Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
0428
2025
541
Gnutzmann Küster Schrammwww.narr.digital www.narr.de ISSN 0932-6936 ISBN 978-3-381-14031-2 Themenschwerpunkt: Fokus Feedbackkompetenz M arlene a ufgebauer Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ���������������������������������������������� 3 M arlene a ufgebauer Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender ������������������������������� 8 O livia r ütti -J Oy Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen: Über die sprachliche Facette von Feedback-Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrender ���������������������������������������������������� 21 M ilica l azOvic Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv ��� 39 M ichaela r ückl Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz in sprachendidaktischen Lehrveranstaltungen ���������� 57 c arMen k Onzett -f irth Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht: Eine Bestandsaufnahme mit Überlegungen zur Förderlichkeit von Feedback für die Entwicklung von Interaktionskompetenz ������������������������������������������������������������������������� 73 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 54� Jahrgang · 1 Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Sandra Ballweg, Birgit Schädlich, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Fokus Feedbackkompetenz koordiniert von Marlene Aufgebauer F Lu L 54. Jahrgang · 1 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgegeben von: Sandra Ballweg (Paderborn) · Birgit Schädlich (Göttingen) · Karen Schramm (Wien) · Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Sandra Ballweg, Universität Paderborn, Institut für Germanistik und vergleichende Literaturwissenschaft, Fach DaZ/ DaF, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn, eMail: sandra.ballweg@upb.de Prof. Dr. Birgit Schädlich, Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37073 Göttingen, eMail: birgit.schaedlich@phil.uni-goettingen.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Grit Mehlhorn (Leipzig) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Michaela Rückl (Salzburg) · Kathrin Siebold (Marburg) · Laurenz Volkmann (Jena) · Katharina Wieland (Halle) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 83,- (print) bzw. € 93,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 56,- (print), das Einzelheft € 46,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2025 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISBN 978-3-381-14031-2 · ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (2002 - 2024) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (2002 - 2024) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): `` Neokommunikativer AA Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von C. Gnutzmann, F.G. Königs und L. Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung (koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel) 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) 49.1 (2020): Fremdsprachliches Schreiben (koord. von Hans P. Krings) 49.2 (2020): Aussprache lehren, lernen und evaluieren (koord. von Isabelle Mordellet-Roggenbuck und Julia Settinieri) 50.1 (2021): Bilingualer Unterricht. Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen (koord. von Bärbel Diehr und Dominik Rumlich) 50.2 (2021): Berufsbezogenes Fremdsprachenlernen und -lehren (koord. von Karin Vogt und Hermann Funk) 51.1 (2022): Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe für alle (koord. Nikola Mayer) 51.2 (2022): Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive (koord. von Dagmar Abendroth-Timmer und Britta Viebrock) 52.1 (2023): Die Künste und ihr Einsatz im Fremdsprachenunterricht - Potenziale für das fremdsprachliche Lernen (koord. von Carola Surkamp und Andreas Wirag) 52.2 (2023): Gamification (koord. von Marta García García) 53.1 (2024): Interaktion und Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht (koord. von Götz Schwab und Sabine Hoffmann) 53.2 (2024): Neurodiversität in Fremdsprachenunterricht und -lehrkräftebildung (koord. von Carolyn Blume und Jules Bündgens-Kosten) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt forschungsbasierte Beiträge zu allen für den Fremdsprachenunterricht und die Förderung der Mehrsprachigkeit relevanten Bereichen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. (Fortsetzung umseitig) Th e m e n s c h w e rp u nkt: F o ku s F e e d b a c kk o m p e t e n z Koordination: M ARLENE A UFGEBAUER M ARLENE A UFGEBAUER Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ....................................................... 3 M ARLENE A UFGEBAUER Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender ...................................... 8 O LIVIA R ÜTTI -J OY Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen: Über die sprachliche Facette von Feedback-Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrender .......................................................................... 21 M ILICA L AZOVIC Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv ........ 39 M ICHAELA R ÜCKL Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz in sprachendidaktischen Lehrveranstaltungen ................... 57 C ARMEN K ONZETT -F IRTH Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht: Eine Bestandsaufnahme mit Überlegungen zur Förderlichkeit von Feedback für die Entwicklung von Interaktionskompetenz ................................................................................................ 73 Nicht-thematischer Teil P ATRICIA L OUISE M ORRIS Zwischen dem Einhalten einer monolingualen Norm und dem Einbringen mehrsprachiger Ressourcen: Eine Heuristik zur Analyse sprachlicher Praktiken im vorbereitungsdienstlichen Französisch- und Spanischunterricht ........... 89 54. Jahrgang • Heft 1 Herausgegeben von: Birgit S CHÄDLICH (Göttingen), Karen S CHRAMM (Wien), Britta V IEBROCK (Frankfurt) © 2025 Narr Francke Attempto Verlag Internet: www.narr.de/ linguistik/ zeitschriften/ flul/ 54 • Heft 1 Be sprechunge n Susanne G ÜNTHNER , Juliane S CHOPF , Beate W EIDNER (Hrsg.): Gesprochene Sprache in der kommunikativen Praxis. Tübingen: Stauffenburg 2021 (C HRISTOPH B ÜRGEL ) ............. 105 Leo W ILL , Wolfgang S TADLER , Irma E LOFF (Hrsg.): Authenticity across Languages and Cultures. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022 (L AURA -J OANNA S CHRÖTER ) ........... 108 Viktoria S CHEEREN : Lesen mit Bilderbuch-Apps im aufgabenorientierten Englischunterricht in der Grundschule. Wiesbaden: Springer Nature 2022 (J ULIA R ECKERMANN ) .......... 110 Lotta K ÖNIG , Birgit S CHÄDLICH , Carola S URKAMP (Hrsg.): unterricht_kultur_theorie: Kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht gemeinsam anders denken. Heidelberg: J B. Metzler 2022 (H ANNES S CHWEIGER ) ............................................................................ 113 Chika T AKAHASHI : Motivation to Learn Multiple Languages in Japan. A Longitudinal Perspective. Bristol: Multilingual Matters 2022 (M ICHAEL S CHART ) .................................. 116 Peggy K ATELHÖN , Pavla M AREČKOVÁ (Hrsg.): Sprachmittlung und Mediation im Fremdsprachenunterricht an Schule und Universität. Berlin: Frank & Timme 2022 (J ULE I NKEN M ÜLLER ) ................................................................................................................... 118 Gary B ARKHUIZEN (Hrsg.): Language Teachers Studying Abroad - Identities, Emotions and Disruptions. Bristol: Multilingual Matters 2022 (J AN S PRINGOB ) ................................ 121 Claudia M USTROPH : Zum Einsatz multimodaler Literatur im Englischunterricht. Berlin: Lit 2022 (R OLAND I ßLER ) .................................................................................................... 123 Johanna W OLF : Fremder Text - fremde Welt? Zu Störungen im Organisationsablauf beim Verstehen fremdsprachlicher Texte. Berlin/ Boston: de Gruyter 2022 (M ARTINA K IENBERGER ) ...................................................................................................................... 126 Marlene A UFGEBAUER : Die fremdsprachliche Textproduktion. Schreibprozesse und -produkte von DaF-Lernenden. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2023 (H ANS P. K RINGS ) ............ 128 Michaela R ÜCKL : Mehrsprachigkeitsdidaktik als Schlüssel für effizienten Spracherwerb. Evidenzbasierte Erkenntnisse zur Lehrwerkwirkung im Bedingungsgefüge des kompetenzorientierten Unterrichts von Italienisch und Spanisch als dritte Fremdsprachen. Stuttgart: ibidem 2023 (H EIKE N IESEN ) .............................................................................. 131 Michael B YRAM , Mike F LEMING , Joseph S HEILS : Quality and Equity in Education. Bristol: Multilingual Matters 2023 (E LENI L OULOUDI ) ....................................................... 134 Eric K. K U : Teachers of Multiple Languages: Identities, Beliefs and Emotions. Bristol: Multilingual Matters 2023 (O LIVIA R ÜTTI -J OY ) .................................................................. 136 Johanna M ARKS : Standards und Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung. Eine fremdsprachendidaktische Perspektive. Berlin: LIT Verlag 2023 (M ANUELA S CHLICK ) .............. 139 Mareike T ÖDTER : Fremdheit im Englischunterricht. Eine interdisziplinäre Grundlagenarbeit zur Gestaltung von Fremdheitserfahrungen. WVT: Trier 2023 (L OTTA K ÖNIG ) ...... 141 Vorschau 144 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0001 M ARLENE A UFGEBAUER * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Das umfassende und vielseitige Thema ‚Feedback im Fremdsprachenunterricht‘ stellt bereits seit geraumer Zeit einen wesentlichen Interessensschwerpunkt der Fremdsprachenforschung dar (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007). Zumeist werden in einschlägigen Publikationen vor allem die unterschiedlichen Feedbackformen und -möglichkeiten, die Wirkung und Effizienz des Feedbacks oder auch die Annahme, das Ablehnen oder das Umsetzen des Feedbacks aus Lernendenperspektive betrachtet. Ebenso steht häufig das Feedback auf schriftliche Produktionen von Fremdsprachenlerner*innen im Zentrum, da diese leichter greifbar und weniger flüchtig sind als mündliche Äußerungen. Selten wird das komplexe Thema des Feedbacks im Fremdsprachenunterricht jedoch aus Sicht der Lehrpersonen beziehungsweise in Bezug auf die Ausbildung angehender Fremdsprachenlehrer*innen betrachtet (vgl. B ECKER / S TUDE 2021; R ÜTTI -J OY 2019, 2021); insbesondere der Aspekt des Feedbacks auf mündliche Beiträge von Lerner*innen wird nur marginal fokussiert. Um Lernenden einer Fremdsprache gezielt adressatengerechtes, dem Sprachstand entsprechendes und lernförderliches Feedback auf mündliche Produktionen wie beispielsweise Kurzpräsentationen von Gruppen- und Projektarbeiten oder Impulsreferate zu geben, bedarf es auf Seiten der Lehrpersonen einer Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen und Fertigkeiten, die bereits in der Fremdsprachenlehrer*innenausbildung verstärkt bewusst gemacht, ausgebaut und geübt werden sollten. Die mannigfaltigen Kompetenzen, über die eine Fremdsprachenlehrperson neben zahlreichen anderen allein auf der sprachlichen Ebene (linguistisch und pragmatisch) verfügen sollte, werden u.a. in den Berufsspezifischen Sprachkompetenzprofilen für Lehrpersonen für Fremdsprachen (vgl. B LEI - CHENBACHER et al. 2017; K USTER et al. 2014; E GLI C UENAT et al. 2016) aufgezeigt. Beispielhaft sei eine von zahlreichen in den Berufsspezifischen Sprachkompetenzprofilen formulierte Kann-Beschreibung für Fremdsprachenlehrpersonen der Sekundarstufe I (für Deutsch, Englisch oder Französisch) angeführt, die unter dem Hand- * Korrespondenzadresse: Mag. Dr. Marlene A UFGEBAUER , Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache; Porzellangasse 4/ 2/ 4 in 1090 W IEN E-Mail: marlene.aufgebauer@univie.ac.at Arbeitsbereiche: Lehrer*innenbildung, Professionalisierung von Fremdsprachenlehrer*innen, Schreibprozessforschung Fokus Fe edba ckkompetenz 4 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0001 54 • Heft 1 lungsfeld „Beurteilen, Rückmeldungen geben und beraten“ bereits deutlich auf die Komplexität der lehrer*innenseitigen Feedbackkompetenz verweist: Die Lehrperson kann in der Zielsprache... die mündliche Sprachproduktion von Lernenden verstehen, analysieren und beurteilen, um eine differenzierte Rückmeldung geben zu können. a Auf der Basis eines kurzen Monologs (z.B. Kurzbericht mit eigenen Kommentaren, Textzusammenfassungen) anhand von Kriterien (z.B. Inhalt, Spektrum sprachlicher Mittel, Genauigkeit, Redefluss oder Angemessenheit des Sprachregisters) Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten ermitteln. b Anhand einzelner Kriterien die mündlichen Beiträge von zwei Lernenden beurteilen, die einen Dialog führen (z.B. über Austausch oder Musik). (K USTER et al. 2014: 13) Auch in der Betrachtung einiger weiterer Kompetenzrahmen und Profilraster zu professionellem unterrichtlichen Handeln angehender Fremdsprachenlehrer*innen, in welchen nicht ausschließlich die zielsprachlichen Fertigkeiten von Fremdsprachenlehrer*innen angeführt sind (vgl. C AMBRIDGE E NGLISH T EACHING F RAMEWORK 2018; E AQUALS 2020; E UROPÄISCHE U NION 2011-2013; E UROPARAT 2007), wird deutlich, wie groß die Anzahl der Teilkompetenzen unterrichtlichen Handelns ist, die erforderlich sind, um Fremdsprachenlernenden eine lernfördernde konstruktive Rückmeldung zu ihren mündlichen Äußerungen und Leistungen zu geben. Zusätzlich zu den gewissermaßen übergeordneten (fremd-)sprachlichen Kompetenzen müssen angehende Fremdsprachenlehrpersonen im Sinne eines spracherwerbsförderlichen Lehrer*innenhandelns auch über Kompetenzen im Bereich Diagnose und Evaluation des Sprachstandes (vgl. R ÜCKL et al. 2022), Erkennen des Lernfortschrittes und Wissen um die Zone der nächsten Entwicklung (vgl. V YGOTSKIJ 1987), Erkennen der Fehlerarten und Wissen um die Ursachen (Kompetenz, Performanz) sowie deren Bearbeitungsmöglichkeiten verfügen. Ebenso müssen in der unterrichtlichen Interaktion und für mündliches Feedback in der (Halb-)Öffentlichkeit eines Klassenzimmers oder Sprachkurses auch Kompetenzen im Bereich der Empathie und Gesichtswahrung erlangt werden, was laut L AZOVIC (2023) ein deutliches Desiderat in der Forschung und Praxis der Fremdsprachenlehrer*innenausbildung darstellt und worauf sie wie folgt hinweist: Die diskursive Entwicklung der Empathie in der Unterrichtskommunikation, das Verhältnis unterschiedlicher Dimensionen der Empathie sowie ihre Förderung im Kontext der Ausbildung von Lehrkräften ist empirisch immer noch ungenügend untersucht und wenig in die Prozesse der Reflexionsförderung integriert [...]. (L AZOVIC 2023: 19) Zu den Beiträgen Der Beitrag von M ARLENE A UFGEBAUER behandelt die Bedeutung von Feedbackkompetenz für angehende Lehrkräfte im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/ DaZ) und deren Integration in die Lehrkräfteausbildung. Er zeigt, dass Feedback ein essenzielles Werkzeug im Sprachenlernen ist, sowohl um Lernende zu motivieren als auch um sie gezielt zu fördern. Dabei wird auf die Subkategorien der Feedback- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0001 kompetenz, wie Empathie, sprachliche Präzision, und Kommunikationsfähigkeit, eingegangen, die eng mit der Diskurskompetenz im Unterricht verbunden sind. Praxisorientierte Methoden wie Micro-Teaching, Videographie und Peer-Feedback werden als zentrale Ansätze zur Förderung dieser Kompetenzen hervorgehoben. Abschließend werden aktuelle Studien ebenso wie Desiderata vor allem zum Einsatz digitaler Feedbacktools und deren Potenzial zur Optimierung von Feedbackprozessen im Fremdsprachenunterricht angeführt. Der Beitrag von O LIVIA R ÜTTI -J OY ist im Bereich des Englischunterrichts, jedoch im schweizerischen Kontext angesiedelt und beschäftigt sich mit den sprachlichen Facetten von Feedback-Kompetenz. Die explorative Studie untersucht die Verständlichkeit von mündlichem Feedback angehender Fremdsprachenlehrender aus der Sicht von Lernenden und hebt hervor, dass eine konzeptuelle Erweiterung von feedback literacies um die sprachliche Facette sinnvoll wäre. Der Beitrag zeigt, dass Lernende eine klare und präzise Aussprache sowie eine angemessene Lautstärke und Komplexität der Inhalte als verständnisfördernd empfinden, während Unflüssigkeit und eine zu hohe Sprachgeschwindigkeit hinderlich sind. Es wird betont, dass für effektive Feedback-Prozesse sowohl die sprachliche als auch die inhaltliche Verständlichkeit unerlässlich sind. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit interdisziplinärer Kooperationen in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden, um deren Feedback-Kompetenzen zu stärken. Insgesamt tragen diese Erkenntnisse zur Diskussion bei, wie Feedback-Prozesse im Fremdsprachenunterricht optimiert werden können. M ILICA L AZOVIC fokussiert das überaus relevante und zumeist wenig beachtete Thema der Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen. Der Artikel untersucht die Rolle der Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen aus einer interaktional-linguistischen und longitudinalen Perspektive. Die Studie basiert auf Audioaufnahmen von Beratungsgesprächen und Teamdiskussionen von Lehramtsstudierenden, die internationale Studierende beraten. Die Ergebnisse zeigen, dass empathisches Handeln als wesentlich für die erfolgreiche Sprachlernberatung betrachtet wird, wobei die Übernahme der Perspektive der Lernenden und die Simulation von innerer Rede als zentrale Strategien hervorgehoben werden. Die Ergebnisse unterstreichen des Weiteren die Bedeutung einer anpassungsfähigen und empathischen Kommunikation für den Lernerfolg und die Förderung der Lernautonomie der Studierenden. Es wird deutlich, dass eine vertiefte Reflexion und Weiterentwicklung dieser empathischen Fähigkeiten notwendig ist, um die Qualität der Sprachlernberatung zu verbessern. M ICHAELA R ÜCKL stellt Mentoring Tandems als „Lerngelegenheiten für den Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz in sprachendidaktischen Lehrveranstaltungen“ mit dem Fokus auf romanische Sprachen vor. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Tandems durch feedbackbasierte Interaktionen eine wertvolle Lernumgebung bieten, in der Lehramtsstudierende der Unterrichtsfächer Französisch und Spanisch als Fremdsprache ihre pädagogischen Fähigkeiten entwickeln können. Insbesondere die Kategorien Beziehungsfähigkeit, Motivationsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit wurden positiv beeinflusst. Zudem konnten die Studierenden ihre Fähigkeiten zur Förderung von Lernstrategien und zur Erstellung individualisierter Lernmaterialien 6 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0001 54 • Heft 1 verbessern. Insgesamt wird das Konzept als wirksames Instrument zur Vorbereitung auf den Lehrberuf bewertet. C ARMEN K ONZETT -F IRTH thematisiert „Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht“ und bietet „Eine Bestandsaufnahme mit Überlegungen zur Förderlichkeit von Feedback für die Entwicklung von Interaktionskompetenz“. Der Beitrag untersucht spontane Feedbackpraktiken im Französischunterricht und deren Einfluss auf die Entwicklung von Interaktionskompetenz. Es wurden Unterrichtssituationen analysiert, in denen Lehrkräfte mündliches Feedback zu Schüler*inneninteraktionen gaben, um Hypothesen zur Lernförderlichkeit abzuleiten. Die Ergebnisse zeigen, dass effektives Feedback interaktiv gestaltet und auf die spezifischen Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt sein muss. Die Studie betont die Notwendigkeit differenzierter Feedbackkompetenzen, um Lernprozesse anzuregen und Interaktionsfähigkeiten zu fördern. Literatur B ECKER , Tabea / S TUDE , Julia (2021): „Feedbackverhalten von LehrnovizInnen im Sprachförderunterricht für neu Zugewanderte“. In: Zeitschrift für Interaktionsforschung in DaFZ 1.1, 95-114. https: / / doi.org/ 10.17192/ ziaf.2021.1.8419 B LEICHENBACHER , Lukas / H ILBE , Robert / K LEE , Peter / K USTER , Wilfrid / R ODERER , Thomas (2017): Beurteilung berufsspezifischer Sprachkompetenzen von Lehrpersonen, die Fremdsprachen unterrichten (Projektresultate). St.Gallen: Pädagogische Hochschule St.Gallen. C AMBRIDGE E NGLISH T EACHING F RAMEWORK (2018): Cambridge English Teaching. Framework competency statements. https: / / www.cambridgeenglish.org/ Images/ 172992-full-level-descriptors-cambridge-englishteaching-framework.pdf (02.01.2025) E AQUALS (2020): Der Eaquals Rahmen für die Aus- und Weiterbildung von Sprachlehrenden. https: / / www.eaquals.org/ wp-content/ uploads/ Der-Eaquals-Rahmen-fur-die-Aus-und-Weiterbildung-von-Sprachlehrenden_August2020.pdf (02.01.2025) E GLI C UENAT , Mirjam / K USTER , Wilfrid / B LEICHENBACHER , Lukas / K LEE , Peter / R ODERER , Thomas (2016): „Aufbau berufsspezifischer Sprachkompetenzen in der Aus- und Weiterbildung zur Fremdsprachenlehrperson“. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 34.1, 13-20. E UROPARAT (Hrsg.) (2001): Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. E UROPARAT (Hrsg.) (2007): Europäisches Portfolio für Lehrpersonen in Ausbildung. Ein Instrument zur Reflexion. https: / / www.ecml.at/ Portals/ 1/ documents/ ECML-resources/ EPOSTL-GE.pdf? ver=2018-03-22- 164313-560 (04.01.2025) E UROPÄISCHE U NION (2011-2013): Europäisches Profilraster für Sprachlehrende. Handbuch für Nutzerinnen und Nutzer. (EPG-Projekt). https: / / egrid.epg-project.eu/ sites/ default/ files/ files/ EGRID-Guide-DE-web.pdf (05.01.2025) H ATTIE , John / T IMPERLEY , Helen (2007): „The power of feedback“. In: Review of Educational Research 77.1, 81-112. K USTER , Wilfrid / K LEE , Peter / E GLI C UENAT , Mirjam / R ODERER , Thomas / F ORSTER -V OSICKI , Brigitte / Z APPATORE , Daniela / K APPLER , Daniela / S TOKS , Ge / L ENZ , Peter (2014): Berufs- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0001 spezifisches Sprachkompetenzprofil für Fremdsprachenlehrpersonen der Sekundarstufe I. St. Gallen: Pädagogische Hochschule St.Gallen. L AZOVIC , Milica (2023): „Going beyond E+. Dimensionen der Empathie in der Unterrichtskommunikation. Ein Beitrag zur Modellierung der Interaktionskompetenz in der Fremdsprachendidaktik“. In: Zeitschrift für Interaktionsforschung für DaFZ 3.1, 17-39. https: / / journals.uni-marburg.de/ ziaf/ article/ view/ 8577/ 8327 (02.01.2025) R ÜCKL , Michaela / B URGSTALLER , Ulrike / E ISNER , Josef (2022): „Mentoring-Tandems in der Sprachenlehrer*innenbildung - Lehr-/ Lernsettings für eine ressourcenorientierte Förderung von Mehrsprachigkeits- und Diagnosekompetenz“. In: K AINHOFER , Judith / R ÜCKL , Michaela (Hrsg.): Sprache(n) in pädagogischen Settings. Berlin: DeGruyter; 265-279. https: / / doi.org/ 10.1515/ 9783110784756 R ÜTTI -J OY , Olivia (2019): „Sprachliche und inhaltliche Qualitätsmerkmale von mündlichen Rückmeldungen angehender Lehrpersonen in der Zielsprache Englisch: Eine Interventionsstudie zu Experten- und Lernereinschätzungen von Feedback-Effektivität“. 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DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 54 • Heft 1 M ARLENE A UFGEBEAUER * Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender Abstract. This article provides an introduction to the current state of research on the training and promotion of feedback competence in pre-service foreign language teachers. Aspects of feedback competence that are rarely discussed, in particular the linguistic characteristics of feedback and the connection between feedback and classroom discourse competence, as well as other subcategories of feedback competence (empathy, evaluation competence, communication skills and feedback strategies), are presented with reference to existing theoretical concepts in order to illustrate the integration and transfer of theory into practice. An outlook on further desiderata especially in regards to digital feedback-tools concludes this article. 1. Einleitung und Forschungsstand Feedback spielt beim Fremdsprachenlernen eine entscheidende Rolle. Es hilft den Lernenden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, indem es ihnen zeigt, was sie bereits gut beherrschen und in welchen Bereichen sie sich noch weiterentwickeln können. Positives Feedback kann die Motivation und das Selbstvertrauen der Lernenden stärken, während konstruktives Feedback gezielt auf Schwächen hinweist und Wege zur Verbesserung aufzeigt. Laut H ATTIE / T IMPERLEY (2007) ist Feedback einer der einflussreichsten Faktoren für den Lernerfolg. Besonders im Fremdsprachenunterricht, wo regelmäßiges Üben und Fehlerkorrektur essentiell sind, stellt Feedback ein unverzichtbares Instrument dar. Die Feedbackforschung weist bereits eine lange Tradition auf, deren theoretischer Hintergrund vor allem auf dem kognitiv-interaktionistischen Paradigma basiert, das nativistische und rein kognitivistische Spracherwerbstheorien vereint (vgl. B RUNER 1977; vgl. V YGOTSKIJ 1964). Sowohl die Interaktionsforschung (vgl. S CHWARZE 2023) als auch die Zweit- und Fremdspracherwerbsforschung befassen sich seit mehreren Jahrzehnten mit unterschiedlichsten Aspekten von Feedback (vgl. B URWITZ - M ELZER / R IEMER / S CHMELTER 2022; M ACKEY 2020); vor allem aber mit dem korrektiven Feedback auf mündliche und schriftliche Lerner*innenäußerungen, wobei im Zentrum der Untersuchungen häufig Feedbackformen (implizit vs. explizit) und deren * Korrespondenzadresse: Mag. Dr. Marlene A UFGEBAUER , Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache; Porzellangasse 4/ 2/ 4 in 1090 W IEN E-Mail: marlene.aufgebauer@univie.ac.at Arbeitsbereiche: Lehrer*innenbildung, Professionalisierung von Fremdsprachenlehrer*innen, Schreibprozessforschung Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender 9 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 Auswirkungen auf einen möglichen Lernzuwachs bei Zweit- und Fremdsprachenlerner*innen stehen. Grundlegende empirische Studien zu korrektivem Feedback und focus on form führten bereits in den 80er Jahren G ASS / V ARONIS (1989) durch. Auch der Kontext, in welchem Feedback stattfindet, z.B. im authentischen Setting des Klassenzimmers (vgl. L YSTER 2004) oder in einem kontrollierten Labor-Setting (vgl. M C D ONOUGH / M ACKEY 2006) war und ist von Interesse in der Feedbackforschung. Zu erkennen ist in zahlreichen Studien zu Feedback, dass nahezu immer der Lerner/ die Lernerin oder das Feedback selbst (direkt, indirekt, recasts, prompts, die Intonation, der Zeitpunkt u.v.a.m.) in den Blick genommen werden, jedoch die Feedbackgeber*innen nur marginal im Zentrum des Interesses stehen. So zeigt der Forschungsstand Studien zur Verarbeitung und Aufnahme (uptake) von Feedback durch Lerner*innen (vgl. L YSTER / R ANTA 1997; M ARX 2022), zur Wahrnehmung von Feedback durch Lerner*innen (vgl. M ACKEY / G ASS / M C D ONOUGH 2000), zur Effektivität von Feedback (vgl. M EHLHORN 2022) sowie zu unterschiedlichen Feedbackformen wie summativ oder formativ (vgl. F LORIO -H ANSEN / F RINGS / H EIDERICH 2019). Die Feedbackgeber*innen werden bisher nur selten untersucht (vgl. K LIPPEL 2022). Doch gerade, wenn es für ein effizientes Feedback so sehr darauf ankommt, wie, wann, in welchem Kontext und auf welche Art und Weise Feedback formuliert wird, müssen die Feedbackgeber*innen gezielt auf das Geben der Rückmeldungen vorbereitet werden, nicht nur, aber vor allem, wenn das Feedback in einer L2 gegeben wird. So schreibt K LIPPEL : „Gegenüber dem omnipräsenten Begriff der Reflexion im Zusammenhang mit den (Aus)Bildungsprozessen von Fremdsprachenlehrkräften ist der Hinweis auf Feedback in der aktuellen Fachliteratur gegenwärtig vergleichsweise selten“ (K LIPPEL 2022: 55). In ihrem Artikel „Feedback im Fremdsprachenunterricht und im Kontext fremdsprachen-didaktischer Lehrer: innenbildung“ beleuchtet V IEBROCK (2022) die Bedeutung von Feedback im Bildungsprozess und dessen unterschiedliche Formen und Wirkungen. V IEBROCK hebt hervor, dass trotz der nachgewiesenen positiven Effekte von Feedback (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007; H ARKS / R AKOCZY / H ATTIE et al. 2013), dieses selten im Unterricht verwendet wird (vgl. D EGELING 2019: 312). Dies schließt an V IEBROCK s eigene Erfahrung an, dass Feedback im universitären Kontext möglicherweise nicht die notwendige Rolle spielt, obwohl es theoretisch bekannt und geschätzt wird. Sie schreibt diesbezüglich: […] dass eine explizite Thematisierung von Feedback und eine Bewusstmachung seines Potenzials immer auch vor dem Hintergrund institutioneller Einflüsse (insbesondere die Notwendigkeit summativen Assessments und der Leistungsbeurteilung mithilfe von Noten) zu reflektieren sind. Ebenfalls weiter auszuleuchten ist, inwiefern Studierende zum (Peer) Feedbackgeben angeleitet werden können [...] und wie Feedback mit weiteren wichtigen Professionalisierungsprozessen (z.B. im Hinblick auf professionelle Wahrnehmungskompetenz, Planungskompetenz, Reflexionskompetenz und dergleichen) zusammenhängt. (V IEBROCK 2022: 209−210) V IEBROCK schließt mit der Frage, wie Feedback im Fremdsprachenunterricht lernförderlich gestaltet und konstruktiv genutzt werden kann. Sie betont, dass punktuelles 10 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 54 • Heft 1 korrektives Feedback wichtig ist, insbesondere für die Entwicklung von sprachlichen und fachsprachlichen Kompetenzen, und „dass eine prozessbezogene Konzeptionalisierung von Feedback wichtig ist, um längerfristige Entwicklungsprozesse (wie z.B. die zunehmende Professionalisierung im Rahmen der universitären und darüber hinausgehenden Lehrer: innenbildung) zu begleiten […]“ (V IEBROCK 2022: 212). Wie diese Forderungen zur Förderung der Feedbackkompetenz angehender Fremdsprachenlehrer*innen unter Einbezug der Konzepte der unterrichtlichen Diskurskompetenz (s. Abschnitt 2 zu classroom discourse competence), des Micro-Teaching sowie des Peer-Feedbacks integriert werden können, wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags thematisiert (s. Abschnitt 4). Lehrpersonen müssen über eine Vielzahl an Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen, um gezielt, niveaustufen- und lerner*innenorientiertes Feedback geben zu können. Als Begründung dafür, dass der Fokus bislang weniger auf die Lehrpersonen gerichtet wurde, ist einerseits der Umstand anzuführen, dass sich die Forschung bis vor rund einer Dekade vor allem mit den Lerner*innen befasste und erst in den letzten 10 bis 15 Jahren eine Verschiebung des Forschungsinteresses auf die Lehrpersonen festzustellen ist. Andererseits könnte ein weiterer Grund für die geringere Anzahl an Studien zu Feedbackkompetenzen und anderen Kompetenzen professionellen Lehrer*innenhandelns sein, dass es bislang recht wenige und kaum holistische Konzeptualisierungen zur Erfassung des multifaktoriellen und hochkomplexen Konstrukts des professionellen Lehrer*innenhandelns gibt. Sicherlich bieten generische Modelle von B AUMERT / K UNTER (2006) oder B LÖMEKE (2011) zu professionellen Lehrkompetenzen, die zumeist auf dem ursprünglichen Modell von S HULMAN (1987) basieren, erste wesentliche Anhaltspunkte, jedoch stehen in diesen Modellen und somit auch in jenen Studien, die sich theoretisch an diesen Modellen orientieren, vor allem die unterschiedlichsten Wissensformen (Professionswissen) von Lehrpersonen im Mittelpunkt. Problematisch in der Forschung zur Professionalisierung und zu Kompetenzen von Lehrpersonen ist die mangelnde Genauigkeit und das fehlende Einverständnis darüber, wie professionelle Kompetenz begrifflich zu definieren und demnach zu konzeptualisieren ist (vgl. T HOMSON 2022a: 31). 2. Feedbackkompetenz und classroom discourse competence Die soeben erwähnte classroom discourse competence (CDC) oder in der deutschen Übersetzung, die (fremdsprachen)unterrichtliche Diskurskompetenz ist ein für die Förderung von Feedbackkompetenz angehender Fremdsprachenlehrer*innen überaus relevantes Konzept. Dass der unterrichtlichen Diskurskompetenz und somit auch der Feedbackkompetenz aus Lehrer*innensicht bislang zu wenig Relevanz beigemessen wurde, erklärt T HOMSON (2022a) damit, dass es bereits einige bestehende Konzepte, wie beispielsweise J OHNSON s (1995) classroom communicative competence (CCC) oder W ALSH s (2011) classroom interactional competence (CIC), gibt und dadurch der Eindruck entstanden sei, dass es keinen Bedarf gäbe, Untersuchungen in diesem Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender 11 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 Bereich fortzusetzen und weitere Konzepte zu entwickeln (vgl. T HOMSON 2022a: 15). Da jedoch gerade dem Zusammenhang sprachlicher Aspekte von lehrer*innenseitigem Feedback im Fremdsprachenunterricht also den facettenreichen Merkmalen von unterrichtlicher Diskurskompetenz in Kombination mit den Erkenntnissen der Feedbackforschung zu unterschiedlichen Formen von Feedback nur wenig Beachtung geschenkt wurde, besteht weiterhin Bedarf, dies vermehrt in den Blick zu nehmen. Feedbackkompetenz setzt sich aus zahlreichen Subkategorien von Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen. Lehrpersonen müssen sich der sprachlichen Realisierung unterschiedlicher Feedbackmöglichkeiten (recasts, prompts etc.) und deren Wirksamkeit bewusst sein. Demnach sollte linguistischen Merkmalen ebenso wie der Sprachbewusstheit in der Ausbildung angehender Fremdsprachenlehrpersonen besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. 2.1 Sprachliche Aspekte der Feedbackkompetenz Sprache ist das primäre Mittel, durch das Feedback gegeben und empfangen wird. In der Fremdsprachenlehre ist es besonders wichtig, dass das Feedback sprachlich präzise und verständlich ist (s. R ÜTTI -J OY in diesem Band). Dies erfordert eine hohe sprachliche Kompetenz der Lehrkräfte, die in der Lage sein müssen, ihre Rückmeldungen in der Zielsprache klar zu formulieren. Laut H ATTIE / T IMPERLEY (2007) sollte Feedback spezifisch, relevant und zeitnah sein, um den größten Effekt auf das Lernen zu haben. Dies erfordert eine sorgfältige Wortwahl und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte einfach und verständlich auszudrücken. Angehende Fremdsprachenlehrer*innen müssen daher lernen, ihre sprachlichen Fähigkeiten gezielt einzusetzen, um effektiv kommunizieren zu können. Erstens sollte das Feedback präzise sein; es muss klar aufzeigen, was genau verbessert werden kann. Zweitens sollte es konstruktiv formuliert sein, um zu motivieren und konkrete Wege zur Verbesserung aufzuzeigen. Zu konstruktivem Feedback schreibt C ASPARI unter Bezugnahme auf B UHREN (2015): Konstruktives Feedback verfolge immer die Absicht zu unterstützen, es enthalte konkrete Informationen, sei klar und verständlich und werde vom/ von der Feedback-Geber*in und -Nehmer*in gleicher Weise verstanden. Auch wenn konstruktives Feedback nicht grundsätzlich positiv sei, so fördere es die individuelle Entwicklung und stärke die Persönlichkeit […]. (C ASPARI 2022: 23) Drittens sollte es in einer positiven und unterstützenden Sprache geäußert werden, um eine lernförderliche Atmosphäre zu schaffen. Unklare oder vage Rückmeldungen können zu Verwirrung und Frustration bei den Lernenden führen und deren Lernfortschritte behindern. Angehende Fremdsprachenlehrer*innen sollten daher darin geschult werden, ihr Feedback klar und eindeutig zu formulieren. Dies bedarf seitens der Lehrpersonen auch eine hohe Kompetenz im Bereich der Fachterminologie sowie allgemein der sprachlichen Bewusstheit. 12 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 54 • Heft 1 2.2 Sprachliche Bewusstheit angehender Fremdsprachenlehrer*innen Die Entwicklung einer hohen sprachlichen Bewusstheit ist ein zentraler Bestandteil der Ausbildung angehender Fremdsprachenlehrer*innen (vgl. J AMES / G ARRETT 1991; G NUTZMANN 2016). Sie müssen nicht nur die Zielsprache selbst beherrschen, sondern auch die Fähigkeit entwickeln, ihre sprachlichen Mittel gezielt und reflektiert einzusetzen. Dies umfasst die Kenntnis von Fachterminologie ebenso wie die Fähigkeit, sprachliche Nuancen zu erkennen und zu nutzen. Sprachliche Bewusstheit spielt eine wesentliche Rolle im Fremdsprachenunterricht. Sie bezieht sich auf die Fähigkeit, Sprache als System zu reflektieren und ihre Strukturen und Funktionen zu verstehen und wird von der Vereinigung für Sprachbewusstheit als „explicit knowledge about language, and conscious perception and sensitivity in language learning, language teaching and language use“ (A SSOCIATION OF L ANGUAGE A WARENESS o.J.) bezeichnet.Die Entwicklung sprachlicher Bewusstheit bei angehenden DaF-Lehrpersonen erfolgt durch eine Kombination aus theoretischer Ausbildung und praktischer Erfahrung. Praktika und Lehrübungen (Micro-Teaching s. Abschnitt 4) ermöglichen es den Studierenden, ihre theoretischen Kenntnisse anzuwenden und zu vertiefen. Durch kontinuierliche Reflexion über die eigene Sprachverwendung und die der Lernenden können Lehrpersonen ihre sprachliche Bewusstheit schärfen und didaktische Entscheidungen fundierter treffen. 2.3 Zum Zusammenhang von Feedbackkompetenz und CDC Feedbackkompetenz und classroom discourse competence (CDC) sind zwei wesentliche Fertigkeiten, die für das professionelle Handeln von Fremdsprachenlehrer*innen von großer Bedeutung sind. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Kompetenzen ist komplex und multifaktoriell, da beide Aspekte stark auf sprachlicher und didaktischer Kompetenz sowie einer bewussten Sprachverwendung basieren und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. T HOMSON 2022a; 2022b). Feedbackkompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit von Lehrkräften, Rückmeldungen so zu geben, dass sie das Lernen der Schüler*innen unterstützen und fördern. Diese Kompetenz umfasst mehrere Dimensionen, einschließlich der sprachlichen Präzision, der konstruktiven Formulierung und der Fähigkeit, das Feedback an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden anzupassen (Wissenstand, sprachliches Niveau, Lernziel). Classroom discourse competence beschreibt die Fähigkeit von Lehrkräften, den sprachlichen Austausch im Klassenzimmer zu steuern und zu moderieren. Lehrkräfte, die über eine hohe CDC verfügen, sind in der Regel besser in der Lage, die Interaktionen im Klassenzimmer so zu gestalten, dass sie das sprachliche und kognitive Engagement der Schüler*innen maximieren und deren Lernprozesse effektiv unterstützen. Die Studie von W ALSH (2011) zeigt, dass Lehrer*innen mit ausgeprägter CDC häufiger qualitativ hochwertiges Feedback geben. Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrer*innen sollte daher sowohl auf die Ent- Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender 13 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 wicklung der Feedbackkompetenz als auch der unterrichtlichen Diskurskompetenz abzielen. Um dies zu erreichen, sollten zukünftige Fremdsprachenlehrer*innen regelmäßig die Möglichkeit erhalten, ihre Feedback- und Diskurskompetenzen in realen Unterrichtssituationen zu üben und zu reflektieren. Dies kann durch Praktika, simulationsbasierte Trainings und durch Peer-Feedback im Rahmen von Lehrveranstaltungen unterstützt werden. Die Hauptschwierigkeit bei der Entwicklung dieser Kompetenzen liegt oft in der Übertragung theoretischen Wissens auf praktische Unterrichtssituationen. Um diese Herausforderung zu meistern, sollten Ausbildende einen Fokus auf praxisnahe Schulungen legen und den Studierenden vielfältige Gelegenheiten bieten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten in einem sicheren und unterstützenden Umfeld zu erproben. Zusätzlich ist es wichtig, dass angehende Lehrer*innen lernen, ihre eigene Praxis kontinuierlich zu reflektieren und zu verbessern (vgl. S TENBERG 2010). Dieser Prozess kann durch regelmäßiges Feedback von Mentor*innen und Peers sowie durch die Analyse von Unterrichtsaufzeichnungen unterstützt werden. 3. Feedbackkompetenz und ihre Subkategorien Feedbackkompetenz umfasst verschiedene Aspekte, darunter die Sensibilität für die individuellen Bedürfnisse der Lernenden, die Fähigkeit zur präzisen Kommunikation, Bewertungskompetenz, die Kenntnis und Anwendung verschiedener Feedbackstrategien sowie die Förderung der Selbstständigkeit der Lerner*innen. Kurz wird auf einige dieser Aspekte hier eingegangen: • Sensibilität und Empathie (s. L AZOVIC in diesem Band; vgl. W ENGLER 2023): Fremdsprachenlehrer*innen müssen in der Lage sein, die emotionalen und kognitiven Zustände ihrer Schüler*innen zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Empathisches Feedback berücksichtigt die individuellen Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse der Schüler*innen und fördert eine positive Lernatmosphäre (s. L AZOVIC in diesem Band). Affektiv-emotionale Dimensionen spielen eine zentrale Rolle beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen (vgl. B URWITZ -M ELZER et al. 2020). D ÖRNYEI (2001) betont, dass die emotionale Unterstützung durch den Lehrer/ die Lehrerin maßgeblich zur Motivation der Schüler*innen beiträgt. Ebenso ist es wesentlich, kulturelle Unterschiede im Feedback-Geben und -Nehmen der Lerner*innen zu berücksichtigen (vgl. Y ANG 2016). • Kommunikationsfähigkeit: Klarheit und Präzision sind entscheidend für effektives Feedback. Lehrer*innen müssen in der Lage sein, ihre Rückmeldungen so zu formulieren, dass sie für die Lernenden verständlich und nachvollziehbar sind (s. R ÜTTI -J OY in diesem Band). Dies umfasst sowohl verbale als auch nonverbale Kommunikationsmittel, Sprachbewusstsein und (im Fremdsprachenunterricht) eine hohe Kompetenz sowie Adaptivität in der Zielsprache. 14 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 54 • Heft 1 • Kenntnis verschiedener Feedbackstrategien: Unterschiedliche Situationen erfordern unterschiedliche Feedbackansätze. Formatives Feedback, das während des Lernprozesses gegeben wird, unterscheidet sich von summativem Feedback, das am Ende einer Lernphase erfolgt (vgl. F LORIO -H ANSEN / F RINGS / H EIDERICH 2019). Angepasste Strategien wie Peer-Feedback oder Selbstreflexion können ebenfalls wirksam sein. B LACK / W ILIAM (1998) und W ILIAM (2011) zeigen, dass formatives Feedback signifikante positive Effekte hat. • Bewertungskompetenz (assessment): Eine wesentliche Kompetenz, die üblicherweise (v. a. im institutionellen Kontext) mit der Feedbackkompetenz Hand in Hand geht, ist die Bewertungskompetenz (vgl. V OGT 2022). Lehrpersonen müssen, insbesondere bei der Flüchtigkeit mündlicher Lerner*innenäußerungen über eine hohe Wahrnehmungsfertigkeit ebenso wie über ein umfassendes Wissen in Bezug auf den Lernstand der Lerner*innen, Fehlerarten (Kompetenz- oder Performanzfehler) sowie über Wissen von Möglichkeiten und Nutzen der Fehlerkorrektur verfügen. • Förderung der Selbstständigkeit: Effektives Feedback sollte nicht nur auf die Fehlerkorrektur abzielen, sondern auch die Selbstständigkeit der Lernenden fördern. Dies kann durch Fragen und Hinweise geschehen, die die Lernenden dazu anregen, selbst Lösungen zu finden und ihre Sprachfähigkeiten eigenständig zu reflektieren und zu verbessern. 4. Förderung von Feedbackkompetenz von angehenden Fremdsprachenlehrer*innen In der Ausbildung angehender Fremdsprachenlehrer*innen sollte Feedbackkompetenz gezielt gefördert werden. Dies kann durch theoretische Schulungen sowie durch praktische Übungen und Reflexionen geschehen. Rollenspiele, Hospitationen und die Analyse von Feedbacksituationen im Unterricht sind hierbei wertvolle Methoden. Untersuchungen beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie angehende Lehrer*innen diese Kompetenz entwickeln können (vgl. A BEL 2018). Studien zeigen, dass Feedback nicht nur durch theoretische Ausbildung erlernt wird, sondern großteils durch praktische Erfahrungen im Unterricht. Die Fähigkeit, differenziertes Feedback zu geben, wird als ein Prozess verstanden, der über die gesamte Lehrer*innenkarriere hinweg kontinuierlich verbessert werden kann. Eine der zentralen Herausforderungen für angehende Fremdsprachenlehrer*innen ist, dass Feedback in der Praxis häufig als komplex und anspruchsvoll wahrgenommen wird, vor allem in Bezug auf mündliche Produktionen von Lerner*innen. Es erfordert nicht nur sprachliche und didaktische Kompetenz, sondern auch eine hohe soziale und emotionale Intelligenz. Daher werden in der Lehrer*innenbildung zunehmend reflexive Ansätze verwendet, bei denen angehende Lehrkräfte ihre eigenen Feedbackpraktiken in Unterrichtsbeobachtungen, Praktika, Micro-Teachingsequenzen und Analysen videographierter Unterrichtsausschnitte hinterfragen und weiterentwickeln. Zudem sollten zukünftige Lehrer*innen Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender 15 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 regelmäßig Feedback in Peer-Feedback-Prozessen und von erfahrenen Lehrpersonen zu ihrem eigenen Lehrverhalten bekommen, um ihre Kompetenzen zu verbessern. Micro-Teaching, Videoaufnahmen des Micro-Teaching und Peer-Feedback sind wesentliche Methoden zur Professionalisierung angehender Fremdsprachenlehrer*innen. Diese Ansätze bieten praxisnahe Möglichkeiten zur Reflexion und Verbesserung der eigenen Unterrichtskompetenzen (vgl. S TAHL / P EUSCHEL 2022; W EGER 2019; A RSLAN 2021). Micro-Teaching ist eine Methode, die es Studierenden ermöglicht, ihre Unterrichtsfähigkeiten in einer kontrollierten, oft verkürzten Unterrichtssituation zu üben und zu verbessern (vgl. A RSLAN 2021). Dabei übernehmen sie in einer kleinen Gruppe die Rolle des Lehrers/ der Lehrerin und erhalten direktes Feedback. Laut R ICHARDS bietet Micro-Teaching eine strukturierte Gelegenheit, spezifische Lehrfähigkeiten zu entwickeln und zu verfeinern (R ICHARDS 2010: 107). Diese Methode hilft den Studierenden, sich auf bestimmte Aspekte des Unterrichtens zu konzentrieren, wie etwa Fragetechniken, die Nutzung von Lehrmaterialien, die Klassenführung oder Feedbacktechniken. Die Videographie und anschließende Analyse von Micro-Teaching-Einheiten ist ein nützliches Werkzeug zur Reflexion und Selbstbewertung. Durch die Videoaufnahmen können die Studierenden ihre eigenen Unterrichtspraktiken aus einer Außenperspektive betrachten und erkennen, welche Bereiche verbessert werden können. Videoaufnahmen ermöglichen es den Studierenden, ihre eigene Körpersprache, Stimmführung und Interaktion mit den Schüler*innen zu analysieren und ebenso durch die Analyse fremden Unterrichts (professional vision vgl. W EGER 2019) das eigene Handlungsrepertoire anhand von best practice-Beispielen zu erweitern. Wie H ARKS et al. (2013: 270) feststellen, kann die detaillierte Analyse solcher Aufnahmen zu einer signifikanten Verbesserung der Unterrichtsqualität beitragen. Einen wesentlichen Beitrag leistet diesbezüglich auch das Peer-Feedback. Es spielt eine zentrale Rolle im Micro-Teaching-Prozess und bietet eine wertvolle Perspektive, da die Rückmeldung von Gleichaltrigen oft als weniger bedrohlich empfunden wird (vgl. T OPPING 1998). Die Kombination aus Peer-Feedback und Videoaufnahmen ermöglicht eine tiefergehende Reflexion (vgl. T ERNES 2019). Durch das wiederholte Ansehen kann das eigene Verhalten und Handeln im Sinne einer reflection on action fokussiert und ‚blinde Flecke‘ können durch das Trainieren von noticing aufgedeckt werden (vgl. B ARTEL / R OTH 2015). Laut V OGT (2022) fördert diese Methode nicht nur die Selbsterkenntnis, sondern auch die Fähigkeit, differenziertes und konstruktives Feedback zu geben und zu empfangen. Besonders förderlich erweist sich dieses Vorgehen, wenn vorab ein Kriterienraster für gezieltes Feedback erarbeitet wird (vgl. C ASPARI 2022). 16 Marlene Aufgebauer DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 54 • Heft 1 5. Fazit und Ausblick Die verstärkte Integration von theoretischen und praktischen Aspekten zu Feedback im Fremdsprachenunterricht scheint für angehende Lehrpersonen von großem Nutzen zu sein, da es häufig kaum Gelegenheiten gibt, Feedbackkompetenzen vor dem tatsächlichen Einsatz in der unterrichtlichen Praxis zu trainieren. Dies betont auch D IEHR : Abschließend sei noch auf die Praxisphasen der universitären Lehrer*innenausbildung hingewiesen, die einen geeigneten Raum schaffen, um die kontextsensible Anwendung von Erkenntnissen zu Feedback zu erkunden und zu reflektieren und um die Expertise der Fremdsprachenlehrkräfte vor Ort in die Verknüpfung von Theorie und Praxis einzubeziehen. (D IEHR 2022: 42) Die Vorteile sollten in Zukunft sowohl in der Professionalisierungswie auch der Fremdsprachenlehrer*innenforschung verstärkt untersucht und in der universitären (Fremdsprachen)-Lehrer*innenbildung weiterverfolgt werden. Dazu formuliert D IEHR (2022) folgendes Desiderat: Da Rückmeldungen zu Lernprozessen und -produkten zu den alltäglich wiederkehrenden Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern gehören, erscheint es sinnvoll, diese Praxiserfahrungen in der Forschung aufzuarbeiten. Welches Verständnis von inhaltlichem Feedback haben Fremdsprachenlehrkräfte und welche Praktiken wenden sie an? (D IEHR 2022: 40) Ein weiteres Desiderat der Feedbackforschung in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht beleuchten H ERRINGTON / K ERVIN (2017) oder K IM (2018), die sich mit feedbackorientierten digitalen Lerntechnologien und deren Integration in die Lehrer*innenbildung beschäftigen. Sie diskutieren die Nutzung digitaler Tools, die Feedbackprozesse unterstützen können. Die Integration digitaler Tools in den Fremdsprachenunterricht bietet zahlreiche Möglichkeiten, Feedbackprozesse zu optimieren und an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen. Durch den Einsatz moderner Technologien können Lehrer*innen nicht nur schneller und differenzierter Rückmeldungen geben, sondern auch die Motivation und Selbstständigkeit der Lernenden fördern. In den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend das Potenzial von digitalen Feedbackmethoden (z.B. Lernplattformen, Videorückmeldungen, Lern-Apps) untersucht, insbesondere in Bezug auf deren Effektivität und die damit verbundenen Herausforderungen wie die fehlende persönliche Interaktion (vgl. H ERRINGTON / K ERVIN 2017; K IM 2018). Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender 17 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0002 Literatur A BEL , Clémentine (2018): „‚Aus Fehlern wird man schlau‘? Feedbackbezogene Praktiken und Kompetenzen von Französischlehrkräften“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 29.1, 73-95. A RSLAN , Ayten (2021): „Pre-service Teachers' Journey of ‘Teaching’ through Micro-Teaching: A Mixed Design Research“. In: Education & Science / Egitim ve Bilim 46.207, 259-284. http: / / dx.doi.org/ 10.15390/ EB.2021.9406 A SSOCIATION OF L ANGUAGE A WARENESS (o.J.): About. http: / / www.languageawareness.org/ ? page _id=48 (31.12.2024) B ARTEL , Marie-Elene / R OTH , Jürgen (2015): „Diagnostische Kompetenz durch Videovignetten fördern“. 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In this explorative study, the linguistic appropriateness of preservice EFL teachers’ oral feedback was addressed. In semi-structured interviews, five lower-secondary school learners assessed the linguistic quality and comprehensibility of pre-service English teacher’s audio-recorded feedback. Preliminary results of the qualitative content analysis indicate that learners rate general language competence as less crucial than addressee-appropriate language to ensure understanding of feedback. Furthermore, addressee-appropriateness seems to be a highly dynamic skill that requires the situational use of linguistic and paralinguistic strategies. Based on these findings, perspectives are outlined for expanding the teacher-student feedback literacies concept to include language components. 