eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 21/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1992
211 Gnutzmann Küster Schramm

Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache

121
1992
Regina Hessky
flul2110159
Regina Hessky Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache Abstract. The present paper seeks in its first part to describe and to analyse the main criteria which influence the developing of a phraseological minimum or optimum Jist for the purposes of teaching German as a foreign language. lt is argued that frequency cannot be the main aspect of selection but it is necessary to take into account several criteria. The second part deals with these linguistic and didactic aspects of developing materials for practical purposes. 0. Ein Blick auf die phraseologische Literatur der letzten Jahre macht deutlich, daß sich das Spektrum der thematisierten Fragen und Probleme nach und nach erweitert. Einen nicht unwesentlichen Aspekt stellt dabei der Komplex Phraseologie im Fremdsprachenunterricht [FU] in seiner ganzen Vielfalt dar. Zu diesem Komplex gehören auch Fragen der Verwendung, die im vorliegenden Beitrag behandelt werden sollen. Den konkreten Hintergrund bzw. Ausgangspunkt bildet die Phraseologie des Deutschen aus der Sicht eines Nichtmuttersprachlers, mit Beispielen in der Relation Ungarisch - Deutsch. 1. Über die grundsätzliche Frage, ob Phraseologie im PU überhaupt vermittelt werden soll, scheint heute bereits allgemeiner Konsens zu bestehen, unabhängig davon, wie eng oder weit man den Begriff Phraseologie auch fassen mag. Allerdings ist es für die weitere Erörterung der in dem Titel genannten Problematik in jeder Hinsicht von Bedeutung, ob man den Begriff Phraseologie im Sinne der Definition und der (auf Cernyseva zurückgehenden) Klassifikation des Handbuchs der Phraseologie verwendet (Burger/ Buhofer/ Sialm 1982: 1) oder ihn auf irgendeine Art enger faßt und darunter lediglich Idiome versteht. Diese Vorentscheidung beeinflußt in nicht geringem Maße die Antwort auf die verschiedensten "w-Fragen", die sich auf der Basis obigen Konsenses stellen, und die größtenteils noch unbeantwortet oder nicht zufriedenstellend beantwortet sind. Den nachstehenden Überlegungen ist der Phraseologie-Begriff des Handbuchs zugrundegelegt. 1.1 Für den Einsatz von Phraseologismen als Lehr- und Lernstoff sind im Vorfeld sowohl aus der Sicht des Lehrens wie auch des Lernens drei wichtige, ja prinzipielle Fragen zu klären: (1) Nach welchen Kriterien kann die zu vermittelnde Menge an Phraseologismen richtig ausgewählt werden? FLuL 21 (1992) 160 (2) Wie ist das ausgewählte Material sprachlich aufzubereiten? (3) Was ist an didaktischer Aufbereitung zu leisten? Regina Hessky Ein in seinem Umfang begrenzter Beitrag kann sich natürlich nicht das Ziel setzen, auf alle drei Fragen eine erschöpfende und in jeder Hinsicht befriedigende Antwort zu geben. Es soll aber versucht werden, zur Lösung der Fragen mit der Erörterung bestimmter zusammenhänge beizusteuern. 1.2 Die Forderung nach einem „phraseologischen Minimum" für den FU besteht zwar seit langem, doch selbst wenn es ein solches bereits gäbe, könnte es nicht unkritisch und generell als „Kanon" gelten. Allerdings besteht diese Gefahr gegenwärtig erst überhaupt nicht, zumal selbst entsprechende Frequenzuntersuchungen noch ausstehen, die uns eine Häufigkeitshierarchie präsentieren und wenigstens bestimmte Anhaltspunkte hinsichtlich der Verteilung phraseologischer Ausdrucksmittel z.B. auf verschiedene Textsorten oder in Texten verschiedenen Schwierigkeitsgrades bieten würden. Dabei finden sich in der einschlägigen Fachliteratur nicht wenige Hinweise auf die Unerläßlichkeit solcher