Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1994
231
Gnutzmann Küster SchrammEnzyklopädische Lernerwörterbücher - ein neuer Wörterbuchtyp?
121
1994
David Heath
Thomas Herbst
flul2310149
David Heath, Thomas Herbst Enzyklopädische Lemerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? Abstract. In recent years, a number of English learner's dictionaries appeared in enlarged encyclopaedic editions. This article investigates the approaches taken in the Longman Dictionary of Language and Culture and the Oxford Advanced Leamer's Dictionary - Encyclopaedic Edition. lt seems that the concept of a monolingual cultural learner's dictionary poses a great number of problems and it is argued that it is the bilingual rather than the monolingual dictionary where such information should be accommodated. 1. Englische Lemerwörterbücher Wahrscheinlich ist das Englische die am besten lexikographisch beschriebene Sprache der Welt. Das hat seine Ursachen in einer langen Wörterbuchtradition, in der Dr. Johnsons Wörterbuch von 1755 und das Oxford English Dictionary Marksteine, aber keineswegs den Anfang darstellen. Es erklärt sich al; >er auch in einer Wörterbuchkultur, die Wörterbücher in der Bibliothek „gebildeter" Engländer an wesentlich prominenterer Stelle erscheinen läßt als dies etwa in Deutschland der Fall sein dürfte. 1 Zudem wird Englisch nicht nur als Mutter- und Zweitsprache auf allen Kontinenten gesprochen, sondern es ist auch die am häufigsten gelehrte Fremdsprache. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf die Lexikographie, wie Sir Randolph Quirk (1986: 3) ausführt: The rising professionalism of EFL called for a different approach to lexical description and to it we have brought (especially through A.S. Homby and other British scholars, since EFL has been. especially a British activity and responsibility) the results of both linguistic research and EFL experience, with consequent emphasis on such features as collocation, verb complementation, and the necessity for control of defining vocabulary. Man darf nicht übersehen, daß die weltweite Verbreitung des Englischen in diesem Zusammenhang vor allem auch einen kommerziellen Faktor darstellt. Für englische Wörterbücher besteht ein wirklicher Markt, und zwar einer, der Konkurrenz zuläßt. Das wiederum hat zur Folge, daß Verlage Innovationen, die von seiten der wissenschaftlichen Lexikographie entwickelt werden, aufgeschlossener gegenüberstehen als im Falle von Sprachen, für die ohnehin kein Konkurrenzprodukt auf dem Markt Vgl. Quirk (1986). Zu möglichen Gründen s. auch Leisi (51969). FLuL 23 (1994) 150 David Heath, Thomas Herbst ist. Insofern wirken sich hier wirtschaftliche Überlegungen einmal positiv auf die Wissenschaft aus (wenn auch nur die anglistische). Jedenfalls gibt es naheliegende Gründe dafür, daß der Typus des Lernerwörterbuchs zum ersten Mal für das Englische (mit Hornbys Advanced Learner's Dictionary [= OALD]) realisiert wurde und daß andere Sprachen erst langsam nachziehen für das Französische etwa mit dem Dictionnaire du Franr; ais Contemporain und dem Dictionnaire du Franr; ais Vivant (vgl. Hausmannn 1974) oder für das Deutsche mit dem Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (1993). Was das Englische angeht, so ist vor dem skizzierten Hintergrund bestenfalls verwunderlich, daß das OALD erst dreißig Jahre nach seinem Erscheinen vergleichbare Konkurrenz bekam, nicht aber, daß es heute gleich drei Lernerwörterbücher gibt, die um die Marktanteile ringen das in der 4. Auflage von A. P. Cowie stark veränderte Oxford Advanced Learner's Dictionary (1989), das Longman Dictionary of Contemporary English ( 2 1987) [= LDOCE], und das Collins Cobuild English Language Dictionary (1987) [= COBUILD]. Auch wenn sie sich konzeptionell und strukturell unterscheiden und in gewisser Weise gegenseitig ergänzen, kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich bei allen dreien um Wörterbücher einer beeindruckend hohen Qualität handelt und daß die Entscheidung für das eine oder andere zumindest zum Teil auch subjektiv sein muß. Da in bezug auf die von Quirk genannten Aspekte - Definitionen, grammatische Angaben, Übersichtlichkeit - (mit Ausnahme der Kollokationen) bei diesen Wörterbüchern nur punktuelle Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, muß der Kampf um die Marktanteile mit neuen Waffen geführt werden. Und da werden plötzlich enzyklopädische Lernerwörterbücher aus dem Computer gezaubert; d.h. die bestehenden Wörterbücher werden um enzyklopädische Informationen ergänzt. Das OALD erschien im Jahr 1992 in einer Ausgabe mit dem Titel Oxford Advanced Learner's Dictionary - Encyclopaedic Edition [= OALD-EE], LDOCE kam 1993 in der Version des Longman Dictionary of English Language and Culture [= LDELC] auf den Markt. Aus den Korpusanalysen von COBUILD in Birmingham entstand 1992 mit dem BBC English Dictionary ein Wörterbuch, das insofern enzyklopädische Elemente enthält, als es Einträge zu Koffigoh, Joseph Kokou; Kohl, Dr Helmut; Koirala, Girija Prasad; Kovisto, Dr Mauno oder Kolingba, Andre verzeichnet. Da dieses Wörterbuch ansonsten aber deutlich hinter das COBUILD English Language Dictionary zurückfällt und nicht eigentlich als Lernerwörterbuch konzipiert ist, soll es hier aus der Betrachtung ausgeklammert werden. 