eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 23/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1994
231 Gnutzmann Küster Schramm

Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer

121
1994
Ulrich Busse
flul2310175
Ulrich Busse Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer Abstract. The paper sets out with abrief account of the history of the Dictionary of Anglicisms in so far as it bears relevance to our topic of the dictionary and its prospective users. From the viewpoint of the dictionary-maker the author discusses the objectives, the scope, content, and the structure of the dictionary because these questions, or their answers, moreover, are clearly useroriented. Having answered these questions on the rnacrostructure of the dictionary the article then moves on to describe its microstructure and to discuss the importance of the single lexicographic items in respect to envisaged target groups. The presentation and a critical discussion of the function of the single elements within the entry structure makes up the main part of the paper. The article concludes by characterizing the Dictionary of Anglicisms as both a primarily academically oriented dictionary that nonetheless also tries to cater for those users without an academic background who are linguistically interested in questions of language change. 1. Einleitung - Problemstellung und Vorgehensweise 1.1 Grundsätzliches Innerhalb der Lexikologie und Metalexikographie hat die Sparte der-Wörterbuchbenutzungsforschung, insbesondere auf empirischer Basis•, in den letzten Jahren zunehmend breiteren Raum eingenommen. Dabei richtet sich die Perspektive der Mehrzahl dieser Arbeiten naturgemäß auf die lexikographischen Erzeugnisse von anderen. Hintergrund dieses Beitrags ist jedoch die Überlegung der Herausgeber dieser Zeitschrift, daß es von großem Interesse wäre, von einem praktizierenden Lexikographen zu erfahren, wie er die Frage nach der Organisation eines Anglizismen-Wörterbuches (AWb) im Blick auf dessen potentielle Benutzer angegangen ist. Die Konzeption des AWb geht im wesentlichen auf die frühen achtziger Jahre zurück. Aufbau, Inhalt und Struktur des Wörterbuches sind im Laufe der langen Bearbeitungszeit des AWb mehrfach modifiziert worden. Es kann hier zwar nicht darum gehen, die wissenschaftstheoretischen Konzeptionen, ihre Prämissen und Modifikationen im einzelnen zu erörtern bzw. mit dem nun vorgelegten ersten Band zu vergleichen, aber als Vorgehensweise für meinen Beitrag werde ich zunächst die wesentlichen Ergebnisse aus der ·Geschichte des AWb und seiner Bearbeitungsphase darstellen. Dieser wörterbuchgeschichtliche Zugang soll die entscheidenden Fragen zur Organisation, Struktur und zum Adressatenkreis des AWb offenlegen. Zu einer kritischen Bestandsaufnahme der empirischen Benutzungsforschung vgl. Zöfgen (1994: 29--61). FLuL 23 (1994) 176 Ulrich Busse 1.2 (Vor-)Geschichte des Wörterbuches Die Ursprünge des AWb reichen bis in die frühen sechziger Jahre zurück. 1963 zusammen mit Hans Galinsky- und 1965 hat Broder Carstensen erste Bestandsaufnahmen des anglo-amerikanischen Einflusses auf das heutige Deutsche vorgelegt. Seit dieser Zeit sind mehr als 100 000 Belege für Anglizismen gesammelt worden. Dies geschah jedoch zunächst ohne die Absicht, daraus ein Wörterbuch zu machen. Das AWb in seiner jetzigen Form ist schließlich aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den Jahren 1977 bis 1981 finanzierten Forschungsprojekt mit dem Titel „Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945" hervorgegangen. Das ebenfalls von der DFG finanzierte Anschlußprojekt „Anglizismen-Wörterbuch" begann im Jahre 1981 und dauert noch fort. In der Phase des Übergangs von der vorbereitenden lexikologischen zur ausführenden lexikographischen Phase des Forschungsprojektes sind viele wichtige Grundsatzentscheidungen in bezug auf Zielsetzung, Umfang, Inhalt und Struktur des AWb gefallen. In diesem Zusammenhang sind 1980 und 1983 an der Universität-Gesamthochschule Paderborn zwei Kolloquien durchgeführt worden, an denen in den Bereichen Lexikographie und Lexikologie führende Germanisten, Anglisten, Romanisten und andere Sprachwissenschaftler teilgenommen haben. Die Ergebnisse dieser beiden Veranstaltungen haben Oskar Reichmann und Herbert Ernst Wiegand (1980) und Alan Kirkness und Herbert Ernst Wiegand (1983) festgehalten. Darüber hinaus hat Broder Carstensen in zwei längeren (1981a, 1983) und einem kürzeren Aufsatz (1981b) über das in Arbeit befindliche Wörterbuch berichtet. Wesentliche Aufschlüsse über die Vorgehensweise bei der Erstellung des AWb gibt auch dessen umfassende Einleitung. Aufgrund dieser bereits ausführlichen Dokumentation des AWb möchte ich diese Arbeiten nur insoweit heranziehen und durch bisher unveröffentlichte Protokolle und Arbeitspapiere ergänzen, als sie im Hinblick auf unser Thema relevant sind. 2. Ziele, Umfang, Inhalt und Struktur des Wörterbuches 2.1 Die Adressaten-Frage - Die potentiellen Benutzer des AWb Ausgangspunkt aller Überlegungen zu den Zielen, zum Umfang, Inhalt und zur Struktur des AWb ist die Frage: An wen richtet sich das Werk, welches ist der potentielle Benutzerkreis des Wörterbuches? Herbert Ernst Wiegand hat 1980 in einem unveröffentlichten Thesenpapier zum AWb folgende Zielgruppe postuliert: "Das AWb sollte ein wissenschaftliches Wörterbuch sein, das sich an einen gebildeten, sprachinteressierten, deutsch sprechenden, sowohl lehrenden als auch lernenden Benutzer wendet. - Wichtige Benutzergruppen werden sein: Lehrer, Studenten, Wissenschaftler, Übersetzer und im Medienbereich Beschäftigte." Carstensen (1983: 14) hat die Benutzerfrage folgendermaßen beantwortet: FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 177 "Should it be written, for instance, for my colleagues in the field of American Studies, British English and German, or for the 'average reader' who wants to know if one says der or das Poster in German [...]