsfrage der Studie untersucht: Was trägt zum Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz im Rahmen eines strategieorientierten Programms zur Förderung der akademischen Lesekompetenz in der L2 Deutsch von internationalen Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften an einer deutschen Universität bei? Durch eine retrospektive Analyse der Daten wurde eine empirische Annäherung an das Phänomen des FALK-Erwerbs internationaler Studierender im Rahmen eines authentischen Unterrichtskontextes ermöglicht. Die Erkenntnisse zu der Hauptforschungsfrage der Studie werden im Abschnitt 4 dargelegt und diskutiert. 3. Schwierigkeiten beim Lesen deutscher wissenschaftlicher Texte: Die Erkenntnisse aus der quantitativen Befragung Die quantitative Befragung innerhalb der Analyse und Explorationsphase der Studie erfolgte anhand eines Online-Fragebogens. Zielgruppe der Befragung waren Studierende aus deutschsprachigen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern an der Universität Bielefeld. Insgesamt nahmen 305 Studierende an der Umfrage teil, wobei nur 241 Fragebögen ausgewertet werden konnten. 5 Von der Gesamtstichprobe zählten 21 Untersuchungsteilnehmer*innen zur Gruppe der internationalen Studierenden (Bildungsausländer*innen) und 220 zur Gruppe anderer Studierender, die sich aus 215 deutschen Studierenden und 5 Bildungsinländer*innen zusammensetzte. Hinsichtlich ihrer Schwierigkeiten im Umgang mit deutschen wissenschaftlichen Texten sollten die Befragten im Fragebogen anhand einer 4-Punkte-Likert-Skala angeben, inwieweit die einzelnen Komponenten der prozeduralen Ebene des FALK- Konstruktes - Textverstehen, Textkritik, Lernen aus Texten, Synthetisieren mehrerer Texte und Lesen unter Zeitdruck 6 - sowie Unteraspekte davon - z.B. Verständnisschwierigkeiten mit Fachbegriffen oder wissenschaftlichen Ausdrücken - für sie eine Herausforderung darstellten. Eine fünfte „weiß nicht“-Antwortmöglichkeit für jedes Item sowie eine abschließende offene Frage nach weiteren Herausforderungen waren im Fragebogen vorhanden. Im Folgenden werden die Ergebnisse aus dem t-Test vorgestellt, anhand dessen die Herausforderungen der 21 internationalen Studierenden mit denen der anderen 220 Studierenden verglichen wurden. 7 Ziel dabei war es, die Hypothese zu verifizie- 5 Neben den nicht vollständig ausgefüllten Fragebögen wurden die Exemplare nicht berücksichtigt, in denen Teilnahmevoraussetzungen verletzt waren. 6 Die Herausforderung, unter Zeitdruck zu lesen, hatte sich aus dem Forschungsstand zu Leseschwierigkeiten von Studierenden als problematisch herausgestellt und wurde deswegen als weiterer Aspekt wissenschaftlichen Lesens im Fragebogen übernommen. 7 Da nur ein kleiner Anteil der Befragten - 21 von 241 Studierenden - zu der Gruppe internationaler Studierender gehörte und somit die t-Test-Voraussetzung der Stichprobengröße (zu vergleichende Stichproben dürfen nicht weniger als 30 Elemente umfassen) verletzt wurde (vgl. K UCKARTZ et al. 2013: 169), Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 115 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 ren, dass sich die Einschätzungen von internationalen Studierenden aufgrund ihrer spezifischen Schwierigkeiten beim Lesen deutscher wissenschaftlicher Texte von denen der anderen Studierenden unterscheiden. Diese Hypothese konnte bestätigt werden. Hochsignifikante Unterschiede (p<,01) zwischen internationalen und anderen Studierenden ergaben sich hinsichtlich der Schwierigkeiten mit drei Komponenten akademischer Lesekompetenz - dem Textverstehen, dem Lernen aus Texten und dem Synthetisieren mehrerer Texte - sowie bezüglich fast aller spezifischen Verständnisschwierigkeiten beim Lesen - mit Fachbegriffen, unbekannten deutschen Wörtern, Satzbau, wissenschaftlichen Ausdrücken und Aufbau des Texts. Signifikante Unterschiede (p<,05) zwischen den zwei Gruppen resultierten bezüglich der Herausforderungen mit dem Lesen unter Zeitdruck. Herausforderungen mit t df M andere SD M inter. SD Sig. (2-seitig) Textverstehen -4,131 239 2,03 ,933 2,90 ,831 ,000* Lernen aus Texten -3,064 237 2,17 ,908 2,81 ,981 ,002* Synthetisieren -2,650 238 2,16 ,925 2,71 ,902 ,009* Textkritik -1,296 235 2,45 ,995 2,75 1,070 ,196 Lesen unter Zeitdruck -2,534 237 2,74 ,963 3,30 ,733 ,012* Fachbegriffen 3,099 236 2,38 ,856 3,00 ,918 ,002* unbe. deutschen Wörtern 2,623 236 2,04 ,981 2,62 ,865 ,009* Satzbau 3,316 237 1,94 ,904 2,65 1,040 ,001* wiss. Ausdrücken 6,979 239 1,28 ,559 2,29 1,146 ,000* Aufbau 2,782 238 1,92 ,869 2,48 ,981 ,006* Tab. 1: Mittelwertvergleich zwischen internationalen Studierenden und anderen Studierenden Die Schwierigkeitseinschätzungen der internationalen Studierenden waren immer höher als die der anderen Studierenden. Diese Erkenntnisse bestätigten teilweise die Ergebnisse aus anderen Studien (C HENG 1996; K ONDIYENKO 2010; P HAKITI / L I 2011), wobei sich die Untersuchungen zu Leseschwierigkeiten von Studierenden u.a. in Bezug auf Zwecke, Erhebungsinstrumente und Befragte deutlich voneinander unterscheiden. Nach der statistischen Auswertung der quantitativen Daten analysierte ich die Antworten auf die offenen Fragen des Fragebogens anhand eines themenorientierten beschreibenden Analyseverfahrens. Die Befragten äußerten weitere Herausforderungen mit dem Textverstehen, dem Lernen aus Texten und der Textkritik, die ich mit den verschiedenen Ebenen des FALK-Konstrukts in Verbindung brachte. Insbesondere bezüglich des kritischen Lesens wurde von vielen Herausforderungen berichtet, habe ich neben dem t-Test auch einen U-Test durchgeführt und beide Testergebnisse miteinander verglichen, um eventuelle Ergebnisverzerrungen identifizieren zu können. 116 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 u.a. hinsichtlich des Erkennens des fachlichen Bezugsrahmens von Texten, des Nachvollziehens der Position des*r Autors*in und der eigenen Stellungnahme zum Text. Diese Erkenntnisse zum kritischen Lesen bestätigten teilweise Erkenntnisse aus anderen Studien (Z HOU / J IANG / Y AO 2015; V ELAYATI et al. 2017), wobei diese jedoch nur die Schwierigkeiten internationaler Studierender erforschen. Die Tatsache, dass sich in der FALK-Studie internationale Studierende und andere Studierende hinsichtlich der Schwierigkeiten mit der Textkritik nicht signifikant unterschieden und dass alle freien Antworten zu weiteren Herausforderungen mit kritischem Lesen von deutschmuttersprachigen Studierenden gegeben wurden, spricht für die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, die die Perspektive aller Studierenden über die eigenen Probleme mit akademischem Lesen erforschen. Zusammenfassend wurde durch die Ergebnisse aus der quantitativen Befragung u.a. die Hypothese verifiziert, dass internationale Studierende spezifische Probleme im Umgang mit deutschen wissenschaftlichen Texten haben, aber auch erwiesen, dass kritisches Lesen für alle Studierende eine Herausforderung darstellt. 4. Zum Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz: Die Erkenntnisse aus der retrospektiven Datenanalyse Die Datengrundlage zur Beantwortung der Hauptforschungsfrage der Studie umfasste eine Gruppendiskussion, vier leitfadengestützte Interviews sowie die Antworten auf die offenen Fragen in den Evaluationsbögen zum Blockseminar. 8 Die Dateninterpretation anhand konstruktivistischer Grounded Theory (vgl. C HARMAZ 2014) wurde abgeschlossen, als die zentralen Faktoren des FALK-Erwerbs identifiziert wurden. Als zentrale Faktoren des FALK-Erwerbs im Rahmen des entwickelten Programms ergaben sich das Sammeln von Leseerfahrungen anhand fachspezifischer Texte sowie die Verstärkung der Reflexion der Studierenden beim Lesen - im Sinne von Selbstregulierung - und über das akademische Lesen. Als wesentlich resultierten zudem eine Steuerung des FALK-Erwerbs seitens einer kompetenten Person sowie die stützende Funktion des Peer-Austauschs. Auf die zentrale Rolle von Leseerfahrungen für den FALK-Erwerb wiesen vielfältige Daten zur Relevanz des Einübens von Lesestrategien im Blockseminar hin. Die Einübung war eine der vier Strategievermittlungsphasen im Blockseminar und bestand aus dem Ausprobieren der betrachteten Lesestrategien beim Lesen wissenschaftlicher Texte. Durch das Ausprobieren der vermittelten Strategien wurde somit das Sammeln von Leseerfahrungen ermöglicht. Als Vorteile des konkreten Ausprobierens der Strategien im Rahmen des Blockseminars wurden u.a. das bessere Verständnis und Behalten der Strategien, eine Entscheidungsbefähigung zur Nützlichkeit 8 Ausgewählte Datenausschnitte sind im Folgenden zur Erläuterung der Studienergebnisse zu finden. Die dabei verwendeten Kürzel sind wie folgt zu interpretieren: WS_I3: 442-446  [Wintersemester]_[Interview mit Untersuchungsteilnehmer 3]: [Transkript-Zeilen]. Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 117 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 der jeweiligen Lesestrategie sowie die unmittelbare Wahrnehmung von Schwierigkeiten damit. Die praktische Strategieeinübung wurde darüber hinaus als zentrale Voraussetzung für die Anwendung der Strategien außerhalb des Blockseminars identifiziert. Erst durch das Ausprobieren der Lesestrategien wurden die Seminarteilnehmenden in die Lage versetzt, diese zu benutzen. Aufgrund der unzureichenden Einübung des Gelernten im Blockseminar war in einigen Fällen genau dieser Prozess der Anwendungsermöglichung gescheitert. Angesichts der Zentralität der Lesestrategieanwendung im FALK-Konstrukt, besonders auf prozeduraler und metakognitiver Ebene, ergab sich somit die Strategieeinübung in Form von Sammeln von Leseerfahrungen, die die Strategieanwendung ermöglichte, als zentral für den Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz. Das Ausprobieren bzw. die Einübung der Lesestrategien im Blockseminar erfolgte zuerst beim Lesen gemeinsamer, von der Dozentin ausgesuchter wissenschaftlicher Texte und anschließend beim Lesen eigener Fachtexte. Die zahlreichen Vorteile der Arbeit mit eigenen Fachtexten, die in den Daten identifiziert wurden, stützten die Annahme, dass fachspezifische Texte ein wichtiges Element für die Förderung fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz darstellen. Im folgenden Interviewausschnitt wird die Möglichkeit, sich über „fachspezifische Schwierigkeiten“ mit der Anwendung der Seminarstrategien bewusst zu werden, als einer dieser Vorteile angesprochen: Neben dem Sammeln von fachspezifischen Leseerfahrungen ergab sich die Verstärkung der Reflexion beim und über das Lesen als weiterer Faktor für den Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz. Der Reflexion beim Lesen, die als Selbstregulierung bezeichnet wurde, schrieben die Untersuchungsteilnehmenden eine besondere Relevanz zu. Unzufriedenheit mit der eigenen Selbstregulierung wurde als Grund für die Teilnahme am Blockseminar angesprochen, während die Entwicklung der eigenen Reflexionsfähigkeit, u.a. über die eigenen Leseprobleme, als persönliches Ziel im Rahmen des Blockseminars erkannt wurde. Die Wahrnehmung der eigenen Leseprobleme und die Kritik der eigenen Lesegewohnheiten, die als Gewinne aus dem Blockseminar identifiziert wurden, wurden als Ergebnisse einer erhöhten Überwachung des Lesens angesehen. An anderen Stellen in den Daten zeigten einige berichtete Veränderungen der eigenen Lesegewohnheiten eine stärkere Planung des Lesens. In der folgenden Interviewpassage berichtet ein Untersuchungsteilnehmer, im Anschluss an das Blockseminar beim Lesen bewusst an die Strategien zu denken, die er kennengelernt hat und mithilfe der verteilten Arbeitsblätter anwenden kann: [230] das w]ort also zum beispiel meine schwierigekeiten waren in mein feld im mein: : : [231] fach [und da] konnte ich auch texte im mein fach wählen zu lesen °h und das war gut (WS_I1: 230-231) 118 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 Anders als die Reflexion beim Lesen, die sich auf den eigenen Umgang mit Texten bezieht, bezeichnet eine Reflexion über das Lesen eine kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Lesen allgemein, z.B. mit seiner Komplexität. An einer Stelle in den Daten resultierte aus einer solchen Reflexion eine veränderte Wahrnehmung von Leseproblemen. Ein Untersuchungsteilnehmer erklärte, dass er sich durch das Blockseminar darüber bewusst geworden ist, dass viele Studierende Leseschwierigkeiten haben und dass Leseprobleme in diesem Sinne „normal“ sind und bewältigt werden können (WS_I1: 304-306). Auch die Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung mit Gelerntem, die als positiver Aspekt des Blockseminars thematisiert wurde, betrifft eine solche Reflexion über das Lesen bzw. über bestimmte Lesestrategien. Im Rahmen der retrospektiven Datenanalyse zeichnete sich also die Reflexion bzw. eine ausgeprägtere Reflexion beim und über das Lesen als grundlegendes Element hinter vielen Aspekten des Blockseminars - dessen positiven Auswirkungen, den Gründen für die Teilnahme, den Verbesserungsvorschlägen der Seminarteilnehmer*innen - ab, sodass Reflexion beim und über das Lesen als weiterer Faktor des FALK-Erwerbs interpretiert wurde. Als wesentlich für den FALK-Erwerb ergab sich auch eine Steuerung des Aneignungsprozesses. Die Notwendigkeit einer Steuerung des FALK-Erwerbs resultierte in den Daten aus der defizitären Situation wissenschaftlichen Lesens an deutschen Universitäten, aus dem Stellenwert des Lesens im Studium sowie aus den Schwierigkeiten internationaler Studierender damit. Für diese Steuerung erwies sich die Rolle einer kompetenten bzw. erfahrenen Hilfsperson als