2. LDELC und OALD-EE Nachdem sowohl das OALD-EE als auch das LDELC um enzyklopädische Einträge erweiterte Versionen der Ausgangswörterbücher darstellen und damit die wesentlichen Charakteristika dieses Wörterbuchtyps übernehmen, können sie als FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lemerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 151 enzyklopädische Lernerwörterbücher bezeichnet werden. 2 Während das LDELC trotz seiner 1568 Seiten die Maße des LDOCE nur wenig übersteigt, mißt das OALD-EE, das dreispaltig aufgebaut ist, mit 1066 Seiten immerhin 27 x 21,5 cm, hat also Maße und Gewicht eines coffee table book. In beiden Wörterbüchern werden die eigentlichen enzyklopädischen Einträge von bis zu ganzseitigen Artikeln ergänzt, die Themen wie baseball, cricket oder education (LDELC) oder zu Church of England, nuclear power und taxation (OALD-EE) zum Gegenstand haben. LDELC bietet neben 16 solchen derartigen Artikeln eine große Anzahl sog. cultural notes, 26 Seiten mit (farbigen! ) Illustrationen und 6 mit Landkarten. Beibehalten wurden verschiedene Anhänge (military ranks etc.), die auch in LDOCE zu finden sind. Das OALD-EE wartet mit 94 größeren Artikeln und 71 sog. mini notes auf, enthält zwar keine bunten Seiten, dafür aber sehr viele Umrißzeichnungen und Photographien. Auch das OALD-EE hat einen Anhang mit Tabellen, von denen einige - Political Leaders, The Works of Shakespeare nicht im OALD zu finden sind. Was nun die Makrostruktur angeht, so ist interessant zu sehen, welche Informationen es sind, die von den beiden Verlagen für würdig und wichtig genug gehalten werden, um in ein derartiges Wörterbuch aufgenommen zu werden. Wenn man den Buchstaben S herausgreift, so enthält das LDELC fast 700 Einträge mehr als das Ausgangswörterbuch; davon sind etwa 200 auch im OALD-EE unter S verzeichnet; außerdem finden sich im OALD-EE über 130 Einträge, die im LDELC nicht aufgeführt sind. Zum Teil erklärt sich die Diskrepanz zwar durch eine unterschiedliche Lemmatisierungspraxis - St David ist z.B. im LDELC unter S, im OALD-EE hingegen unter D enthalten-, zum Teil reflektiert dieser Unterschied aber auch das Grundselbstverständnis der beiden Wörterbücher. Beide führen etwa safe seat, safe sex, St Paul's Cathedral, Sandringharn, Scarlati, Schiller, Schubert oder Schumann auf. Nur im OALD-EE sind beispielsweise zu finden: Segovia, Shaftesbury, Sheraton, Shetland wool, Sisley, Smollet. Nur im LDELC: Saatchi and Saatchi, St Bemadette, Santa Maria, Saturday night Jever, Savoy, Schwarzenegger, Sealink Stena Line, Sellafield, Sherlock Holmes, Sloane Ranger, Sloane Square sowie Cyril, John und W.H. Smith. Insofern scheint sich O.U.P. eher an einem konservativeren Kulturbegriff zu orientieren, während Longman auch kulturelle Erscheinungen einbezieht, die eindeutig der pop culture und ähnlichen Bereichen zuzurechnen sind. Vergliche man die Ausgangswörterbücher OALD und LDOCE etwa mit ARD und ZDF, so könnte man das Kulturverständnis des OALD-EE als in Richtung 3sat oder arte gehend und das des LDELC eher als in Richtung (deutsches) Privatfernsehen tendierend beschreiben. Es kann hier nicht darum gehen, eine detaillierte Kritik der beiden Wörterbücher zu geben 3; aber wir wollen im folgenden versu- 2 Zu den Charakteristika enzyklopädischer Wörterbücher vgl. Hupka (1989). 3 Wir verweisen dazu auf unsere Rezensionen in der Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 1993, Heft 4. FLuL 23 (1994) 152 David Heath, Thomas Herbst eben, einige prinzipielle Fragen in bezug auf einen möglichen Typ „enzyklopädisches Lernerwörterbuch" aufzuwerfen. 