Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1992
211
Gnutzmann Küster SchrammLehrmaterialien zur englischen Idiomatik -
121
1992
Eckhard Roos
flul2110190
Eckhard Roos Lehrmaterialien zur englischen Idiomatik Eine kritische Analyse Abstract. The increasing interest in phraseology which can be observed in linguistics and foreign language teaching has also had some impact on teaching materials. If the more recent books for the teaching of English idioms in tertiary education are compared to older ones and if their characteristics are viewed against the background of the state of the art in linguistics and foreign language pedagogy, the change becomes clear. The term idioms is no longer .used as a catchall for all kinds of linguistic phenomena but refers to a clearly delimited subset of phraseology. Teaching strategies take into account the idiom structure of English idioms and concentrate on the problems of idiom use (syntax, collocations, style etc.). 1 Idiomatik und Fremdsprachenunterricht: Trends und Entwicklungen Lange Zeit hindurch war systematische Wortschatzarbeit nicht gerade ein zentrales Thema der fremdsprachendidaktischen Diskussion. Dem Desinteresse in der Theorie entsprach in der Praxis die untergeordnete Rolle, die die Wortschatzarbeit gegenüber dem Grammatikunterricht bisher einnahm. Was für den Wortschatz als Ganzes gilt, trifft entsprechend für die Phraseologie und Idiomatik zu. Allerdings mehren sich in letzter Zeit die Anzeichen, die auf einen Wandel hindeuten. Die Zunahme der Publikationen zu Themen der Wortschatzarbeit vgl. das Themenheft „Wortschatz(lernen)" von FLuL Jg. 1987 - und der Arbeitsmaterialien für diesen Bereich läßt sich auch bei Phraseologie und Idiomatik beobachten. Es erscheint daher sinnvoll, die in den letzten Jahren erschienenen Arbeitsmaterialien zu diesem Bereich kritisch zu sichten und zu sehen, in welcher Weise die Entwicklung in der Fremdsprachendidaktik und ihren Referenzwissenschaften hier ihren Niederschlag gefunden hat. Nachdem im folgenden zunächst der Bereich der englischen Idiomatik skizziert und die phraseologischen sowie fremdsprachendidaktischen und -psychologischen Aspekte der Behandlung der Idiomatik im Fremdsprachenunterricht des tertiären Bereichs dargestellt wurden, sollen vor diesem Hintergrund eine Reihe von Arbeitsbüchern zur Idiomatik kritisch beleuchtet werden. Dabei soll durch die Gegenüberstellung neuerer und älterer Materialien die Entwicklung in diesem Bereich deutlich werden. 2 Linguistische Aspekte der Idiomatik 2.1 Definitionen Kein Beitrag zur Idiomatik kommt ohne eine Klärung des Idiombegriffs aus. Schließlich geht ein erheblicher Teil der Verwirrung und der Mißverständnisse, die es in diesem Bereich bisher gegeben hat, darauf zurück, daß der Idiombegriff alles andere als eindeutig verwendet wird. Es spricht vieles dafür, auch in der fremdsprachendidaktischen Diskussion den Idiombegriff zugrundezulegen, FLuL 21 (1992) Lehrmaterialien zur englischen Idiomatik 191 der mittlerweile in der Linguistik am weitesten verbreitet ist und als ·allgemein akzeptiert gelten kann. Danach sind Idiome feste Wortgruppen, deren Bedeutung sich nicht (vollständig) aus den Bedeutungen der Wörter ergibt, aus denen sie bestehen. Red tape 'Bürokratismus' wäre demnach ein Idiom, ebenso white night 'schlaflose Nacht' oder fish and chips 'aus gebackenem Fisch und Pommes Frites bestehende warme Mahlzeit'. Neben solchen semantisch definierten Idiomen gibt es pragmatisch definierte wie how do you do (Begrüßungsformel beim formellen Vorstellen), thanks a Jot (Dankesformel), don't