eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 21/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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Narr Verlag Tübingen
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1992
211 Gnutzmann Küster Schramm

Zur Einführung in den Themenschwerpunkt: Idiomatik und Phraseologie

121
1992
Ekkehard Zöfgen
flul2110003
Thematischer Teil: Idiomatik und Phraseologie Ekkehard Zöfgen Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Im Kontext der etablierten Forschungsbereiche der synchronen Sprachwissenschaft zählt Idiomatik/ Phraseologie zu den noch jungen linguistischen Teildisziplinen. Dies ist umso erstaunlicher, als die ersten systematischen Untersuchungen zu den sog. "festen Wortverbindungen" auf Charles Bally (1909) zurückgehen, der gelegentlich als Begründer der phraseologischen Forschung genannt wird. Auf ihm aufbauend entwickelte sich so Häusermann (1977: VII) in der sowjetischen Linguistik bereits in den dreißiger Jahren eine „kontinuierliche Forschungsrichtung", die spätestens seit den Arbejten von Vinogradov (1946, 194 7) einen raschen, bis heute anhaltenden Aufschwung zu verzeichnen hatte. Von der euro-amerikanischen Linguistik wurden Ballys Erörterungen zu den «locutions phraseologiques» hingegen kaum zur Kenntnis genommen, und auch die Ergebnisse der osteuropäischen Forschung blieben nicht zuletzt aufgrund des erschwerten Zugangs zu diesen Arbeiten weitgehend unbeachtet. An der lange Zeit vorherrschenden phraseologischen Abstinenz sind allerdings auch frühe strukturalistische Theorien sowie im besonderen bestimmte Grundannahmen transformationeller Prägung nicht ganz schuldlos, stuften sie doch Phänomene von Idiomatizität entweder .als eine marginale Erscheinung von Sprache ein oder degradierten sie zu Anomalien des sprachlichen Systems, die der Regelapparat der sog. Standardtheorie nicht zu erklären vermochte. Überraschenderweise hat selbst die als Gegenpol zur Dominanz des ,Merkmalesischen' und ,Generativistischen' entworfene Text- und Pragmalinguistik der Existenz von phraseologischen Einheiten in der Anfangsphase nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Situation änderte sich schlagartig, als die umfangreiche sowjetische Literatur zur Phraseologie auch außerhalb der Slawistik rezipiert wurde und als das bereits in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre sich abzeichnende wachsende Interesse an diesem Gegenstandsbereich auch hierzulande in einer entsprechenden Zahl von Publikationen seinen Niederschlag fand. Ohne Übertreibung läßt sich behaupten, daß Idiomatik und Phraseologie nunmehr auch aus westeuropäischer Sicht nicht mehr zu den Randgebieten sprachwissenschaftlicher Forschung gehören und international gesehen auf dem besten Wege sind, im Zuge der „Wiederentdeckung" des Wortschatzes und damit verbunden der verstärkten Hinwendung zu lexikologischen und lexikographischen Fragestellungen ins Zentrum linguistischer Bemühungen zu rücken. Die beeindruckende Zahl· von Kongressen und Tagungen, die dieser Thematik gewidmet sind (vgl. etwa Mannheim 1982, Zürich 1984, Oulu 1986, Lyon FLuL 21 (1992) 4 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 1992), sowie der im zweijährigen Rhythmus stattfindende, seit 1988 unter dem Begriff Europhras in die Literatur eingegangene Gedankenaustausch zwischen (vornehmlich germanistischen und slawistischen) Phraseologieforschem 1 legen davon Zeugnis ab. Es spricht zudem für den erreichten Forschungsstand, daß bereits seit einem Jahrzehnt ein Handbuch der Phraseologie (Burger/ Buhofer/ Sialm 