. We, in other words my research team in Paderborn and myself, have decided that the dictionary should be intended primarily for linguists in the field of British and American English and German and especially for those interested in the Languages in Contact-phenomenon, at the same time, however, for those colleagues also who are concerned with translation, as well as historians, cultural anthropologists, teachers and lexicographers." Damit steht fest, daß das AWb ein akademisches Wörterbuch ist, dessen Zielgruppe sich nicht zuletzt aufgrund des relativ hohen Preises (Bd. 1: 238 DM) auf Experten beschränkt. Eng verbunden mit dem Adressatenkreis ist die Frage nach dem Umfang des Wörterbuches. 2.2 Umfang des Wörterbuches Bei dem ersten, 1980 durchgeführten Kolloquium war bezüglich des Adressatenkreises und des Umfangs offengeblieben, ob das Forschungsprojekt AWb einen handlichen und preisgünstigen Einbänder oder ein ausführliches mehrbändiges Werk zum Ergebnis haben soll (vgl. dazu Reichmann/ Wiegand 1980: 332t). Der o.g. Adressatenkreis und wie noch zu zeigen sein wird die Dokumentation der Lemmata haben schließlich dazu geführt, daß das AWb nun drei Bände mit ca. 2 000 Druckseiten ergeben wird. Diese Problematik hat Carstensen schon früh (1983: 14) zu der Forderung veranlaßt, daß neben dem nun vorgelegten ausführlichen AWb ein Einbänder erscheinen sollte, der die wesentlichen Ergebnisse des AWb für die Bedürfnisse von Studenten, Journalisten, Übersetzern, Werbefachleuten, Zeitungslesern etc. zusammenfaßt. Dieser im Vorwort zum AWb (1993: 5*) ebenfalls in Aussicht gestellte Einbänder ist allerdings zur Zeit aufgrund der ungesicherten Stellung der Bearbeiter, die unter den gegenwärtigen hochschul- und forschungspolitischen Bedingungen Schwierigkeiten haben, das jetzige Wörterbuch zu vollenden, nicht in Sicht. 2.3 Das Korpus Das AWb ist ein Wörterbuch, das korpusbezogen erstellt worden ist. Arbeitsgrundlage ist ein ca. 100 000 Belege umfassendes Korpus aus deutschen Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierten, Katalogen, Werbebroschüren und Beispielen aus der hohen und der Trivialliteratur sowie in beschränktem Maß Hörbelegen aus Rundfunk und Fernsehen. Diese seit Anfang der sechziger Jahre aufgebaute Belegsammlung, die ihrer Natur nach eher ein Zufallskorpus darstellt, ist in den achtziger Jahren systematisch durch die zu jener Zeit im Institut für deutsche Sprache, Mannheim, verfügbaren Belege aus den maschinenlesbaren Textkorpora ergänzt worden. Das Korpus stellt zwar die empirische Basis für die Lemmaauswahl und deren Bedeutungsexplikation dar, doch wurden in den Bereichen der grammati- FLuL 23 (1994) 178 Ulrich Busse sehen oder pragmatischen Angaben oder bei den Bedeutungserläuterungen auch kompetenzgestützte Ergänzungen vorgenommen. 2.4 Aufzunehmender Wortschatz Aufgrund der oben dargestellten Materialgrundlage des AWb ergibt sich wie ausführlich in der Einleitung des AWb dargelegt -, daß das AWb diejenigen Anglizismen behandelt, mit denen der „Normalbürger" täglich konfrontiert wird, die aber deshalb nicht alle notwendigerweise zu seinem aktiven oder passiven Wortschatz gehören müssen. Maßgeblich für die Aufnahme eines Anglizismus als Lemma ist ein durch das Korpus gestützter Tendenzeindruck über die Verwendungshäufigkeit eines bestimmten Wortes über einen längeren Zeitraum hinweg. Eine zeitlich relativ konstante Frequenz eines Anglizismus kann als Anzeichen dafür gelten, daß der betreffende Anglizismus zur Gemeinsprache und nicht mehr zur. Peripherie des deutschen Wortschatzes zählt. Aus dieser Tatsache ergibt sich ein gewisses Paradoxon, indem nämlich das AWb als Spezialwörterbuch weniger Anglizismen verzeichnet als beispielsweise das Duden Fremdwörterbuch (1990). Das gilt insbesondere für fachsprachliches Wortgut. 2.4.1 Die Behandlung der Fachsprachen Obgleich die Trennung zwischen Fachsprache und Gemeinsprache schwierig ist und von einigen Forschem, z.B. Hoffmann (1987: 48 ff), in Frage gestellt wird, lemmatisiert das AWb nur solche Anglizismen, die ihren Entlehnungsweg zwar über die Fachsprachen genommen haben, aber die Frequenzbedingungen innerhalb des Belegkorpus erfüllen und in vielen Fällen über den fachspezifischen, terminologischen Bereich hinaus gemeinsprachliche Bedeutungserweiterungen erfahren haben, wie z.B. Cluster, Fallout etc. Besonders berücksichtigt wurden die Fachsprachen, die nach Ausweis des Korpus den lebensnahen Bereichen des modernen Menschen entstammen, z.B. die Informatik und Mikroelektronik, die durch die immer weiter und immer schneller vordringende Computerisierung von Arbeitswelt und Freizeitverhalten bekannt geworden sind. Weitere wichtige Bereiche stellen etwa Raumfahrt, Sport, Musik, Unterhaltungsindustrie und die Rauschgiftterminologie dar. Die Frage, ob oder inwiefern die Fachsprachen im AWb berücksichtigt werden sollten, ist sicher sehr problematisch, da sie nicht eindeutig beantwortet werden kann. Auffällig ist jedoch, daß gerade die Fachsprachen gegenüber englischen Einflüssen außerordentlich offen sind. 2.4.2 Zitatwörter Das AWb verzichtet auf die Lemmatisierung von Exotismen, deren Denotat außerhalb der deutschen Sprachgrenzen liegt und die im Deutschen nur als Zitatwörter FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 179 mit Bezug auf anglo-amerikanische Verhältnisse erscheinen, wie z.B. Acre, Alderman, Barrister, Bushel etc. 2.4.3 Alte und neue Anglizismen Das AWb behandelt die nach Ausweis des Korpus etwa 3 500 im gegenwärtigen Deutsch am häufigsten vorkommenden Anglizismen (= Britizismen, Amerikanismen, Kanadismen