Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1992
211
Gnutzmann Küster SchrammZur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht -
121
1992
Gabriele Blell
flul2110241
Gabriele Blell Zur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht - Motivationsfördernde Wirkungen durch eine fachübergreifende Übungsgestaltung Abstract. This article attempts to explain, through a short analysis of literary texts, the following hypothesis: Interactive linguistic and literary tasks and exercices, based on the inner structure of literary texts, cause a particular motivational effect on working with literature in practical English course_s. A lyrical text will serve to illustrate. 1 Arbeit am literarischen Text zur Steigerung kommunikativer Kompetenz Nachdem der literarische Text verhältnismäßig lange Zeit aus dem Blick des Fremdsprachenunterrichts [FU] geraten war (vgl. Spack 1985: 703; Hill 1989: 7; Appel 1990: 57; Rück 1990: 7), hat er im Konzept des kommunikativ orientierten FUs seit ca. Mitte der 70er Jahre seinen gebührenden Platz wiedergefunden (vgl. Müller 1989: 148; Spack 1985: 703; Appel 1990: 57). Trotzdem gilt sein sprachpraktischer Einsatz auch heute noch teilweise als umstritten (Brusch 1986: 50} oder aber er wird gänzlich überbetont (Carter 1987: 3). Die fremdsprachendidaktische Diskussion zu Problemen der Spezifik des literarischen Textes im FU wird dabei in den letzten Jahren unter verschiedenen sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen, ästhetischen Aspekten auch interdisziplinär zusätzlich belebt. Aus diesem Grunde bestimmen gegenwärtig recht unterschiedliche Meinungen die internationale methodische Diskussion über die Rolle des literarischen Textes im FU. Zahlreiche Veröffentlichungen weisen in diesem Kontext darauf hin, daß durch den Einsatz literarischer Texte im FU die Motivation zum Erlernen der fremden Sprache, in unserem Fall Englisch, gesteigert werden kann (Hill 1989: 7; Maley 1987: 95; Karbe 1990: 14). Im Rahmen dieser motivationalen Fragestellungen werden verschiedenartige Faktoren diskutiert und empirisch untersucht, wie z.B.: (a) Textauswahl/ Auswahlkriterien für den Einsatz literarischer Texte, (b) kontrastives methodisches Herangehen im Vergleich zu den übrigen Texten oder auch (c) das fremdsprachige Gespräch (Interpretationsgespräch) zum literarischen Text. FLuL 21 (1992) 242 Gabriele Blell Wenig Berücksichtigung fanden bis jetzt unter motivationalem Aspekt Überlegungen, die die Besonderheiten der Struktur des literarischen Textes mit in die Diskussion bringen. Die Struktur des jeweiligen literarischen Textes gibt den rezeptiven Prozessen (Erstrezeption, vertiefende Rezeption, postrezeptive Phase), damit auch der Motivierung bestimmte Leitlinien vor (Völkerling 1982: 38; Meinhardt 1990: 96). Daraus leiten wir die These ab, daß über eine aus der inneren Konsistenz des poetischen Textes abgeleitete interagierende linguistisch-literaturwissenschaftliche Aufgaben- und Übungsgestaltung eine besondere motivationsfördernde Wirkung für den Umgang mit Literatur, für die Entwicklung fremdsprachigen Könnens erzielt werden kann. Damit wollen wir gleichzeitig eine Möglichkeit fachübergreifender Textpraxis diskutieren und die Verbindung von sprachlich-literarischem (ästhetischem) Lernen zur fremdsprachigen Bildung nutzen. Um diese These beweisen zu können, wird eine auf wesentlichen linguistischen und literaturwissenschaftlichen Elementen basierende und diese verquikkende Beschreibung des literarischen Textes erforderlich. 