mention it (Antwort auf eine Dankesformel) usw., bei denen die semantische Bedeutung zugunsten der pragmatischen Funktion in den Hintergrund getreten ist. Die Idiomatik wäre demnach der Teilbereich der Phraseologie, der alle idiomatischen festen Wortgruppen umfaßt. Ausgeschlossen werden bei einem eng definierten Idiombegriff, wie er im folgenden verwendet wird, alle Lexeme, die nicht als Wortgruppen anzusehen sind (z.B. Komposita wie blackbord oder Einwortformeln wie hi) sowie alle Wortgruppen, die nicht als Lexeme anzusehen sind, wie z.B. Sprichwörter (fish and visitors stink alter three days), oder Zitate (to be or not to be) etc. 2.2 Die Idiomstruktur Wie die Lexik als Ganzes, so ist auch die Idiomatik keine ungeordnete Menge einzelner Lexeme, sondern sie besitzt eine sprachspezifische innere Struktur, die wir als Idiomstruktur bezeichnen. Idiome sind untereinander sowie mit anderen Lexemen aufgrund verschiedener paradigmatischer Beziehungen verbunden und bilden die unterschiedlichsten Gruppierungen. . Unter paradigmatischen Beziehungen verstehen wir solche, die innerhalb der Idiomatik bzw. zwischen Idiomen .und anderen Lexemen bestehen. Auf der Inhaltsseite sind dies Beziehungen wie Synonymie, Antonymie, Hyponymie usw., die auch die Grundlage für Gruppierungen abgeben. So gibt es bei Idiomen z.B. analog zu Wortfeldern Idiomfelder wie feather one's own nest, line one's own packet, make a nest-egg for oneself, Jook after number one, wobei die Bedeutung in diesem Falle entspricht sie der des deutschen Idioms sein Schäfchen ins Trockene bringen als gemeinsamer Nenner dient. Aufgrund von Übereinstimmungen auf der Formseite entstehen Gruppierungen wie play by ear, play cat and mouse, play a part, play into the hands of sb. usw., die wir als Idiomserien bezeichnen. Auch die Unterklassen der semantischen und pragmatischen Idiome werden aufgrund von paradigmatischen Beziehungen gebildet. Die wichtigsten, die hier zu nennen wären, sind bei den semantischen Idiomen die metaphorischen Idiome, die häufig als Prototyp der Idiome angesehen werden (z.B. break the ice 'das Eis brechen', early bird 'Frühaufsteher') die einseitigen Idiome, bei denen scheinbar nur eine Hälfte der Wortgruppe eine idiomatische Bedeutung hat (z.B. white lie 'Notlüge', look daggers 'mit Blicken durchbohren') FLuL 21 (1992) 192 Eckhard Roos Idiome mit Bedeutungsspezialisierung (z.B. french window 'Verandatür', hard shoulder 'Seitenstreifen'), Idiome ohne wörtliche Entsprechung wie by and ]arge 'im großen und ganzen', kith and kin 'Kind und Kegel', die fossile Elemente enthalten, die außerhalb dieser Verbindung in der Sprache nicht mehr vorkommen, sowie die aufgrund der äußeren Form definierte Kategorie der - Zwillings- (bzw. Drillings-)formeln (z.B. touch and go 'riskant', bread and butter 'Broterwerb'). Bei den pragmatischen Idiomen sind die wichtigsten Subkategorien die sozialen Formeln: z.B. see you later (Abschiedsformel), it's all right (Antwort auf eine Dankesformel), diskursstrukturierenden Formeln: z.B. you see (Formel zur Verständnissicherung), it was nice talking to you (Formel zum Beenden eines Dialogs) sowie die expressiven Formeln (vgl. Roos 1989): z.B. my goodness (Formel zum Ausdruck von Freude, aber auch Ärger), damn it all (Formel zum Hervorheben eines Arguments/ Vorwurfs). 