zentral. Wenngleich sich die Notwendigkeit einer Steuerung des FALK-Erwerbs eindeutig aus den Daten herauskristallisierte, blieb jedoch umstritten, wer die Vermittlerrolle übernehmen soll, denn die Seminarteilnehmenden sprachen von Lehrer*in, Dozent*in, Trainer*in, erfahrener Person und allgemein von „einer Person“. Als konkrete Aufgaben dieser Person wurden das Bewusstmachen bestimmter Aspekte wissenschaftlicher Texte, die Zurverfügungstellung von Ressourcen, z.B. einer Orientierungshilfe bezüglich der einzusetzenden Lesestrategien, und eine individuelle Leseberatung erwähnt. Exemplarisch [405] sagen (1.3) s mir ist bewusster geworden wenn ich ein text lese denke ich an das [406] seminar (--) oder versuch=ich an das seminar zu denken ah was haben wir denn [407] gemacht oder was haben wir dort gelernt und die unterlagen habe ich [un: d] [408] darauf greife ich (--) zurück wenn ich dann ein text lese und irgendwie (-- ) sage ich […] [413] lesen (--) ja öh also (--) ich verwende das und früher habe ich äm: nicht so bewusst [414] gemacht oder einfach nicht darauf geachtet (WS_I3: 405-414) Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 119 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 wird im Folgenden die Meinung einer Untersuchungsteilnehmerin wiedergegeben, die die Rolle des*r Lehrers*in beim FALK-Erwerb mit der eines*r Fitnesstrainers*in vergleicht: Neben dem Vorhandensein einer unterstützenden Person wurde der Austausch zwischen Studierenden als fördernd für den FALK-Erwerb empfunden. Der Austausch im Rahmen des Blockseminars diente u.a. dazu, die eigene Umsetzung der vermittelten Strategien zu überprüfen, von Erfahrungen und Meinungen anderer Studierender zu lernen sowie eine eigene Meinung zu bilden. Hinsichtlich der FALK-Förderung trug der Austausch im Blockseminar zu einer neuen Wahrnehmung von Leseproblemen und zu einer damit verbundenen emotionalen Stärkung der Untersuchungsteilnehmenden bei. Im Anschluss an das Blockseminar fühlten sich die Seminarteilnehmer*innen mit ihren Leseproblemen nicht mehr isoliert und hatten weniger Angst und mehr Mut beim Lesen deutscher wissenschaftlicher Texte. Vergleicht man diese Ergebnisse aus der retrospektiven Datenanalyse mit den Erkenntnissen anderer Studien zu Faktoren der Kompetenzförderung innerhalb von Förderprogrammen, wie die Studien von N GO (2019) und D OWSE (2013), lassen sich Anknüpfungspunkte zwischen den Studienerkenntnissen finden, und zwar bezüglich der wiederholten Auseinandersetzung mit Übungen als Faktor der Kompetenzförderung sowie des positiven Effekts der Peer-Interaktion für die Kompetenzentfaltung. Zur Interpretation der Erkenntnisse zum FALK-Erwerb aus der vorliegenden Studie wurden die Theorien der Community of Practice (im Folgenden: CoP; vgl. L AVE / W ENGER 1991) und der Deliberate Practice (vgl. E RICSSON 2006) herangezogen. Der Erwerb fremdsprachiger akademischer Lesekompetenz kann nämlich als Ergebnis einer - durch eine kompetente Hilfsperson - gesteuerten Annäherung an die Lesepraktiken der akademischen CoP angesehen werden. Die Position von Studierenden in Bezug auf die akademische Diskursgemeinschaft ist besonders: Obwohl sie i.d.R. an den konkreten Praktiken der akademischen Gemeinschaft nicht teilnehmen, wird von ihnen im Studium eine Annäherung an diese Praktiken erwartet 9 (vgl. 9 Studierende nehmen i.d.R. nicht an der öffentlichen fachlichen Diskussion aktiv durch eigene Publikationen und Vorträge teil. Durch das Verfassen von studentischen Texten, wie z.B. Hausarbeiten, und das Halten von Referaten erfolgt jedoch eine Annäherung an die Schreib- und Redepraktiken der akademischen Gemeinschaft. Im Gegensatz dazu bleiben die Lesepraktiken der akademischen CoP unbeachtet. [352] also (.) beim sport (---) ist es SO (--) besonders für anfänger (--) äh also sie gehen [353] einfach in (--) <<französisch> club> (--) und (-) gibts natürlich der äh (-) wie heißt er [354] hm trainer genau (--) und (---) er (-) zeigt uns die übungen [355] wie man DAS machten soll (.) und wenn wir (.) muskeln haben: (-) soll man ü üben ( [356] -) das ist auch an der universität (-) also (--) mein mann hat mir: einmal gesagt dass ( (SS_GD: 352-356) 120 Silvia Introna DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 52 • Heft 2 P OGNER 1999: 153). Diese Annäherung soll daher von außerhalb der Gemeinschaft gesteuert werden. Die Funktion einer erfahrenen Hilfsperson besteht somit darin, die (Lese-)Praktiken der akademischen CoP - zu denen Studierende keinen Zugang haben - sichtbar und dadurch zugänglich zu machen. Sehr effektiv erscheint an dieser Stelle der von der Untersuchungsteilnehmerin angedeutete Vergleich zwischen der Hilfsperson und einem*r Fitnesstrainer*in, der*die „die Übungen zeigt, wie man das machen soll“. Im Rahmen des Programms der vorliegenden Studie erfolgte die gesteuerte Annäherung an die Lesepraktiken der akademischen CoP durch die Vermittlung und Einübung verschiedener Strategien zum akademischen Lesen. Die Zentralität der Einübung dieser Strategien zum FALK-Erwerb kann mit Bezug auf den Begriff Deliberate Practice erklärt werden, der eine gezielt zum Zweck der Verbesserung durchgeführte Übung bezeichnet, die zur Entfaltung einer Fertigkeit auf Expert*innenniveau führt. Durch Reflexion wurden sich die Studierenden zudem darüber bewusst, was akademisches Lesen bedeutet und wie ihr eigenes Leseverhalten in Bezug darauf einzuordnen ist. Auch die stützende Funktion der Interaktion zwischen Studierenden innerhalb des Blockseminars kann in Anlehnung an die Theorie der Community of Practice erklärt werden. Das Design dieser Studie initiierte nämlich eine Community of Practice, indem die Seminarteilnehmenden freiwillig am Programm teilnahmen, dabei ein gemeinsames Ziel verfolgten und sich in der Interaktion miteinander entwickelten. 5. Fazit Die ausgewählten Erkenntnisse aus der FALK-Studie, die hier präsentiert und diskutiert wurden, zeigen die großen Forschungsdesiderata im Bereich fremdsprachigen akademischen Lesens auf. Durch die quantitative Befragung der FALK-Studie konnten erste Erkenntnisse u.a. zu den Schwierigkeiten und Bedürfnissen von Studierenden beim akademischen Lesen in der (Fremd-)Sprache Deutsch aus einer Innenperspektive gewonnen werden. Weitere quantitative Studien dazu sollten größere Stichprobenumfänge aufweisen, Studierende aus mehreren Fächergruppen fokussieren und/ oder Unterschiede und Gemeinsamkeiten weiterer Studierendengruppen hinsichtlich ihrer Schwierigkeiten und Bedürfnisse beim akademischen Lesen auf Deutsch untersuchen, wie z.B. zwischen internationalen Studierenden und Studierenden mit Migrationshintergrund. Die FALK-Studie ist bisher die einzige, die die Faktoren erforschte, die in einem strategieorientierten Programm für internationale Studierende zum Erwerb akademischer Lesekompetenz in der L2 Deutsch beitragen. Weitere Untersuchungen hierzu sind dringend benötigt, um diesen für die Hochschulbildung zentralen Forschungsbereich zu erhellen. Akademische Lesekompetenz in der L2 Deutsch 121 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 Literatur B AKKER , Arthur (2019): Design Research in Education. A Practical Guide for Early Career Researchers. London u.a.: Routledge. B ROWN , Ann L. 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Kontextnah sind introspektive Studien, die Reflexionsprozesse der Akteur: innen zum erlebten Unterricht anstoßen, wobei bei Lehrenden ein Professionalisierungsinteresse gegeben sein kann und sie bei der Datenauswahl beteiligt sind. Bei anderen Studien unterrichten externe Forschende oder leiten Lehrende an, mit ihren Materialien zu arbeiten. Ziel ist eine wissenschaftliche Frage vonseiten der Universität. Die Intervention löst u.U. keine langfristigen Veränderungen aus. Das Setting ist rekonstruktiv beobachtend, wenn Forschende Unterricht unter ihren Fragestellungen analysieren, ohne hierauf Einfluss zu nehmen. Gleichwohl können die Ergebnisse eventuell Veränderungen auslösen. Ferner sind Projekte von Studierenden im Praxissemester zu nennen, die mit dem Ziel der Professionalisierung, aber letztlich zum Abschluss eines universitären Moduls durchgeführt werden. Im besten Fall besteht ein gemeinsames Interessen von Studierenden und schulischen Mentor: innen. Schließlich gibt es Lehrkräfte, die eine wissenschaftliche Qualifikation anstreben und weiterhin im schulischen Feld sind. Sie passen ihre Methoden kontextspezifisch an und ihre Erkenntnisse fließen in den Unterricht ein. Diese Involviertheit kann jedoch mit dem Forschungsinteresse konfligieren. Als Kern von Schulforschung betrachte ich die forschende Arbeit von einem Team von schulischen Lehrkräften mit universitären Forschenden. Der Impuls geht von der einen oder anderen Seite aus, d.h. ein Innovationsanliegen wird von der Universität an Schulen herangetragen, oder Lehrkräfte haben eine kontextspezifische Entwicklungsfrage. Hier wird Partizipation hergestellt. Es gibt ein commitment und beide Seiten gewinnen Erkenntnisse über die Funktionsweise des jeweils anderen Systems. Die Gegenstandangemessenheit der Forschungsmethoden ist in besonderem Maße gegeben, da kontextspezifisch gearbeitet wird. Dies gewährleistet die Nachhaltigkeit von Entwicklungsprozessen und Forschungsergebnissen für beide Institutionen und alle Akteur: innen. Auch die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei der Übertragung der Erkenntnisse auf andere schulische Kontexte ist als hoch einzustufen. Diese Art Forschung verursacht allerdings höhere Kosten als kurzfristige Interventionen, da Forschung nach dem Paradigma von Aktionsforschung oder dem Design Based Research iterativ angelegt ist. Für mich persönlich kann ich über verschiedene Schulforschungsprojekte, die ich begleitet habe, feststellen, dass diese Arbeit zu einer Neuperspektivierung von Sichtweisen und zur Weiterentwicklung von Konzepten auf beiden Seiten führt. So können didaktisch-methodische Innovationen in der Praxis erprobt und empirisch erforschen werden. Dies ist ein klares PRO für Schulforschung im Sinne der Schaffung einer community of practice auf Augenhöhe zwischen allen Akteur: innen (Lehrkräfte, Lernende, Forschende u.a.). Siegen D AGMAR A BENDROTH -T IMMER S c h ulf or s c h u n g n ur b e i w e c h s e l s e iti g e m Int e r e s s e ! Pro und Contra 125 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0024 Schulforschung kann nicht ausschließlich im wechselseitigen Interesse stattfinden Partizipative Bildungsforschung liegt immer stärker im Trend und räumt Schulpartnern ausführliche Mitspracherechte und Gestaltungsmöglichkeiten ein. Dies darf jedoch nicht bedeuten, dass wechselseitige Interessen ein Muss darstellen dürfen. Unabhängige Bildungsforschung ist unverzichtbar, um das Bildungssystem über Trends zu informieren, Stärken und Schwächen aufzuzeigen, und neue Methoden und Lösungsansätze für Herausforderungen zu entwickeln. Um dieser wichtigen Rolle gerecht werden zu können, muss Schulforschung auch frei von externen Einflüssen der Bildungspolitik oder Schulpartnern im Forschungsprozess agieren dürfen. Gute Forschung braucht detaillierte Studienplanung und hohe Methodenqualität. Externe Einflüsse stellen dabei nicht nur das konzeptionelle und methodische Vorgehen von Bildungsforschung in Frage, sondern möglicherweise auch ihre Ergebnisse und das Vertrauen in diese. Wie frei und unabhängig Schulforschung sein kann, wirft auch die Fragen auf, welche Institutionen diese genehmigen und ob wissenschaftlich fundierte Forschungsvorhaben, die durch unabhängige Evaluationen wie z.B. durch Gutachtergremien und universitäre Ethikkommissionen geprüft sind, an politischen, wirtschaftlichen oder anderen externen Hürden scheitern dürfen. Wer entscheidet, was relevante, zukunftsträchtige oder gar bildungspolitisch erwünschte Forschung ist? Ist die Forschungsfreiheit nicht eines unserer höchsten Güter? Insbesondere groß angelegte Studien verlangen Schulpartnern viel Vertrauen ab, wie zum Beispiel das Bildungsmonitoring, das unverzichtbar ist, um Trends und Entwicklungen nachzuvollziehen und in Bildungsprozesse steuernd einzugreifen zu können. Schulen haben hier wenig Gestaltungsmöglichkeiten, und ein zeitnaher Mehrwert für Schulen oder Schüler*innen ist nicht zu erwarten. Langfristig bieten solche Studien die Möglichkeit, sich aus den Daten ergebende spezifische Schwerpunktthemen aufzugreifen. Sollten wir deshalb auf Studien verzichten, die auf systemischer Ebene Defizite aufzeigen und Stärken hervorheben, weil ein direktes wechselseitiges Interesse nicht vorliegt? Ich meine nicht! Auch bei der Entwicklung neuer Methoden, Materialien sowie pädagogischer oder psychologischer Interventionen können wechselseitige Interessen nicht immer garantiert werden. Um die Effektivität bestimmter Methoden verlässlich untersuchen zu können, sind kontrollierte Interventionsstudien der forschungsmethodische Goldstandard. Bei solchen Verfahren prallen jedoch pädagogische und forschungsmethodische Realitäten aufeinander, wenn die Interventionsgruppe eventuell neuartige, vermeintlich vorteilhafte Methoden nutzt, die der Kontrollgruppe vorenthalten werden müssen. Als Lehrkraft muss ich das Beste für meine Schüler*innen wollen; diesem Anspruch können manche Forschungsmethoden nicht gerecht werden. Umgekehrt müssen Forschungsteams zukunftsgerichtet denken und dabei die Qualität ihrer Forschung priorisieren. Hier ist Forschung in der Verantwortung, Vertrauen aufzubauen und das gemeinsame Ziel von gutem und erfolgreichem Unterricht für die heutigen, aber auch