Untersuchungen: „Sicher ist zu fordern, daß mindestens die frequentierten Redensarten wenigstens passiv beherrscht werden sollten das aber setzt voraus, daß ihr Vorkommen in verschiedenen Textsorten und in der mündlichen Kommunikation untersucht wird" (Koller 1974: 15). Ettinger beklagt sich 15 Jahre später in deutsch französischer Relation über ähnliche Defizite (Ettinger 1989). Zur gleichen Frage gibt Kühn allerdings zu bedenken: „Vielleicht ist es aber auch gar nicht erstrebenswert, eine phraseologische Sammlung nach dem Häufigkeitskriterium zu erstellen", und er schlägt vor, "Kriterien wie Adressatenbezug, Textsortenabhängigkeit, Benutzungsmöglichkeiten usw. in den Vordergrund zu stellen" (Kühn 1987: 69). Diesen .Gedanken aufgreifend soll die Auseinandersetzung mit bestimmten Aspekten der gesamten Problematik zu einer differenzierten Betrachtung und dem Aufstellen eines angemessenen Kriterienkatalogs für die Erstellung eines phraseologischen Grundstocks für den DaF-Unterricht beitragen. 1.3 Die Frage nach der zu vermittelnden Mindestmenge an phraseologischen Einheiten läßt sich nicht pauschal beantworten. Dabei ist es nur einer von verschiedenen Aspekten, daß es dem übrigen Lernwortschatz ganz ähnlich nicht allein eine Frage der Vorkommenshäufigkeit ist, was als „phraseologisches Minimum" im DaF-Unterricht bereits etwa auf der nichtspezialisierten Grund- und Mittelstufe was immer man im einzelnen darunter verstehen mag unter allen Umständen Bestandteil des zu vermittelnden Lernstoffes sein soll. Damit sei jedoch eine nach Häufigkeitskriterien ermittelte Liste als mögliche Ausgangsbasis für die weitere Selektion nicht von vornherein abgelehnt. Wohl FLuL 21 (1992) Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache 161 aber soll betont werden, daß eine allein auf Basis der Frequenz erstellte Liste von Phraseologismen für den FU an und für sich keinen Eigenwert besitzt, sondern lediglich die Grundlage für eine Auswahl und Strukturierung nach weiteren Kriterien darstellt. Frequenzuntersuchungen als Grundlage für linguistisch und didaktisch begründete Selektionsverfahren würden sogar in mancherlei Hinsicht nützlich sein. So würden sie wohl ermöglichen, daß man abkommt von dem reflexartig praktizierten Vorgehen, das „bildhafte" Redensarten mitunter völlig unabhängig von ihrem kommunikativen Stellenwert in Lehrmaterialien mehr oder weniger gleichmäßig verteilt wie Rosinen präsentiert, um den „Kuchen Fremdsprache" den Lernenden dadurch schmackhafter zu machen. Häufigkeit einerseits und Adressatenbezug, Textsortenspezifik wie auch noch weitere Kriterien, von denen weiter unten noch die Rede sein wird, sind also nicht als Alternativen, sondern als komplementäre Gesichtspunkte zu betrachten, die in gegenseitiger Interdependenz bestimmen, was vom phraseologischen Material auf welcher Lernstufe wie gelehrt und gelernt werden sollte. 1.4 Geht man zunächst vom kommunikativen Wert, der Verwendbarkeit aus, so kommt bestimmten „Randbereichen" der Phraseologie gerade in den früheren Phasen des FU eine weit wichtigere Bedeutung zu als den „klassischen" Idiomen, bildhaften Ausdrücken, Redensarten. Situative Stereotypien (Routineformeln) wie nicht daß ich wüßte, wem sagst du das; Funktionsverbgefüge. wie zum Ausdruck bringen, Aufmerksamkeit schenken; bestimmte Modellbildungen wie Tag für Tag, Schritt für Schritt; bevorzugte Analysen bis hin zu usuellen Kollokationen wie sich die Nase putzen, jm. unter die Augen kommen/ treten, die Grenze passieren würden mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen. Es. sprechen ferner mancherlei Erfahrungen aus der Praxis dafür, ·daß man den Begriff Phraseologie für den FU noch weiter fassen sollte als dies die oben