1982) vorliegt. Schließlich scheint die Tatsache, daß wir inzwischen sogar über ein für den Bereich der anglistischen Hochschullinguistik konzipiertes Arbeitsbuch verfügen (Welte 1990), ein sicheres Anzeichen dafür zu sein, daß dieser Fragenkomplex auch im Kanon der universitären Lehrveranstaltungen kein Schattendasein mehr führt. Zur Abrundung dieser wenigen Anmerkungen zum aktuellen Forschungsstand wäre noch auf drei Themenhefte von Fachzeitschriften hinzuweisen (Weller [Hrsg.] 1979, Stötzel [Hrsg.] 1985, Danlos [et al.] 1988), die sich den in diesem Zusammenhang auftauchenden Problemen von sehr unterschiedlichen Standpunkten und mit divergierender Zielsetzung zu nähern versuchen. Trotz aller Erkenntnisfortschritte im Bereich der linguistischen und sozialpsychologischen Phraseologieforschung sollte nicht unerwähnt bleiben, daß sowohl die Sonderstellung der Phraseologie als linguistischer Teildisziplin wie auch die vieldiskutierte Annahme einer eigenen phraseologischen Ebene bzw. eines eigenen phraseologischen Systems innerhalb der Sprache nach wie vor umstritten und in mancherlei Hinsicht als problematisch zu bezeichnen sind. Dies hängt u.a. damit zusammen, daß das Untersuchungsobjekt der Phraseologie "unter funktionalem Gesichtspunkt zwar eindeutig dem Lexikon [...] der Sprache zugehört" und die Erörterung phraseologischer Fragestellungen folgerichtig in den Zuständigkeitsbereich von Lexikologie und Semantik fiele, daß sich phraseologische Einheiten aber andererseits "durch ihre Strukturiertheit auf der Ausdrucksebene, ihren polylexikalischen Charakter, von Einzelwortlexemen deutlich ab[heben]" (Hessky 1992: 77). Der besondere Stellenwert, der dieser (Teil-)Disziplin gemeinhin zuerkannt wird, ergibt sich deshalb in erster Linie dadurch, daß eine Beschäftigung mit Wortgruppen- und Satzlexemen das Gebiet von Lexikologie und Syntax ebenso berührt wie das von Wortbildung und Stilistik. Unter dieser Prämisse liegt Phraseologie im Grenzbereich bzw. Übergangsfeld der genannten Disziplinen. 2 Als nachteilig hat sich daneben die längst nicht überwundene Unsicherheit bei der Definition und Klassifikation phraseologischer Einheiten erwiesen. Vor 1 Vgl. dazu die in diesem Band mehrfach zitierten Dokumentationen der Europhras-Tagungen in Klingenthal-Strasbourg (1988) und Aske-Uppsala (1990) sowie zuletzt Saarbrücken (1992). 2 Einige Forscher gehen noch einen Schritt weiter, indem sie Phraseologie sogar im Überschneidungsbereich linguistischer und nicht-linguistischer Disziplinen ansiedeln und das Arbeitsfeld damit bewußt auf Nachbarwissenschaften wie etwa Volkskunde, Literaturwissenschaft, Rechts- und Sozialwissenschaft, u.a. ausdehnen (vgl. Pilz 1978: 782 ff). FLuL 21 (1992) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 allem die geradezu chaotisch anmutende terminologische Vielfalt hat immer wieder für Verwirrung gesorgt und eine nicht enden wollende Zahl von Mißverständnissen und Abgrenzungsdebatten provoziert. Wenn trotz weiter bestehender terminologischer Unklarheit und nicht immer eindeutiger Begriffsopposition im Titel des Themenschwerpunktes sowohl Idiomatik als auch Phraseologie erscheinen, so darf dies nicht als Ausdruck terminologischer Verlegenheit oder Beharren auf terminologischer Indifferenz gewertet werden. Gemäß der sprachübergreifenden Orientierung dieser Zeitschrift wird vielmehr zum einen der terminologischen „Tradition" im frankophonen und angelsächsischen Sprachraum Rechnung getragen, wo sich Phraseologismus als Oberbegriff bislang nicht durchsetzen konnte. Zum anderen wird mit der expliziten Verwendung des (vor allem in der Fremdsprachendidaktik eingeführten) Idiomatikbegriffs auf die Beiträge Bezug genommen, die Idiome im Sinne idiomatisch fixierter Wortgruppenlexeme ( = Phraseolexeme)3 als (wichtigste) Teilklasse phraseologischer Einheiten akzentuieren. An den Grundfesten der Phraseologie vermochten die erwähnten Schwierigkeiten allerdings nicht zu rütteln. Die nicht mehr aufzuhaltende Etablierung der Phraseologie als eigenständiger Forschungsdisziplin profitierte dabei zweifellos von der Erkenntnis, daß ein nicht zu unterschätzender Teil unseres sprachlichen Handelns in der Verwendung vorgefertigter Muster besteht 4, und daß das, was Coseriu (1966: 195) den «discours repete» nennt, keine Randerscheinung, sondern ganz im Gegenteil ein Grundbestandteil natürlicher Sprachen ist, den es bei der Vermittlung von (Fremd-)Sprache angemessen zu berücksichtigen gilt. Solche Überlegungen und Einsichten sind nun auch der Fremdsprachendidaktik keineswegs fremd. Es besteht sogar weitgehend Konsens über die Notwendigkeit einer verstärkten Einbeziehung phraseologischer Einheiten und deren gezielter Behandlung im Unterricht. 5 Was allerdings die von Pilz bereits 1981 beklagte „phraseodidaktische Enthaltsamkeit" (124) angeht, so dürfte sie sieht man einmal von der beträchtlichen Zahl lexikographischer Erzeugnisse ab ,... für die meisten · Fremdsprachen nach wie vor Gültigkeit haben. Es scheint in der Tat, "als dämmere die primär- und sekundärsprac; hliche Didaktik weiterhin im phraseologischen Dornröschenschlaf" (Kühn in diesem Band, S. 169). 3 Nach verbreiteter Auffassung werden unter PhraseoJexemen „relativ stabile Verbindungen von Wörtern/ Wortgruppen [verstanden], deren wendungsinterne (Gesarnt-)Bedeutung von der wendungsexternen der Einzelkonstituenten in freier Wortverbindung differiert" (Wotjak 1992: 3). 4 Aurelien Sauvageot hat dieses Phänomen im Zusammenhang mit der Diskussion um die mots-tandem auf die knappe Formel gebracht: «Rien n'est plus fallacieux que de croire que nous nous exprimons librement [...] la part de l'automatisme dans l'expression linguistique est enorme» (in: Vie et Langage 1955: 223 und 226; zitiert nach Hausmann 1979: 195). 5 Auch in Untersuchungen zum gesteuerten und ungesteuerten Zweitsprachenerwerb finden die sog. "lexical phrases" zunehmend Beachtung (vgl. z.B. Nattinger/ DeCarrico 1989). FLuL 21 (1992) 6 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Mit dem vorliegenden Themenheft wird ein bescheidener Vorstoß unternommen, die mehrgliedrigen fixierten Wortverbindungen (phraseologischen Einheiten, Phraseologismen), die seit geraumer Zeit einen festen Platz in der linguistischen Forschung einnehmen, (erneut) in das Blickfeld der Fremdsprachendidaktik zu rücken, um ihnen damit hoffentlich auch in der (universitären) Fremdsprachenlehre jene Geltung zu verschaffen, die ihnen aufgrund ihrer Bedeutung in mündlicher und schriftlicher Kommunikation zukommt. Diesem Anliegen entsprechend sind die hier versammelten Beiträge zu zwei gleichgroßen Gruppen geordnet, von denen die erste die stärker linguistisch argumentierenden Beiträge vereint, während in der zweiten phraseodidaktische Aspekte im Vordergrund stehen. Ganz im Sinne der starken Impulse, die von der germanistischen Phraseologieforschung immer noch ausgehen, ist das Deutsche (als Fremdsprache) im ersten Themenblock mit drei Beiträgen vertreten. Ausgehend von der durch einen kenntnisreichen Forschungsüberblick gestützten These, daß unser Wissen über die Verwendung von Phraseologismen im heutigen Deutsch vornehmlich aus Textsortenuntersuchungen gewonnen