etc.). Das Schwergewicht der Dokumentation liegt dabei auf den nach 1945 ins Deutsche gelangten Anglizismen; ältere Entlehnungen werden nur aufgenommen, wenn sich im Berichtszeitraum Bedeutungsveränderungen oder neue Bedeutungen ergeben haben. Damit stellt das AWb ein primär synchronischgegenwartsbezogenes Wörterbuch dar. Das Datum 1945 wird dabei nicht als starre Grenze, sondern im Sinne der dynamischen Synchronie interpretiert, so daß auch jene Entlehnungsprozesse angemessen im AWb beschrieben werden können, die ihren Ursprung in der Vergangenheit außerhalb des gesetzten Rahmens der deutschen Gegenwartssprache nach 1945 haben, aber in die Gegenwart hineinwirken. Im Gegensatz zum historisch orientierten Deutschen Fremdwörterbuch, das ab dem Buchstaben -Qauch vermehrt Anglizismen lemmatisiert, ist im AWb historische Tiefe nur in begründeten Einzelfällen intendiert. 2.5 Zum Lemmabestand und zur Makrostruktur des AWb „Das AWb soll ein primär gegenwartsbezogenes, semasiologisch-wortbildungsbezogenes Wörterbuch sein. Hinsichtlich seiner Makrostruktur gehört es zum nestalphabetischen Anordnungstyp" schreiben Kirkness/ Wiegand (1983: 322). Das AWb behandelt wie oben gezeigt nach 1945 direkt aus dem Englischen entlehnte Simplizia, Komposita, Phraseologismen und unterhalb der Wortebene produktive Wortbildungselemente. Beispiele für diese Kategorien sind etwa: Fan, Job; recyclen, sponsern; clever, cool; High Tech, Product Placement; Big Brother is watching you, last (but) not least; -ical, Mini-, sofern sie nicht ausschließlich fachsprachlich geblieben sind. Neben diesen evidenten englischen Einflüssen, die in der Transferenzliteratur bisher meist als „äußeres Lehngut" klassifiziert worden sind, verzeichnet das AWb darüber hinaus eine Fülle an „innerem Lehngut" also „deutsche" Wörter, Bedeutungen, Wendungen oder Wortbildungselemente, die auf englische Vorbilder zurückgehen-, wie z.B. Urknall, Wasserglätte; schneller Brüter, Erste Dame, stehende Ovationen; Erdrutsch, kontrollieren, Wasserbett; in einem Boot sitzen; -bewußt, -sicher. Die alphabetische Anordnung der Lemmata bringt es mit sich, daß das „innere Lehngut" nicht eigens hervorgehoben wird. So folgt etwa Umweltauf Umpire. Ein Plan, das AWb in zwei Teile, einen „englischen" und einen „deutschen" zu trennen, ist nicht aufrechterhalten worden, da die Trennung zahlreiche Querverweise erfordert und zudem die Behandlung der Mischkomposita wesentlich erschwert hätte. FLuL 23 (1994) 180 Ulrich Busse Zugunsten einer alphabetischen Anordnung wurde ebenso die Idee verworfen, rein onomasiologisch eine Wortgruppe zusammen zu behandeln, z.B. Facelift, Facelifting, Gesichtsstraffung, Lift und Lifting, die alle auf engl. (face-)lift(ing) zurückgehen, da ein solches Verfahren zwar einerseits die (unterschiedliche) Produktivität der einzelnen Sprachzeichen deutlich macht, aber andererseits, wenn die Auffindbarkeit durch den Benutzer gewährleistet bleiben soll, einen über Gebühr komplizierten Verweisapparat erfordert. Aus diesen Gründen ist prinzipiell ein semasiologisches Verfahren gewählt worden, mit der Einschränkung, daß in einer zweiten alphabetischen Ordnung seltener belegte Formen des inneren Lehngutes, z.B. Erste Dame (bei First Lady), seltenere Komposita oder Ableitungen, z.B. Bordcomputer, Computerkriminalität, -tomographie, -virus, Computerei, computern als Sublemmata (zu Computer) erscheinen. Ein anderes Beispiel für diese Vorgehensweise ist checken und dessen (seltenere) Prä: figierungen abchecken, aus-, durch-, ein-, die so die sprachliche Produktivität des Anglizismus auf einen Blick deutlich machen. 2.6 Die lexikographischen Textbausteine und die Mikrostruktur des AWb 2.6.1 Artikeltypen im A Wb Aus dem bisher Dargelegten folgt, daß das AWb mit zwei Klassen von Wörterbuchartikeln arbeitet: Hauptlemma und Sublemma. Diese beiden Artikeltypen unterscheiden sich lediglich unter ordnungsstrukturellen Gesichtspunkten. Im Aufbau und in der Reihenfolge der noch zu beschreibenden Textbausteine sind sie gleich, lediglich in der typographischen Auszeichnung des Lemmazeichens unterscheiden sie sich: während das Lemmazeichen beim Typ Hauptlemma eingerückt und fett dargestellt wird, erscheint es beim Artikeltyp Sublemma ohne Einrückung recte gesperrt. Folgende Kombinationen von Artikeln sind nach dieser Struktur möglich: 1. Hauptlemma (ohne Sublemma) 2. Hauptlemma mit einem Sublemma 3. Hauptlemma mit mehreren Sublemmata Neben diesen beiden Lemmatypen arbeitet das AWb zur Auffindung der nicht in der ersten alphabetischen Ordnung stehenden Sublemmata mit einfachen Verweislemmata, die den Benutzer direkt zu einer durchnumerierten Eintragsstelle des Haupt- oder Sublemmas führen. Darüber hinaus erfüllen die durch Unterstreichung und mit einem Verweispfeil versehenen Verweislemmata in der Binnenverweisstruktur des AWb die Aufgabe, auf Anglizismen zu verweisen, für die es keinen eigenen Artikel im AWb gibt, weil sie im Korpus nicht häufig genug belegt sind, z.B. Streaker: Vgl. i Flitzer, d.h. beim Artikel Flitzer findet der Benutzer auch Informationen über Streaker. FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 181 Ferner weisen die Verweislemmata auf seltenere orthographische Doppelformen hin, die als Schreibvarianten geführt werden, dies betrifft z.B. k-Schreibungen, die unter -Cerscheinen. Beispiel: Klip. Klipp. Klipps. Klips: Vgl.: i Clip 1• Da mit diesem einfachen Verweissystem die alphabetische Zugriffsstruktur aufrechterhalten wird, ist ein separat angelegtes Register nicht notwendig. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß das AWb mit einem gemischten System von Basisartikeln (Haupt- und Sublemmata) und einfachen Auffindungslemmata (Verweislemmata) arbeitet. An Lemmazeichen unterscheidet das AWb wie bereits beschrieben drei Typen: 1. Wörter (Simplizia und Komposita) 2. Phraseologismen, die sowohl für das „äußere Lehngut" als auch für das "innere Lehngut" eine gleichartig aufgebaute Artikelstruktur aus einer festgelegten Menge von standardisierten Textbausteinen aufweisen. 3. Wortbildungselemente, die ihrem Status nach entweder gebundene (anti-, bio-) oder freie Morpheme (Umwelt-) sein können. 2.6.2 Die lexikographischen Textbausteine des A Wb 2.6.2.1 Lemma Hauptlemmata erscheinen in Fettdruck, Sublemmata werden durch Sperrung gekennzeichnet. Das „äußere Lehngut" erhält zusätzlich noch durch 'Mittenpunkt' angezeigte Silbentrennung. Im Gegensatz zum Rechtschreibduden werden auch Initialwörter getrennt, wenn sie nur aus Großbuchstaben bestehen. Die in dieser Position erscheinende Schreibung ist nicht präskriptiv wie im Duden Rechtschreibung, sondern stellt die häufigste im Korpus vorkommende Form dar. 2.6.2.2 Schreibvarianten Im Unterschied zu präskriptiven Wörterbüchern werden sämtliche im Korpus des AWb belegten graphischen Varianten des Lemmazeichens aufgeführt. So werden bei Jet-Set sechs und bei Gentleman's Agreement nicht weniger als neun Schreibvarianten aufgeführt. Die Schreibvarianten werden soweit wie möglich nach systematischen Kriterien (wie Groß- und Kleinschreibung bzw. Getrennt- oder Zusammenschreibung) angeordnet, weil nach Kirkness/ Wiegand (1983: 324) aufgrund der Entstehungsgeschichte des Paderborner Korpus eine Darstellung der zunehmenden replikasprachlichen Integration des Lemmazeichens von links nach rechts nicht möglich ist. Die vollständige Auflistung aller graphischen Varianten dürfte insbesondere für die Germanistik und zwar in erster Linie für die Orthographieforscher im Hinblick auf die Reformvorschläge für die deutsche Rechtschreibung von Interesse sein. · FLuL 23 (1994) 182 Ulrich Busse 2.6.2.3 Deutsche Aussprache Das AWb versucht anzugeben, wie im gegenwärtigen Deutsch verwendete Anglizismen von der Mehrzahl der deutschen Sprecher in der Standardsprache ausgesprochen werden. Dabei wird in den meisten Fällen nur eine Aussprache verzeichnet. Wenn mehrere Ausspracheangaben gemacht werden, spiegeln diese den vermuteten unterschiedlichen Grad der Integration der Lexeme in das deutsche Lautsystem wider. Die an erster Stelle stehende ist nach Meinung der Bearbeiter des AWb als die häufigere anzusehen. Die Darstellung der Aussprache basiert auf der Lautschrift der International Phonetic Association. Die in den Duden-Wörterbüchern getrennt aufgeführten Lautzeichen für „deutsche" und „fremdsprachliche" Aussprache wurden zu einem leicht modifizierten System zusammengefaßt, doch wurden insbesondere die im Duden Aussprachewörterbuch (Bearb. von Max Mangold in Zusammenarbeit mit der Dudenredaktion, 2. Aufl. 1990) verwendeten Lautzeichen so weit wie möglich beibehalten. Insgesamt wird im AWb ein hoher Grad an Integration im lautlichen Bereich zugrunde gelegt. Dieser Anspruch ist vor allem deshalb problematisch, weil das AWb auf einem schriftsprachlichen Korpus basiert und von Anglisten verfaßt worden ist, die wohl von berufswegen nicht als durchschnittliche native speakers des Deutschen angesehen werden können. Diese Inkonsequenz wurde jedoch aus mehreren Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den ausländischen Benutzer, bewußt in Kauf genommen. Da das AWb an anderer Stelle innerhalb der Mikrostruktur des Wörterbuchartikels auch die nach Ausweis des Everyman's English Pronouncing Dictionary (1977, 1988) normgerechte englische Aussprache verzeichnet, soll so dem an Interferenzproblemen interessierten Leser die Möglichkeit gegeben werden, die Prozesse nachzuvollziehen, die sich bei der Integration eines Anglizismus in das deutsche Sprachsystem auf der lautlichen Ebene ergeben. Mit Schreibung, graphischen Varianten und Aussprache wird zunächst die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens dargestellt. Die Abfolge der einzelnen Informationssegmente wird durch lexikographische Textgliederungssignale angezeigt und voneinander abgegrenzt. · 2.6.2.4 Grammatische Angaben Grammatische Angaben erfolgen nur bei Lemmata, die ganz oder teilweise mit englischem Wortmaterial gebildet sind. Bei den Substantiven werden GeQus, Genitiv Singular und Plural angeführt, wobei die Angaben in erster Linie auf den Korpusbelegen basieren. Bei den Verben wird insbesondere für ausländische Benutzer angegeben, ob sie im Deutschen transitiv, intransitiv, reflexiv oder reziprok verwendet werden und ob die zusammengesetzten Zeiten mit haben oder sein gebildet werden. FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 183 Bei den Adjektiven werden, wenn vorhanden, die Einschränkungen in der Verwendung dokumentiert, wenn ein Adjektiv z.B. nur attributiv verwendet wird oder nicht gesteigert werden kann. 2.6.2.5 Markierungen An Markierungen verwendet das A Wb geographische, zeitliche, pragmatische und Häufigkeitsmarkierungen. Auf stilistische Markierungen wie gehoben, bildungssprachlich, salopp, derb, vulgär etc. wird hingegen völlig verzichtet, weil dem A Wb vorwiegend aus Pressepublikationen entnommenes schriftsprachliches Belegmaterial zugrunde liegt, so daß kaum Aussagen über bestimmte Stilschichten möglich sind, in denen ein Anglizismus nur oder überwiegend vorkommt. Die pragmatische Markierung wird durch einen senkrechten Strich j von den grammatischen Angaben getrennt. Damit ergibt sich für den Wörterbuchartikel die folgende Struktur: Lemma, Schreibvariante(n) <[deutsche Aussprache] grammatische Angaben j pragmatische Markierung>. 