3. Probleme enzyklopädischer Lernerwörterbücher Wie sinnvoll ein Wörterbuchkonzept ist, läßt sich nur in Hinblick auf potentielle Benutzergruppen beurteilen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf ein Zielpublikum, das (i) vom sprachlichen Hintergrund her dem von OALD oder LDOCE entspricht und (ii) in Deutschland oder vergleichbaren Ländern Europas angesiedelt ist, also etwa Schüler der Oberstufe des deutschen Gymnasiums oder Anglistikstudenten und Englischlehrer. ► Frage 1: Allgemeinenzyklopädie oder Kulturspezifik? Lernerwörterbücher zeichnen sich dadurch aus, daß sie auf die spezifischen Bedürfnisse ausländischer Benutzer ausgerichtet sind (vgl. Hausmann 1974 und Herbst 1991). Eine erste Frage, die sich in bezug auf enzyklopädische Lemerwörterbücher stellt, ist also, inwieweit dies auch für den enzyklopädischen Teil gelten soll. Hier sind zwei Ansätze denkbar: (i) Die Lernerorientiertheit des Wörterbuchs äußert sich in der Gestaltung der Einträge, also etwa in Erklärungen in einer für Ausländer leicht verständlichen Sprache, nicht aber in ihrer Auswahl. (ii) Die Lernerorientiertheit des Wörterbuchs äußert sich darin, daß man die Benutzer nicht über die Zielsprache, sondern auch über die Zielkultur(en) besonders informieren will, was sich in einer entsprechenden Auswahl der Lemmata niederschlagen muß. Ein Wörterbuch, das den ersten Weg verfolgt, enthält zwangsläufig viele Informationen, die den Benutzern auch in Nachschlagewerken in ihrer Muttersprache zur Verfügung stehen. Was könnte deutsche Schüler etwa veranlassen, Plato oder Gorbachev in einem englischen Lernerwörterbuch nachzuschlagen? Sicher nicht die Sachinformation dafür würden sie eher den Brockhaus konsultieren -, sondern bestenfalls die Frage, ob Plato auf englisch Plato oder Platon heißt, wie man Gorbachev in der englischen Alphabetisierung schreibt und wie die Namen ausgesprochen werden. Das würde aber eine andere Art von Eintrag erfordern als die Informationen, die OALD-EE und LDELC bieten eigentlich würde ein ausgeweiteter Anhang der traditionellen Art für diese Nachschlagebedürfnisse völlig ausreichend sein. 4 Ein Wörterbuch hingegen, dessen Politik im Sinne von (ii) darauf abzielt, insbesondere Informationen über die Zielkultur zu bieten, hat die Chance, damit über die 4 Solche Anhänge finden sich in manchen zweisprachigen Wörterbüchern, z.B. dem Langenscheidt Handwörterbuch Englisch oder dem Langenscheidt Enzyklopädischen Wörterbuch. FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lemerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 153 Informationsquellen hinauszugehen, die den Benutzern in ihrer Muttersprache zur Verfügung stehen, also etwa ausführlicher zu sein als der Brockhaus. Ein Lernerwörterbuch, erweitert um Einträge, wie sie sich zum Beispiel im Kleinen England Lexikon von Fischer und Burwell (1988) oder in Adrian Rooms A-Z of Britain (1983) finden, die eine Menge nützlicher Landeskundeinformationen bieten, könnte schon ein sinnvolles Unterfangen sein. Allerdings ist auch ein solches Konzept mit Problemen behaftet, vor allem dem, zu definieren, was die zielsprachliche Kultur eigentlich ausmacht. Erstens stellt sich die Frage, ob Irland, Australien und Neuseeland im selben Ausmaß zu berücksichtigen wären wie Großbritannien und die USA. (In der Praxis müßte die Antwort wahrscheinlich nein lauten, aber mit welchem Recht eigentlich? ) Zweitens stellt sich die Frage, ob Volkswagen (im LDELC) und Beetle (in LDELC und OALD- EE) in irgendeiner Form den englischsprachigen Kulturen zuzurechnen sind. Aus deutscher Sicht ist dies sicherlich viel weniger der Fall als etwa aus ägyptischer oder indischer, was übrigens deutlich macht, daß enzyklopädische Lernerwörterbücher zumindest wenn sie Politik (ii) folgen nur sinnvoll sind, wenn sie auf bestimmte kulturell bestimmte Gruppen von Benutzern zugeschnitten sind. Eine cultural note wie die zu date im LDELC lt is quite important for many TEENAGERS in the US and Britain to have a boyfriend or girlfriend, i.e. a friend of the opposite sex. The first date is often considered an important occasion, and an important part of becorning an adult. On a date, a boy and a girl may go to the cinema, to a restaurant, or to a dance, etc., and on some dates a boy and a girl may expect to hold hands, kiss'. and hold each other. wirkt auf deutsche Schüler vielleicht belustigend, während sie für Angehörige anderer Kulturkreise womöglich tatsächlich eine Information darstellt. Insofern ist ein weltweit gleichermaßen zu gebrauchendes kulturspezifisches Wörterbuch dieses Typs wahrscheinlich nicht vorstellbar. Angesichts der modernen Computertechnik dürften allerdings zielgruppenspezifische Versionen eines solchen Wörterbuchs durchaus im Bereich des Möglichen liegen; vielleicht könnten da auch Erkenntnisse der in den letzten Jahren so intensiv betriebenen Studien zur interkulturellen Kommunikation sinnvoll eingehen. ► Frage 2: Was ist Kultur? Jedes enzyklopädische Wörterbuch ist zwangsläufig mit der Frage des Kulturbegriffs konfrontiert, die hier natürlich ebensowenig wie in der reichen übersetzungstheoretischen Literatur zu diesem Thema gelöst werden kann. 5 Es dürfte unkontrovers sein, James Joyce oder Alfred the Great mit einem traditionellen Kulturbegriff in· Einklang zu bringen, und entsprechend sind beide sowohl im OALD-EE als auch im LDELC enthalten. Wesentlich schwieriger ist das aber im 5 Vgl. etwa ReißNermeer (1984), Hönig/ Kußmaul (1984) sowie Herbst (1994). FLuL 23 (1994) 154 David Heath, Thomas Herbst Falle von Adrian Mole, Coronation Street, Dynasty, J R Ewing oder Star Trek, und so finden sich Einträge hierzu nur im LDELC. Sie lassen sich aber durchaus rechtfertigen, wenn man davon ausgeht, daß es für das Verständnis eines Textes wichtig sein kann, zu wissen, um wen es sich bei Adrian Mole handelt. 