wurde, daß sich aber die Frage nach der Verankerung von Phraseologismen bei breiten Bevölkerungskreisen aus methodischen Gründen gerade nicht textsortenbezogen befriedigend beantworten läßt, stellen Annelies Häcki Buhofer (Basel) und Harald Burger (Zürich) Anlage und erste Resultate einer Fragebogenstudie vor, die das Problem des Gebrauchs und des Verstehens von Phraseologismen über deren metakommunikative Einschätzung durch nicht-professionelle Sprecher/ -innen angeht. Unter den auch fremdsprachendidaktisch unmittelbar relevanten Ergebnissen ist vor allem jener Befund hervorzuheben, der auf starke Abweichungen zwischen lexikographischstilistischer Markierung von Phraseologismen und deren Beurteilung durch (schweizerdeutsche) Muttersprachler hindeutet. · Daß die gängigen alphabetisch gliedernden Wörterbücher in Situationen der Textproduktion nur begrenzt Hilfestellung leisten, ist hinlänglich bekannt. Für die phraseologischen Nachschlagewerke folgt daraus, daß sie als aktive Formulierungshilfe nur dann von Nutzen sind, wenn sie den Zugriff auf die phraseologische Einheit über eine thematische Organisation auszudrückender Begriffe gewährleisten. Ein solches Verfahren steckt nun leider voller Tücken. Die größte Hürde ist bei der Suche nach einem adäquaten Schlüsselbegriff zu nehmen, "der den Inhalt der Redensart mit der größtmöglichen Präzision umreißt, ohne gleichzeitig so abstrus und selten zu sein, daß niemand ihn als onomasiologischen Ausgangspunkt wählen wird" (Hausmann 1985: 107). In Kennntis dieses „onomasiologischen Dilemmas" muß Gertrud Grecianos (Straßburg) Versuch gewürdigt werden, Leitbilder und Leitbegriffe aufzuspüren und damit einige (auch phraseodidaktisch verwertbare) Akzente in Richtung auf eine erst in Umrissen sich abzeichnende Phraseosystematik zu setzen. Von ähnlich differenzierten Erkenntnissen ist die fachsprachliche Phraseologie noch ein gutes Stück entfernt. Der Mangel an umfassenden Bestandsaufnah- FLuL 21 (1992) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 men bringt es mit sich, daß geeignete phraseographische Lehrmittel und Referenzwerke fehlen, mit denen dieser Bereich für den ausländischen Lehrer .und Lerner erschlossen wird.· Anne Lise Kj~r (Kopenhagen) nimmt sich vor, diese Forschungslücke zumindest ansatzweise auszufüllen, indem sie das in ihrer Dissertation entwickelte Verfahren zur Analyse von juristischen, zur Terminologisierung und fachsprachlichen Verfestigung tendierenden Wortverbindungen vorstellt und diese Methode an Beispielen aus der deutschen Prozeßsprache veranschaulicht. Verstärkter Anstrengungen bedarf es schließlich auch im Bereich der empirischen Untersuchung der gesprochenen Sprache, so daß die Vorstellungen über das tatsächliche Vorkommen und die Funktion von Phraseologismen in der alltäglichen Kommunikation vorläufig noch einigermaßen verschwommen bleiben. Aufschlußreiche Einblicke verspricht hier das Bielefelder Forschungsprojekt zur kommunikativen Interaktion in Kontaktsituationen zwischen deutschen und französischen Sprechern, aus dem Elisabeth Gülich und Ulrich Krafft ihr Beispielmaterial schöpfen, wobei sie sich gezielt der Frage zuwenden, welche Rolle phraseologische Ausdrücke in exolingualer Kommunikation spielen. Zwei zentrale Aussagen dieser empirischen Studie lassen aufhorchen: (1) "Idiomatische Wendungen" vom Typ 9a mange pas de pain, die ja auch den Kernbestand phraseologischer Sammlungen ausmachen, sind im Bielefelder Korpus äußerst selten belegt. Häufigere Verwendung finden dagegen die sog. "vorgeformten Ausdrücke" (also z.B. feste Syntagmen oder phraseologische