2 Zur Typologisierung literarischer Texte textlinguistische und literaturwissenschaftliche Aspekte Prinzipiell begreifen wir literarische Texte im FU als authentische Texte spezifischer Art in vorwiegend schriftlicher oder auch mündlicher Manifestation, die ihre eigenen künstlerischen Wirklichkeiten schaffen und dabei den Artefakt mit dem Realen vermitteln. Linguistisch gesehen verstehen wir den Text, damit auch den literarischen Text; als eine "kommunikative und handlungsbezogene Einheit", "die durch hierarchische und sequentielle Struktur bestimmt ist" (Thielscher 1981: 7). Dieses Verständnis wird relativ gut in der von Handlungstypen ausgehenden texttypologischen Beschreibung von Egon Werlich (1975; 1986) widergespiegelt. Obwohl die Frage der Anwendbarkeit seines Typologisierungsversuchs auf einzelne Texte (auch literarische Texte) noch weiterer Klärung bedarf, scheint sein Herangehen jedoch praktikabel für unser Anliegen in der Englischen Sprachausbildung der Universität Potsdam, den Erwerb der kommunikativen Befähigung durch einen kombinierten thematisch/ textlichen Ansatz, d.h. durch ein Konzept der Textgenerierung aus elementaren Sprachhandlungen voranzutreiben. Damit ist sein wissenschaftliches Modell i".w.S. auch für unsere spezifischen Überlegungen relevant. Nach Werlich gehören alle poetischen Texte zur Textgruppe der fiktionalen Texte, d.h. sie sind zuallererst durch das Merkmal Fiktionalität gekennzeichnet (Werlich 1975: 20). Die Mehrheit literarischer Texte enthält spezifische Signale bzw. ist durch bestimmte Formen gekennzeichnet (Anfang, Konflikt, Ende, Perspektive etc.), die eine autonome „fiktive" Situation schaffen. Dahinein läßt der Autor Sachverhalte oder Gegenstände seiner Umwelt, persönliche Erfah- FLuL 21 (1992) Zur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht 243 rungen von Raum, Zeit, Personen etc. fließen, die das gesamte Sprachmaterial subjektiv repräsentieren (subjektive Textform) (Werlich 1975: 48, 79). ,Fiktionalität' bzw. ,Fiktion' als literaturwissenschaftliche Kategorie erfährt eine ähnliche Bestimmung. Auf der Grundlage bzw. unter Zuhilfenahme des mehr oder weniger objektiv oder subjektiv Authentischen schafft der Autor eine fiktive, erfundene Wirklichkeit, die auf ästhetische Wirkung und Bedeutsamkeit beim Leser orientiert (vgl. Wilpert 1989: 298; Bredella 1980: 96 ff; auch Schlenstedt 1981: 160 f). Den literarischen Text aus literaturwissenschaftlicher Sicht als fiktiv zu bezeichnen, bedeutet vor allen Dingen, "daß der Leser die dargestellte Wirkliclikeit nicht auf ihre jeweiligen Entsprechungen in der außerästhetischen Realität überprüft, sondern sich ihrem Sinn zuwendet" (Bredella 1980: 97). Künstlerisch gestaltete Texte sind aus linguistischer Perspektive größtenteils texttypisch gemischte Texte, d.h. sie sind ähnlich wie nichtliterarische '.Texte textgrammatisch stets durch die Realisierung eines dominierenden Texttyps: Deskription, Narration, Argumentation, Instruktion (texttypische Konstituenten) oder mehrerer Texttypen (durch Texttypenwechsel) sowie durch textformspezifische Konstituenten strukturiert (vgl. Hill 1989: 11). Auch aus literaturwissenschaftlicher Sicht wird konstatiert, daß literarische Produktion nicht prinzipiell von anderen Methoden sprachlicher Produktion verschieden ist. " [I]n der meist geltenden Spannung zwischen modellierenden und berichtenden, reflektierenden, rhetorischen Funktionen des Textes wird dies auch strukturell", d.h. von der Form her greifbar (Schlenstedt 1975: 42). Erzählungen, Geschichten (Textformen/ Textsorten) in der Textformvariante einer Kurzgeschichte, Novelle, Anekdote oder eines Romans sind so z.B. durch bestimmte invariable Textformmerkmale wie z.B. Akteur, Veränderung, Raum und Zeit vorwiegend auf die Realisation des Texttyps Narration festgelegt (Werlich 1986: 158). Demgegenüber sind Gedichte ,offen' für eine dominante Realisierung nicht nur von Narration (etwa in Balladen), sondern auch der Deskription, Exposition, Argumentation und selbst der Instruktion und deren Mischung (Werlich 1986: 158). Zu berücksichtigen sind Ausnahmen; wie z.B. die postmoderne Literatur mit ihrem Infragestellen des Projekts der Modeme, bei der eine weitgehende Verfügbarkeit aller Genres und Formen und deren Vermischung festzustellen ist. 3 Sprachlich-semantische und poetische Dekodierung Die bis hierhin vorangetriebene Typologisierung stellt ohne Frage eine notwendige Hilfestellung für die Behandlung im FU dar. Wir vertreten dennoch die Meinung, daß die methodische Arbeit (Analyse, Deutung, Übungsgestaltung) am poetischen Text generell auf der Ebene der Einzeltexte anzusetzen ist (vgl. Thielscher 1981: 95). Ausschlaggebend für jedes literarische Werk, gleich wel- FLuL 21 (1992) 244 Gabriele Blell eben Texttyps, gleich welcher Textformvariante ist die Autorintention, die maßgeblich die innere Struktur des Werkes bestimmt. Genau an dieser Stelle treten Prioritäten der benachbarten Literaturwissenschaft hinzu, für die der "Text primärer Bezugs- und Ausgangspunkt für unterschiedliche Interpretationen [ist], die kulturelle Momente einschließen" (Graustein/ Thiele 1986: 125). Was die sprachliche Anlage betrifft, ist der literarische Text im Prinzip aus dem gleichen Zeicheninventar und nach den gleichen Verknüpfungsregularitäten wie nichtkünstlerische Texte aufgebaut bzw. sprachlich kodiert. Die Nutzung der in den sprachlichen Zeichen angelegten Möglichkeiten zum Ausdruck von Bedeutung ist im literarischen Text breiter als im nichtliterarischen (Polyfunktionalität) (Werlich 1986: 155; auch Purzeladse/ Kezba 1988: 246). Der Literaturwissenschaftler sieht hingegen das gleiche Merkmal ,funktionelle Vielschichtigkeit des Textes' immer vordergründig in der Gerichtetheit auf die Aktivierung des Lesers. Die Aneignungsweise von Literatur gestattet es, dem Leser über ästhetisches Vergnügen Muster von Werten oder Überzeugungen zu vermitteln, ihm Anregungen für das Denken und Impulse für das Handeln zu übertragen oder auch seinen Bildungshorizont zu erweitern. Der literarische Text kann aber auch einfach nur unterhalten und dabei zur Ausbildung der Genußfähigkeit beim Rezipienten beitragen (vgl. Bredella 1980: 104 f; Kasper/ Wuckel 1982: 29). c Trotz der Tatsache, daß der poetische Text so durchaus mit herkömmlichen linguistischen Mitteln beschrieben werden kann, ist damit nicht die im Text realisierte poetische Bedeutung (poetische Kodierung) rezipierbar. Der Grund dafür liegt darin, daß die poetischen Wirkungsqualitäten keine Eigenschaften der Sprachzeichen sind, "sondern nur Funktionen von deren Verwendung in einem ästhetisch-kommunikativen Prozeß" (Lerchner 1978: 13). Das Hinzutreten der ästhetisch-poetischen Kodierung im literarischen Text verlangt so nicht nur eine sprachlich-semantische Dekodierung, sondern auch eine poetische, d.h. insgesamt eine „doppelte Dekodierung" (Müller 1989: 149; auch Bykowa 1985: 370). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch außerdem, daß auf gleiche Weise rezipierte Textbedeutungen unterschiedliche Sichtweisen, somit im Rahmen einer gewissen ,Rezeptionsamplitude' unterschiedliche Sinnerschließungen zulassen. Die Aussage ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam: erstens, weil der literarische Text selbst so ,offen' ist, daß er diese Spannbreite zuläßt und zweitens - und das muß auch in den sprachpraktischen Übungen Beachtung finden weil die ,literarische Kompetenz' der Rezipienten durchaus unterschiedlich sein kann. Die spezifische Verschmelzung der kommunikativen mit der ästhetischen Funktion im literarischen Text verlangt folglich für die Behandlung in sprachpraktischen Lehrveranstaltungen methodische Formen, die der eigentümlichen Struktur literarischer Texte Rechnung tragen und damit auch - und das ist für uns wichtig motivationsfördemde Wirkungen implizieren. Mögliche methodische Formen se)len wir so z.B. in einer speziell auf den literarischen Einzeltext FLuL 21 (1992) Zur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht 245 zugeschnittenen interagierenden linguistisch-literaturwissenschaftlichen Aufgaben- und Übungsgestaltung, die vor allem die emotionale Seite berücksichtigt. Damit sind Übungen und Aufgabenstellungen gemeint, die sprachliches und literarisches (ästhetisches) Lernen verbinden. Bei Mißachtung einer der beiden Seiten können z.B. hinsichtlich gelernter sprachlicher Einheiten gegenläufige Prozesse auftreten. Wir unternehmen mit unserem Aufgaben- und Übungsangebot den Versuch, die traditionelle Dichotomie Literaturwissenschaft vs. Sprachunterricht in einem übergreifenden Ansatz aufzuheben. 4 Sprachlich•literaturwissenschaftliche Übungsgestaltung Exemplifizierung an einem lyrischen Text Im folgenden wollen wir kurz auf Möglichkeiten der sprachpraktischen Realisierung eingehen und die von uns für die Übungsgestaltung geforderte sprachliche und literarische Kopplung in Umrissen an einem lyrischen Text exemplifizieren. Dem nachfolgenden Übungsangebot sollte eine möglichst kurze Analyse/ Interpretation vorangehen. Eine ausgedehnte kritische und stilistische Analysetätigkeit wäre bezüglich unserer angestrebten sprachpraktischen Zielsetzung wenig dienlich. Vielmehr sollten erst in und durch die unmittelbare Übungsgestaltung formale bzw. strukturelle Aspekte (mit-)analysiert werden, so daß die Studierenden deren Bedeutsamkeit für die literarisch-ästhetische Aussage in ihrer eigenen Tätigkeit erfahren und sie ihnen so einleuchtender erscheint. Amy Lowell Night Clouds The white mares of the moon rush along the sky Beating their golden hoofs upon the glass heavens; The white mares of the moon are all standing on their hind legs. Pawing at the green porcelain doors of the remote heavens. Fly mares! Strain your utmost, Scatter the milky dust of stars, Or the tiger sun will leap upon you and destroy you With one lick of his vermillion tongue. (entnommen Malkoc 1988: 43) Bevor wir uns einzelnen Übungsmöglichkeiten zuwenden (1.-6.), sei folgende Vorbemerkung gestattet. FLuL 21 (1992) 246 Gabriele Blell Was sich dem ersten Blick des Lesers zunächst als Prosainhalt zeigt, wird vom Autor sehr bald als wunderschönes sprachliches Bild heraufbeschworen: Nachtwolken, in Gestalt schimmelweißer Pferde, schlagen, auf ihren Hinterbeinen stehend, gegen die Himmelstür. Sie müssen den lichtgrauen Staub der Sterne zerjagen, um der Sonne zu entfliehen, die wie ein gewaltiger Tiger durch nur einen glühendroten Zungenschlag die Wolkenpferde zum Sterben bringen kann. Um die eigentümliche Dramatik Nachtwolken - Sonne noch zu erhöhen, leitet der Autor seine 2. Strophe kompositorisch durch den Ausruf "Fly