6 Insofern ist linguistisch insbesondere unter den Aspekten des Textverständnisses und der Übersetzung gegen einen sehr weiten Kulturbegriff, der sich nicht allein an elitärtraditionellen Werten orientiert, nichts einzuwenden im Gegenteil. Nachdem mit der Aufnahme in ein Wörterbuch in den Augen vieler Benutzer auch eine Art Salonfähigkeit verbunden sein dürfte, ist allerdings zu fragen, ob man einer Fernsehserie wie Star Trek nicht doch mehr Gewicht verleiht als ihr (nach welchen Kriterien auch immer) zukommen sollte, wenn man sie gleich mit fünf Einträgen (Mr Spock usw.) und einem Foto berücksichtigt. Dieses Problem stellt sich insbesondere auch hinsichtlich der Gewichtung. Wie sinnvoll ist es, Madonna "a very successful American popular music singer" doppelt so viel Platz einzuräumen wie Madonna "in the Christian religion", Dame Edna sieben Zeilen und James Joyce derer fünf? Natürlich könnte man eine solche Politik damit verteidigen, daß man sagt, wer wirklich etwas über James Joyce, Philip Larkin oder Adrian Henri (der nicht enthalten ist) erfahren will, würde ein anderes Nachschlagewerk benutzen, während man Informationen auf der Dallas- und Dame- Edna-Ebene nirgends so leicht findet. Eine solche Argumentation wäre aber gefährlich, weil damit einem so konzipierten Wörterbuch zwangsweise etwas Unseriöses anhaftete. Sowohl OALD-EE als auch LDELC sind in diesem Punkte unbefriedigend. OALD-EE klammert für den Ausländer unter Umständen durchaus wichtige Bereiche wie East Enders vollkommen aus, während sie in LDELC dadurch zu stark gewichtet erscheinen, daß andere - "seriösere" Informationen im Vergleich zu knapp gehalten werden. Prinzipiell ist jedoch festzuhalten, daß es in Anbetracht des ausländischen Zielpublikums sogar sehr wichtig erscheint, sich nicht zu sehr an der Tradition zu orientieren und insbesondere auch solche Phänomene aufzunehmen, die in enzyklopädischen Wörterbüchern für Muttersprachler nicht aufgeführt werden würden. Daß Marks and Spencers im LDELC und im OALD-EE aufgeführt wird, ist ebenso sinnvoll wie daß es das im Collins English Dictionary nicht ist. Hier kann auch die computergestützte Korpusanalyse Anhaltspunkte für die Auswahl von Lemmata liefern. Auf der Basis eines entsprechend an den Erfordernissen des Schulunterrichts ausgerichteten Korpus, das aktuelle Texte (Time, Guardian etc.) beinhalten sollte, lassen sich Anhaltspunkte dafür gewinnen, auf welche Erscheinungen der anglophonen (Sub)-Kultur tatsächlich Bezug genommen wird. 7 6 Adrian Mole und Coronation Street sind hier auch unter dem Aspekt der Kulturspezifik als sinnvoll zu betrachten, was für die anderen Beispiele vielleicht weniger gilt. 7 LDELC nimmt im Vorwort explizit auf das Longman Corpus Network Bezug. FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lernerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 155 ► Frage 3: Welche Informationen? Eine der entscheidenden Fragen in bezug auf ein enzyklopädisches Lemerwörterbuch besteht natürlich nicht nur darin, wozu Informationen gegeben werden, sondern vor allem auch welche. Wieviel ist Benutzern, die Großbritannien nicht oder wenig kennen, gedient, wenn sie folgendes erfahren: Boots one of a group of CHEMIST's shops found in most towns in Britain, which also sells articles for babies, photographic supplies, and some food items [LDELC; nicht in OALD-EE] Marks and Spencer / .. ./ (also infml Marks, Marks and Sparks/ .../ , M and S / .../ ) (any of a) chain of large British shops selling mainly clothes and food [OALD-EE] In der Tat ist es so, daß es in vielen Fällen, wie in der Einleitung des LDELC auch betont wird, konnotative Elemente sind, die für das Textverständnis entscheidend sind. Daß es sich bei Marks and Spencers um eine Art Supermarkt oder Kaufhaus handeln muß, läßt sich wahrscheinlich in den meisten Texten aus dem Kontext erschließen; die sozialen Konnotationen, die mit einem Einkauf bei M&S im Gegensatz zu Tesco's oder Sainsbury's verbunden sind, sind aber nicht so offensichtlich. Aus diesem Grund ist ein Eintrag wie folgender eindeutig nützlicher: Marks and Spencer / .. ./ tdmk one of a group of very well-known department stores found in