genannte Definition ermöglicht. Bekanntlich ist es nicht selten schwierig, Phraseolexeme von usuellen Kollokationen oder auch von usualisierten Mehrwortmetaphern zu unterscheiden. Für Zwecke des FU sollte bedingt durch die Praxis die Devise gelten, eher mehr als weniger von solchen komplexeren Entitäten zu erfassen, zumindest in Fällen, wo durch intralinguale Spezifika mit keinem muttersprachlichen Transfer gerechnet werden kann. 2. Das Ergebnis einer nach kommunikativer Verwendbarkeit als rein innereinzelsprachlichem Kriterium vorgenommenen Selektion kann, ja muß, teilweise modifiziert werden durch Berücksichtigung des didaktischen und kontrastiven Aspekts. 2.1 Betrachtet man Phraseologismen als Lehr- und Lernstoff im FU, so ist durchgehend, d.h. auf allen Lernstufen, zu unterscheiden zwischen aktivem FLuL 21 (1992) 162 Regina Hessky (produktivem) und passivem (rezeptivem) Bereich des Wortschatzes. Dies scheint auf den ersten Blick plausibel und vielleicht eine rein quantitative Frage zu sein, indem der passive Bereich des Wortschatzes, und folglich der Anteil von Phraseolexemen daran, jeweils größer ist als der produktiv verfügbare. Ohne einen solchen, rein quantitativen Zusammenhang in Frage stellen zu wollen je mehr Entitäten der Lernende passiv beherrscht, proportional desto mehr wird er auch aktiv beherrschen - , kommt es aber gerade darauf an, (a) die zweifellos bescheiden(er)e Menge der produktiv verfügbaren Ausdrucksmittel zielstrebigbewußt auszuwählen und (b) ihren Erwerb durch lernpsychologisch-didaktisch optimale Bereitstellung zu gewährleisten, um dadurch die größtmögliche kommunikative Effizienz zu erzielen. 2.2 Erfolgen Selektierung und didaktische Aufbereitung des phraseologischen Lernmateriafä zusätzlich auch noch unter kontrastivem Gesichtspunkt, so beeinflußt dieser Aspekt nicht nur die Reihenfolge sowie Art und Weise der Präsentierung, sondern auch die Zuordnung zum aktiven bzw. passiven Wortschatzbereich was wiederum nicht ohne Konsequenzen für die Übungsgestaltung bleibt. 2.2.1 Bei fremdsprachlichen Phraseologismen, die als Äquivalente muttersprachlicher Einwortlexeme erscheinen, kann der kontrastive Aspekt die nach dem Gesichtspunkt der intralingualen kommunikativen Verwendbarkeit vorgenommene Auswahl verstärken und bestätigen. Solche Entitäten sind anderen gegenüber, für die es in der Fremdsprache sinnverwandte Einwortlexeme gibt, bereits in einer früheren Lernphase zu vermitteln, natürlich weniger auf Kosten des Minimums an (Einwort)Lexemen, wohl aber gegenüber anderen Phraseolexemen der Fremdsprache. In ungarisch deutscher Relation würde das etwa heißen, daß Phraseolexeme wie dt. unter vier Augen für ung. negyszemközt, dt. blinder Passagier für ung. potyautas, dt. aufs Geratewohl für ung. taliilomra zeitlich vorzuziehen wären gegenüber z.B. die Tapeten wechseln für 'umziehen' oder sich Gedanken machen für 'nachdenken', 'überlegen'. Durch entsprechende Übungsarbeit stehen dann solche Ausdrucksmittel dem Lernenden zur produktiven Verwendung zur Verfügung. Für den aktiven (produktiven) Bereich sind ferner totale interlinguale Äquivalente den partiellen Äquivalenten vorzuziehen, da jene geringere Lernschwierigkeit bereiten und so gut wie überhaupt keine Interferenzgefahr darstellen wie etwa in der Relation Ungarisch - Deutsch: a feje tetejen all etw. steht auf dem Kopf; elveszti a fejet seinen Kopf verlieren; a-t61 z-ig von A bis Z. 2.2.2 Totale zwischensprachliche Äquivalente verursachen überhaupt nur geringfügige Lernschwierigkeiten. Im Bereich des passiven Wortschatzes und in Kontexten lassen sie sich auf Analogiebasis mit Leichtigkeit dekodieren. Daher kann ihre (passive) Verfügbarkeit mit einem Minimum an Lern- und