für zukünftige Generationen von Schüler*innen im Auge zu behalten. Ein wechselseitiges Interesse mag politisch und gesellschaftlich wünschenswert und oft auch dienlich sein, um voneinander zu lernen, muss jedoch langfristig gedacht und gehandelt werden. Ich plädiere dafür, die Freiheit der Forschung auch und gerade in Deutschland als oberstes Leitziel zu bewahren und Schulforschung auch ohne ein direktes wechselseitiges Interesse möglich zu machen. Kopenhagen N ILS J AEKEL DOI 10.24053/ FLuL-2023-0025 52 • Heft 2 Christiane L ÜTGE (Hrsg.): Foreign Language Learning in the Digital Age. Theory and Pedagogy for Developing Literacies. London: Routledge 2022, 284 Seiten [Hardcover £ 96,00]. Wie sieht Fremdsprachenunterricht - mit besonderem Fokus auf (Multi)Literacies - im Digitalen Zeitalter aus? Hierauf möchte der Sammelband von Christiane L ÜTGE eine Antwort geben - mit Blick sowohl auf Praxis als auch auf theoretische Hintergründe. Die Beitragenden arbeiten - so die Herausgeberin - in zwölf verschiedenen Ländern. Entsprechend vielfältig sind die Bildungskontexte, die in den einzelnen Beiträgen vorgestellt und diskutiert werden. Ebenfalls weitgespannt sind die Bildungsinstitutionen, von Grundschule über Sekundarstufen bis hin zu Universität und Lehrkräftebildung. Der Band beginnt mit einer Einleitung durch die Herausgeberin, der die Ziele des Bandes beschreibt und die verschiedenen Beiträge kurz zusammenfasst. Das restliche Buch besteht aus fünf Abschnitten, die jeweils zwei bis vier Beiträge umfassen, und Grundlagenfragen (Abschnitt I), Transmedialität und Remixing (Abschnitt II), digitale Medien (Abschnitt III), Entwicklung von sprachliche Fertigkeiten und Spracherwerb mit Medien (Abschnitt IV) sowie Lehrkräftebildung (Abschnitt V) betrachten. Abschnitt I „Foundational concerns on literacies and media in language education“ enthält zwei Beiträge. C OPE & K ALANTZIS (Beitrag 1) stellen dabei fünf Thesen für die Zukunft des Online-Lernens vor, wobei für sie unter Online-Lernen auch Präsenzunterricht mit digitaler Unterstützung fällt. Sie kritisieren die 1: 1-Übertragungen von traditionellen Lehrformen auf Online-Lehre und stellen ihr eigenes Konzept und seine Umsetzung auf der Plattform CG Scholar vor. Die pointierte Darstellung verschiedener Lehrtraditionen nimmt dabei nicht immer die tatsächliche Vielfalt von Lehrpraktiken in den Blick - etwa ignoriert die Kritik an MOOCs die Existenz von cMOOCs. Explizite Bezüge zum Fremdsprachenunterricht werden nicht hergestellt. Beitrag 2, K ALANTZIS & C OPE , stellt eine Zusammenfassung ihrer Bücher Making sense (2020) und Adding sense (2020) dar, und argumentiert gegen die Verwendung der Kategorie „Sprache“ in Sozialwissenschaft und Pädagogik und für ihr Konzept einer „‚transpositional grammar‘ of multiform meaning“ (S. 34), die geeignet sei, alle „forms of meaning“ (Text, Bild, Raum, Objekte, gesprochene Sprache, etc.) zu beschreiben. Abschnitt II, „Everything old is new again: Digitalization, transmediality, and remix“ umfasst drei Beiträge. Jonathon R EINHARDT (Beitrag 3) schlägt vor, Computer-assisted language learning (CALL) unter dem neuen Paradigma „technology as everyday“ zu betrachten und diskutiert, was dieses Paradigma für CALL-Praxis und -Forschung bedeuten würde. Michael C. P RUSSE (Beitrag 4) diskutiert, wie Schüler*innen in der transnarrativen Analyse (Arbeit mit illustrierten Romanen sowie mit Romanadaptionen in Film- und Graphic Novel Format) ein tieferes Verständnis für die Heldenreise als narrativem Muster entwickeln sowie ihre Medienkompetenz und Multiliteracies erweitern. Er bezieht sich dabei auf Erfahrungen aus Projekten mit Schweizer Sekundarschulen im Rahmen der Lehrkräftebildung. Auch Amos P ARAN (Beitrag 5) betrachtet Romane und ihre Filmadaptionen, hier am Beispiel von E.M. Forsters Maurice. Neben Buch und Film beziehen seine Unterrichtsvorschläge auch Kritiken ein.Abschnitt III umfasst drei Beiträge zum Thema „Explorations into the digital medium“. Catherine B EAVIS (Beitrag 6) präsentiert einen Literaturüberblick zum Thema digitale Spiele als multimodale Texte mit Fokus auf (Multi-)Literacy Förderung in der L1, der auch ältere B e s p r e c h u n g e n Besprechungen 127 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0025 Studien prominent in den Blick nimmt und Übertragungsmöglichkeiten auf die Fremdsprache impliziert (bzw. gegen Ende auch explizit fokussiert). Isabel R IVERO -V ILÁ (Beitrag 7) beschreibt die Produktion einer i-doc, d.h. einer interaktiven multimedialen Dokumentation. Ganz praxisnah sind die Beispiele für Begleitaufgaben zur i-doc für universitäre Fremdsprachenkurse sowie die Materialien und Aufgabenstellungen, um Studierende kurze (filmbasierte) Dokumentationen in der Zielsprache produzieren zu lassen. Autorinnen des darauffolgenden Beitrags 8 sind Regina C. B RAUTLACHT , Maria Lurdes M ARTINS , und Franca P OPPI . Sie stellen das Virtual Exchange Projekt ProGlobe vor und präsentieren Evaluationsergebnisse. Dass sich ein Projekt ohne Bezug auf Lehrkräftebildung auf Mishras TPACK Modell bezieht, welches die Wissensbestände beschreibt, die Lehrkräfte brauchen, um effektiv mit Medien zu unterrichten, überraschte. Abschnitt IV widmet sich dem Thema „Media and technology in the language classroom: focus on skills and acquisition“. Der erste Beitrag — von Ferran G ESA und Imma M IRALPEIX (Beitrag 9) — ist eine empirische Studie zu wortschatzerwerbsförderlichen Effekten von Serienuntertiteln. Die nächste empirische Studie (Beitrag 10) tragen Vu Van D UONG und Erhan A SLAN bei, die sich mit kollaborativem Schreiben via Wikis beschäftigt haben und hier anhand einer Gruppe von 20 Studierenden eines „English Pedagogy“ Kurses den Einfluss von Aufgabentypen auf inhaltliche und sprachliche Überarbeitungen untersuchen. Beitrag 11 ist der Beitrag von Maria-Lourdes L IRA -G ONZALES und Pascal G RÉGOIRE , ein Literaturüberblick („narrative knowledge synthesis“) zum digitalen Schreiben auf Englisch und Französisch als L2 in Grund- und Sekundarschule. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus einem größeren Projekt, das auch Schreiben in der L1 mitbetrachtet. Der letzte Abschnitt, Abschnitt V, betitelt „Multiliteracies and media pedagogy in teacher education“, wendet sich der Lehrkräftebildung zu, wobei Lehramtsstudierende auch in anderen Beiträgen (etwa in Beitrag 4 oder in Beitrag 10) schon eine Rolle gespielt haben. Maria E ISENMANN (Beitrag 12) nimmt sich des Themas „Edu apps“ an. Auch wenn zu Beginn des Artikels das DigiCompEdu Modell vorgestellt wird, geht der Kern des Beitrags über Fragen der Lehrkräftebildung hinaus und listet eine große Anzahl von Apps und Webseiten auf, die im Fremdsprachenunterricht genutzt werden können. Einige Überlegungen zum Thema Filmproduktion im Englischunterricht runden den Beitrag ab. Beitrag 13 (Nettie B OIVIN und Assem A MANTAY ) berichtet über ein Projekt, bei dem Lehramtsstudierende in Kooperation mit Englischlehrkräften Unterricht mit einer transmodalities Perspektive planten, an Grundschulen durchführten und anschließend - auch mit Videoeinsatz - gemeinsam mit Lehrkräften reflektierten. Auch wenn es nicht immer einfach ist, den Details des Forschungsprojekts zu folgen, gibt der Beitrag doch interessante Einblicke in die kasachische Lehrkräftebildung. Die drei Autorinnen von Beitrag 14 (Ivana M ARENZI , Maria B ORTOLUZZI und Francesca B IANCHI ) beschreiben das Konzept und die Funktionalitäten des LearnWebs, einer Platform zum Teilen, Annotieren und kollaborativen Erstellen von (Bildungs-)Ressourcen, die auch als Lernmanagementsystem genutzt werden kann. Durch eine Zusammenfassung verschiedener, bereits publizierter, Studien geben sie Einblicke darin, wie die Plattform tatsächlich von Nutzer*innen (u.a. Sprachlehrkräften und Studierenden eines Dolmetscher*innen-Studiengangs) verwendet wird. Ein kurzer zusammenfassender Beitrag von Christiane L ÜTGE und Michelle S TANNARD , der auch auf die Besonderheiten des Lehrens zu Pandemiezeiten eingeht, schließt den Abschnitt sowie das Buch ab. Einen Sammelband bewertet man am einfachsten gemessen an den Zielen, die sich die Herausgebenden selber gesetzt haben. Christiane L ÜTGE definierte in der Einleitung zwei Themenkomplexe als Kern des Sammelbandes: „the scope of media and literacies for foreign language education in the digital age“ sowie „examples of best practice for working with media 128 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0026 52 • Heft 2 in formal language-learning contexts“ (S. 1-2 ). Diesen Anspruch erfüllt der Band. Medien und ihre Nutzung im Unterricht/ der Lehre sind Gegenstand aller Beiträge, wobei dies nicht notwendigerweise digitale Medien bedeutet, wie der Titel des Bandes (Foreign Language Learning in the Digital Age) impliziert. Es ließe sich hier aber argumentieren, dass durch die Beschäftigung mit z.B. Romanverfilmung (Beitrag 5) Kompetenzen erworben werden, die für ein Leben im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar sind. Das am stärksten verbindende Konzept ist aber sicherlich (Multi-)literacies - mit Ausnahme von Abschnitt IV, der eher durch ‚klassisches‘ SLA geprägt wird. Die inhaltliche Breite der Beiträge kann sowohl als Stärke wie als Schwäche dieses Sammelbandes gelesen werden: als farbenfrohes Bouquet mit einer Vielzahl an Anregungen oder als Wildblumenwiese, die Kohärenz vermissen lässt. Als Zielgruppe benennt die Herausgeberin „postgraduate academic audiences“ (S. 1), was für viele der Beiträge zutreffend ist. Einige der Artikel können aber in ihrer Praxisnähe und sehr zugänglichen Sprache auch schon früh im Studium eingesetzt werden (z.B. Beitrag 12). Auch wenn der Sammelband die ihm gesteckten Ziele sicherlich erreicht hat, ließe sich als Kritik vorbringen, dass manchmal eine stärkere Konsistenz nicht nur der thematischen Ausrichtung, sondern auch der Tiefe der Auseinandersetzung wünschenswert gewesen wäre. Tiefgehende Theoriebeiträge stehen in einer Reihe mit äußerst praxisorientierten Überlegungen oder (nicht in allen Fällen besonders fundierten) empirischen Studien. Auch die Qualität der Beiträge ist variabel. Während einige Highlights dabei sind (ganz subjektiv ist z.B. Beitrag 1 auf seine pointierte Art sehr charmant und Beitrag 3 knüpft wunderbar an existierende CALL- Diskurse an), sind andere Beiträge weniger stark. Angesichts der Tatsache, dass es z.B. zu Virtual Exchange viele hochwertige, tief in Theorie und Diskurs eingebettete Publikationen gibt, tritt Beitrag 8 ein wenig in den Hintergrund. Abschließend ließe sich sagen, dass der Band interessante Ideen rund um Multiliteracies - und, zu einem geringeren Grad, Digitalisierung - bereithält, aber vermutlich ein kritisches Lesen einzelner Beiträge für die meisten Lesenden gewinnbringender ist als die vollständige Lektüre. Frankfurt/ M. J ULES B ÜNDGENS -K OSTEN Ruth T RÜB : An Empirical Study of EFL Writing at Primary School. Tübingen: Narr 2022, 293 Seiten [58 € Paperback - open access: E-Book] Das 2022 erschienene Buch von Ruth T RÜB - An Empirical Study of EFL Writing at Primary School - stellt die Ergebnisse eines Forschungsprojektes vor, das von der Autorin im Rahmen ihrer Dissertation zwischen 2016 und 2020 im Kanton Aargau (Schweiz) durchgeführt wurde. Die Fertigkeit Schreiben ist eine komplexe Aufgabe, welche die Koordination von Feinmotorik und verschiedenen kognitiven Fähigkeiten erfordert. Generell gibt es im deutschsprachigen Raum kaum Studien, welche die Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht der Primarstufe zum Inhalt haben. T RÜB s umfassender Überblick zu verschiedenen Aspekten von EFL Writing für sogenannte young learners erscheint daher erfrischend aktuell - mehr theoretisch basierte und empirisch informierte Studien zum Thema sind dringend notwendig. Über Jahre bekräftigte die Schreibdidaktik die Wichtigkeit des freien, kreativen Schreibens für die Schreibentwicklung von Lernenden, doch die gängige Unterrichtspraxis zeigt, dass das Schreiben häufig als Mittler- und nicht als Zielfertigkeit gesehen wird. Doch Schreiben sollte nicht nur Mittel für andere Besprechungen 129 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0026 Zwecke sein (wie etwa in schriftlichen Grammatikübungen), sondern auch eine Zielfertigkeit in der Alltagskommunikation (beim Verfassen von Kurznachrichten, Emails etc.). T RÜB s Studie untersucht die Schreibkompetenz von 322 Primarschüler/ innen der 6. Klasse - sogenannter young learners im Alter von 12-13 Jahren, die ab der dritten Klasse Unterricht in Englisch als Fremdsprache (English as a Foreign Language - EFL) erhalten hatten. Anhand schriftlicher Textproduktion (je eine Email und eine Geschichte) wurden die schriftsprachlichen Fertigkeiten der Lernenden in Hinblick auf textstrukturelle, syntaktische, lexikalische und argumentationsspezifische Merkmale analysiert. Ziel von T RÜB s Studie war unter anderem, einen Beitrag zur Professionalisierung von Lehrpersonal zu leisten, indem Lehrkräfte bessere Einblicke in Forschungsergebnisse zur Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht bekommen. Aus diesem Grund wurde ein Schreibkompetenzmodell für junge EFL-Lernende entwickelt, welches in Kapitel 2.2.3 vorgestellt wird. Des Weiteren untersuchte die Studie, inwieweit Schüler/ innen der sechsten Klasse in der Lage sind, kommunikative Schreibaufgaben zu lösen. Um sich diese kommunikative Kompetenz auch in der Fertigkeit Schreiben aneignen zu können, müssen sich Lernende erst schrittweise an die Zielsprache annähern: Fehler sind nach wie