most large towns in Britain selling clothes, food, and other goods for the home under the name St Michael; it is sometimes just called Marks or Marks and Sparks, or abbreviated to M&S. Their clothes are generally considered to be of good quality and at reasonable prices, but not to include the most modern and most extreme fashions. Many people buy underwear from there. Their food products, esp. prepared meals, are throught to be very good quality and are popular esp. with MIDDLE-CLASS people who do not have time to cook. [LDELC] Dennoch darf man nicht verkennen, daß der Grat zwischen objektiver Darstellung und subjektiver Meinung unter Umständen sehr schmal ist. Wie leicht sich Wertungen in Beschreibungen einschleichen können, zeigt die Tatsache, daß LDELC die Conservative Party als "one of the three main British political parties", die La.bour Party aber als "one of the two main political parties" bezeichnet. Aufgelöst wird das Rätsel bei den Liberal Democrats, zu den es u.a. heißt: "lt is the third largest party, but it is quite small". Manche mögen eine cultural note wie die unter nuclear power: Many people worry about the risks associated with nuclear power, and do not want more nuclear power stations to be built. They worry about accidents such as the one at Chernobyl, and about the safe disposal of RADIOACTIVE waste products. They also fear that people, esp. children, living near nuclear processing plants have a great risk of getting some kinds of CANCER. Some people feel that the nuclear industry and the government do not always tel1 the truth about nuclear power für einseitig halten, dennoch mag es für manche Benutzer interessant sein, zu FLuL 23 (1994) 156 David Heath, Thomas Herbst erfahren, daß solche Bedenken auch im angelsächsischen Kulturraum bestehen. Prinzipiell sind die Probleme, die sich in dieser Beziehung stellen, bei Lernerwörterbüchern dieselben wie bei anderen enzyklopädischen Werken. ► Frage 4: Welche Illustrationen? Illustrationen können vielleicht gerade in einem enzyklopädischen Wörterbuch eine wertvolle Ergänzung zur verbalen Information darstellen. Ein Bild von Stonehenge ist wesentlich aussagekräftiger als jede Erklärung. Zur Unterstreichung der Authentizität bieten sich vor allem Fotographien an. Im OALD-EE vermitteln ein Portrait von Jane Austen, eine Zeichnung von Beatrix Potter, ein Gemälde von Turner und ein Foto von Stonehenge wertvolle Eindrücke, wenngleich die Strichzeichnung potato crisps chips eher abstrakter Kunst als semantischer Aufklärung zuzurechnen ist. LDELC hat kein Bild von William, dafür eines von Tina Turner, und zwar auf einer Seite mit Farbfotos zum Thema music, auf der auch andere Stars abgebildet sind. Luciano Pavarotti vertritt die klassische Musik, die übrigen zehn abgebildeten Sänger sind Größen der Popszene; Jazz, Folk und Tanzorchester, die ja vor allem in den USA einen wesentlichen Beitrag zur Musik weltweit geleistet haben, fehlen in den Illustrationen. Kein Gien Miller oder Duke Ellington, kein Louis Armstrong oder Benny Goodmann, kein Bob Dylan oder Pete Seeger ist abgebildet. Das ist natürlich durch die generelle Politik des LDELC bedingt mögen Dylan, Ellington und Armstrong einem Rezensenten noch bewußt sein, so gilt das für die jugendliche Zielgruppe, die Longman im Auge hat nicht. Dennoch müßte man erwarten können, daß aus der Fülle dieser Exponenten dieser Genres tatsächlich diejenigen durch Illustrationen hervorgehoben werden, die in keinem Kunstführer fehlen. Solche Farbillustrationen gibt es zu einer Reihe von Themen ~ comedians and entertainers, politics (mit Innenansichten der britischen und amerikanischen Parlamente), scenes from political life, und durchaus auchfamous paintings (wo neben der Mona Lisa auch Bilder von Constable, Van Gogh, Monet u.a. abgebildet sind). Für die Vermittlung der zielsprachigen Kulturen sehr nützlich sind auch Schwarzweißfotographien von britischen und amerikanischen Polizistinnen und Polizisten oder von Briefkästen, von Taxis in New York und London usw. Obwohl die auf ein sehr kindliches Niveau gebrachten scenes from literature oder scenes from Shakespeare eine absurde Fehleinschätzung des Zielpublikums des LDELC darstellen dürften, enthalten beide Wörterbücher vielversprechende Ansätze zur Nutzung optischer Information in Hinblick auf kulturelle Inhalte. Insofern nutzen beide Wörterbücher die Möglichkeiten der Illustration, wobei, wie in den meisten Lexika, nicht unbedingt eine konsistent durchgeführte Politik zu erkennen ist. ► Frage 5: Wie aktuell soll ein Wörterbuch sein? Eine zentrale Frage, die sich im Hinblick auf enzyklopädische Lernerwörterbücher stellt, ist die nach der Aktualität. Insbesondere dann, wenn das Wörterbuch auch FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lemerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 157 dadurch anderen Nachschlagewerken überlegen sein soll, daß es Elemente dessen berücksichtigt, was man nicht einem traditionellen Kulturbegriff, sondern vielleicht eher dem Bereich der Subkultur zurechnen würde, muß es natürlich up-to-date sein, um seine Funktion zu erfüllen. Damit ist die Gefahr des Überholt-Seins allerdings ebenfalls sehr groß: Die Herausgeber des OALD-EE weisen denn auch ausdrücklich in der Einleitung auf dieses Problem hin, verfolgen aber insofern eine sehr vorsichtige Politik, als es keine Einträge zu Margaret Thatcher oder der Fernsehserie Dallas enthält. Das LDELC ist aufgrund seiner anderen Lemmatisierungspolitik dieser Gefahr viel stärker ausgesetzt. Entsprechend wird Clinton auch als "the Democratic GOVERNOR of Arkansas who in 1992 ran for President of the US ...." beschrieben. Natürlich stellt sich dieses Problem bei jeder Enzyklopädie, aber es besteht ein unauflösbarer Widerspruch zwischen hoher Aktualität und einem schnellen Alterungsprozeß: Wie lange werden die aufgeführten Popstars und Fernsehserien aktuell oder von Interesse sein? Ein Wörterbuch wie das LDELC muß also relativ häufig überarbeitet werden, was auch eine Reihe von positiven Begleiterscheinungen mit sich bringt, zum Beispiel die, daß Fotographien zur Illustration eingesetzt werden können (gegen die ansonsten ja auch die Gefahr des schnellen Altmodisch-Wirkens spricht). Der Computersatz macht schnelle Überarbeitungen wahrscheinlich wesentlich einfacher und auch rentabel, von der Verlagsseite her ist die Notwendigkeit häufiger Neuausgaben also kein Gegenargument gegen diesen Wörterbuchtyp. Die Frage ist, ob dies von seiten der Benutzer genauso gilt. Natürlich gibt es philologisch und kulturell Interessierte, die keine finanziellen Opfer scheuen, um auf dem neuesten lexikographischen Stand zu bleiben, aber die sind so sehr Philologen (und Buchhändler) es auch bedauern mögen doch eher die Ausnahme. Die Masse derer, die in der Schulzeit ein einsprachiges Wörterbuch erwerben, kauft so schnell kein weiteres, schon gar nicht „nur" eine neue Auflage. Zwar wird nur ein relativ geringer Prozentsatz der Einträge tatsächlich schnell veraltet sein, aber die Attraktivität des Aktuellen verliert das Wörterbuch dennoch. Insofern widerspricht die Einbeziehung allzu zeitgebundener Informationen zumindest dem traditionellen Faktum des Wörterbuchs als bleibendes Nachschlagewerk für lange Zeit. Einer solchen Auffassung soll hier allerdings auch nicht das Wort geredet werden beileibe nicht. Dennoch zeigt die Erfahrung, daß es nicht ganz einfach ist, selbst Sprachstudenten davon zu überzeugen, daß die Neuausgabe eines Wörterbuchs um so viel verbessert wurde, daß sich die Anschaffung lohnen würde. Im Falle der enzyklopädischen Lernerwörterbücher wäre es zudem aber ja so, daß eine überarbeitete Version auch nur einen geringen Prozentsatz der Einträge neu gestaltet hätte, man also viel „Unverändertes" mitkaufen und mitbezahlen muß. Insofern stellt sich schon die Frage, ob ein Lernerwörterbuch der beste Platz für solche Informationen ist, oder ob nicht ein quasi-enzyklopädischer Ergänzungsband eine Alternative darstellen könnte, auch wenn man damit den sicher attraktiven Gedanken, "alle" Informationen in einem Buch (mit konsequenter alphabetischer Zugriffsstruktur) zur Verfügung zu stellen, aufgeben würde. FLuL 23 (1994) 158 David Heath, Thomas Herbst 4. Enzyklopädische Lernerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? Wenn man die Frage stellt, ob enzyklopädische Lernerwörterbücher eine Bereicherung des Wörterbuchmarktes darstellen, so muß die Antwort wahrscheinlich lauten: im Moment jedenfalls noch nicht. Für LDELC und OALD-EE gilt gleichermaßen, daß sie gegenüber den Ausgangswörterbüchern nützliche zusätzliche Informationen enthalten; insofern spricht (abgesehen vom Preis) nichts dagegen, die enzyklopädischen Versionen anstelle der Normalausgaben zu verwenden. Aber beide Konzeptionen erscheinen unausgereift. Das OALD-EE ist allein vom Format her kein benutzerfreundliches Lernerwörterbuch für Schüler mehr. Zwar stellt es allemal eine sinnvolle Ergänzung für Schul- und Seminarbibliotheken dar, aber dort werden auch andere Nachschlagewerke zur Verfügung stehen, die dieselben Informationsbereiche abdecken. Um landeskundliche Aspekte der alltäglicheren Art extensiv zu erfassen, ist das OALD-EE aber nicht innovativ genug. Hier liegt sicher eine der Stärken des LDELC, das aber in seiner Gewichtung diesen Aspekten entschieden zu viel Raum zumißt und mit seiner betont jugendlich-informellen Ausrichtung Gefahr läuft, in den Verdacht zu kommen, seinem Publikum