Übungs- FLuL 21 (1992) Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache 163 aufwand gewährleistet werden mitunter können sie sogar, ungeachtet ihrer kommunikativen Verwendbarkeit, völlig aus einem phraseologischen Minimum ausgeklammert bleiben. In dem passiven (rezeptiven) Bereich ist hingegen den fremdsprachlichen Einheiten mit Null-Äquivalenz, also ohne lexikalisierte Entsprechung in der Muttersprache der Lernenden größere Aufmerksamkeit zu schenken, da diese im Verstehensprozeß (so auch beim Übersetzen in die Muttersprache) mit keinen lexikalisierten Ausdrucksmitteln der Ll in Beziehung gesetzt werden können; bei Lernenden mit Ungarisch als Muttersprache z.B.: einen Beruf ausüben; an etw./ jm. führt kein Weg vorbei; vom Hundertsten ins Tausendste kommen; jm. ein X für ein U vormachen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, daß im Verstehensbereich, zumal in Kontexten, auch partielle Äquivalente relativ geringe Verständnisschwierigkeiten verursachen: Aufgrund des muttersprachlichen (positiven) Transfers kommt es durch solche Entitäten zu keiner Blockierung des Verstehensprozesses. Folglich müssen solche Phraseologismen nicht unbedingt in ein "Minimum" aufgenommen werden, wohl aber muß man den Lernenden entsprechende Techniken zur richtigen Dekodierung an die Hand geben, wie davon in Abschnitt 4 noch einiges gesagt werden wird. Fühlt sich nämlich der Lernende in die Lage versetzt, sprachlich relativ schwierige Texte in einer relativ frühen Lernphase wenigstens kursorisch zu· lesen, so ist das für ihn ein Erfolgserlebnis von nachhaltiger Wirkung. Schließlich kann man aufgrund der natürlichen Wechselbeziehung zwischen aktivem (produktivem) und passivem (rezeptivem) Bereich auf diesem Wege mit einer allmählichen Bereicherung des aktiven Bereichs rechnen. 3. Ist einmal das phraseologische Lernmaterial nach dem skizzierten Kriterienkomplex festgelegt oder zumindest umrissen, kann die angemessene sprachliche Aufbereitung folgen, die der entsprechenden didaktischen Aufbereitung voranzugehen hat. Von den diesbezüglich auftauchenden Problemen sollen hier zwei herausgegriffen werden, die beim Umgang mit Phraseolexemen besonders dem nichtmuttersprachigen Lehrer schnell bewußt werden und mitunter nicht geringe Schwierigkeiten bereiten: die Festlegung der Stamm-/ Grundform von Phraseolexemen (einschließlich ihrer syntaktischen Umgebung) sowie die Erklärung/ Erläuterung ihrer Bedeutung. 3.1 Der Umgang mit verschiedenen phraseologischen Lexika (Sammlungen) läßt erkennen, daß es bei der Fixierung des Umfangs, der. stabilen Konstituenten des Phraseolexems, aber auch überhaupt der Stammform, selbst bei Muttersprachlern (auch bei Lexikographen) größere oder geringere Abweichungen geben kann, etwa: das macht das Kraut nicht fett vs. etw. macht das Kraut nicht fett; nicht in den Kram passen vs. etw. paßt nicht in den Kram; Hand und Fuß haben vs. FLuL 21 (1992) 164 Regina Hessky etw. hat Hand und Fuß; etw. ist ein heißes Eisen vs. ein heißes Eisen; etw. nach Strich und Faden tun vs. nach Strich und Faden; einer Sache ihren Lauf/ freien Lauf lassen (wo für Sache z.B. Zorn, Phantasie, Tränen eingesetzt werden kann} oder auch seinen Gefühlen, wenn nicht seinem Ärger freien Lauf lassen u.a.m. Die Gründe für derartige Schwankungen oder Alternativen liegen zum Teil in der Natur der Phraseologie, zum Teil kann es sich jeweils auch um individuell oder regional bevorzugte Formen handeln. Der Muttersprachler unterscheidet die variablen von den stabilen Konstituenten aufgrund seiner Kompetenz, und auch Fragen der Kompatibilität bzw. der Verwendungsrestriktionen bereiten ihm in der Regel kein Kopfzerbrechen. Manche der Unterschiede dieser Art mögen nun aus