2.3 Verwendungsbedingungen englischer Idiome Die systematische Wortschatzarbeit im Bereich der Idiomatik muß nicht nur die Struktur der englischen Idiomatik berücksichtigen, sie muß vor allem auch der Tatsache Rechnung tragen, daß Idiome mehr als jede andere Subklasse von Lexemen bestimmten Verwendungsbedingungen unterliegen. Hier ist zunächst an die Anforderungen zu denken, die Idiome erfüllen müssen, wenn sie mit anderen Lexemen syntagmatische Beziehungen eingehen. Hierzu gehören: (1) ihre grammatische Konstruktionsweise, (2) die semantischen Auswahlkriterien (Selektionsbeschränkungen) sowie (3) die durch den Sprachgebrauch bedingten Verbindungen, die sie bevorzugt eingehen (Kollokationen). Idiome können darüberhinaus in ihrem Geltungsbereich bestimmten Bedingungen unterliegen, indem sie an eine bestimmte Stilebene oder an regionale, funktionale oder soziale Varianten des Englischen gebunden sind. Aufgrund der Besonderheit von Idiomen, zugleich Lexem und Syntagma zu sein, muß bei ihrer Verwendung im Satz einerseits ihre Bedeutung etwa die eines transitiven Verbs - und zugleich die syntaktische Konstruktion ihrer Formseite Berücksichtigung finden. Viele Idiome sind stilistisch markiert. In den Wörterbüchern werden sie in erster Linie den unteren Stilebenen, d.h. der Umgangssprache oder dem Slang, zugeordnet, seltener den oberen Stilschichten. Dies gilt insbesondere für metaphorische Idiome, die häufig eine expressive Qualität besitzen. Stilistisch markierte Idiome weisen häufig pragmatische Eigenschaften auf, die beim Idiomgebrauch zur Geltung kommen. Dies sind insbesondere FLuL 21 (1992) Lehrmaterialien zur englischen Idiomatik 193 die Distanzierung des Sprechers vom Sprechakt (vgl. Strässler 1982: 98) und die Stellungnahme des Sprechers zum Gesagten (vgl. Fleischer 1982: 229). Außerdem ist ihre Verwendung von der sozialen Beziehung zwischen Sprecher und Hörer abhängig. So kann in der Regel nur der sozial höherrangige, zumindest aber gleichrangige Sprecher Idiome verwenden, wobei häufig durch metasprachliche Hinweise wie "if I may use that expression" das Einverständnis des Gesprächspartners eingeholt wird (vgl. Strässler 1982: 97 ff). Für Fremdsprachenlerner sind stilistisch markierte Idiome überhaupt mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht sollte man sogar von ihrer aktiven Verwendung generell abraten, weil Muttersprachler sie als ihre eigene Domäne ansehen (vgl. Götz 1976: 70) und die Verwendung durch Außenstehende nicht ohne weiteres akzeptiert wird (vgl. Femando/ Flavell 1981: 48). Man darf aber nicht übersehen, daß es neben den markierten Idiomen nicht wenige Idiome gibt, die stilistisch unmarkiert sind (z.B. blind date 'Verabredung mit einer/ einem Unbekannten', of course 'natürlich'). Diese bereiten im Gegensatz zu den stilistisch markierten den Fremdsprachenlernern kaum Schwierigkeiten. Während Muttersprachler von den hier genannten Verwendungsbedingungen in der Regel kaum abweichen, findet man häufig Verstöße gegen die phraseologische Festigkeit, die oft mit Manipulationen auf der Bedeutungsebene einhergehen. Wortspiele nutzen vielfach das Auseinanderfallen von idiomatischer und wörtlicher Bedeutung, die für einen großen Teil der Idiome charakteristisch ist. Puns dieser Art finden sich besonders häufig in Zeitungsüberschriften und Werbeanzeigen. 