mares ! " (Imperativ) ein. Aufgrund des relativen Übergewichts empfindungslyrischer Darstellungsweisen, die ihren Niederschlag in entsprechenden, vorwiegend deskriptiven und narrativen textlichen Realisationen finden, könnte bezüglich zu entwickelnder sprachlicher Tätigkeiten die Verbindung Lesen - Schreiben, das Herausfinden einzelner deskriptiver/ narrativer Gestaltungselemente in ihrer ästhetischen Vermittlung und deren schriftliche Anwendung im Vordergrund des Übungsgeschehens stehen. ► 1. Bei dem Gedicht handelt es sich um eine texttypisch gemischte Form, die textgrammatisch sowohl durch die Realisierung texttypischer Konstituenten der Narration, Deskription und Instruktion als auch deren Mischung bestimmt wird. Da dennoch deskriptive Elemente (Adjektive, Substantive) überwiegen, könnte als eine erste Übungsform im Rahmen einer pre-reading activity beispielsweise eine Assoziationsaufgabe gestellt werden. Es wäre denkbar, nur den Titel des Gedichts zu nennen oder ihn an die Tafel zu schreiben mit der Aufgabenstellung für den Studierenden, die bei ihm durch Vorstellungsverbindungen mit dem Gedichttitel bewirkten Adjektive (besonders Farben) oder Substantive zusammentragen zu lassen, die im Gedicht eine Rolle spielen könnten. (Think of nouns and adjectives (colours) which are likely to find in the poem.) Dabei wäre es nötig, z.B. bei Farbnennungen bereits auf mögliche Doppeldeutigkeiten in ihrer metaphorischen Bedeutung zu verweisen. ► 2. Die erste Begegnung mit dem Gedicht sollte genrespezifisch durch stilles Lesen oder durch lautes klanggestaltendes Vorlesen durch die Lehrkraft oder einen guten Studierenden erfolgen, um den oben beschriebenen Inhalt empfinden, die intendierten Assoziationen des Autors erleben zu können. Die durch affektiv-emotionale Dimensionen des Gedichts hervorgerufenen Bilder und Vorstellungen könnten hier vom Lernenden zeichnerisch, bei genügend Zeit in farblicher Gestaltung, umgesetzt werden als Brücke für nachfolgende, mehr kognitive Aufgabenstellungen. Derartige, starke emotionale Züge aufweisende Aufgaben, halten wir im Umgang mit literarischen Texten besonders in motivationaler Hinsicht für wichtig, um den ästhetischen Potenzen von Literatur Rechnung zu tragen. FLuL 21 (1992) Zur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht 247 ► 3. Nach dem ersten Erfassen des Inhalts wäre es denkbar, den Ansatz zur Entwicklung deskriptiver/ narrativer schriftlicher Leistungen weiterzuführen und alle wichtigen Substantive und Adjektive in Schlüsselfunktion schriftlich herausziehen zu lassen und ihre metaphorische Funktion (insbesondere Farbassoziationen, intendierter Farbübergang als Realisierung des Übergangs Nacht - Tag) in der Gruppe zu diskutieren. kalt/ klar clouds { mares hoofs hind legs white golden sun J tiger L tongue green porcelain heaven glass heaven milky stars vermillion verschwommen heiß ► 4. Auf der Grundlage von 3. würden wir als eine nächste, jedoch relativ anspruchsvolle Übungsvariante vorschlagen, vom Studenten die miteinander verknüpften narrativen, deskriptiven und instruktiven Textteile sowie texttypische grammatische Konstituenten markieren und ihre Funktion zur poetischen Aussage in Relation stellen zu lassen. Genauso ließen sich an diesem Gedichtbeispiel einzelne prototypische Konstituenten narrativer oder deskriptiver Gestaltung induktiv erarbeiten (textlich/ thematischer Ansatz). narrativer Teil: deskriptiver Teil: instruktiver Teil: tense present aspect plain/ expanded participle clause progressive meaning (Verdeutlichung