1. Einleitung Aus der Bildungswissenschaft ist bekannt, dass Feedback ein zentraler Wirksamkeitsaspekt zur Förderung und Verbesserung von Lerner*innenleistungen sein kann (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007). Auch in der Spracherwerbsforschung und Fremdsprachendidaktik ist Feedback prominent und wird grösstenteils unter den Termini Rückmeldung, (Fehler)Korrektur und korrektivem Feedback diskutiert (vgl. V IEBROCK 2022: 206-207). Während sich das bildungswissenschaftliche Verständnis tendenziell auf komplexe, mit weitreichenden Prozessen verbundene Phänomene der professionellen oder persönlichen Entwicklung bezieht, fokussiert der fremdsprachendidaktische Ansatz grösstenteils auf eigenständige, spezifische fremdsprachliche Phänomene. Für den Fremdsprachenerwerb sind beide Zugänge relevant: punktuelles korrektives Feedback, also eine fremdsprachendidaktische Handlung zur Entwicklung, Festigung und Präzisierung von sprachlichen Kompetenzen, und prozessorientiertes, dialogi- * Korrespondenzadresse: Dr. Olivia R ÜTTI -J OY , Departement für Mehrsprachigkeitsforschung und Fremdsprachendidaktik, Université de Fribourg, Av. de Rome 1, CH-1700 F REIBURG . E-Mail: olivia.ruetti-joy@unifr.ch Arbeitsbereiche: Sprachlehr-/ lernforschung, Sprachlerneignung, Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden, Lehrerinnen- und Lehrerbildung 22 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 sches Feedback zur Förderung komplexer, in längerfristigen Entwicklungsprozessen erworbener Kompetenzen. Um im Fremdsprachenunterricht effektive Feedback-Prozesse umzusetzen, bedürfen Fremdsprachenlehrende somit entsprechender Feedback-Kompetenzen (vgl. R ICHARDS et al. 2013: 237, 240). Diese lassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Aus Sicht der Bildungsforschung - insbesondere im hochschuldidaktischen Kontext - und auf Ebene der professionellen Kompetenz wird davon ausgegangen, dass effektive Feedback-Prozesse feedback literacies voraussetzen (N IEMINEN / C ARLESS 2022: 2). Aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung sollten Fremdsprachenlehrende über die Kompetenz verfügen, korrekte sprachliche und inhaltliche Leistungen anzuerkennen und fehlerhafte sprachliche und inhaltliche Leistungen zu markieren sowie diese mit einer entsprechenden Fehlerkorrektur zu verbinden (B UR - WITZ -M ELZER 2022: 12). Letztlich bedürfen Fremdsprachenlehrende aus Sicht der Fremdsprachendidaktik berufsspezifischer Sprachkompetenzen (K USTER et al. 2014: 13-14) zur Gestaltung lernförderlicher Feedback-Dialoge in der Zielsprache. Da alle drei Perspektiven für den Fremdsprachenunterricht relevant sind, sollte die Förderung der Feedback-Kompetenzen in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden interdisziplinär in Kooperation mit den Bildungswissenschaften, der Spracherwerbsforschung und der Fremdsprachendidaktik erfolgen (D IEHR 2022: 40). Angehende Lehrkräfte müssen somit differenzieren lernen, ob die vorliegende Lerngelegenheit eine Rückmeldung auf ein spezifisches fremdsprachliches Phänomen oder eine Rückmeldung zu einer komplexen Aufgabe (task level), zu Arbeits- und Lernstrategien (process level) oder zu selbstregulativem Verhalten und Fähigkeiten (self-regulation level) verlangt (H ATTIE / T IMPERLEY 2007: 87). Basierend auf dieser Differenzierung müssen sie entscheiden können, wie sie die Rückmeldungen strategisch, sprachlich, inhaltlich und dem Kontext angemessen in Feedback-Dialoge integrieren, damit diese verständlich, motivierend und lernförderlich sind. Damit Feedback-Prozesse gelingen, müssen alle involvierten Personen die kommunizierten Inhalte sowohl inhaltlich als auch sprachlich verstehen (K LIPPEL 2022: 56). Ein Feedback-Prozess kann noch so gut gestaltet sein - wenn die Lernenden sprachlich nicht folgen, entsteht keine lernförderliche Situation (D IEHR 2022: 36-38). Vor dem Hintergrund der sprachlichen Verständlichkeit von Feedback-Prozessen werden hier die bildungswissenschaftliche und fremdsprachendidaktische Perspektive zusammengeführt. Vorliegende explorative Studie verortet sich am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen und untersucht jene Aspekte, welche ein mündliches Feedback angehender Fremdsprachenlehrender aus Sicht der Lernenden verständlich machen. Dabei wird diskutiert, inwiefern eine mögliche konzeptuelle Erweiterung von feedback literacies um die sprachliche Facette sinnvoll sein dürfte. Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 23 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 2. Feedback Literacies In der Diskussion um die Wirksamkeit von Feedback in der Bildung ist feedback literacy ein zentrales Element (C ARLESS / B OUD 2018). Feedback literacy entspringt dem zeitgenössischen Feedback-Paradigma, in welchem Feedback-Prozesse als dialogische, auf Augenhöhe und unter geteilter Verantwortung durchgeführte Handlungen verstanden werden. Als junges, facettenreiches und breit diskutiertes Konzept wird es mit einer Vielzahl an Definitionen verbunden (N IEMINEN / C ARLESS 2022). So wird feedback literacy einerseits als eigenständiges und andererseits als zwei diametrale Konzepte student feedback literacy und teacher feedback literacy konzeptualisiert (C ARLESS / B OUD 2018). Student feedback literacy beschreibt die Kompetenzen und Dispositionen, die Lernende benötigen, um Feedback-Prozesse konstruktiv zur Verbesserung ihrer Leistungen zu nutzen (H OO / D ENEEN / B OUD 2021: 7-8), evaluative Urteile zu fällen sowie Feedback zu generieren, aktiv aufzusuchen und zu verstehen (C ARLESS / B OUD 2018: 1316). Demzufolge sind Lernende aktive Teilnehmende im Feedback-Prozess (M OLLOY / B OUD / H ENDERSON 2020: 529). Aus dieser sozio-konstruktivistischen Perspektive gewinnt die Auffassung an Stellenwert, dass auch Lehrende über feedback literacy verfügen sollten (T AI et al. 2021: 10). Teacher feedback literacy umfasst die Fähigkeiten, innovative und lerner*innenzentrierte Feedback- Methoden umzusetzen, lern- und feedback-literacy-förderliche Beurteilungs- und Prüfungsumgebungen zu schaffen, ein Lernumfeld zu kreieren, welches die konstruktive Auseinandersetzung mit Feedback ermöglicht und fördert, und Feedback Praktiken umzusetzen, welche die Entwicklung von student feedback literacy begünstigen (B OUD / D AWSON 2023: 159). Student feedback literacy und teacher feedback literacy deuten also darauf hin, dass Feedback-Kompetenzen nicht nur Schüler*innen, sondern auch angehende und praktizierende Lehrende tangieren (vgl. K LIPPEL 2022). Lehrende - darunter insbesondere angehende Lehrpersonen - übernehmen diesbezüglich eine duale Rolle. Während sie einerseits als Lehrende Feedback-Prozesse steuern und dadurch als Mediierende im Lernprozess ihrer Lernenden agieren (vgl. E UROPARAT 2020), sind sie auch regelmässigem Feedback zu ihren Leistungen und (berufsbezogenen) Handlungen ausgesetzt - durch ihre Lernenden (M ARTINEZ 2022: 78), Hochschullehrende, Kolleg*innen etc. - und nutzen dieses für die kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen professionellen sowie sprachlichen Kompetenz (K LIPPEL 2022: 60-62). Um diese duale Rolle zu erfüllen, ist naheliegend, dass sowohl angehende als auch berufstätige Lehrpersonen über student und teacher feedback literacy verfügen sollten. Diese Annahme haben C ARLESS und W INSTONE (2020) in ersten Grundzügen konzeptualisiert. In ihrem Beitrag verstehen sie teacher feedback literacy als komplementär zu student feedback literacy und argumentieren, dass die Entwicklung von student feedback literacy gefördert werden kann, wenn Lehrende ihre Feedback-Kompetenzen für die Schaffung optimaler Feedback-Prozesse einsetzen. Um student feedback literacy zu fördern, sind daher seitens der Lehrenden Wissen über student feedback literacy und die entsprechenden Feedback-Kompetenzen nötig. Daraus lässt sich 24 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 schliessen, dass Lehrende selbst über student feedback literacy verfügen müssen, bevor sie diese Fähigkeiten bei ihren Lernenden fördern können. T AI et al. (2021) entwickeln diesen Ansatz weiter, indem sie nahelegen, dass effektives Feedback als Ergebnis eines interaktiven Prozesses die Auflösung von hierarchischen Rollenverständnissen bedingt und dadurch die Verantwortung der Feedback-Effektivität auf alle im Prozess involvierten Agierenden verteilt. So verstehen sie feedback literacy nicht mehr als singuläre Literalität, sondern als eine Vielzahl miteinander verzahnter Literalitäten, die sich im pluralen und multifaktoriellen Konstrukt der teacher-student feedback literacies manifestieren und sowohl von den Lernenden als auch von den Lehrenden erworben werden müssen. Somit werden durch teacher-student feedback literacies ein Paradigmenwechsel von traditionellen Machtstrukturen hin zu einem Verständnis von Lehrenden als lebenslange Lernende im Feedback-Prozess angestrebt und fixierte Rollen von Feedback-Teilnehmenden verworfen (T AI et al. 2021: 2-3). Anstelle davon umfassen teacher-student feedback literacies das kontinuierliche Beobachten, Verstehen und Modifizieren traditioneller und hegemonialer Merkmale von Feedback (T AI et al. 2021: 10). Eine kombinierte Beforschung von student feedback literacy und teacher feedback literacy in ihrer angenommenen Verwobenheit (teacher-student-partnership) (vgl. C ARLESS / W INSTONE 2020; D E B EER 2022) bezieht sich auf die Begutachtung von Lernenden und Lehrenden in ihrem Zusammenspiel. Sowohl konzeptuelle als auch empirische Beiträge zur Untersuchung von teacher-student feedback literacies als vereintes latentes Konstrukt wurden jedoch aufgrund eines bisher dominierenden Fokus auf Lernende vernachlässigt (vgl. T AI et al. 2021). In der Fremdsprachenforschung, und konkret auf der Ebene der Volksschule, sind solche Untersuchungen noch rarer als in der Bildungsforschung. Dennoch lässt sich die Verzahnung beider Konstrukte in der Diskussion über Kompetenzen von Lehrenden in Grundzügen erkennen - zumindest auf Tertiärstufe. So konnte D E B EER (2022) anhand von Fokusgruppeninterviews zeigen, dass Hochschuldozierende unter anderem Wert darauf legen, nicht nur teacher feedback literacy zu erwerben und diese Fähigkeiten in einem Programmatic Assessment Curriculum einzusetzen, sondern auch ihren Studierenden gegenüber effektives Feedback-Verhalten zu modellieren (z.B. das Aufsuchen von Feedback bei ihren Studierenden oder Offenheit für Feedback - also Aspekte von student feedback literacy). Die Relevanz des Modellierens von effektivem Feedback-Verhalten konnten auch B OUD und D AWSON (2023) in ihrer qualitativen Studie zu feedbackliterate teachers aufzeigen - eine Fähigkeit, welche sie in ihrem evidenzbasierten Modell zu den einzelnen teacher feedback literacy Facetten den Makro-Kompetenzen und der dort untergeordneten Kategorie Creates authentic feedback-rich environments zuordnen. In Betrachtung dieser dualen Rolle aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive müssen Lehrende zusätzlich in der Lage sein, sich adressatengerecht auszudrücken und Feedback-Dialoge auf Augenhöhe, konstruktiv und sprachsensibel zu gestalten. Diese sprachliche Komponente der Verständlichkeit und Adressatengerechtigkeit wird einerseits in den Mediationsskalen des Begleitbands des Gemeinsamen Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 25 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 Europäischen Referenzrahmens (vgl. GeR-BB, E UROPARAT 2020) angedeutet - wenn auch allgemein formuliert - und andererseits in den berufsspezifischen Sprachkompetenzprofilen (BSSKP) thematisiert (K USTER et al. 2014: 13-14). In Letzteren werden in zwölf Kann-Beschreibungen des Handlungsfelds „Beurteilen, Rückmeldung geben und beraten“ die erforderlichen Feedback-Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden ausdifferenziert (z.B. Deskriptor 3.9: „Die Lehrperson kann in der Zielsprache eine mündliche Rückmeldung zu Schülerleistungen geben“). Diese lassen sich wiederum anhand des berufsspezifischen Beurteilungsraster (BSSK-R) mithilfe sechs linguistischer und einem indigenen 1 Kriterium evaluieren. Gemäss den BSSKP und dem BSSK-R ist das indigene Kriterium „Adressatenbezug: Lernende“ eine zentrale Facette dieser Kompetenzen. Es umfasst die Fähigkeit, sich den Lernenden gegenüber verständlich auszudrücken (vgl. B LEICHENBACHER et al. 2017). Die BSSKP spiegeln eine unidirektionale Auffassung von Feedback-Prozessen wider, in welcher hohe sprachliche (berufsspezifische) Fertigkeiten auf Seiten der Lehrenden als zentrale Gelingensbedingung für lernförderliches Feedback im Zentrum stehen. Somit sind sie entkoppelt vom bildungswissenschaftlichen Diskurs über feedback literacy, lassen die Lernendenperspektive und duale Feedback-Rolle von Lehrenden unbeachtet und decken nur einen Teil der hier theoretisierten Voraussetzungen für lernförderliches Feedback ab. Die fehlende Verbindung zwischen der sprachlichen und pädagogischfachwissenschaftlichen Komponente von feedback literacy ist bidirektional. So ist sowohl auf theoretisch-konzeptueller als auch empirischer Ebene im Kontext der Fremdsprachenforschung, und insbesondere auf Ebene der Volksschule, bisher kaum untersucht, ob und inwiefern sich beide Komponenten in die erforderlichen Feedback- Kompetenzen von Lehrpersonen integrieren lassen und inwiefern diese Integration im Unterrichtshandeln zum Lernerfolg von Schüler*innen beitragen kann. Auch die zentrale Voraussetzung der Verständlichkeit von zielsprachlichen Feedback-Dialogen für Lernende bleibt unangetastet. Es ist gerade hier, wo die vorliegende, explorativ-qualitative Studie ansetzt. Folgende Forschungsfragen stehen im Zentrum: 1. Wie schätzen Lernende der Sekundarstufe I ein mündliches, fremdsprachliches Feedback von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen bezüglich deren sprachlicher Qualität und Verständlichkeit ein? 2. Welche (sprachlichen) Aspekte von mündlichen, fremdsprachlichen Feedbackproduktionen von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen schätzen Lernende der Sekundarstufe I als zentral ein für die Sicherung ihres eigenen Verständnisses? Unter Verständlichkeit wird die subjektive Wahrnehmung von Lernenden verstanden, welche ermittelt, wie leicht sie eine Sprachproduktion verstehen können (T ROFIMO - VICH / I SAACS 2012: 905). Zur Wahrung des Grundprinzips der Offenheit qualitativer Forschung wird auf eine Hypothesenformulierung verzichtet mit dem Ziel, ohne 1 Im Kontext des Sprachtestens sind indigene Kriterien nicht-linguistische, handlungsorientierte Kriterien, die relevante realweltliche Faktoren abbilden (M C N AMARA 1996). 26 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 Anspruch auf die Generierung verallgemeinerbarer Erkenntnisse eine unvoreingenommene Offenlegung der Lernendenperspektiven zu ermöglichen. 3. Design und Stichprobe Die vorliegende Studie ist Teil einer Interventionsstudie, in welcher die Integration der BSSKP und BSSK-R in ein hochschuldidaktisches Lehr-Lernarrangement zur Förderung und Beurteilung berufsspezifischer Sprachkompetenzen untersucht wurde (vgl. R ÜTTI -J OY 2022). Mithilfe eines kompetenzorientierten Performanztests wurden darin die englischen Feedback-Kompetenzen von 48 angehenden Fremdsprachenlehrenden einer Schweizerischen Pädagogischen Hochschule prä- und post-Intervention erhoben. Diese liegen als Audioaufnahmen vor und dienen der vorliegenden Studie als Datengrundlage. Zur Erfassung der von Lernenden wahrgenommenen sprachlichen Qualität und Verständlichkeit mündlicher Feedbacks führte ich halbstrukturierte Leitfadeninterviews (vgl. M ISOCH 2015) durch, in welchen fünf Lernende jeweils zwei dieser Audioaufnahmen anhand folgender fünf ausgewählter BSSK-R-Kriterien beurteilten: 1) Wortschatz: Wortwahl; 2) Sprachliche Korrektheit; 3) Aussprache & Betonung; 4) Flüssigkeit und 5) Adressatenbezug: Lernende. Diese Kriterien wurden in Interviewfragen übersetzt und um weitere Kriterien (z.B. globales Verständnis) ergänzt, um den Lernenden sowohl einen formalen (linguistischen) als auch funktionalen (inhaltlichen) Blick auf die BSSK-R und die audiographierten Feedbacks zu ermöglichen. Der Leitfaden wurde mit vier Fachdidaktiker*innen präpilotiert, mit zwei Lernenden der Zielstufe pilotiert, angepasst und schliesslich finalisiert. Drei Schülerinnen und zwei Schüler der 9. Klasse einer Ostschweizerischen Sekundarschule bildeten die Stichprobe. Ihre allgemeinen Englischkompetenzen lagen zwischen A2 und B2 (vgl. E UROPARAT 2001). Die Teilnehmenden S1, S2 und S3 waren fortgeschrittene Anfänger*innen. Während die Englischleistungen von S1 und S2 ungenügend waren, lagen die Leistungen von S3 im Mittelfeld. S4 und S5 besuchten den anspruchsvolleren Englischunterricht (Leistungsniveau), wobei S4 Noten im mittleren Bereich und S5 im oberen Mittelfeld erzielten. Die Lernenden wurden von ihren Lehrpersonen über das Forschungsprojekt informiert und meldeten sich freiwillig für eine Teilnahme. Alle Lernenden legten eine Einverständniserklärung durch die Erziehungsberechtigten vor. 4. Methode und Analyse Die Interviews führte ich als Forscherin durch. Vor jedem Interview machte ich die Lernenden mit dem Forschungsprojekt sowie ihrer Rolle und Aufgabe im Interview bekannt. Im Interview studierten die Lernenden zuerst ein Testitem aus dem Prä-Posttest der Interventionsstudie (R ÜTTI -J OY 2022: 227-228). Ihre Aufgabe war es anschliessend, eine leistungsstarke und eine leistungsschwache Feedback-Produktion Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 27 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 aus dem Audiodatenpool der Interventionsstudie - also zwei Testantworten auf das vorgelegte Testitem - anhand der BSSK-R Kriterien zu beurteilen. Vier Interviews wurden auf Standardhochdeutsch und ein Interview auf Schweizerdeutsch durchgeführt. Insgesamt dauerten die Interviews 21 bis 33 Minuten. Die Transkription erfolgte in MS Word und gemäss den Transkriptionskonventionen von D RESING und P EHL (2015). Die Auswertung der Leitfadeninterviews erfolgte mittels strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse nach K UCKARTZ (2018). Die initiierende Textarbeit umfasste eine sequenzielle und systematische Auseinandersetzung mit und Annotation des Textmaterials durch Memos (vgl. K UCKARTZ 2018). Nach dem Erstellen deskriptiver systematischer Fallzusammenfassungen bildete ich ausgehend vom Interviewleitfaden deduktiv thematische Hauptkategorien (Phase 2, vgl. K UCKARTZ 2018). Zur Kohärenzsicherstellung zwischen den Interviewfragen, dem Interviewleitfaden und den Lernendenantworten formulierte ich die deduktiven Kategorien nah an den Klassifizierungen des Primärmaterials - also den BSSK-R-Kriterien. Anschliessend arbeitete ich das Textmaterial sequenziell durch, ordnete die deduktiven Kategorien den entsprechenden Textpassagen zu und bildete induktive Kategorien. Nach erneuter Konsultation des Textmaterials und Ausdifferenzierung der Kategorien systematisierte ich das Kategoriensystem (Tab. 1, S. 28f.) und prüfte die Kriterien hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Güte. Danach kodierte ich das Textmaterial sequenziell in QCAmap (F ENZL / M AYRING 2017) in zwei Durchgängen (Phasen 3-6, vgl. K UCKARTZ 2018) und gemäss folgender Kodierregeln: 1. Die kleinste Kodiereinheit ist eine Phrase, sofern sie eindeutig einer Bedeutungseinheit entspricht. 2. Eine Bedeutungseinheit kann eine Äusserung bis hin zu mehreren Wendungen umfassen. 3. Eine Kodiereinheit enthält ausreichend bedeutungsvolles Material, sodass sie auch dann noch Sinn ergibt, wenn sie aus dem Text entfernt wird. 4. Eine thematische Kodiereinheit kann für mehr als eine Kategorie gleichzeitig stehen. Um die Erkenntnisse der vorliegenden Studie nicht durch einen mathematischen Wert aufzublähen oder als gemeingültig darzustellen und um der Diversität der Perspektiven und Interpretationen Rechnung zu tragen (vgl. O’C ONNOR / J OFFE 2020), verzichtete ich auf eine Doppelcodierung und Inter-Coder-Reliabilitäts-Auswertung. 28 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 Thematische Hauptkategorie Unterkategorie Feedback als sprachliche Produktion Sprachkompetenz Sprachkompetenz: Allgemein Erfahrung Korrektheit Wortschatz Flüssigkeit Sprechgeschwindigkeit Native-Speakerism Feedback aus Sicht der Rezeption: Feedback als Interpretation Verständnis Verständnis: Allgemein Anstrengung Verständlichkeit für schwache Lernende Verständliche Aussprache Verständliche Aussprache: Allgemein Varietät Selbstbewusstsein - Auditive Sprachwahrnehmung: Psychophonetik / Psychoakustik Sprechmelodie / Tonfall als parasprachliche Funktion der Prosodie (Ebene der A-Prosodie) Subjektiv wahrgenommene Tonhöhe (pitch): Mel Subjektiv wahrgenommene Lautheit (loudness): Sone Feedback als pädagogisches Werkzeug Pädagogisches Wissen (PK) Pädagogisches Wissen: Feedback Erklären: Methode Adressatenbezug Adressatengerechtigkeit: Allgemein Adressatengerechter Wortschatz Adressatengerechte Komplexität Inhalt adressatengerecht portionieren Verbesserungstipps Feedback Sprache Vertrautheit Feedback - Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 29 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 Thematische Hauptkategorie Unterkategorie Feedback als soziales Artefakt zur interaktionalen Mediation von Wissen, Verständnis und Lernfortschritt: Mediationskompetenz Interaktionskompetenz - Engagement Engagement: Allgemein Mühe geben Motivieren Überzeugende Stimme und Ausdruck - Inhaltliche Redundanz Feedback - Forschungsteilnehmende in der Rolle als Beurteilende Schwierigkeit Beurteilen Spass, die Lehrperson zu beurteilen Tab. 1: Verkürzte Version des finalisierten Kategoriensystems Die letzte Phase umfasste die Datenanalyse, zunächst entlang der Haupt- und Unterkategorien und anschließend zwischen den Haupt- und Unterkategorien. Die Memos, thematischen Fallzusammenfassungen und kodierten Passagen bildeten dazu die Grundlage (vgl. K UCKARTZ 2018). 5. Resultate Im Hinblick auf Forschungsfrage 1) „Wie schätzen Lernende der Sekundarstufe I ein mündliches, fremdsprachliches Feedback von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen bezüglich deren sprachlicher Qualität und Verständlichkeit ein? “ entstanden acht Hauptindikatoren, an welchen die Lernenden hohe bzw. niedrige Sprachkompetenz festmachten. Als Indikatoren für hohe Sprachkompetenz nannten sie 1) gute Aussprache, 2) hohe Flüssigkeit, 3) die Nutzung niederfrequenter Wörter, 4) die Fähigkeit, sich konzise auszudrücken, 5) hohe Sprechgeschwindigkeit und 6) fehlerfreier Ausdruck. Schlechte Aussprache (7) und Unflüssigkeit (8) wurden als Indikatoren für niedrige Sprachkompetenz genannt. Aussprache kristallisierte sich hierbei als besonders relevant heraus, wobei gute Aussprache als klarer Indikator für hohe Sprachkompetenz galt: I: Ehm, woran erkennst du, denkst du, dass diese Person GUT im Englisch ist? S1: Ehm, also a/ an der Aus/ AUSsprache, merkt man das, und, wenn sie, halt, eine überzeugende Stimme dazu hat. Dass… daran merkt ma/ man, dass, s/ s/ hat dass sie’s kann. (Transkript S1, Zeilen 84-87) 30 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 Was als gute oder schlechte Aussprache gilt, blieb unklar. Vereinzelte Bezüge zum Akzent lassen jedoch vermuten, dass Varietät ein Faktor sein könnte, der die Wahrnehmung von vermeintlich guter Aussprache steuerte. Während einige Lernende einen erstsprachlichen Akzent (z.B. Britisches Englisch) als Anzeichen hoher Sprachkompetenz interpretierten, fanden andere solch sprachliche Färbungen zwar akustisch „schön“, brachten diese aber nicht mit Sprachkompetenz in Verbindung. Zwei Lernende bemerkten, dass ein „muttersprachliches“ Niveau erstrebenswert und gleichzeitig mit hoher Sprachkompetenz gleichzusetzen sei. So sei eine „muttersprachlichklingende“ Lehrperson ein Vorbild, bei welchem man lerne, „wie es in der realen Welt wirklich ist“: S1: Ich finde das GUT, dass man halt, wenn man eine Sprache… unterrichten will, dass man auch so zeigt wie ist es wirklich ist. Was bringt es mir wenn ich in der, wenn ich die Deutsch, das Deutsch-Englisch in England anwende. (Transkript S1, Zeilen 113 - 115) In diesem Zusammenhang betonten drei Lernende die Relevanz von Selbstbewusstsein. Eine selbstbewusst klingende Stimme veranlasste zur Annahme, dass das wahrgenommene Selbstvertrauen in einer Sprachbiografie mit reichlich Zielsprachenerfahrung wurzle. Dieses Anzeichen interpretierten sie folglich als Indikator für hohe Sprachkompetenz. Eine schüchterne oder leise Stimme hingegen wurde als Indikator für (Sprach-)Unsicherheiten gedeutet und mit niedrigerer Sprachkompetenz assoziiert. Hohe Flüssigkeit - teilweise verschmolzen mit Sprechgeschwindigkeit - interpretierten alle Lernenden als Zeichen für hohe Sprachkompetenz; Unflüssigkeit hingegen wurde auf Sprachunsicherheiten zurückgeführt und wiederum als Indikator für niedrige Sprachkompetenz gedeutet. Im Gegensatz zu Aussprache oder Flüssigkeit schien sprachliche Korrektheit eine Kategorie zu sein, welche die Lernenden besonders anspruchsvoll zu beurteilen empfanden. Sie waren sich zwar einig, dass „fehlerfreie“ Sprache ein klarer Indikator für hohe Sprachkompetenzen sei; die selbstberichtete Schwierigkeit bei der Beurteilung lässt jedoch vermuten, dass sprachliche Korrektheit für sie in den Sprachproduktionen nicht erkenn- und beurteilbar war. Zur Beantwortung der Forschungsfrage 2 „Welche (sprachlichen) Aspekte von mündlichen, fremdsprachlichen Feedbackproduktionen von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen schätzen Lernende der Sekundarstufe I als zentral ein für die Sicherung ihres eigenen Verständnisses? “ förderte die qualitative Inhaltsanalyse eine Reihe verständnisfördernder und -hindernder Aspekte zutage (s. Tab. 2, S. 31). Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 31 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 Verständnisfördernde Aspekte Verständnishindernde Aspekte Gute, klare, präzise, laute und verständliche Aussprache Unklare Aussprache, „Verschlucken“ von Wörtern Angemessene Lautstärke / laute Stimme Niedrige Lautstärke / leise Stimme Angemessene Komplexität der Inhalte Hohe Komplexität der Inhalte Niedrige / moderate Sprechgeschwindigkeit Hohe Sprachgeschwindigkeit Hohe Flüssigkeit, solange die Aussprache klar, präzise, akkurat und verständlich ist Unflüssigkeit, frequente Häsitationsphänomene (Pausen, Füllwörter), Reparatur (Repetition, Umformulieren, false starts), lange Suche nach geeigneten Wörtern (kann ablenken) Hohe Flüssigkeit bei komplexen Lerninhalten Hochfrequente Wörter Niederfrequente Wörter Fähigkeit, sich konzise auszudrücken Redundanz / Repetition Redundanz / Repetition Tab. 2: Verständnisfördernde und -hindernde Aspekte Aussprache schien bei der Beurteilung von Verständlichkeit vergleichbar bedeutungsvoll wie bei der Beurteilung von Sprachkompetenz. Dabei stuften alle Lernenden Klarheit, Präzision, Akkuratheit und Verständlichkeit grösstenteils im Konsens als relevant für die Verständnissicherung ein. Gute Aussprache wurde als essenziell dafür bezeichnet, und Klarheit schien der wichtigste verständnisfördernde Faktor zu sein. Klarheit wurde nicht zwingend als Eigenschaft von Lehrpersonen identifiziert, sondern vielmehr als Faktor, der bewusst manipuliert werden kann - beispielsweise durch eine Verringerung der Sprechgeschwindigkeit: S3: Ehm, und si hets au schö so… gseit dass mo… VERSTOHT. Zum Bispil, da mit „shoulder“, het si SCHÖ gseit, so richtig so langsam „SHOULDER“, dass sis [die adressierte Lernende] verstoht. (Transkript S3, Zeilen 99 - 101) 2 Ferner interpretierten die Lernenden eine angemessene Lautstärke als zentrale Voraussetzung für die Verständlichkeit. Leise und schüchterne Stimmen seien verständnishindernd und implizierten (sprachliche) Unsicherheit, was wiederum ablenke oder 2 „Ehm, und sie hat es auch schön so… gesagt dass man… VERSTEHT. Zum Beispiel, das mit ,shoulder’, hat sie SCHÖN gesagt, so richtig so langsam ,SHOULDER’, dass sie [die adressierte Lernende] es versteht.“ 32 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 langweile. Diese Aussagen lassen vermuten, dass die Lautstärke nicht nur mit einem selbstbewussten Auftreten der Lehrperson und der Verständnissicherung verbunden wurde, sondern auch mit der Unterrichtsführung. Interessanterweise kategorisierten die Lernenden Redundanzen und Repetitionen sowohl als verständnisfördernd als auch -hindernd. Ähnlich wie die Mediationsstrategien simplifying a text, amplifying a dense text und streamlining a text, wie sie im GeR-BB ausdifferenziert sind (E UROPARAT 2020: 126-129), dienen Redundanzen, Repetitionen und die konzise Formulierung von Inhalten letztlich dem gleichen Zweck: nämlich dazu, die Bedeutung von Inhalten zu klären und deren Verständnis zu erleichtern (N ORTH / P ICCARDO 2016: 31). Ausgehend von den Lernendenurteilen und den GeR-BB Deskriptoren (vgl. E UROPARAT 2020) ist die Anwendung der einzelnen Strategien somit situativ, kontextgebunden und inhaltsabhängig. Werden die Strategien unangemessen oder zum falschen Zeitpunkt angewendet, dürften sie verständnishindernd wirken. Bei der Beurteilung des Kriteriums Adressatenbezug: Lernende zeigten die Lernenden ein ähnliches Bewusstsein. So zeigte sich, dass sich Lehrende sprachlich dem Kompetenzstand der Lernenden anpassen und eine Reihe an verständnisfördernden Strategien einsetzen sollten und dass die Verwendung von einfacher Sprache nicht ein Zeichen unzulänglicher Sprachkompetenzen sei. Strategien zur Verständnisförderung Hochfrequente Wörter („basic“ Englisch / BICS) Klare und verständliche Aussprache Angemessene, eher langsame(re) Sprechgeschwindigkeit Einen Text ausdehnen (paraphrasieren, etwas im Detail erklären, oder auf die Schulsprache ausweichen) Einen Text straffen (sich konzise ausdrücken) Verwenden von zusätzlichen Hilfsmitteln zur Visualisierung, z.B. Wandtafel Gut vorbereitet sein Tab. 3: Verständnisfördernde Strategien Wie in Tabelle 2 und Tabelle 3 ersichtlich, scheint auch die Wortwahl zentral zu sein. Die Lernenden unterschieden zwischen „basic“ oder „einfachem“ und „komplexem“, „fortgeschrittenem“ oder „schwierigem“ Vokabular und waren der Überzeugung, dass Lehrpersonen Zugang zu allen „Kategorien“ von Wortschatz haben und immer vor der Wahl stünden, welcher sie sich bedienen sollten: S1: das ist eigentlich das BASIC halt. Es ist mehr gebildet, so. Das gebildete Englisch, so. Es gibt das basic Englisch und das gebildete Englisch und ich kann nur zum Beispiel das Basic und dazwischen sind zwei. (Transkript S1, Zeilen 138 - 140) Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 33 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 Die Lernenden waren sich ferner einig, dass hochfrequentes Vokabular klar verständnisfördernd sei: S4: Dass sie eigentlich ein Deu/ eh ein Englisch geredet hat das ich eigentlich auch gu/ also gut verstehe nicht irgendwie solche englische [sic] Sachen die ich nicht verstehe so sch/ komplizierte Wörter. (Transkript S4, Zeilen 62 - 64) Während S5 - ein leistungsstärkerer Schüler - berichtete, in der Exponierung niederfrequenter Wörter eine gute Lernmöglichkeit zu sehen, fand S3, dass die Komplexität des Vokabulars der Komplexität der Lerninhalte angepasst werden sollte. Je komplexer die Inhalte, desto simpler sollte das verwendete Vokabular sein: S3: Mmh, aso am Afang ischs recht guet gsi. Und döt halt mit de Fehler döt… ischs halt chli komplizierter worde. Döt chönnt me glaub chli eifacheri Wörter ssueche. (Transkript S3, Zeilen 162 - 163) 3 Diese Aussage deutet darauf hin, dass die Anpassung der Wortkomplexität genauso situativ und inhaltsabhängig ist wie die Mediationsstrategien (vgl. E UROPARAT 2020: 126-129). Aus dieser Perspektive müssten Lehrpersonen ihre Wortwahl nicht nur dem Sprachkompetenzniveau ihrer Lernenden, sondern auch der relativen Komplexität der Lerninhalte anpassen und wenn nötig auf die Unterrichtssprache ausweichen: S3: Nai, d Sproch isch recht guet gsi aso d Ussproch isch würkli guet gsi. Ehm, isch eifach dasses… für die isch da voll KLAR. Und mir müend da zersch mol so, LANGSAM, dass mers au verstönd und vilicht au so uf Dütsch go wel mr sus halt nöd verstönt. (Transkript S3, Zeilen 42 - 44) 4 Auch Sprechgeschwindigkeit und Flüssigkeit schienen mit dem Kriterium Adressatenbezug: Lernende zusammenzuhängen. Ähnlich wie bei der Verwendung von angemessenem Vokabular müsse die Lehrkraft zwischen Situationen unterscheiden, die eine niedrigere Sprechgeschwindigkeit erfordern, und Situationen, in denen eine höhere Sprechgeschwindigkeit nicht verständnishindernd sei. So müsste demnach auch die Sprechgeschwindigkeit an die Komplexität der Inhalte angepasst werden: Je komplexer ein Thema, desto geringer die Sprechgeschwindigkeit. Einige Lernende brachten Sprechgeschwindigkeit mit Flüssigkeit in Verbindung und berichteten, dass eine angemessen flüssige Aussprache verständnisfördernd sei. Entsprechend der Notwendigkeit einer situations- und inhaltsbedingten Anpassung der Wortwahl und Sprechgeschwindigkeit könnte ein komplexer Sachverhalt also auch eine Anpassung des Redeflusses erfordern. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Kriterium Adressatenbezug: Lernende mehrere distinkte Komponenten beinhalten dürfte. Ähnlich wie im GeR-BB, wo adapting language lediglich eine von vielen Möglichkeiten 3 „Mmh, also am Anfang war es ziemlich gut. Und dort halt mit den Fehlern dort… wurde es halt ein bisschen komplizierter. Dort könnte man glaube ich ein bisschen einfachere Wörter suchen.“ 4 „Nein, die Sprache war ziemlich gut also die Aussprache war wirklich gut. Ehm, es ist einfach, dass es… für sie ist das voll KLAR. Und wir müssen das zuerst mal so, LANGSAM, dass wir es auch verstehen und vielleicht auch so auf Deutsch, weil wir es sonst halt nicht verstehen.“ 34 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 ist, um die Mediationsstrategie explain a new concept zu realisieren, bekräftigen die vorliegenden Resultate den Ansatz, dass das Kriterium Adressatenbezug: Lernende genauso eine Reihe an Strategien für dessen Realisierung umfassen möge. Zusätzlich nannten einige Lernende Kriterien, die sie für ein wirksames Feedback als wesentlich erachten. Dazu gehörte einerseits das wahrgenommene Engagement einer Lehrperson zur Schaffung einer Vertrauensbasis sowie Ermutigung durch positives Feedback: S1 was mir gefallen hat ist… ehm… es kam halt überzeugend vor, dass sie sich MÜHE gemacht hat. Das… hat mich so überzeugt aso man merkt, dass… da Mühe drin steckt. (Transkript S4, Zeilen 55 - 57) Andererseits hielten es die Lernenden für wichtig, dass Feedback klar und konstruktiv sei, dass es sowohl positive als auch negative Aspekte enthalte, und dass die Erklärungen präzise und gut nachvollziehbar seien. 6. Diskussion Die Ergebnisse lassen ein Profil von Indikatoren entstehen, welche hohe Sprachkompetenzen und Voraussetzungen zur Verständnissicherung beschreiben. Dies legt nahe, dass nicht alle Faktoren, welche die Lernenden mit hoher Sprachkompetenz assoziierten, gleichzeitig zur Verständnissicherung beitragen und dass Sprachlehrende je nach Kontext und Situation eine Art Sprache benutzen, die nicht typischerweise mit hoher Sprachkompetenz assoziiert ist (s. Tab. 4, S. 35). Anhand der Vielfalt an induktiven Kategorien zeigt sich, dass sich die sprachliche Komponente mündlicher Feedbacks nicht nur an linguistischen Kriterien festmachen lässt. Insbesondere das Kriterium Adressatenbezug: Lernende scheint bei der Bewertung der Verständlichkeit zentral, wobei die Verständlichkeit des sprachlichen Ausdrucks folglich als Indikator für hohe Feedback-Kompetenzen gelten kann. Adressatengerechtigkeit scheint somit eine hochdynamische Fähigkeit zu sein, die den situativen Einsatz parasprachlicher Kompetenzen und (Mediations)Strategien bedingt, um das Verständnis der Lernenden in Feedback-Dialogen zu sichern. Solch Strategien umfassen unter anderem eine Anpassung des sprachlichen Ausdrucks an die Komplexität der Inhalte, beispielsweise durch eine Anpassung der Aussprache oder Sprechgeschwindigkeit, und einen expliziten Einsatz paralinguistischer Strategien wie Wiederholen und Paraphrasieren von Inhalten oder Herunterbrechen von Informationen. Darauffolgend lässt sich theorisieren, dass sich diese Aspekte als Facetten von teacher feedback literacy verstehen liessen - denn beinhaltet ebendieses Konzept die Fähigkeit, ein Umfeld zu kreieren, welches die Entwicklung von student feedback literacy fördert. Dies bedingt jedoch, dass die Schüler*innen die Lehrperson und Lerninhalte sprachlich verstehen und eine Vertrauensbasis mit der Lehrperson aufbauen. Nur eine vertrauensvolle Beziehung ermöglicht (insbesondere leistungsschwächeren) Lernenden, offene Feedback-Dialoge einzugehen und Feedback ausschöpfend für den eigenen Lernfortschritt zu nutzen (vgl. C ARLESS 2009). Um solch eine Vertrauensbasis Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 35 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 aufzubauen, so zeigte sich hier, ist vonnöten, dass die Lehrperson Engagement und Interesse am Lernerfolg der Lernenden zeigt sowie selbstbewusst und kompetent (in der Fremdsprache) auftritt. Wenn Lernende ihre Lehrpersonen, und Lehrpersonen sich selbst, als Vermittelnde - als teacher-student-feedback-literal Handelnde - anstatt als informationsübertragende Autoritäten verstehen, liessen sich solche Effekte mindern. Hohe Sprachkompetenz Niedrige Sprachkompetenz Verständnisfördernd Verständnishindernd Gute Aussprache (klar, präzise, verständlich) Schlechte Aussprache (unklar) Angemessene Lautstärke Geringe Lautstärke Hohe Flüssigkeit Unflüssigkeit (Zögern, Wiederholungen, Füllwörter, false starts, Pausen) Hochfrequente Wörter Niederfrequente Wörter Fähigkeit, sich konzise auszudrücken Redundanz / Repetition Hohe Sprechgeschwindigkeit Niedrige / moderate Sprechgeschwindigkeit Fehlerfreie Aussprache 36 Olivia Rütti-Joy DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 54 • Heft 1 Hohe Sprachkompetenz Niedrige Sprachkompetenz Verständnisfördernd Verständnishindernd Angemessene Komplexität der Inhalte Hochkomplexe Inhalte Tab. 4: Ergebnissynthese 7. Conclusio und Limitationen Die vorliegende explorativ-qualitative Studie versuchte, mittels Lernendeninterviews die sprachliche Qualität und Verständlichkeit mündlicher Feedbacks angehender Fremdsprachenlehrender zu ermitteln und die sprachliche Komponente als mögliche Facette von teacher-student feedback literacies zu beleuchten. Nebst der dualen Feedback Literalität im Sinne einer teacher-student feedback literacy wurden die angehenden Lehrpersonen in einer dualen Rolle konzeptualisiert: als Lernende und Lehrende. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lernenden adressatengerechte Sprache als Voraussetzungen zur Verständnissicherung von Feedback als ausschlaggebender einschätzen als allgemeine Sprachkompetenz. Ein situatives Anpassen des sprachlichen Ausdrucks an das kognitive und fremdsprachliche Niveau der Lernenden - je nach Komplexität der Inhalte - scheint demnach eine zentrale Komponente der Verständlichkeit von Feedback zu sein. Um diese Ergebnisse zu untermauern und die Erweiterung von teacher-student feedback literacies um die sprachliche Komponente zu prüfen, sind weitere und grössere empirische Studien unabdingbar. Abschließend gilt es, die wichtigsten Limitationen zu diskutieren. Erstens ist die Aussagekraft der Ergebnisse aufgrund der kleinen Stichprobe und der explorativen und qualitativen Daten stark eingeschränkt. Zweitens kann die Objektivität der Studie aufgrund meiner dualen Rolle als Forscherin und Interviewerin und des Verzichts auf eine Doppelcodierung nicht vollständig gewährleistet werden. Drittens meldeten sich die Lernenden freiwillig zur Studienteilnahme. Matthäus-Effekte lassen sich somit nicht ausschliessen. Viertens führten die Lernenden eine komplexe Aufgabe aus: sie mussten die mündliche Sprachkompetenz von Personen beurteilen, die in der Zielsprache erheblich weiter fortgeschritten sind als sie selbst. Die entsprechende kognitive Belastung könnte die Ergebnisse beeinflusst haben. Letztlich waren die Urteile der Lernenden auf Audioaufnahmen beschränkt und visuelle und kontextuelle Informationen fehlten, die zur Einschätzung der Sprach- und Feedback-Kompetenz zentral sein könnten. Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen 37 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0003 Literatur B LEICHENBACHER , Lukas / H ILBE , Robert / K LEE , Peter / K USTER , Wilfrid / R ODERER , Thomas (2017): Beurteilung berufsspezifischer Sprachkompetenzen von Lehrpersonen, die Fremdsprachen unterrichten (Projektresultate). St.Gallen: Pädagogische Hochschule St.Gallen. B OUD , David / D AWSON , Philip (2023): „What feedback literate teachers do: an empirically-derived competency framework“. In: Assessment & Evaluation in Higher Education 48.2, 158-171. B URWITZ -M ELZER , Eva (2022): „Not the Icing, but the Cake: Feedback, Motivation und komplexe Lernaufgaben“. In: B URWITZ -M ELZER / R IEMER / S CHMELTER (Hrsg.), 11-20. 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Empathie in der Sprachlernberatung Als mediativer, reflexiver Dialog dient die Sprachlernberatung (SLB) u.a. der Unterstützung der Lernenden (LN) in transformativen Lernprozessen, bei der Diversifizierung von Lernstrategien und Entwicklung von Lernautonomie sowie bei der Verknüpfung diverser Lernkontexte (vgl. K ATO / M YNARD 2016). Dabei werden - ausgehend von der Analyse aktueller Fähigkeiten und spezifischer Bedürfnisse - Ressourcen aktiviert, Einstellungs- und Verhaltensänderungen angeregt, wobei die Reflexion, Selbstregulation und Lösungsorientierung stets im Vordergund stehen. Diese Prozesse sind mit vielen Herausforderungen belastet, u.a. bei der Überwindung von internen Lernwiderständen, bei der Einbindung der LN in den inneren Dialog sowie in der Anpassung (nicht)direktiver Interventionen. Eine erste Voraussetzung für das Verständnis komplexer Inter-Relationen und Tiefenstrukturen im emotionalkognitiven Ökosystem stellt das empathische Interface dar. Empathie in der SLB ist viel mehr als nur aktives Zuhören, Verständnis oder additive Emotionsarbeit. Sie ist eine grundlegende Fähigkeit der „Perspektivenannahme und Wahrnehmung des inneren Bezugsrahmens des [Lernenden], mit all seinen emotionalen Komponenten und [subjektiven] Bedeutungen, als ob man diese andere Person wäre, jedoch ohne diese ‚als-ob‘-Position aufzugeben“ (R OGERS 1989: 37). Die empathische Synchronisierung bei der gleichzeitigen Nutzung der Perspektivendifferenz bildet in der SLB die Grundlage für brückenbildendes Handeln und die * Korrespondenzadresse: Dr. Milica Lazovic, Universität Marburg, Institut für Germanistische Sprachwissenschaft. AG Deutsch als Fremdsprache, Deutschhausstraße 3, 35039 M ARBURG E-Mail: milica.d.lazovic@gmail.com Arbeitsbereiche: Kommunikationsanalyse, Sprachlernberatung, Deutsch als Fremdsprache 40 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 Aktivierung von Selbstregulationsmechanismen. Die zentrale Rolle bei der Entwicklung des empathischen mentalen Modells (bei der präaktionalen Bildung und Kalibrierung des empathischen Wertes) spielen ad-hoc-Diagnostiken, aktionale Selbstreflexionen der Beratenden (B) sowie die situierte Wahrnehmung relevanter Indikatoren, die auf die Selbsteinschätzungen, Einstellungen und subjektiven Konzepte der LN hindeuten. Verortet ist das empathische Handeln auf der emotional-affektiven und kognitiven Ebene sowie auf der nonverbalen und Handlungsebene (vgl. J ACOB et al. 2020), aber betrachtet zugleich als grundlegende kognitiv strukturierende Ressource zur Eruierung der Interaktion in ihrer Situierung (vgl. B REYER 2020: 2f.). Als besonders wichtig erweist sich die Harmonisierung der unbewusst ablaufenden Empathie- Reflexe mit jenen bewussten, diskursfunktionalen Empathieprozessen sowie die Harmonisierung der sozialen, emotional-affektiven mit den kognitiven Dimensionen der Empathie. Da ihr Verhältnis dynamisch ist und situationsgebunden variiert sowie zu einer bevorzugten Verarbeitungsroutine sedimentiert werden kann, stellt die Metakompetenz zur kohärenten Relationierung der empathischen Prozesse an dieser Schnittstelle eine wichtige Fähigkeit dar, empathische Interfaces zu reflektieren, funktional zu regulieren und adressatenoptimal zu balancieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Verständnis für die (Dynamiken der) Empathie-Situierung, ihren kokonstruktiven Charakter (vgl. K UPETZ 2015), variierende Intensität und Transitorik. Das Spektrum empathischer Handlungen in der SLB reicht von Basishandlungen zur Bildung des empathischen Interface, über supportiv funktionalisierte empathische Handlungen (z.B. zur emotionalen Regulation), die in Vorlauf, als Begleitung und Optimierung zentraler Beratungshandlungen auftreten. Weiterhin lassen sich primär funktionalisierte empathische Handlungen unterscheiden, die als Träger von zentralen Handlungen vorkommen (wie bei Empfehlungen, Reflexionsimpulsen, Eingriffen in die Tiefenstrukturen) oder sich zu Episoden mit vertiefter Empathiearbeit verselbständigen. Dies führt zu komplexen Dynamiken der doing and undoing empathy (vgl. L AZOVIC 2023), die durch Aktivitäten zur Förderung der Selbstempathie bei LN zusätzlich verstärkt werden. Außerdem verlangt der fremdsprachliche Handlungskontext eine besondere empathische Sprachsensibilität der B, wenn z.B. Deutungen vom eigenen inneren Erleben und der sprachlichen Realisierung entkoppelt sind (vgl. T AUBNER / K OTTE 2015) und die B dabei die Zusammenführung der fremden Sprache mit dem (meist L1-basierten) Gefühl/ Konstrukt unterstützen sollen. Interaktional relevant erweist sich zudem das Phänomen der empathischen Blockade bei Beratenden, die sich zum einen als Mangel an Empathie zeigt (infolge emotionaler Überforderung, fehlender Selbstdistanz) und zum anderen als Blockade im funktionalen Handeln infolge stark ausgeprägter Empathie. Im fremdsprachlichen Kontext sollten außerdem die sprach-/ kulturkontrastiv und sozialisierungsbedingten Unterschiede in der Funktionalisierung und Kontextualisierung der Empathie sowie im empathischen Display (vgl. L AZOVIC 2024a, 2024b) besonders beachtet werden. Zunehmend untersucht wird die Empathie in ihrer kognitiven Dimension, als Fähigkeit, Lernprozesse aus der Perspektive der LN zu verstehen, Strukturen des Lehr-Lern-Gegenstandes aus der inneren Perspektive der LN zu rekonstruieren und Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 41 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 zugunsten des Lernprozesses aufeinander abzustimmen (vgl. K ILIAN / M ARX 2020). Dies umfasst verschiedene Operationen der Perspektivenannahme mit Mentalisierung (vgl. T AUBNER / K OTTE 2015; J ACOB et al. 2020), wie z.B. die Theoretisierung aus der eigenen Lebenserfahrung und anhand generalisierten Wissens; Äquivalenz-Annahmen mit projektiven Perspektivierungen (z.B. anhand von Erfahrungen mit anderen LN); imaginative Prozesse des Hineinversetzens mit Simulationen der Perspektive; inferenzielle Prozesse und hypothetische Attributionsangebote. Die Formen der kognitiven Empathie, ihre Konzeptualisierung und die Ausdrucksebene sind empirisch immer noch ungenügend untersucht. Mit Ausnahme von wenigen Arbeiten, die Empathie in Zusammenhang mit der Professionalisierung von Lehrenden (vgl. S PINDLER 2022) oder zunehmend aus der interaktionslinguistischen Perspektive (vgl. K UPETZ 2015; B UCHHOLZ et al. 2016; L AZOVIC 2023) betrachten, sind diese Aspekte im SLB-Kontext für Deutsch als Fremdsprache sowie für angehende Lehrkräfte sowohl empirisch als auch in konkreten Professionalisierungszusammenhängen immer noch ein Desiderat. Der vorliegende Beitrag geht auf einige der hier genannten Forschungsdesiderata ein. Verortet im Kontext der Sprachlernberatung für Erasmus-Studierende wird das empathische Handeln von angehenden DaF-Lehrkräften analysiert. Die Analyse erfolgt in der Trias empathiebezogene Reflexion - ihr diskursiv funktionaler Einsatz - adaptive Dynamiken. Bevor die Ergebnisse der Analyse vorgestellt und diskutiert werden (s. Abschnitt 3), wird ein kurzer Einblick in die Spezifika des Feedbackgebens im SLB-Kontext (s. Abschnitt 2) gegeben. 2. Empathische Dimensionen des Feedbacks in der Sprachlernberatung Alle Handlungen sind im weiteren Sinne Feedback bzw. Akte der Rückmeldung, mit denen das vorher Gesagte eingeordnet und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente gelenkt wird, die dabei (epistemisch) relativiert oder bewertet, bestätigt oder abgelehnt werden. Feedbackhandlungen öffnen zugleich einen Aushandlungsraum, steuern vorwärtsgerichtet und initiieren weitere bezugnehmende und ko-konstruktive Schritte. Sie stellen somit Brückenhandlungen, in denen unterschiedliche Perspektiven, Rollen, Erwartungen, epistemische Positionen, Evaluationen oder Einstellungen der Interaktanten aufeinander bezogen und für den weiteren Verlauf der Interaktion relevant gemacht werden. Wichtige Aspekte der Feedbackhandlung sind u.a.: Bezug zum vorherigen Turn bzw. Fokus/ Gegenstand des Feedbacks (Aspekt, Kontext, Evidenz); seine interaktive Relevanz für das Gegenüber und seine Positionierung (projektiver Wert); das Ziel der Feedback-Handlung (Erwartbarkeit, Zweckbezogenheit); die Ausprägung des Evaluativen (in Bezug zu epistemischen Positionen, Normen, Rollen); das multimodale Design der Feedbackhandlung (Direktivität, Explizitheit, Fokussierung). Im didaktischen Kontext werden meist Evaluationen und Korrekturen (vgl. S CHOORMANN / S CHLAK 2012) analysiert, der dritte Schritt im IRF-Muster bei 42 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 der Öffnung von interaktiven Räumen (vgl. L EE 2007; W ARING Z HANG 2009) sowie institutionalisierte Großformen wie Feedback- und Auswertungsgespräche (vgl. S CHWARZE 2021). Fokussiert werden wissensbezogene und interaktionsfördernde Aspekte, wobei die Wechselwirkungen mit dem emotionalen Erleben zunehmend diskutiert werden (vgl. W ENGLER 2023; B URWITZ -M ELZER et al. 2020). Im SLB-Kontext erscheint Feedback sowohl auf der Makroebene, als prozesseinleitendes, -begleitendes oder -abschließendes Feedbackgespräch und als eine Feedback-Episode (bezogen z.B. auf die selbständige Erprobung einer Handlungsstrategie oder als textbezogenes Feedback), als auch auf der Meso- und Mikroebene als basale Feedback-Handlungen mit variierender sequenzieller Größe und Funktionalität. Wichtig zu unterscheiden sind sie dann nach ihrer Zweckbezogenheit und ihrer funktionalen Verortung im beratenden Prozess (vgl. P ICK 2017), wie etwa in languagerelated episodes oder in narrativen Episoden, im Gegensatz zu Feedbacks funktionalisiert in Phasen der Problemanalyse, der Ressourcenaktivierung, bei der Vorstrukturierung mentaler Prozesse, bei Eingriffen zur Veränderung im mentalen Bereich oder bei der Lösungserarbeitung und Reflexionsphasen. Eine weitere wichtige Unterscheidung ergibt sich aus der Vielfalt der Bearbeitungsebenen und Phänomene in der SLB, die weit über die Ebene der sprachlichen Angemessenheit und den Bezug zu sprachlichen Kompetenzen und Lerngegenständen hinausgehen und u.a. Feedback-Gegenstände im Bereich der Lernautonomie, -strategien, Selbsteinschätzung und Lernidentität, Motivation und Emotion, (mehrsprachige) Ressourcen und Metakognitionen umfassen bzw. eine holistische, mehrdimensionale, adaptive Herangehensweise und kohärente Orchestrierung verschiedener Bearbeitungsebenen verlangen. Erwähnt werden sollte die Ebene des prozessbezogenen Feedbacks (u.a. bzgl. interaktiver Verhaltensformen/ -erwartungen, Abläufe, Ziele), die selten explizit aufgegriffen werden, aber zu adaptiven Repositionierungen führen. Handlungsleitende Prinzipien der SLB dynamisieren dies zusätzlich, denn im Sinne der nicht-evaluativen Haltung zur Förderung der Reflexionsorientierung wird die evaluative Dimension reduziert und funktional ambiguiert. Genauso muss die Bereitschaft des/ der LN erst ausgehandelt werden, eine andere Feedback-Dynamik (als im Unterricht) und ein anderes interaktives Selbst zu akzeptieren. Unterschiedliche (kollidierende) Beratungsebenen/ -gegenstände und aktionales Reflexions-Overload der B bei der Balancierung zwischen der Selbstbild-Förderung des/ der LN und normativen Anpassung, beeinflussen dies zusätzlich. In Anlehnung an die kommunikativen Modelle der Empathie (vgl. L AZOVIC 2023) lässt sich die empathische Dimension des Feedbacks zuerst auf der Ebene der Wahrnehmung verorten, als Verständnis für die Perspektive, Wissensdynamiken und das Selbstbild der LN. Dies ermöglicht es dem B mögliche Anschlüsse für die kognitive Beeinflussung, Attributionen und Erklärungen zu entwickeln, anstatt theorie- oder erfahrungsbasiert hinein zu projizieren. Die empathischen Perspektivenannahmen dienen einerseits als Kontaktfläche für die Harmonisierung mit externen (normativen) Erwartungen (externe Mediation) und andererseits zur Erkennung von hidden items und kollidierenden Aspekten bzw. zur internen Harmonisierung (interne Mediation). Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 43 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 Auf der emotional-affektiven Ebene werden im empathischen Interface emotionale Zustände und Belastbarkeiten in Relation zum Selbstbild erkannt sowie Dimensionen, die kompensatorisch einwirken können. Nachdem die Prozesse der Bildung des empathischen mentalen Modells abgeschlossen werden (wobei die Linearität und die Reihenfolge bestimmter Schritte variieren kann), beginnt die empathisch basierte Handlungsplanung als präaktionale Reflexionen zum zweckgerichteten fitting und zur Kalibrierung der Feedbackhandlung. Dabei werden die aktionalen Entscheidungen sowie jene bzgl. der Notwendigkeit der Emotionsarbeit getroffen, z.B. die Reduktion der negativen Valenz des Handlungsraums. Die Überlegungen zu epistemischen, aktionalen und sozio-interaktiven Positionierungen der LN spielen eine wichtige Rolle genauso wie jene bezogen auf die regulative Einwirkung auf das Selbstbild sowie die Zone der nächsten Entwicklung. Dies führt letztendlich zu einem empathischen Display im multimodalen Format, wo sich die Empathie bei der Gestaltung von Sprechhandlungen (ihrer Direktivität, Explizitheit, Projektivität), in der Art der diskursiven Einbettung und kompensatorischen Handlungen sowie in der Interaktion der Modalitäten unterschiedlich zeigt. Manch empathische Handlungen sind auf der sprachlichen Oberfläche explizit erkennbar (wie Verständnisdemonstrationen, expressive Akte, Formen der simulierten inneren Rede, narrative Episoden oder Selbstoffenbarungen); andere dagegen bleiben implizit oder sind für DaF-Lernende als solche nicht direkt erkennbar (wie z.B. Deagentivierungen und Vagheitsausdrücke, die zur Reduktion der epistemischen Autorität der B und zur Positionierung der LN als Wissende dienen). Abgerundet wird das empathische Handeln mit der Verarbeitung von Resultaten bzw. im Abgleich der projizierten und empfangenen Empathie, infolgedessen empathische Topoi als diskursive Brücken für kommende Zyklen gebildet werden. Die vorliegende Studie setzt hier an und betrachtet zuerst die subjektiven Konzepte der B, ihre Wahrnehmung der Empathie(situierung) und Empathie-bedingte Anpassungen. Anschließend werden das empathische Display untersucht und verschiedene Dimensionen in Feedbacksequenzen veranschaulicht. 