vor oft unerwünscht, doch seit vielen Jahren ist aus der Spracherwerbsforschung bekannt, dass Entwicklungsfehler (errors) im Gegensatz zu Flüchtigkeitsfehlern (mistakes) nicht geahndet werden sollten, da sie wichtige Schritte in der Sprachentwicklung darstellen. Für Lehrkräfte ist es daher unabkömmlich, die Risikobereitschaft der Lernenden zu fördern, vor allem wenn es darum geht, Sachverhalte ohne ausreichende sprachliche Mittel zu verschriftlichen. T RÜBS empirische Abhandlung zielt darauf ab, die Schreibkompetenzen der Schüler/ innen in Bezug auf die verschiedenen Sprachniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen des Europarats zu beschreiben. Dieser differenziert zwischen schriftlicher Produktion und schriftlicher Interaktion - in Anlehnung dazu wählt T RÜB als Prompts für ihre Aufgabenstellungen eine story und eine email als Textsorten. Beim Erstellen dieser Texte geht es für Lernende primär um gelungene Kommunikation durch die angemessene Anwendung sprachlicher Mittel. Eine zusätzliche, deskriptive Analyse der Texte der Lernenden auf den verschiedenen Sprachniveaus sollte den Lehrkräften eine Orientierung darüber geben, was man von jungen EFL-Lernenden in Bezug auf Text- und Qualitätscharakteristika erwarten kann. In Kapitel 1 stellt T RÜB die grundlegenden Fragestellungen und das offensichtliche Forschungsdesiderat, die Ziele und die Methoden der Studie vor. Zunächst werden der politische und bildungspolitische Kontext sowie die curricularen Vorgaben für den Fremdsprachenunterricht an Primarschulen in der Schweiz erläutert. In Kapitel 2 gibt T RÜB vorerst einen Überblick über das Schreibprozessmodell von Hayes mit Drei-Ebenen-Struktur (Ebene der Kontrolle, Ebene der Schreibprozesse und Ebene der Ressourcen), um dann in Anlehnung an Feilkes Modell der literalen Kompetenz zu einer eigenen Arbeitsdefinition zu gelangen, auf deren Basis sie den aktuellen Stand der Schreibforschung im Englischunterricht für young learners darstellt. T RÜB legt im weiteren Verlauf des Kapitels die verschiedenen Elemente des Modells dar und diskutiert Forschungsergebnisse und theoretische Überlegungen, die für den Kontext junger EFL-Lernender relevant sind. Aufbauend auf diesen Grundlagen diskutiert die Verfasserin in Kapitel 3 ihre Untersuchungshypothesen und grenzt in diesem Zusammenhang ihr methodisches Vorgehen weiter ein. Die Studie besteht aus drei Hauptteilen: Ziel ist a) die Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht der Grundschule näher zu beleuchten, b) die Wahrnehmung von Lehrkräften und Lernenden hinsichtlich der gegenwärtigen Unterrichtspraxis in den Fokus zu nehmen und c) verschiedene individuelle und pädagogische Faktoren als Prädiktoren für Schreibkompetenzen in Schüler/ innenperformanzen zu benennen. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der Studie in ihrer Gesamtheit diskutiert. Der Befund 130 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0026 52 • Heft 2 von Forschungsfrage 1 (Welches GERS-Sprachniveau erreichen die Lernenden am Ende der Primarschule, und wie viel Prozent der Lernenden erreichen die Mindestanforderungen gemäß der nationalen Schweizer Bildungsstandards und des kantonalen Lehrplans? ) kann aus bildungspolitischer Sicht zuversichtlich stimmen, da 37% das GERS-Niveau A1.2 und 46% A2.1 erreichten. Insgesamt haben 90% der Lernenden die Minimalanforderungen für die Kompetenz Schreiben englischer Texte am Ende der Primarstufe erreicht - was allerdings auch heißt, dass 10% der Schüler/ innen diese curriculare Benchmark nicht erreicht haben. Forschungsfrage 2 untersucht, wie die Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht der Primarstufe im Kanton Aargau unterrichtet wird und wie die Textgenerierung von den Lernenden eingeschätzt wird. Auf die Frage nach der Wichtigkeit des Schreibens im Vergleich zu anderen Fertigkeiten gaben Lehrkräfte an, dass sie diese Schlüsselfertigkeit als wenig wichtig erachten (Kapitel 4.2.1), jedoch der Rechtschreibung besondere Bedeutung beimessen. Was auch aufhorchen lässt, ist die Meinung vieler Lehrkräfte, dass das Einbetten von learning strategies als am wenigsten wichtige Komponente des Unterrichtens erachtet wurde - was in völligem Widerspruch zu empirisch informierten Forschungsergebnissen steht. Im explorativen Teil der Studie mit Interviews berichten einige Lernende, dass Vorgaben zu Textlänge oder eines Zeitlimits negative Auswirkungen auf die Einstellung der Schüler/ innen zum Schreiben hatten. Motivation in unterschiedlichen Formen trug hingegen zum positiven Ansporn bei. Aus pädagogischer Sicht sehr positiv stimmend ist die Tatsache, dass fast 90% der Lernenden angaben, dass das Schreiben englischer Sätze und Texte für sie wichtig oder ziemlich wichtig ist („Ich finde es wichtig, zu lernen, wie man auf Englisch Sätze und Texte schreibt“). Forschungsfrage 3 untersucht die Prädiktoren für den Aufbau und für die Entwicklung von Schreibkompetenz, wobei der Fokus auf individuelle und schulische Faktoren gelegt wurde. Als signifikanter Prädiktor stellte sich die Selbstwirksamkeit (self-efficacy) der Lernenden heraus, sowohl beim Verfassen von Texten als auch beim Lernen der englischen Sprache im Generellen. Zusätzlich war auch die Verwendung von außerschulischem Englisch statistisch signifikant, was allerdings nicht überrascht. Im Schlussteil der Arbeit (Kapitel 5) zieht T RÜB ein Untersuchungsfazit und rekapituliert den Studienverlauf sowie die Ergebnisse. Das letzte Kapitel nutzt sie, um - durchaus kritisch und damit höchst angemessen - die Folgen ihrer Studie für die Schul- und Unterrichtentwicklung zu antizipieren. Insgesamt liefert T RÜB s Buch viele Anregungen und spricht eine breite Zielgruppe von Forschenden bis politischen Entscheidungsträgern an. Die Studie kann auch als Ausgangspunkt für Lehramtsausbilder/ innen dienen, um geeignete und effektive Lehrkräfteausbildungsprogramme zu planen und implementieren. Speziell für Lehrkräfte in der Praxis kann T RÜB s Studie eine klare Anleitung zum Umgang mit der Fertigkeit Schreiben im Englischunterricht der Grundschule geben. Die Studie unterstreicht, dass zwischen den Zielsetzungen der Entwicklung der mündlichen und der schriftlichen Kompetenz kein Widerspruch besteht. Heutzutage wird in der Fremdsprachendidaktik den vier Fertigkeiten Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen der gleiche Rang zugewiesen, doch durch die Verwendung von Schreibaufträgen in der Fremdsprache sehen viele Lehrkräfte wertvolle Unterrichtszeit für das Sprechen schwinden. T RÜB hat mit ihrem Ansatz einen wichtigen Weg beschritten, um dem Forschungs- und Unterrichtsentwicklungsbedarf in Hinblick auf zentrale Fragestellungen zum Lesen- und Schreibenlernen im Englischunterricht der Grundschule gerecht zu werden. Dieser Weg sollte weiterverfolgt werden - zumal digitale Kommunikation und schriftliche Fertigkeiten in unserer globalisierten Social- Media-Welt speziell auch für young learners zunehmend an Bedeutung gewinnen. Hildesheim H EIKE M LAKAR Besprechungen 131 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0027 Elizabeth B. B ERNHARDT , Michael L. K AMIL : Conducting Second-Language Reading Research. A Methodological Guide. New York, London: Routledge 2022, 140 Seiten [32,39 €] Die vorliegende Monographie ist der erste praktische Methodenleitfaden für die fremdsprachliche Leseforschung. Die AutorInnen stellen das Lesen und die Lesekompetenz in der L2 als einen multivariaten und interaktiven Prozess dar und definieren Begriffe, Konzepte sowie Forschungsinstrumente in Verbindung mit der Theorie. Sie beschreiben, wie man empirische Studien konzipiert, Daten sammelt, analysiert, auswertet und die Ergebnisse in diesem Bereich interpretiert. B ERNHARDT und K AMIL geben in ihrer Monographie einleitend in Kapitel 1 einen Überblick über die historischen Wurzeln und die Relevanz des L2-Lesens, wobei die Rolle des Lesens in Zusammenhang mit der Einwanderungswelle nach dem Ersten Weltkrieg, mit sozialen Einstellungen und in Bezug auf die Entwicklung des nordamerikanischen Schulwesens im 19. Jahrhundert beleuchtet wird. Dieses Kapitel befasst sich auch mit der Geschichte der Leseforschung, die davon ausging, dass das Lesen in einer L2 zum Aufbau von Modellen und Wissen in ähnlichen Prozessen verläuft wie das Lesen in der L1. Zwar wurden die Unterschiede zwischen dem Lesen in einer L1 und einer L2 in der Leseforschung der 1970er Jahre (Goodman, Cummins) anerkannt, doch wurde das Vorgehen beim L2-Lesen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts oft als eine Variante des erstsprachlichen Lesens abgestuft. Die frühesten Leseforschungen von Huey (1908) bewiesen, dass der Weg zum Verstehen der Prozesse des L2-Lesens darin besteht, zu untersuchen, wie das Lesen in verschiedenen Sprachen unterschiedlich realisiert wird. Anschließend beschäftigt sich dieses Kapitel auch mit der Frage, inwieweit die Rolle des Lesens bei der Theorie- und Modellbildung und vor allem bei Untersuchungen im Bereich der SLA im Allgemeinen berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wurde. Im Zentrum des zweiten Kapitels stehen wesentliche Hinweise für angehende LeseforscherInnen, wie sie sich zu Beginn des Forschungsprozesses einen Überblick über die relevante Literatur verschaffen und darauf aufbauend erste forschungsleitende Fragestellungen formulieren können. Die ForscherInnen sollen sich in das Forschungsthema vertiefen und eine theoretische, aber in gewisser Weise auch eine persönliche Wissensbasis und ein individuelles Interesse zu einer neuen Studie entwickeln, die ein bestimmtes Forschungsproblem erhellt (S. 29). Sie müssen auf frühere Erkenntnisse reagieren und sich mit ihnen auseinandersetzen. Dieser Prozess bietet ihnen die Möglichkeit, die Anwendung bestimmter Lesetheorien und die Gründe für die Ablehnung anderer erklären zu können (vgl. S. 23f.). Anschließend werden in diesem Kapitel auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von theorie- und praxisorientierten Fragen dargestellt. Bei der Analyse mancher Studien zum L2-Lesen ist es oft schwierig, die Ausgangsbasis der gestellten Forschungsfragen aufzudecken. Auch eine Diskussion über die Theorie, die den Forschungsfragen zugrunde liegt, fehlt häufig. Schließlich beschreibt das Kapitel Variablen, auf welche sich die Forschungsfragen beziehen, u. a. Einfluss von Hintergrundwissen, technologiegestützte Hilfen wie Nachschlagen von Vokabeln oder die Anwendung bestimmter Lesestrategien bei L2-Texten. Am Ende des Kapitels wird darauf hingewiesen, dass die Literaturrecherche und die gestellten Forschungsfragen in einem empfindlichen Gleichgewicht stehen und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. S. 25). Kapitel 3 bietet zunächst eine Anleitung zur Beschreibung von ProbandInnen. Die L1- Kenntnisse der ProbandInnen und die in ihrer Kultur verwurzelten soziokulturellen Einstellungen zur Lesefertigkeit sind in diesem Kapitel von großer Bedeutung. Eine weitere Schlüsselvariable ist, wie gut die ProbandInnen in ihrer L1 lesen und verstehen und wie sich dies auf ihre Fähigkeiten beim Lesen in einer L2 auswirkt. Die Fähigkeit des L2-Leseverstehens setzt nicht nur automatische Worterkennung, grammatisches Wissen und brauchbaren Wortschatzumfang 132 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0027 52 • Heft 2 voraus, sondern auch ein ausreichendes Weltwissen (vgl. S. 50-53). Anschließend werden in diesem Kapitel einige verfügbare Instrumente zur Messung dieser Fähigkeiten beschrieben, u. a. die GRE (Graduate Record Examinations), der MAT (Miller Analogies Test) oder der NDRT (Nelson-Denny Reading Test), und es wird erläutert, wie aus diesen Tests stammende Ergebnisse bzw. Informationen in Studien zur erst-, zweit- und fremdsprachlichen Lesekompetenz verwendet werden können (vgl. S. 54). Das Kapitel behandelt die Art, die Länge und den Schwierigkeitsgrad des Textes, welche als weitere wesentliche Faktoren in der L2-Leseforschung berücksichtigt werden sollten. Besondere Bedeutung wird Texttypen wie narrativen und expositorischen Texten gewidmet, die unterschiedliche Forschungsergebnisse mit sich bringen. Kapitel 4 stellt Aufgaben dar, die von den ProbandInnen zu bearbeiten sind, um bestimmte Forschungsfragen zu beantworten. Die Beziehung zwischen den ProbandInnen und den Aufgaben bestimmt in erheblichem Ausmaß den Wert der Forschung. In diesem Kapitel werden einige Methoden untersucht, die in der L2-Leseforschung eingesetzt wurden, u.a. Lautes Denken und Fragebögen. Jede dieser Datenerhebungsmethoden bringt wichtige Aspekte mit sich, z. B. ob die Fragen zum Leseverstehen als Mehrfachauswahlfragen oder als offene Fragen gestellt werden, ob die Fragen sich auf den vorliegenden Text oder auf das Weltwissen der ProbandInnen konzentrieren, ob die Fragen in der L1 oder der L2 gestellt werden und ob sie in der L1 oder der L2 beantwortet werden sollen (vgl. S. 78-80). Schließlich liefert das Kapitel Vorschläge für die Aufbereitung von authentischen Texten für die Datenerhebung. Es werden hier beispielsweise Hinweise gegeben, wie längere Texte gekürzt werden können, indem so genannte Episoden identifiziert werden, die sich aus bestimmten Diskursmustern ergeben und die narrative Struktur eines Textes bilden (vgl. S. 88-90). Kapitel 5 beschäftigt sich mit praktischen Aspekten der Durchführung von Forschungsarbeiten, wie Datenorganisation, Datensicherheit und Analyseverfahren. Insbesondere die Entscheidung in Bezug auf Analyseverfahren kann zeitaufwändig und frustrierend sein. Die Autor- Innen der