des galoppierenden Ritts) noun modifier prepositions rush along, beating upon, standing on, pawing at (Durch Präpositionen wird spezifisch lokale Textstruktur laut, die galoppierenden Ritt der Pferde widerspiegelt.) clause type imperative modals ► 5. Als eine anschließende Übung (postreading activity), nach Bewußtmachung relevanter narrativer Gestaltungselemente, wäre es möglich, das Gedicht schriftlich in eine ausschließlich narrative Textform zu bringen (3. Person). Eine Erhöhung des Schwierigkeitsgrades könnte durch die Verwendung eigener Worte erzielt werden (entlehnt Malkoc 1988: 43). ► 6. Um den fiktionalen Wirklichkeitsausschnitt im Gedicht mit der gegenwärtigen lebensweltlichen Erfahrung der Rezipienten zu verknüpfen, schlagen wir FLuL 21 (1992) 248 Gabriele Blell als abschließende relativ kreative Übung (after-reading activity) vor, eigene Erfahrungen der Studierenden zum Thema 'moon'/ ,'clouds' aufarbeiten und unter Verwendung erarbeiteter narrativer/ deskriptiver Gestaltungselemente miteinander schriftlich verflechten zu lassen, entweder in Gedicht- oder in Paragraphenform: Make a list of your own expressions to describe the moon and clouds at night. Can you arrange these into a poem form? (Malkoc 1988: 43). Eine solche Übung setzt jedoch die Kenntnis grundlegender textlicher Verflechtungsregularitäten voraus. Möglich und dabei vergnüglich wären an dieser Stelle auch kreativ verfremdende Aufi.abenstellungen, die den Studierenden über relativ ,unpassende', ,abwegige' Ubungen zusätzliche Einsichten in den literarischen Text vermitteln (vgl. Heuer/ Steinmann 1989: 35) und außerdem verschiedene Textsartenvarianten trainieren helfen: z.B. Rewrite the poem as an imaginary conversation between the sun and the night clouds. Rewrite the poem as part of a weather forecast (report). Write a precis of the poem. Diese Übungsformen würden den Studierenden deutlich machen, daß eigentlich nur die ursprüngliche Gedichtform die Aussage in voller Breite möglich macht. Mit der letzten Aufgabenstellung werden vor allem Elemente eines ausgesprochen kreativen, "interaktiven Umgangs mit Dichtung" (Rück 1990: 14) tangiert, d.h. i.w.S. das Verfassen von Texten, die einer in den Lehrveranstaltungen gelesenen Literaturgattung entsprechen. Mögliche Übungen dazu wären z.B. Dialogisierung eines narrativen Textes, Narrativierung eines Dialogs, Perspektivenänderungen, Fortsetzung einer Handlung, verschiedene Abstraktionsverfahren - Märchenmodernisierungen, Parodieren, Travestieren etc. (vgl. Becker 1989: 176 ff; auch Rück 1990: 14). Diese Form der Sprachproduktion ist in unserer studentischen Ausbildung bisher selten praktiziert worden, da sie bestimmte Vorarbeiten notwendig macht und eine relativ sichere Gattungskenntnis voraussetzt. Texttypologische Ambitionen sollten hier nicht übermäßig strapaziert werden. In dieser Art der Übungsgestaltung sehen wir jedoch besonders große Potenzen für den motivationalen Bereich (vgl. auch Mundzeck 1990: 44). Bibliographische Angaben APPEL, J.: "A survey of recent publications on the teaching of literature". In: ELT-Joumal 44.1 (1990), 66- 74. BECKER, N.: "Behandlung narrativer literarischer Texte und Sprachproduktion". In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 37.2 (1989), 175-185. BREDELLA, L.: Das Verstehen literarischer Texte. Stuttgart/ Berlin/ Köln 1980. BRUSCH, W.: Text und Gespräch in der fremdsprachlichen Erziehung. Hamburg 1986. BYKOWA, 0.: "Methodische Grundlagen der linguo-stilistischen Interpretation eines belletristischen