eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 21/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1992
211 Gnutzmann Küster Schramm

Sonja Tirkkonen-Condit (ed.): Empirical Research in Translation and Intercultural Studies

121
1992
Bernd Stefanink
Sonja Tirkkonen-Condit (ed.): Empirical Research in Translation and Intercultural Studies. Selected Papers of the TRANSIF-Seminar, Savonlinna 1988, Tübingen: Narr 1991 (Language in Performance 5), 184 Seiten [DM 48,-]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Sonja Tirkkonen-Condit (ed.): Empirical Research in Translation and Intercultural Studies. Selected Papers of the TRANSIF-Seminar, Savonlinna 1988, Tübingen: Narr 1991 (Language in Performance 5), 184 Seiten [DM 48, - ]. Die bescheidenen Worte, mit denen die Herausgeberin diesen Band einleitet: "This volume, varied as it is in its content, may weil reflect the state of today's empirical research. lt shows efforts are being made in many areas [...]. But it also shows that much is yet to be done [.. .]" (S. 3) scheinen mir den auffallendsten Aspekt dieser Auswahl von 15 Vorträgen aus dem TRANSIF- Seminar, Savonlinna 1988, nicht angemessen hervorzuheben. Für mich las sich dieser Band wie eine konkrete Antwort auf die von den Theoretikern in letzter Zeit so oft geäußerte Forderung nach Wirkungsgleichheit beim Übersetzen. Die Mehrzahl dieser Artikel beschäftigt sich nämlich mit kontrastiven Analysen, die sich nicht wie zur Zeit des naiven Glaubens an einfach strukturierte Übersetzungsmaschinen mit der Gegenüberstellung von syntaktischen oder lexikalischen Strukturen zufriedengeben, sondern vielmehr die Makroebene von Text und kulturellem Hintergrund kontrastiv untersuchen, um dem Übersetzer Anhaltspunkte zu geben, mit denen er einen der Erwartungshaltung des Rezipienten Rechnung tragenden zielsprachlichen Text produzieren kann. So stellt z.B. Marianne Gretz ("The Concessive Textual Connector si in Medical Publications. A Comparative Study of French and German Texts" [131-145)) anhand einer kontrastiven Frequenzanalyse fest, daß es im fachsprachlichen Gebrauch deutscher und französischer medizinischer Zeitschriften unterschiedliche Präferenzen in der sprachlichen Aktualisierung der Konzessivrelation gibt; für das französische si, das in einem Satz wie «Si le taux d'echec initial n'est que de 5%, Je pourcentage brut de rechute est de 20%» laut Grammatik und Wörterbuch mit "Wenn auch [...] so doch" wiedergegeben werden müßte, erweist sich das pragmatische Äquivalent "jedoch und/ oder allerdings" als der Erwartungshaltung des deutschen Adressaten angemessener. Ähnlich geht Inkeri Vehmas-Letho vor ("Cohesion Flaws in Translations" [171-182)), und zwar mit der Begründung: "[ ...] translations need to be not only equivalent, but also acceptable and natural" (S. 171), wobei der Begriff "equivalent" sicher einer näheren Erläuterung bedürfte, da er "acceptable" und "natural" wohl einschließt. Mit Hilfe statistischer Untersuchungen an russischen und finnischen Wirtschaftstexten stellt Vehmas-Letho fest, daß finnische Texte dreimal soviel Konnektoren wie russische aufweisen und daß somit die Lesbarkeit des übersetzten Textes aufgrund mangelnder Kohäsion leidet, wenn man nicht eine den stilistischen Erwartungen finnischer Leser entsprechende Kompensierung vornimmt. Zu einer ähnlichen, ebenfalls statistisch abgesicherten Schlußfolgerung gelangt Kinga Klaudy ("Topic, Comment and Translation" [165- 169)), wenn sie u.a. darauf hinweist, daß der russische Nominalsatz in ungarischen sozialwissenschaftlichen Texten nicht einfach als Nominalsatz erscheinen kann, sondern je nach Informationsgehalt und Verbindungsfunktion des thematischen Satzteils vom ungarischen Adressaten bald als Nominalsatz, bald als Relativsatz interpretiert wird. Auf lexikalischer Ebene plädieren Arto Lehmuskallio, Viktor Podbereznyj und Hannu Tommola ("Towards a Finnish-Russian Dictionary of Finnish Culture-Bound Words" [157- 164)) für Wörterbücher kulturgebundener Wörter, in