3. Studie zum empathischen Handeln in der Sprachlernberatung DaF Die Studie ist in der ersten Praxisphase (3. Semester Master DaF) verortet, in der 30 angehende DaF-Lehrkräfte ehrenamtlich - anhand von zwei Schreibaufgaben (Erörterung, Brief) - DaF-Lernende (Erasmus-Studierende, Niveau B2) (LN) beraten und dabei zum ersten Mal in diesem Kontext als Beratende (B) agieren. Die Datengrundlage bilden drei Datensätze: Im Datensatz 1 SLB (15 Std.) werden transkribierte Audioaufnahmen von 15 Beratungssitzungen, konzipiert als Text-Feedback, analysiert; den Datensatz 2 (135 Std.) bilden weitere 130 Audioaufnahmen von mehreren semesterbegleitenden Beratungssitzungen, organisiert in (zwei) Beratungszyklen (mit jeweils 7 Sitzungen pro Zyklus), in denen die Themen und Abläufe flexibel gestaltet werden. Ergänzend dazu werden im Datensatz 3 TT (Teamtreffen) (5 Std.) die sub- 44 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 jektiven Perspektiven der B erfasst, durch die Audioaufnahmen von vier begleitenden Teamgesprächen, in denen sich die B über aktuelle Erfahrungen und Herausforderungen austauschen. Betrachtet wird das empathische Handeln aus zwei Perspektiven: (1) Im ersten Schritt (s. Abschnitt 3.1) werden die spontanen, postaktionalen Reflexionen zu empathischen Erfahrungen und empathiebedingten Anpassungen (anhand von Datensatz 3) inhaltsanalytisch (K UCKARTZ / R ÄDIKER 2022) mit Hilfe des Programms MAXQDA ausgewertet. (2) Untersucht werden weiter (s. Abschnitt 3.2) in Anlehnung an Auer et al. (2020) interaktionsanalytisch (anhand von Datensatz 1, 2) die Formen des empathischen Handelns in Feedbacksequenzen. Diese werden in einer sequenziellen Bottom-up-Analyse extrahiert und explorativ analysiert, um zunächst einen Überblick über die verschiedenen Handlungspraktiken zu erhalten. Anschließend erfolgt eine interaktionslinguistische Feinanalyse mit Fokus auf Praktiken, in denen die B empathisch die Perspektive der LN einnehmen und simulieren und dabei emotionale und kognitive Dimensionen harmonieren. 3.1 Reflexion über empathische Erfahrungen in der Sprachlernberatung Empathie als Reflexionsgegenstand entwickelt sich allmählich 1 - aus den Momenten der erlebten Dissonanz und perspektivischen Differenz in Bezug auf die Sprache, Wahrnehmung, eingeschätzte Relevanz, Deutung (s. Bsp. 1) und aus der Notwendigkeit, sich in die Rolle des Lernenden hineinzuversetzen, die Perspektive besser zu verstehen (s. Bsp. 2), sich spontan einzustellen und mit dem Lernenden auf eine empathische Ebene einzupendeln (s. Bsp. 3). Hervorgehoben wird dabei die Relevanz der analytischen Haltung, um unterschiedliche Aspekte wahrzunehmen, aber dabei systematisch vorzugehen und eine optimale Balance der kognitiven und emotionalen Dimensionen zu fördern. Die empathische Synchronisierung im Problemverständnis vor der Bildung des Beratungsfokus wird als wichtiges Handlungsprinzip erkannt. ( Abb. 1) Reflexionen zu allgemeinen empathiebedingten Anpassungen beziehen sich einerseits auf das Teilen äquivalenter Erfahrungen und die Selbstoffenbarung mit dem Ziel des Distanzierens vom Problem, des Normalisierens und der reflexiven Vertiefung (s. Bsp. 4). Andererseits werden Strategien genannt, wie selbständige Entscheidungen fördern und Öffnung des interaktiven Raums zur LN-orientierten Erkundung des Problembereichs vor der Fokus-Bildung. Genauso wird der empathische Umgang mit Fehlern (s. Bsp. 5) zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Vertrauensbasis genannt. Darüber hinaus werden zunehmend Frageaktivitäten in ihrer Funktion zur Stärkung der Selbstwahrnehmung (s. Bsp. 6), zum Abbau innerer Blockaden, zur Änderung des Situationsverständnisses und Einstellungsentwicklung reflektiert. ( Abb. 2) 1 Die Empathie wird zunehmend als relevant thematisiert. In den 150 isolierten Beiträgen insgesamt ergeben sich folgende Anteile pro Teamtreffen: 20% beim 1. Treffen, 45% beim 2. Treffen, 55% beim 3. Treffen und 30% beim 4. Treffen. Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 45 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 Abb. 1: Beispiele 1-3 Abb. 2: Beispiele 4-6 Ein Drittel aller empathiebezogenen Reflexionen beziehen sich auf emotional-affektive Aspekte: Thematisiert werden erkannte lernprozessspezifische Gefühle, wie Angst vor Fehlern und Sprechangst (infolge von Ausspracheproblemen, sozialer Markiertheit, befürchteter Unverständlichkeit), dem Versagen in neuen Handlungskontexten sowie bezogen auf vorherige negative Erfahrungen, unrealistische Selbsteinschätzungen/ -erwartungen (s. Bsp. 7). Das Ansprechen des emotionalen Erlebens, dessen beratende Bearbeitung und die Balancierung emotionaler mit kognitiven Strategien nehmen in der Reflexion allmählich zu, obwohl die meisten B das Gefühl haben, nicht hinreichend auf das emotionale Erleben der LN eingehen zu können oder nicht eingreifen zu müssen, aufgrund der Annahme, dass diese Prozesse sich selbstregulativ lösen. Einige B berichten von Problemen mit dem emotionalen Selbst-Distanzieren. Neben der Wahrnehmung emotionaler Zustände werden im Prozessverlauf positive emotionale Änderungen bei LN erkannt, wie emotionales Öffnen, zunehmende emo- 46 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 tionale Sicherheit und Entspannung, Stabilisierung des Selbstkonzepts als Folge der emotional-transformativen und regulativen Wirkung der SLB (s. Bsp. 8). Die reflektierten Handlungspraktiken auf der emotionalen Ebene sind: emotionale Selbstoffenbarungen und Teilen von narrativen Episoden zwecks emotionaler Bindung und Synchronisierung; De-Affektivieren durch Ermuntern/ Verstärkungen vor der Problemlösung; positive soziale Emotionen auslösen, mit allgemein positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche Selbst-Konzept. Im Zuge der transformativen Prozesse in einem für Lernende neuen Format, meist bedingt durch Autonomie-fördernde Eingriffe der B (wenig Input, viele Fragen und dadurch Kollision der Erwartungshaltungen), werden in einzelnen Gesprächen negative Emotionen erkannt, wie Unzufriedenheit und das Gefühl, angegriffen, genervt, gekränkt oder überfordert zu sein (s. Bsp. 9). Wenige erwähnen das provokative Auslösen von negativen Emotionen, um dadurch transformative Ziele zu erreichen, im Sinne der Stärkung der emotionalen Widerstandsfähigkeit (s. Bsp. 10). Abb. 3: Beispiele 7- 9 Abb. 4: Beispiel 10 Die kognitive Empathie umfasst die Hälfte aller empathiebezogenen Reflexionen und bezieht sich größtenteils auf die Erkennung von (1) allgemeinen Einstellungen und Erwartungen zum Lern-/ Beratungsprozess, von (2) subjektiven Lerntheorien, -strategien, auf (3) die Einschätzungen bzgl. der Reflexionsfähigkeit, (4) Motivation und Attributionen, auf (5) die Änderung von Lernverhalten/ -bedürfnissen im Laufe der Beratung sowie (6) die Relevanz bestimmter Themen für Lernende und (7) kulturell bedingte Wissens-, Einstellungsdifferenzen. Darüber hinaus umfassen diese Reflexionen über die Passung der Beratung zum Lernprozess und Einschätzungen von Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 47 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 Problemen im Beratungsprozess (s. Bsp. 11, 12), wie die Relevanz des Problems und Anschlussfähigkeit eines beratenden Schrittes, Reaktivität des LN bzw. Auswirkungen bestimmter Handlungsstrategien, prozessuale Adaptivität anhand Einschätzung der aktuellen mentalen Verfassung des LN und seiner Bedürfnisse. Abb. 5: Beispiel 11-12 Allmählich entwickeln sich im Verlauf mehr prozessbezogene, tiefere kognitivempathische Reflexionen, als Verständnis des Problems aus der inneren Perspektive der Lernenden, als antizipierte innere Einstellung, interne Kollisionen oder Gedankengänge, bevor das Problem beratend aufgegriffen wird (s. Bsp. 13, 14). Im Sinne der prozessualen Exploration werden dazu intensiver Frage-Strategien reflektiert, die mit dem Ziel der (Anregung zur Selbst-)Erkundung der inneren Prozesse und zwecks Problemlösungsorientierung eingesetzt werden (s. Bsp. 15). Abb. 6: Beispiele 13-15 NovizInnen entwickeln allmählich das Gefühl für das kommunikative Verhalten und für interaktive Bedürfnisse der LN, deren Reaktion auf eine Beratungsstrategie und allgemeine Änderungen im interaktiven Verhalten (s. Bsp. 16, 17, S. 48). Dabei werden Aspekte thematisiert, wie: Redebedürfnisse des LN; Auslöser für die interaktive Öffnung; Änderungen in der Selbstinitiative; Reaktivität auf und Änderungen in der Realisierung bestimmter Sprechhandlungen und Reflexionsebenen; Transformation der Erwartungen an den Handlungskontext und das interaktive Selbst. 48 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 Abb. 7: Beispiele 16-17 Im Allgemeinen lässt sich eine Zunahme der Reflexionstiefe und der lösungsorientierten Haltung feststellen, denn die empathischen Interfaces werden zunehmend zur Anpassung und Entwicklung neuer Handlungsstrategien reflektiert. Prozessuale Dimensionen und solche der Entwicklung sowie die Mehrdimensionalität und Zusammenhänge emotionaler und kognitiver Interfaces werden vermehrt reflektiert und ersetzen eine fragmentierte Betrachtung einzelner Dimensionen. Genauso wird deutlich häufiger die Funktionalisierung und Systematisierung von empathisch eingesetzten Handlungspraktiken (in einem immer breiteren Spektrum) und ihre funktionale Anpassung reflektiert. Diese werden weniger fragmentiert und im Sinne von Basishandlungen (z.B. zur Bildung des Vertrauens) oder als Begleitung von zentralen Beratungshandlungen (Reduktion der negativen Valenz) und mehr als primär funktionalisierte Handlungen reflektiert (als gezielt eingesetzte Reflexionsimpulse u.a. zum Eingreifen in die Tiefenstrukturen). Die Entwicklung des empathischen Verständnisses für die situierte, aktionale Perspektive der LN zeigt sich auch in der zunehmenden Nutzung von Strukturen, mit denen die innere Rede aus der Ich-Perspektive der LN simuliert oder die Perspektive der LN vertreten wird, die sich auch in der interaktionalen Analyse als besonders frequent zeigt. 3.2 Empathisches Handeln in Feedbacksequenzen Die hier untersuchten Formen des empathischen Handelns umfassen einerseits Praktiken zur Minimierung der Auswirkungen von Handlungen mit einer negativen emotionalen Valenz (z.B. beim Korrigieren, Evaluieren, Vergleichen, Zuschreiben) und andererseits eine sehr frequente, kognitiv-empathische Handlung der Annahme der LN-Perspektive bei der Simulation in Form der inneren Rede, die im Gesprächsverlauf tendenziell zunimmt. Die interpretative Unsicherheit und Probleme im Verständnis der LN-Perspektive werden oft - wie im folgenden Beispiel (s. Transkript 1, Z. 1- 3) - ganz explizit zum Ausdruck gebracht, wonach Hypothesen anhand früherer Aussagen des LN formuliert werden und als Anschlüsse für die Exploration und Reflexionsimpulse dienen. Neben sprachlernbiografischen Erkundungen basieren viele dieser ad-hoc-Versuche der B zur Erkundung der LN-Perspektive auf hypothetischen Projektionen anhand eigener Lehr- und Lernerfahrung. Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 49 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 Abb. 8: Transkript 1: SLB, Gespräch 5, Min. 35 Zur Reduzierung der negativen emotionalen Valenz sind u.a. folgende Praktiken des empathischen Handelns erkennbar: • Positives (Re-)Framing: Negative Bezeichnungen wie „Problem/ Schwierigkeit“ werden gemildert und euphemistisch ersetzt (Kleinigkeit, kleine Fehler, Tippfehler), mit positiven Umdeutungen (authentisch, kreativ, klingt nett) und Reframings (keine Korrektur nur Tipps und Tricks) adaptiert sowie positiv uminterpretiert (es gibt einfachere Wörter, aber du hast schwere genutzt, die nicht so gebräuchlich sind); • Problemdissoziation: Probleme werden normalisiert (das ist normal), dissoziiert (bei allen ist es so; alle arbeiten an sich) oder ermutigend relativiert (Es ist gar nicht so ein großes Problem, wie du glaube ich denkst); • Feedback-Distanz: Aufgebaut wird Distanz zum Feedback-Handeln durch lockernde Kommentare und verharmlosende Rahmungen (Kritik auf dem hohen Niveau; das ist nur ein Vorschlag; ich meckere nur); • Relativierung des Feedbacks: Korrektive Handlungen werden durch Ausdrücke der epistemischen Unsicherheit und Ich-Bezogenheit relativiert oder semantisch ambiguiert, denn sie werden als Aufschreiben, Markieren, Wünsche oder subjektive Kommentare eingebracht (ich habe mir aufgeschrieben/ eingekreist; ich hätte mir gewünscht). • Kompensatorisches Feedback: Im Anschluss an Korrekturen werden aktuelle, interaktiv als positiv erkannte Aspekte kompensatorisch hervorgehoben (aber du sprichst sehr gut, sehr deutlich, ich kann dich gut verstehen). Kompensatorisches, übertriebenes Loben (ich bin beeindruckt; das hat mich sehr erstaunt) wird häufiger vor, aber auch nach dem korrektiven Eingriff zur Abmilderung genutzt, wobei die gelobten Aspekte nicht immer kohärent anschließen oder nicht immer aktuell relevante Aspekte aufgreifen, sondern auf impliziten Vergleichen mit anderen LN-Gruppen basieren bzw. sich als falsche Kalibrierungen des empathisch projektiven Wertes zeigen. • Entlastung durch stellvertretende Rechtfertigung: Schwierigkeiten werden mit Erklärungen, rechtfertigenden Begründungen gesichtswahrend ausgesprochen und ihre negative Valenz entlastet. Dabei werden Topoi genutzt, wie die Ausgangssprache (viele Artikelfehler, aber das liegt an der Herkunftssprache), die Merkwürdigkeit der L2 (… haben wir hier im Deutschen, was ja irgendwie ein bisschen blöd ist) oder im Gebrauch (auf Deutsch muss man immer sehr viel erklären, muss man alles genau (lacht) schreiben), Flüchtigkeitsfehler, relative 50 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 Werte (schwer für dein Niveau) oder Relevanzen für die Interaktion/ Verständlichkeit (das ist nicht schlimm, man versteht alles sehr gut). • (Distanz durch) Narrative Emotionsarbeit: Durch narrative Reflexe, Selbstoffenbarungen der B (mich hat das auch früher im Englisch …) und Vergleiche (bei meinem Französisch ist es …) oder durch unpersönliche, verallgemeinernde Ausdrücke wird emotional entspannt. Darüber hinaus simulieren B innere, emotionalisierte Rede in selbstbezogenen narrativen Reflexen und schaffen dadurch ein empathisches Interface äquivalenter Erfahrung, was zur emotionalen Regulation durch Explizierung und Bearbeitung einer geteilten Emotion, zum besseren Problemverständnis für LN und Transponieren des Problems auf eine andere Ebene dient. Die Daten zeigen eine klare Tendenz der NovizInnen zu emotionsbasierten Implikaturen nach Turns der LN, die Pausen, Verzögerungen und Unsicherheiten enthalten, und zur emotionalen Regulationsarbeit, bevor eine Lösung vorgeschlagen wird, anstatt sich in die kognitiv empathische Ebene und weitere Problemerkundung einzulassen. Auch wenn es sich hier um potenziell ungünstige emotionale Projektionen und Attributionen handeln könnte, sind solche Versuche der B wichtig als Impulse für die Selbstregulation, emotionale Öffnung der LN und die Harmonisierung der emo-kognitiven Schnittstelle. • LN-perspektivierte Lösungen: Anstelle der Korrektur wird eine Empfehlung formuliert und eine Lösung angeboten, wobei die LN-Perspektive z.B. bei der Satzformulierung angenommen wird bzw. aus der agentiven Perspektive eine Lösung vermittelt wird (dass du überlegst: Hab ich das Verb an der richtigen Stelle). Die Praktik der simulierten inneren Rede wird dabei als Ich-Interface empathisch multifunktional genutzt. • Empathische Perspektivenannahme: Bei der Einbindung von L1 und mehrsprachigen Ressourcen wird die LN-Perspektive simuliert, u.a. bei der Erklärung von Fehlern als negativer Transfer. Die Fehlerhaftigkeit wird nicht explizit genannt, sondern (kollidierende) Ressourcen, wobei der LN als logisch Handelnder und Wissender positioniert wird. Bei der stellvertretenden Perspektivenannahme werden die Denkprozesse z.B. in der Lösung einer Aufgabe oder bei der Formulierung eines Satzes simuliert. Im nächsten Beispiel (s. Transkript 2) werden so die fehlende Struktur in der L1, die strukturelle Ambiguität und Probleme bei der Disambiguierung als Schwierigkeit erkannt und interlinguale Unterschiede evoziert, womit der LN epistemisch entlastet wird und die Korrektursequenz eingeleitet wird. Danach erfolgt die Simulierung der inneren Rede im Prozess der Disambiguierung (s. Z. 3) und dabei wird nicht nur eine empathische Korrektur mit einer positiven emotionalen Valenz ermöglicht, sondern die Strategie in ihrer mentalen Tiefe gefördert. Empathische Verständnisbekundung im Anschluss unterstützt dies zusätzlich (s. Z. 4). Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 51 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 Abb. 9: Transkript 2: SLB, Gespräch 11, Min. 12 • Korrekturentlastung durch empathische perlokutive Perspektivierung: Zur Milderung der negativen Projektion der Korrektur werden Onomatopoetika oder die Simulation innerer Rede des Rezipienten genutzt und dabei oft semantisch reduzierte, implizite Handlungen, so wie im folgenden Beispiel (s. Transkript 3) die pragmatisch ambige Struktur im Modus der simulierten inneren Rede ( dacht_ich so HUCH.<<: -)> hoppla.>, Z. 6). Perlokutive Effekte dienen zur Sensibilisierung des LN für die RezipientInnenperspektive bzw. zur Stärkung in seiner empathischen Haltung durch Verweise auf die Auswirkungen für den/ die Rezipienten/ Rezipientin und zur Repositionierung in eine selbstdistanzierende/ -kritische Rolle. Abb. 10: Transkript 3: SLB, Gespräch 3, Min. 18 Dieses Beispiel zeigt zahlreiche andere Formen des empathischen Handelns. Bei der allmählichen Bewegung vom Positiven zum Negativen (adressatInnen-/ verständnisorientiert, explanativ) wird beispielsweise der zu korrigierende Aspekt ausbalanciert aus zwei Perspektiven (vgl. einerseits/ andererseits) betrachtet. Berücksichtigt wird dabei die LN-Perspektive, indem der explizite Bezug zum Wissensstand (Niveau) hergestellt wird, typische Beispiele aufgegriffen werden bzw. Common Ground und gleichzeitig die L1 (Z. 2-4) als Wissensressource aktiviert wird. Lachmomente wirken emotional entspannend und die diskursive Fokussierung und Strukturierung kognitiv entlastend. Die Korrektur wird durch subjektive Perspektivierung (als ich das gelesen habe) und implizite Indizierung der Reparaturbedürftigkeit (Z. 5-6) durch Onomatopoetika (huch, hoppla) in ihrer evaluativen ‚Stärke‘ gemildert. Das Verständnis wird unterstellt (kennst du), behauptet (ich verstehe, was du sagen willst), demonstriert (dass du sagst, okay …) und in erster Linie die LN-Perspektive (Z. 7-8) angenommen. Simuliert wird dabei die innere Rede zur Explikation der erkannten Absicht, die dann auch positiv bewertet wird (das ist auch gut). Die Fehlerkorrektur ist direkt nicht erkennbar, wird aber durch indikative Überbetonung (! ZU! ), markierte 52 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 Pausen und negative Bewertung als Reparandum indiziert. Mit der anschließenden W-Frage (WARUM? ) wird erneut ein Bezug zur simulierten inneren Rede des LN genommen und dabei diskursiv strukturiert, bevor diese korrektive Behauptung begründet und durch weitere Kontextualisierung erläutert wird (Z. 9-12). Der Wechsel zu unpersönlichen Strukturen (man), Modalverben der Notwendigkeit/ Verpflichtung (muss, braucht, kann nicht), Ausdrücke der epistemischen Offenheit (ein bisschen, wahrscheinlich) und situative Verweise erfüllen wichtige empathische Funktionen der epistemischen Entlastung. Die Explikation der Perspektive des Anderen fördert gleichzeitig die Empathie-Kompetenz des LN (Z. 9-12). Auch wenn diese Feedback-Sequenz möglicherweise mit ungünstigen Übergängen und ambigen Diskursmarkern belastet zu sein scheint, zeigt die adaptive empathische Synchronisierung die Dynamiken beim Balancieren der kognitiven Synchronisierung und emotionalen Regulation und ein mehrdimensionales empathisches Designing des Feedbacks. Die Adaptivität des B zeigt sich im adressatengerechten fitting des korrektiven Feedbacks einerseits durch die Berücksichtigung der Perspektive des LN, seiner Wissensbestände und -ressourcen und Explizierung der erkannten Schreibabsicht bzw. durch die kognitive Synchronisierung und Minimierung der Wissensasymmetrie - vor der Fehlerindizierung und Durchführung der Korrektur. Andererseits kommt dies in den Verfahren zur Minimierung der negativen Valenz und emotionalen Regulation bei der Fehlerindizierung und -bearbeitung vor. Darüber hinaus werden durch die Fokussierung, Strukturierung sowie die Simulation der inneren Rede die prozessuale Synchronisierung bei der Gedankenführung gesichert sowie wichtige mentale Anschlüsse generiert, für die Akzeptanz der korrektiven Behauptung mit anschließender Argumentation. Die Annahme der Perspektive des LN und die Simulation der inneren Rede stärkt die deontische und epistemische Position für B und erweist sich als wichtiger Schritt zur Anpassung, als Vorläufer und Anker für zentrale Feedback-Handlungen, mit denen ihre argumentative Kraft und Akzeptanz gesichert werden. Die Simulierung der LN-Perspektive in Form der inneren Rede, die die vorherigen Beispiele mehrfach veranschaulicht haben, zeigt sich im Datensatz 1 als ein im Gesprächsverlauf tendenziell zunehmendes Phänomen, das als Teil komplexer Feedbackmechanismen als multifunktionale Brücke im empathischen Interface fungiert und wichtige Beratungszwecke erfüllt. Als Reflex des situierten Denkens im Akt des Wiedererlebens von situierten Emotionen evoziert die Simulierung der inneren Rede die Rolle experiencer, aber versetzt den LN in die Rolle des Handelnden bzw. reduziert epistemische Asymmetrie, stärkt die Agentivität und die epistemische Position des LN und fördert Lernautonomie und Selbstregulation durch Selbstgespräche. Dabei hat das empathische Display eine positivierende, entspannende Funktion, kokonstruiert das geteilte emotionale Erleben und reguliert die emotionale Betroffenheit. Als empathische Kontaktfläche dient sie somit nicht nur zur Regulation auf der emotional-affektiven Ebene, sondern regt im empathischen Interface Transformationen auf der kognitiven Ebene und auf der Metaebene (bzgl. des Selbst-Monitorings in der reflektierten Selbst-Distanz) an. Die gleichzeitige Selbst-Nähe und Selbst-Distanz ermöglichen einen korrektiven Eingriff in die widersprüchlichen Erwartungen und Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 53 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 kollidierenden Strukturen in der mentalen Tiefe oder an der emotional-kognitiven Schnittstelle. Gleichzeitig werden dabei interne Ressourcen aufgedeckt und als adressatengerecht formulierte mentale Anker im Sinne der Lösungsorientierung als Scaffolds angeboten. Die Analysen aus der longitudinalen Perspektive anhand des Korpus longitudinaler Beratungsgespräche bestätigen dies und geben Einblicke in diskursive Entwicklungsdynamiken und Adaptation dieser Praktik über mehrere Sitzungen hinweg. Neben quantitativer Zunahme lässt sich ihre funktionale Diversifizierung feststellen: Die ersten Realisierungen dieser Praktik sind meist reaktive, lokale Rückbezüge zu negativen Aspekten (z.B. zu korrigierenden Einstellungen), die sich zunehmend zu einer projektiven, progressiven Praktik entwickelt, integriert in Fragen, Empfehlungen, Vorschlägen, bei der Ressourcen-Aktivierung und Fragen zur Reflexionsvertiefung. Die ersten Realisierungen sind einfache Redewidergaben von (affektierten) Problemdarstellungen der LN und emotionsorientiert; sie entwickeln sich zunehmend zu multifunktionalen empathischen Mentalisierungen, mit denen prozessuale Aspekte, wie Reasoning im Lernprozess und situiertes Problemlösungsdenken inferenziell abgeleitet werden. Zunehmend wird die Praktik als Anschlussstruktur genutzt, um neue Strategien kognitiv zu verankern. Die Änderungen in der Funktionalisierung sind durch Änderungen auf der evaluativen Ebene begleitet: die ersten Realisierungen dienen überwiegend dazu, negative, zu korrigierende, dispräferierte Einstellungen gesichtswahrend aufzugreifen, Handlungen mit negativer Valenz zu mildern und Transformationen durch Selbstdistanzierungen anzuregen; zunehmend entwickeln sie sich zu Trägern von positiven Strukturen, die auf ressourcenorientierten Denkweisen, positiven lernbezogenen Haltungen und adaptiven Selbststeuerung basieren. Die longitudinalen Einblicke deuten auf die adaptive funktionale Kalibrierung dieser Praktik für die spezifischen Beratungszwecke, die transformative Lernprozesse adaptiv begleiten. 4. Fazit und Ausblick Die vorliegende Studie zeigt die ausgeprägte Relevanz und Mehrdimensionalität des empathischen Handelns in der Sprachlernberatung sowie ein klares Desiderat in Bezug auf die gezielte Professionalisierung, insbesondere im Bereich der kognitiven Empathie, der emotionalen Regulation sowie an der emotional-kognitiven Schnittstelle. Die longitudinalen Einblicke in die Reflexionsaktivitäten der NovizInnen in dieser Studie zeigen nicht nur eine quantitative Zunahme des Reflexionsgegenstands Empathie und empathiebasierte Adaptionen, sondern zudem auch ihre konzeptionellen Erweiterungen und Vertiefungen u.a. hinsichtlich der Mehrdimensionalität, der Regulierung emo-kognitiver Interfaces, der LN-orientierten, prozessbezogenen Mentalisierungen und transformativen Dynamiken sowie in der Entwicklung von empathisch-basierten Handlungsstrategien und ihrer adaptiven Kontextualisierung. Das Spektrum empathischer Praktiken bei NovizInnen wird in Zyklen der Reflexion und 54 Milica Lazovic DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 54 • Heft 1 Aktion adaptiv erweitert und zweckbezogen präformiert: Ausgehend von unbewussten, ad-hoc empathischen Basishandlungen, mit einem reaktiven und fragmentierten Charakter werden sie im Zuge der reflexiven Praxis zunehmend als Vorläufer und Optimierer von wichtigen Beratungshandlungen thematisiert, immer bewusster und multifunktional verwendet und entwickeln sich zu zentralen Beratungsschritten, eingesetzt zum vertieften Verständnis des Problems aus der Perspektive des LN vor der Fokusbildung, zum korrektiven Eingreifen in die Tiefstrukturen, zur Reflexionsvertiefung oder zur Herausforderung des LN zur Stärkung der (emotionalen, motivationalen) Widerstandfähigkeit. Das Verständnis des interaktiven Verhaltens des LN und dessen Veränderung im Laufe der Beratung entwickelt sich allmählich und erweist sich als eine wichtige empathische Teilkompetenz für das Monitoring und die Anpassung des Beratungshandelns. Die interaktionale Analyse des empathischen Displays in korrektiven Feedbacksequenzen hat eine Vielzahl von Praktiken zur Reduktion der negativen emotionalen Valenz und evaluativen Loads aufgezeigt, u.a. Problemdissoziation/ -normalisierung, Distanzaufbau zum Feedback und seine Relativierung (u.a. durch Reduktion der epistemischen Autorität der B, Multiperspektivierung), positives Reframing, kompensatorisches Feedback und Entlastung durch stellvertretende Rechtfertigung (kollaborative Argumentation), Verständnisdemonstrationen (Ausformulieren der erkannten Absicht) sowie durch multifunktionale Nutzung von narrativen Reflexen und Selbstoffenbarungen der B. Die Reparaturbedürftigkeit wird zudem implizit indiziert, z.B. durch Inszenierungen von perlokutiven Effekten oder durch Empathie-anregende Perspektivierungen, wodurch selbstinitiierte Selbstkorrektur gefördert wird. Eine im Gesprächsverlauf zunehmende Praktik sind empathische Perspektivenannahmen, mit denen die B die Perspektive der Lernenden annehmen und ihre innere, erlebte Rede (emotionalisiert, situiert und oft aus der prozessualen Perspektive) simulieren. Als emotionale und kognitive Kontaktfläche dient sie als multifunktionale Brücke und Anschlussstruktur, die im Gesprächsverlauf und aus der longitudinalen Perspektive unterschiedlich für Beratungszwecke kalibriert wird und sich für die situative Adaptivität im beratenden Handeln als entscheidend zeigt. Die Interaktionsanalyse weist außerdem auf einige Herausforderungen hin, u.a. die Tendenz zu emotional-basierten Implikaturen anstelle kognitiv-empathischer Mentalisierungen oder Initiierung der Schritte zur weiteren Erkundung der LN-Perspektive, infolgedessen es zu einer Verschiebung der Bearbeitungsebene oder Störungen in der emotionalen Balance bei LN kommen kann. Darüber hinaus zeigen sich die Dynamiken der empathischen Synchronisierung und an der emo-kognitiven empathischen Schnittstelle als störend für die Handlungsplanung und die aktionale Linearität, weswegen es wichtig wäre, die Professionalisierung und die Reflexion des empathischen Handelns in diesem Zusammenhang zusätzlich zu unterstützen und forschend zu begleiten. Dies erfordert aber auch, die Interaktion unterschiedlicher empathischer Dimensionen und im Ausgleich der Perspektiven der beteiligten Akteure sowie aus longitudinaler Perspektive empirisch besser zu verstehen. Weitere Analysen wären an dieser Stelle nötig, um die komplexen Zusammenhänge verschiedener Intersubjektivierungspraktiken in verschiede- Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv 55 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0004 nen Handlungskontexten und mit verschiedenen Typen der Lernenden sowie die Dynamiken der Ko-Adaptivität ganzheitlicher zu verstehen. Außerdem wäre es wichtig, spezielle Trainings zur Förderung der empathischen Perspektivierung zu konzipieren, die empathische Aspekte gezielt in der Ausbildung von Sprachlernberatenden fokussieren und anschließend im action-research-basierten Sinne deren Effektivität überprüfen und somit systematische Professionalisierung in verschiedenen Ausbildungsphasen und Handlungskontexten unterstützen. Literatur A UER , Peter / B AUER , Angelika / B IRKNER , Karin UND K OFFTHOFF , Helga (2020): Einführung in die Konversationsanalyse. Berlin: De Gruyter. 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Ausgangslage und Zielsetzungen im Kontext universitärer Lehrer: innenbildung Lernen und Lehren erfolgen immer in einem sozial-kommunikativen Umfeld. Das gilt für alle Bildungsstufen und -formen. Studierenden Lerngelegenheiten zu bieten, die auf die komplexen Anforderungen eines Beziehungsberufes vorbereiten (vgl. B LÖMEKE et al. 2011: 13), ist damit eine wichtige Aufgabe der Lehrer: innenbildung. Stringent aufeinander bezogene Theorie-Praxisphasen, die individualisierte Handlungsoptionen ermöglichen, scheinen besonders geeignet, um den Erwerb professioneller Kompetenzen bereits zu Beginn der universitären Ausbildung zu fördern (vgl. u.a. K OPF et al. 2010). Im vorgestellten Lehrkonzept für einführende sprachendidaktische Lehrveranstaltungen werden Mentoring-Tandems eingesetzt, um Lehramtsstudierende anzuleiten, ihre spracherwerbstheoretischen, didaktischen und pädagogisch-psychologischen Kenntnisse als Mentor: innen in einem dyadischen Setting mit Sprachenlernenden als Mentees praktisch umzusetzen und zu reflektieren. Dabei sollen sie an adaptive Unterrichtskonzepte herangeführt werden, die sich nicht auf die Abklärung von Lern- * Korrespondenzadresse: Assoz. Prof. Mag. Dr. Michaela R ÜCKL , Fachbereich Romanistik, Paris Lodron Universität Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 1, A-5020 S ALZBURG E-Mail: michaela.rueckl@plus.ac.at Arbeitsbereiche: Mentoring in der Lehrer: innenbildung, Fremdsprachenerwerb im Kontext von Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität, evidenzbasierte Entwicklung von Lehr-/ Lernmedien mit Fokus auf interlingualen Ansätzen, Fachsprachen und Aspekten digitaler Transformation 58 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 schwierigkeiten beschränken (vgl. S CHRADER 2013: 155), sondern auf den Einbezug und die Wertschätzung der Ressourcen der Lernenden ausgerichtet sind (vgl. H ELMKE 2018). Das Potenzial von Mentoring-Tandems, im Sinne eines primären Framings für die Ausübung des Lehrberufes, Beziehungsarbeit durch feedbackbasierte Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zu initiieren und den damit einhergehenden Perspektivenwechsel zu reflektieren, wird begleitend evaluiert. Im Fokus des vorliegenden Beitrags stehen die Ergebnisse einer explorativen Längsschnittstudie zum Aufbau ressourcenorientierter Diagnose- und Feedbackkompetenz über die Studiendauer hinweg bis zu den ersten Berufsjahren. 2. Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten in einführenden sprachendidaktischen Lehrveranstaltungen Mentoring-Konzepte können vielfältige Erscheinungsformen annehmen, spezifische Zielsetzungen verfolgen und in unterschiedlichen Kontexten umgesetzt werden. Gemeinsam ist ihnen eine besondere Beziehungs- und Interaktionsqualität, die durch offene und transparente Kommunikation Selbsterfahrung ebenso stärkt wie gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen, um Entwicklungsschritte in einem Klima der Achtsamkeit und Augenhöhe nachhaltig und individualisiert zu fördern (vgl. W IESNER 2022: 410). Dies entspricht der idealtypischen Definition nach Z IEGLER (2009: 11), die auch das gegenständliche Lehrkonzept für das einführende Proseminar zur Fachdidaktik Italienisch prägt, das seit 2014 am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg kontinuierlich abgehalten und evaluiert wird. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf pädagogisch-didaktischen Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs unter besonderer Berücksichtigung von Lerner: innenzentrierung und Handlungsorientierung im Sinne des GeR (vgl. E UROPARAT 2001: 21). Die Integration der Mentoring-Tandems, in denen Studierende als Mentor: innen für Italienischlernende unterschiedlichen Alters (Mentees) agieren, bietet lehrveranstaltungsimmanente Praxisphasen in einem dyadischen Setting (vgl. Z IEGLER 2009: 11). So können Lehrperspektiven schrittweise und niederschwellig ausgelotet, Beziehungsarbeit selbstständig und eigenverantwortlich erprobt und der vielschichtige Wechsel zwischen den Perspektiven von Lernenden und Lehrenden reflektiert werden, was in der Anfangsphase der Lehrer: innenbildung sonst nur schwer möglich ist (vgl. R INNER 2022: 223). Die eingesetzten Lehr-/ Lernformen umfassen dabei das volle Spektrum der Lerntriade, vom Modelllernen über Erfahrungslernen bis zum Instruktionslernen (vgl. S TÖGER / Z IEGLER 2008). Durch ihren Erfahrungsvorsprung können Mentor: innen das Handlungsrepertoire der Mentees im Sinne einer Lern- und Kompetenzförderung erweitern (vgl. Z IEGLER 2009: 18, 20). Dementsprechend werden sie als Personen mit Erfahrungs- und Fachwissen beschrieben, die bereit sind, unterstützend tätig zu werden (vgl. G HOSH / R EIO 2013: 107). Aufgrund ihrer Erfahrungen mit verschiedenen Fächern und Lehrpersonen ist die Sicht der Lernenden zudem „ein wichtiges Element von pädagogischer Expertise und ein Motor in der Ent- Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 59 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 wicklung der Lehrerprofessionalität“ (R INNER 2022: 224). Insofern dient das Mentee- Feedback nicht nur der Reflexion von Selbst- und Fremdwahrnehmung, sondern auch der Verbesserung von Unterrichtsqualität. Inhaltlich lernen die Studierenden gängige Diagnoseinstrumente und Unterrichtstechniken kennen, analysieren Lehrwerke und entwickeln auf dieser Basis individualisierte Lernmaterialien für ihre Mentees, die sie in drei zweistündigen Treffen einsetzen, um unmittelbares Feedback dazu einzuholen (vgl. Z IEGLER 2009: 14, 24). Der vorgegebene Zeitumfang ist dem begrenzten workload der Lehrveranstaltung von 4 ECTS geschuldet. Dennoch ermöglicht der Austausch - über rein inhaltliche Aspekte hinaus - Einstellungen zum Lehrberuf zu hinterfragen, Bedürfnisse und Motivationen der Lernenden einzuschätzen und wechselseitige Erwartungshaltungen in Bezug auf Unterrichtsgestaltung und -materialien zu reflektieren. Die Tätigkeiten in den Mentoring-Tandems werden durch Supervision begleitet, Leistungsnachweise durch eine Prüfung und ein Leistungsportfolio mit den entwickelten Lernmaterialien und Logbüchern erbracht. Letztere dokumentieren die Arbeit in den Mentoring-Tandems und halten das Mentee-Feedback fest. Übergreifendes Ziel ist es, Lernprozesse reflexiv, situationsbezogen und kooperativ zu gestalten, um Mentees anzuleiten, ihre Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Dazu braucht es über Fachwissen hinaus auch Selbst- und Sozialkompetenz, vor allem in Bezug auf Beziehungsfähigkeit, Motivationsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Dass Beziehung, Verfügbarkeit und reflexionsbasierte Unterstützung zu den Kernkategorien einer gelingenden Schulpraxis gehören, wird durch rezente Studien belegt (vgl. u.a. H OFERICHTER / V OLKERT 2020: 620). 3. Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz in lehrveranstaltungsbasierten Mentoring-Tandems Als Voraussetzung für einen Unterricht, der positive Lernemotionen hervorruft (vgl. S ANN / P REISER 2008), scheint der in Mentoring-Tandems angebahnte Perspektivenwechsel in Verbindung mit dem Austausch von Feedback großes Potenzial zu haben, Mentees und Mentor: innen gleichermaßen zu fördern und ihre Interaktion emotional stimmig zu gestalten (vgl. H OFERICHTER / V OLKERT 2020: 622). Dabei gilt der Einbezug von Schüler: innenfeedback als elementar für die Außensicht auf pädagogisches Handeln (vgl. W ISNIEWSKI 2016: 14). Dies ermöglicht zukünftigen Lehrer: innen, „Einblicke in Denkweisen und Verstehensschwierigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler sowie Anregungen, wie sie die Schülervorstellungen in ihrem Unterricht lernzielorientiert weiterentwickeln können“ zu gewinnen (F ISCHER et al. 2014: 11), und steht im Einklang mit der Forderung nach Lehrer: innen, die Lernen durch die Augen ihrer Schüler: innen betrachten (vgl. H ATTIE 2009: 252). Durch die Wahrnehmung von Lehr-/ Lernprozessen aus der jeweils anderen Perspektive soll Selbstwirksamkeit gestärkt, Beziehungsarbeit verbessert und eigenverantwortliches Handeln angebahnt werden. Für Mentees eröffnet Mentoring damit die Möglichkeit, eigene Stärken und 60 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 Schwächen zu erkennen, weiterzuentwickeln und für andere sichtbar zu machen (vgl. R OHLFS 2012: 185). Um (fremd-)sprachliche Kompetenz ressourcenbasiert fördern zu können, müssen Sprachenlehrer: innen den Lernstand ihrer Schüler: innen kennen, was formelle und informelle diagnostische Verfahren erfordert (vgl. G ÖBEL et al. 2021: 175), die außer Defiziten auch Stärken (vgl. S CHRADER 2013: 155; H ELMKE 2018) und lebensweltlich geprägte sprachlich-kulturelle Dispositionen offenlegen (vgl. C OUNCIL OF E UROPE 2020: 124-128). Diagnostizieren, verstanden als „Bündel von Fähigkeiten, um den Kenntnisstand, die Lernfortschritte und die Leistungsprobleme der einzelnen Schüler sowie die Schwierigkeiten verschiedener Lernaufgaben im Unterricht fortlaufend beurteilen zu können“ (W EINERT 2000: 14), zählt daher zu den Kerntätigkeiten und Kernkompetenzen von Lehrer: innen und gilt als Voraussetzung für diversitätsoffenen Unterricht, in dem ressourcenstärkende Maßnahmen gesetzt und individuelle Lernleistungen anerkannt werden (vgl. B UHOLZER 2010: 5f.). Ausgehend von einem breiten Verständnis, das Perspektivenwechsel und -erweiterung mit einschließt, scheinen Mentoring-Tandems damit vielfältige und niederschwellige Fördermöglichkeiten für Diagnosekompetenz zu bieten - ein wichtiger aber noch wenig erforschter und zudem unterrepräsentierter Bereich der Lehrer: innenbildung (vgl. R OPOHL / R ÖNNEBECK 2019: 2159). Im Beitrag wird daher anhand explorativer Längsschnittdaten aus der Begleitstudie zum vorgestellten Lehrkonzept untersucht, wie Aspekte ressourcenorientierter Diagnosekompetenz, die für Mentoring-Tandems besonders relevant sind, über die Studiendauer hinweg bis zu den ersten Berufsjahren aufgebaut werden (Forschungsfrage 1, s. Abschnitt 4.2). Der zweite Erkenntnisfokus liegt auf dem Aufbau von Feedbackkompetenz während dieser Zeitspanne (Forschungsfrage 2, s. Abschnitt 4.3). Feedback gilt als einer der wirkungsvollsten Faktoren für schulischen Lernerfolg und nachhaltiges Lernen (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007), vor allem, wenn es individualisierte Informationen zu konkreten Leistungen liefert und durch konstruktiven Umgang mit Fehlern zum Nachdenken anregt. Es wird als Prozess verstanden, in dem Lernende Informationen aus verschiedenen Quellen auswerten, um ihre Arbeit und Arbeitsweise zu optimieren. Damit geht es weit über lehrer: innenseitige Kommentare zu Stärken, Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten hinaus und erfordert pädagogische Settings, die durch vertrauensvolle Atmosphäre geprägt sind und zur Übernahme von Eigenverantwortung ermutigen (vgl. C ARLESS / B OUD 2018: 1318, 1321). Feedback kann sich zunächst auf konkrete Arbeitsergebnisse beziehen, um Fehlkonzepte aufzuzeigen oder Wissenslücken zu schließen. Auf prozessbezogener Ebene können alternative Lernwege und -strategien angebahnt, auf selbstregulativer Ebene eigene Lernprozesse beobachtet und verbessert werden (vgl. W ISNIEWSKI et al. 2020: 2). H ATTIE und T IMPERLEY (2007) machen die Progression durch Leitfragen zum Ziel (feed up), zum Vorankommen (feed back) und zum nächsten Schritt (feed forward) transparent. Wird Feedback kontinuierlich in den Unterrichtsablauf eingebunden, können Lehrer: innen besser einschätzen, ob Anforderungen, Förderung und Lernwege angemessen sind. Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 61 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 Die Wirksamkeit von Feedback wird durch Inhalt, Funktion und Darstellung beeinflusst, wobei kein eindeutiger Konsens darüber besteht, ob und wie Feedbackqualität gemessen werden kann (vgl. P RILOP 2020: 121). Dass Feedback ein komplexes Konstrukt ist, das umso wirksamer ist, je mehr Informationen es enthält, gilt hingegen als gesetzt (vgl. W ISNIEWSKI et al. 2020: 13). Der Informationsgehalt wird als hoch eingestuft, wenn über korrigierendes Feedback hinaus Aspekte der Selbstregulierung beschrieben werden, u.a. in Bezug auf Aufmerksamkeit, Emotionen oder Motivation während des Lernprozesses (vgl. ebd.: 7). Diese Ergebnisse stimmen mit den Angaben von H ATTIE und T IMPERLEY (2007: 91f.) überein, die Feedback dann am effektivsten einschätzen, wenn es Hinweise zu weiteren Recherchen und strategischem Vorgehen enthält und Lernende unterstützt, eigene Annahmen zu prüfen und zu revidieren. In Mentoring-Tandems ist wechselseitiges Feedback der Schlüssel zur kommunikativen Interaktion zwischen Mentor: innen und Mentees und Basis für Perspektivenwechsel, was Mentor: innen ermöglicht, ihren Unterricht mit den Augen der Mentees zu sehen (vgl. H ATTIE 2009: 252). Dazu müssen sie nicht nur Feedback geben, sondern auch nehmen können sowie Ausdruck und Verhalten feedbackempfangender Mentees beobachten und so beschreiben können, dass die damit verbundene Gefühlsresonanz transparent wird (vgl. ebd.: 368). Dabei kann Mentee-Feedback unmittelbar auf die Unterrichtsgestaltung bezogen werden, wodurch Lehren und Lernen wirkungsvoll aufeinander abstimmbar werden. Dies gilt als wichtiger Schritt in Richtung einer kooperativen Unterrichtsreflexion (vgl. W ANITSCHEK 2022: 371, 375 mit Bezug auf Z IERER et al. 2019: 37). Während praxisbezogene Trainingsformen in der Lehrer: innenbildung meist auf fallbasiertes Lernen mittels videogestützter Unterstützungssequenzen sowie auf Rollenspiele und Unterrichtssimulationen zurückgreifen müssen, wenn es um den Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz geht, scheinen Mentoring-Tandems ein praxisnahes Setting zu bieten, um die oft geforderte frühe Entwicklung dieser Kompetenzen in der Lehrer: innenbildung zu forcieren (vgl. G ÖBEL et al. 2021: 175; P RILOP 2020: 122, 129). 4. Design und Ergebnisse der explorativen Längsschnittstudie zu Mentoring-Tandems als primäres Framing für ressourcenorientierte Diagnose- und Feedbackkompetenz Das Potenzial der in Abschnitt 2 beschriebenen lehrveranstaltungsbasierten Mentoring-Tandems wird seit 2014 mehrperspektivisch evaluiert. In der ersten, quantitativ angelegten Phase wurden anonyme Online-Befragungen von Mentor: innen und Mentees im Rahmen von einführenden sprachendidaktischen Proseminaren an der Romanistik Salzburg durchgeführt (Versuchsgruppe) - zur Erhöhung der Validität als Vollerhebungen in vier Folgejahren (2014-2017). Als weitere Maßnahme wurden ab dem zweiten Erhebungsjahr auch Studierende einführender sprachendidaktischer Proseminare ohne Mentoring-Tandems befragt (Kontrollgruppe). Dabei schätzen die 62 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 Mentees die erhobenen Kategorien (K) im Bereich der Selbst- und Sozialkompetenz durchwegs sehr hoch ein: Auf einer fünfstufigen Ratingskala (1=sehr schlecht, 5=sehr gut) näherten sich die Werte für Motivationsfähigkeit (K7), Beziehungsfähigkeit (K8) und Vertrauenswürdigkeit (K11) der höchsten Stufe 5. Auch in Bezug auf Fach- und Methodenkompetenz waren die Mentee-Einschätzungen der Fähigkeiten, Lernstrategien zu fördern (K9) und individualisierte Lernmaterialien zu erstellen (K10) sehr hoch. Insgesamt unterstützten die konstant hohen Bewertungen der Mentor: innen, die um die zweithöchste Ausprägung „gut“ kumulierten und über die Erhebungsjahren stabil blieben, die aus der Mentee-Befragung ableitbare Effizienz der integrierten Mentoring-Tandems. Dabei zeigten sich in der Versuchsgruppe in allen Kategorien bessere Werte, bei Motivationsfähigkeit (p<.10*) und Beziehungsfähigkeit (p<.001***) sogar signifikant bessere Werte (für eine detaillierte Ergebnisdarstellung vgl. R ÜCKL 2020: 87-101; R ÜCKL 2021: 136-144). Erkenntnisse zu spezifischen Bereichen der Diagnosekompetenz liegen aus einer qualitativen Anschlussstudie auf Basis der erstellten Logbücher vor (2018-2020). Die inhaltlich-strukturierende Auswertung orientiert sich einerseits an den o.a. Kategorien der quantitativen Erhebung und andererseits am Kategoriensystem für förderorientiertes Diagnostizieren nach Buchholzer et al. (2014: 1, 16, 27, 39, 47, 57, 68). Konkret wurden die für Sprachenunterricht relevanten Fähigkeiten, förderorientiert zu diagnostizieren (K1), Unterricht differenziert zu gestalten (K2), Lernprozesse zu steuern (K3), Ressourcen zu vernetzen (K4), Sozialverhalten zu verstehen und zu steuern (K5) und Interdependenzen zwischen Schule und Unterricht zu erkennen (K6) analysiert 1 Insgesamt zeigte sich hier, dass es Studierenden großteils zu gelingen schien, Vertrauenswürdigkeit aufzubauen (K11), Lernprozesse zu steuern (K3) und Unterricht individualisiert zu gestalten (K2), während die Fähigkeiten zu motivieren (K7), förderorientiert zu diagnostizieren (K1) und Ressourcen zu vernetzen (K4) deutlich herausfordernder gesehen wurden (für eine detaillierte Ergebnisdarstellung vgl. R ÜCKL 2022: 274-277). Um zu untersuchen, ob und wie sich diese ermutigenden Ergebnisse in der Unterrichtspraxis von Studierenden mit Mentoringerfahrung auswirken, wurden im Studienjahr 2023/ 24 Teilnehmer: innen, die mittlerweile entweder Praxisseminare absolviert hatten (GP, n=12) oder bereits an Schulen unterrichteten (GU, n=17) online befragt. Im Fokus standen der Aufbau von ressourcenorientierter Diagnosekompetenz (Forschungsfrage 1) und Feedbackkompetenz (Forschungsfrage 2). Im Sinne einer kategoriespezifischen Längsschnittanalyse vom Studienbeginn bis zu den ersten Berufsjahren wurden die Ergebnisse zu ressourcenorientierter Diagnosekompetenz mit den o.a. Studien zur Gruppe der Studieneinsteiger: innen abgeglichen (GE, n=38 für Mentor: innen, n=31 für Mentees, n=45 für die Kontrollgruppe ohne Mentoring- Tandems). Der online-Fragebogen für fortgeschrittene Studierende (GP) und bereits Unterrichtende (GU) umfasste offene Fragen zum Sprachenlehren und -lernen sowie zur 1 Für eine detaillierte Beschreibung der Kategorien, Subkategorien und Ankerbeispiele muss aus Platzgründen auf B UHOLZER et al. (2014: 1, 16, 27, 39, 47, 57, 68) verwiesen werden. Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 63 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 Sprachenbiographie (vgl. Abschnitt 4.1). Die geschlossenen Fragen zum förderorientierten Diagnostizieren bezogen sich auf die Einschätzung der eigenen Kompetenz sowie deren Stellenwert im Unterricht. Angeschlossen waren offene und geschlossene Fragen zur Einschätzung der eigenen Feedbackkompetenz und deren unterrichtlichem Stellenwert. Die Proband: innen konnten sich anhand einer fünfstufigen Ratingskala einschätzen (1= sehr schlecht, 5= sehr gut) bzw. den Stellenwert im Unterricht bewerten (1= sehr niedrig, 5= sehr hoch). Angeschrieben wurden 92 Absolvent: innen des einführenden Proseminars zur Fachdidaktik Italienisch mit integrierten Mentoring- Tandems. Der Rücklauf betrug etwa 40%. Nach Datenbereinigung konnten 29 vollständig ausgefüllte Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden. Die deskriptiv statistische Datenauswertung wurde SPSS-gestützt durchgeführt. In explorativen aggregierten Ergebnisanalysen wurden Mittelwerte, Mediane und Standardabweichungen kategoriespezifisch errechnet. Anhand von Spearman-Korrelationsprüfungen für ordinalskalierte Daten wurden Beziehungen zwischen den Selbsteinschätzungen in bestimmten Kompetenzbereichen mit deren Stellenwert im Unterricht getrennt nach den Gruppen der bereits Unterrichtenden (GU) und der fortgeschrittenen Studierenden (GP) untersucht. Um eine systematische Beschreibung und aggregierte Präsentation der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden offene Antworten inhaltsanalytisch entsprechend der o.a. Kategorien (K1-K11) ausgewertet. Vier weitere Kategorien wurden induktiv am Material ausgewählt und festgelegt (vgl. K UCKARTZ 2016: 64, 100). Es sind dies lerner: innenseitiges Erfolgserleben (K12), positive Rückmeldungen der Lernenden an die Lehrperson (K13), Vermittlung sprachlicher Kompetenzen/ Mittel (K14) und Lernkontinuität bei knapper Unterrichtszeit (K15). 4.1 Charakteristika, Erfahrungen und Herausforderungen der Proband: innen Die Stichprobe besteht hauptsächlich aus Frauen (86,2%), was die Studierendenpopulation für romanische Sprachen gut abbildet, für die ein sehr hoher Frauenanteil charakteristisch ist. Innerhalb der Stichprobe haben 41,4% der Befragten alle vorgesehenen Unterrichtspraktika absolviert, 58,6% unterrichteten zum Umfragezeitpunkt an allgemeinbildenden (13,8%) oder berufsbildenden Schulen (3,4%) sowie an Mittelschulen (17,2%) oder anderen Bildungseinrichtungen (24,2%). 34,5% gaben an, Italienisch, 20,7% beide Unterrichtsfächer und 24,1% auch oder nur fachfremd zu unterrichten. Fast die Hälfte (48,2%) hat eine weitere Sprache als zweites Unterrichtsfach, 17,2% haben eine weitere Sprache als drittes Unterrichtsfach. In Bezug auf das für die sprachenaffine Stichprobe wichtige eigene Fremdsprachenlernen ist Kompetenzerleben in Bezug auf das erreichte Sprachniveau und die Kommunikation mit Erstsprachler: innen sowie deren Lob ganz eindeutig die stärkste positive Erfahrung (84%). 2 Wenn es um die eigene Lehrtätigkeit geht, ist das Ergebnis differenzierter, wobei Motivationsfähigkeit (K7: 28%) und Beziehungsfähigkeit (K8: 2 Aus Platzgründen muss auf beispielhafte Auszüge aus dem Datenkorpus verzichtet werden. 64 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 28%) vor lerner: innenseitigem Erfolg (K12: 17%) und positiven Rückmeldungen von Schüler: innen rangieren (K13: 11%). Die drei größten Herausforderungen im Fremdsprachenunterricht allgemein werden vor allem mit Motivationsfähigkeit (K7: 34%), Kontinuität beim Lernen (K15: 22%) und differenzierter Unterrichtsgestaltung in Zusammenhang gebracht (K2: 19%). Auch die Vermittlung sprachlicher Kompetenzen und Mittel (K14: 14%) und die Erstellung individualisierter Lernmaterialien (K10: 9%) werden als fordernd gesehen. In Bezug auf die eigene Unterrichtstätigkeit scheint Ersteres am meisten zu fordern (K14: 23%), was durch die geringe Praxiserfahrung gut erklärbar ist. Differenzierte Unterrichtsgestaltung (K2: 16%) und Motivationsfähigkeit (K7: 14%) spielen aber auch hier eine Rolle. Der Mehrwert von Mentoring-Tandems, den 77% der Proband: innen attestieren, wird mit Lerngelegenheiten in Bezug auf die Steuerung von Lernprozessen (K3: 30%), förderorientiertem Diagnostizieren (K1: 24%) sowie mit der Entwicklung individualisierter Lernmaterialien (K10: 24%) und der Förderung von Lernstrategien (K9: 12%) assoziiert. Am hilfreichsten für die Tätigkeit als Lehrer: innen findet je etwa ein Drittel die Erstellung individualisierter Lernmaterialien (K10: 36%) und die Vorbereitung auf differenzierte Unterrichtsgestaltung (K2: 30%). Förderorientiertes Diagnostizieren (K1: 24%) liegt nur knapp dahinter. Insgesamt zeigt sich, dass sowohl positive Erfahrungen als auch Herausforderungen Bereiche betreffen, die nur schwer in die universitäre Lehrer: innenbildung integrierbar sind, im Kontext von Mentoring-Tandems jedoch bearbeitbar werden, was die Proband: innen explizit als Mehrwert erkennen und benennen. 