2.6.2.6 Abkürzung/ Kurzform Diese Artikelposition erscheint nur, wenn es sich bei dem betreffenden Lemma um eine Abkürzung oder Kurzform eines an anderer Stelle im Wörterbuch behandelten Lemmas handelt. Beispiele: CD ... (Abk. von Compact-Disc) Deo ... (Kurzform von Deodorant) 2.6.2.7 Bedeutungsangabe Nach den in spitzen Klammem < > stehenden Informationen zu Aussprache, Grammatik und Pragmatik des Anglizismus erscheint die Angabe der Bedeutung, die in kleine hochgestellte Häkchen eingeschlossen ist. Die Bedeutungsangabe erfolgt in Form einer semantischen Paraphrase. Auf eine Aneinanderreihung von Wortsynonymen oder nächsten lexikalischen Entsprechungen eines Anglizismus im Deutschen wie Fahrrad bzw. Motorrad für Bike, Torwart oder Torhüter für (Goal-) Keeper wird verzichtet. Diese werden erst in der Rubrik Syn.[onyme] aufgeführt. Die Definition versucht die Bedeutung zwar möglichst umfassend, aber dennoch allgemeinverständlich darzustellen. Dies trifft besonders für eher fachsprachliche Lemmata aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu, wo sich die Definition an den interessierten Laien und nicht an die Experten aus den entsprechenden Gebieten richtet. Wenn das Lemma mehr als eine Bedeutung hat, werden die Bedeutungen durch Ziffern gekennzeichnet und in der Regel in der Reihenfolge aufgeführt, in der sie im Paderbomer Korpus zeitlich aufeinanderfolgend belegt sind. FLuL 23 (1994) 184 Ulrich Busse Der Differenzierung der Bedeutungen liegen die Prinzipien zugrunde, grundsätzlich zwischen Bedeutungen zu unterscheiden, die sich auf Personen beziehen, und solchen, die für Sachen gelten, wenn die Beleglage diese Trennung rechtfertigt. Lagen nicht genügend Belege vor, wurden mehrere Teilbedeutungen zusammengefaßt, die im Werkstattjargon des AWb „Semikolonbedeutungen" genannt werden. Bedeutungserweiterungen werden in einer besonderen Position als solche ausgewiesen; auf den problematischen Begriff der „übertragenen Bedeutung" wird jedoch verzichtet. Weist ein Anglizismus zwei oder mehrere Wortformen bei gleicher Bedeutung auf, wie etwa Comics, Comic Strip und Strip oder Bluejeans, Jeans und Nietenhose, wird nur bei der häufiger belegten Form eine volle semantische Paraphrase aufgeführt, während die seltener belegte Form einen Verweis auf die häufigere Form erhält. 2.6.2.8 Erstbeleg Hier wird der im Paderbomer Korpus vorhandene früheste Beleg für die zuvor aufgeführte Bedeutung des Lemmas ohne Berücksichtigung der Graphie angeführt. Vor zwei Trugschlüssen bei dem Begriff Erstbeleg sei allerdings in diesem Zusammenhang gewarnt. In vielen Fällen wird es möglich sein, z.T. erheblich frühere Belege beizubringen, z.B. durch die jetzt in Angriff genommene Neubearbeitung des Deutschen Fremdwörterbuchs im Institut für deutsche Sprache, und auch ein früher Erstbeleg sagt nur wenig über die tatsächliche Verbreitungshäufigkeit des betreffenden Wortes zu der Zeit aus. Erst wenn eine längere, ununterbrochene Sequenz von Belegen vorliegt, kann man davon ausgehen, daß sich ein Anglizismus im Deutschen etabliert hat (vgl. dazu auch Busse 1993: 88-98). 2.6.2.9 Erstbuchung in deutschen Wörterbüchern In dieser Artikelposition, die durch einen senkrechten Doppelstrich II von dervorangehenden getrennt ist, erscheint die Jahreszahl der ersten Wörterbuchbuchung des Lemmazeichens in deutschen Wörterbüchern mit einer Abkürzung für das betreffende Wörterbuch. Zu diesem Zweck wurden 68 deutsche Wörterbücher vom Handwörterbuch der deutschen Sprache (1804) bis zum Duden Fremdwörterbuch (1990) auf Anglizismen durchgesehen. Bei der Endredaktion habe ich die bislang nur sporadisch berücksichtigten Rechtschreibduden systematisch um die im Rahmen meiner Dissertation (1993) bearbeiteten 23 Dudenauflagen (1880-1986) ergänzt. Mit den Angaben von Erstbeleg und Erstbuchung versucht das AWb, dem Benutzer erste Aufschlüsse über den Entlehnungszeitpunkt einzelner Anglizismen, ihrer Teilbedeutungen sowie über eventuelle Lücken oder Verzögerungen ihrer bisherigen lexikographischen Erfassung zu liefern. Ein Strich in dieser Position besagt, daß das betreffende Stichwort außer im AWb bisher in keinem (der von uns eingesehenen) deutschen Wörterbücher verzeichnet ist. FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 185 Die Angaben von Erstbeleg und Erstbuchung werden durch die Textgliederungssignale ◊ und o vom übrigen Wörterbuchartikel abgetrennt. Damit ergibt sich für dieses lexikographische Textsegment die gleiche typographische Gestaltung wie bei Höfler (1982). Mit der zuletzt genannten Artikelposition endet die eigentliche lexikographische Beschreibung des deutschen Sprachzeichens. Die zwischen o und □ stehenden Textbausteine beschreiben das englische Sprachzeichen, und zwar seine englische Aussprache und den jeweiligen Lehnvorgang, der zu dem entsprechenden deutschen Sprachzeichen geführt hat. 2.6.2.10 Entlehnungsweg Auf den eingangs erwähnten Kolloquien, die der lexikologischen Vorbereitung des AWb dienten, konnte Einigkeit darüber erzielt werden, daß die im AWb lemmatisierten Anglizismen nicht nach einer der bereits vorliegenden Entlehnungstypologien klassifiziert werden sollen. Das AWb verzichtet daher auf die von Betz und anderen hervorgebrachten und in der Transferenzliteratur weit verbreiteten, modifizierten und auch nicht unwidersprochen gebliebenen Termini wie Lehnübersetzung, -übertragung, -prägung, -wendung, -formung, -bildung etc., sondern unterscheidet hauptsächlich zwei Markierungen, mit denen die Mehrzahl der Anglizismen abgedeckt werden kann. Dies geschah vor allem aus zwei Gründen: zum einen sind die o.g. Termini insbesondere zur Klassifizierung von Lehnvorgängen aus toten Sprachen, z.B.