denen nicht nur die eventuellen Entsprechungen in der Zielsprache kommentiert, sondern in denen letztere auch mit zielsprachlichen FLuL 21 (1992) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 251 Definitionen versehen werden. Als Beispiel stellen sie ihr Projekt eines finnisch-russischen Wörterbuches finnischer kulturgebundener Wörter vor. Nils Erik Enkvist ("Discourse Type, Text Type and Cross-Culture Rhetoric" [5-16]) geht es über die Berücksichtigung nationaler textsortenspezifischer Eigentümlichkeiten hinaus um die Untersuchung kultureller Unterschiede, die sich in der Rhetorik und Textkonzeption niederschlagen und die bei der Übersetzung berücksichtigt werden sollten. Ähnlich wie der Soziologe Hans Galtung unterscheidet er verschiedene national bedingte Wissenschaftsstile, die den Übersetzer zwingen, die gesamte Textstruktur neu zu gestalten: "Thus Michael Clyne has argued that German scholarly writers tend to emphasize knowledge and theory, even at the expense of the reader, whereas English ones are more concemed with making their text readable". "Similarly, translators ought to be aware of such differences and ask themselves to what extent their responsibilities involve repatterning the entire argument to conform to the rhetorical traditions of the target language" (p. 12). Es handelt sich dabei um eine Überlegung, die K. Reiß und H. Vermeer bereits 1984 in ihrer Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie angestellt haben, die jedoch die Frage nach den Grenzen zwischen Übersetzung und "Nachdichtung" aufwirft. Ebenfalls eine Berücksichtigung kultureller Unterschiede fordert Christiane Nord bei der Übersetzung von Titeln ("Der Buchtitel in der interkulturellen Kommunikation: Ein Paradigma funktionaler Translation" [121-130]), während Ghelly v. Chemow ("Cognitive and Pragmatic Inferencing and the Intercultural Component in Translation" [27-34]) auf die Bedeutung des pragmatischen Inferenzierens beim Verständnis des Ausgangstextes aufmerksam macht und auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der interkulturellen Komponente beim Übersetzen hinweist. Dieses Bewußtsein, der Erwartungshaltung des Rezipienten und somit den kulturellen Unterschieden Rechnung tragen zu müssen, bringt den Gerichtsdolmetscher, der unter Eid versprochen hat "gut und treu" zu übersetzen, in Konflikte: Treue gegenüber dem Wortlaut der bei der "courtroom interpretation" sicher eine größere Rolle als bei der "community interpretation" spielt - oder Treue gegenüber der Intention des ausgangssprachlichen Sprechers, die in ihrem Wortlaut, in ihrer Rhetorik und in ihrem kulturellen Inhalt der Erwartungshaltung des zielsprachlichen Rezipienten angepaßt werden muß, wenn die Wirkungsgleichheit bewahrt werden soll. Miriam Shlesinger ("Interpreter Latitude vs. Due Process. Simultaneous and Consecutive Interpretation in Multilingual Trials" [147-155]) lädt uns anhand einiger eindrucksvoller Beispiele zum Nachdenken über diese Frage ein. Zwei Beiträge befassen sich mit der Art von Ergebnissen, die man anhand von sog. Lautes-Denken-Protokollen (LPD) erzielen kann, sowie mit deren Validität für die Analyse des Übersetzungsprozesses. Zunächst räumt Wolfgang Lörscher ("Thinking-Aloud as a Method for Collecting Data on Translation Process" [67-77]), hauptsächlich unter Berufung auf Ericsson & Simon, sämtliche Zweifel an der Validität der Methode aus dem Weg, ohne allerdings eigene empirische Daten vorzulegen. Es handelt sich eher um eine Ankündigung seiner inzwischen erschienenen Habilitationsschrift: Translation, Performance, Translation Process, and Translation Strategies (Tübingen 1991). Hinzu kommt, daß der Autor es versäumt hat, seinen Beitrag als wörtliche Übernahme des Kapitels 4.4.1 (48-55) aus dieser Arbeit kenntlich zu machen. - Aufmerksamkeit verdienen die Überlegungen von Riitta Jääskeläinen und Sonja Tirkkonen-Condit ("Automatised Processes in Professional vs. Non-Professional Translation: A Think-Aloud Protocol Study" [89-109]), die mit Hilfe von