eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 22/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1993
221 Gnutzmann Küster Schramm

Helga Dieling: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch

121
1993
Klaus Vorderwülbecke
Helga Dieling: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Berlin [usw.]: Langenscheidt 1992 (Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis), 134 Seiten [DM 26,80]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 241 widerzuspiegeln versucht, sollte noch auf das normative Aussprachewörterbuch von L. Wamant: Dictionnaire de la prononciation fran,aise dans sa norme actuelle. Duculot, Paris ·1987, verwiesen werden. Bielefeld Bernd Stefanink Helga Dieling: Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. Berlin [usw.]: Langenscheidt 1992 (Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis), 134 Seiten [DM 26,80]. . Mit diesem Buch profitiert der DaF-Bereich von. langjährigen Forschungsarbeiten am Herder- Institut der Universität Leipzig. Gerade im Bereich Phonetik, der das Epithet „Stiefkind des DaF- Unterrichts" schon seit vielen Jahren mit sich führt,. werden die forschungspolitisc; hen und organisatorischen Versäumnisse des Westens deutlich. Und es ist erschreckend, wie das Zusammenwachsen sich auch hier in einem Auseinanderreißen und Zusammenschrumpfen von bewährten Arbeitsgruppen niederschlägt. Ich möchte kurz skizzieren, was das Buch auf 134 Seiten bietet. Die sechs Kapitel des Buches fasse ich in drei Teile zusammen. Der erste Teil beschäftigt sich mit allgemeinen Überlegungen zur Phonetik im DaF-Unterricht. Den zweiten Teil könnte man mit "Lehr- und Lernfaktoren" überschreiben. Er umfaßt die Kapitel "Der Lehrer" (3 S.), "Der Lernende" (4 S.), "Der Unterricht" (31 S.) sowie "Lehr- und Lernmittel" (8 S.). Der dritte Großteil beinhaltet die Beschreibung der phonetischen Interferenzen von dreißig Sprachen und dem Deutschen als Basiskontrastsprache (55 S.). Dazu kommt noch neben dem ausführlichen Literaturverzeichnis im Anhang ein kurzes Glossar mit Fachtermini und elf literarischen Texten als möglichem Übungsmaterial. Der Umfang der einzelnen Teile gibt schon die Schwerpunkte an: Die Kapitel Unterricht und Phonetische Interferenzen machen fast drei Viertel des Textteils aus. Ich will das Wichtigste aus den einzelnen Kapiteln zusammenfassen. Im einleitenden allgemeinen Text sagt die Autorin etwas zu den Zielen des Pho,netikunterrichts. Sie problematisiert u.a. die Toleranzgrenzen für phonetische Fehler und die unterschiedliche phonetische Verstehensfähigkeit von DaF-Lehrern und den Leuten auf der Straße. Sie spricht sich für eine Mischung von imitativen und kognitiven Verfahren aus, wobei letz.tere erst einsetzen sollen, wenn das Imitieren nicht zum Ziel führt. Dazu gehört nach Meinung der Autorin auch die passive Beherrschung der API-Umschrift. Bei der Frage nach dem zu lehrenden Standard spricht sie sich für eine Abfolge von den oberen Formstufen (nach Meinhold) für die Anfänger zu den 'niederen' Formstufen mit stärkeren Lautabschwächungen und Prestoformen für die Fortgeschrittenen aus. Hier gei: ät Dieling sicher in Konflikt mit dem kommunikativen Ansatz, der von Anfang an durch einen hohen Grad an Authentizität den Zugang zur Sprache des Alltags eröffnen will. Sie hebt die Bedeutung der Bewußtmachung der Laut-Schrift-Relation hervor und plädiert für stärkeren Einsatz von Diktaten. Im Kapitel Der Lehrer wird die phonetische Vorbildfunktion des Lehrenden herausgestellt. Dieling meint, daß er in allem, was er sagt, immer auch Phonetiker sei. Ich denke, daß diese Vorbildrolle für die Inlandssituation zurückgenommen werden muß. Die Vielzahl der außerunterrichtlichen Kontakte auch mit den Medien Rundfunk, Film, Fernsehen erweitert die Zahl der phonetischen Vorbilder gewaltig. In diesem Kapitel hätte vielleicht auch noch etwas über Lehreraus- und besonders Lehrerfortbildung im Bereich Phonetik gesagt werden können. FLuL 22 (1993) 242 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Im Abschnitt „Der Lernende" wird das Problem der phonetischen Verständlichkeit diskutiert. Wie an vielen anderen Stellen des Buches wird auch hier die Entscheidung über die Akzeptabilität der Lerneräußerungen den Lehrenden überlassen. Das ist allerdings nicht unproblematisch, wenn verschiedene Personen mit unterschiedlichen Toleranzfestlegungen in einer Klasse bzw. in aufeinanderfolgenden Kursstufen unterrichten. Hier hätte das Orthophon-Konzept von Kelz diskutiert werden können. Im Kapitel Der Unterricht plädiert Dieling gegen den sogenannten Globaleinstieg für einen phonetischen Vorkurs. Dieser sollte allerdings vielseitigere Arbeitsformen als das bloße Hören und Nachsprechen von Nonsens-Wörtern beinhalten. Ich halte diese Forderung von einer erfahrenen Fachfrau für bedenkenswert, gerade weil sie soweit ich sehe im Inlandsunterricht nicht eingelöst wird. Bei der Entwicklung der phonetischen Fertigkeiten legt Dieling mit dem leitmotivischen Herder-Wort „Das Ohr ist die erste