· dem Lateinischen, entwickelt worden, zum anderen ist die Unterscheidung der einzelnen Vorgänge für den Benutzer kaum nachzuvollziehen und z.B. in bezug auf die Differenzierung von Lehnübersetzung und Lehnübertragung wissenschaftsmethodologisch umstritten. (1) aus engl. x: Der Zweiseitigkeit des sprachlichen Zeichens Rechnung tragend wird die Markierung aus engl. x sowohl in den Fällen verwendet, in denen Wortkörper und Bedeutung aus dem Englischen übernommen worden sind (dt. Job aus engl. job) als auch in jenen Fällen, in denen nach Ausweis englischer Wörterbücher nur die Ausdrucksseite eines englischen Sprachzeichens ins Deutsche gelangt ist also das Deutsche Bedeutungen oder Bedeutungserweiterungen hervorgebracht hat, die in englischen Wörterbüchern nicht belegt sind. Derartige Fälle werden markiert als: aus engl. x, das in engl. Wbb. (in dieser Bed.) nicht belegt ist, z.B. dt. starten in bezug auf Flugzeuge, Raketen und Raumschiffe (engl. to take-off, lift-off, blast oft). Deutsche semantische und/ oder morphologische Eigenwege werden in der auf das Textgliederungssymbol □ folgenden Sektion ausführlich kommentiert. Die folgenden Prozesse bei der Übernahme englischen Wortguts werden bei der Zuordnung aus engl. x als regelhaft betrachtet: - Deutsche Großschreibung der Substantive - Deutsche Verbendungen (-en, -ieren) - Graphernische Veränderungen (c/ k-Schreibung, ss(/ 3-Schreibung, sh/ sch-Schreibung) sowie · FLuL 23 (1994) 186 Ulrich Busse grapho-phonetische Veränderungen wie bei Streik, Kautsch etc., die dazu geführt haben, daß sich die Schreibung an die deutsche Lautung angeglichen hat. (2) nach engl. x: Diese Kategorie ist für solche Sprachzeichen reserviert, die zwar nach englischem Vorbild entstanden, aber ganz oder teilweise mit deutschem Wortmaterial gebildet worden sind, z.B. Erste Dame nach engl. First Lady, Luftsack und Prallsack nach engl. airbag, Vorneverteidigung und Vorwärtsverteidigung nach engl. forward defence. Da solche Entlehnungen nicht immer mit Sicherheit nachzuweisen sind, operiert das AWb hier mit den Wahrscheinlichkeitsmarkierungen wahrsch. und evtl., um den unterschiedlichen Plausibilitätsgrad deutlich zu machen. Erfolgt keine Wahrscheinlichkeitsmarkierung, ist englischer Einfluß als gesichert anzusehen. (3) zu engl. x: Für die seltenen Fälle, die durch die beiden Kategorien aus und nach nicht abgedeckt werden, führt das AWb zusätzlich die l\ategorie zu engl. x ein. Diese Kategorie bleibt denjenigen Anglizismen vorbehalten, bei denen zwar ein englisches Vorbild deutlich erkennbar ist, das Deutsche aber Kürzungen oder sonstige morphologische Veränderungen des Wortkörpers vorgenommen hat, die das englische Sprachzeichen nicht aufweist. Beispiele sind etwa Deo, Pulli, Profi und Twen. 2.6.2.11 Englische Aussprache Das AWb gibt hier an, wie das englische Wort aus, nach oder zu dem das Lemmazeichen entstanden ist, im Englischen ausgesprochen wird. Dazu wurden das Everyman's English Pronouncing Dictionary (1977, 1988) sowie die beiden Lemerwörterbücher Longman Dictionary of Contemporary English (1987) und das Oxford Advanced Learner's Dictionary (1989) herangezogen. Für das Englische werden keine Aussprachevarianten angeführt, es sei denn, im amerikanischen Englisch herrscht eine andere Aussprachemöglichkeit als im britischen Englisch vor, wie z.B. bei (Cruise) Missile. Fragen, die sich aus der Rolle des in den (Aussprache-) Wörterbüchern gesetzten Standards und der tatsächlichen Sprachwirklichkeit ergeben, kann das AWb nicht behandeln. Mit der Angabe der englischen Aussprache endet im Regelfall ein Wörterbuchartikel im AWb. Nach dem Textgliederungssymbol □ werden, falls nötig, Zusatzinformationen zum Lemma gegeben. 2.6.2.12 Weitere Infonnationen zum Lemma Nach dem □ werden zwei Kategorien von Informationen behandelt: (1) Sprachliche Zusatzinformationen: Neben der Bedeutungsangabe werden vielen Lemmata in dieser Position sprachhistorische Zusatzinformationen zum Entlehnungsprozeß, zur Wortgeschichte und zur sprachlichen Integration des Anglizismus im Deutschen beigegeben. Kommentare zum englischen Vorbild erfolgen, FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 187 wenn hinsichtlich des Bedeutungsumfangs oder bei den Kollokationsmöglichkeiten Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Sprachzeichen bestehen. Besonders aufschlußreich sind in diesem Kontext diejenigen Fälle, die ohne englisches Vorbild entstanden sind und damit anzeigen, wie sehr der betreffende Anglizismus bereits in die deutsche Sprache integriert ist. (2) Sachinformationen: Hier werden nichtsprachliche Zusatzinformationen zur lexikographischen Definition gemacht, z.B. Angaben zur Entwicklung einer Sache, zu Erfindern, Urhebern, Buch-, Film- oder Musiktiteln, die für die Verbreitung eines Anglizismus gesorgt haben können. Die einzelnen Informationssegmente werden durch einen einfachen senkrechten Strich I voneinander getrennt. Die Sachinformationen ordnen das Signifikat einem Sachbereich zu und stellen es damit in ein Verhältnis zur realen Referenzwelt. Somit stellen sie eine wesentliche Ergänzung zur lexikographischen Definition dar. Auch in der äußeren Form unterscheidet sich diese „lexikographische Erzählung" im Stil deutlich von der komprimierten Form der vorangegangenen Definition. Die Schwierigkeit bei der Erstellung des AWb lag einerseits darin, daß diese Position nicht so streng genormt werden konnte wie die übrigen, und daß von Fall zu Fall entschieden werden mußte, ob und welche Sachinformationen der Leser möglicherweise erwartet. In der Einleitung zum AWb (1993: 98*) wird eingeräumt, „daß ein Ungleichgewicht zwischen einen Geisteswissenschaftler interessierenden Dingen und solchen aus den Bereichen Naturwissenschaften, Technik etc., die weniger leicht zugänglich waren, nicht zu übersehen ist". Trotz dieses Ungleichgewichts ist solche Zusatzinformation nicht „Beiwerk", wie Carstensen meint, sondern auch wenn man den Aufwand der Informationsbeschaffung und den Umfang innerhalb der einzelnen Wörterbuchartikel mit berücksichtigt zusammen mit der Bedeutungsexplikation eine umfassende Informationsmöglichkeit für den Benutzer über Wort und Sache, die in vielen Fällen neben dem rein sprachlichen Befund das Konsultieren einer Enzyklopädie überflüssig macht und das Lemma in einen größeren sozio-kulturellen Zusammenhang stellt. 