4.2 Kategoriespezifische Ergebnisse zum Aufbau ressourcenorientierter Diagnosekompetenz Mittelwerte und Mediane zum förderorientierten Diagnostizieren (K1) liegen über der zweithöchsten Stufe (M=4,25, MD=4,25, SD=,448), wobei sich die GP nicht signifikant höher einschätzt (M Rang =14,38 GU vs. 15,88 GP, Z=-.471, p=,638). Das gilt für alle Subkategorien mit Ausnahme von bewertungsfreier Beschreibung des Schüler: innenverhaltens, was aufgrund der geringeren Praxis plausibel erscheint. Gleichzeitig lassen die nicht signifikant niedrigeren Werte der GU beim Erkennen von Potentialen der Schüler: innen und bei differenzierter Verhaltensbeobachtung einen Zusammenhang mit den Schwerpunkten supervidierter Praktika auf Individualisierung vermuten. Die sehr hohen Werte für aktives Zuhören weisen zudem auf hohes Interesse für die Belange und Beiträge der Schüler: innen hin (M Rang =14,49 GU vs. 15,58 GP, Z=-.442, p=,659). Im Unterricht scheint förderorientiertes Diagnostizieren gut, aber nicht sehr gut bewältigbar zu sein (M=3,99, Md=4,00, SD=,448), wobei sich die GP wieder nicht signifikant höher einschätzt (M Rang =11,73 GU vs. 14,90 GP, Z=-1,071, p=,284). Die hohen Mittelwerte und die nicht signifikante aber moderat (GU: r s =,304, p =,270) bzw. stark (GP: r s =,583, p=,077) positive Korrelation der eigenen Kompetenzeinschätzung mit dem Stellenwert im Unterricht, lässt auf gute Voraussetzungen und hohes Umsetzungspotential schließen. Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 65 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 Die Fähigkeit, Unterricht differenziert zu gestalten (K2) wird ausschließlich auf den drei höchsten Stufen bewertet, wobei die GU hauptsächlich die zweithöchste Stufe wählt und sich damit nicht signifikant besser einschätzt als die GP (M Rang =15,32 GU vs. 14,54 GP, Z=-.281, p=,779). Der Stellenwert von Differenzierung im Unterricht scheint ähnlich hoch (M=3,99, Md=4,00, SD=,579), wobei die Angaben der GP hier zwar nicht signifikant höher ausfallen (M Rang =11,77 GU vs. 14,85 GP, Z=-1,042, p=,297), die moderat negative Korrelation (r s =-,357, p=,312) jedoch auf Unsicherheit bei Umsetzung in der Unterrichtspraxis hindeutet. Lernprozesse zu steuern (K3) scheint mit Ausnahme der Förderung metakognitiver Kompetenzen sehr gut oder gut bewältigbar zu sein (M=4,31, Md= 4,50, SD=,434), wobei die Angaben der GP nicht signifikant höher sind (M Rang =12,63 GU vs. 13,55 GP, Z=-,310, p=,756). Allerdings korrelieren Einschätzung und Stellenwert in der Gruppe wieder nicht signifikant negativ (r s =-,038, p=,916), was auf Umsetzungsschwierigkeiten hinweist, die der geringen Praxis geschuldet sein könnten. Die Fähigkeit zur Ressourcenvernetzung (K4), worunter die vernetzte Weiterentwicklung eigener Ressourcen zu verstehen ist, wird generell gut eingeschätzt (M=3,97, Md=3,88, SD=,576). Dass die Angaben der GP signifikant höher ausfallen (M Rang =10.60 GU vs. 16,60 GP, Z=-2,001, p=,045*), ist aus dem Studienkontext gut erklärbar und zeigt sich auch bezüglich der Praxisrelevanz, wo die Werte insgesamt etwas niedriger (M=3,70, MD=3,50, SD=.901) und in der GP wieder signifikant höher sind (M Rang =11,03 GU vs. 20,63 GP, Z=-3033, p=.002**). Die Steuerung von Sozialverhalten (K5) fällt vergleichsweise schwerer (M=3,80, Md=3,60, SD=,521), und zwar in beiden Gruppen (M Rang =13,12 GU vs. 12,80 GP, Z=-,113, p=,910), besonders wenn es um herausfordernde Situationen, Differenzverträglichkeit und Konfliktlösepotential von Schüler: innen geht. Die Bewertung kumuliert hier auf der dritten Stufe, während wertschätzende Unterrichtskommunikation ausschließlich mit den zwei höchsten Stufen bewertet wird. Selbsteinschätzung und Einschätzung der Unterrichtsrelevanz korrelieren dabei nicht signifikant - in der GU stark (r s =,431, p=,108), in der GP moderat positiv (r s =,387, p=,269), was auf einen guten Praxistransfer schließen lässt und gleichzeitig zeigt, dass es mehr Vorbereitung auf Konfliktsituationen und Differenzverträglichkeit braucht. Da Zusammenhänge zwischen Schule und Unterricht zu erkennen (K6) im dyadischen Setting von Mentoring-Tandems nicht gefördert werden kann, wurde dieser Bereich nicht in die Untersuchung einbezogen. Die aggregierten Ergebnisse zu Motivationsfähigkeit (K7) zeigen Werte der zweithöchsten Stufe (M=4,10; Md=4,00; SD=,540) mit nicht signifikant höheren Ausprägungen in der GU (M Rang =16,88 GU vs. 12,32 GP, Z=-1,498, p=,134). Dazu kommt der hohe Stellenwert von Motivationsfähigkeit als Kompetenzerlebnis beim Unterrichten (s. Abschnitt 4.1). Bei Studieneinsteiger: innen (GE) sind die Werte in den Replikationsstudien ähnlich hoch, wobei Mentor: innen (M=3,93-4,21, SD=,45-,700) 3 3 Für Mittelwerte und Standardabweichungen sind jeweils die höchsten und niedrigsten Werte angeführt, die in den Replikationsstudien gemessen wurden. 66 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 ihre Motivationsfähigkeit deutlich kritischer einschätzen als die Mentees (M=4,50- 4,72, SD=,360-,500). Proband: innen mit Mentoring (M=4,13, SD=,500) trauen sich zudem in signifikant höherem Maße zu, Schüler: innen zu motivieren als jene ohne Mentoring (M=3,81, SD=,720, p<,100*). Der verschränkte Längsschnitt vom Studienbeginn bis in die ersten Berufsjahre belegt somit stabil hohe Werte, was die Nachhaltigkeit der Förderung personaler Kompetenzbereiche durch Mentoring höchst plausibel macht. Dass auch Beziehungsfähigkeit (K8) einen hohen Stellenwert für Kompetenzerleben beim Unterrichten hat (s. Abschnitt 4.1), wird durch die aggregierten Ergebnisse untermauert, die deutlich über der zweithöchsten Stufe liegen (M=4,32; Md=4,40; SD=,415) und in der GU signifikant höher sind (M Rang =17,59 GU vs. 11,33 GP, Z=- 1,987, p=,047*). In der GE sind die Einschätzungen der Mentor: innen ähnlich hoch (M=4,13-4,57, SD=,220-,620) und werden durch die der Mentees übertroffen (M=4,59-4,88, SD=,180-,300). Proband: innen ohne Mentoring schätzen sich höchst signifikant schlechter ein (p<,001***). Wieder zeigen sich stabil hohe Längsschnittwerte, die das Potential von Mentoring-Tandems, auch soziale Kompetenzbereiche zu fördern, transparent machen. Wenn es darum geht, Lernstrategien aufzubauen (K9), schätzt sich die GP nicht signifikant höher ein (M Rang =14,56 GU vs. 15,63 GP, Z=-.397, p=,691). Zudem wählt die GU die höchste Stufe kaum (Md=4,00, SD=,559). Das gilt auch für die Förderung von Lernstrategien im Unterricht, deren Stellenwert sich auf einem mittleren Niveau einpendelt (M=3,58, Md=3,50, SD=,601) und in der GP nicht signifikant höher ist als in der GU (M Rang =11,00 GU vs. 15,00 GP, Z=-1,415, p=,157). Die Anteile kumulieren jeweils auf den zweit- und dritthöchsten Stufen, was auf Unterrichtsroutinen hindeutet, die gut aber nicht sehr gut auf Lernstrategien ausgelegt sind. Dabei korrelieren Selbsteinschätzung und Stellenwert im Unterricht nicht signifikant - in der GU schwach (r s =,040, p=,886), in der GP stark positiv (r s =,432, p=,246). Die Werte zu Studienbeginn sind ähnlich moderat, wobei sich Proband: innen ohne Mentoring am wenigsten zutrauen, Lernstrategien zu fördern und Mentor: innen sich wieder deutlich kritischer einschätzen (M=3,56-4,05, SD=,600-,710) als ihre Mentees (M=4,10-4,50, SD=,540-,650). Die Längsschnittwerte zeigen, wie wichtig die begleitende Förderung von Lernstrategien über den Berufseinstieg hinaus für eine nachhaltige Umsetzung im Unterricht ist. Individualisierte Lernmaterialien zu erstellen (K10) traut sich die GU nicht signifikant besser zu (M Rang =16,56 GU vs. 12,79 GP, Z=-1,202, p=,229), wobei die Werte insgesamt um die zweithöchste Stufe kumulieren (M=4,10; MD=4,00; SD=,686) und bei Wortschatz (M Rang =15,62 GU vs. 14,13 GP) höher und ausgeprägter sind als bei Grammatik (M Rang =16,94 GU vs. 12,25 GP). Zu Studienbeginn liegen sowohl die Einschätzungen der Mentor: innen (M=4,06-4,25, SD=,450-,760) als auch die der Proband: innen ohne Mentoring ähnlich hoch, während Mentees die für sie entwickelten Lernmaterialien als höchst hilfreich und deutlich besser einschätzen (M=4,40-4,81, SD=,400-,890). Der Stellenwert individualisierter Lernmaterialien im Unterricht wird etwas weniger hoch eingestuft (M=3,77, Md=4,00, SD=,943), in der GP nicht signi- Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 67 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 fikant höher (M Rang =10,57 GU vs. 15,72 GP, Z=-1,785, p=,074). Dies ist durch die größere Differenzierungsanforderung in der Klassenrealität gut erklärbar. Dennoch weist die Korrelationsprüfung mit nicht signifikant positiven Werten in der GP (r s =,324, p=,239) und signifikant positiven in der GU (r s =,756, p=,021*) auf die Übertragbarkeit des dyadischen Mentoring-Settings in die Unterrichtsrealität hin. In Bezug auf Vertrauenswürdigkeit (K11) zeigt die Einschätzung, Schüler: innen beim Lernen unterstützen zu können, insgesamt hohe Werte in beiden Gruppen (Md=4,00, SD=,553), wobei die höchste Stufe in der GP nicht signifikant häufiger gewählt wird (M Rang =15,24 GU vs. 14,67 GP, Z=-0,205, p=,837). Auch das Gefühl der wertegelenkten Authentizität als Lehrer: in findet sehr hohe Zustimmung (M=4,43, Md=4,40, SD=,474) mit nicht signifikanten Gruppenunterschieden (M Rang =12,17 GU vs. 13,06 GP, Z=-,305, p=,761) und kumulierenden Angaben auf den zwei höchsten Bewertungsstufen. Diese Einschätzungen korrelieren nicht signifikant mit dem Stellenwert im Unterricht, und zwar stark positiv in der GU (r s =,469, p=,078) und schwach positiv in der GP (r s =,187, p=,629). Zu Studienbeginn schätzen Mentor: innen ihre Vertrauenswürdigkeit ebenfalls hoch aber nicht sehr hoch ein (M=4,08-4,44; SD=0,31-0,48), während ihre Mentees deutlich höhere Bewertungen abgeben (M=4,44-4,80, SD=,310-,480). Die stabil hohen Längsschnittwerte machen auch in diesem Bereich das Potential von Mentoring-Tandems transparent, soziale Kompetenz zu fördern und zeigen den Wert von Schüler: innen-Feedback für die Einschätzung schwer messbarer Kompetenzbereiche. 4.3 Kategoriespezifische Ergebnisse zum Aufbau von Feedbackkompetenz Die Antworten auf die offene Frage zur Beschreibung von Feedbackroutinen im Unterricht vermitteln den Eindruck situationsadäquater lerner: innenorientierter Methodenvielfalt. Gemäß den Ausführungen bezieht sich Feedback auf Stärken und Schwächen gleichermaßen, wobei konkrete methodische Umsetzungsvorschläge gegeben werden. Einsatz finden sowohl Selbsteinschätzungsbögen als auch regelmäßige Feedbackgespräche. Feedback zu schriftlichen Arbeiten scheint ausführlicher und strukturierter gestaltet zu sein als mündliches, das in Einzelgesprächen im Klassenraum gegeben wird. Auch digitale Anwendungen werden verwendet, um schriftliche Schüler: innenbeiträge zu kommentieren sowie zu Reflexion und Selbstkorrektur anzuregen. Um ihre Perspektive einzubeziehen, werden Schüler: innen mitunter angehalten, Erkenntnisse und Fragen selbst zusammenzufassen. Um Feedbackkompetenz systematisch zu untersuchen, wurden theoriebasierte Kriterien zu fünf Subskalen zusammengefasst, auf interne Konsistenz überprüft und getrennt nach GP und GU gerankt. Diese Skalen beziehen sich auf eingesetzte Methoden (11 Items, Cronbachs Alpha (α) =,798), Ressourcenorientierung (6 Items, α=,842), Umsetzungsmodalitäten (6 Items, α=,737), eingesetzte Formen generell (9 Items, α=,763) und evaluierende Formen (3 Items, α=,809). Die aggregierten Ergebnisse zeigen bei den eingesetzten Methoden Mittelwerte und Mediane der zweithöchsten Stufe (M=4,10; Md=4,18; SD=,465) mit nicht signi- 68 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 fikant höheren Ausprägungen in der GU (M Rang =12,63 GU vs. 15,55 GP, Z=-306, p=,759), was auf eine insgesamt gute Beherrschung des methodischen Repertoires hinweist. Dabei zeigt das Gruppenranking viele Übereinstimmungen: Erstgereiht sind in beiden Gruppen die Kriterien „nachfragen und aktiv zuhören“ sowie „Feedback zeitnah übermitteln“ mit Werten knapp unter der höchsten Stufe (GU: M=4,60, SD=,507; GP: M=4,70, SD=,483). An letzter Stelle rangiert in beiden Gruppen „den Schüler: innen ihre Lernpflicht bewusst machen“ (GU: M=3,60, SD=,910; GP: M=3,10, SD=,994). Das deutet einerseits auf eine hohe Zustimmung zur Relevanz von Lerner: innenorientierung und Förderung von Eigenverantwortung hin. Andererseits zeigen die Spannweiten vor allem in der GP sowie die Standardabweichungen von bis zu einer Stufe individuelle Bewertungsunterschiede. In Bezug auf die Rangfolge unterscheiden sich die Kriterien „klare Verbesserungsziele festlegen“ (GU Rang 4: M=4,20, SD=,676; GP Rang 10: M=3,90, SD=,738) und „Notenerklärung durch Abgleich von Bewertungskriterien und Leistung“ (GU Rang 8: M=3,93, SD=1,223; GP Rang 3: M=4,30, SD=,675) am meisten. Zwei weitere Kriterien belegen gleiche Ränge (Rang 6 für „anhand von konkreten Beispielen erläutern, wie Schüler: innen mehr erreichen können“ und Rang 9 für „Feedback ausgewogen halten, vor allem, wenn negative Themen angesprochen werden“), die verbleibenden vier Kriterien reihen sich auf ähnlichen Rängen ein: „konkrete und spezifische Lösungen anbieten“ (Rang 3/ 4), „authentisch bleiben und Einschätzungen offen sagen“ (Rang 5/ 7), „Unterstützungsmaßnahmen anbieten“ (Rang 7/ 5) und „Schüler: innen erklären, was an ihrer Arbeit richtig und falsch ist“ (Rang 10/ 8). Bei Ressourcenorientierung zeigen sich insgesamt sehr hohe Werte, die nach dem Berufseinstieg tendenziell noch steigen. Mittelwerte und Mediane liegen deutlich über der zweithöchsten Stufe (M=4,33; Md=4,33; SD=,529) mit nicht signifikant höheren Ausprägungen in der GP (M Rang =11,47 GU vs. 15,30 GP, Z=-1,291, p=,197). Die Rangverteilung in den Gruppen variiert zwar, die Differenz zwischen den höchsten und niedrigsten Mittelwerten beträgt in der GP allerdings nur etwa die Hälfte, in der GU etwa drei Viertel einer Bewertungsstufe. Stärken zu identifizieren und zu valorisieren, Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Selbsteinschätzung zu fördern belegen in beiden Gruppen die obersten drei Ränge, während Reflexion über Lernprozesse, weiterführende Lernmöglichkeiten und Weiterarbeit auf Basis des Feedbacks bei geringen Mittelwertunterschieden eher die unteren Ränge einnehmen, was den bekannten Vorbehalt gegenüber reflexiven Unterrichtskomponenten verdeutlicht. In Bezug auf Umsetzungsmodalitäten entsprechen die Werte der zweithöchsten Stufe (M=4,01; Md=4,00; SD=,497), wieder mit nicht signifikant höheren Ausprägungen in der GP (M Rang =12,27 GU vs. 14,10 GP, Z=-,614, p=,539). Die Spannweite der Mittelwerte ist auch hier gering und beträgt in der GP etwa drei Viertel, in der GU etwa die Hälfte einer Bewertungsstufe. Dabei ist das Ranking gruppenübergreifend sehr ähnlich: Feedback zeitnah bzw. unmittelbar zu geben, liegt in beiden Gruppen auf dem ersten Rang, sich auf wenige Kommentare zu relevanten Stärken und verbesserungswürdigen Bereichen zu beschränken auf dem letzten. Verständlichkeit, Aussagekraft, Aufgabenbezug sowie Unterscheidung von Lern- und Bewertungssituation Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Feedbackkompetenz 69 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 belegen die Ränge dazwischen. Insgesamt zeichnet sich also eine gute, aber nicht sehr gute Vertrautheit mit Umsetzungsmodalitäten von Feedback ab. Das gilt auch für die eingesetzten Feedbackformen, wo die Werte deutlich unter der zweithöchsten Stufe liegen (M=3,77; Md=3,77; SD=,565) mit nicht signifikant höheren Ausprägungen in der GP (M Rang =12,60 GU vs. 13,60 GP, Z=-,334, p=,738). Allerdings ist die Spannweite mit etwa eineinhalb Bewertungsstufen in beiden Gruppen vergleichsweise hoch. Insofern ist lediglich aussagekräftig, dass mündliches Feedback insgesamt am höchsten und schriftliches im Mittelfeld rangieren und dass formelles und evaluierendes Feedback sich auf den beiden letzten Rängen einordnen, informelles und beschreibendes Feedback hingegen im Mittelfeld. Gruppenfeedback wird Individualfeedback vorgezogen, was sich aus der Unterrichtssituation erklärt. Dennoch scheint kollektives Feedback im Klassenplenum, das dem drittletzten Rang zugeordnet wird, vergleichsweise wenig eingesetzt zu werden. Dieses erfreuliche Ergebnis in Bezug auf Individualisierung wird durch die hohen Werte bei Ressourcenorientierung gestützt. Die Werte für evaluierende Feedbackformen sind deutlich niedriger und liegen nur leicht über der dritthöchsten Stufe (M=3,22, Md=3,50, SD=,913) mit nicht signifikant höheren Ausprägungen in der GP (M Rang =12,53 GU vs. 13,70 GP, Z=-,394, p=,694). Das Ranking in den Gruppen ist ident, wobei Lehrer: innenfeedback zu Arbeiten der Schüler: innen auf Basis vordefinierter Erfolgskriterien an erster Stelle liegt, gefolgt von Selbstbeurteilung auf Basis vorgegebener Kriterien. Deutlich niedriger sind die Werte bei kriteriengeleitetem Peer-Assessment, vor allem in der GU (M=2,60, SD=1,183), was den Aufholbedarf in diesem Bereich verdeutlicht. Dennoch lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass der Unterricht stark auf Lernen und weniger auf Bewerten ausgerichtet ist. In Bezug auf Feedbackkompetenz zeigt sich somit insgesamt ein vielfältiges und situationsadäquates methodisches Repertoire, das sowohl schriftliche als auch mündliche Feedbackpraktiken umfasst. Informelles Feedback und Individualisierung werden stärker berücksichtigt als formelles und Gruppenfeedback Die analysierten Subskalen verdeutlichen eine gute Beherrschung der eingesetzten Methoden, wobei zeitnahes Feedback und aktives Zuhören besonders hervorstechen. Gleichzeitig weist die geringere Beachtung der Bewusstmachung von Lernpflichten auf Optimierungsmöglichkeiten hin. Das gilt auch für differenzierte Feedbackformen. Positiv hervorzuheben sind die hohe Relevanz, die zeitnahem und lerner: innenorientiertem Feedback zugestanden wird, und die Stärken in der Ressourcenorientierung in Bezug auf wertschätzende Haltung und Förderung der Eigenverantwortung. Während schriftliches Feedback häufig strukturierter gestaltet und durch digitale Anwendungen zur Förderung von Reflexion und Selbstkorrektur gestützt wird, zeigt mündliches Feedback weniger Standardisierung. Obwohl ein lernorientierter Fokus dominiert, wäre damit eine weitere Professionalisierung der Anwendung reflexiver und evaluativer Feedbackpraktiken erforderlich, um die Potenziale eines differenzierten Feedbacks voll ausschöpfen zu können. 70 Michaela Rückl DOI 10.24053/ FLuL-2025-0005 54 • Heft 1 5. Fazit Es liegt in der Verantwortung der Lehrer: innenbildung, Studierende beim Aufbau berufsrelevanter Kompetenzen zu unterstützen, damit sie die Anforderungen der Unterrichtspraxis besser bewältigen können. Dazu braucht es praxisorientierte Formate zur nachhaltigen Förderung von Beziehungsarbeit, die von Beginn an in den universitären Lehrkontext implementiert werden können. Die vorliegenden stabil hohen explorativen Längsschnittergebnisse bieten nicht nur eine umfassende Perspektive auf die Entwicklung ressourcenorientierter Diagnosekompetenz und Feedbackkompetenz vom Studienbeginn bis zu den ersten Berufsjahren. Sie verdeutlichen auch das Potenzial von Mentoring-Tandems als vielseitiges Lernumfeld, um die Handlungssicherheit angehender Lehrkräfte gezielt zu stärken. Die Einschätzung ihrer Relevanz für die Unterrichtspraxis ist bei fortgeschrittenen Studierenden ähnlich hoch wie für Schulpraktika, bei Absolvent: innen mit Unterrichtserfahrung sogar signifikant höher (M Rang =10,94 GU vs. 20,27 GP, Z=-3.202, p=,001***), was die Effizienz von Mentoring-Tandems verdeutlicht, wenn es darum geht, praxisnahe Lerngelegenheiten in die universitäre Lehrer: innenbildung zu integrieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse auf eine kleine Stichprobe und einen engen Bildungskontext bezogen sind, was ihre Aussagekraft begrenzt. Um diese Einschränkungen zu kompensieren, sind weitere Erhebungen mit größeren Stichproben erforderlich, was in institutionsübergreifenden Kooperationen bewerkstelligt werden könnte. 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The research project focuses on how teachers conceptualize L2 interactional competence by way of discursively constituting the feedback object and the criteria the feedback is based on. Through their feedback, the teachers’ conceptualizations of interactional competence is made available to feedback recipients and analysts. The article concludes with a discussion of the learning potentials emerging from this interactive dimension of teachers’ classroom feedback. 1. Einleitung Feedbackkompetenz ist ein wesentlicher Bestandteil des Professionswissens bzw. der Professionskompetenz von Lehrkräften (vgl. H ATTIE / T IMPERLEY 2007), wie u.a. auch verschiedene Kompetenzraster für Sprachlehrkräfte betonen. Im EAQUALS-Rahmen ist etwa davon die Rede, dass Lehrkräfte mit noch geringer Feedbackkompetenz in der Lage sein sollten, „klare Rückmeldungen“ zu formulieren, „die sowohl positive als auch verbesserungsbedürftige Bereiche ansprechen“ (E AQUALS 2020: 22), während sie auf einer höheren Stufe dazu fähig sein sollten, „konstruktive Rückmeldungen“ zu geben sowie „Möglichkeiten weiterer praktischer Unterstützung“ (ebd.: 22) anzubieten. Trotz feiner Kompetenzabstufungen bleiben die Deskriptoren des EAQUALS-Rahmen und ähnlichen Rastern stets sehr allgemein, beziehen sie sich doch auf Feedback jeglicher Art im Fremdsprachenunterricht, d.h. sie decken in mehrerlei Hinsicht ein sehr breites Spektrum ab: in Bezug auf das Feedbackobjekt (z.B. eine Fertigkeit, ein Produkt, ein bestimmter linguistischer Aspekt oder eine bestimmte * Korrespondenzadresse: Assoz. Prof. Mag. Dr. Carmen K ONZETT -F IRTH , Institut für Romanistik / Institut für Fachdidaktik, Universität Innsbruck, Innrain 52, A-6020 I NNSBRUCK E-Mail: carmen.konzett@uibk.ac.at Arbeitsbereiche: L2-Interaktionskompetenz, Multimodalität in der Interaktion, Aufgabenorientierung & Digitalität 74 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 transversale Kompetenz), die Feedbackform (z.B. spontan direkt oder verzögert, schriftlich oder mündlich, individuell oder gruppenbezogen, kurz gefasst oder ausführlich, mehr oder weniger interaktiv) und die primäre Feedbackfunktion (z.B. prozess- oder ergebnisorientiert, stärker beurteilend oder stärker entwicklungsfördernd). Für einen einzelnen Teilbereich wie die hier untersuchte Praxis des mündlichen, spontanen Feedbacks an eine Schüler: innengruppe im Anschluss an eine mündliche Gesprächsperformanz sind solche globalen Kompetenzbeschreibungen zu überblicksartig und nur bedingt brauchbar. Es bleibt außerdem in den Kompetenzrastern undefiniert, was unter ,lernförderlichem‘ Feedback zu verstehen ist. Kompetente Praktiken, die im Rahmen von sozialer Interaktion stattfinden, müssen stets kontextabhängig definiert werden, d.h. kompetentes Verhalten ist immer als rezipient: innenspezifisch adäquat (vgl. H ANNKEN -I LLJES 2004) und zielbezogen kongruent (vgl. B RÜNNER / P ICK 2020) zu verstehen. Kompetenz ist in diesem Sinne handlungsbezogen und handlungsimmanent: Sie manifestiert sich in sprachlichem Handeln und als sprachliches Handeln (vgl. M ONDADA / P EKAREK D OEHLER 2004). Die Frage danach, worin die Kompetenz von Lehrkräften im spezifischen Gesprächstyp des spontanen Feedbacks zu mündlichen Schüler: innenperformanzen besteht bzw. bestehen sollte, erfordert folglich zunächst die empirische Untersuchung dieser Praktik als einer Form sprachlichen Handelns. Für den schulischen Unterricht gibt es diesbezüglich bisher aber erst wenig Forschung (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022; K OIZUMI 2022; M IEDE 2019). Hier setzt der vorliegende Beitrag an und versucht, anhand eines Datenkorpus von Videoaufnahmen aus dem schulischen Französischunterricht auszuloten, wie Lehrkräfte und Schüler: innen Feedbackprozesse im Anschluss an mündliche dialogische Performanzen gemeinsam gestalten, um dann in einem zweiten Schritt Hypothesen über lernförderliche Feedbackpraktiken abzuleiten. 2. Feedbackpraktiken, Feedbackkompetenz und die Förderung von L2-Interaktionskompetenz Im vorliegenden Beitrag wird Feedback als eine sprachliche Praxis analysiert, die S CHWARZE (2023: 3) folgendermaßen definiert: „eine explizite, verbale Rückmeldung zu konkretem kommunikativem Verhalten als eine differenzierte, subjektiv verankerte und personenbezogen adressierte Wirkungseinschätzung, die auf der eigenen Wahrnehmung, Beschreibung und Reaktion basiert“. Diese Praxis kann aus zwei Perspektiven untersucht werden: entweder als Ausgestaltung der Bezugnahme auf einen bestimmten Reflexionsgegenstand oder als kommunikative Handlung, deren Struktur, Ablauf und Umsetzung analysiert werden können (vgl. S CHWARZE 2023). Für jeden dieser Untersuchungsfokusse kann die Praxisgüte bestimmt werden, wobei interaktionsanalytische Arbeiten meist letztere fokussieren (vgl. P AUL 2010; S CHWARZE 2021). In der vorliegenden Studie werden hingegen die beiden Teilaspekte ,Konzeptualisierung des Feedbackgegenstands‘ und ,Handlungspraxis‘ gemeinsam beleuchtet, wobei der Schwerpunkt auf ersterem liegt. Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 75 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Bei der Sichtung der Forschungsliteratur zu interaktiv gestaltetem Feedback durch Lehrkräfte in Unterrichtskontexten sind eine Reihe von Differenzierungen nötig. Erstens muss unterschieden werden, um welche Gesprächssituation es sich beim Feedback-Geben handelt, ob etwa von einzelnen Feedback-Turns im Rahmen von plenaren Frage-Antwort-Phasen die Rede ist oder ob zum Beispiel komplette Feedback- Sequenzen im Anschluss an Peer-Interaktionen gemeint sind. Zweitens sind unterschiedliche Feedbackobjekte auseinanderzuhalten: Feedback auf Schreibprodukte unterliegt naturgemäß anderen Kontextbedingungen als jenes auf mündliche Performanzen, etwa in Bezug auf die Flüchtigkeit des Feedbackgegenstands. Drittens muss nach dem didaktischen Zweck des Feedbacks differenziert werden, also nach dem Lehr-/ Lernziel, welches das Feedback als didaktische Handlung verfolgt. In spracherwerbsorientierten Studien werden zum Beispiel häufig Feedback-Turns in plenaren Lehrer: innen-Schüler: innen-Gesprächen fokussiert und auf ihre Lernförderlichkeit in Bezug auf lexikalisches Lernen oder die Entwicklung morphosyntaktischer Korrektheit untersucht (vgl. N ASSAJI / K ARTCHAVA 2020). Oft ist in diesen Studien hauptsächlich die Rede von Fehlerkorrekturen. Was diese formbezogene Lehr-/ Lernperspektive betrifft, so ist die empirische Beweislage in Bezug auf mehr oder weniger förderliches Feedback (z.B. hinsichtlich seiner Direktheit) trotz vieler Studien relativ dünn, u.a. aufgrund der hohen Komplexität in natürlichen Unterrichtssituationen, aufgrund der Schwierigkeit, Lernerfolg und Feedback kausal zu verknüpfen und weil Längsschnittstudien zur Effektivität bestimmter Feedbackformen fehlen (vgl. R IEMER 2022). Im Gegensatz dazu ist in Bezug auf den Erwerb pragmatischer Kompetenzen der positive Einfluss von Feedback auf den Lernfortschritt empirisch klarer belegt worden (vgl. P LONSKY / Z HUANG 2019). Hier ist allerdings nicht Feedback im Sinne einzelner Redebeiträge gemeint, sondern metalinguistisches Kommentieren einer Interaktionsperformanz, z.B. eines Rollenspiels. Die Wirksamkeit eines solchen Feedbacks als Teil des Lehr-Lernprozesses für die Entwicklung pragmatischer Kompetenzen hängt wesentlich von seiner gelungenen Rezeption ab, wie Forschende aus unterschiedlichen Feldern betonen (vgl. G AMLEM / S MITH 2013; G ONZÁLEZ -L LORET 2021; S CHWARZE 2023). Aus diesen Erkenntnissen kann geschlossen werden, dass eine insgesamt stärker interaktive Gestaltung seitens aller Beteiligten zu qualitativ gutem Feedback beiträgt (vgl. B RÜNNER / P ICK 2020; L AM 2021). Auch die Testforschung belegt, dass die Lernendenorientierung und -involvierung in Bewertungs- und Feedbackprozessen eine zentrale Rolle für die Lernförderlichkeit von Rückmeldungen spielt (vgl. C ARLESS 2007; T URNER / P URPURA 2016). Dabei ist mit Lernförderlichkeit gemeint, dass Lernprozesse angeregt werden, Lernende sich ihre Schwächen und Stärken vergegenwärtigen und sie in die Lage versetzt werden, die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Daraus folgt, dass auch der Umgang mit Feedback seitens der Feedback-Rezipient: innen gelernt werden muss (vgl. L AM 2021) - ein Umstand, der seit einiger Zeit unter dem Begriff student feedback literacy untersucht wird (vgl. C ARLESS / B OUD 2018). Was nun genau unter gutem Feedback für spezifische Unterrichtssituationen zu verstehen ist, ist allerdings bisher noch wenig untersucht worden, insbesondere nicht 76 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 für den schulischen Fremdsprachenunterricht. Die sowohl in den eingangs erwähnten Kompetenzrastern für Lehrkräfte als auch in didaktischen, normativen Anleitungen klaren Anweisungen bleiben deswegen oft empirisch unter- oder gar unbestimmt (vgl. R IEMER 2022; S CHWARZE 2023; S KOVHOLT 2018). Es gibt allerdings in jüngerer Zeit vielversprechende Studien aus dem Bereich der Sprachtestforschung, die sich mit Feedback als Bewertungsform auseinandersetzen, dieses aber im Sinne des learningoriented assessment (vgl. T URNER / P URPURA 2016) nicht als retrospektive, sondern als vorwärts gerichtete und damit lernbeeinflussende Handlung interpretieren. Ein Großteil dieser Forschung beschäftigt sich mit Feedback auf Schreibperformanzen oder andere schriftliche Testformate. Zunehmend stehen aber auch mündliche Kompetenzen im Fokus. L AM (2021) hat diesbezüglich einen praxisorientierten Vorschlag vorgelegt, der empirisch belegte Prinzipien von gutem, also lerner: innenorientiertem und lernförderlichem, Feedback zusammenfasst. Dazu gehört, das Feedback auf spezifische (anstatt allgemeine) Aspekte einer Performanz zu beziehen, mit dem Feedback selbstgesteuerte Lernprozesse anzuregen, im Feedback Lernerfolgskriterien im Sinne einer gelungenen Performanz zu nennen, Lernende aktiv einzubeziehen und Feedback adäquat für den Lernstand zu formulieren sowie zukunftsorientiert zu konzipieren, d.h. dass Lernenden Gelegenheit gegeben werden sollte, sich aufbauend auf das Feedback weiterzuentwickeln (vgl. L AM 2021: 89). Im vorliegenden Beitrag steht als Feedbackobjekt die fremdsprachliche Interaktionskompetenz von Schüler: innen im Zentrum. Damit ist die komplexe Fähigkeit gemeint, sich an sozialen Interaktionen in der Fremdsprache situationsadäquat und rezipient: innensensibel beteiligen zu können. Fremdsprachliche bzw. L2-Interaktionskompetenz meint die Mobilisierung eines dynamischen Methodenrepertoires unter Einbezug multimodaler Ressourcen (vgl. P EKAREK D OEHLER 2021a) und kann als das ultimative Ziel des Fremdsprachenerwerbs gelten (vgl. E SKILDSEN et al. 2019). Die mittlerweile gut etablierte Forschung zur L2-Interaktionskompetenz hat vielfach empirisch belegt, dass deren Entwicklung wesentlich von der Häufigkeit und Salienz der Beteiligung an L2-Interaktionen abhängt, wobei auch ,natürliche‘, d.h. in Interaktionen eingebettete, Feedbackprozesse einen wichtigen Einfluss darauf haben, ob und wie Interaktionsteilnehmende ihre Praktiken adaptieren (vgl. P EKAREK D OEHLER / E SKILDSEN 2022). Die meisten dieser Untersuchungen stammen aus dem immersiven Zweitsprachkontext. Hingegen ist die Beziehung zwischen Feedback in institutionellen Lehr-/ Lernkontexten und der Entwicklung von L2-Interaktionskompetenz aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung bisher noch wenig untersucht worden. Doch aus der Sprachtestforschung gibt es Belege dafür, dass die Kriterien, die in einem formativen Bewertungsprozess an mündliche Performanzen angelegt und die den Bewerteten kommuniziert werden, eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der bewerteten Aspekte spielen (vgl. M AY et al. 2020; N AKATSUHARA et al. 2018). Anders ausgedrückt werden von Lernenden vor allem jene (Teil)kompetenzen weiterentwickelt, für welche sie in Feedbackphasen explizite Rückmeldungen erhalten haben. Der Rückkopplungseffekt von Feedback im Sinne eines learning-oriented assessment ist demnach höchst bedeutsam (vgl. M UÑOZ / Á LVAREZ 2010), wird aber Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 77 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 für den schulischen Fremdsprachenunterricht gerade in Bezug auf mündliche Kompetenzen zu wenig beachtet (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022; K OIZUMI 2022; M IEDE 2019). Besonders die fremdsprachliche Interaktionskompetenz (im Gegensatz zur Sprechkompetenz) wird im schulischen Fremdsprachenunterricht nach wie vor stark vernachlässigt. Dies hängt wesentlich mit der mangelnden Präsenz dieser Kompetenz in Lehrbüchern zusammen (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2016), sowie mit der Tatsache, dass Interaktionskompetenz bisher noch kaum Eingang in standardisierte Testformate mündlicher Kompetenz gefunden hat (vgl. R OEVER 2023). Für den österreichischen Kontext ist allerdings positiv hervorzuheben, dass die Testformate der mündlichen standardisierten Reifeprüfung auch eine dyadische Interaktion beinhalten und dass ,Flüssigkeit und Interaktion‘ als zumindest eines von vier Kriterien in den analytischen Beobachtungsbögen aufscheinen. 3. Daten und Methodologie Die Datengrundlage dieser Untersuchung bildet das Korpus FRAISE (vgl. K ONZETT - F IRTH 2017), ein longitudinales Videokorpus des österreichischen gymnasialen Französischunterrichts, das Daten aus sechs aufeinanderfolgenden Lernjahren von zwei Schulklassen enthält. Für die hier präsentierte Studie wurden aus dem Korpus jene Interaktionen ausgewählt, in denen Lehrkräfte ihren Schüler: innen Feedback zu einer durchgeführten mündlichen Peer-Interaktion geben, die entweder in einer Zweierkonstellation oder in einer größeren Gruppe stattgefunden hatte. Diese Daten wurden transkribiert und aus konversationsanalytischem Blickwinkel einer Sequenzanalyse unterzogen. In dem untersuchten Videokorpus ist in den ersten drei Lernjahren in beiden Klassen überhaupt kein Feedback an spezifische Personen im Anschluss an mündliche Peer-Interaktionen aufzufinden. Allerdings weist dieser Teil des Korpus insgesamt nur sehr wenige Peer-Gespräche in der Fremdsprache auf. Die beiden im Korpus präsenten Lehrkräfte geben dazu in den ersten Lernjahren entweder keine oder nur eine sehr allgemeine Rückmeldung an die ganze Klasse, indem sie die Schüler: innen für ihr „gutes“ oder „ausführliches“ Sprechen loben und eine Nachbearbeitung spezifischer lexikalischer Lücken oder Fehler in Form von metasprachlichen Erklärungen durchführen. Erst in höheren Lernjahren werden Peer-Gespräche, die vor der Klasse in einer prüfungsähnlichen Situation vorgeführt wurden, von der Lehrkraft spezifisch kommentiert. Eine ausführlichere Bearbeitung von fremdsprachlichen Schülerinteraktionen im Sinne einer fokussierten Kompetenzförderung (vgl. C ASPARI 2017) findet erst in den letzten beiden Lernjahren statt, wobei hier der Fokus deutlich auf einer Erarbeitung mündlicher Prüfungsformate liegt. Fokus der Analyse war neben der kommunikativen Praktik des Feedback-Gebens an sich insbesondere die Art und Weise, wie das Feedbackobjekt von der Lehrkraft konstituiert und ausgestaltet wird. Es wurde also danach gefragt, welche Lehr-Lernziele die Interaktionsteilnehmenden, aber besonders die Lehrkraft, in ihrem Feedback 78 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 verfolgen. Im Analyseprozess wurden sowohl Lehrkraft als auch Lernende als grundsätzlich kompetente Interaktionsteilnehmende betrachtet, deren Verhalten aus emischer Perspektive dann als angemessen gilt, wenn es für andere erkennbare soziale Handlungen setzt und keinen Grund für Reparaturen bietet (vgl. W AGNER / P EKAREK D OEHLER / G ONZÁLEZ -M ARTÍNEZ 2018). Darüber hinaus war von einer hohen didaktischen Kompetenz der Lehrkräfte auszugehen, denn beide wiesen eine langjährige Unterrichtserfahrung auf. Folglich wurde angenommen, dass sich die Zielorientierung(en) der Teilnehmenden an ihrem sprachlichen Handeln ablesen lassen. In einem zweiten Schritt wurden die auf diese Weise eruierten Zielvorstellungen mit dem Stand der Forschung zum Unterricht und zur Förderung von L2-Interaktionskompetenz abgeglichen. Daraus ergeben sich Überlegungen zu good practice und möglicherweise better practice (vgl. B ENDEL L ARCHER / P ICK 2023) im Hinblick auf lernförderliches Feedback speziell in Bezug auf den Lernbereich der Interaktionskompetenz. 4. Fallanalysen Im Folgenden soll anhand von zwei Fallbeispielen aufgezeigt werden, wie mündliches, spontanes Feedback von einer Lehrkraft im Französischunterricht gestaltet wird. Dabei liegt der analytische Fokus auf der interaktiven Konstituierung und Gestaltung des Feedbackgegenstandes. Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 79 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Abb. 1: Beispiel 1 Transkript 6B_120514 ‘pas toujours dire oui, mais’ Beispiel 1 setzt ein, als die Lehrkraft (LK im Transkript) den Übergang von der vorgeführten Peer-Interaktion hin zur Feedback-Sequenz einleitet. Ein beendigungsiniti- 80 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 ierender Turn (Z. 1) wird von Helena (HEL) ratifiziert (Z. 2), woraufhin die Lehrkraft die Sequenz schließt (Z. 3) und relativ unvermittelt zu einer Handlungsaufforderung an die Schüler: innen übergeht (Z. 7), die sie multimodal mit einer redebegleitenden Geste verdeutlicht: Die Lernenden sollen einen Satz notieren. Auf die Ankündigung folgt eine Konditionalsatzkonstruktion auf Deutsch. Die Lehrerin präsentiert diese den Lernenden als zu übersetzende Phrase, die auf ein vorheriges Fehlerereignis verweist. Daraufhin entspinnt sich eine Sequenz (Z. 11-24), in der Darius (DAR) und seine Interaktionspartnerin Helena eine Korrektur der zuvor in der Peer-Interaktion fehlerhaft produzierten Struktur durchführen. Dieser Fokus auf einen morphosyntaktischen Aspekt als erstem oder gar einzigem inhaltlichen Element des Feedbacks ist typisch für die niedrigeren Lernjahre im FRAISE-Korpus. Neben Grammatikfehlern werden von der Lehrperson auch lexikalische Lücken angesprochen, die sie übersetzt oder übersetzen lässt, für die sie Alternativen vorschlägt oder deren Aussprache sie korrigiert. Oft schreibt sie Wörter oder Wortkombinationen an die Tafel und ermutigt die Lernenden, sich Notizen im Heft zu machen. Wenn es um Morphosyntax geht, bietet die Lehrkraft auch meist einen metalinguistischen Kommentar an, wie im Beispiel 1 in den Zeilen 25 bis 30. Interaktionsbezogen sind die genannten grammatischen oder lexikalischen Fokusse fast nie. Hier offenbart sich bereits ein erstes wichtiges Kennzeichen des lehrerseitigen Feedbacks auf mündliche, interaktive Schülerprodukte: Sie stellen die Interaktivität bzw. interaktive Aspekte sehr selten ins Zentrum. Das heißt allerdings nicht, dass sie gar nicht vorkommen. Auch in Beispiel 1 findet noch ein interaktionsbezogener Hinweis der Lehrkraft Platz, allerdings erst nachdem schon die Transition zur nächsten vorgeführten Peer-Interaktion angedeutet wurde (Z. 32). Das Feedback, das hier indirekt der ersten Gruppe gegeben wird, ist als Aussage über eine zukünftige Handlung in Form eines Deklarativsatzes formuliert und somit als mit hoher deontischer Autorität (vgl. S TEVANOVIC / P ERÄKYLÄ 2014) produzierte Aufforderung an das zweite Interaktionspaar, es besser zu machen als ihre Kamerad: innen. Dieser Feedback-Turn der Lehrkraft ist nicht nur aufgrund seiner indirekten Adressierung, sondern auch wegen der komplexen polyphonen Struktur der Äußerung nicht leicht dekodierbar. Während die erste Turnkonstruktionseinheit bis zum Lachpartikel nach „oui, mais.“ (Z. 33) noch relativ wenig Inferenzaufwand erfordert, ist nicht sofort klar, dass das folgende „je suis d'accord“ ein Zitat aus dem vorangehenden Peer-Gespräch darstellt. Erst das Gestik- und Blickverhalten der Lehrkraft sowie die anschließende positive Bewertung desambiguieren hier: „c'était bien aussi“ (Z. 33). Die überkreuzt anstatt parallel aufgebauten Turnkonstruktionseinheiten (Bewertung + Bewertungsobjekt - Bewertungsobjekt + Bewertung) erschweren außerdem die Zuordnung der Ausdrücke zur jeweils positiven oder negativen Evaluierung. Der Turn wird dann inkrementell fortgesetzt: Auf eine sehr knappe Einleitung mit „peut-être“ (Z. 34) folgt eine asyndetisch verknüpfte Reihe weiterer Ausdrücke, die mit „etcetera“ beschlossen wird (Z. 36). Auch das darauffolgende Nachlaufelement „oui, tu as raison“ (Z. 37), ist aufgrund seiner Position nach dem Ende der vorangehenden Liste nicht leicht als weiterer Vorschlag zu identifizieren. Zwar unterstützt die prosodische und gestisch-körperliche Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 81 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Gestaltung des Redebeitrags das Verständnis, aber es ist trotzdem plausibel, dass dieses Feedback in Form eines Feed-Forward (C ARLESS 2007), also eines vorwärts orientierten Kommentars, nicht zur Gänze bei allen Rezipient: innen, weder retrospektiv bei Gruppe 1 noch prospektiv bei Gruppe 2, ankommt. Außerdem ist an der sequenziellen Positionierung und der Art, wie das Feedback formuliert wird, ablesbar, dass interaktionsrelevante Aspekte keine wesentliche Rolle in den pädagogischen Zielvorstellungen der Lehrkraft spielen. Abb. 2: Beispiel 2 Transkript 7B_161014Kh ‘respecter les points’ 82 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 Im zweiten Beispiel sehen wir einen Ausschnitt aus einer Feedback-Sequenz aus dem 5. Lernjahr im Anschluss an ein von zwei Schülerinnen vor der Klasse vorgeführtes Rollenspiel. Der abgedruckte Ausschnitt setzt ungefähr in der Mitte der Feedback- Aktivität ein. Zuvor hatte die Lehrkraft einige Schüler: innen der Reihe nach dazu aufgefordert, selbst Rückmeldungen an die beiden Klassenkameradinnen zu geben. Es handelt sich hier also im Unterschied zu Beispiel 1 um einen viel interaktiver gestalteten Feedback-Prozess. Trotzdem fokussiert die Analyse hier um der Kürze willen nur auf die Perspektive der Lehrkraft. In Zeile 1 von Beispiel 2 (s. Abb. 2) formuliert die Lehrkraft in knapper Form einen allgemein-bewertenden, zusammenfassenden Kommentar: Sie beginnt mit einer expliziten positiven Evaluierung (vgl. W ARING 2008) der Vorführung, die sie einmal wiederholt und dann in einer syntaktisch parallelen Struktur um einen weiteren spezifischen Aspekt, nämlich die gelungene Vorbereitung des Rollenspiels, ergänzt. An den dritten Bewertungsausdruck, „très bien préparé“, werden in auflistender Weise weitere Elemente angeschlossen, welche konkrete Aspekte dieser guten Vorbereitung benennen, nämlich das diskussionsrelevante Vokabular und die „mots de transition à l’oral“. Mit letzteren sind diskursstrukturierende und insbesondere turneinleitende Phrasen und Wörter gemeint, welche die Lehrkraft den Lernenden in einer vorangegangenen Unterrichtsstunde in Form einer schriftlichen Liste zur Verfügung gestellt hatte. Nach ihrem bewertenden Kommentar ermuntert die Lehrkraft die Klasse mit einer offenen Einladung (vgl. W ILLEMSEN et al. 2018) dazu, weiteres Feedback zu geben (Z. 6). Als sich daraufhin zunächst niemand zu Wort meldet, hakt die Lehrkraft nach, indem sie eine Entscheidungsfrage stellt (Z. 8), mit der sie ein spezifisches Thema inklusive potenzieller Antwortmöglichkeiten vorgibt. Dies ist eine übliche Strategie um die Lernenden zu aktivieren (vgl. D URAN / J ACKNICK 2020), indem die unbestimmte Fülle an Möglichkeiten eingeschränkt und konkretisiert wird. Tatsächlich antworten daraufhin mehrere Lernende mit kurzen Zustimmungspartikeln. An der Ausführung der Sequenz zeigt sich außerdem, dass es sich hier nicht um eine typische Lehrerfrage handelt, deren Antwort bereits bekannt ist, sondern dass die Lehrkraft hier mit ihrer Frage lediglich einen relevanten Feedbackaspekt nennt, der bearbeitet werden soll. Hinweise darauf liefern vor allem das Blickverhalten und die prosodische Gestaltung des sequenzschließenden Turns (Z. 14), der eher als Zustimmung denn als Bestätigung interpretiert werden kann. Als Beweis dafür, dass dies auch von den Schüler: innen so wahrgenommen wird, kann die Tatsache gelten, dass noch während des sequenzschließenden Turns der Lehrkraft die Schülerin Elif ihre Hand hebt (Z. 14) und, als ihr das Wort erteilt wird, eine nuancierte Meinung zu dem besprochenen Punkt äußert. In einem kollaborativ gestalteten Turn mit der Lehrkraft formuliert sie die Einschätzung, dass die beiden Kameradinnen zu lange über einen bestimmten Inhaltspunkt der gestellten Sprechaufgabe gesprochen hätten (Z. 15-18). Die Lehrerin greift diesen neu eingebrachten Aspekt umgehend auf und solidarisiert sich mit Elifs Position. Im Anschluss daran gibt sie der Klasse erneut die Möglichkeit, weiteres Feedback einzubringen. Das abgedruckte Beispiel 2 exemplifiziert einige Aspekte, die für die Konstitution Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 83 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 des Feedbackobjekts in Feedbackphasen nach Peer-Interaktionen im untersuchten Französischunterricht typisch sind. Dazu gehört die explizite, meist positive Evaluierung durch die Lehrkraft, welche in jeder Feedback-Aktivität eine epistemische Autorität für sich beansprucht. Bewertet wird aber nicht nur die Durchführung bzw. das Verhalten während der Interaktion, sondern auch die Vorbereitung des vorgeführten Gesprächs. Zentraler Fokus des Feedbacks sind das verwendete Vokabular und, als einziger interaktionsrelevanter Aspekt, die sprachliche Gestaltung der „Übergänge“ zwischen den Turns, wobei insbesondere die Bandbreite der sprachlichen Ressourcen für diese Aufgabe betont wird. 5. Diskussion und Konklusion Aufgrund der knappen zeitlichen Ressourcen, die für den schulischen Fremdsprachenunterricht zur Verfügung stehen, ist davon auszugehen, dass die reine ,unreflektierte‘ Teilnahme an unterrichtlichen zielsprachlichen Interaktionen nicht ausreicht, um umfassende L2-Interaktionskompetenz nachhaltig herauszubilden. Longitudinaluntersuchungen von schülerseitiger L2-Interaktionskompetenz im FRAISE-Korpus belegen zwar, dass diese am Ende des sechsten Lernjahres über eine hohe produktive Französischkompetenz verfügen (vgl. K ONZETT -F IRTH 2023). Gleichzeitig legen dieselben Daten aber auch nahe, dass die L2-Interaktionskompetenz der Lernenden möglicherweise nicht so gut ausgebaut ist, wie es sechs Jahre Unterricht erwarten ließen. Andere Studien zu Lernenden mit vergleichbarer Französischlernerfahrung und ähnlichem Kompetenzniveau (B1-B2 nach dem GERS (E UROPARAT 2001)) zeigen ebenfalls, dass Schüler: innen am Ende ihrer Schullaufbahn viele interaktionsrelevante Kompetenzen nur ansatzweise aufweisen und erst in einem immersiven Setting wie z.B. einem längeren Aufenthalt im Zielsprachkontext maßgeblich entwickeln (vgl. P EKAREK D OEHLER 2019, 2021b). Die Gründe dafür sind sicherlich komplex und reichen wohl von mangelnden Routinisierungs- und Diversifizierungsgelegenheiten im Unterricht bis hin zu mangelnder Authentizität der Handlungsanlässe bzw. Interaktionsbeteiligung. Lehrkräfte sind daher besonders gefordert, die schülerseitige L2-Interaktionskompetenz mit Hilfe einer didaktisch durchdachten Planung und Umsetzung im Unterricht zu fördern. Ein zentraler Faktor ist dabei ein entsprechend lernförderlich gestaltetes und gesteuertes Feedback zu den mündlichen fremdsprachlichen Interaktionen der Lernenden untereinander. Im vorliegenden Beitrag wurden verschiedene lehrerseitige Feedbackpraktiken im Französischunterricht identifiziert und anhand von zwei Fallbeispielen mit einem Fokus auf die Gestaltung und Konstituierung des Feedbackobjekts näher beschrieben. Dabei stellte sich heraus, dass insgesamt nur ein kleiner Teil des lehrerseitigen Feedbacks auf genuin interaktionsbezogene Aspekte entfällt. Hingegen wird anderen Kriterien wie der Bandbreite und Spezifik des Vokabulars, dem Umfang und der Flüssigkeit des Sprechens oder der Ausgewogenheit der Behandlung inhaltlicher Punkte, mehr Aufmerksamkeit geschenkt, u.a. hinsichtlich 84 Carmen Konzett-Firth DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 54 • Heft 1 der Ausführlichkeit des Kommentars und der Sorgfalt der Formulierung. Die von der Lehrkraft ins Spiel gebrachten interaktionsrelevanten Kriterien fokussieren ausschließlich auf Turn-Taking und insbesondere auf turneinleitende Diskursmarker. Man könnte daher von einer Unterrepräsentation des Konstrukts sprechen, wenn Interaktionskompetenz ein Teil des Feedback-Konstrukts wäre. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass dies gar nicht der Fall ist, sondern dass Interaktionskompetenz im Sinne eines rezipient: innensensiblen, funktional adäquaten Handelns unter Mobilisierung der vorhandenen L2 Ressourcen überhaupt kein bewusstes pädagogisches Ziel der Lernaufgabe Peer-Interaktion darstellt. Die Datenanalyse hat außerdem gezeigt, dass Lehrkräfte sich in ihrem Feedback explizit an den national vorgegebenen Testformaten orientieren, für die sie ihre Lernenden vorbereiten. Deren Charakteristika fungieren als wichtige Referenzgröße, aus denen Kriterien abgeleitet werden. Es wäre daher im Sinne eines positiven Rückkopplungseffekts wünschenswert, wenn die nationalen Testkonzepte und die Begleitliteratur in den Testformaten und den Analysekriterien einen stärkeren Fokus auf Interaktionskompetenz legen würden. Sie müssten sich diesbezüglich wohl vom Vorbild internationaler Sprachzertifikatstests entfernen, die aus Gründen der Praktikabilität meist keinen derartigen Schwerpunkt enthalten (vgl. R OEVER 2023). Zusätzlich wäre es zu begrüßen, wenn in der Lehrer: innenaus- und -fortbildung die Unterschiede zwischen den Zielen und Funktionen von standardisierten Tests und von classroom-based assessment deutlicher hervorgehoben würden. Ein weiterer Aspekt, der sich in der datengeleiteten, qualitativen Analyse als relevant herausgestellt hat, hier aber aus Platzgründen nicht in den Beispielen gezeigt werden konnte, entstammt der longitudinalen Betrachtung der FRAISE-Korpusdaten. Die Daten zeigen, dass sich die Beteiligungsweise der Lernenden an den Feedback- Gesprächen mit der Zeit verändert, was unter anderem daran liegen mag, dass es sich um junge Lernende handelt, deren student feedback literacy (C ARLESS / B OUD 2018) sich erst in Entfaltung befindet. Doch auch die Partizipationsangebote und der Raum, den die Lehrkraft in den unterschiedlichen Lernjahren für die Lernenden in den Feedbackphasen jeweils schafft, spielen eine zentrale Rolle. Schließlich ist ebenfalls relevant, über welche fremdsprachlichen Kompetenzen die Lernenden verfügen, angesichts der Tatsache, dass die Feedbacksequenzen in der Zielfremdsprache ablaufen. Für die sehr frei gestalteten, eher wenig gesteuerten und kaum vorbereiteten Feedbackphasen im FRAISE-Korpus ist jedenfalls eine hohe rezeptive und produktive L2- Kompetenz (bzw. L2-Interaktionskompetenz! ) nötig, welche die Lernenden erst im sechsten Lernjahr ausreichend aufzuweisen scheinen, um sich daran einigermaßen autonom beteiligen zu können. In einer sich gegenseitig bedingenden Dynamik geht diese höhere Sprachkompetenz u.a. mit einer größeren agency auf Seiten der Feedback-Nehmenden einher, die sich zunächst vereinzelt in der Schulsprache Deutsch, aber im letzten Lernjahr regelmäßiger und in der Zielsprache Französisch in den Feedbackprozess einbringen, indem sie sich rechtfertigen, etwas präzisieren oder nachfragen - eine Praxis übrigens, die aufgrund ihrer Interaktivität als didaktisch wertvoll und daher als good practice gelten kann (vgl. S CHWARZE 2023). Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht 85 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0006 Es ist mit Sicherheit eine gute pädagogische Strategie, Feedback-Rezipient: innen im spontanen Gespräch miteinzubinden. Um die Nachhaltigkeit von Feedback zu verstärken, müssten der Effekt und Nutzen von Feedback aber für Lernende noch deutlicher, am besten in zyklischen Arbeitsphasen, spürbar werden. Feedback müsste deutlicher als Teil eines prozessorientierten Lernens gesehen und weniger als abschließender evaluativer Vorgang betrachtet werden (vgl. K OIZUMI 2022; M AY et al. 2020). Mündliche Formen der Sprachverwendung müssten außerdem als ebenso bearbeitungswürdig und verbesserbar dargestellt und unterrichtet werden wie die Produktion schriftlicher Texte (vgl. G ARCÍA G ARCÍA 2022). Hierfür wären Audio- oder Videoaufnahmen von schüler: innenseitigen mündlichen Interaktionen hilfreich, etwa in Form eines mündlichen Portfolios. Auch ein aufgabenorientiertes Konzept mit regelmäßigen Feedback-Phasen während der Bearbeitung bietet sich an (vgl. G OH / B URNS 2012). Eine weitere Option für ältere bzw. kognitiv weiter entwickelte Lernende stellen sogenannte „worked examples“ (vgl. L AM 2025) dar, d.h. authentische Interaktionsbeispiele, die anhand von Videoaufnahmen und einfachen Transkripten besprochen werden und so metapragmatisches Bewusstsein schaffen, aber auch zur Vertrautmachung mit entsprechenden Ressourcen und Praktiken in der Zielsprache dienen. Für eine erfolgreiche Durchführung solcher formativer Feedbackformen im Klassenzimmer brauchen Lehrkräfte jedenfalls Unterstützung, sowohl durch relevante Fortbildungsangebote als auch durch einen förderlichen Kontext in der Schule (vgl. Y AN et al. 2021). Nicht zuletzt kann auch die Verankerung von Bewusstseinsbildung und gegenstandsspezifischem Feedback-Training in der Grundausbildung von Lehrkräften dazu wesentlich beitragen. Literatur B ENDEL L ARCHER , Silvia / P ICK , Ina (Hrsg.) (2023): Good practice in der institutionellen Kommunikation: Von der Deskription zur Bewertung in der Angewandten Gesprächsforschung. Berlin: De Gruyter. 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The findings indicate that both verbs describing a resistance to multilingual practices and verbs aiming at including further parts of the repertoire of teacher and learners are of significance. Thereby the tension between adhering to monolingual norms and incorporating other semiotic resources into foreign language instruction are highlighted. 