3 Fremdsprachendidaktische und -psychologische Überlegungen Warum sollen Idiome überhaupt gelernt werden? In der Fremdsprachendidaktik wird vielfach die Auffassung vertreten, daß eine native-speaker-ähnliche Kompetenz ohne die Beherrschung der Idiomatik nicht möglich ist (vgl. Adkins 1968: 149). Ist man sich grundsätzlich darüber einig, daß Idiomatik gezielt zu vermitteln ist, so stellt sich die Frage, was der Lerner am Schluß eigentlich können soll. Die Bedeutung einiger exotischer Ausdrücke wie it's raining cats and dogs zu kennen, kann ja wohl kaum das Ziel solcher Bemühungen sein. Schließlich geht es darum, den am besten geeigneten Weg zum Erreichen des gesteckten Ziels zu finden. Im Endeffekt heißt das, Arbeitsmaterialien zu entwickeln, die optimal geeignet sind, das zu vermitteln, was wir unter „Beherrschung der englischen Idiomatik" verstehen. Die Beherrschung englischer Idiome im Sinne der oben gegebenen linguistischen Definition und. anderer phraseologischer Einheiten, die in der Fremdsprachendidaktik häufig unter dem Idiombegriff subsumiert werden, ist keineswegs nebensächlich, handelt es sich hier doch nicht um Randerscheinungen, sondern FLuL 21 (1992) 194 Eckhard Roos um für die tägliche Kommunikation wichtige Elemente der Sprache. Im Gegensatz zu dem, was man häufig über Idiome lesen kann, haben sie keinerlei Ausnahmecharakter, sondern sind ein wesentlicher Bestandteil aller natürlicher Sprachen. Die Idiomatik ist ein zentraler Bereich der Phraseologie und damit des Wortschatzes. Sie ist systematisch strukturiert und eröffnet Ausdrucksmöglichkeiten, die vielfältig in der Sprache genutzt werden. Nicht weniger wichtig als die semantischen Idiome sind die pragmatischen: Ohne vorgegebene Denk- und Aussageschemata, die uns Sicherheit geben, wären wir zur Orientierung in der Welt und zur sozialen und kommunikativen Handlung unfähig (Seidel 1980: 39). Natürlich ist es wie überall in der Lexik auch hier notwendig, eine didaktisch begmndete Auswahl zu treffen. Dabei sollte der tatsächliche Sprachgebrauch, wie er von Korpusuntersuchungen her bekannt ist, als Richtschnur dienen. Worin bestehen nun die besonderen Lernschwierigkeiten? Wie bereits oben deutlich wurde, sind Idiome durch die relative Festigkeit ihrer syntaktischen Form und ihre semantische Anomalität d.h. durch das Auseinanderfallen von Idiombedeutung und wörtlicher Lesart (soweit eine solche existiert) gekennzeichnet. Auf der Formseite wie auf der Inhaltsseite sind damit die Probleme vorgegeben: In Hinsicht auf die syntaktische Verwendung muß der Lerner wissen, welche Transformationen eine gegebene idiomatische Wortgruppe durchlaufen kann und welche nicht (vgl. Cowie 1980: 5), sowie welche Selektionsbeschränkungen und welche Kollokationsmöglichkeiten bzw. -präferenzen existieren. Auf der Inhaltsseite besteht das Problem zunächst darin, daß Idiome etwas anderes bedeuten als man auf den ersten Blick vermutet und daß die Kenntnis der wörtlichen Bedeutung der Konstituenten oft nicht viel hilft. Es genügt allerdings nicht, die Idiombedeutung zu kennen: auch die expressiven Qualitäten, die stilistisch markierte Idiome in der Regel aufweisen, müssen dem Lerner bekannt sein. Außerdem muß er wissen, zu welcher Stilebene oder Sprachvariante das betreffende Idiom gehört. Hier begibt sich der Fremdsprachenlerner auf äußerst gefährliches Terrain. Vertut er sich auch nur leicht in der Einschätzung der Stilebene, so kann das, was er sagen will, peinlich oder lächerlich klingen. Wie lernt man am besten Idiome? Von der Fremdsprachenpsychologie und Neurolinguistik wissen wir, daß Idiome ganzheitlich gelernt und in der rechten Hirnhälfte abgespeichert werden. Wir wissen auch, daß es sinnvoller ist, lexikalische Einheiten - und damit auch Idiome nicht isoliert, sondern im Kontext zu lernen (vgl. Seidl 1982: 7) sowie im Zusammenhang der Lexikonstruktur. Zudem hat es sich als effektiv erwiesen, anstelle einzelner Lexeme kleine Grup- FLuL 21 (1992) Lehrmaterialien zur englischen Idiomatik 195 pen chunks zu lernen. Dabei ist es sinnvoll, Idiome aufgrund ihrer semantischen Relationen