der Sicht des Nichtmuttersprachlers weniger relevant sein. Andere wirken sich jedoch auf die Regeln der Verwendung mehr oder minder stark aus. Daher ist solchen entsprechende Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Es gilt das didaktische Grundprinzip, daß aus lernpsychologischem Grund jeweils eine Form festzulegen und einzuüben ist. Als Faustregel läßt sich formulieren, daß die umfassendere und demzufolge informativere Form der kürzeren vorzuziehen ist, was nicht selten dazu führt, daß man bei verbalen Phraseolexemen auf den Infinitiv Präsens als Stammform verzichtet: etw.ljd. kann sich sehen lassen gegenüber sich sehen lassen können; etw. hat Hand und Fuß gegenüber Hand und Fuß haben; jd. ist aus echtem Schrot und Kom gegenüber aus echtem Schrot und Kom sein. Solchen interlingualen Aspekten sollte man freilich bereits in bilingualen phraseographischen Arbeiten Rechnung tragen. Als Prinzip wäre sogar davon auszugehen, daß aus didaktischer Überlegung die phraseographischen und allgemeinen lexikographischen Gesichtspunkte und Prinzipien nicht unverändert auf phraseologische Lehr- und Lernmaterialien übertragbar sind, wenn sie z.B. keine Kodifizierung oder Präsentierung ermöglichen, die explizit genug ist, um den Lernprozeß zu fördern, bzw. die vermittelten Informationen für einen Nichtmuttersprachler nicht ausreichen, um das erforderliche Maß an Verwendungssicherheit zu gewährleisten. Die Muttersprache als Bezugspunkt ermöglicht auch in dieser Hinsicht wichtige Rückschlüsse. So wäre es z.B. in deutsch-ungarischer Relation angebracht, etw. aus dem Weg räumen und jn. aus dem Weg räumen getrennt zu lemmatisieren, da die Übersetzungsäquivalente verschieden sind: <akadalyt, nehezseget > megszüntet, elharft bzw. eltesz vkit lab a161. 3.2 Fremdsprachliche Bedeutungserklärungen spielen im FU erst auf einer entsprechenden Lernstufe unmittelbar eine Rolle. Doch für den Autor von Lehrmaterialien und den Lehrer kommt ihnen als Information bereits auf niedrigeren Lernstufen eine entscheidende Bedeutung zu: Nur im Besitz verläßlicher Informationen ist er in der Lage, die richtige zwischensprachliche Äquivalenzre- FLuL 21 (1992) Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache 165 lation zu ermitteln und den Lernenden die entsprechenden „Gebrauchsanweisungen" meistens syntaktische und/ oder semantische Restriktionen der Verwendung bereitzustellen. Die einsprachigen Lexika liefern aus verständlichen Gründen auch in diesem Zusammenhang vielfach keine ausreichenden Informationen, oder sie lassen den Nichtmuttersprachler gerade in jenen Punkten in Unsicherheit, die durch muttersprachliche Interferenzgefahr eine potentielle Fehlerquelle darstellen. Die gängige lexikographische Praxis einsprachiger Wörterbücher wurde in einschlägigen Arbeiten mehrfach kritisch dargestellt (vor allem z.B. von Kühn) und eine „differenzierte gebrauchssemantisch orientierte Bedeutungsbeschreibung im Wörterbuch" gefordert (Kühn 1989: 134). Eine diesbezügliche Verbesserung der gegenwärtigen lexikographischen Praxis würden Nichtmuttersprachler sicherlich begrüßen, obgleich dadurch ihre spezifischen Probleme nicht automatisch aus dem Weg geräumt wären. In diesem Zusammenhang ist wohl erst durch entsprechende Zusammenarbeit von Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern hinsichtlich je zweier Sprachenpaare eine qualitative Verbesserung zu erwarten. Für die Entscheidung, welche von den verbesserten lexikographischen Informationen auf welche Weise in der bilingualen Phraseographie bzw. in Lern- und Übungsmaterialien verwertet werden, muß das Ergebnis diesbezüglich relevanter kontrastiver semantischer Analysen berücksichtigt werden, wie auch z.B. Fehleranalysen als Rückmeldungen über interferenzgefährdete, kritische Punkte wichtige Informationen liefern. 