1. Einleitung Bereits seit Jahrzehnten ist bekannt, dass mit der Berücksichtigung weiterer Sprachen im Fremdsprachenunterricht viel zu gewinnen ist. Dennoch attestieren Forschende immer wieder das Ausbleiben von mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen im Fremdsprachenunterricht trotz positiver Einstellung der Lehrkräfte (vgl. H EYDER / S CHÄDLICH 2014; R EIMANN / T ZIOTZIOS 2018; K ROPP 2020). Aus der zunehmenden Anzahl an Studien lässt sich jedoch schließen, dass verschiedene Ansätze der Mehrsprachigkeitsdidaktik mehr in Forschung und Lehre behandelt wird und somit auch Einzug in die erste Phase der Lehrer*innenbildung findet. Auch Studien, die mit Studierenden (des Lehramts für romanische Sprachen und allgemein) durchgeführt wurden, zeigen eine positive Einstellung hinsichtlich Mehrsprachigkeit (vgl. S CHÖPP 2013; B ENHOLZ et al. 2017). Was allerdings zwischen der ersten und dritten Phase der * Korrespondenzadresse: M. Ed. Patricia Louise M ORRIS , Didaktik der Romanischen Sprachen und Literaturen, Georg-August-Universität Göttingen, Humboldtallee 19, 37073 G ÖTTINGEN E-Mail: patricialouise.morris@uni-goettingen.de Arbeitsbereiche: Mehrsprachigkeit Sprachideologien, Referendariat N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 90 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 Lehrer*innenbildung geschieht, wurde bislang kaum beforscht. Dabei ist das Referendariat berufsbiographisch prägend. Es stellt einen Grenzraum, eine Schnittstelle, „zwischen dem überwiegend theoretisch und fachwissenschaftlich ausgerichteten Studium und der Berufseinstiegsphase“ (K OŠINÁR 2014: 105) dar. Was in dieser Phase im Hinblick auf Mehrsprachigkeit passiert, ist Untersuchungsgegenstand eines größeren Projekts, dessen erste Ergebnisse in diesem Aufsatz dargestellt und diskutiert werden. Hierzu werden mithilfe der Grounded Theory Methodology (vgl. C ORBIN / S TRAUSS 2008) Verben untersucht, die im Zusammenhang mit dem Sprechen über die mehrsprachigkeitsrelevanten Praktiken verwendet werden. Anhand der Daten wird erkennbar, dass trotz einer oberflächlich positiven Grundhaltung für diese Fragestellung auch Verben von Interesse sind, die beschreiben, wie sich gegen mehrsprachige Praktiken gewendet wird. Somit wird das Spannungsfeld zwischen dem Einhalten der monolingualen Norm und dem Einbringen weiterer Sprachen in den Fremdsprachenunterricht ausgeleuchtet. 2. Mehrsprachigkeitsdidaktik im Fremdsprachenunterricht: Theorie und Forschungsstand Lange ist bekannt, dass die Schule vom monolingualen Habitus (vgl. G OGOLIN 1994) geprägt ist und spätestens durch die Studie von H EYDER / S CHÄDLICH (2014), dass dies auch für den Fremdsprachenunterricht der romanischen Sprachen gilt. M ORRIS (2023: 137) bezeichnet das Konzept der Funktionalen Einsprachigkeit dabei „als verlängerte[n] Arm oder Ergänzung des monolingualen Habitus“ für den Fremdsprachenunterricht. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Romanistik wurde in den letzten Jahrzehnten von der Interkomprehension (M EIßNER 2016) anderer romanischer Sprachen über den Transfer von schulisch erlernten Fremdsprachen und dem Deutschen bis hin zu der Wertschätzung und Sichtbarmachung von herkunftsbedingter Mehrsprachigkeit 1 erweitert (vgl. R EIMANN 2016: 17). Viele Methoden der Mehrsprachigkeitsdidaktiken basieren auf dem Vergleich und der Abgrenzbarkeit verschiedener Einzelsprachen voneinander und verorten sich auf der Ebene des Unterrichtsgegenstands, etwa Interkomprehension, Sprachreflexion/ -bewusstheit, Sprach-/ Kulturvergleiche, Strategientraining etc. Auf der Ebene der Unterrichtskommunikation schlagen die Curricula eine Funktionale Einsprachigkeit (vgl. bspw. N IEDERSÄCHSISCHES K ULTUSMINISTERIUM 2017) vor, welche zwar auf dem Konzept von B UTZKAMM (1978) basiert, jedoch wenig erforscht bleibt. C ASPARI / S CHÄDLICH (2020) betonen allerdings, dass zu einer reflektierten Mehrsprachigkeit gehört, Sprache auch als Mittel, auf der Ebene des 1 Der Begriff wird in diesem Beitrag synonym zum Konzept der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit verwendet. Damit gemeint ist, dass die Lebenswelt jener Personen, durch mehr als die Sprache der Mehrheitsgesellschaft auszeichnet und bei allen in diesem Beitrag vorkommenden Personen an die Migrationsgeschichte der Familie geknüpft ist. Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 91 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 Unterrichtsdiskurses, erlebbar zu machen. Dies geschieht durch Sprachmittlung, Unterrichtssprachen, Aushandlungsprozesse und die jeweilige Fehlerkultur und ist nicht immer explizit, sondern auch transversal bzw. unterliegend (vgl. ebd., 44). Die Überlegungen von C ASPARI / S CHÄDLICH (2020) sind dabei sehr anschlussfähig an die Arbeiten von G ARCÍA / W EI (2014), welche mit dem Konzept Translanguaging Sprache ebenfalls als eine Praktik, als ein languaging, jenseits der named languages begreift. G ARCÍA (2009) kritisiert auch in ihren früheren Arbeiten schon Ideologien, welchen ein additives Verständnis von Mehrsprachigkeit zugrunde liegt. In diesen Unterrichtssettings werden Sprachen sauber voneinander abgegrenzt, wobei Mehrsprachigkeit zwar als Bereicherung angesehen wird, allen Sprachen allerdings eine einsprachige Ideologie zugrunde liegt: „L1 + L2 = L1 + L2“ (ebd.: 119). Dieses Verständnis von Sprachaneignung kritisiert nicht nur García in den USA, sondern auch H ELLER (1999: 271) in Kanada und bezeichnet es als „parallele Einsprachigkeit“. Ähnliches wird im deutschen Kontext „multiple[r] Monolingualismus“ (M ARX 2014: 9) oder „mehrfach monolingualer Habitus“ (G REIN 2020: 144) genannt. Diese Ideologie wird besonders von den sprachlichen Fächer selbst perpetuiert, „die nach Einzelsprachen benannt sind und sich in der Regel nur auf diese jeweilige Sprache beziehen“ (ebd.: 126). 3. Empirie: Mehrsprachigkeitsrelevante Verben 3.1 Grounded Theory: Theoretisch und angewandt Die hier vorgestellte Studie zielt darauf zu untersuchen, wie Referendar*innen über Mehrsprachigkeit sprechen. Dabei wird eine Heuristik vorgeschlagen, bei der auf Verben fokussiert wird, welche im Kontext von Mehrsprachigkeitsdidaktik verwendet werden, etwa die Verben einbringen, zurückgreifen, verweisen. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Analyse der Verben wichtige Erkenntnisse über explizierbare Annahmen der Referendar: innen zu Mehrsprachigkeitsdidaktik und ihren unterrichtlichen Praktiken elizitiert werden können. Die Studie ist Teil eines größeren Projekts zur Sprachlichkeit im Vorbereitungsdienst, welches ethnographisch und theoriegenerierend von der Datengewinnung, über die Analyse bis hin zur Interpretation mit der Grounded Theory Methodology arbeitet. Dabei wird sich grundsätzlich und terminologisch an C ORBIN / S TRAUSS (2008) orientiert. Die konstruktivistische Herangehensweise von C HARMAZ (2021), welche die zeitliche und soziale Situiertheit der Forschenden stärker berücksichtigt, spielt in späteren Publikationen des Projekts eine Rolle. Es wurden im Verlauf des Jahres 2023 zwölf Interviews mit Referendar*innen der Fächer Französisch und/ oder Spanisch zweier Bundesländer geführt. Sie unterrichten fast alle an Gymnasien und verfügen selbst über sprachliche Repertoires, die von deutlich mehr Sprachen als der Zielsprache ihres Unterrichts und dem Deutschen geprägt sind: Einige sind auch Englischlehr*innen und/ oder sprechen lebensweltlich Russisch, Polnisch oder Siebenbürgisch-Sächsisch. Viele haben in ihrer Schulzeit oder 92 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 später in der Freizeit noch weitere romanische Sprachen erlernt und haben ein großes Interesse an weiteren Sprachen. Eine maßgebliche Säule der Grounded Theory Methodology (GTM) bildet das Herausragen der Analyseeinstellung über den Inhalt hinaus. Nicht nur das, was die Referendar*innen sagen wird untersucht, sondern auch, wie sie dies tun. Es geht also in diesem Beitrag um das sprachliche Handeln auf doppelter Ebene: Wie handeln die Referendar*innen sprachlich, um ihre sprachlichen Praktiken im Unterricht zu benennen und zu erklären? Dabei ist interessant, wie die Fragen der Interviewerin verstanden werden, ob die interviewten Personen etwa Fragen ausweichen, aber auch einzelne Wörter können in den Fokus rücken. Beispielsweise deutet die siebenmalige Verwendung des Worts „natürlich“ daraufhin, dass die Referendarin namens Jennifer 2 ein geteiltes Wissen mit der Interviewerin voraussetzt und Funktionale Einsprachigkeit somit als eine Selbstverständlichkeit darstellt: Ok ähm (..) natürlich den größten Teil ähm (.) also natürlich in erster Linie geht es darum, das Kommunizieren auf Französisch zu fördern. Das ist natürlicham wichtigsten ist natürlich denen Französisch beizubringen wie man gewisse Situationen auf Französisch bewältigt. Das ist in der Oberstufe einfacher. Sie haben halt schon einen größeren Wortschatz und ihre Strategien, wie sie mit der Sprache umgehen, ähm da kann man ihnen mehr Situationen geben, man kann freier planen. Natürlich jetzt in der 7. Klasse, wo ich jetzt unterrichte, ist es natürlich schwieriger mit der Einsprachigkeit. Ähm da sprechen wir teilweise noch Deutsch ähm, also Deutsch ist wichtig dafür. Aber ich versuche es ihnen schondie meisten Sachen jetzt auch auf Französisch zu sagen. Sie antworten natürlich noch sehr viel auch auf Deutsch (Jennifer: 160). 3 Dieser Datenauszug dient als Beispiel für die Bedeutung des Wie. Gleichzeitig verdeutlicht er noch einen weiteren Grundstein der GTM: Das breite und explorative Forschen an einem Untersuchungsgegenstand. So stand am Anfang dieses Projekts lediglich fest, dass der Untersuchungsbereich das Referendariat und grob das Thema Mehrsprachigkeit sein sollte. Dass hierzu aber auch der Umgang mit der Zielsprache und dem Deutschen zählen muss, da dieser bestimmte Implikationen für den Umgang mit weiteren Sprachen bereithält, zeigt erst der obige sowie weitere Datenauszüge. Mithilfe des dreischrittigen Kodierverfahrens (vgl. C ORBIN / S TRAUSS 2008: 87) wurden zunächst alle Verben als in-vivo-Kodes offen kodiert und anschließend beim axialen Kodieren zueinander ins Verhältnis gestellt. Daraufhin erfolgte die Bildung zweier Schlüsselkategorien, welche sich gegenseitig bedingen und das zentrale Ergebnis dieses Beitrags darstellen. Sie werden in den folgenden beiden Unterabschnitten dargestellt: 2 Alle Namen stellen Pseudonyme dar. 3 Die wichtigsten Regeln der Transkription sind die folgenden: • kursiv: wörtliche Rede wird imitiert; • (..): Pause, die Anzahl der Punkte steht hierbei für die Länge der Pause in Sekunden; • Unterstreichung: Betonung des Wortes; • grau: nachträgliche Hervorhebung für diesen Beitrag. • Die Ziffern (Jennifer: 160) beziehen sich auf Absätze, nicht auf Zeilen- oder Seitenangaben. Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 93 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 Schlüsselkategorie a) Monolinguale Norm als Mittel im Fremdsprachenunterricht Schlüsselkategorie b) Mehrsprachigkeit als Gegenstand zur Förderung der Zielsprachenorientierung Zugehörige Kodes: 1. Einhaltung der monolingualen Norm als Kraftakt 2. Monolinguale Norm + X 3. Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte 4. Lernende als Reproduzent*innen Zugehörige Kodes: 5. Mehrsprachigkeitsdidaktik als nützliches Werkzeug hin zur Zielsprachenorientierung 6. Einbinden, einbeziehen, reinnehmen: Mehrsprachigkeitsdidaktik als etwas dem Fremdsprachenunterricht nicht Inhärentes 7. Sprachen als abgrenzbare, abgeschlossene Einheiten 8. Lehrpersonen als Initiator*innen der Mehrsprachigkeitsdidaktiken 9. Mehrsprachigkeitsdidaktik als Strategienlernen 10. Verben der Bewegungsrichtung Tab. 1: Kategoriensystem mit Schlüsselkategorien und den dazugehörigen Kodes 3.2 Monolinguale Norm als Mittel im Fremdsprachenunterricht Wie der Datenauszug oben gezeigt hat, ist die monolinguale Norm, welche in den Interviews in Form von funktionale Einsprachigkeit auftritt bzw. als diese benannt wird, „natürlich“ (Jennifer: 160) der zentrale Fluchtpunkt im Französisch- und Spanischunterricht. Wird davon ausgegangen, dass Sprache im Fremdsprachenunterricht Mittel und Gegenstand zugleich ist (Abschnitt 2), so verortet sich die monolinguale Norm v. a. auf der Ebene des Mittels, der Kommunikation. Der erste Kode wurde Einhaltung der monolingualen Norm als Kraftakt genannt. Die Verben, welche verwendet werden, um dies zu beschreiben, machen den Eindruck, dass es einer Anstrengung bedarf, die vom Curriculum sowie Studienseminar geforderte Einsprachigkeit einzuhalten. 1. Kode: Einhaltung der monolingualen Norm als Kraftakt drauf achten drillen durchführen durchziehen vermischen einhalten ermahnen herausrutschen trainieren triezen Tab. 2: Darstellung des 1. Kodes Einhaltung der monolingualen Norm als Kraftakt mit zugehörigen Verben Besonders in Hinblick auf die anstehenden Unterrichtsbesuche, bei denen mindestens der*die Fachausbilder*in und oftmals auch andere Lehrkräfte, Schulleitung, weitere Referendar*innen und der*die pädagogische Ausbilder*in den Unterricht beobachten, werden Verben verwendet, die eher an militärische Übungen als an handlungsorien- 94 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 tierten Fremdsprachenunterricht erinnern. Etwa trainieren (Carolin: 179), triezen (Nadine: 266), voll drauf achten (Johanna: 221) oder drillen: Ich habe einen Kurs übernommen, der sehr schlecht in Spanisch war, die hatten vorher nicht viel gemacht und ich musste die jetzt irgendwie drillen für meinen UB, der anstand, sag ich mal (Jana: 112). Und ähm versuche dann immer wieder auf Spanisch zu gehen, auch so Richtung UpP, sage ich mal, versuche ich die mehr aufs Spanische zu drillen tatsächlich (Jana: 164). Hier zeigt sich, dass die Unterrichtbesuche (UBs) als Brennglas der monolingualen Norm fungieren: Was im alltäglichen Unterricht bereits als Norm gesetzt ist, muss im Unterrichtsbesuch, und besonders in der Abschlussprüfung (Unterrichtspraktische Prüfung, UpP), in Perfektion zutage treten. Darauf werden die Schüler*innen akribisch vorbereitet, um das Eingeübte als „perfektes Theaterstück“ (Carolin: 179) zu reproduzieren. Werden andere Sprachen auf der Ebene der Sprache als Mittel verwendet (besonders andere Sprachen als die Zielsprache oder Deutsch), was aus mehrsprachigkeitsdidaktischer Perspektive zu begrüßen sein könnte, werden die Schüler*innen oder Lehrkräfte sanktioniert, hier mit den Verben ermahnen und herausrutschen ausgedrückt: […] tatsächlich, eshatte ich jetzt gerade erst äh gestern, gestern den Fall. Ich habe zwei Mädels in meinem Spanischkurs, die […] sind beide wohl ziemlich gut in Englisch und sind in einer Tour am Quatschen auf Englisch. […] Ich muss sie wirklich, wirklich ermahnen aufzuhören, was mir super schwer fällt, weil ich natürlich Englisch liebe, das heißt, sie zu ermahnen, Englisch zu sprechen, was ich eigentlich mega toll finde, ist super, super schwierig und ein anderer Aspekt ist für mich selbst: Mir rutschenalso was heißt mir rutschen raus? Ich meine, das kann mir ja rausrutschenich benutze sehr häufig englische Phrasen auch mal irgendwie, dass ich auch mal im Spanischunterricht irgendwie sage: alright. Weil ich einfach, ne, wenn man zwei Sprachen vermischt, dann ist das irgendwie ähm, dann ist das irgendwie so (Lisa: 242-246). Der abgebildete Datenauszug zeigt, wie die Referendarin Lisa mit den konfligierenden Normen umgeht. Einerseits begrüßt sie (auch als Englischlehrerin) das Sprechen der Schüler*innen auf Englisch und ihr fällt auf, dass ihr eigener Sprachgebrauch ebenfalls nicht streng monolingual geprägt ist. Weitere Äußerungen „also was heißt mir rutschen raus? Ich meine, das kann mir ja rausrutschen“ und „dann ist das irgendwie so“ deuten auf ein (möglicherweise universitär gelerntes) Verständnis hin, was sich für translinguale Praktiken ausspricht. Andererseits muss sie die Schüler*innen ermahnen und die eigenen translingualen Praktiken dürfen, nur unbewusst (herausrutschen) und nicht geplant, Eingang in den Unterricht finden. Der zweite Kode Monolinguale Norm + X umfasst alle Verben, die signalisieren, dass die monolinguale Norm auf der Ebene der Sprache als Mittel von weiteren semiotischen Ressourcen gestützt wird. So erfordern die Unterrichtssprachen Französisch/ Spanisch besonders in den unteren Jahrgängen eine verstärkte Arbeit mit körperlicher Sprache (mittlerer Spalte) sowie eine Gestattung des Deutschen als (imaginierte) Sprache des gemeinsamen Verstehens (rechte Spalte): Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 95 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 2. Kode: Monolinguale Norm + X gestikulieren Kopf schütteln mit Mimik und Gestik arbeiten erklären verdeutlichen vermitteln agieren ankündigen einbauen reduzieren einfordern beschleunigen erziehen abweichen zurückgehen zurückgreifen eine Erklärung zurückgeben Scherze machen ein Machtwort sprechen Tab. 3: Darstellung des 2. Kodes Monolinguale Norm + X mit zugehörigen Verben Ein Auszug, der den Einsatz nonverbaler Sprache demonstriert, ist der folgende: Ich versuche in meiner siebten Klasse eben so gut es geht auf Spanisch zu sprechen und gestikuliere dazu wild und bin dann eigentlich der Meinung: Ok, das sollte jetzt mit meinen Bewegungen auch wirklich jeder verstehen (Vanessa: 271). Die Verben, welche sprachliche Praktiken im Deutschen beschreiben (rechte Spalte, Abbildung 3), zeigen genau, in welchen Kontexte diese Sprache erlaubt ist: Sie ist gestattet, um zurechtzuweisen und zu mahnen (erziehen, ein Machtwort sprechen) oder um Humor auszudrücken und die Beziehung zu den Schüler*innen zu stärken: Weil ich das Gefühl habe, dass man doch nochmal lockerer sein kann, Scherze machen kann, wenn man eben in der Muttersprache agiert. Da ist irgendwie noch mehr Raum für sowas und in den Fremdsprachen, da wird das halt nicht unbedingt verstanden (Julia: 135). Mit „Muttersprache“ ist hier das Deutsche gemeint, welche als Erstsprache aller imaginiert wird; anders würden die Schüler*innen Julias Scherze nicht verstehen. Diesen Schluss ziehen viele Referendar*innen und greifen „auf die deutsche Sprache zurück“, um Dinge zu „beschleunigen“ (ebd.), Arbeitsanweisungen oder Grammatik zu „erklären“ (Carolin: 171; Nadine: 250) oder zu „verdeutlichen“ (edb.). Dabei fällt auf, dass Grammatik immer wieder als der Anlass gilt, um Deutsch zu sprechen. Insgesamt fällt bei beiden bislang vorgestellten Kodes auf, dass oftmals die Lehrpersonen die sprachlich handelnden Personen sind. Sie führen durch, kündigen an, agieren, beschleunigen oder reduzieren. Dies liegt natürlich einerseits an der Interviewsituation und den ihnen gestellten Fragen. Andererseits wird durch diese Entdeckung in den Daten die Frage aufgeworfen, was die Schüler*innen eigentlich tun. Sie treten im Kode Monolinguale Norm + X nur zweimal auf: einfordern und zurückgehen. Die Referendarin Jana „muss halt da jetzt schauen, dass die nicht immer wieder das auch einfordern, dass ich es auf Deutsch halt wiederhole“ (Jana: 164) und Julia erzählt von einer Gruppenarbeit, bei der 30 oder 40 % der Schüler*innen Französisch sprechen „und die anderen gehen dann eher zurück ins Deutsche“ (Julia: 115). Diese Auszüge zeigen einerseits, dass laut Interview eher die Lehrkräfte im Unterricht sprechen als ihre Schüler*innen, diese kommen am ehesten in einer Gruppenarbeit zu Wort. Andererseits wird einer der Pole in der konfligierenden Norm der Einsprachigkeit aufgemacht: Die Schüler*innen wollen (oder können noch) nicht. Sie sprechen lieber Deutsch, was im Konflikt mit den Vorgaben der bildungspolitischen Vorgaben und den fachdidaktischen Normen im Studienseminar steht. 96 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 Um diese Beobachtung weiter in den Fokus zu rücken und durch weitere Verben zu bestätigen, zu erweitern oder zu verwerfen, wurde die Analyse (entsprechend dem iterativen Vorgehen der GTM) um zusätzliche Verben erweitert, die zunächst harmlos und unbedeutend aussahen: sprechen, sagen, reden. Sie treten in allen Interviews sehr häufig auf. Allerdings fällt unter der Lupe des wer spricht? auf, dass sie nur von den Referendar*innen selbst, d. h., in Bezug auf ihr eigenes Sprechen, verwendet werden. Dies ließ den dritten Kode Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte entwickeln. 3. Kode: Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte sagen sprechen reden vormachen zutexten Tab. 4: Darstellung des 3. Kodes Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte mit zugehörigen Verben Die Referendar*innen sprechen, sagen, reden und texten sogar zu, was diesen Kode zuspitzt und bestätigt: […] natürlich sollen die dahin geführt werden immer mehr selber Französisch zu reden und auch, sich daran zu gewöhnen, dass ich eigentlich ausschließlich Französisch rede, aber es wirkt auch schnell demotivierend. Ich merke das gerade in der 8. Klasse, ich hab nur Doppelstunden bei denen, wenn ich die jetzt 90 Minuten auf Französisch zutexte, und klar der Unterricht soll nicht so lehrerzentriert grundsätzlich sein, aber trotzdem gerade in der 8. Klasse bin ich schon als Person noch sehr gefordert, die ein oder andere Erarbeitungsphase zu lenken ähm, da ja spreche ich dann doch noch relativ viel auf Deutsch, mach aber so alles was möglich ist auf Französisch (Laura: 63). Hier wird erst „natürlich“ auf die Norm der funktionalen Einsprachigkeit eingegangen, um im direkten Anschluss Probleme und Beispiele zu nennen, für die von der Norm abgewichen wird, hier die Doppelstunden und der erst vor Kurzem begonnene Fremdsprachenunterricht. Darüber hinaus tritt eine weitere Norm zum Vorschein, die Schwierigkeiten verursacht: „der Unterricht soll nicht so lehrerzentriert“ sein. Betrachtet man jedoch, wer spricht, wird deutlich, dass der Unterricht nicht nur von Einsprachigkeit geprägt ist oder geprägt sein soll, sondern dass diese von der Lehrkraft durchgesetzt wird, sie lenkt. Dass dies aber auch bedeutet, dass die hauptsächlichen Redeanteile bei dieser Personengruppe liegen, scheint unerwartet, ist Lernendenorientierung doch bereits seit Jahren ein gängiges Prinzip im fachdidaktischen Diskurs. Was die Schüler*innen also in diesem Unterricht machen, wurde in einem weiteren Kode gesammelt, der sich komplementär zum letzten Kode Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte konzeptionalisiert: Lernende als Reproduzent* innen. Die folgenden Verben zeigen, welche Praktiken die Schüler*innen im Fremdsprachenunterricht vornehmen: Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 97 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 4. Kode: Lernende als Reproduzent*innen Ausnahme: „Muttersprachler“ verstehen checken (sollen) Vokabeln lernen (sollen) nennen konjugieren wiederholen wird zu Rate gezogen auswendig lernen üben reproduzieren anwenden hinkriegen erklären lassen Input bekommen übersetzen nachmachen sich trauen abfeiern Tab. 5: Darstellung des 4. Kodes Lernende als Reproduzent*innen mit zugehörigen Verben Die Auflistung der Verben in der Tabelle zeigt, dass den Schüler*innen vor allem reproduzierende, passive und rezeptive Praktiken zugewiesen werden. Mit Abstand am häufigsten tritt das Verb verstehen auf, als Gegenstück zu den oben genannten produktiven Fertigkeiten, die von den Lehrkräften ausgeübt werden. Zwei Referendar*innen verwenden auch häufiger das umgangssprachlichere checken, möglicherweise um eine altersbezogene Nähe zur Interviewerin zu signalisieren oder um Emotionalität zu äußern. Kaum ein Verb erinnert an einen aufgabenorientierten Unterricht, in dem die Schüler*innen selbst denken, entdecken und lernen. Eher scheinen formorientierte Vorstellungen von Fremdsprachenunterricht durch, in denen auf Grammatik (konjugieren) und Wortschatz (Vokabeln lernen) fokussiert wird. Auch hier bestätigt sich der obige Kode, der Lehrpersonen als aktive und sprechende Subjekte rekonstruiert: Die Schüler*innen erhalten einen Input von ihnen, sollen ihnen nachmachen. Die Verben nennen, auswendig lernen, wiederholen, reproduzieren und üben klingen dabei nicht nach kreativen, autonomen Tätigkeiten, sondern nach einer Wiedergabe des Gelernten. Eine Ausnahme scheint jedoch zu bestehen - sog. „Muttersprachler*innen“: […] wir haben halt in einem Kurs einen, der ist halt Muttersprachler. Also er hat meiner Meinung nach jetzt kein muttersprachliches Niveau, aber der ist schon mehr oder weniger mit Spanisch aufgewachsen. Den zieh ich halt immer zu Rate. Also wenn ich dann versuche so induktiv Sachen zu erschließen oder vorzumachen, zum Beispiel so die Anwendung von gustar oder so, da sprech ich ihn dann erstmal so im Plenum an und frag ihn dann einfach so und die anderen können das dann so nachmachen (Felix: 170). Auch hier werden Lehrkraft und Schüler*innen mit dem Begriffspaar vormachennachmachen dichotomisiert. Der*die sog. Muttersprachler*in hingegen findet sich in keinem der beiden Pole wieder. Er wird als Berater oder Experte konstruiert (obgleich er den monolingual geprägten Erwartungen des Referendars an einen Mutterpsrachler nicht entspricht) und muss den anderen Lernenden den entdeckenden Teil des Unterrichts (induktives Lernen) abnehmen, sodass sie ihm nur noch nachmachen müssen. 98 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 3.3 Mehrsprachigkeit als Gegenstand zur Förderung der Zielsprachenorientierung […] bei mir in dem Kurs […] die hatten halt natürlich schon alle eine zweite Fremdsprache und ähm eigentlich ist es immer ganz witzig, weil die super oft ins Französische switchen und das dann auch oft so Französisch aussprechen und das ist halt voll der Gag zwischen uns, dass ich dann immer schon den Kopf schüttele und sage: Nein, kein Französisch! ((hält verzweifelt die Hände vor das Gesicht)) (Nadine: 254). Dieser Datenauszug aus dem Spanischunterricht verdeutlicht, dass Mehrsprachigkeit nur als Gegenstand metasprachlicher Reflexion gestattet ist. Kommt es zu einem tatsächlichen Sprechen in anderen Sprachen als der Zielsprache Französisch/ Spanisch und der (imaginierten) gemeinsamen Sprache (bildungssprachliches) Deutsch, wird dies (getarnt als Witz) unmittelbar und vehement versucht zu stoppen. Was genau die sprachlichen Praktiken sind, die zu einer Implementierung anderer Sprachen auf der Ebene des Gegenstandes führen, wird in diesem Abschnitt beschrieben. Die Schlüsselkategorie b) Mehrsprachigkeit als Gegenstand zur Förderung der Zielsprachenorientierung, welche hier ausgeleuchtet wird, greift insofern in die Schlüsselkategorie a), als sie Ausnahmen beschreibt, in denen mit der monolingualen Norm gebrochen werden darf: Wenn andere Sprachen helfen, um die Kenntnisse in der Zielsprache voranzutreiben, gilt ein Einbringen anderer Sprachen als sinnvoll. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik hat also den hauptsächlichen Zweck, die Zielsprachenorientierung zu flankieren. Anders als im vorherigen Abschnitt, wurde sich für die Darstellung als Wortwolke (siehe Abschnitt 3.3) entschieden, da diese auch die Häufigkeit der Verben durch die Schriftgröße abbilden kann. So wurde etwa einbringen insgesamt sechsmal in den Interviews verwendet; switchen dreimal. Abb. 1 Im Folgenden werden exemplarisch einige zugehörige Kodes (Nr. 5-8) beschrieben und die ihnen zugeordneten Verben analysiert. Der Kode 5 Mehrsprachigkeitsdidaktik als nützliches Werkzeug hin zur Zielsprachenorientierung, zu dem die Verben nutzen, benutzen und profitieren gehören, beschreibt am treffendsten den Kern der Schlüsselkategorie: Die Implementation anderer Sprachen dient nicht als Selbstzweck oder etwa zur Wertschätzung und Anerkennung mehrsprachiger Schüler*innen und ihrer sprachlichen Praktiken. Immer geht es um ein lernökonomisches Nutzbarmachen anderer Sprachen für das bessere Erlernen der Zielsprache: „da ist es dann einfach schön, wenn sie auch vom Englischen profitieren können“ (Luisa: 191). Der Kode 6 Einbinden, einbeziehen, reinnehmen: Mehrsprachigkeitsdidaktik als etwas dem Fremdsprachenunterricht nicht Inhärentes stellt (auch in der Häufigkeit ihrer Verwendung) einen Großteil der Verben dar, welche im Kontext von Mehrsprachigkeit in den Interviews verwendet werden: einbauen, einbringen, einbinden, einbeziehen, reinnehmen. Das Präfix einsuggeriert, dass es einen normalen Fremdsprachenunterricht gibt, in den die Mehrsprachigkeitsdidaktik erst hineingebaut werden muss. Diese Vorstellung erinnert an den erziehungswissenschaftlichen Diskurs um Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 99 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 Abb. 1: Verben der Schlüsselkategorie b) Mehrsprachigkeit als Gegenstand zur Förderung der Zielsprachenorientierung 4 das Verständnis von Inklusion im Gegensatz zu Integration: Während Inklusion davon ausgeht, dass jede Lerngruppe heterogen ist und somit ein gemeinsames Lernen befürwortet, meint Integration oftmals ein Einbinden von Schüler*innen, die vorher Teil eines Außen waren (vgl. G ROSCHE 2015: 23). Ähnlich wird die Mehrsprachigkeitsdidaktik externalisiert, obgleich sowohl lebensweltlich mehrsprachige Schüler*innen Teil des Fremdsprachenunterricht sind als auch die Lehrkräfte über vielfältige sprachliche Ressourcen verfügen. Auffällig ist allerdings, dass diese Verben oftmals verwendet werden, wenn die Referendar*innen besonders vage bleiben wollen oder eher ein Nicht-Stattfinden einer Mehrsprachigkeitsdidaktik beschrieben wird: Genau, so wie man es aus der Uni kennt, dass man auch andere Sprachen mit einbaut, wie zum Beispiel die Muttersprachen von Schülerinnen und Schülern, wenn die irgendwie eine andere Herkunft haben, das habe ich bis dato noch nicht gemacht, also bisher war es eher so schwimmen und versuchen klarzukommen und so ja im langfristigen Blick habe ich auf jeden Fall auch vor das irgendwie mit einzubauen (Julia: 111). Die Datenauszüge zeigen, dass der in der 1. Phase der Lehrer*innenbildung („wie man es aus der Uni kennt“) formulierter Anspruch an eine Mehrsprachigkeitsdidaktik im Vorbereitungsdienst nicht eingehalten wird. Es wird im Konjunktiv gesprochen (wäre, würde, sollte, könnte) und dann mit mangelnder Zeit und hohen anderen Anforderungen begründet. Der nächste Kode (Nr. 7) transportiert die Vorstellung von Sprachen als abgrenzbare, abgeschlossene Einheiten und ist sehr anschlussfähig an die zuvor formulierte 4 Die Wortwolke wurde mit Hilfe von MAXQDA 2022 erstellt. Da Leerzeichen und Sonderzeichen dazu führen, dass Wörter nicht zusammen abgebildet werden, wurde für ein orthographisch unkorrektes Zusammenschreiben der Wörter optiert, etwa intersprachlichArbeiten. Dasselbe gilt für VergleichePlusVerb, was für die drei Tokens Vergleiche ziehen, Vergleiche machen, Vergleiche kommen steht. 100 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 Interpretation, dass Mehrsprachigkeit und andere Sprachen etwas Externes sind, was es einzubinden gilt (oder auch nicht). Folgende Verben führten zu diesem Kode: switchen, Brücken bauen, Bezug nehmen, Link geben, Verbindung herstellen, Referenzen herstellen, verweisen, anknüpfen, Parallelen entdecken, Vergleiche + Verb, vergleichen. Die Daten zeigen, dass Sprachen nicht als vernetzte Ressource oder Teil eines Repertoires gedacht werden, sondern die Vorstellung additiver Mehrsprachigkeit vorherrscht: Sprachen werden isoliert voneinander gedacht und zunächst einmal getrennt voneinander gelernt. Man kann zwischen ihnen hin und her switchen, vermischen sollte man sie aber nicht, wie der Auszug aus Lisas Interview weiter oben (Kode 1) zeigte. Dieser Kode (Nr. 7) ist von einer sehr metaphorischen Sprache geprägt, die oftmals aus dem Bereich des Digitalen stammt (switchen, Verbindung, Link, Referenz herstellen) und darauf verweist, dass getrennte (und auch oft weit entfernte) Entitäten miteinander interagieren, wie hier bei der Englisch- und Spanischreferendarin Clara: Ich versuche, dadurch, dass ich zwei Sprachen unterrichte, da häufig Verbindungen herzustellen, also gerade so dadurch, dass ich auch ähm in meinem 11er Englischkurs, weil ich hab dieich weiß, dass die Spanisch belegen in der 11, da häufig ähm Referenzen herstelle (Clara: 231). Die Verben zeigen, dass Sprachen in der Vorstellung der Referendar*innen named und countable sind. Eine Verbindung ist jedoch per se nichts Schlechtes, was u. a. auch die im Bereich der Interkulturellen Bildung verwendete Metapher des Brückenbauens (vgl. Jana: 264) zeigt. Der letzte hier vorgestellte Kode ist 8 Lehrpersonen als Initiator*innen der Mehrsprachigkeitsdidaktiken. Auch hier ist aufgefallen, dass die meisten Verben die sprachlichen Praktiken der Lehrkräfte, nicht die der Schüler*innen erfassen. Kode 8 bestätigt daher Kode 3 Lehrpersonen als handelnde/ sprechende Subjekte und Kode 4 Lernende als Reproduzent*innen. Die lehrkraftseitigen Praktiken umfassen in Kode 8 erinnern, klar machen, aufmerksam machen, thematisieren, anregen, hinweisen. Die lernendenseitigen Praktiken sehen hingegen sehr unterschiedlich aus: Sie müssen zwar annehmen (vgl. Vanessa: 143), was die Lehrerin sagt oder dies üben (Jennifer: 184). Sie stellen jedoch auch Vergleiche zu anderen Sprachen her, zumeist zu schulischen Fremdsprachen (Englisch oder Französisch), was oftmals neutral gewertet wird (vgl. Carolin: 239, Jana: 268, Laura: 122), teilweise werden sie aber auch davon abgebracht „Nein, kein Französisch! “ (Nadine: 254) oder ihre Kenntnisse, hier in Bezug auf die Herkunftssprache Türkisch, werden abgetan, belächelt („Die wissen natürlich die ganzen Zusammenhänge sprachlich gar nicht.“ (Johanna: 285 )) und je nach ihrer Nutzbarkeit für den*die jeweilige*n Lerner*in wertgeschätzt: „Ist ja gut für dich, dann muss du eine Vokabel weniger lernen“ (Johanna: 289). Hier wird auch deutlich, dass herkunftsbedingte Mehrsprachigkeit nicht als Lerngelegenheit für die gesamte Lerngruppe angesehen wird, sondern schnell und individuell abgehandelt wird. Laura (59) formuliert die Erwartungshaltung, dass die Schüler*innen selbst zuständig dafür sind, ihre Herkunftssprachen einzubringen: „[D]iese Schülerin macht Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 101 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 aber auch keine Anstalten ihre Muttersprache mit einzubringen“. Die Beispiele zeigen, dass sich die Lehrkräfte oftmals als Initiator*innen einer Mehrsprachigkeitsdidaktik inszenieren, welche fast ausschließlich auf Grammatik- und Wortschatzvergleichen zwischen anderen schulisch erlernten Sprachen basiert. Nur selten wurden die Schüler*innen so „trainiert“, dass sie „automatisch“ (Carolin: 239) den Transfer zu schulischen Fremdsprachen herstellen. Eine Anerkennung der lebensweltlichen Sprachen der Schüler*innen ist jedoch oftmals nicht gegeben, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass auch die Lernenden in Bezug auf Sprache als Gegenstand selbst fast ausschließlich auf die schulisch gelernten Prestigesprachen rekurrieren. 4. Diskussion und Fazit Durch die vorgeschlagene Heuristik konnte herausgearbeitet werden, dass Mehrsprachigkeit aus Sicht der interviewten Referendar*innen zwar prinzipiell Platz im Ausbildungskontext finden kann, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: Sie wird im Unterricht ausschließlich auf der Ebene des Gegenstandes (Sprechen über Sprache), also auf einer Metaebene besprochen, die oftmals durch eine Frage auf Deutsch, z. B. im Spanischunterricht „Ah, wie ist das denn auf Französisch? “(Nadine: 254), eingeleitet wird. Zudem gelten Referenzen zu anderen Sprachen nur dann als wertvoll, wenn sie zum besseren Lernen der Zielsprache verhelfen. Auf der Ebene des Mittels bzw. der Kommunikation (Sprechen in einer Sprache) besteht der Druck, besonders in Bezug auf Prüfungs- und Beobachtungssituationen, ausschließlich in der Zielsprache zu sprechen. Es gibt allerdings genauestens abgesteckte Situationen und Bereiche, in denen Deutsch als (imaginierte) Sprache des gemeinsamen Verstehens geduldet wird, etwa bei der Vermittlung von Grammatik, bei der Besprechung organisatorischer Fragen oder in Bezug auf Humor und Zurechtweisungen. Sobald andere Sprachen in die Kommunikation einbezogen werden, sogar schulische Prestigesprachen wie Englisch oder Französisch, folgen Sanktionen, was zu einer Engführung der Mehrsprachigkeitsdidaktik auf Wortschatz- und Grammatikarbeit führt. Dies zeigt, dass die monolinguale Norm den Referendar*innen als Referenzpunkt dient. Diese sieht sich durch lernökonomische Sprachvergleiche bestätigt und nicht bedroht. Ein weiterer Grund gegen die Implementierung einer umfassenden Mehrsprachigkeitsdidaktik könnte das Festhalten an überholten Sprachlerntheorien sein (time-on-task- Hypothese), welches mit der monolingualen Norm und einem additiven Verständnis von Mehrsprachigkeit einher geht. Auch der Druck, im Referendariat beobachtet und benotet zu werden, „so viele Schrauben [zu haben], an denen man irgendwie drehen muss“ (Julia: 111), sowie nicht zu wissen, ob die Ausbilder*innen und betreuenden Lehrkräfte Mehrsprachigkeitsdidaktiken begrüßen (vgl. Nadine: 262), führen zu einem Ausbleiben mehrsprachiger Praktiken. Unklar bleibt die Bedeutung der Mehrsprachigkeitsdidaktiken an den Studienseminaren und unter den Ausbilder*innen, was in Folgestudien untersucht werden sollte. Sprachideologisch hat G ERLACH (2023: 55) bereits eine Orientierung am Native Speaker-Ideal, eine Gleichsetzung von Aus- 102 Patricia Louise Morris DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 54 • Heft 1 landsaufenthalten mit guten Sprachkompetenzen, bei gleichzeitiger Unterbeleuchtung fremdsprachenspezifischer Didaktiken (wozu auch die Mehrsprachigkeitsdidaktiken gehören), in den Fachseminaren des Vorbereitungsdienstes herausgearbeitet. Außerdem besteht ein Desiderat darin die tatsächlichen sprachlichen Praktiken im Unterricht der Referendar*innen zu untersuchen, was mithilfe von ethnographischen Daten Gegenstand von Folgebeiträgen ist. Die Empirie wirft jedoch auch Fragen auf, welche über die Mehrsprachigkeitsdidaktik hinausreichen. Trotz jahrzehntelanger Bestrebungen, Schüler*innen stärker in den Fokus zu rücken und ihre kommunikativen Fähigkeiten im Fremdsprachenunterricht zu fördern, scheint noch immer ein lehrer*innenzentrierter Unterricht durch. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, wie Referendar*innen zu ihren Praktiken gelangen und was in den beiden Phasen der Lehrer*innenbildung geschieht. Wenn berichtet wird, dass die Referendar*innen am Studienseminar mit einer Ablehnung der Inhalte des Studiums empfangen werden, überrascht es nicht, dass sie selbst auch diese Erzählung übernehmen und ihr Studium als unbrauchbar bezeichnen: […] das wurde uns auch direkt von Beginn an gesagt. Also das, was wir im Studium gelernt haben, dass wir das quasi erstmal beiseite packen können […], dass es sehr widersprüchlich ist und dass wir da jetzt wirklich von, von 0 sozusagen anfangen. Also die letzten […] 5 Jahre waren, ja, jetzt nicht unbedingt brauchbar, vor allem die letzten Jahre. Ja genau, das war äh ja direkt in der Einführungswoche Ende Januar 2023. Da wurde das äh genau so formuliert (Luisa: 39). Gleichzeitig: Da jedoch anhand der Aussagen der Studienteilnehmenden nicht einmal diese gängigen Prinzipien (Lernendenorientierung, Aufgabenorientierung) nachhaltig Einzug in den Unterricht gefunden zu haben scheinen, überrascht es weniger, dass die Mehrsprachigkeitsdidaktik in der beschriebenen Praxis auf einer metasprachlichen, formorientierten Ebene verharrt, obgleich in den meisten Interviews zum Vorschein kommt, dass Mehrsprachigkeitsdidaktiken aus dem Studium bekannt sind. Das Ernstnehmen und die Ausrichtung des Unterrichts auf die Lernenden, welche sich auch in einer Umverteilung der Redeanteile zeigen sollte, kann aber auch als Voraussetzung für mehrsprachiges Sprechen verstanden werden: Wenn insgesamt keine gemeinsame, inhaltliche Aushandlung, sondern ein Vormachen-Nachmachen stattfindet, kann auch keine kommunikativ relevante Mehrsprachigkeitsdidaktik stattfinden. Literatur B ENHOLZ , Claudia / R EIMANN , Daniel / R ESCHKE , Maren / S TROBL , Jan / V ENUS , Theresa (2017): „Sprachbildung und Mehrsprachigkeit in der Lehrerbildung - eine Befragung von Lehramtsstudierenden des Zusatzzertifikats „Sprachbildung in mehrsprachiger Gesellschaft“ an der Universität Duisburg-Essen“. In: Zielsprache Deutsch 1, 5-36. B UTZKAMM , Wolfgang (1978): Aufgeklärte Einsprachigkeit. Zur Entdogmatisierung der Methode im Fremdsprachenunterricht. Heidelberg: Springer. C ASPARI , Daniela / S CHÄDLICH , Birgit (2020): „Sprechförderung im Französischunterricht als Teil Einhalten einer monolingualen Norm und Einbringen von mehrsprachigen Ressourcen 103 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0007 einer mehrsprachigkeitssensiblen Sprachbildung“. In: K ÜSTER , Lutz (Hrsg.): Prendre la parole. Reflexive und übende Zugänge zum Sprechen im Französischunterricht. Hannover: Friedrich, 37-49. 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Perspektiven für eine neue LehrerInnenbildung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 148-176. 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0008 Susanne G ÜNTHNER , Juliane S CHOPF , Beate W EIDNER (Hrsg.): Gesprochene Sprache in der kommunikativen Praxis. Analyse authentischer Alltagssprache und ihr Einsatz im DaF-Unterricht. Tübingen: Stauffenburg 2021, 422 Seiten [64 €] Der sich aus dem globalen Leitziel des Fremdsprachenunterrichts ergebende Bildungsauftrag, Lernende zur kompetenten Bewältigung interkultureller Kontakt- und Begegnungssituationen zu befähigen, bedeutet auch immer, sie auf mündliche Kommunikation in Realsituationen vorzubereiten. Will der Fremdsprachenunterricht diesem Anspruch gerecht werden, so wird er die gesprochene Sprache zum Lerngegenstand erheben müssen. Diese Einsicht hat sich im DaF- Bereich schon vor geraumer Zeit durchgesetzt; einzig die Frage nach der didaktischen Auswahl, Reduktion, Stufung und Transformation von Wissens- und Erkenntnisbeständen der Gesprochenen-Sprache-Forschung für den DaF-Unterricht gehört zu den kontroversen Diskussionslinien. Es ist dieses, nicht nur für die DaF-Praxis, sondern auch für die Didaktik der romanischen Sprachen relevante Thema der Vermittlung der gesprochenen Sprache, das den Rezensenten zu dem Unterfangen verleitet hat, sich zu diesem Werk zu äußern. Dabei ist die Rezension aus der Perspektive des romanistischen Fremdsprachendidaktikers verfasst und erhebt nicht den Anspruch, autoritativ über die Relevanz und Qualität des Werkes für den DaF-Bereich zu urteilen. Stattdessen liegt der Fokus auf der Frage, welche Implikationen die im Band vorgestellten Ansätze zur Erforschung und Didaktisierung der gesprochenen Sprache für die Didaktik der romanischen Sprachen und die Unterrichtspraxis bereithalten können. In dem aus einer internationalen Tagung hervorgegangenen Sammelband diskutieren Sprachwissenschaftler und DaF-Praktiker an der Schnittstelle von Germanistischer Sprachwissenschaft, Deutschdidaktik und DaF-Praxis aus theoretisch-konzeptioneller und empirischer Sicht das gesprochene Deutsch und didaktische Szenarien zum Lehren und Lernen des Deutschen als Fremdsprache. Ziel des Bandes ist nicht nur die Vernetzung der Disziplinen, sondern vor allem auch die in vier Themenblöcken verhandelte Frage, welche Merkmale des gesprochenen Deutsch sich als Lerngegenstand eignen. Die im ersten Themenblock „Deutsch als Fremd‘kommunikation’ - Interaktionale Strukturen der Mündlichkeit und Ansätze ihrer Lernbarkeit“ (S. 25-99) vereinten Beiträge belegen die den DaF-Unterricht nach wie vor prägende Orientierung an der Schriftsprache. Für Südkorea dokumentieren Myung-Won C HOI und Wolfgang I MO zum einen anhand von Umfragen unter DaF-Lehrkräften und -lernenden und zum anderen am Beispiel von Lehrbuchtexten, dass das Deutschlernen stark an der schriftsprachlichen Norm ausgerichtet ist und gesprochene Sprache noch keinen nennenswerten Einzug in den DaF-Unterricht gehalten hat. Eine ähnliche Beobachtung macht Magdalena P IEKLARZ -T HIEN für die polnische Germanistik und den polnischen DaF-Unterricht, denen sie eine schriftsprachen- und normorientierte Auffassung einer homogenen Standardsprache bescheinigt. Sandro M. M ORALDO plädiert für eine stärkere Berücksichtigung von Variation und aktuellen Veränderungen der gesprochenen Sprache. Einen Fokus auf einen Teilaspekt gesprochener Sprache legt der Beitrag von Susanne G ÜNTHNER , in dem sie „Anredepraktiken in der Hochschulkommunikation“ von Dozenten und deutschen bzw. internationalen Studenten in den Blick nimmt und ein breites Spektrum von umgangssprachlichen bis zu distanzsprachlichen Anredeformen feststellt, die zum Anlass für die Sensibilisierung von DaF-Lernenden genommen werden sollten, die ein Auslandssemester an einer deutschen Hochschule absolvieren. B e s p r e c h u n g e n 106 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0008 54 • Heft 1 Die im zweiten Themenblock „Grammatische Besonderheiten des Gesprochenen Deutsch und ihre Vermittlung“ (S. 103-215) gruppierten Beiträge zeichnen sich durch den Brückenschlag zwischen korpusbasierter Sprachwissenschaft und Didaktik aus. So arbeitet Reinhard F IEHLER auf der Grundlage eines Gesprächsausschnitts zum Thema ‚Brot kaufen‘ die lautlichen, syntaktischen, lexikalischen und formulatorischen Merkmale des gesprochenen Deutsch im Kontrast zu den schriftsprachlich äquivalenten Sätzen heraus und liefert damit eine fundierte Grundlage, die für korpusbasierte Lehr-/ Lernszenarien zum Erwerb von Merkmalen der gesprochenen Sprache nutzbar gemacht werden können. Ulrike S CHRÖDER behandelt Modalpartikeln aus kognitiv-komparativer Sicht im Kontext ihres multimodalen realen Sprachzusammenhangs für den DaF-Unterricht an brasilianischen Universitäten. Mit der Analyse von Gesprächssequenzen über interkulturelle Erfahrungen von Austauschstudenten legt sie die kulturelle Konnotation von Modalpartikeln im Deutschen und brasilianischen Portugiesisch gut nachvollziehbar offen, die in didaktischer Hinsicht im Rahmen von korpusbasierten Übersetzungsübungen bewusst gemacht werden sollen. Yazgül Ş IMŞEK untersucht in ihrem Beitrag den von mehrsprachigen Jugendlichen mit Türkisch als L1 und Deutsch als L2 verwendeten Einsatz syntaktischer und prosodischer Strukturen als Ressource der Gesprächsorganisation und schlägt didaktisch gut durchdachte Übungen vor, die auf eine Sensibilisierung der DaZ-Lernenden für Variation, Registerunterschiede und Registermanagement zielen. Ebenfalls eine gelungene Verknüpfung von Korpuslinguistik und Didaktik nimmt Milicia L AZOVIĆ vor, die in ihrem Beitrag das funktionale Spektrum äußerungsfinaler Konstrukte mit didaktischen Modellierungen zu deren induktiven Vermittlung verbindet. Der dritte Themenblock fragt nach der Relevanz kommunikativer Gattungen bzw. sprachlicher Praktiken der Mündlichkeit für den DaF-Unterricht (219-312), wobei sich die hier versammelten Beiträge ebenfalls durch eine Verknüpfung korpusbasierter Sprachanalysen mit didaktischen Reflexionen auszeichnen. So zeigt Christian F ANDRYCH an Eröffnungssequenzen und subjektiv-argumentativen Positionierungen („ich finde“, „ich denke“) in wissenschaftlichen Vorträgen auf, dass formelle mündliche Praktiken durch einen hohen Grad an freier Formulierung und durch typische Merkmale der gesprochenen Sprache (Modalpartikeln, Diskursmarker) gekennzeichnet sind, so dass die Sprachdidaktik ihren Blick vom schriftsprachlichen hin zu sprechsprachlichen Wissenschaftsdiskurs insbesondere für ausländische Studenten erweitern muss. Eine weitverbreitete kommunikative Gattung nimmt Katharina K ÖNIG mit digitalen Sprachnachrichten (Korpus von WhatsApp-Chats) in den Blick, die sie hinsichtlich der Verwendung und Funktion von Diskursmarkern wie „genau“ und „ja/ joa“ untersucht. Unter Einbezug der Reflexion mediatisierter Mündlichkeit zeigt sie überzeugende didaktische Möglichkeiten der Integration von Diskursmarkern in den DaF-Unterricht auf. Marcella C OSTA rückt die Gattungen ‚Stadtführungen‘ und ‚Audioguides‘ in den Fokus und untersucht interaktionale Merkmale und Muster der gesprochenen Sprache dieses Diskursgenres, die sie in didaktischer Hinsicht für die Entwicklung einer diskursspezifischen Gesprächs- und Interaktionskompetenz für den Tourismussektor nutzbar machen möchte. Der Beitrag von José Javier M ARTOS R AMOS verortet sich im Bereich der sprachlichen Praktiken, indem auf der Grundlage von Interviews, die spanische DaF-Studenten mit deutschen Erasmusstudenten geführt haben, gesprächsorganisatorische und pragmatische Merkmale analysiert werden mit dem didaktischen Ziel, sprachliche Mittel der Gesprächsorganisation zu reflektieren und damit Phänomene der gesprochenen Sprache bewusst zu machen. Der vierte und letzte Themenblock legt den Schwerpunkt auf die didaktische Perspektive, indem „Ressourcen und Lehrmaterialien zur Vermittlung von interaktionalen Phänomenen im Unterricht“ (S. 315-420) verhandelt werden. Im ersten Beitrag präsentiert Susanne H ORST - MANN ein elaboriertes didaktisches Konzept für eine Lehrerfortbildung zur gesprochenen Spra- Besprechungen 107 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0008 che, das die fünf Blöcke 1. Kommunikation, 2. Sprechen, 3. Hören, 4. language awareness und 5. pragmatische Kompetenz umfasst. Viktoria F EDOROVSKAY und Wolfgang I MO stellen eine Unterrichtseinheit für die DaF-Fachkommunikation in der Medizin vor. Auf der Grundlage konziser linguistischer Analysen ärztlicher Befundgespräche zur Krebsdiagnose und zu geplanten Therapiemaßnahmen bereiten sie die gewonnenen Erkenntnisse zu Verstehensprozessen und zur interaktionalen Sequenzierung von Gesprächen für DaF didaktisch auf. Silvia V OGEL - SANG befasst sich mit dem Lehren und Lernen von Modalpartikeln und plädiert für einen induktiven Didaktisierungsvorschlag unter Einsatz authentischer Gesprächsaufnahmen. Schließlich zeigen Juliane S CHOPF und Beate W EIDNER mithilfe einer korpusbasierten Analyse von Materialien aus zwei DaF-Lehrwerken, dass die verwendete Sprache in unzureichender Weise regionale und nationale Variationen des Deutschen berücksichtigt und plädieren einleuchtend dafür, die Spezifika der Vielfalt des Deutschen zum Lerngegenstand zu machen. In einer Gesamtschau der Beiträge liegt eines der zentralen Qualitätsmerkmale des Bandes in der gewinnbringenden Verknüpfung von sprachwissenschaftlich differenzierten Analysen interaktionaler Phänomene der gesprochenen Sprache mit didaktisch gelungenen Reflexionen zum korpusbasierten Lehren und Lernen selbiger bzw. mit der konkreten Ausgestaltung didaktischer Materialien und Lehr-/ Lernszenarien. Welche Erkenntnisse hält der Sammelband für die Didaktik der romanischen Sprachen bereit? Trotz zum Teil unterschiedlicher wissenschaftlicher Prämissen und Erkenntnisinteressen sowie Theorie- und Diskursstränge in der DaF-Didaktik und der Didaktik der romanischen Sprachen lassen sich aus dem Band zukunftsweisende Impulse für die Didaktik der romanischen Sprachen ableiten. 1. Didaktische Fokussierung und Reflexion der gesprochenen Sprache: Bis heute ist im Unterricht der romanischen Sprachen sowie in den Lehr- und Lernmaterialien eine dominante Orientierung an der Schriftsprache zu beobachten, mit der Konsequenz, dass Lernende mit lexikogrammatischen, sequenziellen und interaktiven Strukturen der gesprochenen Sprache unzureichend vertraut sind. Damit dürfte es für sie mehr als eine Herausforderung sein, sich auf sprechsprachliche Kontexte mit romanischen L1-Sprechern einzulassen und sprechsprachliche Kommunikationssituationen kompetent zu bewältigen. Deshalb ergibt sich als ein erstes Desiderat, Fragen des Lehrens und Lernens der gesprochenen Sprache auch in den Fokus der Didaktik der romanischen (und ggf. anderer) Sprachen zu rücken. 2. Korpusbasiertes Fremdsprachenlehren und -lernen: Erhebt man den Anspruch, Lernende für die gesprochene Sprache zu sensibilisieren oder gar eine basale Gesprochene-Sprache- Kompetenz zu entwickeln, wird man nicht umhinkommen, Lernenden frequente und typische Merkmale der gesprochenen Sprache in ihrer kontextuell natürlichen Umgebung vor Augen zu führen. Hier können Korpora der gesprochenen Sprache den Fremdsprachenunterricht in vielfältiger Weise bereichern, sei es durch die direkte lernerseitige Nutzung von Korpora im Rahmen eines entdeckenden Lernens oder durch die lehrerseitige Erstellung von Lehr-/ Lernmaterialen mithilfe von Korpora. Ein zweites Desiderat ist deshalb die korpusbasierte Konzeption von Lehr-/ Lernszenarien zur gesprochenen Sprache der Romania. 