zusammen einzuführen: Research on vocabulary learning has shown that more advanced students appear to memorize words and phrases on the basis of similarities and contrasts of meaning and that learning can be made easier when these links are established by deliberate teaching (Cowie 1980: S). Es liegt auch nahe, bei der systematischen Erarbeitung der Idiomatik im tertiären Bereich von der linguistischen Klassifikation auszugehen und die Lerner auf die verschiedenen Arten und Typen von Idiomen aufmerksam zu machen (vgl. Alexander 1988: 115). Natürlich ist der Lerner mit dem Phänomen der Idiome bereits von seiner Muttersprache her vertraut. Zwar besteht damit auf der einen Seite die Gefahr muttersprachlicher Interferenz, etwa bei faJse friends wie lead s.o. by the nose 'jdn. am Gängelband führen' und jdn. an der Nase herumführen. Andererseits bietet sich aber auch die Möglichkeit des positiven Transfers, der als Lernerleichterung genutzt werden kann. Es ist daher sinnvoll, die kontrastive Analyse, die sich nach Marton (1977) besonders für die Wortschatzarbeit mit fortgeschrittenen Lernern eignet, als kognitives Verfahren bei der Vermittlung der Idiomatik einzusetzen. Auch Alexander (1988: 117) hält die kontrastive Idiomarbeit für "one of the most effective ways of making (post-, intermediate and advanced) learners aware of the problems posed by idioms". All dies gilt für pragmatische Idiome ebenso wie für semantische. Für einen Fremdsprachenunterricht, der kommunikative Kompetenz als oberstes Lernziel verfolgt, ist die Beherrschung beider Hauptkategorien der Idiomatik schließlich gleichermaßen notwendig. Adkins (1968: 151) empfiehlt Übungen zum Einschleifen der Idiombedeutung sowie zum Unterscheiden von wörtlicher und idiomatischer Bedeutung. Sie weist vor allem auf die Notwendigkeit hin, Idiome in Dialogen einzuüben, da die charakteristische Verwendungsweise vor allem der zahlreichen umgangssprachlichen Idiome hier am ehesten deutlich wird. Dies gilt naturgemäß auch für pragmatische Idiome, die zur Realisierung bestimmter kommunikativer Funktionen dienen. Schließlich wird empfohlen, die neu gelernten Idiome mit Hilfe von Lückentexten einzuüben (Adkins 1968: 151). 4 Lehrmaterialien zur Idiomatik 4.1 Die behandelten Phänomene Was die meisten der untersuchten Arbeitsmaterialien gemeinsam haben, ist das Wort Idioms in ihrem Titel: English Idioms, Practice with Idioms, English Idioms for Foreign Students, Idiom Drills, Idioms in Practice, Idioms in Action. FLuL 21 (1992) 196 Eckhard Roos Sie unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Erscheinungen, die sie behandeln. Die meisten der untersuchten Arbeitsbücher verstehen unter Idiomatik nichts anderes als Phraseologie und zwar im weitesten Sinne, wobei sie nicht nur phrasallprepositional verbs (Feare 1980, McPartland 1981, Howard 1987), sondern auch Kollokationen (Seidl/ McMordie 1978, McPartland 1981) einschließen. Dementsprechend findet man außer Idiomen im engeren Sinne auch die verschiedensten Arten phraseologischer Einheiten, so etwa stehende Vergleiche (Worrall/ Sawer 1975, Heaton/ Noble 1987), Sprichwörter (Seidl 1982) oder Kollokationen (Heaton/ Noble 1987). Manchmal werden auch Komposita (Feare 1980, Seidl 1982) und sogar einfache Einwortlexeme (Cule 1967, Seidl 1982, Howard 1987) behandelt. Soweit sie nicht im Mittelpunkt stehen wie bei Rothermel/ Fenn (1981) oder Keller/ Warner (1988), werden pragmatische Idiome nur am Rande berücksichtigt und ohne ihnen eine eigenständige Kategorie zuzubilligen (z.B. bei Howard 1987, Heaton/ Noble 1987). Die einzelnen