Termini), die gerade aufgrund ihrer Formelhaftigkeit dem Nicht-Muttersprachler erhebliche Verstehens- und Formulierungsprobleme bereiten. (2) Erworben werden solche Einheiten offenbar erst unter der Voraussetzung, daß sich ein Bewußtsein von der Vorgeformtheit und Irregularität dieser Einheiten herausbildet. Mit lexikologisch-lexikographischen Fragestellungen beschäftigen sich die beiden letzten Beiträge des ersten Themenblocks. Auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen amerikanischen und britischen Nachschlagewerken sichtet Rosemarie Gläser (Leipzig) Phraseologismen im amerikanischen Englisch, und zwar sowohl in ihrer Ausprägung als Phraseolexeme als auch als Phraseotexteme (satzförmige phraseologische Einheiten). Die sorgfältige, um Klassifikation des Materials nach Sachgruppen bzw. Themenfeldern bemühte Analyse kommt zu dem Schluß, daß tendenziell nicht nur im Lexikon, sondern auch im Phrasembestand ein ständiger Austausch zwischen diesen beiden nationalen Varianten des Englischen stattfindet. - Den mannigfaltigen Problemen, die sich bei der lexikographischen Behandlung von Phraseologismen einstellen, wendet sich Vilmos Bardosi (Budapest) zu. Ihren Reiz bezieht die Darstellung u.a. aus der Tatsache, daß Vilmos Bardosi selbst eine weit über die Grenzen Ungarns hinaus bekannt gewordene Sammlung französischer Idiomatismen verfaßt hat, die seit kurzem auch in einer für den deutschsprachigen Benutzer adaptierten Fassung vorliegt (Bardosi/ Ettinger/ Stölting 1992), und daß. der Autor mithin auf einschlägige lexikographische Erfahrungen zurückgreifen kann. FLuL 21 (1992) 8 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Ersichtlich leiten diese Überlegungen gleichzeitig zum zweiten Themenblock über, den Franz Rudolf Weller (Köln) mit einer kritischen Bestandsaufnahme des geradezu inflationären Gebrauchs von „authentisch/ Authentizität" als fremdsprachendidaktischer Kategorie eröffnet. Seine Ausführungen, die vor dem Hintergrund aktueller Bestrebungen um einen stärker lernerzentrierten und interaktiv ausgerichteten Fremdsprachenunterricht zu sehen sind und die auf eine pragmatische Wende in der Idiomatik-Diskussion hinwirken möchten, gipfeln in der These, daß ein wirklich „authentischer" Fremdsprachenunterricht letztlich nicht anders als „idiomatisch" im weitesten Sinn des Wortes sein kann. Aus der Forderung nach unterrichtlicher Berücksichtigung von Phraseologismen und der (ggf.) "aktive[n] Beherrschung eines Grundbestands an idiomatischen Wendungen" (Weller 1979: 551) ergeben sich nun zahlreiche ungelöste Probleme, die einerseits Lernschwierigkeiten betreffen, wie sie sowohl auf der Form- und Inhaltsseite als auch bei der pragmatisch korrekten Verwendung bestehen, und die andererseits mit Stichwörtern wie Selektion, Präsentation und Progression des Sprachmaterials summarisch umschrieben werden können. Was die didaktisch reflektierte Auswahl bzw. die immer wieder reklamierte Erarbeitung eines „phraseologischen Minimums" angeht, so stehen verläßliche Frequenzuntersuchungen, die Anhaltspunkte für die quantitative und qualitative Verteilung phraseologischer Mittel auf verschiedene Textsorten bieten, vorläufig noch aus. Auch im Hinblick auf die (offenbar mangelnde) Berücksichtigung von Phraseologismen in Lehrwerken waren wir bislang auf Vermutungen angewiesen. Mit ihrer frequenzorientierten Analyse französischer Idiome, die auf einem stichprobenartigen Vergleich von authentischen Texten und Lehrwerkmaterial beruht und in der zentrale theoretische Probleme eines solchen Vorgehens angesprochen werden, leistet