4. Sieht man die für den DaF-Unterricht vorhandenen Übungsmaterialien zur Phraseologie durch, so erwecken sie hinsichtlich der Übungsgestaltung den Eindruck einer gewissen Undifferenziertheit und Einseitigkeit. Mit Undifferenziertheit ist gemeint, daß die Zielsetzung der Übungsarbeit lediglich pauschal als „Erwerb" angegeben wird, ohne nach Fertigkeiten bzw. Teilfertigkeiten bewußt und durchgehend zu unterscheiden. Einseitigkeit heißt, daß hinsichtlich der Gestaltung Übungen dominieren, die sich in erster Linie auf den formalen, d.h. morphosyntaktischen Aspekt der Phraseologismen konzentrieren. Dabei stellt die formale, die Ausdrucksseite dieser Entitäten nur eine nicht unbedingt die wichtigste - Lernschwierigkeit dar, ganz zu schweigen von der Notwendigkeit einer bewußten Differenzierung zwischen produktivem und rezeptivem Bereich. 4.1 Übungen zu Phraseolexemen sind zu differenzieren nach Verstehen und Verwenden bzw. nach ihrer Ausdrucksseite und ihrer Inhaltsseite. Wie bereits erwähnt, wirkt es auf den Lernenden höchst motivierend, wenn er sich in einer ) relativ frühen Lernphase in die Lage versetzt fühlt, Phraseologismen in Kontexten zu verstehen. Aus diesem Grund sollten dem Lernenden durch entsprechende Übungen in bereits früher Phase Techniken an die Hand gegeben werden, die ihm das Verstehen erleichtern. Allerdings ist das Erkennen der Phraseolexeme FLuL 21 (1992) 166 Regina Hessky (und auch ihrer Modifikationen) in Texten die Voraussetzung des Verstehens. Die Übungen zum Verstehen haben also sowohl einen analytischen als auch einen synthetischen Aspekt. Als Material für solche Übungen eignen sich in erster Linie phraseologische Einheiten der Fremdsprache, deren Erkennen und richtige Dekodierung in einem entsprechenden Kontext aufgrund des muttersprachlichen Transfers eher geringe Schwierigkeiten bereiten, weil es sich dabei um interlinguale totale oder partielle Äquivalente handelt. Entsprechende authentische Texte als Übungsmaterial lassen sich z.B. in Presse, Trivialliteratur usw. unschwer finden. 4.2 Übungen zur Ausdrucksseite, d.h. zur morphosyntaktischen Struktur und den stabilen lexikalischen Konstituenten, dienen sowohl zur Fundierun~ des Verstehens als auch des Verwendens. Besonders eignen sich aber solche Ubungen zum Einprägen von partiellen Äquivalenten, bei denen die Unterschiede zwischen muttersprachlicher und fremdsprachlicher Form in den lexikalischen Konstituenten und/ oder in der Struktur liegen. So lassen sich Unterschiede z.B. im "Wortlaut" bei gleicher Bedeutung bewußtmachen und automatisieren, etwa (jd. ist) ein alter Hase gegenüber öreg r6ka "alter Fuchs"; jm. unter die Augen kommen/ treten gegenüber vkinek a szeme ele kerül "jm. vor die Augen kommen". In diesen Bereich gehören auch zwischensprachliche partielle Äquivalente, bei denen die unterschiedliche syntaktische Funktion am augenfälligsten ist und die größte lnterferenzgefahr darstellt, z.B.: die Hände in den Schoß legen gegenüber ölbc tett kezzel (adverbial); wie aus der Pistole geschossen gegenüber mintha puskab61 lottek volna ki (NS). Die meisten gängigen Übungstypen zur Phraseologie eignen sich in erster Linie für diesen Zweck und erfüllen ihre Funktion voll und ganz. Man muß sich aber dessen bewußt sein, daß sie nicht die ganze Bandbreite der zu übenden Aspekte abzudecken vermögen. Vielmehr sind sie als Teil-/ Vorbereitungsübungen aufzufassen: Durch Einprägung der Form werden Phraseolexeme leichter erkennbar, durch zusätzliche Einprägung der Bedeutung und der (semantischen) Verwendungsrestriktionen leichter verwendbar. Je nach Übungsintensität können sie den rezeptiven oder auch den produktiven Erwerb vorbereiten bzw. fördern. 