Arbeitsbücher setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte. So liegt das Hauptgewicht bei Feare (1980) und McPartland (1981) auf den phrasal / prepositional verbs, bei Hieke/ Lattey (1983) auf den toumure idioms, einer Subklasse von Idiomen im Sinne der linguistischen Idiomdefinition. Rothermel/ Fenn (1981) und Keller/ Warner (1988) dagegen behandeln ausschließlich pragmatische Idiome und gambits. Die Entwicklung, die sich in den letzten Jahren vollzogen hat, wird vor allem deutlich, wenn man älteres Lehrmaterial mit neuerem vergleicht. So deckt etwa das ältere Lehrbuch von Seidl/ McMordie (1978) einen äußerst heterogenen Bereich ab. Es enthält nicht nur ein Kapitel mit überwiegend grammatischer Information (Hilfszeitwörter, Pronomina, Pseudopassiv-Konstruktionen etc.), sondern auch stehende Vergleiche, metaphorische Idiome, Kollokationen, Zwillingsformeln und phrasal verbs. Im Gegensatz dazu behandeln Hieke/ Lattey (1983) und Keller/ Warner (1988), die den Stand der phraseologischen Forschung reflektieren, relativ klar begrenzte phraseologische Subklassen, auf die der linguistische Idiombegriff zutrifft. 4.2 Die Einteilung in Kategorien Die untersuchten Arbeitsbücher unterscheiden sich darüber hinaus in der Einteilung der behandelten Phänomene. In einigen von ihnen werden Subklassen vor allem auf der Grundlage der Form gebildet. Wenn wie bei Seidl/ McMordie (1978) - Wortgruppen aufgrund eines gemeinsamen Lexems in einer Kategorie zusammengefaßt werden, so entstehen äußerst heterogene Gruppierungen. Worrall/ Sawer (1975) teilen metaphorische Idiome aufgrund des Bereichs ein, aus dem die Metapher ursprünglich entlehnt wurde (z.B. Körperteile), bei Cule (1967) werden sie nach diesem Prinzip sogar in Texten zusammengefaßt. Dadurch wird die historische wörtliche Bedeutung über Gebühr in den Vordergrund gerückt. FLuL 21 (1992) Lehnnaterialien zur englischen Idiomatik 197 Daneben gibt es aber auch schon bei Seidl/ McMordie (1978: 206) die Einteilung nach Sachfeldern wie "health, illness, death", wie man sie auch bei Seidl (1982) findet. Bei Heaton/ Noble (1987) findet man eine Klassifikation "along functional/ notional lines" und Hieke/ Lattey (1983) schließlich gruppieren Idiome aufgrund der Idiombedeutung, z.B. "interaction of individuals (negative)" mit den Idiomen put a spoke in sb. 's wheel, walk into so. 's trap, draw a bead on so. etc. Das Kriterium der Form erscheint dann sinnvoll, wenn nicht nur Idiome, sondern phraseologische Einheiten behandelt werden. Die Klassifikation in: (1) irreversible binomials, (2) V + it constructions, (3) empty-verb constructions, etc. führt nämlich dann zu klaren homogenen Kategorien. Innerhalb solcher formal bestimmten Kategorien bietet sich die Einteilung nach semantischen und funktionalen Gesichtspunkten oder Themenbereichen an (vgl. Heaton/ Noble 1987 und Hieke/ Lattey 1983). 4.3 Darbietungs- und Übungsformen Bei Feare (1980) werden Idiome in einer Reihe von gestaffelten Übungen behandelt. Zunächst wird das Erschließen unbekannter Idiome aus dem Kontext geübt. In einem weiteren Schritt werden die neuen Lexeme definiert und ihre Verwendungsbedingungen erklärt. In einer Art Lückentextübung müssen die neu gelernten Idiome mit Hilfe der angegebenen Definitionen eingesetzt werden. Im Anschluß daran werden die Verwendungsbedingungen der betreffenden Einheiten erklärt. Die habituellen Kollokationen werden aufgelistet, anhand von Beispielen wird die charakteristische Verwendungsweise demonstriert. Die syntaktisc),len Möglichkeiten werden in einem eigenen Kapitel behandelt. Schließlich