LDP nachweisen, daß mit wachsender Professionalisierung des Übersetzers auch eine wachsende Automatisierung der Übersetzungsprozesse stattfindet, die wiederum mit einer größeren Sensibilisierung für neue Aspekte seiner übersetzerischen Aufgabe Hand in Hand geht. Damit soll Königs' Unterteilung der FLuL 21 (1992) 252 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel übersetzerischen Prozesse in einen „Ad-hoc-Block" und in einen „Rest-Block" in Frage gestellt werden (Sollte Königs wirklich diese beiden Kategorien als feste Größen mit unverrückbaren Grenzen verstanden haben? ). Eine eher skeptische Haltung gegenüber dem Ertrag der introspektiven Verfahren nimmt Kitty M. van Leuven-Zwart ein ("Translation and Translation Studies: Discord or Unity? " [35-44]), indem er vor zu starker Betonung der prozeßorientierten Forschung warnt und zur Rückkehr zu produktorientierten Studien aufruft. Mehr theoretischer Natur sind die Beiträge von Albrecht Neubert ("Models of Translation" [17 -26]) und Gideon Toury ("Experimentation in Translation Studies: Achievements, Prospects and Some Pitfalls" [45-66]), die beide den Versuch unternehmen, den aktuellen Stand der Forschung darzulegen und die verschiedenen übersetzungstheoretischen Richtungen zu kategorisieren. Eher irreführend ist dabei der Titel des Beitrags von A. Neubert, da in höchstem Maße fraglich ist, ob die undifferenzierte Nebeneinanderstellung von einem "computer model" und einem "psycholinguistic model" tatsächlich zum besseren Verständnis der übersetzungstheoretischen Diskussion beiträgt und ob hier nicht richtiger von "approaches" die Rede sein müßte, die hierarchisch zueinander in Beziehung zu setzen sind. Voller glänzender, richtungweisender Denkanstöße ist dagegen G. Tourys kritische Bilanz der neueren Ansätze in der übersetzungstheoretischen Forschung. Fazit: Trotz des manchmal etwas pidginhaften Wissenschaftsenglisch ein interessantes, mit vielen Beispielen und empirischen Forschungsergebnissen angereichertes Buch, das zu gefallen vermag und dessen Lektüre trotz des einen oder anderen Einwandes lohnend erscheint. Bielefeld Bemd Stefanink Thesaurus Larousse, des mots aux idees, des idees aux mots, ~ous la direction de Daniel Pechoin. Paris: Larousse 1991, XXI + 1146 S. [in der Bundesrepublik vertrieben durch Cornelsen Verlagsgesellschaft Bielefeld; DM 117, - ]. Das große Vorbild für alle Begriffswörterbücher ist immer noch Peter Mark Rogets berühmtes und zugleich bahnbrechendes Werk (Thesaurus of English Words and Phrases), das seit 1987 in einer neuen (sechsten), von Betty Kirkpatrick grundlegend überarbeiteten Fassung vorliegt. Der (neue) Thesaurus aus dem Hause Larousse ist sich dieser Tradition durchaus bewußt und möchte die im Französischen trotz der analogischen Wörterbücher von Boissiere (1862) und Maquet (1936) bestehende lexikographische Lücke nunmehr mit einem «strict equivalent» (Vorwort, VI) zu Roget schließen. Diese Intention darf allerdings nicht zu wörtlich genommen werden. Sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht nimmt der ThL eine (makrostrukturelle) Einteilung vor, die sich von derjenigen «que son devancier avait utilise pour l'anglais dans l'univers des significations» (VII) grundlegend unterscheidet. Die 873 „Artikel" des ThL sind um insgesamt 53 Oberbegriffe gruppiert, denen wiederum 14 Sachgebiete (wie z.B. La volonte et l'action oder La communication) übergeordnet sind, die sich ihrerseits auf drei Kategorien (A. Le monde; B. L'homme; C. La societe') verteilen. Grund für diese Entscheidung ist die zutreffende Feststellung, daß sich die Begriffsstruktur einer Sprache nicht direkt auf eine andere abbilden lasse und daß somit auch keine «comcidence parfaite entre les significations des mots de deux langues» (VI) bestehe; eine Einsicht, die dem von Hallig/ Wartburg (1952/ 1963) erarbeiteten übereinzelsprachlichen Ordnungsschema eine klare Absage erteilt. Beibehalten wurde dagegen die von Roget vertraute formalinhaltliche Anordnung der Artikel. FLuL 21 (1992)