hinterherzulaufen anstatt durch ein wirklich durchdachtes Konzept zu bestechen. Das muß nun nicht heißen, daß enzyklopädische Lernerwörterbücher kein sinnvolles Unterfangen darstellen könnten. Gelingen könnte ein solches Projekt dann, wenn es (1) sich in den enzyklopädischen Informationen auf Sachbereiche der Zielkultur(en) beschränkt, (2) auf eine relativ klar umrissene Ausgangskultur der Benutzer ausgerichtet ist (also etwa Schüler/ Studenten/ Lehrer in Deutschland, Frankreich und vergleichbaren europäischen Ländern), (3) die diesen Benutzern in der Regeln zur Verfügung stehenden enzyklopädischen Nachschlagewerke dadurch übertrifft, (a) daß es zu den dort abgehandelten Sachbereichen mehr Information bietet und (b) auch solche Bereiche erfaßt, die in diesen Nachschlagewerken nicht enthalten sind, (4) herkömmliche Wörterbücher dadurch übertrifft, (a) daß es kulturelle Informationen zum Wortschatz enthält, die sich auf der Ebene der Konnotation ergeben und (b) nicht-zielkulturspezifische Bereiche dann abdeckt, wenn sie sprachlich relevant sind, sich dabei aber auf die sprachliche Darstellung ( Gorbachev / 'go: batJo f/ ) - Orthographie und Aussprache und ein identifikationserleichterndes Minimum an Sachinformation beschränkt. Für die Zwecke des Textverständnisses und der Übersetzung kann es in der Tat wichtig sein, zu wissen, was der Unterschied zwischen MI5 und MI6 ist, daß FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lernerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 159 roundabouts und dual carriageways in England weit verbreitet sind oder wie sich Marks and Spencers von Woolworth oder British Horne Stores unterscheidet. Kein Wörterbuch kann Auslandserfahrung und echte Landeskenntnis ersetzen, aber es kann helfen. Insofern könnte die Einbeziehung enzyklopädischer Informationen in Wörterbücher für fremdsprachliche Benutzer zu einer sehr wertvollen Verbesserung bestehender Wörterbücher führen. 5. Zweisprachige enzyklopädische Wörterbücher Zu fragen ist allerdings, ob das einsprachige Wörterbuch der richtige Ort für solche Informationen ist. Ebenso wie dictionary workbooks, die einheitlich für den weltweiten Gebrauch konzipiert wurden, nirgends wirklich einsetzbar sind, weil sie die eine Zielgruppe über- und die andere unterfordern, müssen vielleicht auch einsprachige enzyklopädische Wörterbücher unbefriedigend bleiben. 8 Ein zweisprachiges enzyklopädisches Wörterbuch erschiene schon deshalb ein sinnvolles Unterfangen, als gängige zweisprachige Wörterbücher den Bereich des Enzyklopädischen ohnehin und sozusagen zwangsläufig tangieren (vgl. Rey 1991). Berührungspunkte ergeben sich zum einen im Bereich der Namen. Daß es im Englischen Plato, im Deutschen Plato oder Platon heißt, ist z.B. dem Oxford-Duden Großwörterbuch Englisch zu entnehmen (oder dem sehr ausführlichen Anhang des Langenscheidt Handwörterbuchs). Zum .anderen bieten zweisprachige Wörterbücher häufig auch eher eine Sache erklärende Paraphrasen als tatsächliche Übersetzungsäquivalente. Das zeigen z.B. die Einträge für dual carriageway: LHWb PGrWB ODGrWB EGrHWb Schnellstraße Straße/ mit Mittelstreifen und Fahrbahnen in beiden Richtungen"" Schnellstraße zweispurige Straße Autobahn Die Angabe im EGrHWb ist schlichtweg falsch, LHWb und ODGrWb bieten immerhin mögliche Übersetzungsäquivalente (wobei in manchen Kontexten „autobahnähnlich ausgebaute Straße" sicher angebrachter wäre); die bei weitem sinnvollste Information bietet aber das PGrWb mit einer Kombination aus paraphrasierender Beschreibung und einem in vielen Kontexten adäquaten Äquivalent, die sinnvollerweise drucktechnisch voneinander abgehoben sind. 9 Insofern bieten zweisprachige Wörterbücher Ansatzpunkte für enzyklopädische Informationen, die geradezu 8 Aus diesem Grund wurde mit Dictionary Techniques der Versuch unternommen, ein workbook für LDOCE zu erstellen, das spezifisch auf den Leistungsstand und die Bedürfnisse der Schüler des deutschen Gymnasiums zugeschnitten ist. 9 Selbst das DOKIWb kennzeichnet Entsprechungen im Gegensatz zu Äquivalenten durch ein spezielles Symbol: Bundesstraße """ A road". FLuL 23 (1994) 160 David Heath, Thomas Herbst in ihrer Natur bedingt sind. Dennoch ist dieser Aspekt in den vorliegenden Wörterbüchern keineswegs hinreichend systematisiert. Zu Bundesversammlung werden etwa folgende Angaben gemacht: LHWB Federal Assembly PGrWb (BRD) Federal Convention (Sw) Federal Assembly ODGrWB (Bundesrepublik Deutschland, schweiz) Federal Assembly Keines dieser Wörterbücher leistet das, was ausländischen Benutzern aufgrund der ja vielleicht auch eher zweifelhaften - Übersetzungsäquivalente verborgen bleiben dürfte, nämlich zu erklären, daß die Bundesversammlung in Deutschland das Verfassungsorgan