werden die neu gelernten Einheiten mit Hilfe von Lückentexten eingeübt. Auch Worrall/ Sawer (1975) arbeiten mit einem System von Auswahl-, Einsetz- und Ersetzungsübungen, wie man sie auch bei McCallum (1970, 1978) findet. Eine sinnvolle Übung ist die Verständnisübung bei Feare (1980), wo der Lerner aufgrund des Kontexts die Idiombedeutung erschließen soll. Die Fähigkeit des intelligent guessing, die auf diese Weise trainiert wird, ist mit die wichtigste, die der Lerner im Umgang mit Idiomen benötigt. Problematisch ist allerdings die Verwendung bewußt falscher Beispielsätze, die man in richtige umformen soll. Die Gefahr ist zu groß, daß sich das falsche Beispiel einprägt. Ein gut durchdachtes System von Übungen, das auf lexikologischen und phraseologischen Prinzipien basiert, findet sich bei Hieke/ Lattey (1983). Die Idiome jeder Einheit werden nicht nur aufgrund kommunikativer Funktionen zusammengefaßt und in charakteristischen situativen Kontexten eingebettet, die Übungen berücksichtigen auch die Ergebnisse kontrastiver Analysen: Von den bekannten muttersprachlichen Formen ausgehend werden die Lerner zu den englischen Äquivalenten hingeführt. Das Arbeitsbuch Using Idioms beginnt mit FLuL 21 (1992) 198 Eckhard Roos einem Test, bei dem die Lerner zunächst feststellen können, welche der behandelten phraseologischen Einheiten sie bereits kennen und führt zu einer begrenzten Gruppe von Idiomen (6- 7 pro Einheit), die mit der muttersprachlichen Entsprechung aufgelistet werden. Dabei werden auch durch Querverweise auf andere Idiome die Beziehungen der Lexikonstruktur berücksichtigt; Anmerkungen weisen auf die Verwendungsbedingungen hin. Mit Hilfe verschiedener Übungen wie recognition, story completion und situation fit lernt man mit den neuen Idiomen umzugehen. Wenn man das Buch durchgearbeitet hat, kann man mit Hilfe eines final check (mit Schlüssel) überprüfen, wieviel man behalten hat. 5 Zusammenfassung Die Phraseologie und Idiomatik spielen beim systematischen Aufbau des fremdsprachlichen Wortschatzes eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die betreffenden Teilsysteme und komplexen Lexeme können im fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht des tertiären Bereichs systematisch erfaßt und gelernt werden. Ein solcher kognitiver Lernprozeß, wie er erwachsenen Lernern am ehesten angemessen ist, setzt voraus, daß das betreffende Arbeitsbuch die zu lernenden Einheiten klassifiziert, die möglichen Lernschwierigkeiten berücksichtigt und den Lernprozeß durch eine sinnvolle Präsentation und geeignete Übungen erleichtert. Die Problematik der untersuchten Arbeitsmaterialien zeigt sich bereits bei der systematischen Auswahl und Darstellung der behandelten Einheiten. Indem sie idiomatisch im Sinne von 'sprachspezifisch' auffassen - oder mit mehreren Bedeutungen des mehrdeutigen Idiombegriffs gleichzeitig operieren behandeln die älteren Arbeitsbücher eine erstaunliche Vielfalt von Phänomenen. Neuere Publikationen dagegen gehen systematischer vor und beschränken sich entweder auf phrasal/ prepositional verbs die im Grenzbereich zwischen Phraseologie und Wortbildung angesiedelt sind - oder sie bedienen sich des in der Linguistik mittlerweile etablierten Idiombegriffs, nach dem Idiome feste Wortgruppen mit nicht ableitbarer Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für das Arbeitsbuch von Hieke und Lattey, das den Anforderungen, die man an ein zeitgemäßes Arbeitsbuch zur Idiomatik stellen muß, am ehesten gerecht wird. Allerdings wird von den linguistisch definierten Idiomen auch nur eine Unterkategorie