2.6.2.13 Syn.[onyme] Da das AWb, wie beschrieben, im wesentlichen ein nach semasiologischen Prinzipien angeordnetes Wörterbuch ist, hat die Artikelposition Syn. die Aufgabe, auf bedeutungsähnliche semantische Nachbarn des Anglizismus hinzuweisen, die in der Regel nicht zum Lemmabestand des AWb gehören. 2.6.2.14 Vgl. Hier erfolgt der Verweis auf an anderer Stelle im Wörterbuch behandelte Lemmata, die ähnlich wie die Synonyme mit dem Lemma bedeutungsverwandt sind oder zum gleichen Wortfeld gehören bzw. mit dem Lemma in einem Sinn- oder Sachzusammenhang stehen. FLuL 23 (1994) 188 Ulrich Busse Diese beiden Artikelpositionen bilden damit eine onomasiologische Zugriffsmöglichkeit im semasiologischen Wörterbuch. 2.6.2.15 Belege Die Belege sind für jedes Lemma bzw. jede Teilbedeutung chronologisch angeordnet. Sie sind durchnumeriert und beginnen jeweils auf einer neuen Zeile. In Wortform, Bedeutung, Pragmatik etc. von der jeweiligen Bedeutung abweichende Belege werden vom Belegteil durch drei mittig gesetzte Sternchen *** abgetrennt und in der Artikelposition nach dem Textgliederungssymbol □ kurz kommentiert. Die Zahl der Belege konnte nicht grundsätzlich und nicht einheitlich festgelegt werden, sie spiegelt aber Häufigkeit und Wichtigkeit des Lemmas wider. Die authentischen Belege geben nach Möglichkeit den im Artikelkopf dokumentierten lexikographischen Befund wieder, und die Quellen stellen einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch das Korpus dar. 2.6.2.16 Nest Das durch geschweifte Klammem { } zusammengehaltene und am Ende des Wörterbuchartikels angeordnete Nest wurde aus zwei Gründen eingerichtet: Einerseits, um den Wörterbuchartikel nicht unnötig lang werden zu lassen, andererseits, um durch die Anführung von Komposita, Ableitungen und movierten Formen die Produktivität eines Anglizismus aufzuzeigen. Die einzelnen Kategorien von Nestbelegen werden jeweils durch Semikolon und eine Leerzeile voneinander getrennt. 2.6.2.17 Lit. Am Ende einiger Wörterbuchartikel steht die Angabe Lit., in der weiterführende Einzeluntersuchungen zu dem als Lemma behandelten Anglizismus angeführt werden. 3. Zusammenfassung Die bisherigen Ausführungen haben m.E. deutlich werden lassen, daß das AWb seinem Anspruch nach ein wissenschaftliches Wörterbuch ist, das sich eine erste Bestandsaufnahme des lexikalischen Einflusses der englischen Sprache auf das Deutsche nach 1945 zum Ziel gesetzt hat und dabei besonderes Augenmerk auf das bisher lexikographisch nur unzureichend und in seinem Ausmaß oft nicht realistisch eingeschätzte „innere Lehngut" legt. Aus diesem Grunde unterscheidet sich das AWb zwangsläufig von dem bisher einzigen deutschen Anglizismenwörterbuch von Neske/ Neske (1970, 1972) im Umfang und in der Art der Darstellung. Von Wörter- FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 189 büchem wie dem Duden Fremdwörterbuch (1990) unterscheidet sich das AWb ebenso deutlich. Während DF (1990) nach eigenen Angaben rund 50 000 Fremdwörter auf 832 Druckseiten behandelt, enthält das AWb 3 500 Hauptlemmata auf ca. 2 000 Druckseiten. Damit nimmt das AWb eine Sonderstellung in der deutschen Lexikographie ein: Es ist ein Spezialwörterbuch, das sich neben dem Deutschen intensiv auch mit dem Englischen beschäftigt, aber es ist kein zweisprachiges, sondern ein Interferenzwörterbuch. Vom Umfang und vom Adressatenkreis könnte man das AWb als synchronische Entsprechung oder Fortsetzung des diachronisch orientierten Deutschen Fremdwörterbuches betrachten, das seinerseits allerdings insbesondere den historischen Einfluß des Lateinischen und des Griechischen auf den deutschen Wortschatz verzeichnet. Die Entscheidung, ob sich das AWb an einen engeren oder weiteren Benutzerkreis richtet und die eine jeweils unterschiedliche Wörterbuchkonzeption bedingt, ist letztlich zugunsten eines engeren Benutzerkreises gefallen und hat zu einer Struktur geführt, "die wissenschaftliche Einsichten in die Inter- und Transferenzprobleme in ihrem sprachgeschichtlichen, sozio- und pragmalinguistischen Zusammenhang" ermöglicht (Reichmann/ Wiegand 1980: 332 f). Daraus folgt, daß sich das AWb primär an einen beschränkten Kreis von Fachleuten richtet, jedoch die genormte Artikelstruktur und das Bemühen um eine adäquate, aber sprachlich anschauliche Information dürfte auch solche Benutzer ansprechen mit „vorwiegend praktischen Informationsanliegen" die sich überwiegend auf das Einzelwort beziehen, wie z.B. Fragen nach der Aussprache, der Schreibung, der Bedeutung" (ebd.), falls dem nicht der relativ hohe Anschaffungspreis im Wege steht. Es steht zu hoffen, daß das AWb hier einen gangbaren lexikographischen „Mittelweg" zwischen diesen beiden Zielgruppen gefunden hat. Den divergierenden Interessen dieser beiden Benutzerkreise versucht das AWb u.a. auch dadurch Rechnung zu tragen, daß es, dem practical guide des OALD (1989) vergleichbar, eine kurzgefaßte „Beschreibung der lexikographischen Textbausteine" enthält. Dieser kurzen Benutzeranweisung steht eine umfassende Einleitung gegenüber, die der „Theorie und Praxis der Erfassung und Beschreibung von Anglizismen" gewidmet ist. Die aufgrund der nun bandweise erfolgenden Veröffentlichung des AWb in den ersten Band aufgenommene mehr als 1 450 Titel umfassende - Bibliographie zur verwendeten Sekundärliteratur stellt einerseits die volle Benutzbarkeit des Werkes sicher, da die Literatur Bezug zu den Wörterbuchartikeln hat. Darüber hinaus enthält sie andererseits zahlreiche aus anglistischer Perspektive ausgewählte Werke zur