Textes". In: Deutsch als Fremdsprache 22.6 (1985), 349-352. FLuL 21 (1992) Zur Arbeit mit dem literarischen Text im universitären Fremdsprachenunterricht 249 CARTER, R.: "The · integration of language and literature in the English curriculum: a narrative on narratives". In: S. Holden (ed.): Literature and Language: The British Council 1987. Sorrento Conference. London: MEP LTD 1988, 3-8. GRAUSTEIN, G. / THIELE, W.: "Zur Einführung in die Textlinguistik". In: Fremdsprachenunterricht 30.2/ 3 (1986), 125-133. HEUER, H. / STEINMANN, T.: "Literaturbearbeitung durch kreativ verfremdende Aufgabenstellungen". In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 37.1 (1989), 33-41. HILL, J.: Using Literature in Language Teaching. Oxford 1989. KARBE, U.: "Didaktische Funktionen von Texten im Fremdsprachenunterricht". In: Deutsch als Fremdsprache 27 .1 (1990), 13 -19. KASPER, K.-H / WUCKEL, U.: Grundbegriffe der Literaturanalyse. Leipzig 1982. LERCHNER, G.: "Klassifizierungskriterien ästhetischer und poetischer Textqualität". In: W. Steinberg (Hrsg.): Sprachliche Wirkung poetischer Texte. Halle/ S. 1978, 4-20. MALEY, A.: "Poetry and songs as effective language-learning activities". In: W. M. Rivers (ed.): lnteractive Language Teaching. Oxford 1987, 93-109 .. MALKOC, A.-M.: On Wings of Verse. Poems for English as a Foreign Language Practice. Student Edition. Washington D.C. 1988. MEINHARDT, M.: "Lesen im Englischunterricht von verschiedenen Seiten her neu betrachtet". In: Fremdsprachenunterricht 43/ 34.2/ 3 (1990), 93-103. MÜLLER, R.: "Kann die Arbeit mit Gedichten im Deutschunterricht für Ausländer Sprachgewinn bringen? " In: Deutsch als Fremdsprache 26.3 (1989), 148-154. MUNDZECK, F.: "Neue Wege zur Interpretation literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe II? " In: D. Fricke/ A.-R. Glaap (Hrsg.): Literatur im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprache im Literaturunterricht. Frankfu! 1/ M. 1990, 21-31. PURZELADSE, V. W. / KEZBA, L. N.: "Literarischer Text als Sprechanlaß". In: Wissenschafdiche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Gewi-Reihe 37.3 (1988), 245-250. RÜCK, H.: "Fremdsprachenunterricht als Literaturunterricht". In: D. Fricke/ A.-R. Glaap (Hrsg.): Literatur im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprache im Literaturunterricht, Frankfurt/ M. 1990, 7 -20. SCHLENSTEDT, D.: "Funktion der Literatur - Relationen ihrer Bestimmung". In: Funktion der Literatur. Aspekte - Probleme - Aufgaben. Berlin 1975, 40-61. SCHLENSTEDT, D.: "Problemfeld Widerspiegelung". In: Literarische Widerspiegelung. Geschichtliche und theoretische Dimensionen eines Problems. Berlin/ Weimar 1981, 15- 188. SPACK, R.: "Literature, reading, writing, and ESL: bridging the gaps". In: TESOL Quarterly 19.4 (1985), 703-725. THIELSCHER, A.: Zur typologischen Charakterisierung von Lehrbuchtexten im Bereich der Ausbildung von Diplomlehrern im Fach Englisch dargestellt am Beispiel des Lehrmaterials 'Modern English'. Potsdam, Pädagogische Hochschule, Hist.-phil. Fakultät. Dissertation A, 1981. VÖLKERLING, K.: "Psychologische, rezeptionstheoretische sowie didaktisch-methodische Aspekte der Motivierung im Literaturunterricht". In: Wissenschafdiche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1982, 31-46. WERLICH, E.: Typologie der Texte. Heidelberg 1975. WERLICH, E.: Praktische Methodik des Fremdsprachenunterrichts mit authentischen Texten. Berlin 1986. WILPERT, G. (Hrsg.): Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1989. FLuL 21 (1992)