ist, das den Bundespräsidenten wählt, und in der Schweiz das oberste Bundesorgan bestehend aus Nationalrat und Ständerat darstellt. Sowohl unter Gesichtspunkten der Textrezeption als auch unter solchen der Textproduktion erschienen also enzyklopädische Hinweise in Ergänzung zu möglichen Übersetzungsäquivalenten dringend geboten. Insbesondere wenn man die oben genannten Kriterien zugrundelegt, bieten sich zweisprachige Wörterbücher für die Einbeziehung enzyklopädischer Informationen geradezu an: (i) Anforderungen (1) und (2) klar umrissene Ziel- und Ausgangskulturen ergeben sich im zweisprachigen Wörterbuch sozusagen automatisch. Selbstverständlich ist auch in diesem Zusammenhang die Forderung nach gerichteten Wörterbuchpaaren (also verschiedene englisch-deutsch deutsch-englische Wörterbücher für Englisch- und Deutschsprachige) nur zu unterstreichen. 10 (ii) Punkte (3) und (4) können im zweisprachigen im Gegensatz zum einsprachigen Wörterbuch mit der erforderlichen Flexibilität gehandhabt werden. Verbesserungen gegenüber der gängigen Praxis sind in mancherlei Hinsicht denkbar: (a) Was die Aufnahme von Namensgleichungen angeht, wäre eine Ausweitung des erfaßten Wortschatzes dringend wünschenswert. Zwar findet sich Aristoteles - Aristotle in LHWb, PGrWb und ODGrWb, Gorbatschow - Gorbachev jedoch in keinem dieser Wörterbücher. Erhebliche Lücken, die auch von großer übersetzerischer Relevanz sind, bestehen in Hinblick auf Roman- und Dramentitel: Heißt die deutsche Übersetzung von Wuthering Heights „Sturmhöhe" oder "Sturmhöhen"; ist As You Like lt „Wie es Euch gefällt" oder „Was Ihr Wollt? " Neben solch quasi-etabliertem Kulturgut sollte aber in Anlehnung an das LDELC durchaus auch der Bereich des Subkulturellen Berücksichtigung finden. Es kann für Zwecke der Übersetzung oder auch im Schulunterricht durchaus wichtig sein, Einträge vom Typ Dynasty „Der Denver-Clan" (amerikanische soap opera) oder auch die entsprechenden Namen von Mickey-Mouse-Figuren, 10 Vgl. etwa Zöfgen (1991: 2896-7) und Herbst (1992). FLuL 23 (1994) Enzyklopädische Lemerwörterbücher ein neuer Wörterbuchtyp? 161 wie sie Multhammer (1994) für den Fremdsprachenunterricht zusammenstellt, im zweisprachigen Wörterbuch vorzufinden. (b) Im Falle von Institutionen müßte ein enzyklopädisches zweisprachiges Wörterbuch nicht nur denkbare Übersetzungsäquivalente auflisten, sondern auch drucktechnisch markiert - Sachinformationen (etwa über Funktion und eventuell Zusammensetzung der Bundesversammlung) bieten. Gerade im Hinblick auf die Textrezeption spricht sehr viel dafür, Einträge wie Marks and Spencers auch in. ein zweisprachiges Wörterbuch aufzunehmen (und zwar in ein englisch-deutsches Wörterbuch für Deutsche, Karstadt, Hertie und Kaufhof gehören in ein deutsch-englisches für Briten und Amerikaner! ) und mit ähnlichen Informationen zu versehen wie im LDELC. (c) Auch die Ebene landeskundlicher Konnotationen muß berücksichtigt werden. Berufsverbot ist als "disqualification from a profession (pol from public service)" [LHWb] oder "exclusionfrom a civil service profession by govemment ruling" [PGrWb] nicht ausreichend beschriebeni Konnotative Bedeutungselemente sind hier ebenso wichtig wie bei Wörtern wie Ostpolitik, die eben untrennbar mit einer bestimmten historischen Situation verbunden sind, was ähnlich auch für Ostberlin, Ostzone gilt. Wenn sich zweisprachige Wörterbücher in simplen Vokabelgleichungen erschöpfen, werden sie einer adäquaten Bedeutungsbeschreibung nicht gerecht. Insofern enden unsere Betrachtungen einsprachiger enzyklopädisch,er Lernerwörterbücher mit einem Plädoyer für eine stärkere Einbeziehung enzyklopädischer Informationen in zweisprachige Wörterbücher. Vor allem das LDELC kann hier in bezug auf die Lemmaauswahl vorbildhaft wirken, weil es deutlich macht, welche kulturspezifischen Elemente in Texten vielleicht einer Erklärung bedürfen und welche konnotativen Komponenten der Bedeutung relevant sind, um das Verständnis eines Textes in der Ausgangssprache zu ermöglichen. Aber bei aller Befürwortung der Aufnahme kulturspezifischer Elemente in Wörterbücher ist auch eine Wamung angebracht (die gleichermaßen für manche Idee in der Übersetzungstheorie gilt) nämlich die Warnung davor, Nicht-Beherrschen einer Sprache mit Unkenntnis einer Kultur gleichzusetzen. Bibliographische Angaben 1. Arbeiten FISCHER, Paul/ BURWELL, Geoffrey P. (1988): Kleines England Lexikon. München: Beck (Becksche Reihe Aktuelle Länderkunden). HAUSMANN, Franz Josef (1974): "Was ist und was soll ein Lernwörterbuch? Dictionnaire du Frant; ais Contemporain verglichen mit dem Petit Robert". In: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 84, 97-129. 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