vorliegenden Monographie gehen davon aus, dass die ForscherInnen mit den Grundlagen der Datenanalyse vertraut sind und sich sowohl in quantitativen als auch in qualitativen Ansätzen auskennen (vgl. S. 101f.). Die Datensicherheit und Datenorganisation sind auch von entscheidender Bedeutung. B ERNHARDT und K AMIL erklären, dass Kopien sowohl der quantitativen als auch der qualitativen Daten mindestens an zwei Orten aufbewahrt werden müssen, da sie leicht verloren gehen können. Außerdem müssen die Daten organisiert und mit für die Forschenden identifizierbaren Informationen versehen werden, einschließlich Datum und Uhrzeit der Datenerfassung. Anschließend ist es wichtig zu betonen, dass eine kleine ProbandInnenanzahl die Reliabilität der Studie sowie die Aussagekraft der Ergebnisse verringert. Nach den AutorInnen gibt es noch drei weitere Punkte, die für Frustration während der Durchführung von Forschungsarbeiten sorgen können, u. a. Auswahl der Instrumente für die Datenerhebung, Zeitaufwand für die Datenerhebung und Bestätigung der Ergebnisse (S. 105). Kapitel 6 fasst die wesentlichen Punkte der Durchführung von Studien zum L2-Lesen kurz zusammen und schließt die Monographie durch Schlussbemerkungen ab. Dieser Teil konzentriert sich vor allem auf den Aufbau, die Verwendung und Auswirkungen des Forschungsberichts, der vor allem Abstract, Literaturübersicht, Forschungsproblem, Forschungsfragen, Forschungsmethoden, Datenanalyse, Interpretation, Schlussfolgerungen und Literaturverzeichnis einschließt (S. 118-122) und als ein sogenanntes Modell für die Organisation des Forschungsprojekts von der Konzeption bis zur Veröffentlichung dient. In diesem Kapitel wird weiter diskutiert, dass das Modell des Forschungsberichts als Leitfaden für die Planung neuer Forschungsfragen und das Aufzeigen neuer Forschungsdesiderata, Datensammlungen sowie neuer Synthesen dienen kann (S. 116). Der Forschungsbericht sollte weiter beinhalten, wer die Daten erhebt, analysiert und interpretiert. Diese Fragen sind von besonderer Bedeutung für die Besprechungen 133 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0028 Gültigkeit der Schlussfolgerungen sowie die Güte der Forschung. Einen weiteren Aspekt, den es zu bedenken gilt, stellt der Abbruch einer Studie dar. Auch wenn die ForscherInnen viel Zeit mit der Planung ihrer Forschungsstudien verbringen, gibt es Situationen, in denen sie eine Studie mitten in der Datenerhebung abbrechen oder unterbrechen müssen. Dafür kann es mehrere Gründe wie z. B. physische oder psychische Probleme der TeilnehmerInnen geben (S. 123). Das Kapitel endet anschließend mit einer Erörterung des Zwecks und des Fortschritts der Forschung, wobei auf Hindernisse hingewiesen wird, die sich aus der Forschungsproduktivität an den Universitäten, der Finanzierung der Forschung für Bildungszwecke und der professionellen Veröffentlichung in Manuskripten ergeben (S. 124f.). Fazit: Die Monographie von Elizabeth B. B ERNHARDT und Michael L. K AMIL ist sowohl theoretisch als auch methodologisch sorgfältig begründet. Was den Aufbau angeht, sind die Kapitel logisch gegliedert, dies ermöglicht eine schnelle Orientierung, ein gezieltes Lesen und problemloses Wiederauffinden von Informationen. Die vorliegende Monographie trägt dazu bei, gezielt methodologisch fundierte Studien zum L2-Lesen durchzuführen, da sie wichtige Hinweise und Instruktionen für die Planung eines Forschungsprojekts von dem Grundgedanken bis zur Interpretation der Ergebnisse bietet, wobei sich die ForscherInnen auf verschiedene Illustrationen und Tabellen mit Beispielen aus der Praxis stützen können, die der Monographie beiliegen. Was als Mangel in dieser Monographie angesehen werden könnte, ist die Behandlung von möglichen Hypothesen und die detaillierte Beschreibung von kognitiven und metakognitiven Prozessen im Rahmen der L2-Leseforschung. Es würde sich lohnen, die kognitiven Prozesse sowohl auf niedrigerer als auch auf höherer Ebene ausführlich zu behandeln, welche am Leseverstehensprozess beteiligt sind. Wien E RZSÉBET S ZABÓ T HI Than Hien Bui: Selbstlernen mit einem Online-Sprachlernprogramm. Eine empirische Untersuchung zum Lernverhalten von DaF-Lernenden auf Niveaustufe A1 beim Umgang mit Duolingo. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022, 420 Seiten [78 €] Viele Online-Sprachlernprogramme und vor allem Sprachlern-Apps versprechen, dass sich Lernende mit ihrem Angebot selbstgesteuert und in kürzester Zeit eine Sprache aneignen können; im wissenschaftlichen Diskurs werden diese Werbeversprechen sehr kritisch gesehen. Eine empirische Evidenz gibt es weder für die Versprechen noch für die Skepsis, da umfassendere Studien fehlen. Umso begrüßenswerter ist es, dass mit der Arbeit von T HI Than Hien Bui nun das erste deutschsprachige Dissertationsprojekt zu Duolingo vorliegt: In ihrer Arbeit gibt die Autorin eine sehr gute Übersicht über aktuelle Online-Sprachlernprogramme (Duolingo, Babbel, Busuu, LingQ, Mondly, Rosetta Stone, Book2 und Memrise) sowie deren zum Teil sehr unterschiedliche Charakteristika und Angebote; sie untersucht zudem, wie vietnamesische Lernende auf der Niveaustufe A1 mit dem ausgewählten Sprachlernprogramm Duolingo umgehen und wie dieses ihnen aus ihrer eigenen Sicht hilft, (über Englisch als Brückensprache) grammatische, lexikalische und phonetische Kompetenzen im Deutschen zu erwerben. Auch die Arbeit von T HI Than Hien Bui kann die Frage, ob man mit Sprachlern-Apps umfassend eine Sprache von A1 an erlernen kann, nicht beantworten; sie zeigt aber in eindrücklicher, da sehr detaillierter Weise auf, wie unterschiedlich die verschiedenen Lernenden auf dieselben Angebote reagieren und wie schwer es deshalb ist, generelle Aussagen über die Qualität von Sprachlernangeboten zu treffen. 134 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0028 52 • Heft 2 Nach der Einleitung mit dem Problemaufriss und der Formulierung der Forschungsfragen beschreibt die Autorin in Kapitel 2 und 3 die theoretischen Grundlagen der Studie. In Kapitel 2 geht es um das Thema des Selbstlernens mit digitalen Medien. Dafür werden wichtige Begriffe sowie Konzepte rund um das Selbstlernen thematisiert, und es wird ausgeführt, wie digitale Medien das Selbstlernen unterstützen können. Ein kleines Manko dieser interessanten Ausführungen ist, dass sie sich leider vorwiegend auf Forschungsliteratur aus dem deutschen Forschungsdiskurs beziehen; zudem vermisst man eine kritische Betrachtung und konstruktive Weiterentwicklung vorhandener Konstrukte. So liefert die Arbeit zwar eine Definition des Begriffs der Sprachlernprogramme: „Sprachlernprogramme sind für bestimmte Zielgruppen methodisch vorprogrammiert und enthalten Eigenschaften von Software in der Verbindung mit dem Internetsystem“ (S. 62). Diese Definition fasst vorliegende Definitionen aber leider nur (in einer recht holprigen Formulierung) zusammen, eine Weiterentwicklung der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen findet nicht statt. Die sich anschließende Analyse von Duolingo und der Vergleich mit anderen Sprachlernprogrammen anhand der Kriterien der Benutzer*innenfreundlichkeit, der Lernmethode, des Aufbaus der Lerneinheiten, der Fremdsprachenvermittlung, der Übungen zu Grammatik, Wortschatz und Phonetik, des Feedbacks und zusätzlicher Funktionen wie Chatbots oder Sprach- Communities ist sehr gewinnbringend. Wäre vorher ein geeignetes begriffliches bzw. konzeptionelles Instrumentarium entwickelt worden, hätte der reine Vergleich vielleicht noch in eine typisierende Darstellung münden können. Etwas unverständlich ist schließlich die extrem verkürzte Darstellung bisheriger Forschungsergebnisse zu Duolingo in den theoretischen Grundlagen, die sich, recht versteckt, in der Zusammenfassung des Kapitels zu den Online-Sprachlernprogrammen für DaF findet. Hier vermisst man eine gute Lektorierung des Bandes: Man hätte sich für diese Ergebnisse mehr Raum und ein eigenes Kapitel gewünscht, auf das dann in der Einordnung der Erkenntnisse in den Kapiteln 5-7 immer wieder hätte verwiesen werden können. Andere Ausführungen im Theorieteil (wie die zu den lerntheoretischen Grundlagen von Sprachlernprogrammen) hätten für die Publikation der Dissertation gut eingespart werden können, da sie schon andernorts mehrfach dargestellt worden sind. Auch die vielen sprachlichen Fehler, die es in der Arbeit leider durchgehend zu beanstanden gibt, hätte eine gute Lektorierung verhindern können. Kapitel 4 erläutert das sehr komplexe und anspruchsvolle methodische Vorgehen. Die Autorin untersucht in ihrer Studie zwar nur eine kleine Stichprobe, begleitet diese aber dafür mithilfe eines beeindruckend vielschichtigen Untersuchungsinstrumentariums (zwei Fragebögen, verschiedene Formen von Interviews, Videografie der Lernphasen der Lernenden, Lautes Denken sowie E-Lerntagebücher und E-Lernprotokolle, Chattexte und E-Mails) über fünf Monate sehr eng bei ihren Lernprozessen mit Duolingo. Diese tiefen Blicke in die Lernprozesse einzelner Lernenden sind sehr aufwendig zu gewinnen und von hohem Wert, weil sie Prozesse offenlegen, die summative Überprüfungen von Lernergebnissen gar nicht an die Oberfläche holen können. Das Forschungsdesign erscheint damit richtungsweisend für die Erforschung digital gestützter Selbstlernprozesse und könnte die rekonstruktive Fremdsprachenforschung um geeignete Forschungsdesigns für diesen Bereich sinnvoll ergänzen. Die Kapitel 5-7 stellen die Ergebnisse der Studie dar und ordnen diese in schon vorliegende Erkenntnisse ein. Kapitel 5 präsentiert die Ergebnisse der Auswertung der Erstkontakte der Lernenden mit dem Duolingo: In einem ersten Schritt typisiert die Autorin die Erstkontakte hinsichtlich der gewählten Lernwege, bei denen sich die Lernenden entweder nur auf die Übungen konzentrieren, grammatikbezogene tips and notes zusammen mit Übungen anschauen, neben Übungen auch noch den Programmablauf erkunden oder sich für alle drei Programmteile gleichermaßen interessieren. Die Lernwege gestalten sich häufig sehr verschlungen und ganz Besprechungen 135 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0028 sicher nicht so, wie es sich die Autor*innen des Sprachlernangebots vorgestellt haben. In einem zweiten Schritt wertet die Autorin die Erstkontakte hinsichtlich auftretender Problemfelder aus. Zudem analysiert sie die von den Lernenden bei den Erstkontakten geäußerten Emotionen. So reagieren Lernende mit positiven Emotionen auf verschiedene Programmfeatures, z.B. finden sie die Möglichkeiten zur Suche nach Facebook-Freunden, die einfache Kontoerstellung und das schnelle Feedback attraktiv. Aber es zeigen sich auch viele negative Emotionsausdrücke, die von Langeweile über Enttäuschung bis zu Entsetzen und Verbitterung reichen, und die durch fehlende Funktionen, schlechte didaktische Umsetzung, aber auch die als sehr schwer empfundene deutsche Grammatik hervorgerufen werden. Interessanterweise führen die negativen Gefühle beim Erstkontakt keineswegs immer zum Abbruch - genauso wenig wie positive Emotionen automatisch in eine erhöhte Lernmotivation münden. Kapitel 6 stellt die Ergebnisse der fünfmonatigen Lernbegleitung der Lernenden (wobei nur 5 der insgesamt 16 Lernenden bis zum Ende durchhielten) bei ihrer Nutzung von Duolingo vor, indem es typische Lernhandlungen beschreibt. Auch hierbei zeigen sich zwischen den Lernenden große Unterschiede, z.B. in der Häufigkeit und Intensität der Bearbeitung von Übungen, aber auch bei der Bewältigung der Schwierigkeiten: Manche Lernende suchen nach den Erklärtexten in Duolingo, andere suchen nach Hilfe im Internet, fragen erfahrene Personen, nutzen Online-Wörterbücher und andere Apps. Kapitel 7 liefert Erkenntnisse zur Länge und Intensität der Bearbeitungen und den Einflussfaktoren für Unterbrechungen oder Abbruch, aber auch für das Weiterlernen. Bei den didaktischen Faktoren bestätigt die Studie weitgehend Ergebnisse anderer Studien, in denen die Lernenden über die Eintönigkeit der Übungsgestaltung und eine für sie häufig wenig hilfreiche oder unverständliche Grammatik- und Wortschatzvermittlung klagen, die Inhalte zu begrenzt finden, Möglichkeiten zum kooperativen Lernen vermissen und diese Faktoren als Gründe für einen Abbruch angeben. Wie in anderen Studien ist das Bild der didaktischen, programmbedingten Abbruchfaktoren auch bei T HI Than Hien Bui aber nicht eindeutig - andere Lernende schätzen Duolingo aufgrund seiner Interaktivität (d.h. dem direkten Feedback) und den Gamification-Elementen oder werden allein durch die Möglichkeit zum zeit- und ortsunabhängigen Lernen zum Weiterlernen motiviert. Abbrüche und Unterbrechungen werden darüber hinaus durch technische Probleme, soziale Faktoren (wie Familie) oder persönliche Faktoren (wie Zeitmanagement) verursacht. Kapitel 8 fasst die Ergebnisse noch einmal zusammen und formuliert Vorschläge zur Verbesserung von Duolingo. Die Autorin formuliert zudem als Ergebnis ihrer Studie sogenannte „Typen bei der Nutzung von Duolingo“ (S. 336-343), die allerdings konzeptuell wenig überzeugen: Die Charakteristika der einzelnen Typen fassen zum Teil ohne überzeugende Begründung sehr unterschiedliche Ausprägungen einer Nutzung zusammen (vgl. die Nutzung von Duolingo als Lernspiel - wieso gehören dazu auch eine geringe Selbstdisziplin und die Nutzung anderer Quellen? ) und beschreiben zwar in den Titeln tatsächlich Nutzungsweisen des Programms, in den Kriterien aber Lernstile oder andere Charakteristika der Nutzenden (wie z.B. Selbstdisziplin). Die Schwierigkeit, dass sie ihre Lernenden nur schwer den Nutzungstypen zuordnen kann, spricht die Autorin selbst an, hält aber trotzdem an ihren Nutzungstypen fest, obwohl die empirischen Grundlagen für die Typisierungen unzureichend erscheinen. Insgesamt liefern die von T HI Than Hien Bui zusammengetragenen Daten äußerst interessante Einblicke in die Arbeit von Lernenden mit Sprachlernprogrammen vom Typ Duolingo. Bei der Auswertung und Interpretation der Daten mag man der Autorin allerdings nicht immer folgen: So drängen sich an manchen Stellen noch andere, weitreichendere Interpretationen auf, die sie leider nicht anspricht; an anderen Stellen nutzt sie einzelne Lernendenaussagen, um Erkenntnisse oder Thesen anderer Autor*innen zu bestätigen, ohne dass dafür eigentlich wirklich eine empirische Evidenz vorliegt. Trotz dieser Schwächen ist die Lektüre der Arbeit von 136 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0029 52 • Heft 2 T HI Than Hien Bui unbedingt zu empfehlen, und zwar nicht nur für die, die sich für die Digitalisierung des Fremdsprachenlernens interessieren, sondern auch für all die, die auch überzeugt sind, dass es der Mühe lohnt, Lernprozesse im Detail nachzuvollziehen. Leipzig N ICOLA W ÜRFFEL Katrin T HOMSON (Hrsg.): Classroom Discourse Competence. Current Issues in Language Teaching and Teacher Education. Tübingen: Narr Francke Attempto 2022 (Studies in English Language Teaching. Augsburger Studien zur Englischdidaktik), 476 Seiten [49 €] Der von Katrin T HOMSON herausgegebene Sammelband Classroom Discourse Competence verspricht im Untertitel aktuelle Belange des Unterrichtens von (Fremd-)Sprachen und der Lehrer*innenbildung zu beleuchten. Es sei dieser Rezension vorweggenommen, dass der Band diesem Versprechen in höchstem Maße gerecht wird. Es werden in einem ausgewogenen Verhältnis sowohl methodisch-didaktische Aspekte des Fremdsprachenunterrichts als auch empirische Studien sowie praktische Erfahrungen zur (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung präsentiert. Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert. Im ersten Teil, der als Einleitung zu verstehen ist, bietet T HOMSON zwei Beiträge, wobei sich der erste zum einen mit der begrifflichen Definition von classroom discourse (CD) und seiner Abgrenzung zu classroom interaction oder classroom communication befasst und zum anderen einen Überblick zu den weiteren Beiträgen des Bandes liefert. Der zweite Beitrag unternimmt den Versuch einer Konzeptualisierung von Teacher’s L2 Classroom Discourse Competence, im Folgenden als fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz (vgl. S. 21; 33) bezeichnet, welcher durch die Verdeutlichung der zentralen Rolle dieser Kompetenz und die Einordnung in einem überarbeiteten und erweiterten Modell zu professionellen Lehrkompetenzen auch gelingt. Die fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz wird in all ihren Facetten und vor allem in ihren Subkategorien wie ‚oberflächliches und tiefgehendes Diskurswissen’ oder den benötigten ‚fremdsprachenunterrichtlichen Diskursfähigkeiten und -fertigkeiten’ beleuchtet (vgl. S. 45). Die Relevanz, angehenden Fremdsprachenlehrpersonen Wissen in Bezug auf den fremdsprachenunterrichtlichen Diskurs zu vermitteln, betont T HOMSON , indem sie schreibt, dass die Aneignung eines tiefgehenden Diskuswissens zu einem fundierten Verständnis angehender Fremdsprachenlehrpersonen darüber führt, dass sie durch ihre Diskursfertigkeit das Sprachenlernen von Lerner*innen entweder fördern und unterstützen oder erschweren und sogar hemmen können (vgl. S. 48). Im zweiten Teil des Buches werden Subkategorien der fremdsprachenunterrichtlichen Diskurskompetenz in sechs Beiträgen dargestellt. Die Beiträge fokussieren vor allem den unterrichtlichen Aspekt der Diskurskompetenz und zeigen, wie diese gezielt eingesetzt werden kann oder sollte, um Lerner*innen in diversen Teilbereichen des Sprachenlernens zu unterstützen. So beschreibt beispielsweise der Beitrag von R OSEN , der auf einer Korpusanalyse von 105 Unterrichtsstunden basiert, welche Charakteristika lehrerseitiger fremdsprachenunterrichtlicher Diskurs haben muss, um einen Effekt auf den lerner*innenseitigen Gebrauch bestimmter Gesprächsmerkmale wie Diskursmarker oder question tags (Frageanhängsel in Bestätigungsfragen) zu haben. G IEßLER verdeutlicht den Nutzen fremdsprachenunterrichtlicher Diskursfertigkeiten (wie Erklärkompetenz zu Bedeutung, Form und Gebrauch von Wörtern), um Fremdsprachenlerner*innen beim Auf- und Ausbau neuen Wortschatzes zu unterstützen. Dieser Beitrag scheint besonders wertvoll, da es gelingt, die Wichtigkeit der Anwendung bestimmter Diskursfertigkeiten für das erfolgreiche Lernen aufzuzeigen, und ebenso veranschaulicht wird, wie diese Fertigkeiten von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen im universitären Kontext durch Besprechungen 137 52 • Heft 2 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0029 den Einsatz von Unterrichtsvideoanalysen erlernt werden können. Die Vorschläge zur Bewusstmachung und Herausbildung bestimmter Aspekte der Diskurskompetenz stammen aus einer Mehrfach-Fallstudie in Form des Design-Based Research und einer qualitativen Inhaltsanalyse schriftlicher Videoanalysen von Studierenden mit der Erkenntnis, dass die Studierenden befähigt werden, Situationen zu identifizieren, in welchen angemessene Konzepte des lexikalischen Lernens eingesetzt werden und einige Studierende auch in der Lage sind, Alternativvorschläge für den unterrichtlichen Diskurs zu formulieren (vgl. S. 78). B AIER / B REHM zeigen Möglichkeiten, wie literarischer Diskurs im Fremdsprachenunterricht durch die Anwendung unterschiedlicher Prompts im Sinne des Scaffolding gelingen kann. Der Beitrag bietet einen Einblick in theoretische Grundlagenkonzepte (New Criticism und Response Theory) zur Entstehung und Einordnung von Prompts, die schließlich in Anlehnung an das Modell von Nissen (1992) kategorisiert und in Form von hypothetischen praktischen Beispielen für den Einsatz im Unterricht erläutert werden. F ALKENHAGEN / S PATH thematisieren die fremdsprachenunterrichtliche Diskurskompetenz im Zusammenhang mit CLIL und S CHOBER fokussiert soziale, propositionale und expressive Diskursstrategien zur Inklusion hörbeeinträchtigter Schüler*innen im EFL- Kontext mit der relevanten Aufforderung, angehende Lehrpersonen auf die besonderen Herausforderungen im inklusiven Klassenzimmer gezielt vorzubereiten. Bewusst wird der Beitrag von T HOMSON , der den beiden zuletzt beschriebenen Artikeln vorgelagert ist, erst an dieser Stelle erwähnt, da er meiner Ansicht nach besser an den Anfang des nächsten Abschnitts gepasst hätte oder eine gute Überleitung zu den im dritten Teil besprochenen praktischen Ansätzen zur Entwicklung fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz in der Lehrer*innenbildung darstellen würde. Auch wenn der Beitrag das Konzept der Classroom Management Competence (CMC) und dessen Entwicklung aus theoretischer Sicht beschreibt, bietet die detaillierte Herausarbeitung aller Aspekte, die in Zusammenhang mit der CMC stehen, wie z.B. die Fähigkeit eine produktive Lernatmosphäre zu schaffen, das Einleiten von und Überleiten zu bestimmten Unterrichtsphasen u.v.a.m. eine hohe Anschlussfähigkeit an praktische Belange der Lehrer*innenbildung. In dem Artikel wird die Relevanz der CMC für einen produktiven und effizienten Unterricht sowie deren Zusammenhang mit der unterrichtlichen Diskurskompetenz deutlich. Ebenso wird überzeugend erläutert, warum die CMC nicht nur als „an interdisciplinary, subject-independent pedagogic concept“ (S. 105) gesehen werden sollte, sondern vor allem für den Fremdsprachenunterricht einen besonderen Stellenwert hat, weil sie zu einem gewissen Grad auch fachspezifisch ist, indem im Rahmen des CM auch methodologische und didaktische Prinzipien des Communicative Language Teaching (CLT) herangezogen und eingesetzt werden (vgl. S. 118). In Bezug auf praktische Ansätze in der Lehrer*innenbildung stellen im dritten Teil des Buches K OGLBAUER / H AINES / S EEDHOUSE die App Video Enhanced Observation vor, die es ermöglicht, Unterrichtsvideographien zu erstellen, diese in Kollaboration mit Peers und Lehrenden zu annotieren, zu analysieren und im Sinne einer reflektierten Praxis (reflection on action) diverser Aspekte der Diskurskompetenz zu nutzen. Auch G LASER thematisiert die Arbeit mit Videographien, die von Studierenden selbst von ihrem ersten Unterricht erstellt werden. Die Analyseschwerpunkte liegen auf den Teilbereichen Aufgabeninstruktion, Fehlerkorrektur und korrektives Feedback, die von den angehenden Lehrpersonen im Sinne des inquirybased learning untersucht werden, wobei die Studierenden auch Erfahrungen mit Methoden der Datenaufbereitung und -analyse sammeln. Sowohl der Beitrag von L IMBERG , mit einem Überblick relevanter (EFL) Korpora, wie auch jener von J ÄKEL zeigen die Vorteile von (transkribierten) Korpora fremdsprachenunterrichtlichen Diskurses. Den Nutzen dieser für angehende Lehrer*innen beschreibt J ÄKEL und stellt fest, dass in einem Ansatz zur verstärkten Sensibilisierung der Studierenden die Intuition der Studierenden über ‚guten’ oder ‚schlechten’ Fremd- 138 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0030 52 • Heft 2 sprachenunterricht die kognitive Basis bildet, auf welcher eine erhöhte und fundierte Bewusstheit zu linguistischen Mustern und unterrichtlichem Diskurs aufgebaut werden kann (vgl. S. 206). Die beiden Beiträge von B LELL / B REMEN und T HOMSON stellen jeweils Unterrichtskonzepte für die Herausbildung fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz in der Lehrer*innenbildung vor. B LELL / B REMEN präsentieren die Webseite VirtU, auf welcher Studierende zahlreiche Materialien wie auch Videos von authentischen Unterrichtssituationen finden, die mittels strukturierter Analyseaufgaben (basierend auf den Stufen des reflective practice model von Wallace) die Reflexionskompetenz sowie didaktisches Wissen der Studierenden erweitern sollen. T HOMSON beschreibt die theoretischen Hintergründe eines Kurskonzepts („The Way Teachers Talk: Developing Classroom Discourse Competence“) und demonstriert anhand praktischer Beispiele, wie sukzessive im Sinne des knowledge based reasoning durch Beschreiben, Analysieren, Bewerten und Reflektieren von Unterrichtsvideos oder eigenen videographierten Microteachingsequenzen Wissen zu fremdsprachenunterrichtlicher Diskurskompetenz, aber auch relevantes metalinguistisches Wissen aufgebaut wird. Auch der letzte Beitrag des Sammelbandes von S TADLER -H EER konzentriert sich auf den Aspekt der reflective practice, die von Studierenden durch das tiefgehende Analysieren von zwei selbstständig geplanten und durchgeführten Microteachingeinheiten trainiert wird, indem u.a. das SETTframework (Self Evaluation of Teacher Talk) nach Walsh zur Anwendung kommt, um die studentische professionelle Wahrnehmung zu verschiedenen Aspekten der Unterrichtsinteraktion auszubauen. Zusammenfassend kann der Sammelband als überaus gelungen bewertet werden. Er bietet einen detaillierten Einblick in aktuelle Forschungsprojekte und theoretische Überlegungen zur gezielten Unterstützung angehender Fremdsprachenlehrer*innen in der Herausbildung von Diskurskompetenzen. In den Beiträgen werden Desiderata der Lehrer*innenbildung mit Fokus auf die vielfältigen Facetten von Diskurskompetenz aufgezeigt und zugleich auch essentielle Hinweise zu möglichen Forschungsdesigns in zukünftigen Studien gegeben. Sowohl die theoretischen Überlegungen als auch die empirischen Erkenntnisse werden in den Beiträgen durch überzeugende praktische Beispiele untermauert. Wien M ARLENE A UFGEBAUER Frank H EISEL : Politische Bildung im Fremdsprachenunterricht. Eine Analyse aktueller Lehrbücher für den Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem 2022 (Romanische Sprachen und ihre Didaktik, Band 74), 631 Seiten [109,90 Euro] In der Zielstellung des Fremdsprachenunterrichts, bei den Lernenden Sprachbewusstheit sowie fremdsprachliche Diskursbewusstheit zu entwickeln, ist eine politische Dimension impliziert. Doch ob die Lehrkräfte sich dieser bewusst sind und sie aktiv mitgestalten, hängt unter anderem auch von der Verfügbarkeit politisch bildenden Materials und entsprechender Aufgabenstellungen für den Fremdsprachenunterricht ab. Vor diesem Hintergrund nimmt sich Frank H EISEL in seiner Dissertation zunächst der Frage des konkreten Beitrags des Fremdsprachenunterrichts zur Förderung einer politischen Bildung an, um anschließend ausgewählte Lehrbücher für den schulischen Spanischunterricht auf ihr politisch bildendes Potenzial hin zu untersuchen. Der Autor geht für seine Arbeit von einem weiten Politikverständnis aus. Für ihn ist Politik „ein kollektiver, konflikthafter und demokratischer Prozess zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen“ (S. 36). Für die Schule ist bedeutsam, dass sowohl das u.a. als ‚Politik‘ verankerte Besprechungen 139 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0030 Fach als auch alle anderen Fächer für die gesamtschulische Aufgabe politischer Bildung zuständig sind. Nach einer ausführlichen historischen Betrachtung schulischer politischer Bildung in Deutschland arbeitet der Autor im zweiten Kapitel deren Leitkonzepte heraus. Die hier gelegten Grundlagen sind wichtig, um überschneidende Kompetenzbereiche von politischer Bildung und Fremdsprachenunterricht aufzeigen zu können. Dennoch verwundert die relative Isoliertheit und Ausführlichkeit des Kapitels, da es ja gerade nicht Ziel der Arbeit ist, den Politikunterricht darzustellen, sondern den Blick auf den Fremdsprachenunterricht zu richten, diesen auf seine politischen Implikationen zu durchdenken und entsprechende Themen im Unterricht zu realisieren. Insgesamt werden verschiedene Kompetenzbereiche und didaktisch-methodische Prinzipien der politischen Bildung umfassend und präzise dargestellt, genauso später im dritten Kapitel diejenigen des Fremdsprachenunterrichts, z.B. interkulturelle bzw. transkulturelle Kompetenz oder Handlungs- und Aufgabenorientierung. Es werden die Ähnlichkeiten zwischen den Kompetenzen beider Fächer herausgearbeitet, z.B. im Bereich der Sprachbewusstheit, der Text- und Medienkompetenz, des interkulturellen oder Globalen Lernens, letzteres allerdings nur als Leitprinzip des Fremdsprachenunterrichts, nicht der politischen Bildung. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht ist es allerding etwas verwunderlich, dass Globales Lernen als didaktische Weiterentwicklung des interkulturellen Lernens dargestellt wird, da die Hinwendung zu Globalem Lernen in der Pädagogik und die Anfänge des interkulturellen Lernens in der Fremdsprachendidaktik ungefähr zeitgleich Ende der 70er Jahre erfolgten. Bei der Darstellung fremdsprachlicher Handlungskompetenz unterläuft dem Autor dann ein Fehler, wenn er schreibt (S. 187ff.), dass diese oft reduziert auf das kompetente kommunikative und interkulturelle Handeln im fremdsprachlichen Kontext der schulischen wie außer- und nachschulischen Lebenswelt modelliert werde, wohingegen die Lernenden im Politikunterricht das politische Sehen, Beurteilen und Handeln lernten und befähigt würden, eine eigene politische Handlungsorientierung zu entwickeln. Mag die schulische Realität auch eine andere sein, die fremdsprachendidaktische Modellierung u.a. von inter- und transkultureller Kompetenz, von Sprach- oder Diskursbewussheit ist mit den ihnen inhärenten Perspektivwechseln durchaus politisch modelliert, was der Autor selbst an anderer Stelle deutlich macht (u.a. S. 159-161, S. 167-169, S. 254). Nach einem Kapitel zu Lehrwerken, in dem der Verfasser deren explizites wie implizites politisch-bildnerisches Potenzial darstellt, erläutert er übersichtlich sein methodisches Vorgehen und das Forschungsdesign. Er ist sich der Problematik bewusst, dass für Lehrbuchanalysen erstellte Kriterienkataloge auf neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen könnten als die Lehrwerke, was zu einer Defizitanalyse oder zu einer Vernachlässigung interessanter Aspekte führen kann. Es bleibt aber bis zum Ende unklar, wie der Autor diesem Problem in seiner Arbeit begegnet. Auch einige der von ihm untersuchten Lehrwerke sind von 2012- 2015, also ca. zehn Jahre alt und alle sind mindestens zwei bis drei Jahre älter als die neusten von ihm berücksichtigten wissenschaftlichen Texte. Unter anderem hätte die Verwunderung des Autors über die hohe Präsenz von Unabhängigkeitsbewegungen in den autonomen Gemeinschaften Spaniens auf die zeitliche Genese der Lehrwerke zurückgeführt werden können, was allerdings unterbleibt. Anhand ausgewählter Lehrpläne und deren Inhaltsfelder der politischen Bildung entwickelt er nachvollziehbar die Kernthemen für die Lehrwerksanalyse von Lehrwerken für die Sekundarstufe I (Spanisch als dritte Fremdsprache) und Sekundarstufe II: Facetten des politischen Lebens, Aspekte einer modernen und multikulturellen Gesellschaft, wirtschaftliches Handeln im globalen Wandel. Der erstellte Kriterienkatalog ist in thematisch-inhaltliche und didaktisch- 140 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0030 52 • Heft 2 methodische Kriterien untergliedert. Wünschenswert wäre hier noch gewesen, nicht nur die bildungspolitischen Setzungen als thematische Setzungen zu fassen, sondern stärker zu hinterfragen, welche Themen im Bereich politischer Bildung im Spanischunterricht vielleicht im Lehrplan nicht thematisiert sind und entsprechend noch hinzugenommen werden könnten. Als Facetten des politischen Lebens untersucht der Verfasser die Darstellung der politischen Systeme Spaniens und der lateinamerikanischen Länder und die dortigen Möglichkeiten zu einer politischen Partizipation. Er hebt hervor, dass das politische System insgesamt nur sehr reduziert und bis auf eine Ausnahme eines Planspiels mit dem Fokus auf rezeptiver Wissensvermittlung dargestellt wird. Auch politische Partizipationsmöglichkeiten werden selten und vor allem nicht handlungsorientiert präsentiert. Als Konsequenz seiner Analyse schlägt Frank H EISEL u.a. Ergänzungen wie Stellungnahmen, Diskussionen oder eigene Kampagnen der Lernenden (z.B. zum Wahlalter) vor. Dies ist zu begrüßen, wenngleich der Autor eventuell etwas stärker die lebensweltliche Relevanz in seine Überlegungen einbeziehen könnte, da für die meisten Jugendlichen eine politische Partizipation im zielsprachlichen Kontext nicht wirklich gegeben sein wird. Bei den Aspekten einer modernen und multikulturellen Gesellschaft stehen die Situation der Jugend und Aushandlungsprozesse zwischen Jung und Alt im Mittelpunkt. Der Autor arbeitet gut heraus, dass in den Lehrwerken ein sehr harmonisierendes und damit nicht unbedingt realistisches Jugendbild dargestellt wird. Aspekte von Diversität in den Lehrwerken werden von ihm erfasst, weiterhin arbeitet er kritisch heraus, wie kolonialistisch nach wie vor der Blick auf Armut ist. Diese wird nur in Bezug auf Lateinamerika überhaupt dargestellt. Auch bedenkt er die Darstellung der indigenen Bevölkerung mit der Kritik, dass diese auf negative Aspekte (Armut, Gewalt, Unterentwicklung) reduziert werde. Das Fazit dieses Kapitels besteht aber nicht nur in Kritik an den Lehrwerken, sondern auch in einer positiven Hervorhebung der Rolle der Medien oder verschiedener Dimensionen von Sprachbewusstheit in einigen Oberstufenlehrwerken. Im Kapitel zum wirtschaftlichen Handeln stellt der Autor eine Abweichung von den Themen der Oberstufe fest und äußert die Kritik, dass berufliche Orientierung, wirtschaftliche Dimensionen der Globalisierung jenseits des Verhältnisses von Ökonomie und Ökologie oder Fragen der Relevanz von Wissenschaft und Technologie kaum Berücksichtigung fänden. Außerdem ergibt die Analyse, dass die Lernenden häufig auf die Rolle der Wirtschaftssubjekte reduziert würden. Die Notwendigkeit einer staatlich initiierten wirtschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit ebenso wie die politische Dimension des Nachhaltigkeitsdiskurses blieben unberücksichtigt (vgl. u.a. S. 537). Die Arbeit stellt insgesamt sehr gut heraus, dass der Fremdsprachenunterricht das Potenzial dazu hat, politischer zu werden. Dabei werden klar die Handlungsfelder aufgezeigt sowie die Methoden und didaktischen Überlegungen benannt, derer sich dazu bedient werden könnte. Der Autor vernachlässigt dabei allerdings die fremdsprachendidaktische Perspektive des Spracherwerbs oder des sprachlichen Scaffoldings. Dies wird deutlich, wenn er in der Analyse kritisiert, dass die Lehrwerke für die Sekundarstufe I die politische Dimension von Themen den Aspekten des Spracherwerbs unterordnen. Auch wenn diese Kritik nachvollziehbar ist, verwundert es, dass der Autor - im Gegensatz zu Verbesserungsvorschlägen an anderen Stellen - kaum Vorschläge unterbreitet, wie die Komplexität politischer Bildung mit rudimentären Sprachkenntnissen in Einklang gebracht werden kann und es häufig bei der Feststellung bleibt, dass „die Komplexität des Themas auch auf diesem Sprachniveau verhandelt werden können“ (S. 365). In seinen eigenen Vorschlägen zu mehr Handlungsorientierung, z.B. einer Diskussion mit anschließender individueller Urteilsbildung in einem Kommentar zu Vor- und Nachteilen der Smartphone-Nutzung für ein zweites Lernjahr (ca. Niveau A2 nach GER) ignoriert der Besprechungen 141 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0031 Autor, dass Urteilsbildung und Begründungen im Schreiben wie im Sprechen im GER erst für ein Niveau B1 vorgesehen sind. Das Verdienst der Arbeit ist es, wichtige Leerstellen der Lehrwerke im Hinblick auf politische Bildung im Spanischunterricht aufzuzeigen und den Lehrkräften gute Anhaltspunkte für die eigene Ausgestaltung politischer Bildungsprozesse zu geben. Dass dies auf breiter Forschungsbasis sehr detailrecht und teilweise redundant geschieht, ist für eine Dissertation nachvollziehbar und wichtig. Für die Publikation derselben hätte aber eine Straffung oder das Weglassen allgemein bekannter bildungspolitischer, forschungsmethodologischer und didaktischer Aspekte zu einer stärkeren Fokussierung auf die zentralen Fragestellungen der Arbeit beigetragen. Halle K ATHARINA W IELAND Brooke R. S CHREIBER , Eunjeong L EE , Jennifer T. J OHNSON , Norah F AHIM : Lingustic Justice on Campus. Pedagogy and Advocacy for Multilingual Students. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022 [44,95 €] Mehrsprachigkeit sowohl in ihren auf das Individuum als auch in ihren auf Gesellschaften bezogenen Erscheinungsformen kollidiert mit den immer noch vorherrschenden expliziten und impliziten Einsprachigkeitsnormen, auch und insbesondere in Bildungseinrichtungen. Diese Feststellung ist für sprachenpolitische Überlegungen im Kontext des Tertiären Bildungssektors von großer Bedeutung. Als Orte der höchstmöglichen akademischen Bildungsabschlüsse spielen Hochschulen als Ausbildungsstätten eine besondere Rolle, qualifizieren sie ihre Absolvent: innen doch für potenziell einflussreiche berufliche Positionen. Der Konnex zwischen Bildungsabschluss sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Einflussnahme verdient also unser besonderes Augenmerk; die Forderung, allen Menschen und ihren Sprachen dabei die gleichen Rechte zuzugestehen im Sinne einer wahrhaften Sprachengerechtigkeit, ist deshalb eine hochpolitische und grundsätzliche. Und sie ist eine mit hoher Sprengkraft, zwingt sie doch dazu, über das nachzudenken, was Hans-Jürgen K RUMM in seiner programmatischen Rede zu Sprachengerechtigkeit auf der Internationalen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer (IDT) 2022 an der Universität Wien die „Wirkungsmechanismen von Sprachen“ genannt hat. Sie stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Fragen der Machtausübung, Herrschaft, Unterdrückung und haben, so K RUMM, „Bedeutung für das demokratische Zusammenleben“. Der 2022 erschienene Band Lingustic Justice on Campus. Pedagogy and Advocacy for Multilingual Students behandelt den Themenkomplex Sprachengerechtigkeit aus einer spezifisch US-amerikanischen Perspektive. Damit scheint er auf den ersten Blick wenig übertragbar auf deutsche, europäische oder internationale Frage- und Problemstellungen von Sprachengerechtigkeit. Aus zwei Gründen ist seine Lektüre dennoch für eine breite Leserschaft lohnend und wertschöpfend: Zum einen belegt das deutliche Plädoyer für mehr Mehrsprachigkeit der in diesem Band versammelten Autor: innen die generelle Relevanz von Sprachengerechtigkeit, auf die von Mehrsprachigkeitsforschenden seit langem hingewiesen wird; zum anderen ist das hier abgebildete, kollektive In-Frage-Stellen der akademischen Sprachendominanz eines (Standard) English Only insofern ein Novum, als die Betrachtung dieses Phänomens - einen monolingualen Sprachnationalismus in den USA theoretisch voraussetzend - aus einer originär englischsprechenden Domäne erfolgt, also auf Englisch nicht aus einer Perspektive der Fremd-, Zweit- oder Tertiärsprachendidaktik blickt, wie es in der Regel der Fall aus der Sicht deutscher und europäischer Bildungsinstitutionen ist. 142 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2023-0031 52 • Heft 2 Dies erfolgt in insgesamt 11 Beiträgen, die in drei Themenblöcke gegliedert sind: Translingual and Antidiscriminatory Pedagogy and Practices, Advocacy in the Writing Center sowie Professional Development. Die einzelnen Kapitel wurden mit großer Sorgfalt gereiht und bauen schlüssig aufeinander auf, sie werden gerahmt von einer einführenden Einleitung der vier Herausgeberinnen und einem zusammenfassenden Nachwort von Shawna S HAPIRO . Folgende Grundannahmen werden von den Autor: innen unisono geteilt: Die defizit-orientierte Sicht auf Mehrsprachige hat sich überholt und spiegelt auch nicht die realen gesellschaftlichen Hyper- Diversitäten wider; sie sollte endgültig einer die kognitiven Leistungen und den inter- und translingualen Mehrwert von Mehrsprachigkeit würdigenden Haltung Platz machen; dazu ist ein Paradigmenwechsel erforderlich, der die Berechtigung von Sprachnormen der diversen Ausformungen von Standard (American) English in einem ersten Schritt in Frage stellt und sie im nächsten Schritt in ihrer Funktion als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument demaskiert, um sie im Sinne einer De-Kolonialisierung schließlich zu überwinden. Die Argumentation ist dabei oft eingebettet in die jüngsten Ereignisse der US-amerikanischen Zeitgeschichte, allen voran Bürgerrechtsbewegungen wie Black Lives Matter und MeToo. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit des solidarischen Eintretens gegen Rassismus und Diskriminierung der Autor: innen wird noch verstärkt durch das fatale zeitliche Zusammenfallen mit Strömungen des Post Truth- und White Supremacy-Denkens in den Vereinigten Staaten. So nimmt beispielsweise Kapitel 2 Bezug auf die durch die COVID19-Pandemie motivierten Angriffe auf internationale Studierende aus China, denen zu ihrem eigenen Schutz von ihren Dozent: innen geraten worden war, auf dem Campus kein Chinesisch zu sprechen. In Kapitel 4 werden historische Bezüge zum Umgang mit indigenen Sprachen der nordamerikanischen Ureinwohner hergestellt, um für die vielfältigen Erscheinungsformen von Sprachenungerechtigkeit zu sensibilisieren. Kapitel 5 legt die Bedeutung kindlicher Sprach(en)mittlung für die Inklusionsanstrengungen vietnamesischer/ laotischer Einwander: innen und ihrer (weiblichen) Nachkommen dar und zeigt, wie diese zu deren individuellem Bildungserfolg beitragen können. Da sich die beiden ersten Themenblöcke aus Studien von Lehrenden an Schreibzentren zusammensetzen, stehen in diesen studentische Textproduktionen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen im Fokus. Der Versuch, Einsprachigkeitsideologien als solche erkennbar zu machen und durch ein integrierendes Mehrsprachensystem zu ersetzen, eint alle Beiträge. Die Vorschläge umfassen dabei auch Varietäten innerhalb des englischen Sprachsystems wie Dialekte oder accented writing im Kontext world Englishes (Kapitel 9). Das Aufeinandertreffen von egalisierenden Sprachenpraktiken zur praktischen Implementierung von Sprachengerechtigkeit und Sprachnormen in der Tradition monolingualer Sprachstandards wird dabei immer wieder als ein sich grundsätzlich stellendes Problemfeld benannt: Letztlich unterliegen studentische Textproduktionen einer Bewertung, die auch sprachlichen Anforderungen zu Präzision und Korrektheit im Sinne von Verständlichkeit (intellegibility) genügen muss. Die drei Kapitel des dritten und letzten Themenblocks nehmen schließlich die Gruppe der Lehrenden in den Blick. Als Bewertende sind sie wohl der Dreh- und Angelpunkt eines möglichen Paradigmenwechsels von Monozu Multi/ Plurilingualität im Hochschulkontext. Da es insgesamt nur sehr wenige Studien gibt, die diese Gruppe (mächtiger) Hochschulagierender zum Untersuchungsgegenstand haben, darf man für die hier vorgestellten Studien besonders dankbar sein. Sie unterbreiten schließlich auch konkrete Vorschläge, wie das Dilemma zwischen der realen Sprachhegemonie des Standard English und der geforderten Mehrsprachigkeit aufzulösen begonnen werden könnte. Hier ist die Studie in Kapitel 10 hervorzuheben, denn sie ist an einer privaten Technischen Universität angesiedelt, also einer Hochschulform, die gemeinhin als wenig sprach(en)affin gilt und deshalb für unseren Kontext besonders interessant ist. Die Untersuchung thematisiert die Bedeutung von accented speech, hier in Form des von Besprechungen 143 52 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2023-0031 Lehrenden oft negativ konnotierten Southern accent, und erweitert somit das Verständnis sprachlicher Assimilationszwänge um dialektale Erstsprechende des Englischen. Kapitel 12 berichtet von der Einbeziehung von Primärliteratur jenseits des Englischen, was für in Europa bildungssozialisierte Leser: innen ein eher überraschender Vorschlag sein dürfte. Überhaupt rufen einige der geschilderten didaktischen Empfehlungen manchmal verhaltene Verwunderung aus. So erscheint die Feststellung „If instructors simply present one idea as being the final truth, that negotiation is likely to be lost.” (S. 203) eher anachronistisch, auch das an anderer Stelle vorgeschlagene Zu- und Stehenlassen von Kontroversen in Gruppendiskussionen gehört heute doch wohl zum Standard-Repertoire Lehrender. Einige der gebrauchten Abkürzungen wie K-12 settings oder das Studienangebot composition verlangen von mit der US- Bildungslandschaft nicht vertrauten Leser: innen Recherchearbeit. Kritisch zu sehen ist auch die fast ausschließliche Verwendung englischsprachiger Quellen aller Autor: innen; so bleiben nicht nur wesentliche Entwicklungen und Erkenntnisse der Mehrsprachigkeitsforschung anderer Weltregionen jenseits der USA unberücksichtigt, die Forderung nach mehr Sprachengerechtigkeit wird so den eigenen Ansprüchen nur eingeschränkt gerecht. Ebenso versäumen die Herausgeberinnen, ihrem Band eine Definition von Mehrsprachigkeit zugrunde zu legen. Dass in vielen der Studien der linguistische Sonderfall der Zweisprachigkeit anzunehmen ist, also nicht von Mehrsprachigkeit gemäß der in der Linguistik geltenden Definition L1+L2+Ln ausgegangen werden kann, ist ein Manko, das zu Unklarheiten führt und leicht hätte vermieden werden können. „Englisch“ steht als derzeitige Lingua Franca/ Lingua Academica insbesondere im Kontext der sogenannten Internationalisierung und deren häufigen Gleichsetzung mit Anglisierung der Lehre an Hochschulen weltweit im Dienste einer monolingualen Sprachdominanz, die oft als English Only bezeichnet wird. Vor dem Hintergrund der englischen als plurizentrischer Sprache stellen sich jedoch viele grundsätzliche Fragen wie beispielsweise Von welchem Englisch sprechen wir eigentlich? Fragen wie diese sind auch im Kontext Europäischer Hochschulallianzen und dem Aufbau eines Europäischen Hochschul- und Forschungsraums von großer Relevanz: Auf welches Englisch einigt man sich im Fach Maschinenbau an einer deutschen Technischen Universität, wenn die belgische Professorin mit Englisch als L3 auf C1-Niveau auf den koreanischen Studierenden mit Englisch als L3 mit B1-Niveau trifft? Wie kann eine faire Bewertung der studentischen Textproduktion des Englisch als Fremdsprache-sprechenden Studierenden durch die Englisch als Fremdsprache-sprechende Professorin erfolgen? Auch dies sind Fragen der Sprachengerechtigkeit. Die enge Verknüpfung von Sprachen und ihren Verwendungen mit den soziokulturellen Herkünften, Lebens- und Erfahrungswelten sowie der jeweiligen Bildungssozialisation ihrer Sprechenden, Schreibenden, Hörenden beeinflusst deren Verstehen, Denken und Handeln. Bildungssprachliche Diskursräume sollten deshalb an Hochschulen die notwendigen Orte eröffnen, an denen Sprachengerechtigkeit ausgehandelt und praktiziert werden kann. Als Multiplikator: innen tragen hochschulische Akteur: innen sie in die Gesellschaft hinein und tragen so zu gesellschaftlichen Transformationsprozessen bei. Das geschieht immer über Sprache(n). In ihrem Nachwort formuliert es Shawna S HAPIRO so: „The importance of broadening our perspective applies as well to our own use of language.” (S. 221) Sprachengerechtigkeit beginnt also bei und mit uns selbst. Von ersten möglichen Schritten in diese Richtung berichtet dieses Buch. Darmstadt C ONSTANZE B RADLAW 52 • Heft 2 Vorschau auf Jahrgang 53.1 Der von G ÖTZ S CHWAB (Ludwigsburg) und S ABINE H OFMANN (Palermo) koordinierte Themenschwerpunkt für den Jahrgang 53.1 trägt den Titel „Interaktion und Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht“. Digitales Lehren und Lernen von Fremdsprachen hat in den letzten Jahren entscheidend an Bedeutung gewonnen und bestimmt mittlerweile weite Teile sowohl der akademischen Lehre als auch den Bereich der Fort- und Weiterbildung. Hierbei lassen sich nicht nur synchrone, asynchrone und im Blended-Learning Format gehaltene Veranstaltungen unterscheiden, sondern es entwickeln sich auch diverse Mischformen, in denen die gewählten Formate durch weitere interaktive oder individuelle Lernformen ergänzt werden. Das Ausweiten der digitalen Dimension führt zu einer verstärkten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, was sich an dem Anstieg an empirischen Untersuchungen zum digitalen Lehren und Lernen von Fremdsprachen beobachten lässt. Unser Themenheft möchte einen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung leisten und sich dem interaktiven Geschehen beim digitalen Lehren und Lernen von Fremdsprachen widmen. Hierbei soll der Begriff nicht nur auf das Interagieren zwischen Personen begrenzt sein, sondern auch die Gegenstände (z.B. Lehrbücher) und Geräte, die Lehrende und Lernende benutzen (z.B. Computer, Tablet, Mobiltelefon) einbeziehen. Hierunter fällt ebenso die für die digitale Interaktion typische Mischung von unterschiedlichen Kommunikationsebenen, wie Bild und Sprache bei Videokonferenzen, Chatten, gemeinsamer Bearbeitung von Dokumenten am Bildschirm usw. Zu diesem breiten Interaktionsspektrum wollen wir Beiträge versammeln, die sich qualitativ und/ oder quantitativ mit dem Thema beschäftigen. Uns interessieren mikroanalytische Verfahren (insb. Diskurs-, Konversations- und Gesprächsanalyse), aber auch Vorgehen, die Interaktionsprozesse reflektieren. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: N ILS D RIXLER (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg): Turn-Taking in einem Virtuellen Austausch - Eine Langzeitstudie zur Online-Interaktion zwischen israelischen und deutschen Englischstudierenden C HRISTINE B IEBRICHER , D IANA F EICK , P ETRA K NORR (Universität Auckland / Universität Leipzig): Interaktionsprozesse in einem virtuellen Austauschprojekt - duoethnographische Reflexionen der begleitenden Lehrpersonen S INA W ERNER (Ruhr-Universität Bochum): Task-in-Process in Breakout Rooms eines aufgabenbasierten Videokonferenzprojekts S VENJA M EIER / G ÖTZ S CHWAB (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg): Identitätsarbeit und Rollenverständnis durch persönliche Narration in Virtuellen Austauschen zwischen deutschen und israelischen Studierenden B UDIMKA U SKOKOVIC (Ohio State University): Aushandeln gemeinsamer Verständnisebenen in mehrsprachiger videobasierter Interaktion M ARTA G ARCÍA G ARCÍA / N AIARA M ARTÍNEZ N IÑO (Universität Göttingen): „Vielleicht kann ich meinen Bildschirm teilen“ - Die Rolle der Bildschirmfreigabe im Management von Spanisch Online-Interaktionen im Rahmen eines Virtual Exchange V o r s c h a u Vorschau 145 49 (2020) • Heft 1 Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 53.2 Neurodiversität im Fremdsprachenunterricht und in -lehrkräftebildung Koordiniert von C AROLYN B LUME (TU Dortmund) und J. B ÜNDGENS -K OSTEN (Goethe-Universität Frankfurt) BUCHTIPP Daniel Becker Videospiele im Fremdsprachenunterricht 1. Auflage 2021, 107 Seiten €[D] 12,99 ISBN 978-3-8233-8437-3 eISBN 978-3-8233-9437-2 Videospiele sind nicht nur äußerst beliebt bei Jugendlichen, sondern weisen auch vielseitige Potentiale für das Fremdsprachenlernen auf. So zeigen etwa zahlreiche Studien, dass digitale Spiele u.a. einen wichtigen Beitrag zur Förderung kommunikativer und kultureller Kompetenzen leisten können, und somit einen idealen Lerngegenstand für den Fremdsprachenunterricht darstellen. Doch wie kann man diesen Lerngegenstand konkret im Unterricht umsetzen und anwenden? Bei all der Fülle an Studien zum didaktischen Mehrwert von digitalen Spielen wurde diese unterrichtspraktische Frage bisher kaum beantwortet. Das Buch von Daniel Becker setzt an genau dieser Stelle an und beschäftigt sich mit den didaktischen Voraussetzungen und Herausforderungen des fremdsprachlichen Videospielunterrichts. Hierbei werden sowohl curriculare, technische als auch methodische Überlegungen berücksichtigt. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (2006 - 2023) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von Claus Gnutzmann, Frank G. Königs, Lutz Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) [i. V.] 45.1 (2016): Fremdsprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell, Carola Surkamp) [geplant] 45.2 (2016) L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven [geplant] 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung (koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) 49.1 (2020): Fremdsprachliches Schreiben (koord. von Hans P. Krings) 49.2 (2020): Aussprache lehren, lernen und evaluieren (koord. von Isabelle Mordellet-Roggenbuck und Julia Settinieri) 50.1 (2021): Bilingualer Unterricht. Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen (koord. von Bärbel Diehr und Dominik Rumlich) 50.2 (2021): Berufsbezogenes Fremdsprachenlernen und -lehren (koord. von Karin Vogt und Hermann Funk) 51.1 (2022): Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe für alle (koord. Nikola Mayer) 51.2 (2022): Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive (koord. von Dagmar Abendroth-Timmer und Britta Viebrock) 52.1 (2023): Die Künste und ihr Einsatz im Fremdsprachenunterricht - Potenziale für das fremdsprachliche Lehren und Lernen (koord. von Carola Surkamp und Andreas Wirag) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt forschungsbasierte Beiträge zu allen für den Fremdsprachenunterricht und die Förderung der Mehrsprachigkeit relevanten Bereichen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. ISSN 0932-6936 ISBN 978-3-381-10331-7 www.narr.digital www.narr.de Themenschwerpunkt: Gamification M arta G arcía G arcía Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ���������������������������������������������� 3 c aroline c ruaud A certain degree of freedom: the challenge of learner autonomy in playful foreign language learning ���������������������������������������������������������������������� 14 e ric W olpers Inhaltliche Gamifikation im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht (IGAF): Eine empirische Design-Based Research Studie zur Förderung spielerischer und narrativer Lernzugänge������������������������������������������������������ 31 M arta G arcía G arcía „weil es halt schwieriger ist zu reden, als einfach selber zu machen“ - Lernenden-Engagement und Escape Games im Spanischunterricht����������� 50 J ules B uendGens -K osten , F rederiK c ornillie , s hannon s auro Teaching (multi)literacies, supporting identities: Plurilingual writing in an interactive fiction project ���������������������������������������������������������������������� 72 c arolyn B luMe Ene, mene, muh, raus bist du? Digitale Spiele als inklusive Lerngelegenheit in der Fremdsprachenlehrkraftbildung ���������������������������������������������������� 90