4.3 Das Angebot an Übungen zur Bedeutung der Phraseolexeme ist ähnlich vielfältig. Man stellt allerdings nicht selten fest, daß die Verwendung der Phraseolexeme völlig losgelöst vom Kontext "geübt" wird, oder die Übungen machen lediglich synonymische Relationen von Phraseolexemen und Einwortlexemen bewußt. Besonders auf der Fortgeschrittenenstufe sollte darüber hinaus zunehmend Wert gelegt werden auf phraseologische Kollokationen, auf die semantische Differenzierung sinnverwandter Phraseolexeme (etwa bei jn. in den April schicken, jn. hinters Licht führen, jn. an der Nase herumführen, jn. zum Narren halten, die in einschlägigen Lexika vielfach mit dem gleichen Verb irreführen „erklärt" werden, ohne auf Bedeutungsunterschiede wie 'aus Scherz' FLuL 21 (1992) Aspekte der Verwendung von Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache 167 oder 'absichtlich', 'um dem anderen Schaden zuzufügen' hinzuweisen). Durch den Vergleich mit der Muttersprache kommen weitere Aspekte für die Übungsgestaltung hinzu: Man muß sich auf Phraseolexeme konzentrieren, die bei formaler Gleichheit bzw. großer Ähnlichkeit in semantischer Hinsicht in hyponymischer oder hyperonymischer Relation stehen oder sogar zu den Faux-amis-Erscheinungen zählen. 4.4 Sowohl Übungen zur Ausdrucksseite wie auch Übungen zur Inhaltsseite haben ihre primäre Funktion in der Vorbereitung und Fundierung komplexerer Übungen zur Anwendung von Phraseologismen in Kontexten. Während bei Übungen zur Bedeutung vorwiegend der inner- und zwischensprachliche semasiologische Aspekt zum Tragen kommt, muß bei komplexen Verwendungsübungen ergänzend der onomasiologische Ansatz hinzutreten: Welche Phraseologismen eignen sich als Ausdruck welcher Inhalte, in welchen Textsorten, mit welcher stilistischen Markierung. In "realen" Verwendungssituationen müssen wir nämlich zumindest als Alternative neben der Übersetzung muttersprachlicher Texte den Fall berücksichtigen, daß der Nichtmuttersprachler eben nicht nach Übertragungsmöglichkeiten für sprachlich ausformulierte muttersprachliche Äußerungen, sondern für Gedanken sucht, sich also unmittelbar in der Fremdsprache sprachlich verständigen möchte. In einer solchen Situation sucht er nach geeigneten sprachlichen Ausdrucksmitteln für bestimmte Inhalte, er sucht "unmittelbar" nach dem sprachlichen Ausdruck, ohne die Muttersprache als Zwischenglied. In diesem Zusammenhang lassen sich dann auch Phraseolexeme üben, die in der Muttersprache der Lernenden eine Nulläquivalenz haben, in deutsch ungarischer Relation etwa die Tapeten wechseln, der blaue Brief/ den blauen Brief erhalten u.a.m. 5. Das Fazit obiger Überlegungen läßt sich wie folgt zusammenfassen: Für den DaF-Unterricht sollte nicht ein phraseologisches Minimum, sondern die Erstellung eines „phraseologischen Optimums" angestrebt werden. Die dominierenden Aspekte dafür ergeben sich aus der kommunikativen Funktion, der Frequenz, der Textsortenspezifik. Die Revidierung (Modifikation) und innere Strukturierung einer so ermittelten Liste wäre in Abhängigkeit von der Muttersprache der Lernenden, auf kontrastiver Basis und unter Berücksichtigung von Zielsetzung, Lernstufe etc. vorzunehmen. Für die Übungsphase ist für eine größere Vielfalt und eine Differenzierung nach Übungsziel (Lernziel) zu plädieren. Davon ausgehend lassen sich neue Möglichkeiten, neue Übungstypen erschließen, wodurch man eine effektivere Arbeit an und mit Phraseolexemen erwarten kann. FLuL 21 (1992) 168 Regina Hessky Bibliographische Angaben BURGER, H. / BUHOFER, A. / SIALM, A.: Handbuch der Phraseologie. Berlin/ New York 1982. 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