3. Vernetzung von romanischer Sprachwissenschaft und Didaktik der romanischen Sprachen: Es ist beinahe überflüssig zu erwähnen, dass didaktische Fragen zur Auswahl, Reduktion, Stufung und Transformation von Merkmalen der gesprochenen Sprache sich an der gebrauchsorientierten Beschreibung der spezifischen Eigenheiten der gesprochenen Sprache der Romania orientieren müssen. Der Didaktik der romanischen Sprachen käme hier die Aufgabe zu, die von der Sprachwissenschaft hervorgebrachten theoretisch-konzeptionellen und empirischen Erkenntnis- und Wissensbestände aufzugreifen und für die Konzeption von Lehr- und Lernmaterialien nutzbar zu machen. Doch dazu ist - als drittes Desiderat - die Intensivierung des 108 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0009 54 • Heft 1 Dialogs zwischen romanischer Sprachwissenschaft und Didaktik der romanischen Sprachen vonnöten. Es sind diese drei sich aus dem Sammelband ergebenden Desiderata, die der Didaktik der romanischen Sprachen neue Impulse für die Einlösung des bildungspolitischen Leitziels der interkulturellen kommunikativen Handlungsfähigkeit geben können. Deshalb ist der Band nicht nur für germanistische Sprachwissenschaftler aus dem In- und Ausland, DaF-Lehrkräfte und - Studenten, sondern auch für Didaktiker der romanischen Sprachen eine Bereicherung. Paderborn C HRISTOPH B ÜRGEL Leo W ILL , Wolfgang S TADLER , Irma E LOFF (Hrsg.): Authenticity across Languages and Cultures. Themes of Identity in Foreign Language Teaching and Learning. Bristol, Jackson: Multilingual Matters 2022, 296 Seiten [54,95 €] Schulisches oder hochschulunterrichtliches Sprachenlernen soll den Lernenden möglichst authentische Zugänge zu den Zielsprachenkulturen eröffnen und Möglichkeiten zum authentischen Agieren in der Zielsprache bieten. Jedoch: Was sind überhaupt die Bezugspunkte von Authentizität? Und welche Probleme des Fremdsprachenlernens sind von ihr berührt? Vor diesem Hintergrund ist Authentizität seit den 1970er Jahren immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen, so auch des neueren Sammelbandes „Authenticity across Languages and Cultures. Themes of Identity in Foreign Language Teaching and Learning“, der Lehrenden sowie Forschenden neue Einblicke in den Authentizitäts-Diskurs verspricht (S. xix). Zu den genannten und weiterführenden Fragen werden im vorliegenden Werk empirische Studien vorgestellt, die language teaching, identitiy und aestehtics als zentrale Eckpunkte setzen und insbesondere die Konzeptualisierung der ,Muttersprachler*in‘ als einen wichtigen Strang des Authentizitätsproblems anerkennen. Das Werk gliedert sich im Hauptteil in die drei Teile „Part 1: Authenticity and Language teaching“ (S.17-118), „Part 2: Authenticity and Identitiy” (S. 119-200) und „Part 3: Authenticity and Aesthetics” (S. 201-260). Für die vorliegende Besprechung beschränke ich mich auf eine fokussierte, aber breit angelegte Auswahl, die Authentizität als Problem im Zusammenhang mit dem native speaker aus verschiedenen Richtungen (etwa: Definitionsversuche, unterschiedliche Lehr-Lern-Kontexte, Unterrichtskonzepte, Texte und Materialien sowie empirische Ansätze) exemplarisch beleuchtet. Einleitend stellt Claire K RAMSCH im Beitrag „Authenticity in Our Times“ Authentizität als „every language learners dream“ (S. xiii) dar und formuliert die Forderung nach einem grundsätzlichen Paradigmawechsel, denn „[a]uthenticity is no longer a stable given“ (S. xiii). Vor diesem Hintergrund differenzieren die beiden Beiträge von Leo W ILL und Richard S. P INNER („The Concept of Authenticity in Foreign Language Teaching and Learning“) sowie Matthew D AME und Natalia D AME („Multilingualism and Authenticity in Russian Heritage Language Teaching Practices“) die Rolle von Authentizität im Spannungsfeld von kultureller Verankerung und Selbstentwicklung für den Erwerb des Russischen aus. Sie stellen heraus, dass Authentizität nach wie vor eng mit einem „idealised and infallible Russian native speaker“ (S. xx) verwoben ist, aber im Diskurs auch Bemühungen durchscheinen, die die individuellen Lernenden-Identitäten akzentuieren. Für russischsprachige Herkunftssprachler*innen im USamerikanischen Hochschulwesen zeigen D AME und D AME in ihrer Analyse, dass und wie Herkunftssprechende gegen die Schablone des Muttersprachlers gehalten werden. Die Autor*innen verdeutlichen, dass Sprecher*innen selbst unter „language shyness“ (S. 45), wie von Krashen Besprechungen 109 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0009 definiert, leiden, wenn sie ihre Herkunftssprache sprechen. Anhand dieses Erkenntnisses stellen sie (einmal mehr) heraus, weshalb der Begriff der ,Muttersprachler*in‘ aufgegeben bzw. neu konzeptualisiert werden sollte. Einen anderen Blick erarbeitet Irene H EIDT . Sie konzentriert sich auf den Zusammenhang von Moral und Authentizität. Diesen und weiteren Zusammenhängen mittels eines ethnographisch-sprachökologischen Ansatzes der Datenanalyse nachzugehen, war das Ziel ihrer Dissertationsstudie. Im vorliegenden Beitrag fokussiert H EIDT exemplarisch eine Deutsch-L2-Lernende und ihr „genuine religious sense of self“ (S. 166) im deutschen Bildungssystem. Vor der Folie einer wachsenden mehrsprachigen Gesellschaft sowie aktueller politischer, kultureller und religiöser Spannungen legt H EIDT philosophische Grundlagen und Rückgriffe auf poststrukturalistische Theorieangebote (Michel Foucault, Judith Butler, die sich ihrerseits auf Friedrich Nietzsche und Jean-Paul Sartre beziehen) vor. Davon abgeleitet wird ein interessanter Definitionsversuch - und zwar Authentizität als „a construction of a self between creativity and (discursive) normativity“ (S. 169) -, in die „courageous risk-taking“, „self-stylisation“, ein „enduring process of ethical self-work“ sowie „performative agency“ (ebd.) hineineinspielen. Die im Aufsatz fokussierte Neuntklässlerin richtet sich nicht im Fremdsprachen-, sondern im Ethikunterricht ausgehend von der Frage „Is an Imam allowed to be homosexual? “ (S. 171) an religiösen Moraldiskursen aus, die ihr durch ihre primäre Sozialisation vermittelt wurden. Hier sieht Heidt zu Recht Besprechungsbedarf, da Authentizität auch mit einem vermeintlich ,richtig‘ oder ‚falsch‘ in Verbindung gebracht werden kann: Ein besonders interessantes Ergebnis der Forschung ist, dass die Autorin in ihrer Untersuchung auf eine Bildungssprache der Lernenden stößt, die geprägt ist von „her embodied memories, truths and values afforded by her religious experiences […] and the voices of others […]“ (S. 176). Dieses Ergebnis wird auch für den Fremdsprachenunterricht - der für Heidt ausgerichtet werden sollte auf ein „teaching for symbolic competence“ (S. 178) - nachvollziehbar in Frage gestellt, denn „language learners seem to require the ability to deal with incompatible worldviews“ (S. 177). Im dritten Teil des Bandes stützen sich Candice L IVINGSTON und Hanlie D IPPENAAR in ihrem Aufsatz „Autobiographical Fairy Tales for Authenticity in the English Classroom: A South African Higher Education Case Study“ auf die „3 As“ (S. 203) - das Paradigma der Africology, Authenticity und Autobiographical Storytelling. Unter Einbezug der Strategie des Translanguaging untersuchten sie 23 Märchen von Studierenden im Bachelor of Education (S. 205) im Kontext des südafrikanischen Hochschulwesens mittels einer narrativen Analysetheorie der 1990er Jahre. Ziel dieser Texte war es, ein Märchen ihrer Wahl (z.B. Rapunzel oder Snow White) in eigene lokal-kulturelle Zusammenhänge einzubetten und aus dieser Perspektive zu erzählen „in a manner that allows them to engage with real language usage“ (S. 205). Was die Studie besonders überzeugend hervorhebt, ist die Verwendung von Kappa, einem Dialekt aus Englisch und Afrikaans sowie die Anspielungen auf unterschiedliche Bezugsrahmen (z.B. Flora und Fauna) durch die Linse des Translanguaging. So wurden Fälle gefunden, die sich auf die Verwendung südafrikanischer Ausdrücke beziehen und den Texten neue Bedeutungen zuweisen: In einem Studierendenbeispiel gibt das Märchen Cinderella Aufschluss über die Praxis der Apartheid, indem die Geschichte in den Kontext dieser Zeit gestellt wird (S. 207). L IVINGSTON und D IPPENAAR erwähnen zudem Namensveränderungen (Sleeping Beauty wird zu Sindiswa) sowie Anspielungen auf südafrikanische Motive (der Stich des spinning wheel wird zum Biss durch eine Cape Cobra und Snow Whites rote Lippen werden mit der Farbe von diser lillies verglichen). Aufgeworfen werden auch Themen wie Landverlust anhand von Rumpelstilskin sowie Referenzen auf Instagram oder WhatsApp (S. 210), die den „real language use“ treffen (Skype wird genutzt, um Hinweise auf Rumpelstilskins Namen zu erhalten). Die Schlussfolgerung der Autor*innen ist nachvollziehbar: Die Aufgabe ermöglicht 110 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0010 54 • Heft 1 es den Studierenden, Zugang zu ihren gelebten Erfahrungen zu erhalten und aus ihrer eigenen Realität heraus Märchen mit autobiographischen Zügen zu produzieren, und sie schließt an die Leitlinie des Bandes, die Infragestellung und Neukonzeptualisierung des native speaker über Texte und Materialien, an. Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Beitrag von Håvard H AUGLAND B AMLE ab, welcher die Potentiale von Indie-Folk-Musik für das Fremdsprachenlernen und damit den Begriff der Authentizität sowohl über Texte als auch über Unterrichtskonzepte in den Blick nimmt. Das Ziel des Autors ist es, aus seinen Analysen übertragbare ,Linien‘ abzuleiten, wie Lehrkräfte das Potenzial von Indie-Folk-Liedern im Fremdsprachenunterricht nutzen können. So schlägt der Autor vor, sich von Indie-Folk-Musik für die Kreierung neuer Lernumgebungen inspirieren zu lassen, in denen die Schüler*innen Möglichkeiten erhalten, sich in einem fremdsprachigen Umfeld auszuprobieren. Dafür beginnt H AUGLAND B AMLE mit einer Konzeptualisierung von Authentizität unter Rückgriff auf die Überlegungen der popular music studies. Er präsentiert unterschiedliche Begriffsdefinitionen, die weniger zu einer eigenen Definition als zu einem ,offenen Gerüst‘ für die Analyse führen, worauf sich punktuell bezogen wird. Hieran anknüpfend wird anhand der Musikgruppen Bon Iver und Fleet Foxes exemplarisch untersucht, wie Indie-Folk-Musiker*innen Indie- und Folk-Elemente verbinden. Dem Autor gelingt es aufzuzeigen, wie z.B. durch „emphasis on creative writing“ (S. 225) und „role playing“ (S. 225) sowie personas (etwa: Bon Iver als Künstlername des Lead-Sängers Justin Vernon) den Lernenden Gelegenheiten für „playful exploration of their own selves“ (S. 226) geboten werden können. Insgesamt handelt es sich bei Authentizität im Lichte von Popmusik um ein „identity project“ (S. 226). Zusammenfassend spannt der Sammelband ein breites Panorama aus Schulkontexten, Sprachen und Spracherwerbsstufen auf. Mit ihm wird die wichtige Umwälzung von Erkenntnissen der Fremdsprachenforschung für die Unterrichtspraxis bereits sichtbar. Anknüpfend an die drei Eckpunkte language teaching, identity und aesthetics zeichnen die Beiträge durch die Brille der Authentizität ein facettenreiches Bild davon, was Sprachunterricht als schulische oder universitäre Veranstaltung zu leisten vermag und was (etwa: Texte, Unterrichtsmethoden) überhaupt als Ausformungsansätze von Authentizität gelten können. Für einen umfassenden Einblick in das Authentizitätskonstrukt als zugleich reizvollen sowie auch problematischen Forschungsschwerpunkt ist dieser Band besonders zu empfehlen. Göttingen L AURA -J OANNA S CHRÖTER Viktoria S CHEEREN : Lesen mit Bilderbuch-Apps im aufgabenorientierten Englischunterricht in der Grundschule. Eine Studie zur Ermittlung modellhafter Aufgaben. Wiesbaden: Springer Nature 2022, 439 Seiten [79,99 €, ebook 62,99 €] Digitale Medien sind im Alltag von Kindern und Jugendlichen allgegenwärtig und finden vermehrt Anwendung im Englischunterricht der Grundschule. Empirische Untersuchungen zum Einsatz digitaler Technologien liegen bisher allerdings kaum vor. Diesem Desiderat widmet sich das vorliegende Buch, indem es den Einsatz von Bilderbuch-Apps im Englischunterricht der Grundschule sowohl theoretisch fundiert aufarbeitet als auch empirisch im Rahmen eines Aktionsforschungsprojekts untersucht. Der kommunikative Fokus liegt dabei auf der Lesekompetenz der Lernenden, die sich die Bilderbuch-Apps eigenständig in Lesetandems erschließen. Dass junge und beginnende Englischlernende englische Texte lesen können, wurde bereits in vorherigen Studien gezeigt, findet bisher allerdings wenig Berücksichtigung in den Bildungs- Besprechungen 111 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0010 vorgaben der Länder. Das Lesen einer digitalen und in besonderem Maße multimodalen Lektüre im frühen Englischunterricht wurde empirisch bisher nicht erforscht. Somit leistet die vorliegende Studie einen grundlegenden und wichtigen Beitrag für die Gestaltung derartiger Lernsettings für den Englischunterricht der Grundschule. Dabei verfolgt die Studie die folgenden zwei Forschungsfragen: (I) Welche Anforderungen stellt das Lesen von Bilderbuch-Apps an Lernende und was hilft Ihnen bei der Lektüre? (II) Welche Kriterien muss eine Aufgabe erfüllen, um die Herausforderungen mit dem Medium „Bilderbuch-App“ zu reduzieren und um das Potenzial der Apps für die Anbahnung literaturbezogener Kompetenzen auszuschöpfen? Das Buch gliedert sich nach der Einleitung in insgesamt vier Teile: (I) theoretische Überlegungen, (II) Forschungsdesign und Forschungsverfahren, (III) Präsentation und Interpretation der Ergebnisse, (IV) Zusammenfassung, Reflexion und Ausblick. Neben einer umfassenden Leser*innenführung, die die Lektüre sehr leicht lesbar macht, bietet die Autorin über das Buch verteilt wertvolle Zusammenfassungen an. Diese bieten einen Einblick in die wesentlichen Inhalte sowohl der Hauptkapitel als auch ausgewählter Unterkapitel und ermöglichen ein Grobverständnis des Gesamtinhalts in vergleichsweise kurzer Lesezeit. Im Teil I werden fundierte theoretische Überlegungen zu den drei wesentlichen Konstrukten der Studie angestellt. Die Autorin geht zunächst auf das Lesen im Englischunterricht der Grundschule ein und ordnet vor allem das multimodale Lesen von Bilderbuch-Apps in die Multiliteracies-Pädagogik ein. Ein besonderer Fokus liegt außerdem auf dem literarischen Lesen. Daraufhin widmet die Verfasserin sich dem Medium Bilderbuch-App und arbeitet nach einer Begriffsbestimmung zunächst das Potenzial für den Englischunterricht der Grundschule heraus. Das vierte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit der Aufgabenorientierung, welche als Basis der empirischen Studie dient. Alle drei theoretischen Kapitel enden mit einer Zusammenfassung, in welcher jeweils auch Implikationen für die durchgeführte empirische Studie abgeleitet werden. Besonders hervorzuheben ist das Unterkapitel 4.4.2, in welchem ein umfassender Kriterienkatalog für die Auswahl von Bilderbuch-Apps dargelegt wird. Ähnlich praxisorientiert aber ebenso in der Theorie verankert ist das Unterkapitel 5.1.2, welches Kriterien für die Entwicklung von Aufgabensequenzen rund um den Einsatz von Bilderbuch-Apps bietet. Teil II legt das Forschungsdesign der - in den fachdidaktischen Diskurs fundiert eingeordneten - empirischen Studie dar und liefert umfassende Details zum schulischen Erhebungskontext. Die Studie wurde an einer ländlichen Grundschule in Baden-Württemberg mit insgesamt zwei aufeinanderfolgenden Gruppen von n = 8 bzw. n = 12 Dritt- und Viertklässlern im Rahmen eines freiwilligen Nachmittagsangebots (English Book Club) durchgeführt und erstreckte sich über insgesamt 24 Unterrichtsstunden. Für die Studie wurden - basierend auf einer kriteriengeleiteten Analyse - insgesamt drei Bilderbuch-Apps ausgewählt: The monster at the end of this book, The three little pigs und Hansel and Gretel. Sie ist als Aktionsforschungsstudie angelegt, in der die Forscherin in Personalunion auch zeitgleich als Lehrkraft fungiert. Diese Doppelrolle wird im Rahmen von Kapitel 7 kritisch beleuchtet. In zwei Aktionsforschungszyklen werden insgesamt drei Aufgabensequenzen, basierend auf besagten Apps, durchgeführt. Hierzu bietet Kapitel 7.4 detaillierte Unterrichtsverlaufspläne, welche auch die aufgestellten Aufgabenkriterien berücksichtigen. Die vorrangig unterrichtspraktische Analyse des ersten Zyklus fand dabei in der Konzeption des zweiten Zyklus Berücksichtigung. Empirische Daten wurden fortlaufend über Unterrichtsvideografien (zwei Kameras), teilstandardisierte Leitfaden- Gruppeninterviews und unterrichtsbezogene Produkte erhoben. Die Videos und Interviews wurden getrennt mittels des jeweils dem Instrument entsprechenden Verfahrens der dokumen- 112 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0010 54 • Heft 1 tarischen Methode ausgewertet. Die Unterrichtsprodukte wurden in beiden Verfahren abschließend zur komparativen Analyse hinzugezogen (siehe Zusammenfassung auf S. 230). Teil III widmet sich der Präsentation und Interpretation der Daten. Die Ergebnisdarstellung und -diskussion ist sehr detailliert und gleichzeitig für die Lesenden hoch interessant, da sie neben direkten Einblicken in ausgewählte Unterrichtsstunden (in Form von Transkriptausschnitten) theoriegeleitete und fundierte Interpretationen bietet. Fortwährend werden außerdem Implikationen für die Auswahl von Bilderbuch-Apps und/ oder die entsprechende Aufgabenentwicklung beschrieben. Zur ersten Forschungsfrage konnten insgesamt drei Anforderungsdimensionen beim Lesen von Bilderbuch-Apps herausgearbeitet werden (involvement, Multimodalität und Interaktivität, Interaktion), denen vorrangig über Peer-support und die Förderung literaturbezogener Kompetenzen begegnet werden kann. Auch die Gestaltung der app-begleitenden Aufgaben trägt zur Unterstützung der Lernenden bei. Ein Vergleich der theoretisch aufgestellten Aufgabenkriterien mit dem Datensatz ergab zu Forschungsfrage II, dass sich alle fünf Kriterien als tragfähig erwiesen, diese durch die Daten aber weiter präzisiert werden konnten. Insbesondere konnten die Kriterien gewichtet werden: Um das Potenzial von Bilderbuch-Apps für den fremdsprachlichen Kompetenzerwerb auszuschöpfen ist v.a. die Reduzierung von Ablenkung vom Text durch einen sprachlichen Formfokus sowie die Kompensation von Leseschwierigkeiten durch sinnvoll gewählte pre-, while- und post-reading activites wichtig. Eine weitere zentrale Erkenntnis ist, dass das Leseziel so konkret wie möglich formuliert werden muss. Auch der Handlungs- und Produktorientierung kommt ein hoher Stellenwert bezüglich der Motivation der Lernenden zu. Lohnenswert ist ein Blick auf die schematische Darstellung der zentralen Ergebnisse der Studie auf Seite 408. Nicht zuletzt der kurze und abschließende Teil IV zeigt, dass die Autorin sehr (selbst-)kritisch mit den Ergebnissen der Studie umgeht, indem sie an vielen Stellen offen darlegt, welche Schwierigkeiten aufgetreten sind und wo die Limitationen liegen. Gleichzeitig gibt sie Handlungsalternativen oder stellt Überlegungen an, wie diese Schwierigkeiten minimiert werden könnten oder wie ihnen begegnet wurde. Ebenso stellt sie in Kapitel 10 realistische Überlegungen zum Geltungsbereich ihrer Studie an: während die Ergebnisse nicht generalisierbar und per se auf andere Kontexte übertragbar sind, bieten sie dennoch empirisch fundierte Einsichten in ein bisher unerforschtes Forschungskonstrukt. Die genaue Beschreibung des Kontexts sowie der Methoden der Datenerhebung und -analyse geben Leser*innen genügend Informationen, um eigenständig Schlüsse bzgl. einer möglichen Übertragbarkeit zu ziehen. Fraglich bleibt bis zum Ende des Werkes lediglich, warum die Autorin einen starken Fokus auf die Kompetenz des Lesens legt, während das Lesen mit der App ausschließlich im read along-Modus stattfand. Das heißt, dass die Lernenden die Geschichte hörten und der Lesetext zeitgleich zum (Mit-)Lesen hervorgehoben wurde. Das heißt, dass permanent das Lese-Hör- Verstehen der Lernenden angesprochen wurde - eine bisher kaum näher beschriebene oder erforschte Verknüpfung aus zwei Kompetenzen. Während die Autorin dies an einigen Stellen hervorhebt und nachweislich festhält, dass die Lernenden mitlasen und nicht nur hörten, bleibt eine nähere Analyse zum Hörverstehen sowohl auf theoretischer als auch auf empirischer Ebene weitestgehend aus. Die Kombination aus Lesen und Hören findet v.a. Berücksichtigung in den untersuchten Verstehensstrategien. Auch der Begriff Lesemotivation findet zwar im dritten und vierten Teil umfassend Erwähnung, wird aber an keiner Stelle differenziert aufgearbeitet. Der sehr positive Gesamteindruck sowie das Verständnis dieses Werkes werden hierdurch aber nicht beeinträchtigt. Die vorliegende Studie wird in besonderem Maße einem Doppelauftrag gerecht, indem sie zum einen zentrale theoretische und empirisch gesicherte Erkenntnisse für die Wissenschaft bietet, zum anderen praxisnahe Hinweise und Materialien für Lehrkräfte zum Einsatz von Bil- Besprechungen 113 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0011 derbuch-Apps. Insbesondere die Kriterienliste zur Auswahl von Bilderbuch-Apps sowie die Aufstellung von Kriterien für eine aufgabenorientierte Lernumgebung für Bilderbuch-Apps und nicht zuletzt die ausführliche Darstellung der durchgeführten Unterrichtsstunden bieten wertvolle Einsichten für die Schulpraxis und sind für Englischlehrkräfte von direkter Relevanz. Dass diese Erkenntnisse und Materialien empirisch fundiert sind, ist insbesondere im Rahmen evidenzbasierter Unterrichtskonzeptionen interessant. Ebenso stellen neben den dargestellten Ergebnissen vor allem auch die aufgeführten Forschungsdesiderate und Vorschläge für weiterführende Studien einen wichtigen Beitrag zur Fremdsprachenforschung dar. Der Autorin gelingt somit in besonderem Maße eine Brücke zwischen Theorie, Empirie und Praxis zu bauen. Alles in allem handelt es sich hier um ein Werk, das einen sehr umfassenden theoretisch sowie empirisch fundierten Einblick in das Nutzen von Bilderbuch-Apps im aufgabenbasierten Englischunterricht bietet. Sowohl die Lektüre von Teilkapiteln oder Zusammenfassungen als auch die des gesamten Werks lohnt sich für Lehrkräfte und Wissenschaftler*innen gleichermaßen, die an der Erforschung und/ oder praktischen Umsetzung sowie den Möglichkeiten und auch Grenzen von Bilderbuch-Apps im (frühen) Englischunterricht interessiert sind. Münster J ULIA R ECKERMANN Lotta K ÖNIG , Birgit S CHÄDLICH , Carola S URKAMP (Hrsg.): unterricht_kultur_theorie: Kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht gemeinsam anders denken. Heidelberg: J B. Metzler 2022 (Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung), 440 Seiten [€ 79,99]. Kulturelles Lernen ist aufs Engste mit sprachlichem Lernen verschränkt und somit integraler Bestandteil jedes Sprachunterrichts. Eines der großen Verdienste des vorliegenden Sammelbands ist es, die Ausdifferenzierung der Ziele, Methoden und theoretischen Grundlagen kulturellen Lernens konsequent mit Blick auf aktuelle gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu diskutieren. Bereits in der Einleitung werden die Rahmenbedingungen des Unterrichtens in migrationsgesellschaftlich geprägten Verhältnissen angesprochen und es wird der Anspruch erhoben, kulturelles Lernen jenseits einer binären und hierarchischen Differenzierung zwischen einem ‚Wir‘ und ‚den Anderen‘ zu gestalten und den nach wie vor dominanten monolingualen Habitus in ‚deutschen‘ Klassenzimmern zu überwinden. Dazu bedarf es einer kritischen und umfassenden Revision der Modelle kultureller Kompetenz, der theoretischen Grundlagen, der vorhandenen Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien sowie zentraler Bezugsdokumente (v.a. der Curricula) für den schulischen Fremdsprachenunterricht. Die Herausgeberinnen Lotta K ÖNIG , Birgit S CHÄDLICH und Carola S URKAMP betonen in ihrer programmatischen Einleitung nicht nur ein von ihnen favorisiertes Verständnis von Kultur als etwas Dynamisches und „als diskursiv und performativ immer wieder neu Konstruiertes“ (S. 5), sondern auch die Notwendigkeit einer machtkritischen Perspektive auf kulturelles Lernen im Besonderen und den Fremdsprachunterricht im Allgemeinen. Mit ihrer Betonung der Verschränktheit kulturellen Lernens mit globalen gesellschaftlichen Entwicklungen und den Machtverhältnissen in der Migrationsgesellschaft machen sie auch deutlich, welch große Bedeutung ihm über das Klassenzimmer hinaus zukommt. Sie betonen somit die politische Verantwortung aller Akteur*innen, die an kulturellem Lernen beteiligt sind. Der vorliegende Sammelband geht auf eine Konferenz von 1. bis 3. Juli 2019 an der Universität Göttingen zurück und berücksichtigt Veröffentlichungen bis in sein Erscheinungsjahr 2022. Gegliedert ist er entlang fünf zentraler Fragestellungen ‚Wofür ist kulturelles Lernen wichtig? ‘, ‚Was sind seine Gegenstände? ‘, ‚Wer sind die zentralen Akteur*innen? ‘ ‚Wie kann 114 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0011 54 • Heft 1 ein zeitgemäßes Verständnis von Kultur und kulturellem Lernen methodisch-didaktisch umgesetzt werden? ‘ Und mit der letzten Frage ‚Durch wen wird kulturelles Lernen gestaltet? ‘ wird die Rolle der Lehrpersonen und ihre Aus- und Fortbildung in den Blick genommen. Jeder Abschnitt wird durch eine sehr instruktive Zusammenschau eingeleitet, in der auch Desiderate und weiterführende Überlegungen skizziert werden. Den fünf Abschnitten ist ein programmatischer Beitrag von Wolfgang H ALLET vorgelagert, in dem er so wie viele Autor*innen in diesem Band die politische Dimension kulturellen Lernens betont, wenn er von „einem hochpolitischen und kulturell aufgeladenen, nicht selten gespaltenen und immer kontroversen Diskursraum“ (S. 43) spricht, in dem Fragen des kulturellen Lernens diskutiert werden, und das Empowerment der Lernenden als zentrales Ziel sieht. Empowerment versteht er als Stärkung ihrer Fähigkeit, „sich selbst in kulturellen Zusammenhängen zu orientieren und eine eigene, eigenständige Position in diesen zu artikulieren“ (S. 54). Die Fähigkeit, „an globalen Diskursen teilzunehmen und sich dabei zu positionieren“ ist auch eine der Zielsetzungen, die im ersten Abschnitt zum „Wofür? “ kulturellen Lernens formuliert wird (S. 61). Weiter werden die Entwicklung eines machtkritischen Bewusstseins und die Fähigkeit, „Differenzen auszuhandeln und mit Irritationen und Ambiguitäten umzugehen“ (S. 61), genannt. Die Themen der Beiträge in diesem Abschnitt reichen vom Umgang mit Konfliktthemen und der Auseinandersetzung mit Werten mit dem Ziel des Ausbaus symbolischer Kompetenz (Roman B ARTOSCH / Sina D ERICHSWEILER / Irene H EIDT ) über eine ökologisch erweiterte Kulturdidaktik globalen Lernens (Grit A LTER / Jürgen W EHRMANN ) bis zu den empirisch fundierten Prinzipien eines an Kontroversität orientierten und auf vielstimmige Aushandlungsprozesse abzielenden kulturellen Lernens (Larena S CHÄFER / Mareike T ÖDTER ) und das Ausloten des kulturdidaktischen Potentials von Sprachmittlungsaufgaben (Dorothee K OHL -D IETRICH / Ann-Christin R UDOLF ). Im Abschnitt „Was? “ stehen die Gegenstände kulturellen Lernens im Mittelpunkt, womit sowohl die Unterrichtsgegenstände als auch das zugrunde liegende Kulturverständnis gemeint sind. Eine der Schlussfolgerungen aus den Beiträgen und Diskussionen ist, auch die im Zuge kultureller Lernprozesse entstehenden Produkte der Lernenden zum Gegenstand der Analyse und Reflexion im Unterricht zu machen. Überdies wird die Notwendigkeit deutlich, kulturelle Lernprozesse auch immer zu lokalisieren und zu kontextualisieren und nach dem ‚Wo? ‘ zu fragen, um Rückschlüsse auf gesellschaftliche Machtverhältnisse ziehen zu können. Als zentrales Desiderat wird markiert, konzeptionell und unterrichtspraktisch auszuarbeiten, „wie kulturelle Handlungsfähigkeit auch im Sinne politischer Handlungsfähigkeit entwickelt werden kann“ (S. 158). Rebecca Z ABEL plädiert auf der Grundlage empirischer Daten aus einem Integrationskurs im DaZ-Kontext für eine eingehendere Erforschung der Bedingungen und Möglichkeiten zur Förderung der Diskursfähigkeit von Lernenden als übergeordnetem Ziel kulturellen Lernens. Christiane F ÄCKE und Jochen P LIKAT fragen nach den normativen Setzungen und der Notwendigkeit, kulturelles Lernen auf bestimmten Grundwerten (nämlich jenen der europäischen Aufklärung) aufzubauen. Und Simone S CHIEDERMAIR lotet anhand konkreter Beispiele aus dem DaF-Kontext das Potential von Linguistic Landscapes als Unterrichtsgegenstand aus.Mit der Frage „Wer? “ werden im darauffolgenden Abschnitt sowohl die Schüler*innen als Rezipient*innen, Adressat*innen und Akteur*innen als auch die Lehrkräfte und darüber hinaus die in den Unterrichtsmaterialien (vorrangig in Texten, insbesondere literarischen) repräsentierten Personen sowie die Forscher*innen angesprochen. Als Ergebnis der Diskussion im Rahmen der Tagung werden vier Plädoyers festgehalten: das Plädoyer für Pluralität und Diversität, das mit der „fortlaufende[n] kritische[n] Überprüfung bestehender Repräsentationspraktiken“ verknüpft ist; das Plädoyer für „offene Thematisierungen und offenes Problematisieren von Besprechungen 115 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0011 Machtverhältnissen“ (S. 226); das Plädoyer „für einen kritischen Umgang mit (Nicht)-Essenzialismus“ zur Vermeidung eines „Rückfall[s] in Stereotype und Reduzierungen“ (S. 228) und das Plädoyer „für wechselseitigen Transfer und Wissensfluss in alle Richtungen“ unter den Schüler*innen, Lehrer*innen und Forscher*innen (S. 229). Basis für diese Plädoyers sind unter anderem die im Band abgedruckten Beiträge von Annika K REFT und Maria S USSEX zur Notwendigkeit einer Analyse und Reaktion auf Alltagsrassismen im Englischunterricht (sowohl auf Seiten von Schüler*innen als auch von Lehrer*innen) und von Jessica N OWOCZIEN zur kreativen Auseinandersetzung mit Identität am Beispiel von Lehrwerkscharakteren. Im Abschnitt „Wie? “ werden etablierte Methoden kulturellen Lernens wie Vergleich oder Perspektivenwechsel einer kritischen Revision unterzogen. Überdies wird Reflexion als grundlegend für kulturelle Erkenntnisprozesse identifiziert. Das Ziel kritischer Reflexion sei es, dass Lernende durch die Lernprozesse und mit den dabei entstehenden Produkten selbst an der Gestaltung von Gesellschaft teilhaben und mitwirken. Als besonders gut geeignet erweisen sich dafür literarische Texte, wie Nikola M AYER und Bernd T ESCH anhand von Graphic Novels exemplifizieren. Britta F REITAG -H ILD plädiert mit ihrem Beitrag zur Analyse visueller Repräsentationen geflüchteter Menschen für explorative und forschende Methoden kulturellen Lernens, die den Lernenden große Eigenständigkeit ermöglichen. Und Paula D AHL , Martina K ALTENBACHER und Katrin S CHULTZE stellen sehr anschaulich das systematisch angeleitete Debattieren als Methode für die Arbeit mit Schüler*innen und in der Lehrer*innenbildung vor. Mit der Frage „Durch wen? “ rücken die Lehrpersonen in den Mittelpunkt. Als Desiderat wird großer Entwicklungs- und Forschungsbedarf im Bereich der Fortbildung und Professionsbegleitung markiert. Besonderes Potential wird dabei in Aktionsforschungsprojekten und im Austausch in Praxisgemeinschaften gesehen. Überdies besteht ein Desiderat in der Forschung zu jenen Personen, die in der Lehrer*innenbildung tätig sind und die in der Professionsforschung bislang zu wenig Berücksichtigung finden. Bärbel D IEHR stellt ein Peer-Teaching- und Peer-Coaching-Projekt zur Unterrichtsplanung im Lehramtsstudium vor, das als Ergebnis ein empirisch fundiertes Instrumentarium zur Analyse von Unterrichtsentwürfen brachte. Gabriele B LELL und Almut H ILLE stellen anhand unterschiedlicher Beispiele aus der Arbeit mit Studierenden zu Erinnerungsorten die Frage in den Mittelpunkt, wie eine multiperspektivische und vernetzte Kulturdidaktik gestaltet werden kann und welches Potential in forschendem Lernen, empirischen Erkundungen und projektorientiertem Arbeiten liegt. Und Anne M IHAN und Paul V OERKEL diskutieren im Kontext der Englischsowie der DaF-Didaktik das didaktische Potential des Ansatzes der Community Autoethnography und der Didaktik der Erinnerungsorte für die Lehrer*innenbildung. Im letzten Abschnitt des Bandes werden die Diskussionsstränge zu den theoretisch-konzeptionellen, unterrichtspraktischen und empirischen Perspektiven auf kulturelles Lernen zusammengeführt und Desiderate formuliert: Erstens braucht es mehr und umfangreichere empirische Forschung zu kulturellem Lernen, zur konkreten Umsetzung theoretischer Ansprüche und konkreter Modelle, zu den Wirkungen, die bestimmte Herangehensweise entfalten, und zu den Bedarfen der Lernenden. Dabei geht es vorrangig nicht um eine Überprüfung bestimmter Kompetenzen, sondern im Sinne explorativer Forschung um das gemeinsame Erkunden kulturbezogener Lernprozesse. Zweitens wird wiederholt die Frage nach der partiellen Notwendigkeit und Angemessenheit normativer Orientierungen (S. 413) gestellt, die es weiter und vertiefend zu diskutieren gilt, auch auf Basis empirischer Forschung und eines verstärkten interdisziplinären Dialogs (etwa mit der Soziologie oder Politikwissenschaft). Drittens wird sichtbar, wie wichtig und produktiv der disziplinenübergreifende Austausch ist: So wird beispielsweise auf S. 343 festgestellt, dass die im Band auch gut vertretene Beschäftigung mit Erinnerungsorten und Erinnerungskulturen, die in DaF eine wichtige Rolle spielt, für den schulischen Fremdsprachen- 116 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0012 54 • Heft 1 unterricht bislang kaum Berücksichtigung fand. Überdies wird „die Notwendigkeit eines Diabzw. Multilogs mit den relevanten Bezugswissenschaften herausgestellt, die Impulse für notwendige Weiterentwicklungen und Neumodellierungen geben können“ (S. 414). Produktiv wäre für zukünftige Vorhaben auch der verstärkte Dialog mit der politischen Bildung oder mit der Erwachsenenbildung, wenn es etwa um grundlegende Konzepte wie jenes der symbolischen Kompetenz oder um die Frage nach den Handlungsspielräumen von Lehrenden und Lernenden als politischen Akteur*innen geht. Viertens ist „die dauerhafte gegenseitige Bezugnahme von Theorie, Empirie und Unterrichtspraxis“ (S. 417) notwendig, die auch entsprechende Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Hochschulen bzw. Universitäten erfordert. Dieser Band und die zugrundeliegende Konferenz liefern neben den inhaltlich reichhaltigen Anregungen wichtige Impulse für innovative Formate der Gestaltung des Dialogs zwischen den unterschiedlichen Gruppen, die im Sinne der Weiterentwicklung theoretischer Perspektiven und konkreter Unterrichtsmodelle notwendig sind. Somit ist „unterricht_kultur_theorie“ nicht nur in vielfacher Weise inspirierend, sondern auch richtungweisend und hoffentlich Impuls und Vorbild für die weitere Diskussion zu Fragen des kulturellen Lernens, seiner Grundlagen und seiner gesamtgesellschaftlichen Relevanz. Wien H ANNES S CHWEIGER Chika T AKAHASHI : Motivation to Learn Multiple Languages in Japan. A Longitudinal Perspective. Bristol: Multilingual Matters 2022, 216 Seiten [109,95 €] Die empirische Forschung zur Motivation von Fremdsprachenlernenden wird von Querschnittsstudien dominiert, die ihre Daten mit Hilfe standardisierter Fragebögen erheben. Chika T AKAHASHI widersetzt sich mit ihrer Studie dieser Tendenz, denn sie wählt einen longitudinalen Ansatz und begleitet über neun Jahre hinweg zwei japanische Lernende in verschiedenen Phasen ihrer Bildungslaufbahn beim Erlernen von Fremdsprachen. Das Interesse der Autorin richtet sich dabei auf die Frage, wie die beiden Forschungssubjekte - Shion und Yuzuru - im Laufe dieser Zeit zu multilingualen Persönlichkeiten werden, wie sich ihr Selbstbild und ihre Sicht des Fremdsprachenlernens verändern. Japan ist für eine solche Studie ein attraktives Forschungsfeld, weil das Land als eine weitgehend monolinguale Gesellschaft bezeichnet werden kann. Die Zuwanderung wird trotz sehr niedriger Geburtenraten nach wie vor stark begrenzt. Zudem zeichnen sich kaum Fortschritte im Hinblick auf die Fremdsprachenkenntnisse der Bevölkerung ab, obwohl von der Grundschule bis hin zu den Universitäten erhebliche Ressourcen in die Förderung des Englischunterrichts fließen. Im EF English Proficiency Index (EF EPI) verharrt das Land seit Jahren auf den unteren Plätzen. Im vierten Kapitel ihrer Arbeit legt T AKAHASHI ausführlich die Gründe für diese Stagnation dar. Sie beschreibt auch, weshalb weitere Fremdsprachen im gesamten Bildungssystem nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für viele junge Japanerinnen und Japaner ergeben sich erst an der Universität Möglichkeiten zur intensiven Beschäftigung mit einer zweiten oder dritten Fremdsprache in einem institutionellen Rahmen. Angesichts dieses gesellschaftlichen Umfeldes drängt sich die Frage auf, was Lernende dazu motiviert, sich aus eigener Initiative weitere Fremdsprachen anzueignen. Mit Yuzuru und Shion hat T AKAHASHI zwei junge Leute gefunden, die sich hinsichtlich ihrer Lernmotivation als vorbildlich erweisen. Für beide ist ein anhaltendes Interesse an neuen Sprachen kennzeichnend. Durch die permanente Suche nach immer neuen Herausforderungen halten sie ihren Lernprozess lebendig. Dabei verweigern sich der eindimensionalen, überwie- Besprechungen 117 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0012 gend instrumentellen Perspektive auf das Fremdsprachenlernen, die ihnen von Schule und Gesellschaft vermittelt wird. Yuzuru und Shion erschließen sich eigene, jeweils individuelle Wege zu einem multilingualen Selbst und für die Forscherin ist es ein Glücksfall, dass die beiden ihr Einblicke in diesen Prozess gewähren. Im Hauptteil der Studie stellt T AKAHASHI dar, wie sich Yuzuru und Shion über vier Etappen ihrer Bildungslaufbahn hinweg weiterentwickeln. Die Beschreibung setzt während ihrer Zeit an der Oberschule ein, zu der die Autorin die beiden im Rahmen ihres Dissertationsprojekts zum Umgang von Schülerinnen und Schülern mit Selbstlernmaterial kennenlernt. Nach der Schulzeit trennen sich die Wege von Yuzuru und Shion. Sie studieren unterschiedliche Fächer und haben keinen Kontakt mehr zueinander. Aber T AKAHASHI hält die Verbindung und trifft sie in den Folgejahren regelmäßig zu Einzelgesprächen, begleitet von einem Email-Austausch. Daraus erwächst die Datenbasis für die vorliegende Studie. Die Zusammenarbeit endet erst, nachdem die beiden ihr MA-Studium abgeschlossen und ihre erste Stelle angetreten haben. Als Ergebnis dieses kontinuierlichen Forschungsprozesses kann T AKAHASHI eine lesenswerte Studie vorlegen, die seltene Einblicke in die Komplexität motivationaler Lagen von Fremdsprachenlernenden ermöglicht. Die Stärke der Untersuchung liegt zum einen darin, dass für die Lesenden an vielen Stellen des Buches tatsächlich greifbar wird, welche Faktoren Lernen beflügeln oder behindern und wie der Prozess die gesamte Persönlichkeit berührt und verändert. Zum anderen führt die Arbeit überzeugend vor Augen, welchen Beitrag solche longitudinalen Fallstudien zur Fremdsprachenforschung leisten. Chika T AKAHASHI erliegt nicht der Versuchung, ihre Arbeit mit theoretischen Betrachtungen zur Motivationsforschung zu überladen. In Kapitel 2 umreißt sie ihren konzeptionellen Rahmen (das „L2 Motivational Self System“ von D ÖRNYEI und die „Self-Determination Theory“ von D ECI & R YAN ), wobei es ihr gelingt, sich auf das Notwendige zu beschränken. So bleibt die Relevanz der Argumentation im theoretischen Teil stets nachvollziehbar. Im dritten Kapitel gibt sie einen Überblick über den Forschungsstand. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit vor allem auf Studien, in denen die Motivation zum Erlernen von weiteren Fremdsprachen nach Englisch thematisiert wird. Denn mit ihrer Studie möchte die Autorin insbesondere zur Weiterentwicklung des Forschungsbereichs LOTE (Languages Other Than English) beitragen. Dieses Vorhaben kann T AKAHASHI jedoch nur teilweise mit Erfolg umsetzen. Obwohl es immer auch um die anderen Sprachlernprojekte der beiden Forschungssubjekte geht, nimmt das Erlernen des Englischen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für den Englischunterricht in ihrer Darstellung den weitaus größten Raum ein. Sie versäumt es, sich ausführlicher mit der Situation der anderen Fremdsprachen in Japan auseinanderzusetzen. So beschränkt sich die Rezeption des Diskussionsstandes zu Französisch, Deutsch oder Chinesisch als Fremdsprache in Japan auf Publikationen, die auf Englisch oder Japanisch vorliegen. Das ist zwar verständlich, läuft jedoch ihrem Anspruch zuwider, den Bereich LOTE in Japan zu erfassen. Hinzu kommt, dass T AKAHASHI sich auf die selbstbestimmten Lernprozesse ihrer Protagonisten fokussiert. Inwiefern sich beispielsweise das Lernumfeld in den universitären Fremdsprachenkursen auf die Motivation auswirkt, wird nur am Rande behandelt. Das ist gerade im Fall von Shion bedauerlich, denn als Studentin gerät sie eher zufällig in die Situation, Deutsch als zweite Fremdsprache belegen zu müssen. Man erfährt, dass sie sich in ihrem universitären Deutschkurs innerhalb eines Semesters durch sämtliche Bereiche der deutschen Grammatik arbeiten muss und im dritten Semester vor der Aufgabe steht, Texte von Thomas Mann lesen zu müssen. T AKAHASHI unternimmt keinen Versuch, die Erfahrungen von Shion mit diesem problematischen Konzept von Fremdsprachenunterricht näher zu beleuchten. Damit wird auch die Frage ausgeblendet, auf welche Weise die konkreten lokalen Lernbedingungen Einfluss darauf nehmen, ob eine Beziehung zu einer Fremdsprache aufgebaut wird. 118 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0013 54 • Heft 1 Durch T AKAHASHI s tendenziell engen Fokus auf die Lernprozesse außerhalb von Bildungsinstitutionen gehen mithin wichtige Einsichten zur Rolle von Lehrenden, Mitlernenden und Unterrichtsinhalten verloren. Shion hätte ein sehr anschauliches Beispiel dafür sein können, wie sich eine didaktisch fragwürdige Unterrichtsgestaltung nachhaltig negativ auf die Motivation auswirkt, sich über das Pflichtprogramm hinaus mit einer Sprache und Kultur zu beschäftigen. Die Autorin entscheidet sich jedoch dafür, die unterrichtlichen Erfahrungen der beiden Forschungssubjekte nicht eingehend zu ergründen und zu analysieren. Umso erstaunlicher ist es, dass sie sich am Ende ihrer Studie unnötigerweise dazu verleiten lässt, pädagogische Implikationen zu formulieren. Sie erliegt damit der weit verbreiteten Fehlannahme, dass Studien im Bereich Fremdsprachen lehren und lernen zwingend Aussagen zu unterrichtlichen Prozessen treffen müssten. Weitere kleine Schwachstellen der Studie finden sich unter methodologischem Gesichtspunkt. Die Autorin wählt zwar einen innovativen Forschungsansatz, aber sie nutzt ihre Arbeit nicht dazu, die Vorteile ihrer Herangehensweise ausführlich zu diskutieren und mit anderen Forschungen zu pädagogischen Fallstudien in Beziehung zu setzen. Darüber hinaus ist problematisch, dass die Autorin die Datenanalyse in wenigen Sätzen abhandelt und keinen Zugang zu den Transkripten ermöglicht. Aus methodologischer Perspektive positiv zu werten ist hingegen, dass T AKAHASHI den Aspekt der Reaktivität ihres Vorgehens reflektiert. Über die Gespräche und den Email-Austausch mit ihren beiden Forschungssubjekten nimmt sie unmittelbar Einfluss auf deren Sichtweisen und Haltungen zum Fremdsprachenlernen. Die Autorin stellt diese Problematik ins Zentrum des letzten der 16 Interviews. In Kapitel 10 thematisiert sie diese unhintergehbare Bedingung ihrer Studie zumindest in Ansätzen. Auch aufgrund dieser reflektierten Sicht auf die Möglichkeiten und Beschränkungen des Forschungsdesigns lohnt sich die Lektüre. T AKAHASHI s Ergebnisse lassen sich nicht auf andere Kontexte übertragen. Wie bei allen pädagogischen Fallstudien liegt es bei den Lesenden, die Relevanz für das eigene Arbeitsumfeld zu erkennen. Der Wert der Studie besteht somit darin, dass sie ein lebendiges Bild der vielfältigen Faktoren zeichnet, die sich - für Forschende und Lehrende oft unsichtbar - auf die Motivation von Lernenden auswirken. In diesem Sinne stellt sie fraglos eine Bereicherung der Motivationsforschung dar und es ist ihr zu wünschen, dass sie andere Forschende zur Nachahmung inspiriert. Jena M ICHAEL S CHART Peggy K ATELHÖN , Pavla M AREČKOVÁ (Hrsg.): Sprachmittlung und Mediation im Fremdsprachenunterricht an Schule und Universität. Berlin: Frank & Timme 2022, 252 Seiten [39,80 €] Im vorliegenden Band möchten Peggy K ATELHÖN und Pavla M AREČKOVÁ eine Standortbestimmung „für Mediation und Sprachmittlung im fremdsprachlichen Unterricht [vornehmen], sie nach dem Erscheinen des Begleitbandes zum GeR [des Europarates] terminologisch neu […] bestimmen und einen Ausblick auf mögliche Entwicklungspotenziale [aufzeigen]“ (S. 8). Dazu sollen neben einem kurzen Überblick über das Verständnis von Sprachmittlung bzw. Mediation im 2018 veröffentlichten Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (BGeR) sowie über die einzelnen Beiträge des Bandes in der Einleitung neun Kapitel beitragen. Brian N ORTH und Enrica P ICCARDO bieten einen detaillierten Einblick in die Ausdifferenzierung von Mediation für den BGeR und die Erprobung der Skalen. Relevantes Entwicklungspotenzial für den deutschen Sprachmittlungskontext bietet insbesondere die Unterstreichung, Besprechungen 119 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0013 dass Mediation keine fünfte Fertigkeit ist (S. 25), wie in deutschen Curricula der Fall, sondern ein Kommunikationsmodus, der nicht von anderen Kommunikationsmodi trennbar ist und inhärent einen Perspektivenwechsel der mittelnden Person erfordert (S. 26). Ein konzeptuelles Modell von Mediation, das im Entwicklungsprozess entstanden ist, zeigt besonders gut die Zusammenhänge mit anderen Bereichen der Sprachkompetenz. Auch Daniel R EIMANN beleuchtet in seinem Beitrag den Entstehungsprozess der Skalen zu Mediation, 22 Skalen bezeichnet er ohne Begründung als besonders relevant. Anschließend kommentiert er das Potenzial dieser Skalen im Niveau B1 in Bezug auf Sprachmittlung im deutschen Schulsystem, wo die Kompetenz enger als im BGeR konzeptualisiert wurde. Hier wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der Konzeptualisierung von Sprachmittlung an sich wünschenswert gewesen, um über einen Vergleich hinaus konkret Potenziale für die Weiterentwicklung des Konzepts in Deutschland aufzuzeigen. Auch bleiben Fragen in Bezug auf die Definition verschiedener Termini offen; neuere Publikationen, die eine Öffnung des Konzepts auch im deutschen Kontext anregen bzw. die Implikationen des BGeR bereits diskutiert haben, bleiben unerwähnt. Věra J ANÍKOVÁ arbeitet das Potenzial, das Linguistic Landscapes für die Förderung der Sprachmittlungskompetenz haben, gekonnt heraus und illustriert dies mit drei universitären Unterrichtsbeispielen. Hierbei wird deutlich, dass Linguistic Landscapes ein Anstoß für Sprachmittlung in einem aufgabenorientieren Unterricht sein können, in dem die Studierenden weitere Rechercheaufgaben bearbeiten. Teils ist unklar, wie genau die einzelnen Teilkompetenzen durch die vorgestellten Aufgaben gefördert werden, wozu ausführlichere Ausführungen hilfreich gewesen wären. Der Artikel kann jedoch sehr gut als Impuls für die Unterrichtsplanung genutzt werden, wenn man Linguistic Landscapes einsetzen möchte. Elisabeth K OLB untersucht die Verbindung zwischen Sprachmittlung und interkultureller Kompetenz im BGeR, in dem für den BGeR als Referenzwerk verwendeten Framework of Reference for Pluralistic Approaches to Languages and Cultures (FREPA), in den Bildungsstandards sowie in der fremdsprachendidaktischen Modellierung im deutschen Kontext. Die dabei zurecht geübte Kritik u.a. an der fehlenden Trennschärfe zwischen den einzelnen Kategorien von Mediation im BGeR und der fehlenden Präzision der Bildungsstandards sowie die Potenziale, die der FREPA für kulturelles Lernen bietet, bleiben dabei ohne konkret aufgezeigte Schlussfolgerungen für den Umgang mit diesen teils unterrichtsbestimmten bildungspolitischen Rahmentexten. Die fachdidaktische Diskussion der letzten Jahre wird zusammengefasst, ohne jedoch das Konzept des interkulturellen Lernens selbst kritisch zu diskutieren. In der anschließenden Analyse je einer in den Bildungsstandards vorgeschlagenen Prüfungs- und Lernaufgabe führt K OLB nachvollziehbar Kritik daran auf, dass diese auf Grund von Aufgabenstellung und Erwartungshorizont die interkulturelle Ebene von Sprachmittlung nicht berücksichtigen. In den Implikationen für eine zukünftige Aufgabenentwicklung hebt die Autorin die Wichtigkeit von Thema, Situation und besonders der Beschreibung des: der Adressat: in pointiert hervor und macht erhellende Vorschläge dazu, wie Aufgaben entwickelt werden könnten, die diese Aspekte berücksichtigen. Dieses letzte Unterkapitel ist bei der Lektüre besonders gewinnbringend. Monica B ARSI und Peggy K ATHELHÖN konzentrieren sich auf das Potenzial von Mediation nach dem BGeR für den berufsbezogenen Fremdsprachenunterricht im Bereich des kulinarischen Tourismus. Dazu präsentieren sie erneut die drei Bereiche der Mediation, bevor sie für jeden davon eine Aufgabe aus dem europäischen Projekt DELCYME vorstellen. Diese zeichnen sich durch eine sinnvolle Verknüpfung von inhaltlicher Erarbeitung im Rahmen der Ausbildung und mittelnder Tätigkeit aus; die Mittlungskontexte wirken allerdings teils recht umständlich konstruiert, obwohl der touristische Kontext zahlreiche authentische Mittlungssituationen böte. 120 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0013 54 • Heft 1 Pavla M AREČKOVÁ stellt die Erkenntnisse eines mit 12 Studierenden des Masterstudienganges DaF an der Universität Brno durchgeführten Fokusgruppeninterviews bzgl. des von der Forscherin selbst unterrichteten und von den Teilnehmenden besuchten Sprachmittlungsseminars vor. Sprachmittlung wird dabei neben interlingualer und kultureller Mittlung primär als Textarbeit definiert. Die Diskussion wurde mit Hilfe der thematischen Analyse ausgewertet und kann vorrangig als Feedback für die Weiterentwicklung des spezifischen Seminars, jedoch auch als Anregung für Seminare an anderen Hochschulen genutzt werden. Die Studierenden schätzten besonders das Sprech- und Schreibtraining sowie die durch die Mittlungsaktivitäten geförderte Sprach(lern)bewusstheit. Katharina W IELAND liest die weite Definition von Sprachmittlung im BGeR als eine Beschreibung multilingualer Aushandlungsprozesse. Sie stellt ein Forschungsprojekt vor, bei dem die Interaktion von sechs Schüler: innenpaaren der 11. Klasse während der Bearbeitung einer Sprachmittlungsaufgabe videografiert sowie mit Hilfe des Lauten Erinnerns rekapituliert wurde. Die Daten wurden durch eine Interaktionsanalyse ausgewertet, welche anhand zahlreicher Beispiele sehr anschaulich dargestellt wird. W IELAND zeigt nachvollziehbar die vornehmlich organisatorische, inhaltliche und sprachliche Aushandlung der Lernenden auf. Darüber hinaus beleuchtet sie den Strategieeinsatz, wobei besonders erkenntnisreich ist, dass für die Schüler: innen die Adressat: innen kaum eine Rolle spielen, sondern sie den Fokus der Mittlung auf ein Zusammenfassen der Informationen des Ausgangstextes setzen. Der Beitrag überzeugt außerdem durch seinen präzisen Überblick über die Rezeption des BGeR in Deutschland sowie durch das Aufzeigen des Potenzials der Öffnung des Mediationsbegriffs, wenn die einzelnen Bereiche im Zusammenspiel betrachtet werden. Thomáš K ÁŇA stellt die „Verdunkelungsmethode“ (S. 196) aus einem Übersetzungsseminar Deutsch-Tschechisch an der Universität Brno für DaF-Studierende vor. Im Beitrag wird anhand zahlreicher Beispiele ersichtlich, wie das Übersetzen von Filmbzw. Buchtiteln und (Straßen)schildern ohne Kontext die Wichtigkeit des Kontextes für eine Übersetzung herausstellen und methodisch gewinnbringend sein kann. Eine terminologische Abgrenzung von Übersetzung und Sprachmittlung wäre hilfreich gewesen, da sie im Diskurs um die Definition von Sprachmittlung im deutschen fremdsprachendidaktischen Diskurs eine wichtige Rolle spielt. Auch eine klarere Verortung im (B)GeR hätte im Kontext des Sammelbandes Sinn ergeben. Ulrike A RRAS versteht Sprachmittlung in ihrem Beitrag sehr weit gefasst als die (Ver)Mittlung von Wissen, welche in der Lehre sowohl zwischen Lehrkraft und Lernenden als besonders auch im Prozess des Lernens als Notizenmachen und Zusammenfassen für sich selbst Anwendung findet. In diesem Bereich sieht sie in den Skalen des BGeR große Potenziale, um diese Kompetenzbereiche beschreibbar zu machen. Auch das interlinguale Mitteln zwischen zwei Personen findet in dem von ihr vorgestellten Modell „Sprachmittlung und Wissensvermittlung in mehrsprachigen akademischen Kontexten“ (S. 239) Anwendung, jedoch wird darunter primär die mehrsprachige Kommunikationssituation im wissenschaftlichen Kontext verstanden. Darum wären eine anfängliche terminologische Bestimmung und Abgrenzung von der im deutschen fremdsprachendidaktischen Kontext verbreiteten Konzeptualisierung von Sprachmittlung sinnvoll gewesen (diese erfolgt erst auf S. 236), um diesen argumentativ sehr starken Artikel im Kontext des fremdsprachendidaktischen Diskurses besser zu verorten. Die Autor: innen nennen als Ziel des Bandes, Sprachmittlung bzw. Mediation mehrperspektivisch beleuchten zu wollen. Dies wird mit der Autor: innenschaft aus verschiedenen fremdsprachendidaktischen Kontexten (bzgl. Fremdsprache und Arbeitsort) sowie mit Forschung aus Universität und Schule erreicht. Ein roter Faden sollte dabei durch die gemeinsame Orientierung am BGeR erfolgen, jedoch findet diese nicht in allen Beiträgen gleichermaßen präzise statt. Teils ist eine konkrete Verortung in Bezug auf BGeR und fremdsprachendidaktischen Besprechungen 121 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0014 Diskurs zu vermissen, teils entstehen durch die wiederholte Analyse des BGeR und die darin vorzufindenden Deskriptoren Wiederholungen und Redundanzen. Terminologisch wird sowohl mit ‚Mediation‘ als auch ‚Sprachmittlung‘ gearbeitet, weil die Beiträge vor der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung des BGerR verfasst worden sind (S. 10/ 11). Dies ist verständlich, führt aber auf Grund der in den Beiträgen ersichtlichen unterschiedlichen Lesarten der Ausführungen des BGeR teils zu Unklarheiten, was das erklärte Ziel der terminologischen Neubestimmung erschwert. Die sprachliche und editorische Qualität der Beiträge variiert darüber hinaus stark. Das Entwicklungspotenzial von Sprachmittlung auf der Basis des BGeR wird jedoch durch die Perspektivenvielfalt in verschiedenen Bereichen aufgezeigt, sodass Einblicke in und