Lehrmeisterin der Sprache" besonderen Wert auf das Hören. Sie unterscheidet verschiedene Formen bzw. Stufen des Hörens (verstehendes, intonematisches, intonatorisches, phonetisches, funktionelles und (selbst)kritisches). Diesen Teil halte ich trotz seiner Kürze für den ertragreichsten des Buches. Aber auch die anderen Fertigkeiten - Sprechen, Intonation und Artikulation, Lesen und Schreiben kommen in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der phonetischen Fertigkeiten zu Wort. Schließlich wird noch eine kurze Charakterisierung der einzelnen Lernstufen gegeben. Die Aussagen dazu sind sehr allgemein. Sie sind auch nicht klar zuzuordnen, da die erwähnten Stufen (Anfänger, Mittelstufe, Fortgeschrittene) nicht genauer definiert werden, z.B. durch die Zahl der absolvierten Unterrichtsstunden. So würde ich, um nur ein Beispiel zu nennen, das laute Vorlesen schon am Ende der Grundstufe, also nach etwa 300 Unterrichtsstunden, einführen und nicht erst in der Mittelstufe. Wichtiger ist allerdings, daß dies überhaupt als nützliche Arbeitsform anerkannt wird. Bei den Lehr- und Lernmitteln geht es nicht, wie man hätte e~arten können, um Lehrwerkkritik. Es werden vielmehr sehr übersichtlich einige grundsätzliche Angaben gemacht zu Lernmitteln (und den dazu benötigten Geräten) mit ihrer Zuordnung zu verschiedenen Lernkariälen (taktil, visuell, auditiv, audio-visuell) - Gegenständen als Hilfsmitteln (z.B. Spiegel, Feuerzeug) Möglichkeiten der Darstellung von Intonation und Lauten. Das umfangreichste Kapitel beschäftigt sich mit den phonetischen Interferenzen. Die Beschreibung der einunddreißig Sprachen umfaßt jeweils ca. zwei Seiten und ist nach folgendem Muster aufgebaut: Sprachfamilienzugehörigkeit und Verbreitung Intonation Wortakzent Vokalinventar Konsonanteninventar Schrift mit Schriftprobe und Laut-Schrift-Korrelation. Der Wert dieser Übersicht, die sich auf verschiedene Vorarbeiten stützt, liegt darin, daß phonetisch interessierte Lehrende auf knappem Raum grundlegende Informationen über viele Ausgangssprachen ihrer Lerner erhalten, die ihnen sicher manches häufig auftretende Problem erklärlich machen. 6 6 Wer sich detaillierter mit diesen Sprachen auseinandersetzen will, sei auf das Ende 1993 erscheinende Buch von H. P. Kelz / U. Müller (Hrsg.): Deutsch im Kontrast: Phonetik verwiesen. FLuL 22 (1993) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 243 Die Auswahl der vorgestellten Sprachen ist z.T. sicher aus der studentischen Ausländer- Klientel der DDR zu erklären. Es handelt sich z.T. um Sprachen, denen manche DaF-Lehrende im Westen vielleicht noch nicht oder nicht bewußt begegnet sind, wie z.B. Dari und Paschtu, die in Afghanistan und z.T. in Pakistan gesprochen werden. Dafür fehlen aber Indonesisch, Serbokroatisch, Türkisch und das amerikanische Englisch, das brasilianische Portugiesisch und das lateinamerikanische Spanisch, also Sprachen, die im Inlandsunterricht der alten Bundesländer stark vertreten sind. (Vielleicht ist das eine Anregung zur Ergänzung für eine kommende Auflage.) Aber ansonsten sind alle 'großen' und 'mittelgroßen' Sprachen vertreten, so daß das Informationsbedürfnis der Lehrenden auch in sehr heterogenen Klassen befriedigt werden kann. Der Vorschlag, auch das Vortragen literarischer Texte zu üben, bringt den Phonetikunterricht schon in den Bereich der Sprecherziehung hinein. Für die Ausbildung von DaF-Lehrenden ist das sicher sinnvoll. Für den normalen Kursteilnehmer scheint mir das keine anzustrebende Fertigkeit zu sein. Dazu kommt, daß die Metrik, der Reim und der Zeilenfall oft Abweichungen in der Akzentstruktur nach sich ziehen, ganz zu schweigen von den dichterischen Freiheiten bei der Satzgliedstellung. Der vom Verlag zugestandene Umfang war sicher sehr begrenzt. Man erkennt das an dem fast randlosen Seitenspiegel (nicht nur für Rezensenten ein Ärgernis! ) undder allgemeinen Tendenz bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen folgend der kleinen Schriftgröße. Deshalb hätten vielleicht zahlreiche Wiederholungen oder auch Selbstverständlichkeiten vermieden werden können, z.B. daß man bei bestimmten Schwierigkeiten „fleißig üben" müsse, daß der Computer noch nicht allgemein verfügbar ist, "Lehrbuchautoren sind bestrebt, [...] immer neues und besseres Lehrmaterial vorzulegen" (18), "Lob fördert Leistung" (24), "Gute Dienste leisten Videorecorder und -kameras sowie Computer" (62). Der Wert des Buches als Einführung für phonetisch interessierte DaF-Lehrende ist für mich unbestritten. Es ist ein notwendiges und gut leserliches Buch, das die Ergebnisse der Forschung mit einbezieht, ohne sich in ermüdenden Auseinandersetzungen zu ergehen. Die an verschiedenen Stellen angeführten praktischen Übungsbeispiele geben einen hilfreichen Einblick in das, was im Phonetikunterricht üblich war und noch ist. Insofern entspricht das Buch in ausgewogener Weise dem Reihentitel dieser Veröffentlichung „Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis". Schwetzingen Klaus Vorderwülbecke FLuL 22 (1993)