Barbara Stein (Koblenz) deshalb wahrhaft Pionierarbeit. - Einen etwas anderen Standpunkt bezieht Regina Hessky (Budapest) bei der Frage nach der Notwendigkeit zur Erstellung eines phraseologischen Grundstocks (für Deutsch als Fremdsprache). Anzustreben sei vielmehr ein sog. "phraseologisches Optimum", bei dem sich verschiedene Selektionskriterien (wie kommunikative Funktion, Frequenz und Textsortenspezifik) einander ergänzen und das jeweils unter kontrastiven Vorzeichen sowie nach Maßgabe von Zielsetzung und Lernstufe zu modifizieren ist. Als sicherlich größtes Defizit ist in der aktuellen phraseodidaktischen Diskussion die unzureichende methodisch-didaktische Aufbereitung des Sprachmaterials anzusehen. Mit dieser ebenso schwierigen wie lohnenden The.matik befaßt sich Peter Kühn (Trier). Ein geschlossenes Konzept ist beim gegenwärtig unterentwickelten Forschungsstand zwar nicht zu erwarten. Gleichwohl können die zur Didaktisierung von Phraseologismen für den Mutter- und Fremdsprachenunterricht (Deutsch) unterbreiteten Vorschläge für sich in Anspruch nehmen, nicht nur bedenkenswerte didaktische Alternativen aufzuzeigen, sondern auch Anregungen auf dem Weg zur methodisch angemessenen Präsentation von Phraseologismen zu geben. FLuL 21 (1992) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 Trotz aller Einwände, die in der Vergangenheit gegenüber phraseologischen Spezialwörterbüchern (vor allem des Deutschen) vorgebracht worden sind (vgl. exemplarisch Hausmann 1985), ist der fremdsprachige Benutzer auf diese Hilfsmittel, in denen er idealiter Auskünfte über Bedeutung, Gebrauch und spezifische Verwendungsbedingungen erhält, dringend angewiesen. Eine kritische Analyse der wichtigsten zur Zeit erhältlichen Nachschlagewerke, aus der u.a hervorgeht, inwieweit sie zum genauen Verständnis der Bedeutung von Phraseologismen. beitragen, ob sie sich zur Textproduktion oder gar zum systematischen Durcharbeiten bestimmter Teile eignen bzw. wie sie überhaupt am effektivsten zu nutzen sind, bleibt deshalb weiterhin ein dringendes Desiderat. Eckhard Roos (Paderborn) kommt diesem Bedürfnis für das Englische nach, Stefan Ettinger (Augsburg) bespricht ausgewählte Neuerscheinungen der Jahre 1979-1990 im Hinblick auf ihre Verwendung im. schulischen und universitären Französischunterricht. Bei der Komplexität des Themenschwerpunktes und der Verschiedenartigkeit der theoretischen Ansätze wäre es ein aussichtsloses Unterfangen, das sichtbar gewordene breite Spektrum von Forschungsinteressen und Argumentationslinien auf einen Nenner zu bringen. Immerhin scheinen sich die Beiträger/ -innen aber in einem Punkt einig zu sein, nämlich in der Überzeugung, daß Phraseologismen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit verdienen und somit auch ihre Behandlung im (Fremd-)Sprach(en)unterricht nicht dem Zufall überlassen werden sollte. Möge dieses Plädoyer nicht ungehört verhallen! Angesichts der vielen ungeklärten Fragen und einer gerade erst in Gang gekommenen phraseodidaktischen Forschung wird man allerdings Stefan Ettinger (in diesem Band S. 216) kaum widersprechen können, wenn er seinen Beitrag mit der Bemerkung schließt: Nous avons du pain sur Ja planche! [Zitierte] Literatur BALLY, Ch.: Traite de stylistique fran~aise. Tome 1. Heidelberg 1909 [4. Aufl. Geneve 1963]. BÄRDOSI, V./ ETTINGER, S. / STÖLTING, C.: Redewendungen Französisch/ Deutsch. Thematisches Wörter- und Übungsbuch. Tübingen 1992 (UTB; 1703). BURGER, H. / BUHOFER, A. / SIALM, A.: Handbuch der Phraseologie. Berlin/ New York 1982. 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