Impulse für (unterrichtspraktische) Forschung ersichtlich werden. Regensburg J ULE I NKEN M ÜLLER Gary B ARKHUIZEN (Hrsg.): Language Teachers Studying Abroad - Identities, Emotions and Disruptions. Bristol: Multilingual Matters 2022 (Psychology of Language Learning and Teaching, 17), 304 Seiten [54,95€] Ein Studium im Ausland ist, post-Covid, für (angehende) Lehrkräfte (einer Fremdsprache), nach wie vor keine Selbstverständlichkeit und in jedem einzelnen Fall eine ganz individuelle Erfahrung mit Höhen und Tiefen, Hürden und Herausforderungen, aber auch zahlreichen Möglichkeiten und sich öffnenden Türen. Herausgeber Gary B ARKHUIZEN und seine Kolleg: innen haben ein spannendes Buch verfasst über (angehende) Fremdsprachlehrer: innen, die (für eine gewisse Zeit) im Ausland studieren - und über Menschen, mit denen die Outgoings vor, während und nach ihrem Aufenthalt im Ausland Kontakt hatten, wie zum Beispiel Organisator: innen von Mobilitätsprogrammen an der Heimatuniversität, Dozierende, Gastfamilien, Lehrkräfte und Schüler: innen an der Gastschule. So ist ein faszinierender Sammelband entstanden, der die vielfältigen wie vielschichtigen Erfahrungen im Ausland von Studierenden und Lehrkräften, die eine Fremdsprache studieren und/ oder unterrichten in den Blick nimmt. Dabei werden - der Titel lässt es vermuten - bewusst persönliche wie komplexe Aspekte von Identität, Emotionen und Unterbrechungen im Rahmen von Mobilitätserfahrungen fokussiert. Die Autor: innen nehmen die Leser: innen dabei mit in verschiedene Länder und auf Aufenthalte von unterschiedlicher Länge, u.a. in Form eines Studiums, eines Praktikums, einem Kurzzeitaufenthalt oder auch online exchange (vor allem in und nach der Pandemie). In 20 Kapiteln wird ein reichhaltiges Spektrum an 12 aktuellen wie relevanten Themen behandelt: Störung (disruption), Covid-19, Identitätsarbeit (identity work), Emotionsarbeit (emotion work), professionelle Entwicklung (professional development), interkulturelles Lernen (intercultural learning), Sprachförderung (language enhancement), persönliches Wachstum (personal growth), Beziehungen (relationships), politisches Bewusstsein (political awareness), kritische Reflexivität (critical reflexivity) und Karrieren (careers). Alle Kapitel berühren diese Themen, wobei einige expliziter und deutlicher angesprochen werden als andere. Die Themen wurden - sinnvoll strukturiert für die Leserschaft - in vier Hauptkategorien gruppiert, die die vier Teile des Buches bilden: (I) Identitäten und berufliche Entwicklung, (II) Interkulturalität und interkulturelles Lernen, (III) Emotionen und persönliches Wachstum, (IV) Beziehungen und Karriere. Die präsentierten Studien aus unterschiedlichen Ländern (von China und Japan über Neuseeland, Kambodscha bis Taiwan, die USA und Vietnam) befassen sich alle eingehend mit den persönlichen und beruflichen Auslandsstudienerfahrungen der Stipen- 122 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0014 54 • Heft 1 diat*innen und konzentrieren sich dabei insbesondere auf die psychologischen und sozialen Aspekte dieser Erfahrungen. Das Buch nimmt somit - lesenswerterweise - nicht nur die Organisation und die Planung der Mobilitätsprogramme, ihre Ziele und ihre Outcomes in den Blick, sondern vor allem die Menschen dahinter, ihre Erfahrungen und Persönlichkeiten. Im ersten Teil zu Identitäten und beruflicher Entwicklung beispielsweise präsentieren Julia M ENARD -W ARWICK , Enrique David D EGOLLADO und Shannon K EHOE in ihrem Artikel „Emotionality in field trip narratives: Confronting deficit perspectives“ Ergebnisse aus einem größeren Forschungsprojekt, das die Erfahrungen von fünf amerikanischen Studentinnen im Rahmen eines „transnational critical education programs“ in Guatemala in den Blick nimmt. Augenöffnend für die angehenden Lehrkräfte war nicht nur die extreme Armut in dem mittelamerikanischen Land, sondern vor allem auch die als sehr unterschiedlich wahrgenommene Arbeit der NGOs vor Ort, die sie kennenlernen durften. Eine andere Auseinandersetzung mit Defizit(en) war sicherlich eine der greifbarsten Erfahrungen für die angehenden Lehrkräfte aus den USA. In dem Beitrag „Language for the heart: Investigating the linguistics responsiveness of study abroad“ von Erik Jon B YKER und Natalia M EJIA , der den zweiten Teil zu Interkulturalität und interkulturellem Lernen abschließt, steht Mehrsprachigkeit in Grundschulen in den USA im Fokus, d.h. in einem Land, wie die Autor: innen herausstellen, in dem die Knappheit an - und auch Wertschätzung von - (Fremd-)Sprachprogrammen immer diverser werdenden Klassenzimmern gegenübersteht. Die gemachten Erfahrungen der zukünftigen Lehrkräfte im Rahmen ihres Aufenthalts in Südafrika haben die Wichtigkeit von gelebter Mehrsprachigkeit für ihre ganz unterschiedlichen Schüler: innen und ihre Lebensrealitäten verdeutlicht. Im dritten Teil des Buches zu Emotionen und persönlichem Wachstum werden u.a. Auslandsaufenthalte in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie untersucht, die die ganz unterschiedlichen Emotionen (u.a. sowohl Enttäuschung als auch Optimismus) und Strategien der Studierenden beleuchten. Takaaki H IRATSUKA stellt zwei Studierende vor, die Japan aufgrund der Pandemie gar nicht verlassen haben und ihren Auslandsaufenthalt in den virtuellen Raum verlegen mussten („Dream cut short but heads held high: Study abroad in times of coronavirus“). John M ACALISTER ’s Studie nimmt fünf Lehrkräfte aus Kambodscha in den Blick, die im Lockdown in Neuseeland studieren („No ordinary time: Language teachers abroad in an extraordinary year“). Beeindruckend in beiden Studien ist die Offenlegung der hohen Belastbarkeit und der konstruktive Umgang der (zukünftigen) Lehrkräfte mit einer plötzlich über sie hereingebrochenen und alles anderen als alltäglichen Situation. Rosamund M ITCHELL und Nicole T RACY -V ENTURA präsentieren im vierten Teil zu Beziehungen und Karriere die Ergebnisse einer Längsschnittstudie mit Sprachlehrassistent: innen in Großbritannien („From language teaching assistant abroad to language professional: A longitudinal study of career entry“). Sie legen in ihrem Beitrag die komplexen Karriereentscheidungen von languages graduates offen. Auslandsaufenthalte und die Begeisterung für Sprache(n) - oftmals schon als Schüler: innen - spielen hier eine entscheidende Rolle. Fragen, die das Buch aufgreift (um dann auch hilfreiche Antworten zu liefern), sind u.a.: Wer genau sind die (angehenden) Sprachlehrer: innen, die an diesen Auslandsstudienprogrammen teilnehmen? Wie und warum verändern sie sich, sowohl als Menschen als auch als Expert: innen für ihr Fach? Was tun (angehende) Sprachlehrer: innen während eines Auslandsaufenthalts und wie trägt dies zu ihrer Identität und beruflichen Entwicklung bei? Wie wirkt sich die Auslandserfahrung auf ihre Emotionen aus - vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt? Was bedeuten diese Emotionen und wie beeinflussen sie die Wahrnehmung der (angehenden) Lehrer: innen, wer sie sind und was sie als Lehrer: in tun? Was lernen die (angehenden) Sprachlehrer: innen über sich selbst und über die Menschen, mit denen sie während des gesamten Auslandsaufenthalts zu tun haben, auch noch Jahre nach dem Aufenthalt? Was lernen Besprechungen 123 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0015 sie über ihren Platz in der Welt - der Welt des Sprachunterrichts und der Bildung im weiteren Sinne, in einer sich schnell verändernden Welt, in der der Platz eines jeden in Frage gestellt und unsicher ist? Language Teachers Studying Abroad - Identities, Emotions and Disruptions ist von großem Interesse für alle Menschen, die selbst eine Fremdsprache studieren und einen Aufenthalt im Ausland planen bzw. diesen reflektieren (möchten/ müssen), die eine Fremdsprache unterrichten (an der Schule oder der Universität) und/ oder einen Auslandsaufenthalt für (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte organisieren, sowohl in den lehrer: innenbildenden Fakultäten oder zentralen Einrichtungen wie International Offices oder Zentren für Lehrer: innenbildung an den Universitäten und Hochschulen, aber auch Fachleiter: innen, die Referendar: innen ausbilden, oder Moderator: innen in der beruflichen Weiterbildung. Da der Sammelband geographisch wie inhaltlich breit gefächert und gut strukturiert ist, werden Leser: innen fasziniert sein von den vielfältigen wie oftmals persönlichen Erkenntnissen von und Einblicken in Auslandsaufenthalte(n) von Fremdsprachenlehrkräften und Studierenden. Gerade dadurch, dass die Reisenden selbst zu Wort kommen, werden die mehrdimensionalen Perspektiven eines Aufenthaltes im Ausland vollumfänglich erfasst und greifbar. Hilfreich für die Leser: innen sind dabei auch die angebotenen Empfehlungen - bei der Planung und Durchführung und Reflexion, sowohl für Ausbilder: innen und Organisator: innen als auch und vor allem die Studierenden und Lehrkräfte. Die weltweite Covid-Pandemie genauso wie eine höhere Sensibilität für eine nachhaltigere Mobilität haben unter anderem dazu beigetragen, noch einmal kritischer auf Auslandsaufenthalte zu schauen - ohne dabei den Mehrwert an sich vollständig in Frage zu stellen. Umso wichtiger ist der Beitrag des vorliegenden Sammelbandes und sind die empirischen Studien aus verschiedenen Bildungskontexten, um die Bedeutung des Auslandsstudiums, vor allem für Sprachlehrer: innen und -studierende in all seinen Facetten zu beleuchten. Die Autor: innen legen offen und unterstreichen mit Nachdruck, wie heterogen die Erfahrungen im Ausland sind - vor allem post-Covid und angesichts zahlreicher neuer (vor allem: short-term) Mobilitätsoptionen. Das Buch trägt dazu bei, in dem Feld der study abroad- Forschung den „ganzen“ Menschen und sein „ganzes“ Leben stärker in den Fokus zu rücken - inklusive individueller Geschichten, Identitäten, Vorstellungen, Emotionen, Motivationen und Absichten. Köln J AN S PRINGOB Claudia M USTROPH : Zum Einsatz multimodaler Literatur im Englischunterricht. Eine Mixed- Methods-Studie zu den Überzeugungen bayerischer Lehrkräfte. Berlin: Lit 2022 (Fremdsprachendidaktik in globaler Perspektive, 9), 300 Seiten [34,90 €] Wie Sprache schlechthin sind auch ihre medialen Erscheinungsformen beständigem Wandel unterworfen. Erklärvideos ersetzen Bedienungsanleitungen, Chats und Memes Gespräche, Emojis zieren Textnachrichten, Hypertexte Webseiten, Eintrittskarten werden digital, ceci tuera cela. Die technische Entwicklung transgrediert längst literarische Gattungsgrenzen und verlangt der Literaturdidaktik ab, für eine vergrößerte Vielfalt ästhetischen Ausdrucks überzeugende Zugänge zu schaffen. Hier setzt die Studie an, die Claudia M USTROPH 2022 als Dissertation an der LMU München verteidigt und in der Buchreihe ihrer Betreuerin Christiane L ÜTGE veröffentlicht hat. Die explorative Mixed-Methods-Erhebung flankiert quantitative Fragebogen- (N = 164) durch qualitative Interviewbefunde (N = 5). Ziel ist ein Beitrag zur Lehrerkognitionsforschung und Lehrkräftebildung durch die Ermittlung von Überzeugungen (vorwiegend 124 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0015 54 • Heft 1 gymnasialer) bayerischer Englischlehrkräfte hinsichtlich unter dem - zu weiten - Begriff der Multimodalität subsumierter Textsorten. M USTROPH gliedert ihre Studie in neun Kapitel. Umrahmt werden diese von einer unnummerierten Einleitung (S. 1-5) und einem Fazit mit Ausblick (Kap. 10), Literatur- (Kap. 11), Abbildungs- und Tabellenverzeichnis (Kap. 12). Ein Anhang enthält das Anschreiben (S. 285) zum Online-Fragebogen (S. 286-298; vgl. auch S. 118f.) und den zugrundeliegenden Interviewleitfaden (S. 299-300). Die ersten drei Kapitel dienen der Erörterung der begrifflichen und theoretischen Voraussetzungen. M USTROPH informiert zunächst (kritisch) über multimodale Literatur in Englischunterricht und -curricula (Kap. 1) sowie über die Erforschung des Zusammenspiels von Unterrichtshandeln und Überzeugungen (Kap. 2). Letzteren ordnet sie die drei Funktionen des Filters, des Rahmens und der Steuerung zu (vgl. Kap. 2.3). Professionelle Erfahrungen werden demnach situationsabhängig, intuitiv und in willkürlicher Reihenfolge durch bereits vorhandene Überzeugungen verstärkt, beurteilt und in Handlungen überführt. Die dünne empirische Forschungslage zur Akzeptanz von Comics im Englischunterricht (vgl. Kap. 3) sichert M USTROPH die Innovativität ihrer Forschungsfragen. Sie beleuchten 1. die Überzeugungen von Englischlehrenden zum Einsatz multimodaler Literatur im Unterricht, 2. die Bedingtheit dieses Einsatzes durch Filter-, Rahmen- oder Steuerfunktion dieser Überzeugungen, 3. deren Bedingtheit durch bestimmte Faktoren (S. 79f.). Dass Überzeugungen sich der unmittelbaren Beobachtung entziehen (S. 84), erfordert, mit Fleiß und großem Aufwand durchgeführt, eine mehrgliedrige Datenerhebung, die vorwiegend quantitativ erfolgt, die wenigen qualitativen Aussagen aber dafür in schier unablässiger Wiederholung einbezieht. Ausführlich entfaltet wird die Entwicklung des Fragebogens u.a. aufgrund von zehn Kategorien (vgl. S. 89ff.). M USTROPH begründet die trotz pandemiebedingtem Strategiewechsel (S. 134) verwirklichte Methodenwahl transparent, bisweilen allzu detailliert (z.B. Abgrenzung Mixed- Methods vs. Triangulation, S. 80f.), und setzt ihre empirischen Erhebungsinstrumente nachvollziehbar und selbstkritisch ein. So räumt sie mangelnde Repräsentativität ein, kann aber Perspektiven für die Lehrkräfte(fort)bildung eröffnen. Das Ergebnis ist gleichwohl weniger eindeutig als von der Autorin erhofft. Zwar ist die Akzeptanz der Lehrenden für Comics im Längsschnitt gestiegen, einen erhöhten Bildungswert erkennen Lehrkräfte in ‚multimodaler Literatur‘ jedoch mehrheitlich nicht. Positive Effekte sehen sie eher bei der Leseals bei der Lernmotivation. Diffus erscheint ihnen v.a. die curriculare Lage, insbes. in Bezug auf Leistungskontrollen. Trotz guter Verfügbarkeit tun sich Lehrkräfte schwer mit der Auswahl multimodaler Werke. Auch fehle ihnen Zeit, sich adäquat in Texte einzuarbeiten; gewünscht würden annotierte Ausgaben und passgenaue Unterrichtsmaterialien (S. 165, 225ff.). Multimodaler Literatur stünden die Probanden mithin „unentschlossen bis positiv“ (S. 218) gegenüber: 63 „optimistisch[en]“ Lehrkräften stehen 46 „zurückhaltende“ und 16 „ressourcenkritische“ entgegen. Zum Vergleich wurden in früheren Studien 59 % „Interessierte“ vs. 22 % „Skeptiker“ bzw. 19 % „Verweigerer“ gezählt. Mithilfe von Regressionsanalysen zeigt M USTROPH , dass Überzeugungen mit Filter- und Steuerfunktion v.a. die Wahrnehmung methodisch-didaktischer Selbstwirksamkeit betreffen; Unterrichtsgegenstände wie multimodale Literatur seien dieser nachgeordnet, Rahmenüberzeugungen weniger relevant für deren Einsatz (S. 220, 229f.). Stärker wirkten „bedeutungsvolle Vorerfahrungen“ (S. 235) im Bereich des Fremdsprachenlernens von der eigenen Schulzeit über die Professionalisierung bis hin zum intuitiven unterrichtspraktischen Professionswissen nach. Erwartungsgemäß bestätigt sich hier das Festhalten an traditionellen Lehrmethoden (45,1 %), das ‚Kleben‘ am Lehrwerk und bewährten Inhalten (60,4 %). Dass die private Lektüre von Graphic Novels selbst bei geneigteren Lehrkräften die „Einschätzung des Motivationspotentials“ (S. 222) von multimodaler Literatur nicht erhöht (Romane führen unter den Befragten mit 84,8 % gegenüber Besprechungen 125 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0015 nur 8,5 % Graphic Novels, 6,7 % Comics; S. 207), treibt M USTROPH zur mutmaßlichen Überschätzung der Wirkmacht universitärer Literaturvermittlung (S. 237), während auch pragmatische Gründe wie Kosten für Kopien und Copyright angeführt werden (S. 205). Die eigene Einschätzung berufsbezogener Kompetenzen hingegen lasse auch zurückhaltende Lehrkräfte multimodaler Literatur gegenüber offener werden. Mit zunehmendem Alter hielten Lehrkräfte wiederum eher an früheren Überzeugungen fest und ließen sich auf multimodale Literatur weniger leicht ein (S. 238). Für eine literaturdidaktische Untersuchung ist die Literatur selbst darin verstörend unsichtbar: Primärtexte werden weder exemplarisch noch in der Bibliographie genannt; drei Titel (Yellow Kid [1886]; Superman [1938]; A Contract with God [1978]) genügen M USTROPH , um die gesamte Bandbreite von Bilderbüchern, Comics und Graphic Novels sowie multimodalen Romanen in der (unterrichtsrelevanten, vgl. S. 12) anglophonen Literaturgeschichte abzustecken (S. 12-16, 292). Mit der Eingrenzung ihres Untersuchungsgegenstandes tut sich die Verfasserin zu Recht schwer und verzerrt dadurch möglicherweise selbst ihre Ergebnisse. Denn mitnichten ist klar, was M USTROPH als multimodale Literatur betrachtet (S. 209), wiewohl sie doch selbst die außerakademische Ungebräuchlichkeit des Terminus konzediert (S. 90). Auch die „Begriffsklärung“ (S. 6ff.) erhellt trotz einiger Forschungsreferenzen - es fehlen einschlägige Ansätze der Medienwissenschaft und Deutschdidaktik - kaum die Beschränkung auf gedruckte Werke. Die Abgrenzung des Begriffs von Multicodalität versäumt die Autorin (S. 24), verwendet stellenweise die Adjektive ‚multimodal‘ und ‚mehrfachkodiert‘ sogar synonym (S. 27, 29). Selbst den explizit ins Spiel gebrachten Bildungsbegriff (S. 226; bildender vs. literarischer Wert, S. 147) lässt sie merkwürdig diffus in der Schwebe. Als machte Multimodalität die funktionale kommunikative Kompetenz der KMK- Bildungsstandards obsolet, bezeichnet M USTROPH diese als „die sogenannten traditionelleren Kompetenzen“ (S. 24). Daraus folgert sie voreilig, „dass sich über die Beschäftigung mit multimodaler Literatur womöglich ein Weg zur Steigerung der allgemeinen Lesemotivation ergeben“ (S. 23) und dies „[n]ur auf diese Weise“ (S. 26) möglich sei, oder: „Digitale Kommunikation ist […] vorwiegend multimodal“ (S. 26). Bekanntlich gelten selbstbestimmtes Rezeptionstempo (vgl. S. 24) und erhöhter Zeitaufwand (vgl. S. 165) nicht erst für multimodale Lektüre. Lesen allein reiche nicht mehr aus (vgl. S. 17), um einen multimodalen Text zu erfassen; Rezipienten werden jedoch weiterhin als „Lesende“ bezeichnet (S. 20). Ähnlich brüchig wie die Klebebindung des durchgearbeiteten Rezensionsexemplars erweist sich leider die sprachliche Form. Besonders exponiert irritiert das Komma zwischen nicht nebengeordneten Adjektiven (S. 42, 47, 68, 95, 111, 185, 232, 235, 238, 240, 242 u.a.m. in Verbindung mit „einige“, „sonstige“, „weitere“, „verschiedene“ u.a.), das leider ausgerechnet in „multimodale, literarische Texte“ (S. 2 u.ö.) beharrlich mitgeschleift wird. Anglizistisch motivierte Interpunktion äußert sich in überzähligen (v.a. bei präpositionalen Ergänzungen: S. 37, 81, 150, 201; auch 151, 219) oder fehlenden Kommata (v.a. in Infinitivkonstruktionen: S. 17, 41 im Zitat, 47, 54, 108, 140 Fn. 5, 202, 203). Deplatziert hingegen wirkt in der Studie der inflationäre Gebrauch persönlicher Einschätzungen („meines Erachtens“, S. 12, 13, 47 u.ö.) bis hin zum Strapazieren der Logik („in meinen Augen folglich“, S. 90) und alltagssprachlicher Füllwörter („spannend[erweise]“, S. 187, 215, 217, 218, 227, 238; „an dieser Stelle“, S. 33, 35, 44, 45, 47 u.ö.). Einige Einschätzungen bleiben konfus, so ein Hinweis auf „emotional-affektive Beweggründe (S. 32); einem „folglich“ (S. 11) bzw. der Ankündigung einer „Begründung“ (S. 89) folgt keine Kausalität; das Bild des Filters wird irrigerweise zum „Sieb“ umgedeutet (S. 98), ein Zirkelschluss liegt S. 227 vor. Mancher Druck- und Trennungsfehler (S. 18, 19, 93, 142, 205, 226, 230) sowie fehlende (S. 54, 116) und überzählige Wörter (S. 139, 146, 162, 183) haben den Korrekturgang überdauert. 126 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0016 54 • Heft 1 Insgesamt legt M USTROPH eine vielsagende Studie über Literatur vor, die selbst ohne Literatur auskommt, jedoch Lehrende nach ihrer Haltung dazu befragt. Ein alarmierender Nebenbefund, der dabei zugleich entlarvend für den aktuellen Zeitgeist erscheint und eine Lösung aufzeigt, die gar nicht gesucht wurde: Erschreckend wenige von ihnen (10 %) erachten die „Entwicklung von Lesefreude […] als wichtig“ (S. 170). Frankfurt/ M. R OLAND I ßLER Johanna W OLF : Fremder Text - fremde Welt? Zu Störungen im Organisationsablauf beim Verstehen fremdsprachlicher Texte. Berlin/ Boston: de Gruyter 2022, 338 Seiten [99,95 €]. Johanna W OLF untersucht in ihrer Habilitationsschrift Probleme beim Verstehen fremdsprachlicher Texte durch fortgeschrittene Lernende. Unter Berücksichtigung neurolinguistischer, kognitionspsychologischer und zeichentheoretischer Ansätze entwickelt die Autorin ein linguistisch fundiertes Textverstehensmodell, bezieht dieses auf die Situation des Fremdsprachenunterrichts und entwirft ein mehrstufiges Untersuchungsdesign, welches die Interaktion von universitären Lernenden aus höheren Niveaustufen der Romanistik (Spanisch/ Französisch, Niveau B1-C2) mit komplexen authentischen Texten in den Fokus nimmt. Als für die Unterrichtspraxis relevantes Ziel will die Arbeit ein „differenziertes ‚Diagnoseinstrument‘ für Störungen im Organisationsprozess des Lese- und Textverstehens […] entwerfen“ (S. 146). In der Einleitung (Kap. 1) begründet W OLF die Relevanz ihrer Arbeit mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Lese-/ Textverstehens und den in der Fachliteratur mehrfach erwähnten Problemen fremdsprachlicher Leser: innen bei der Bedeutungskonstruktion in der Auseinandersetzung mit „Texten aus fremden Kulturen und Gesellschaften“ (S. 3). Dabei kommt dem Vorwissen der Lernenden eine entscheidende Rolle für erfolgreiche mentale Verarbeitungsprozesse zu. Als Forschungslücke fokussiert die Autorin eine ungenaue Definition von (Vor-)Wissen und Textverstehen, die sie auch als Problematik vorliegender Studien erkennt. Kap. 2 stellt zunächst die Grundlagen von Sprach- und Textverstehensprozessen dar, wobei Erkenntnisse verschiedener Disziplinen (Neurolinguistik, Kognitionspsychologie, Zeichentheorie, Kulturwissenschaften) Beachtung finden. Für die Textverarbeitungs- und -verstehensforschung besonders relevant wird die Theorie der mentalen Modelle angesehen, die W OLF mit nahestehenden Konzepten wie Schemata, scripts und frames verbindet. In weiterer Folge befasst sich die Autorin näher mit den Definitionen von Text, Textbedeutung und Textverstehen. Als zentraler Begriff ihrer Arbeit wird dabei das „Text-Welt-Modell“ nach Schwarz-Friesel (S. 84) etabliert, welches unter Bezug auf das Zeichenmodell von Blank (S. 45) zu einem integrativen Textverstehensmodell erweitert wird (S. 88). Die Besonderheit dieses Modells liegt in seiner Mehrdimensionalität und der Ausdifferenzierung verschiedener Wissensformate auf propositionaler, konzeptueller und epistemisch-diskursiver Ebene. Kap. 3 beleuchtet das Textverstehen im Fremdsprachenunterricht, mit Fokus auf „mögliche[n] Blockaden [...], die bereits fortgeschrittene Leser daran hindern, zur Konstruktion eines vollständigen TWM [Text-Welt-Modells, Anm. d. Verf.] zu gelangen“ (S. 88). W OLF rezipiert relevante Fachliteratur aus dem Bereich der Fremdsprachendidaktik (bes. Theorien zum multilingualen mentalen Lexikon) und stellt einige empirische Studien vor. Gut gelungen erscheint die Integration von Konzepten aus Kap. 2, z.B. in der Verbindung von B LANK s Zeichenmodell und den Ebenen des Wortwissens nach N ATION (S. 99). Im Rahmen dieses Kapitels werden drei Hypothesen über zentrale Probleme des Textverstehens bei fortgeschrittenen Lernenden formuliert: Besprechungen 127 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0016 Komplexe nicht-kompositionelle sprachliche Ausdrücke werden aufgrund fehlender Strategien nicht richtig eingeordnet, was „die Organisation des Verstehensprozesses beim mapping- Prozess auf der konzeptuellen einzelsprachlichen Ebene“ stört (S. 131). Geeignete Determinationsstrategien werden nicht angewendet. Es fehlt an „ausreichend[em] kulturelle[m] und epistemisch-diskursive[m] Vorwissen“ (S. 133). W OLF überprüft die Relevanz dieser Hypothesen durch eine Studie, in der 37 Spanischstudierende unter Einsatz unterschiedlicher Wissensstrukturen und Lesestile Fragen zu drei verschiedenen Texten beantworten mussten. Über Fragebögen wurde u.a. die subjektive Einschätzung von Textschwierigkeiten erhoben. Tatsächlich konnte W OLF die drei vermuteten Problembereiche in dieser Erhebung beobachten, weshalb differenzierte Studiendesigns zur Überprüfung der einzelnen Hypothesen entwickelt wurden. Allerdings sind die Ergebnisse nicht gänzlich nachvollziehbar, da die Autorin zwar die verwendeten Texte im Anhang der Arbeit zugänglich macht, nicht jedoch die mit diesen verbundenen Fragen. Die drei von W OLF an der Universität Salzburg durchgeführten Hauptstudien werden in Kap. 4 („Empirischer Teil“) vorgestellt, wobei die Inhalte jeweils in Darstellung der Relevanz, Methodik (Unterkapitel zu Material und Methoden, Proband: innen, Pilotierung, etc.), konkrete Forschungsfragen, Ergebnisse sowie Diskussion und Zwischenfazit strukturiert werden. Studie 1 widmet sich dem Problem der Dekomposition komplexer nicht-kompositioneller Strukturen. Getestet wurden hier produktive Kompetenzen der Proband: innen, über die Rückschlüsse auf unterschiedliche mentale Repräsentationsformen produzierter Konstruktionen gezogen wurden. 35 Teilnehmer: innen aus zwei Spanischkursen (B2+, C1) sowie 8 Native Speaker wurden gebeten, mit mehreren spanischen Verben korrekte mehrteilige Konstruktionen zu bilden. In einer quantitativen Analyse wurde ausgewertet, wie viele unterschiedliche Konzepte in den beiden Gruppen aktiviert wurden und insbesondere, wie häufig die Proband: innen prototypische, frequente Konstruktionen (die als chunks gespeichert werden können) oder aber kreative Kombinationen (abstrakte Konstruktion als Speicherformat) bilden. Es zeigten sich wie erwartet signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen und W OLF interpretiert diese dahingehend, dass die Spanischlernenden die untersuchten Strukturen eher als chunks abspeichern denn als schematische Konstruktionen. Leider wurde die Gelegenheit nicht genutzt, um auch die rezeptiven Kompetenzen der Lernenden in Hinblick auf das untersuchte Phänomen zu testen. Die Frage, ob weniger kreative Produktion tatsächlich mit Verständnisproblemen korreliert, bleibt somit offen. In Studie 2 liegt der Fokus auf Strategien der Bedeutungsdetermination und Kohärenzbildung. Mittels Lauten Denkens wurden die Daten von 14 Französischstudierenden (B1+/ B2, C1) beim Lesen auf Verständnis von je einem Sach- und einem literarischen Text erhoben. Dabei wurden die Lernenden gebeten, „die Texte inhaltlich zusammenzufassen und [...] ihren Umgang mit fremdem Vokabular, z.B. die Erschließung der Bedeutung, zu versprachlichen“ (S. 180). Die aufbereiteten Daten wurden quantitativ und qualitativ analysiert. Besonders interessant ist, dass sowohl individuelle als auch Gruppenergebnisse dargestellt werden. Die Daten legen nahe, dass mit höherem Niveau häufiger intralinguale Strategien sowie Raten und Ignorieren als Strategien im Umgang mit unbekanntem Wortschatz eingesetzt werden. Zudem scheint es, dass Nachschlagen im Wörterbuch ohne Verbindung mit anderen Strategien die Etablierung eines kohärenten Text-Welt-Modells störe, Raten hingegen fördere. W OLF weist jedoch auf die relativ geringe Anzahl an erfassten Stellen der Strategienverwendung und Interaktion mit dem Text-Welt-Modell als Limitation dieser Untersuchung hin. Studie 3 untersucht die Rolle des Vorwissens für das Textverstehen. 20 Spanischlernende mit Kompetenzniveau C1 sowie 5 Native Speaker nahmen daran teil. Die Proband: innen wur- 128 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0017 54 • Heft 1 den in einer ersten Phase der Testung gebeten, Assoziationen zu 8 Items der jüngeren spanischen Vergangenheit zu notieren, um spezifisches Vorwissen zu erheben. Einige Tage später durchlief ein zufällig ausgewählter Teil der Lernenden (Gruppe B) eine Phase des Vorwissensaufbaus („Geschichte Spaniens nach 1975“, S. 229). Wiederum zeitversetzt fanden individuelle Lesephasen statt, in denen alle Proband: innen eine Glosse zur aktuellen politisch-gesellschaftlichen Situation Spaniens auf Verständnis lesen und ihre Gedanken dabei verbalisieren sollten. Laut-Denk-Protokolle wurden erstellt und auf die beobachtbaren Inferenzprozesse hin quantitativ und qualitativ analysiert. Einige Tage nach der Lesesituation wurden detaillierte Zusammenfassungen von den Teilnehmer: innen erstellt und eine Woche später fand ein (unangekündigter) Wissenstest statt. Die detailliert beschriebenen Ergebnisse für Individuen und Gruppen legen nahe, dass Vorwissensaufbau zu einer Verringerung an Störungen im Verstehensprozess führt. Gruppe B näherte sich in Hinblick auf die Aktivierung enzyklopädischen Wissens an die Native Speaker an, im Bereich des epistemisch-diskursiven Wissens blieben jedoch klare Unterschiede zu den Lernenden beider Gruppen bestehen. Während die L1- Leser: innen adäquat auf die Textsorte Glosse reagierten, interagierten die Lernenden mit dieser wie mit einem Sachtext, ohne auf die Subjektivität des Geschriebenen einzugehen. Die vorliegende Arbeit überzeugt durch die Verbindung umfangreicher Erklärungen theoretischer Konzepte und der Darstellung mehrerer aufeinander aufbauender empirischer Studien, die sich verschiedenen Forschungsfragen mit unterschiedlicher Methodik nähern. Die Struktur des Textes ist in sich stimmig, was die Abfolge der einzelnen Teile betrifft. Als ungünstig für kursorisches Lesen erscheint jedoch, dass Teile der empirischen Arbeit W OLF s bereits vor dem eigentlichen „empirischen Teil“ dargestellt werden, so wie auch die formulierten Hypothesen zu Problemen des Textverstehens. Obwohl Limitationen hinsichtlich der Reichweite der vorgestellten Studienergebnisse vorliegen (u.a. Proband: innenzahl, inhaltliche Beschränkungen), muss die Komplexität des Forschungsprojektes sowie der hohe Grad an Qualitätssicherung im Forschungsprozess (z.B. Pilotierungen, Auswahl der Testpersonen, Kontrollgruppen) betont werden. Die Ergebnisse sind sicherlich über die Grenzen der untersuchten Sprachen hinweg relevant und können einerseits zu einer verbesserten Diagnose von Textverstehensproblemen unter fortgeschrittenen Lernenden beitragen und andererseits Anregungen für weiterführende Forschungsarbeiten liefern. Granada M ARTINA K IENBERGER Marlene A UFGEBAUER : Die fremdsprachliche Textproduktion. Schreibprozesse und -produkte von DaF-Lernenden. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2023, 493 Seiten [95,00 €] Der vorliegende Band ist das Produkt eines erfolgreichen Dissertationsprojektes an der Universität Wien. Er präsentiert sich als detailliert gegliederte Monografie im Umfang von knapp 500 Seiten, die neben dem eigentlichen Text auch 54 Abbildungen, 145 Tabellen, ein 35seitiges Literaturverzeichnis und ein zweiseitiges Internetquellenverzeichnis umfasst. Gegenstand der Arbeit ist die empirische Untersuchung fremdsprachlicher Schreibprozesse in der Fremdsprache Deutsch von Lernenden mit der Erstsprache Italienisch am Ende der Sekundarstufe II an einem neusprachlichen Gymnasium (liceo linguistico) in Palermo, Italien. Laut Vf.in bestand das Ziel der Untersuchung nicht primär darin, „statistische Repräsentativität der Ergebnisse zu gewährleisten, sondern den Schreibprozess von Fremdsprachenlerner*innen im Detail anhand einer Methodentriangulation zu beschreiben und darzustellen“ (S. 86). Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelt die Vf.in ein beeindruckend differenziertes methodisches Besprechungen 129 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0017 Instrumentarium, das sie nach einem einleitenden Problemaufriss (Kap. 1) und einem konzisen Überblick über die derzeitige Forschungslage im Gegenstandsbereich ihrer Arbeit (Kap. 2) sehr detailliert im dritten Kapitel auf rund 120 Seiten entwickelt und ausführlich begründet. Proband*innen waren insgesamt 12 italienische Oberstufen-Schüler*innen (neun weiblich, drei männlich), die allesamt einen einsprachigen familiären Background hatten und Deutsch als dritte Fremdsprache im vierten Lernjahr erwarben. Sie hatten zum Zeitpunkt der Datenerhebung keinen längeren Auslandsaufenthalt in einer deutschsprachigen Umgebung absolviert. Ein vorab durchgeführter C-Test zur Bestimmung des aktuellen Lernstandsniveaus diagnostizierte nur für eine Informantin das curricular als Lernziel ausgewiesene GeR-Niveau B1, die elf anderen lagen auf den Stufen A2/ 1 bis A2/ 2. Jede der zwölf Proband*innen, deren Teilnahme an den Versuchen durch freiwillige Meldung erfolgte, hatte innerhalb von drei Wochen je zwei argumentative und je zwei deskriptive Texte zu produzieren. Die Textaufgaben waren dabei eng angelehnt an typische Unterrichtsinhalte der gegebenen Klassenstufen (deskriptiv: Wohnungs- und Zimmerbeschreibungen, Beschreibung eines typischen Wochenablaufs; argumentativ: Vor- und Nachteile von Mobiltelefonen sowie von Computerspielen). Die bei der Bearbeitung dieser Textproduktionsaufgaben ablaufenden Prozesse wurden mit gleich vier verschiedenen Datenerhebungstechniken dokumentiert: Keystroke-Logging (mit dem etablierten Tool Inputlog von Luuk Van Waes und Mariëlle Leijten), Screen-Capturing (mit dem Programm Snagit), Laut-Denk-Protokollierung sowie Videografie der Proband*innen mit zwei Kameras, mit denen auch nicht-computerbezogene Handlungen wie handschriftliche Notizen oder auch mimisch-gestische Handlungskommentierungen erfasst wurden. Im Sinne eines Mixed-methods-Designs wurden zunächst alle mit Keystroke-Logging erhobenen quantitativen Daten mittels deskriptivstatistischer und inferenzstatistischer Verfahren ausgewertet. Für die weitere Analyse wurden dann sieben der 12 Proband*innen ausgewählt, eine Begrenzung, die angesichts des großen Datenerhebungs- und Datenanalyseaufwands im Rahmen einer Dissertation durchaus gerechtfertigt erscheint. Die Auswahl dieser sieben Proband*innen erfolgte zudem nach der Strategie der „maximalen Variation“ (S.106), d.h., es wurden explizit die Datensätze solcher Proband*innen ausgewählt, die einen sehr hohen Pausenanteil, und solcher, die einen sehr geringen Pausenanteil aufwiesen, in der Annahme, dass diese Pausenunterschiede Hinweise auf unterschiedliche Prozessstrukturen sein könnten. Außerdem wurde eine Probandin mit mittleren Werten ausgewählt. Mit der expliziten Konzentration auf die individuelle Prozessperspektive einzelner Schreibenden vermeidet die Vf.in den häufig beklagten Washout-Effekt großer Versuchsgruppen, wenn diese nur mit einem Fokus auf zentrale Tendenzen analysiert werden. Die Daten der so ausgewählten sieben Proband*innen werden unter Einsatz des Transkriptionseditors EXMARaLDA und des Analysetools ATLAS.ti einer kleinschrittigen Analyse unterzogen, wobei die Vf.in in exemplarischer Weise von den Möglichkeiten der Datentriangulation Gebrauch macht und so Einblicke in die Gemeinsamkeiten, aber eben auch in die individuellen Strukturen der Schreibprozesse der Proband*innen erarbeitet. Besonders erwähnenswert ist, dass das auf Triangulation ausgerichtete Design der Arbeit zusätzlich durch den Einschluss der bereits erwähnten GeR-Niveaueinstufungen, ein kriterienbasiertes Textqualitätsrating und eine eigene Copy-Task zur Erhebung der Computerschreibfertigkeit der Proband*innen ergänzt wird. Gerade mit diesem letzten Instrument wird eine in anderen Studien oft übersehene, mit Blick auf alle temporalen Prozessmerkmale potentiell konfundierende Variable systematisch unter Kontrolle gebracht. Insgesamt kann das Design der Arbeit als ein gelungenes Beispiel für den in der Fachdiskussion geforderten koordinierten Methodenpluralismus gelten. 130 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0017 54 • Heft 1 Angesichts der Vielzahl der Einzelbefunde, die in der vorliegenden Arbeit infolge der Differenziertheit des Designs erarbeitet wurden, ist es kaum möglich, sie an dieser Stelle umfassend zu würdigen. Einige zentrale Ergebnistendenzen sollen hier aber zumindest angedeutet werden. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass diese Arbeit gerade wegen der Differenziertheit ihres Designs auf besonders nachhaltige Weise die mentale Komplexität fremdsprachlicher Schreibprozesse vor Augen führt. Dies zeigen nicht nur die quantitativen Analysen, sondern auch besonders anschaulich die exemplarischen LD-Protokoll-Ausschnitte, mit denen die Vielschrittigkeit der Prozessabläufe von der ersten inhaltlichen Globalplanung bis hin zur endgültigen zielsprachlichen Formulierung dokumentiert wird (siehe z.B. den vollständigen Protokollausschnitt S. 401-403 für die Produktion zweier zusammenhängender ganzer Sätze). Wie für diesen ersten gilt auch für einen weiteren zentralen Befund der Arbeit, dass er zwar nicht grundlegend neu ist, sondern auch in früheren empirischen Arbeiten zum fremdsprachlichen Schreibprozess bereits aufgezeigt wurde, dass er aber in dieser Arbeit durch besonders viele Einzelbefunde veranschaulicht und damit nachhaltig untermauert wird, nämlich die breite interindividuelle Variation hinsichtlich fast aller Prozessmerkmale. Sowohl die quantitativen wie auch die qualitativen Analysen zeigten markante Unterschiede hinsichtlich fast aller Merkmale in der Gestaltung des fremdsprachlichen Textproduktionsprozesses auf, beginnend mit der Verständnissicherung hinsichtlich der Schreibaufgabe bis hin zu Art und Umfang von Textevaluations- und -revisionsprozessen. Von besonderem Interesse sind die Ergebnisse der Arbeit hinsichtlich einer ihrer zentralen Leitfragen, nämlich der nach dem Einfluss der Textsorte auf die Schreibprozesse. Hier konnte die Vf.in detailliert Unterschiede nachweisen. So diagnostizierte sie in der Produktion der argumentativen Texte eine insgesamt längere Textproduktionszeit infolge einer geringeren Textproduktionsgeschwindigkeit, eine höhere durchschnittliche Pausenlänge sowie einen höheren Pausenanteil an der Gesamtschreibzeit. Die genannten Unterschiede waren dabei statistisch signifikant. Durch die qualitative Analyse anhand der LD-Daten zeigt die Vf.in detailliert auf, dass diese quantitativen Unterschiede einhergehen mit qualitativen Unterschieden hinsichtlich der Prozesse, die während der Pausen ablaufen. Insgesamt wertet die Vf.in diese Ergebnisse als Hinweis darauf, dass sich die Produktion argumentativer Texte „als kognitiv herausfordernder erweist und langsamer vonstattengeht als die Produktion der deskriptiven Texte“ (S. 445). Auch zur besonders anwendungsrelevanten Frage nach dem Zusammenhang zwischen Prozessmerkmalen und der festgestellten Textqualität legt die Vf.in interessante Ergebnisse vor. Besonders erwähnenswert ist hier, dass kein statistisch signifikanter Einfluss der Schreibprozessdauer oder der Schreibflüssigkeit auf die Textqualität zu beobachten war. Auch die durchschnittliche Dauer der P-bursts (P-burst = unterbrechungslose Textproduktionssequenz) wirkte sich nicht aus. Das kann man durchaus als Warnung vor zu kurzschleifigen Rückschlüssen von einzelnen Prozessmerkmalen auf die Qualität von Schreibprodukten werten. Die Vf.in fügt ihrer Arbeit auch einen dreiseitigen Abschnitt mit Überlegungen zu den „Didaktischen Implikationen“ ihrer Forschungsarbeit an (S. 447-450). Sie betont darin zum einen die didaktische Notwendigkeit der Vermittlung von Textprozeduren, also von texttypspezifischen sprachlichen Handlungsmustern, die in der Produktion von Texten generell, also auch in der Fremdsprache, eine wichtige Ankerfunktion übernehmen und deren sichere Beherrschung die nötigen kognitiven Ressourcen für die jeweilige inhaltliche und situative Füllung dieser Muster verfügbar macht. Mit Blick auf die Art von argumentativen Texten, wie sie in ihrer Arbeit vorkamen, nennt sie z.B. Sprachmuster zum Ausdruck der persönlichen Meinung oder zur Markierung der Akzeptanz oder der Ablehnung der Meinung anderer. Da solche Hand- Besprechungen 131 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0018 lungsmuster in hohem Maße sprach- und damit kulturgebunden sind, empfiehlt sie einen „kulturreflexiven Zugang im Schreibunterricht mit DaF-/ DaZ-Lerner*innen“ (S. 449). Dieser Forderung kann man sich zweifellos anschließen. Sie betrifft aber primär den Erwerb von fremdsprachlicher Schreibkompetenz als eigenes Lernziel. Ein Aspekt, der nach Einschätzung des Rezensenten angesichts der Fülle der vorliegenden und analysierten Daten noch deutlich mehr hätte fokussiert werden können, ist demgegenüber die Frage nach dem Potential, das dem L2- Schreiben für den fremdsprachlichen Erwerbsprozess insgesamt innewohnt. Von manchen Studien wird z.B. die besondere Eignung des fremdsprachlichen Schreibens zum Testen L2-bezogener Hypothesen und damit zum Aufbau von neuem L2-Kompetenzelementen betont (z.B. im Sinne der hypothesis-testing hypothesis). Solche Aspekte werden in der vorliegenden Arbeit nicht speziell fokussiert. Allerdings ist einer so reichhaltigen Arbeit wohl kaum vorzuhalten, dass sie nicht alle denkbaren, in den Daten enthaltenen Aspekte gleichermaßen behandelt. Zusammenfassend münden die Überlegungen der Vf.in zu den didaktischen Konsequenzen aus ihrer Arbeit in der einleuchtenden Empfehlung, im fremdsprachlichen Schreibunterricht „Prozesswissen, Produktwissen im Sinne von Textsortenwissen, sprachliches Wissen und Weltwissen integrativ zu thematisieren und zu trainieren, vermehrt Texthandlungsschemata und Prozedurausdrücke bewusst zu machen und in die unterrichtliche Praxis des fremd- und zweitsprachlichen Schreibunterrichts zu implementieren“ (S. 453). Insgesamt kann die Lektüre des vorliegenden Bandes allen nachdrücklich empfohlen werden, die sich wissenschaftlich fundiert mit dem fremdsprachlichen Schreiben beschäftigen. Für alle, die in diesem Bereich selbst forschen, kann er als Pflichtlektüre gelten. Für alle Lesewilligen sei abschließend noch der Hinweis erlaubt, dass in der Printversion des Buches die zahlreichen Grafiken und Tabellen sehr stark verkleinert erscheinen, was teilweise zu minimalen Schriftgrößen führt. Für die Nutzung der elektronischen Buchfassung spricht deshalb, dass dieses Problem durch entsprechende Vergrößerungen am Bildschirm leicht lösbar ist. Außerdem sind in der elektronischen Version anders als in der Printversion zahlreiche Grafiken farbig gestaltet, was ihre Rezeption weiter erleichtert. Bremen H ANS P. K RINGS Michaela R ÜCKL : Mehrsprachigkeitsdidaktik als Schlüssel für effizienten Spracherwerb. Evidenzbasierte Erkenntnisse zur Lehrwerkwirkung im Bedingungsgefüge des kompetenzorientierten Unterrichts von Italienisch und Spanisch als dritte Fremdsprachen. Stuttgart: ibidem 2023, 698 Seiten [45,90 €] Zentrales Anliegen der Studie ist zum einen die Generierung von Einsichten in die Konzipierung staatlich zugelassener, ein- und mehrsprachig ausgerichteter Lehrwerke (LW), die zum Lehren und Lehren der dritten Fremdsprachen Italienisch und Spanisch in der österreichischen Sekundarstufe II eingesetzt werden. Zum anderen wird untersucht, in welcher Weise sich die Verwendung dieser LW auf die Gestaltung des Tertiärsprachenunterrichts der an der Studie teilnehmenden Lerngruppen sowie auf die zielsprachliche Kompetenzentwicklung der Lernenden auswirkt. Die Relevanz des Unterfangens ergibt sich, so die Autorin, aus dem Mangel an evidenzbasierten Einsichten in die Effektivität mehrsprachigkeitsdidaktischer LW im komplexen Unterrichtsgeschehen, Einsichten, die eine „Lehrwerkwirkungsforschung“ erfordern, deren Ergebnisse zur Weiterentwicklung mehrsprachig ausgerichteter LW als „Leitmedium“ (S. 32) dringend notwendig seien. Die Studie wird in vier Abschnitten vorgestellt, die jeweils sehr umfangreiche und gleich- 132 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0018 54 • Heft 1 zeitig äußerst detaillierte Einblicke geben in die theoretische Rahmung der Arbeit (A), das gewählte Forschungsdesign (B), die gewonnenen Erkenntnisse (C) sowie deren Implikationen für Forschung und Praxis (D). In Abschnitt A wird die Bedeutung von Mehrsprachigkeit als bildungspolitisches Ziel herausgestellt und in Bezug zu den curricularen Gegebenheiten des österreichischen Tertiärsprachenunterrichts gesetzt: Die Autorin stellt eine insgesamt wenig optimale Ausgangslage für die Etablierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze fest, denn deren Adressierung in den Lehrplänen entbehre Verbindlichkeit. Verschärft werde dieser Umstand durch vorgenommene Stundenkürzungen. Es schließt sich eine Auseinandersetzung mit Lehrwerksfunktionen im Spiegel bildungspolitischer Referenzwerke (insb. des GER) und spracherwerbstheoretischer Perspektiven an, gefolgt von einer Erläuterung verschiedener Formen der Lehrwerkforschung und ihrer Potenziale für die Lehrwerksentwicklung. Unter Bezugnahme auf Arbeiten auch aus dem deutschen Kontext wird die Notwendigkeit einer „unterrichtsbezogenen Lehrwerkwirkungsforschung“ (S. 35) betont, und zwar unter Hinzuziehung mehrsprachig ausgerichteter LW, die nach wie vor ein „Desiderat mit wenigen Ausnahmen“ (S. 56) seien. Als maßgebliche „Inputquellen“ (S. 69) sollten LW dieser Art auf sprachenerwerbstheoretischen Postulaten basieren, die - wie das Faktorenmodell nach Hufeisen - die Spezifika des Tertiärsprachenerwerbs in Abgrenzung zum Zweitsprachenerwerb betonen und auf mehrsprachigkeitsdidaktischer Ebene eine ressourcenorientierte Sicht auf mehrsprachige Lernersprachen (interlanguages) einfordern. Ziel sei die Förderung mehrsprachiger Kompetenzen, die über ein additives Verständnis einzelsprachlicher Kompetenzen deutlich hinausgehen, wohl aber zielsprachliche Kompetenzen mit einbeziehen, ein Ziel, das den Einsatz mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze wie jenen der transferbasierten Interkomprehension erfordere, um Lernprozesse im Sinne eines „neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts“ bzw. einer „aufgeklärten Mehrsprachigkeit“ zu ökonomisieren und Sprachbewusstheit zu fördern (S. 84). Zur Gewinnung von Erkenntnissen hinsichtlich der Wirkung einsprachig und mehrsprachig konzipierter Lehrwerke (eLW und mLW) auf unterrichtliche Lehr-/ Lernprozesse im komplexen Zusammenspiel der drei Komponenten „Lehrpersonen“, „Lernende“ und „LW“ werden die aufgestellten Forschungsfragen (FF) anhand eines „Faktorenmodells für Lehrwerkwirkung“ (S. 163) modular strukturiert. Die entsprechende Auflistung umfasst insgesamt 45 FF (zuweilen in weitere Unterfragen unterteilt), die den o.a. Komponenten entsprechend die Module (M) „Konzeption einzel- und mehrsprachig angelegter Lehrwerke für Italienisch und Spanisch als dritte Fremdsprachen“ (M1), „Dispositionen und Überzeugungen der Lehrpersonen“ (M2), „Unterrichtsgestaltung und Unterrichtssprache“ (M3) sowie „Dispositionen und zielsprachliche Kompetenz der Schüler/ innen“ (M4) umfassen (S. 164-167). Dem Anliegen der als „Feldexperiment“ (S. 171) konzipierten Studie entsprechend, nimmt sich das Forschungsdesign komplex aus (Abschnitt B): Als Klumpenstichproben fungieren 16 Schulklassen (SuS N=189; LP N=12), die entweder anhand der maßgeblich von der Autorin konzipierten mLW (Experimentalgruppen) oder eLW (Kontrollgruppen) unterrichtet werden, wobei aus Validitätsgründen neben der Hauptstudie (HS: Italienisch als 3. FS) zudem eine Vergleichsstudie (VS: Spanisch als 3. FS) durchgeführt wurde. Im Mixed Methods Design werden in M1 und M4 quantitative (Taxonomieraster, Fragebögen, Aufgabenblätter, Leistungstests im 1. und 2. Lernjahr), in M2 und M3 qualitative Erhebungsinstrumente (Interviews, Unterrichtsbeobachtungen) eingesetzt, deren Auswahl und Pilotierung unter Bezugnahme auf externe Instrumente ausführlich begründet wird. Die Auswertungen der Datensätze erfolgte sowohl inhaltsanalytisch als auch anhand deskriptivwie inferenzstatistischer Verfahren. In der Ergebnisdarstellung werden die in den Modulen generierten Hypothesen geprüft und sukzessive aufeinander bezogen (Abschnitt C). Die Darlegung der Befunde ist äußerst detail- Besprechungen 133 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0018 liert und von einer überaus großen Zahl an Abkürzungen geprägt, was sich aus der Komplexität der Untersuchung ergibt, den Lesefluss jedoch erschwert und dazu verleitet, die die jeweiligen Teilbereiche abschließenden Fazite vorab zu rezipieren, was wiederum einem Nachvollzug der Genese derselben abträglich ist. Gleichwohl erfahren die zentralen Befunde eine erneute Nennung im abschließenden Teil (Abschnitt D), im Verlauf dessen sie für zukünftige Forschung, Lehrwerkskonzeption sowie Lehrkräftebildung anschlussfähig gemacht werden: Erneut aufgegriffen wird das „Faktorenmodell für Lehrwerkwirkung“, innerhalb dessen LW ein Angebot unterrichtlichen Inputs bereitstellen, aus welchem Lehrende eine Auswahl treffen, die ihrerseits als Lernangebot von Lernenden genutzt werden kann (S. 524). Als übergeordnete Erkenntnis wird festgehalten, dass sich eLW und mLW v.a. auf der „Mikroebene“ (jener der Aufgabenkonzipierung) unterscheiden, und zwar dergestalt, dass in mLW eine steilere Progression und größere Textsortenvielfalt zur Förderung kommunikativer und interkultureller Kompetenzen sowie ein erhöhtes Maß an sprachenvergleichenden, zur Hypothesenbildung auffordernden Aufgaben für den Erwerb sprachlicher Mittel identifiziert werden konnten. Die hieraus abgeleitete Annahme einer Lehrwerkwirkung auf zielsprachliche Kompetenzen kann aufgrund der Analyse der Leistungstests insbesondere für das 2. Lernjahr und v.a. in der Hauptstudie bestätigt werden, vorwiegend mit Blick auf rezeptive Kompetenzen: Die Lernenden zeigten sich nicht nur in der Lage, die mit mehrsprachigkeits-orientierten Aufgaben einhergehenden, erhöhten kognitiven Herausforderungen zu meistern, ihre Leistungen übertrafen mittelfristig gar jene der Kontrollgruppen, bspw. im Bereich Hörverstehen und Lesen. Die Autorin leitet hieraus nicht nur eine „Passung“ (S. 558) der Aufgabenkonzeptionen in mLW mit den hohen kognitiven und metasprachlichen Voraussetzungen erfahrender Drittsprachenlernender ab, sondern stellt auch die Nutzung dieser schülerseitigen Ressourcen - ganz im Sinne der Mehrsprachigkeitsforschung- und -didaktik - als geboten heraus, damit der mit den angesprochenen Aufgaben verbundene cognitive load handhabbar bleibt (S. 537). Vor diesem Hintergrund wird für eine „Neuausrichtung“ (S. 568) von LW plädiert, die sich an den spezifischen Voraussetzungen des Drittsprachenerwerbs und den Postulaten der sprachlerntheoretischen Grundlagen der Mehrsprachigkeitsdidaktik ausrichten, damit LW ihrer „Innovationsfunktion“ (S. 546) gerecht werden bzw. ihre „Katalysatorwirkung auf die Implementierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze“ (S. 546) entfalten können. Weiter zu beforschen seien Zusammenhänge zwischen dem Einsatz entsprechender LW und der Entwicklung produktiver Kompetenzen sowie des Einsatzes von Lernstrategien, wobei das vorgelegte „Faktorenmodell für Lehrwerkwirkung“ herangezogen werden könne (S. 569). Dass vom Einsatz eines LW jedoch nicht unmittelbar auf die Gestaltung des Unterrichts geschlossen werden kann, ist eine weitere Erkenntnis, auf deren Basis die Autorin die Lehrkräftebildung in die Pflicht nimmt: Trotz der eigenen Mehrsprachigkeit und aufgeschlossenen Haltung gegenüber mehrsprachigkeitsdidaktischen Verfahren wurden selbige im eher instruktions- und lehrkraftbasierten Unterricht auch in den Experimentalgruppen nicht immer eingesetzt, wobei die Ergebnisse der Unterrichtsbeobachtungen sowie der Schüler- und Lehrkräftebefragungen in Teilen divergierten. In jedem Fall seien (angehende) Lehrkräfte mit den Prinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik ebenso vertraut zu machen wie mit den Besonderheiten des Drittsprachenerwerbs. Zudem sei seitens der Lehrkräfte eine „spezifische Lehrwerkkompetenz“ (S. 542) anzustreben, die es selbigen ermögliche, LW auf der Basis eben jenes Fachwissens zu wählen. Nachdrücklich eingefordert wird schlussendlich die Aufhebung der erfolgten Stundenkontingentskürzungen und die Etablierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Verfahren im Sinne eines Gesamtsprachencurriculums. Insgesamt bietet die Studie innovative Erkenntnisse um den Diskurs der lehrwerksbasierten Implementierung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze im drittsprachlichen Fremdsprachenunterricht unter Berücksichtigung lehrkräfte- und lernerseitiger Perspektiven. Eine gänzliche 134 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0019 54 • Heft 1 Durchdringung aller zugehörigen Aspekte erfordert aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Studie allerdings ein sehr hohes Maß an langfristiger und fokussierter Aufmerksamkeit. Leipzig H EIKE N IESEN Michael B YRAM , Mike F LEMING , Joseph S HEILS : Quality and Equity in Education. Bristol: Multilingual Matters 2023, 256 Seiten [109,95 €] Seit den 1980er Jahren hat die Arbeit des Europarats (Council of Europe) einen großen Einfluss auf die Auffassung, dass kulturelles Lernen ein unverzichtbarer Bestandteil der (sprachlichen) Bildung in Europa und darüber hinaus ist. Mit diesem Sammelband versuchen B YRAM , F LEMING und S HEILS die grundlegenden pädagogischen Konzepte von Quality und Equity - die mit „Qualität“ und „Gerechtigkeit“ nur unzureichend übersetzt sind, weshalb die englischsprachige Bezeichnung beibehalten wird - in der Bildung wieder einzuführen, indem sie sich auf die bestehende Arbeit des Europarats stützen, die Fortschritte im Laufe der Jahre reflektieren und sich parallel auf wichtige Implikationen für eine praktische Anwendung in der Schule fokussieren. Quality und Equity werden anhand von drei grundlegenden Konzepten verstanden: Mehrsprachigkeit (Plurilingualism), Interkulturalität und Demokratie(bildung), welche als Leitfaden für alle Beiträge des Bandes dienen. In der Einleitung werden diese Konzepte zunächst definiert und als wichtige Kompetenzen für die Bildung im Allgemeinen betrachtet. Plurilingualism wird als eine Fähigkeit gesehen, die „describes how people possess language and languages“ (S. 3), allerdings nicht nur mit dem Fokus auf eine bestimmte Sprache, sondern auch in Bezug auf Sprachvarietäten und -varianten. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der interkulturellen (kommunikativen) Kompetenz, „which defines the knowledge, skills and attitudes that help people to engage with a new group and their culture, to discover and understand the way of living and thinking of the group and individuals within it“ (S. 6). Diese Definition untermauert die Perspektive der Beiträge auf Kultur als dynamisch und diskursiv. Schließlich sind diese beiden auch mit den demokratischen Kompetenzen verknüpft, die als „the ability to use values, attitudes, skills, knowledge and understanding in an effective and appropriate way in democratic situations“ (S. 8) verstanden werden. In den folgenden Kapiteln werden diese drei grundlegenden Konzepte im Zusammenhang mit ihrer Bedeutung für die Bildung (Kapitel 2), dem Aufbau von Kompetenzen und Fähigkeiten (Kapitel 3, 5, 6 und 7), der besonderen Rolle der Sprachbildung (Kapitel 4 und 5), anderen Disziplinen (Kapitel 6), Assessment (Kapitel 5 und 7), der Rolle der Lehrkraft (Kapitel 8), Migration (Kapitel 9 und 10) und der Rolle der Schulleitung (Kapitel 11) untersucht. Eine kurze Zusammenfassung rundet das Buch ab, in der anerkannt wird, dass „education needs to be founded on quality and equity, on equal access for all, whatever their characteristics, and on recognizing and meeting the particular needs of diverse learners in the best possible ways“ (S. 227). In Kapitel 2 untersuchen María-del-Carmen M ÉNDEZ -G ARCÍA und Mike F LEMING die Quality und Equity der Bildung durch die Brille des sozialen Umfelds der Schüler*innen. Sie argumentieren insbesondere, dass das soziale Umfeld den Schüler*innen helfen kann, ihre eigenen Einstellungen zu Erfahrungen mit anderen Kulturen in visuellen Medien kritisch zu reflektieren. Dabei sehen sie Sprachkenntnisse als grundlegend für eine gute Kommunikation an, erkennen aber auch an, dass es spezifische Parameter (z. B. Migration) gibt, die Schüler*innen Besprechungen 135 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0019 gegenüber anderen benachteiligen könnten, sodass eine holistische Perspektive auf den Sprachunterricht (z. B. durch andere Disziplinen, vgl. auch Kapitel 6) gefordert wird. Kapitel 3 von Louise T RANEKJÆR geht ebenfalls, anhand eines Beispiels aus einem Austauschprogramm zwischen Dänemark und Südkorea, auf die Bedeutung der drei grundlegenden Kompetenzen - Plurilingualism, Interculturalism, Democracy - ein. Durch die Linse eines interaktionalen Ansatzes veranschaulicht die Autorin, dass die Interaktion von Lernenden mit ihren Mitschüler*innen oder ausländischen Schüler*innen dazu beitragen kann, von einer theoretischen Perspektive zu einer konkreteren und praxisorientierten Sichtweise der Konzepte überzugehen. In Kapitel 4 konzentrieren sich Helmut V OLLMER und Eike T HÜRMANN auf die Rolle der Sprache bei der Entwicklung einer gerechten Bildung für alle Lernenden. Sie legen zugrunde, dass Sprache lehrplanübergreifend unterrichtet werden muss (vgl. auch Kapitel 2 und 6), damit die Lernenden ihre sprachlichen Fähigkeiten erfolgreich zwischen den Fächern übertragen können. Sie verbinden diese Fähigkeit mit einem Modell über die Rolle der Sprache in verschiedenen schulischen Interaktionen - von formell über informell bis hin zu epistemisch - und plädieren für mehr Transparenz und Kommunikation auf allen Ebenen der Sprachpädagogik: von der Lehrer*innenausbildung über die Bildungspolitik bis hin zu verschiedenen Schulnetzwerken. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5 vertieft, in dem Florentina S ÂMIHĂIAN und Diana-Maria B ELDIMAN den Schwerpunkt auf das Assessment legen. Sie ordnen ihren Beitrag zunächst in ein Sprachmodell ein, das Kommunikation als sozial, kognitiv und individuell betrachtet. Sie schlagen mehrere Beispiele für kommunikative Aktivitäten (z. B. aktives Zuhören oder Erkundungsgespräche) und Rollen (Beobachter*in, Sprecher*in, Bewerter*in) vor, die dazu beitragen können, das Sprachbewusstsein der Schüler*innen zu entwickeln. Der wichtige Punkt der disciplinary literacy wird in Kapitel 6 dargestellt (vgl. auch Kapitel 2 und 4). Helmut L INNEWEBER -L AMMERSKITTEN , Silvia M INARDI und Irene P IEPER argumentieren am Beispiel der Mathematik, dass das Verständnis und die Verwendung der language of science nicht nur für einfache Kommunikationsfragen von Bedeutung sind, sondern auch, um wichtige gesellschaftliche Themen wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum zu verstehen und zu dekonstruieren. Dies wird dann mit der Physik, der Literatur und den Möglichkeiten, die sie für die multimodal literacy schaffen können, in Verbindung gebracht. In Kapitel 7 untersuchen Claudia B ORGHETTI und Martyn B ARRETT die Idee von Portfolios im Zusammenhang mit einer (gerechteren) Bewertung von Schüler*innen (vgl. auch Kapitel 5). Ausgehend von der Tatsache, dass schlechte Bewertungsergebnisse einer der Hauptgründe sind, warum viele Lernende ihre Ausbildung abbrechen (S. 114), argumentieren sie, dass eine gerechtere Bewertung sechs Prinzipien erfüllen muss: Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Transparenz, Gerechtigkeit, Respekt und Praktikabilität. Die Bewertung durch Portfolios - so die These - ermöglicht kontextspezifischere, situierte Bewertungspraktiken. Kapitel 8 befasst sich mit der Rolle von language teachers als fächerübergreifende Verhandlungspartner*innen. Mirjam E GLI C UENAT und Marisa C AVALLI sehen Mehrsprachigkeit als Ressource und bringen an, dass die Rolle von Fremdsprachenlehrkräften darin besteht, die Bedürfnisse der Schüler*innen in den Mittelpunkt zu stellen, eine sinnvolle fächerübergreifende Zusammenarbeit aufzubauen, Mehrsprachigkeit zu würdigen und demokratische Werte als Kern von Sprachpädagogik zu verstehen. In den Kapiteln 9 und 10 wird das wichtige Thema der Migration aufgegriffen, insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse benachteiligter Lernender. Mit Fokus auf die Primarschule argumentieren Nathalie A UGER und David L ITTLE , dass Bildung den Erwerb der Schulsprache für alle Lernenden sicherstellen muss, gleichzeitig aber auch dafür sorgen muss, dass es genügend Möglichkeiten gibt, in denen die Familiensprachen vertreten sind. Sie geben Beispiele für 136 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0020 54 • Heft 1 zwei Projekte, die sich mit Mehrsprachigkeitspädagogik für Migrant*innen in Irland und Frankreich befassen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Lehrer*innen eine gute theoretische Grundlage darüber benötigen, wie Sprachen gelernt werden, um junge Migrant*innen besser unterstützen zu können. Um ein inklusives Umfeld zu schaffen, sollten Lehrkräfte die Maßnahmen, die sie zur Unterstützung von Migrant*innen ergreifen, nicht als etwas Eigenständiges betrachten, sondern als Maßnahmen, die auch Lernenden zugute kommen, die keine anderen Sprachen sprechen als die, welche in der Schule erlernt werden. Darüber hinaus konzentrieren sich Cecilie H AMNES C ARLSEN , Lorenzo R OCCA und Joseph S HEILS auf erwachsene Migrant*innen und ihre Erfahrungen. Sie plädieren dafür, dass der beste Weg zur Unterstützung erwachsener Migrant*innen darin besteht, die sprachliche und kulturelle Vielfalt, die persönlichen Umstände und die Bildungsbiografien der Lernenden zu respektieren (S. 181), und geben das Beispiel eines Toolkits und eines praktischen Referenzleitfadens, um Lehrer*innen zu helfen, erwachsene Lernende besser und individuell zu unterstützen. Schließlich richten Jonas E RIN und Waldemar M ARTYNIUK in Kapitel 11den Blick weniger auf die Lehrer*innen als vielmehr auf die entscheidende Rolle der Schulleitung. Sie stellen fest, dass eine mehrsprachige, interkulturelle und demokratische Bildung nur dann funktionieren kann, wenn die Schulleitung ein ganzheitliches Umfeld schafft, in dem sich diese Kompetenzen entfalten können. Dabei sehen sie die Rolle der Schulleiter*innen als Vermittler*innen der Zusammenarbeit zwischen Lehrer*innen, als Entwickler*innen langfristiger Strategien, als Gestalter*innen einer Schulkultur der Inklusion und als Schnittstelle zwischen formaler und informeller Sprachkommunikation für alle Schüler*innen. Auch wenn der Sammelband aus einer (sehr) europäischen Perspektive heraus konzipiert ist und sich nur wenig in die internationalen Perspektiven der mehrsprachigen, gesellschaftskritischen und demokratischen Pädagogik einfügt (z.B. im Zusammenhang mit Konzepten wie critical pedagogies, social justice education und translanguaging), bietet es dennoch einen lesenswerten Beitrag zum Verständnis einer Standortbestimmung in Europa. Darüber hinaus kann er auch zur Identifizierung notwendiger zukünftiger Richtungen für das Feld beitragen: von managing diversity zu centering diversity, von cosmopolitan zu sociocritical und vom einfachen Erkennen von Vorurteilen zu deren Dekonstruktion sowie schließlich zum Aufbau eines besseren, inklusiveren Bildungssystems für alle Lernenden, einschließlich Lehrer*innen und Schulleiter*innen. Bielefeld E LENI L OULOUDI Eric K. K U : Teachers of Multiple Languages: Identities, Beliefs and Emotions. Bristol: Multilingual Matters 2023, 232 Seiten [34.95€] https: / / doi.org/ 10.21832/ KU4525 Die angewandte Linguistik, die Sprachlehr- und -lernforschung und die Forschung im Bereich der Sprachenpolitik haben in den letzten 20 Jahren eine Fülle von Begriffen hervorgebracht, die Sprachlehrpersonen mit unterschiedlichen Hintergründen, beruflichen Laufbahnen und Identitäten beschreiben. Insbesondere wurden im Zusammenhang mit der Forschung zu mehrsprachigen Sprachlehrpersonen Begriffe eingeführt, um im angelsächsischen Raum Alternativen für den Begriff non-native English speakers zu etablieren. Diese Begriffe beleuchten jeweils bestimmte Aspekte von mehrsprachigen Sprachlehrpersonen, beziehen sich bisher aber nicht spezifisch auf die Erfahrungen von Lehrpersonen, die mehrere Sprachen als separate Fächer unterrichten. Hier setzt Eric K U s Werk an: Im Bestreben, die Bedeutung und Rolle von Lehrpersonen, die mehrere Sprachen unterrichten, als distinkte Gruppe aufzudecken. So for- Besprechungen 137 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0020 muliert K U das Ziel seines Buches wie folgt: „Through narratives of individual [teachers of multiple languages (TMLs)], this book aims to understand who TMLs are, what makes TMLs unique and how understanding TMLs paves the way for new perspectives in research on language teachers, language teacher education and multilingualism“ (S. 2). Um sich diesem Desiderat anzunähern, entwickelt K U über die Darstellung verwandter Begriffe zunächst das Konzept der ‘Teachers of Multiple Languages’ (TMLs) und leitet eine Begriffsdefinition von TMLs ab (Kapitel 1). Darauf aufbauend werden als theoretische Fundierung drei eng miteinander verwobene Konstrukte beleuchtet (Kapitel 2): language teacher identities, language teacher beliefs, und language teacher emotions. Ausgehend von dieser Darlegung bedient sich K U des Konzepts der ‘identities-beliefs-emotions’, bei welchem die genannten Konstrukte in einem latenten Konstrukt operationalisiert und als Teil eines nichtlinearen, komplexen Systems definiert werden. Diese Trias verlinkt K U mit dem Unterrichten multipler Sprachen, um nachfolgend die aktuellen Forschungsergebnisse zu identities in teaching multiple languages, beliefs in teaching multiple languages und emotions in teaching multiple languages nachzuzeichnen. Trotz wichtiger Erkenntnisse ist die Forschungslage zu TMLs zeitweilig dünn und stellt ein Entwicklungsfeld dar, welches durch die qualitativ-explorative Ergründung der beruflichen Laufbahnentwicklung und den damit verbundenen Erfahrungen von TMLs adressiert werden soll. Methodisch bedient sich K U dazu der narrative inquiry (Kapitel 3). Drei Lehrerinnen multipler Sprachen (im Alter von 25-34 Jahren) mit unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Hintergründen konstituieren K U s Stichprobe, und je drei Datenquellen dreier Modalitäten bilden den Untersuchungsgegenstand. Die erste, mündliche Datenquelle umfasst pro Teilnehmerin je zwei halb-strukturierte Leitfadeninterviews zur Ergründung von Schlüsselmomenten in der professionellen Lehrlaufbahn. Die zweite, schriftliche Datenquelle konstituiert sich aus gemäss vorgegebenem Leitfaden verfassten Lehrphilosophien zu den Überzeugungen der Teilnehmerinnen über das Sprachenlernen, den Sprachunterricht, sowie dazu, inwiefern diese Überzeugungen mit der eignen Unterrichtspraxis zusammenhängen. Die dritte Datenquelle beinhaltet eine Fotografie-Erhebung (photo-elicitation) - eine spezifische Art der visuellen Datenerhebung unter Verwendung von Fotografien als Gesprächs- und Erzählauslöser. Durch die von den Teilnehmerinnen aufgenommenen sechs bis zwölf Bilder elizitiert K U in den Interviews Fotografie-Narrationen zu ihrem Alltag als Sprachlehrpersonen. Alle drei Datentypen analysiert K U inhaltlich und gemäss einem adaptierten zweistufigen Ansatz von K ANNO und S TUARTS (2011). Grundlage für die Analyse und Interpretation der Narrative bietet das Transdisciplinary Framework for SLA in a Multilingual World (DFG). Eine überzeugende theoriegeleitete und datengestützte Methodenkritik rundet das Methodenkapitel ab. Die drei nachfolgenden Kapitel sind der Analyse der Narrationen der Teilnehmerinnen Ann (Kapitel 4), Megan (Kapitel 5) und Haruko (Kapitel 6) gewidmet. Mit 88 Seiten bilden sie das Herzstück des Buches. Jedes dieser Kapitel besteht aus einer chronologischen Beschreibung des beruflichen Werdegangs, einer Diskussion der Identitäten, Überzeugungen und Emotionen der Teilnehmerinnen sowie einer Ergründung weiterer Aspekte des TML-Daseins. Mit einer geschickten Auswahl von Datenbeispielen bietet K U einen lebendigen Einblick in die Lebenswelten der Teilnehmerinnen, situiert diese zunächst je einzeln im DFG-Rahmenmodell, und fasst sie anschliessend in drei übergreifenden Thesen zusammen (Kapitel 7). These 1 unterbreitet, dass TMLs mit jeder zusätzlichen Sprache neue Identitätsfacetten, Emotionen und Überzeugungen entwickeln und diese mit ihrem bereits vorhandenen Erfahrungshintergrund verbinden. Da das Unterrichten mehrerer Sprachen oft simultan und nicht ausschliesslich sequenziell vonstattengeht, legt These 2 nahe, dass TMLs diese Identitäts-Überzeugungs-Emotions-Arbeit in multiplen Formen leisten. Zuletzt argumentiert K U in These 3, dass Identitäts-Überzeugungs- Emotions-Arbeit Teil eines grösseren, multifaktoriellen Systems ist, in welchem sich TMLs 138 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0020 54 • Heft 1 bewegen. Dieses expliziert der Autor an der erneuten Einordnung der konsolidierten Ergebnisse in das DFG-Rahmenmodell einerseits und in drei Dimensionen des Unterrichtens multipler Sprachen andererseits. In Kapitel 8 blickt K U auf die zuvor diskutierten theoretischen Überlegungen zurück und stützt ergebnisgeleitet seine Hauptthese, dass das Unterrichten mehrerer Sprachen nicht nur das Unterrichten einer grösseren Anzahl von Sprachen bedeutet, sondern dass damit auch ein Navigieren durch komplexere Welten und die Entwicklung zusätzlicher Seinsweisen einhergehen. Implikationen für die Fremdsprachendidaktik, die Lehrpersonenbildung und die Professionsforschung sowie eine Skizze weiterführender Forschungsdesiderate runden die Ausführungen ab und schlagen einen Bogen zur Praxis. Mit der Unterbreitung einer Reihe an Reflexionsfragen zur Bewusstmachung einschränkender Wahrnehmungsverzerrungen gegenüber Sprachlehrpersonen schliesst das Werk. K U s Studie ist eine überaus detailreiche und fundierte narrative inquiry, die einen aufschlussreichen Blick auf die Komplexität und Dynamik der beruflichen Laufbahnen und Identitätsbildung von TMLs wirft. Die Bemühung, drei komplexe Konstrukte in einem übergreifenden Konstrukt (identity-beliefs-emotions) zusammenzuführen und dieses Konstrukt als Grundlage für seine explorative Studie zu nutzen ist sowohl theoretisch als auch methodisch durchaus anspruchsvoll und bedarf der kritischen Begutachtung. Insbesondere für umfassendere Replikationsstudien wäre es wünschenswert, einen sorgfältigen Blick auf die Konstrukte zu werfen und deren Operationalisierung nötigenfalls neu, und wenn möglich evidenzbasiert, vorzunehmen. Trotz dieser Herausforderungen fördern K U s flächendeckende Literaturarbeit sowie die kreative Auswahl dreier Datenquellen eine Reihe an Befunden zutage, die sequenziell die komplexen Beziehungen zwischen den multiplen Identitäten, Überzeugungen und Emotionen und der damit verbundenen identity-beliefs-emotions-Arbeit von TMLs aufdecken. Mit diesen Bemühungen setzt K U Impulse sowohl bezüglich des Umgangs mit dem Konzept der TMLs im fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Diskurs als auch hinsichtlich methodologischer Herangehensweisen im Bereich von narrative inquiry zu Identitäten, Überzeugungen und Emotionen von Sprachlehrpersonen. Die Fallanalysen eröffnen ein neues Verständnis von TMLs und ebnen dadurch den Weg für weitere Perspektiven in der Forschung zu Sprachlehrpersonen, Lehrpersonenausbildung und Mehrsprachigkeit. So gelingt es dem Autor nicht nur, die Sichtbarkeit und Bedeutung von TMLs als distinkte demografische Gruppe von Sprachlehrpersonen zu verdeutlichen, sondern eine neue Forschungstradition zu eröffnen und unter diesem Aspekt mit seiner explorativ-qualitativen Untersuchung einen ersten Beitrag zum fachwissenschaftlichen Diskurs zu leisten. Die erhobenen Daten sind äusserst reichhaltig; dennoch liesse sich fragen, ob die Stichprobe ausreichend gross ist für eine aussagekräftige Ergebnisinterpretation und eine Tragfähigkeit der abgeleiteten Implikationen. Auf formaler Ebene zeichnet sich das Werk aus durch K U s erfolgreiches Bestreben, angesichts der komplexen Zusammenhänge, vielfältigen theoretischen Bezüge und Kontextbedingungen der Studie den Text kohärent und leserfreundlich zu gestalten. Der logische Aufbau mithilfe von geschickten Einleitungen, Übergängen und Zusammenfassungen stellen die Nachvollziehbarkeit der Argumentationslinie und des Rahmenkontextes kontinuierlich sicher. Gleichzeitig zeugt sein kreativer, transparenter und methodisch sauberer Zugang zum Forschungsgegenstand und die präzise Einordnung wiederkehrender Themen in den Mehrsprachigkeitskontext von einem tiefen Verständnis des Fachgebiets und der qualitativen Forschungstradition, sowie von einer ausserordentlichen Fähigkeit zur analytischen Reflexion. K US Analysen machen dieses Buch zu einer lesenswerten Ressource für einen differenzierten und reflektierten Umgang mit teacher identities in einem mehrsprachigen Kontext sowohl für (mehrsprachige) Sprachlehrpersonen als auch für Forschende. Um weitere Facetten von TMLs zu erforschen, liessen sich weiterführende Studien mit grösseren Stichproben ansetzen, die über Besprechungen 139 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0021 qualitativ-explorative Designs hinausgehen. Dadurch liesse sich unter anderem ergründen, ob sich die komplexen und individuellen Profile von TMLs in eine Typologie überführen liessen, die wiederum Grundlage für weitere, allenfalls gar quantitative Studien in diesem Bereich sein könnte. Fribourg O LIVIA R ÜTTI -J OY Johanna M ARKS : Standards und Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung. Eine fremdsprachendidaktische Perspektive. Berlin: LIT Verlag 2023, 390 Seiten [29,90 €] Wann leisten Fremdsprachenlehrer: innen gute Arbeit? Diese vermeintlich einfache Frage wird am unmittelbarsten und tagtäglich von den Lernenden, von Eltern und Schulleiter: innen beantwortet. Aus der Verantwortung einer staatlichen Bildungsaufsicht heraus wird diese Frage seit den 2000er Jahren aus bildungspolitischer Sicht methoden- und prinzipiengeleitet verhandelt, insbesondere bei der Gestaltung von Referenzrahmen für die Lehrer: innenbildung, in denen Kompetenzstandards für Fremdsprachenlehrer: innen formuliert sind. Johanna M ARKS geht in ihrer Monografie diesem wichtigen Diskurs, der die fremdsprachendidaktische Forschung auch nachhaltig geprägt hat, auf beeindruckend breite und fundierte Weise nach. Auf der Basis einer Inhaltsanalyse von insgesamt 7 Referenzrahmen und mehreren ergänzenden Kapiteln arbeitet die Autorin die Diskussion um Kompetenzen und Standards in der fremdsprachlichen Lehrer: innenbildung und ihrer speziellen Ausprägung in Deutschland und Europa auf. Ihre 388 Seiten umfassende Monographie strukturiert die Autorin in acht Kapitel. Nach dem einleitenden Kapitel, welche das Thema gelungen innerhalb der verstärkten forschenden Hinwendung zur Lehrperson verortet, bietet Kapitel 2 eine notwendige und hilfreiche Begriffsklärung. In welch großer Zahl Publikationen zu Kompetenzen und Standards in den 2000er und 2010er Jahren erschienen sind, macht allein die Fülle an versuchten Definitionen und sich überlagernden, teils sich widersprechenden Verwendungen sichtbar. Die Autorin entschließt sich gut nachvollziehbar für die Verwendung des Begriffs ‚Referenzrahmen‘ für ihre Studie und darüber hinaus für ein eigenes Kapitel 3, um die jeweils hinter den verwendeten Kompetenzbegriffen liegende Sicht auf Lehrer: innenprofessionalität übersichtlich darzustellen. Insbesondere das abschließende Teilkapitel 3.1.5 veranschaulicht, dass die Debatte um Kompetenzstandards insbesondere auch eine Positionierung der Fremdsprachendidaktik gegenüber den Bildungswissenschaften und deren entweder empirisch-psychologischer oder humanistischer Tradition angestoßen hat. Eine etwas erweiterte Einordnung in die internationale bzw. historische Diskussion wäre hier wünschenswert gewesen, hatte sich etwa Ewald T ERHART , der an der Formulierung der KMK-Referenzrahmen maßgeblich beteiligt war, bereits in den 1980er Jahren bemüht, das positive Potenzial von Standards aus der US-amerikanischen Debatte in den deutschen Diskurs einzubringen (i.S. der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung über den Wert von Bildung und Lehrer: innenarbeit). Den Kern der Arbeit bildet die quantitative und insbesondere qualitative Inhaltsanalyse von sieben Referenzrahmen, welche in den Kapiteln 4-6 behandelt wird. Gelungen werden diese Referenzrahmen aus regionalen (NRW), nationalen (Deutschland) und internationalen (mit Fokus auf Europa) Kontexten ausgewählt. Dadurch erlauben sich besonders aufschlussreiche Vergleiche und eine Einordnung des nationalen Diskurses in den europäischen (EPOSTL und EPLTE) bzw. auch internationalen Kontext, da über das Cambridge English Teaching Framework auch der außerschulische Bereich der (internationalen) Erwachsenenbildung eingeschlossen wird. Kapitel 5.4 bietet erhellende Analysen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in 140 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0021 54 • Heft 1 Bezug auf deren intendierte Funktion, die Herausgeber: innen, Adressat: innen, Zieldomänen, Form und Aufbau, Genese und Intertextualität. Hier entwickelt die vergleichende Analyse der Referenzrahmen das stärkste Erkenntnispotenzial. Besonders interessant sind die Ergebnisse zu den unterschiedlichen Funktionen der Referenzrahmen (Kapitel 5.4.1), die für den deutschen Diskurs eher an einer Normierung orientiert sind, während die europäischen Referenzrahmen viel mehr auf die Unterstützung von individuellen Professionalisierungsprozessen abzielen. Insbesondere das EPOSTL motiviert zur Selbstevaluierung durch (angehende) Lehrpersonen und spricht sich sogar dezidiert gegen die Verwendung des Instruments für summatives Feedback aus. Ebenso interessant wenngleich ernüchternd ist, dass die Herausgeber: innen der Referenzrahmen nur in wenigen Fällen Fachdidaktiker: innen bzw. fachdidaktische Verbände sind, obwohl dies der Akzeptanz von Referenzrahmen nachweislich zuträglich ist und sich die wenigsten Referenzrahmen dezidiert auf einschlägige Literatur beziehen bzw. diese ausweisen (S. 197). Zahlreiche Übersichtstabellen bieten den Leser: innen hilfreiche Orientierung und dienen der Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und Schlussfolgerungen etwa zu Basisinformationen zu allen 7 Referenzrahmen (S. 200- 202) oder die übersichtlichen - auch quantitativ interessanten - Ergebnistabellen der Kategorienanalyse jedes einzelnen Referenzrahmens in Kapitel 6. Das umfassendste Kapitel 6 widmet sich der kategorienbasierten Analyse der einzelnen Deskriptoren der Referenzrahmen und der darauf basierenden Erstellung von Einzelprofilen der jeweiligen Referenzrahmen. In einer qualitativen Inhaltsanalyse werden die insgesamt 506 Deskriptoren aller betrachteten Referenzrahmen kodiert, wofür die Intercoderreliabität je nach Referenzrahmen zwischen 0.76 und 0.85 erreicht. Die Autorin entscheidet sich für ein induktives Verfahren, das später noch kurz kritisch diskutiert wird. Es ergeben sich auf dieser Grundlage sehr klar hergeleitete und sorgfältig erstellte Profile der einzelnen Referenzrahmen (Kapitel 6.4). Für jeden Referenzrahmen werden zunächst Übersichtstabellen zur qualitativen (welche Kompetenzbereiche werden behandelt? ) und zur quantitativen (welchen Anteil nehmen diese Kompetenzbereiche ein? ) präsentiert und anschließend in Zusammenschau der bisherigen Analyse der Referenzrahmen beschrieben und diskutiert. Ihre Ankündigung einer fremdsprachendidaktischen Perspektive löst Johanna M ARKS insbesondere in vier Teilkapiteln ein (Kapitel 3.1.5, 3.2, 6.2.1.3 und 7). Anhand der Zusammenfassung und kritischen Würdigung bisheriger Messversuche von fremdsprachendidaktischen Kompetenzen - im Sinne von Professionswissen als kognitiver Dimension von Kompetenz - veranschaulicht sie eine Auswirkung der Referenzrahmen auf den fachdidaktischen Diskurs (Kapitel 3.1.5). Die rein induktive Kategorienbildung erweist sich für Einblicke in die fremdsprachendidaktische Dimension der Referenzrahmen als nur bedingt geeignet bzw. stellenweise verwirrend. Um ein Beispiel zu geben: Wenn im EPOSTL alleine 6 Unterkategorien für den Bereich assessment of learning angeführt und etwa diagnostische Kompetenzen (error analysis) angeführt sind, verwundert die deutlich weniger umfassende Kategorie „Fehler korrigieren“ (S. 244), welche induktiv von der Autorin gewählt wird. Hier wäre eine eingehendere Diskussion und transparentere Herleitung der induktiven Kategorisierung der dezidiert fremdsprachendidaktischen Deskriptoren bzw. Kategorien wünschenswert gewesen. Ebenfalls zu kurz bleibt die Diskussion der fremdsprachendidaktischen Deskriptoren in Kapitel 6.2.1.3. Eine kritischere Stellungnahme in Bezug auf fehlende fachspezifische Inhalte zumindest im Fazitkapitel wäre wünschenswert und auf dem Hintergrund des bis dahin sehr fundiert erarbeiteten Überblicks durch die Autorin sicherlich leistbar gewesen und könnte Inhalt einer Folgestudie sein. Für alle, die sich forschend, entwickelnd oder in der Praxis umsetzend mit den Referenzrahmen auseinandergesetzt haben, sei dieses Buch schon allein zum persönlichen-professionellen Rückblick empfohlen, bietet es doch eine ruhige, klare und auch aufschlussreiche Analyse Besprechungen 141 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0022 einer intensiven Phase der Verhandlung von Deutungshoheiten und Perspektiven auf guten Fremdsprachenunterricht und gute fachliche Lehrer: innenbildung. Da dieser Diskurs in Anbetracht von Lehrer: innenmangel, Quereinstieg und stets neuen Herausforderungen an einen zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht nicht abgeschlossen ist, leistet dieses Buch noch deutlich mehr insbesondere für die aktuellen Herausforderungen der Fremdsprachendidaktik. Erstens veranschaulicht die Studie die Wirkungsbreite und auch -tiefe von Referenzrahmen sowohl für die Praxis der Lehrer: innenbildung als auch die Forschung innerhalb einer Disziplin, hier am Beispiel der Arbeiten zum Professionswissen veranschaulicht (Kapitel 3.2). Dieses Bewusstsein sollte auch als kontinuierlicher Auftrag an fremdsprachendidaktische Forschung und Verbandsarbeit sein, sich weiterhin und gar verstärkt in den bildungspolitischen Diskurs einzubringen - auch im Sinne einer zunehmend geforderten und auch praktizierten Third Mission. Johanna M ARKS ’ Studie bietet dafür eine gute Argumentations- und Motivationsgrundlage. Zweitens bietet die Studie über die rückblickende Analyse und Aufarbeitung hinaus wichtige konkrete Denk- und Forschungsanstöße innerhalb von Kapitel 7 („Entwicklungstendenzen und Desiderate“), in dem die Autorin insgesamt zehn Desiderate formuliert. Diese behandeln das Entwicklungspotenzial der bestehenden Referenzrahmen (Digitalisierung und Anwendungsfreundlichkeit, Übertragung auf weitere Phasen und Institutionen der Lehrer: innenbildung sowie berufliche Kontexte). Es ist zu hoffen, dass die zurecht geforderte stärkere Einbindung von Lehrkräften in deren Weiterentwicklung im Sinne partizipativen Denkens der aktuellen Zuwendung fremdsprachendidaktischer Forschungsprojekte etwa zu designbasierter Forschung und anderen kooperativen und praxisorientierten Formen entspricht. W IEN M ANUELA S CHLICK Mareike T ÖDTER : Fremdheit im Englischunterricht. Eine interdisziplinäre Grundlagenarbeit zur Gestaltung von Fremdheitserfahrungen. WVT: Trier 2023 (Reihe Diversitätsorientierte Literatur-, Kultur- und Sprachdidaktik. Band 5), 415 Seiten [43,50 €] Mareike T ÖDTER widmet sich in der auf ihrer Dissertationsschrift basierenden Monographie einem Thema, das den Kern der Fremdsprachendidaktik betrifft: dem Konzept der Fremdheit selbst. Die Autorin verfolgt dabei drei Forschungsfragen, die den Aufbau der Arbeit strukturieren: Im ersten Teil fragt sie nach dem Verständnis von Fremdheit in der Fremdsprachendidaktik, welches sie analysiert und durch einen Abgleich mit interdisziplinären Perspektiven kontextualisiert und intradisziplinär historisch einordnet (Kap. 3-5). Auf dieser Grundlage werden im zweiten Teil umfassend begründete Aussagen zu den beiden anderen explizit normativen Forschungsfragen gemacht: nämlich, wie Fremdheit gefasst werden sollte und wie sie im schulischen Kontext so inszeniert werden kann, dass offene Aushandlungen von Fremdheit im Englischunterricht stattfinden können (Kap. 6-11). Die „Bausteine“ (S. vi-vii) für diesen zweiten Teil sind • eine Analyse und kritische Auswertung bestehender einschlägiger Veröffentlichungen aus den sogenannten Fremdsprachendidaktiken (darunter sowohl konzeptionelle als auch empirische Arbeiten) im Hinblick auf mögliche Inszenierungsprinzipien von Fremdheitserfahrungen (Baustein A), • ein Einbeziehen psychologischer und pädagogischer Forschung zum Umgang mit Dissonanzen und Stereotypen (Baustein B) sowie schließlich • die Erhebung von Expert*inneninterviews mit Lehrer*innen zum Umgang mit Fremdheit 142 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2025-0022 54 • Heft 1 (Baustein C), mit dem die theoretische und empirische Forschung in Expertisen aus dem schulischen Kontext verankert werden. Aus diesen Bausteinen leitet die Autorin Prinzipien ab und entwickelt auf dieser Grundlage im elften Kapitel ein Modell zur Inszenierung von und zum Umgang mit Fremdheitserfahrungen. Mit diesem Modell, seiner interdisziplinär und methodisch vielfältig angelegten Entwicklung und der zugrunde liegenden kritischen Analyse zentraler Begriffe der Disziplin hat Mareike T ÖDTER eine Arbeit vorgelegt, die von hohem Erkenntniswert für die Fremdsprachendidaktik ist. Die im ersten Teil der Arbeit entwickelten Überlegungen berühren den gesamten Gegenstandsbereich dieser Disziplin, Sprachebenso wie Literatur- und Kulturdidaktik (so dass der von der Autorin verwendete Begriff der Sprachdidaktik, nachdem sie begründet die Bezeichnung der ‚Fremdsprachendidaktik‘ verworfen hat, in dieser Hinsicht allerdings fast zu kurz greift). Die Verfasserin dekonstruiert scharfsichtig die meist implizit bleibenden Annahmen von Fremdheit als etwas zu Überwindendem, Fernen, Anderen in dieser Disziplin. Als konstruktiver Gegenvorschlag wird sehr plausibel das Ziel entworfen, im Sprachunterricht Fremdheitserfahrungen zu ermöglichen. Diese liegen im Individuum und beziehen sich auf individuelle Irritationen pluraler Art und nicht auf ein häufig immer noch national-kulturell verstandenes kollektives ‚Anderes‘, dem Fremdheit zugeschrieben wird oder bei dem die Fremdheit durch Gegenüberstellung von Eigenem und Anderem erst hervorgerufen wird. Methodisch und im Hinblick auf die verschiedenen Forschungs- und Handlungsfelder der sog. Fremdsprachendidaktik bietet die Arbeit ein für eine Dissertation breites Spektrum von konzeptionellen über empirischen bis hin zu unterrichtspraktischen Erträgen: In erster Linie konzeptionell ausgerichtet, erfüllt sie den Anspruch theoretischer Entwicklung durch die umfassenden Grundlagen, ihre kleinschrittige Zusammenführung und die genauestens und transparent dargelegte Aufstellung des Modells zur Inszenierung von Fremdheit. Zugleich finden empirische Perspektiven Eingang in diese Entwicklung. Zunächst werden theoretische und empirische Studien fast einer Meta-Studie zum Umgang mit Fremdheit gleich (in Bausteinen A und B) zusammengefasst. Der Baustein C besteht zudem aus einer eigenständigen empirischen Erhebung: Leitfadenbasierte Expert*inneninterviews mit zehn Lehrer*innen werden zielführend mit Auswertungsschritten für theoriegenerierende Expert*inneninterviews nach M EUSER und N AGEL , begründet ergänzt durch Schritte der Thematic Analysis nach B RAUN und C LARKE , ausgewertet. Die entstehenden Codes fließen in die Prinzipienformulierung des im Laufe der Monographie entwickelten Modells ein. Somit steht die empirische Erhebung im Dienste der konzeptionellen Entwicklung, in welche auf diese Weise Handlungswissen und Logiken der Schulpraxis zum bis dahin in der Arbeit vor allem theoretisch verhandelten Thema der Fremdheit einfließen. Diese Binnen-Studie und die Formulierung von Prinzipien zum Modell machen die Arbeit zugleich sehr anschlussfähig für weiterführende umfassendere empirische Forschung: Sie können als Grundlage dienen, wenn - im Anschluss an diese Arbeit - Unterricht erforscht wird, in dem Fremdheitserfahrungen ermöglicht werden. Die Prinzipien empfehlen sich dabei insbesondere für Design-Based Research, da sie von der Verfasserin in Anlehnung an ein solches Forschungsdesign formuliert und in Meta-, pragmatische und spezifische Prinzipien differenziert werden. Insbesondere die Ebene der pragmatischen und spezifischen Prinzipien (auf denen die Ergebnisse der Expert*inneninterviews maßgeblich in die Formulierung der Prinzipien eingeflossen sind) machen schließlich den Erkenntnisgewinn der Arbeit für die unterrichtspraktische Inszenierung von Fremdheit aus, da diese Ebenen des Modells bereits viele Hinweise auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten und Unterrichtssettings bieten. Zur Illustration dient ein Beispiel aus dem Modell: Dem aus fachdidaktischen Studien zusammengeführten Meta-Prinzip „Die Aufmerksamkeit der Schüler*innen für die Wahrnehmung des Widersprüchlichen und Irritierenden schulen“ wird u.a. das psychologisch und lite- Besprechungen 143 54 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2025-0022 raturdidaktisch begründete pragmatische Prinzip „Aus einem vom Lehrer (sic) ausgewählten oder vorbereitenden Material Widersprüchliches formulieren und reflektieren lassen“ zugeordnet. Unter den neun darunter subsumierten pragmatischen Prinzipien findet sich z.B. „Als Lehrkraft die Schüler*innen anhalten, Informationen zu prüfen, indem man z.B. Unzuverlässigkeit bei den Quellen demonstriert“ (S. 349). Das Modell zur Inszenierung von Fremdheit steht also auf einem breiten Fundament von bestehender Forschung und Praxiswissen, das durch die eigenständige Einordnung und Vernetzung durch die Autorin zu einem kohärenten und hoch anschlussfähigen Vorschlag wird. Mareike T ÖDTER beweist dabei eine fundierte Kenntnis der fachdidaktischen Fachliteratur, die sie für das Anliegen der Inszenierung von Fremdheit produktiv macht (darunter maßgeblich Monographien von Hans H UNFELD , Nicole M ITTERER , Stephan B REIDBACH und Thorsten M ERSE ). Außerdem erfüllt Mareike T ÖDTERS Arbeit den für die sog. Fremdsprachendidaktik charakteristischen, aber nicht immer eingelösten Anspruch interdisziplinärer Bezugnahme: So erschließt sie z.B. Erkenntnisse aus Philosophie und Politischer Theorie für ihre didaktischen Überlegungen zum Thema Fremdheit (Kap. 4), nutzt psychologische Studien als einen Baustein für Inszenierungsprinzipien zum Umgang mit Fremdheit (Kap. 9) oder verweist auf kunst- und philosophiedidaktische Impulse beim Weiterdenken der Implikationen aus dem Modell (in Kap. 11). Die Autorin setzt sich dabei immer auch kritisch mit ihren Quellen auseinander, indem sie eigene Kritikpunkte anführt, blinde Flecken aufzeigt und bei den von ihr verwendeten Ansätzen stets mögliche Einwände benennt. Die zentralen Begriffe der Arbeit werden sehr genau begründet (gerade wenn sie in den Quellen vage oder widersprüchlich verwendet sind) und reflektiert: So bietet die Arbeit überzeugende Definitionen und Diskussion nicht nur für das Konzept der Fremdheit, sondern auch für in der fremdsprachendidaktischen Literatur häufig verwendete Schlagworte wie Verstehen und Verständigung (S. 68-76), Aushandlungen (S. 79-89), Inszenierung (S. 101-102) und Prinzipien (S. 111-116). Diese zahlreichen Definitions- und Analyseerträge sind dabei nie ausufernd und verlieren sich nicht in der Auseinandersetzung mit den Ausgangstexten oder den eigenen Setzungen, was einem weiteren Merkmal der Arbeit zu verdanken ist: Mareike T ÖDTER s Qualifikationsschrift besticht durch eine herausragende Argumentationsführung. Jeder Gedanke und jeder verwendete Impuls werden präzise hergeleitet, ohne dabei zu detailliert zu werden oder den roten Faden der Arbeit zu verlieren. Vielmehr werden die einzelnen Argumente und die Gründe, warum sie angeführt werden, stets zielführend auf den Punkt gebracht. Zwar gibt es einige Wiederholungen, wenn Lücken zunächst aufgezeigt und später ausführlich gefüllt werden, aber dies dient immer der Entwicklung der Argumentation und wird durch angenehme Leser*innenlenkung an den Übergängen der verschiedenen Bestandteile der Arbeit kohärent gestaltet. Dadurch schafft die Autorin es, einen argumentativen Spannungsbogen zu gestalten, der die Arbeit in ihrem großen Umfang zusammenhält: So werden aus den nur auf den ersten Blick fast disparat erscheinenden verschiedenen Ansätzen und „Bausteinen“ der Arbeit hoch sinnvolle Bestandteile, die das entwickelte Modell auf eine wirklich multiparadigmatische Grundlage stellen. Angesichts aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen sind die sprachenbildenden Fächer einmal mehr dringend aufgefordert, sich der Frage zu stellen, wie Fremdheit in der eigenen Disziplin und im schulischen Unterricht mit jugendlichen Lernenden (anders) verstanden und ein reflexiver Umgang damit angeregt werden kann. Mareike T ÖDTER leistet dazu mit ihrer Arbeit zur Inszenierung von Fremdheitserfahrungen im Unterricht einen sehr lesenswerten Beitrag. Bielefeld L OTTA K ÖNIG 54 • Heft 1 Vorschau auf Jahrgang 54.2 Der von I RENE H EIDT (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg), L OTTA K ÖNIG (Universität Bielefeld), E LENI L OULOUDI (Universität Bielefeld) und T HORSTEN M ERSE (Universität Duisburg-Essen) koordinierte Themenschwerpunkt für den Jahrgang 54.2 trägt den Titel „Kritische Fremdsprachenlehrer*innenbildung“. Zukünftige Fremdsprachenlehrer*innen stehen in ihrer Professionalisierung vor der Herausforderung, ihre Schüler*innen auf kommunikatives und kulturelles Handeln in einer globalisierten und digitalisierten Welt vorzubereiten, die durch soziale Herausforderungen wie Klimakrise, (Post-)Pandemie, Krieg, Flucht, Rechtspopulismus und Demokratiedestabilisierung geprägt ist. Unter diesen Bedingungen scheint es unumgänglich, einen kritischen Umgang mit gesellschaftlichen Verhältnissen und ein individuelles Sich-dazu-in-Bezug-Setzen als Bestandteil von sprachlichen und kulturellen Lehr-Lern-Prozessen mitzudenken. Dies wirft die Frage auf, welches Wissen, aber auch welche Haltungen und Handlungskompetenzen dafür in der Lehrer*innenbildung angebahnt werden müssen. Dieses Themenheft setzt sich zum Ziel, eine Fremdsprachenlehrer*innenbildung zu konzeptualisieren, die bewusst kritisch angelegt ist. Damit rückt der Gegenstand der Kritik selbst explizit in den Fokus von Professionalisierung, und es erscheint - zumindest insbesondere für den deutschen Kontext der Fremdsprachenlehrer*innenbildung - als Desiderat, die Verknüpfung von ‘Kritik’ und ‘Professionalisierung’ auszudifferenzieren. Aus internationaler Perspektive hat die Kombination aus Professionalisierung und Kritik unter dem konzeptuellen Blickwinkel der critical (language) teacher education schon seit mindestens zwei Jahrzehnten an Momentum gewonnen. Konstituierend für eine kritisch konzipierte Fremdsprachenlehrer*innenbildung sind dabei Bezüge zu Theorien wie bspw. kritischer Pädagogik, critical applied linguistics, social justice education, post-colonial studies, critical race studies oder poststructural feminism. Der damit verknüpfte, kritisch-transformatorische Impetus mit Bezug auf Unterricht und Bildungssysteme rückt vor allem Lehrkräfte als Hauptakteur*innen der Neu- und Umgestaltung von fremdsprachlicher Bildung ins Zentrum des Interesses, um z.B. marginalisierte Bevölkerungsgruppen inklusiv mit einzubeziehen, die unhinterfragte Fortschreibung von Normen und Vorurteilen zu überwinden, eine kritische Haltung gegenüber problematischen Aspekten von Bildung im Allgemeinen sowie bestimmten Handlungsweisen im Unterricht zu entwickeln. An einigen Standorten der Lehrer*innenbildung in Deutschland wurden und werden in jüngster Zeit verschiedene Konzepte entwickelt, um eine kritische(re) Nuancierung in die Lehr*innenbildung zu integrieren. Als gemeinsamer Nenner dieser Ansätze zeichnet sich ab, dass sie eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen explizit als Bestandteil von Fremdsprachenlehr- und -lernprozessen verstehen. Diese Konzepte beziehen sich auf Criticality sowohl im Hinblick auf die Aushandlung gesellschaftspolitischer Themen (z. B. Rassismus, Sexismus, Homophobie) im Sinne des ‚Was? ‘, aber auch auf eine methodische Dimension des ‚Wie? ‘ und ‚Warum? ‘, z.B. in Bezug auf die Dekonstruktion von symbolischer Macht der Sprache, den konstruktiven Umgang mit Widerstand im Unterricht, die Gestaltung mehrsprachiger Settings, die kritische Erfassung kultureller Repräsentationsformen in Lehrmaterialien oder die Umsetzung von Lehrkräftefortbildungen. V o r s c h a u Vorschau 145 54 • Heft 1 Aus Forschungsperspektive besteht vor dem Hintergrund dieser ersten Entwicklungen ein akuter Bedarf, vorhandene - oft dezentral entwickelte - Ansätze zunächst zu systematisieren sowie durch eine internationale Perspektivierung kontextspezifisch zu betrachten und weiterzuentwickeln. Dabei soll es nicht darum gehen, a priori ein homogenes Verständnis der potenziell sehr weiten Begriffe ‘Kritik’ und ‘Kritische Fremdsprachenlehrer*innenbildung’ vorauszusetzen, sondern unterschiedliche theoretische Ansätze transparent zu machen und ‚Kritik‘ in Bezug auf konkret gedachte Umsetzungen zu konturieren. Bereits das gleichnamige Symposium auf dem DGFF-Kongress 2023, auf das dieses Themenheft zurückgeht, hat verdeutlicht, dass in der Fremdsprachendidaktik trotz der bisherigen Bearbeitung kritischer gesellschaftlicher Themen im Sinne des ‚Was? ‘, weiterhin viele Fragen hinsichtlich des ‚Wie? ‘ in Lehre, Forschung und Unterricht sowie des ‚Warum? ‘ zur (selbst-)kritischen Legitimation bestehen bleiben. Die Beiträge in diesem Heft sollen dazu beitragen, diese Fragen und Herausforderungen mit Blick auf empirisch-forschungsmethodologische, thematisch-inhaltliche, unterrichtsmethodische und hochschuldidaktische Handlungsfelder zu klären. Bei Redaktionsschluss lagen Zusagen für folgende Beiträge vor: N ATALIE G ÜLLÜ (Bergische Universität Wuppertal), D AVID G ERLACH (Bergische Universität Wuppertal): Wie sprechen angehende Englischlehrer: innen über (potenziell problematische) Unterrichtsinhalte? Wissenssoziologisch-empirische Einblicke in ein hochschuldidaktisches, rassismuskritisches Setting A NNE M IHAN (Humboldt-Universität zu Berlin), J ANINA M. V ERNAL S CHMIDT (Westsächsische Hochschule Zwickau): Rassismuskritische Lehrbuchanalyse in den fremdsprachlichen Fächern: Impulse und handlungsleitende Orientierungen M ARTA G ARCÍA G ARCÍA (Georg-August-Universität Göttingen), A NDREA B LANCO (Georg-August- Universität Göttingen): Ermächtigt oder machtlos? Haltungen von Studierenden und Lehrkräften gegenüber einer Kritischen Fremdsprachendidaktik M AX VON B LANCKENBURG (Universität Regensburg), S INA D ERICHSWEILER (Universität zu Köln): Kompetenzen von Lehrkräften zur Förderung von Streitkultur im Fremdsprachenunterricht J ULIA F EIKE (Friedrich-Schiller-Universität Jena), R EBECCA Z ABEL (Universität Greifswald): Lehrer*innensubjekt-Bildung: Zur Kritik normativer Ordnungen in der Professionalisierung angehender Lehrkräfte in DaF/ DaZ I RENE H EIDT (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg), L OTTA K ÖNIG (Universität Bielefeld), E LENI L OULOUDI (Universität Bielefeld), T HORSTEN M ERSE (Universität Duisburg-Essen): Internationale Kontextualisierung, konzeptuelle Systematisierung und Implikationen für eine kritische Lehrer*innenbildung Geplanter Themenschwerpunkt für Jahrgang 55.1 Lexikogrammatik Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts Herausgegeben von: Sandra Ballweg (Paderborn) · Birgit Schädlich (Göttingen) · Karen Schramm (Wien) · Britta Viebrock (Frankfurt) Zuschriften, Manuskripte und Rezensionsexemplare erbeten an: Prof. Dr. Sandra Ballweg, Universität Paderborn, Institut für Germanistik und vergleichende Literaturwissenschaft, Fach DaZ/ DaF, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn, eMail: sandra.ballweg@upb.de Prof. Dr. Birgit Schädlich, Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie, Humboldtallee 19, 37073 Göttingen, eMail: birgit.schaedlich@phil.uni-goettingen.de Prof. Dr. Karen Schramm, Universität Wien, Institut für Germanistik, Fachbereich DaF/ DaZ, Porzellangasse 4, A-1090 Wien, eMail: karen.schramm@univie.ac.at Prof. Dr. Britta Viebrock, Goethe Universität Frankfurt, Institut für England- und Amerikastudien, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, eMail: viebrock@em.uni-frankfurt.de Beratende Mitarbeit: Gabriele Blell (Hannover) · Daniela Caspari (Berlin) · Sabine Doff (Bremen) · Andreas Grünewald (Bremen) · Jürgen Kurtz (Gießen) · Grit Mehlhorn (Leipzig) · Claudia Riemer (Bielefeld) · Michaela Rückl (Salzburg) · Kathrin Siebold (Marburg) · Laurenz Volkmann (Jena) · Katharina Wieland (Halle) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) erscheint zweimal im Jahr mit einem Umfang von jeweils ca. 144 Seiten. Das Jahresabonnement kostet € 83,- (print) bzw. € 93,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser € 56,- (print), das Einzelheft € 46,-. (alle Preise zzgl. Postgebühr). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 15. November des laufenden Jahres beim Verlag gekündigt wird. © 2025 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, 72070 Tübingen www.narr.de, eMail: info@narr.de Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, in Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benutzte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Printed in Germany ISBN 978-3-381-14031-2 · ISSN 0932-6936 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (2002 - 2024) Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) Themenschwerpunkte (2002 - 2024) 31 (2002): Lehrerausbildung in der Diskussion (koord. von Frank G. Königs und Ekkehard Zöfgen) 32 (2003): Mündliche Produktion in der Fremdsprache (koord. von Karin Aguado u.a.) 33 (2004): Wortschatz - Wortschatzerwerb - Wortschatzlernen (koord. von Erwin Tschirner) 34 (2005): `` Neokommunikativer AA Fremdsprachenunterricht (koord. von Franz-Joseph Meißner) 35 (2006): Sprachdidaktik - interkulturell (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 36 (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (koord. von Claus Gnutzmann) 37 (2008): Lehren und Lernen mit literarischen Texten (koord. von Eva Burwitz-Melzer) 38 (2009): Strategien im Fremdsprachenunterricht (koord. von Manfred Raupach) 39 (2010): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts (koord. von Claus Gnutzmann und Frank G. Königs) 40.1 (2011): Fremdsprachenforschung in Europa (koord. von C. Gnutzmann, F.G. Königs und L. Küster) 40.2 (2011): Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung (koord. von Jürgen Kurtz) 41.1 (2012): Kompetenzen konkret (koord. von Lutz Küster) 41.2 (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (koord. von Claus Gnutzmann) 42.1 (2013): Entwicklungslinien. Standpunkte der Fremdsprachenforschung (koord. von Jenny Jakisch, Frank G. Königs und Lutz Küster) 42.2 (2013): Tasks revisited (koord. von Wolfgang Hallet und Michael K. Legutke) 43.1 (2014): Der Fremdsprachenlehrer im Fokus (koord. von Frank G. Königs) 43.2 (2014): Multiliteralität (koord. von Lutz Küster) 44.1 (2015): Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache (koord. von Claus Gnutzmann) 44.2 (2015): Mehrsprachigkeitsdidaktik (koord. von Jenny Jakisch) 45.1 (2016): (Fremd-)Sprachenlernen mit Film (koord. von Gabriele Blell und Carola Surkamp) 45.2 (2016): L2-Motivation - internationale und sprachspezifische Perspektiven (koord. von Claudia Riemer und Kathrin Wild) 46.1 (2017): Sprachenpolitik (koord. von Eva Burwitz-Melzer und Jürgen Quetz) 46.2 (2017): Frühes Fremdsprachenlernen (koord. von Heiner Böttger) 47.1 (2018): Fachlichkeit und Bildungsauftrag im schulischen Fremdsprachenunterricht (koord. von Lutz Küster und Jochen Plikat) 47.2 (2018): Digitalisierung und Differenzierung (koord. von Torben Schmidt und Nicola Würffel) 48.1 (2019): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik (koord. von Mark Bechtel und Karen Schramm) 48.2 (2019): Sprachmittlung (koord. von Andrea Rössler und Birgit Schädlich) 49.1 (2020): Fremdsprachliches Schreiben (koord. von Hans P. Krings) 49.2 (2020): Aussprache lehren, lernen und evaluieren (koord. von Isabelle Mordellet-Roggenbuck und Julia Settinieri) 50.1 (2021): Bilingualer Unterricht. Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen (koord. von Bärbel Diehr und Dominik Rumlich) 50.2 (2021): Berufsbezogenes Fremdsprachenlernen und -lehren (koord. von Karin Vogt und Hermann Funk) 51.1 (2022): Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe für alle (koord. Nikola Mayer) 51.2 (2022): Mehrsprachige Forschung - Mehrsprachigkeit in der Forschung: theoretische und empirische Herausforderungen aus internationaler Perspektive (koord. von Dagmar Abendroth-Timmer und Britta Viebrock) 52.1 (2023): Die Künste und ihr Einsatz im Fremdsprachenunterricht - Potenziale für das fremdsprachliche Lernen (koord. von Carola Surkamp und Andreas Wirag) 52.2 (2023): Gamification (koord. von Marta García García) 53.1 (2024): Interaktion und Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht (koord. von Götz Schwab und Sabine Hoffmann) 53.2 (2024): Neurodiversität in Fremdsprachenunterricht und -lehrkräftebildung (koord. von Carolyn Blume und Jules Bündgens-Kosten) Hinweise zu Beiträgen für FLuL FLuL begrüßt forschungsbasierte Beiträge zu allen für den Fremdsprachenunterricht und die Förderung der Mehrsprachigkeit relevanten Bereichen. Einzelheiten zur Gestaltung der Manuskripte sind dem ausführlichen ,style sheet‘ zu entnehmen, das bei der Redaktion (Anschrift siehe 2. Umschlagseite) angefordert werden kann. www.narr.digital www.narr.de ISSN 0932-6936 ISBN 978-3-381-14031-2 Themenschwerpunkt: Fokus Feedbackkompetenz M arlene a ufgebauer Zur Einführung in den Themenschwerpunkt ���������������������������������������������� 3 M arlene a ufgebauer Feedbackkompetenz angehender DaF-/ DaZ-Lehrender ������������������������������� 8 O livia r ütti -J Oy Feedback am Nexus von feedback literacies und berufsspezifischen Sprachkompetenzen: Über die sprachliche Facette von Feedback-Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrender ���������������������������������������������������� 21 M ilica l azOvic Empathie in Sprachlernberatungsgesprächen - reflexiv, diskursiv, adaptiv ��� 39 M ichaela r ückl Mentoring-Tandems als Lerngelegenheiten für den Aufbau von Diagnose- und Feedbackkompetenz in sprachendidaktischen Lehrveranstaltungen ���������� 57 c arMen k Onzett -f irth Feedbackpraktiken im Fremdsprachenunterricht: Eine Bestandsaufnahme mit Überlegungen zur Förderlichkeit von Feedback für die Entwicklung von Interaktionskompetenz ������������������������������������������������������������������������� 73 Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 54� Jahrgang · 1 Fremdsprachen Lehren und Lernen Herausgegeben von Sandra Ballweg, Birgit Schädlich, Karen Schramm und Britta Viebrock Themenschwerpunkt: Fokus Feedbackkompetenz koordiniert von Marlene Aufgebauer F Lu L 54. Jahrgang · 1