Transferenzlinguistik mit Schwerpunkt des englischen Einflusses auf das Deutsche, die insbesondere für Transferenzforscher von Interesse sein dürften. Abschließend ist zu bemerken, daß trotz gründlicher lexikologischer Vorarbeiten und mancher Mitarbeiterbesprechung, in der sich die Mitarbeiter des Forschungsprojektes als „implizite Leser" versucht haben (unter dem Motto: Versteht der Leser das? Will er das wissen? ), der typische Wörterbuchbenutzer des AWb nicht FLuL 23 (1994) 190 Ulrich Busse im voraus „geplant" werden konnte, so daß eventuelle Frustrationen der tatsächlichen Benutzer, indem sie z.B. vergeblich einen Eintrag im A Wb suchen, nicht vermieden werden können. Trotzdem hoffen wir, daß die Reduzierung auf einen überschaubaren Lemmabestand, dessen umfassende lexikographische Behandlung aber für eine Vielzahl von Benutzern aufschlußreiche Informationen liefert und dabei sowohl in erster Linie die Ansprüche der (germanistischen) Fachwelt befriedigt, die verschiedenen Aussagen zufolge „dringlich" auf das AWb wartet, als auch den Bedürfnissen des sprachinteressierten Laien gerecht wird. Die Bedeutung des englischen Einflusses auf die europäischen Sprachen ist nicht zuletzt aus der Tatsache abzulesen, daß es inzwischen für zahlreiche europäische Sprachen spezielle Anglizismenwörterbücher gibt und das A Wb hier eine Forschungslücke schließt (vgl. dazu auch die Bibliographie des AWb 1993: 129*f). Um Gebrauch und Frequenz von Anglizismen in Europa in Form eines Wörterbuches zu erfassen, ist Manfred Görlach zur Zeit damit beschäftigt, A Usage Dictionary of Anglicisms in European Languages zu erarbeiten. Bibliographische Angaben 1. Wörterbücher Anglizismen-Wörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945. Begründet von Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse (1993). Bd. 1. Berlin: de Gruyter. Deutsches Fremdwörterbuch (1913-1988). Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler, bearbeitet von Gabriele Hoppe, Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde Nortmeyer und Gerhard Strauß. 7 Bde. Berlin: de Gruyter. Duden. Aussprachewörterbuch. Wörterbuch der deutschen Standardaussprache ( 1990). Bearbeitet von Max Mangold in Zusammenarbeit mit der Dudenredaktion. 2. Aufl. Der Duden in 10 Bänden, Bd. 6. Mannheim: Dudenverlag. Duden. Fremdwörterbuch (1990). Bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. 5. Aufl. Der Duden in 10 Bänden, Bd. 5. Mannheim: Dudenverlag. Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter ( 1986). Herausgegeben von der Dudenredaktion auf der Grundlage der amtlichen Rechtschreiberegeln. 19. Aufl. Der Duden in 10 Bänden, Bd. 1. Mannheim: Dudenverlag. Everyman's English Pronouncing Dictionary (1977). Originally compiled by Daniel Jones, extensively rev. and ed. by A. C. Gimson. 14th ed. London: Dent. Everyman's English Pronouncing Dictionary (1988). Originally compiled by Daniel Jones, extensively rev. by A. C. Gimson. 14th ed. with revisions and supplement by Susan Ramsaran. London: Dent. Handwörterbuch der deutschen Sprache (1804) mit besonderer Rücksicht auf die Synonyme derselben, für alle diejenigen, welche das Deutsche richtig reden und schreiben wollen. Halle/ Saale: Kümmel. HÖFLER, Manfred (1982): Dictionnaire des Anglicismes. Paris: Larousse. FLuL 23 (1994) Das Anglizismen-Wörterbuch und seine Benutzer 191 Longman Dictionary of Contemporary English (1987). Ed. Della Summers. 2nd ed. Harlow: Longman & Berlin: Langenscheidt. NESKE, Fritz/ NESKE, Ingeborg (1970, 1972): dtv-Wörterbuch englischer und amerikanischer Ausdrücke in der deutschen Sprache. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English (1989). Ed. A. P. Cowie. 4th ed. Oxford: Oxford University Press. 2. Sekundärliteratur BUSSE, Ulrich (1993): Anglizismen im Duden. Eine Untersuchung zur Darstellung englischen Wortguts in den Ausgaben des Rechtschreibdudens von 1880-1986. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 139). CARSTENSEN, Broder (1965): Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945. Heidelberg: Winter (Beihefte zum Jahrbuch für Amerikastudien). CARSTENSEN, Broder (1981a): "Englisches im Deutschen. Bericht über Planung und Vorarbeiten zu einem Anglizismen-Wörterbuch als Schwerpunkt eines Forschungsprojekts". In: GRABES, Herbert (Hrsg.): Anglistentag 1980 Gießen. Tagungsbeiträge und Berichte. Großen-Linden: Hoffmann, 13-48. CARSTENSEN, Broder (1981b): "Informationen zum geplanten Anglizismen-Wörterbuch". In: Der fremdsprachliche Unterricht 15, 218-220. CARSTENSEN, Broder (1983): "English Elements in the German Language. Their Treatment and Compilation in a Dictionary of Anglicisms". In: HYLDGAARD-JENSEN, Karl/ ZETI'ERSTEN, Arne (Hrsg.): Symposium zur Lexikographie/ Symposium on Lexicography September 1-2, 1982 at the University. of Copenhagen. Hildesheim: Olms (= Germanistische Linguistik 5-6/ 82), 13-34. CARSTENSEN, Broder/ GALINSKY, Hans (1963): Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache. Entlehnungsvorgänge und ihre stilistischen Aspekte. Heidelberg: Winter. HOFFMANN, Lothar (31987): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 3. Aufl. Berlin: Akademie Verlag. KIRKNESS, Alan/ WIEGAND, Herbert Ernst (1983): "Wörterbuch der Anglizismen im heutigen Deutsch". In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 11, 321-328. REICHMANN, Oskar / WIEGAND, Herbert Ernst (1980): "Wörterbuch der Anglizismen im heutigen Deutsch". Kolloquium vom 14. bis 16. Februar 1980 an der Universität-GH-Paderbom. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 8, 328-343. ZöFGEN, Ekkehard (1994): Lernerwörterbücher in Theorie und Praxis. Ein Beitrag zur Metalexikographie unter besonderer Berücksichtigung des Französischen. Tübingen: Niemeyer (Lexicographica. Series maior; 59). FLuL 23 (1994)