behandelt, die mehr als zweigliedrigen "tournure idioms" (Hieke/ Lattey 1983: VII). Problematisch ist auch die Klassifikation. Indem sie Idiome nach den idiombildenden Lexemen gruppieren, verwenden einige der älteren Arbeitsbücher ein Kriterium, das zwar formal definierte Klassen ergibt, für das Erlernen von Idiomen unter dem Gesichtspunkt der kommunikativen Kompetenz aber nicht sehr sinnvoll ist: Anstelle eines etymologisch interessanten, in synchroner Hinsicht aber sekundären Gesichtspunktes wäre es richtiger, die Idiombedeutung in den Vordergrund zu rücken. Wie der Untertitel Situationsbezogene Redensarten bereits erkennen läßt, klassifizieren Hieke und Lattey (1983) ähnlich wie FLuL 21 (1992) Lehrmaterialien zur englischen Idiomatik . 199 McPartland (1981) die phrasal verbs Idiome aufgrund der Verwendungssituation und damit der aktuellen Bedeutung. Um Idiome im tatsächlichen Sprachgebrauch zu verstehen und ggf. selbst verwenden zu lernen, scheint dies der bestmögliche Ansatz zu sein. Die syntagmatischen Verwendungsbedingungen werden bei den meisten Arbeitsbüchern nicht explizit behandelt, sondern durch die Einführung und Einübung im Kontext implizit berücksichtigt. Angaben zu den Verwendungsbedingungen findet man bei Howard (1987), McPartland (1981) und besonders ausführlich bei Feare (1980): dort gibt es Angaben zur grammatischen Konstruktion, den Transformationsmöglichkeiten und den Kollokationen, die das Idiom eingeht. Angaben dieser Art findet man gelegentlich, wenn auch nicht durchgehend, auch bei Hieke/ Lattey (1983). Dafür sind dort die paradigmatischen Strukturen der idiom structure besser berücksichtigt: (Teil-)Synonyme mit Angabe der Bedeutungsunterschiede - und Antonyme sind dort ebenso zu finden wie Hinweise auf false friends und Querverweise zu anderen im Lehrbuch behandelten Idiomen. Anders als beim sonstigen Vokabular, wo man Vokabelgleichungen eher vermeidet, erscheint es bei Idiomen eher angebracht, zu den fremdsprachlichen Idiomen das muttersprachliche Äquivalent zu nennen. Von dieser Möglichkeit machen nur Hieke/ Lattey (1983) Gebrauch, allerdings auf Kosten von. Definitionen, wie man sie bei Feare (1980), Heaton/ Noble (1987) findet. Hinweise zur Stilebene, wie sie McPartland (1981) gibt, hätte man sich auch in anderen Arbeitsbüchern gewünscht. Bei den neueren Arbeitsbüchern findet man systematisch aufgebaute Übungen, die von comprehension exercises über Einsetzübungen (mit und ohne vorgegebene Idiome) bis zur freien Verwendung von Idiomen in Sätzen führen. Vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten linguistischen und fremdsprachendidaktischen Ansprüche, denen ein Arbeitsbuch zur Idiomatik für Lerner im tertiären Bereich gerecht werden sollte, zeigt sich, daß für Idiome im engeren Sinne das Arbeitsbuch von Hieke/ Lattey (1983) uneingeschränkt zu empfehlen ist. Will man die dort nicht berücksichtigten phrasallprepositional verbs gründlich behandeln, so kann man bedenkenlos zu McPartland (1981) oder Howard (1987) greifen. Für pragmatische Idiome und gambits dagegen bietet sich Keller/ Warner (1988) an. Mit der besseren wissenschaftlichen Fundierung nimmt offenbar die Spezialisierung zu, so daß es bei den neueren Arbeitsbüchern. keines mehr gibt, das idioms gleich in welcher Definition des Begriffs umfassend behandelt. FLuL 21 (1992) 200 Bibliographische Angaben 1. Arbeitsbücher zur Idiomatik CULE, C. P.: English Idioms as they Are Used. Dortmund 1967. FEARE, R.: Practice with Idioms. New York/ Oxford 1980. Eckluud Roos HEATON, J. 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