eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 23/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1994
231 Gnutzmann Küster Schramm

Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer

121
1994
Lutz Köster
Fritz Neubauer
flul2310221
Lutz Köster, Fritz Neubauer Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer Abstract. The article presents observations ofhow foreign undergraduate learners use the newly published learners' dictionary of German. There were problems in using this new type of dictionary that could be traced back to various aspects of the dictionary articles. The authors offer suggestions about how some of the difficulties could be remedied and come to the conclusion that, in spite of some of the criticism, the new dictionary constitutes lexicographical progress in comparison with the other available German dictionaries. 0. Nachdem innerhalb einiger Monate die erste Auflage von Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (LGDaF) 1 verkauft war, bietet der nun vorliegende leicht veränderte Nachdruck einen Anlaß, über erste Eindrücke und Erfahrungen von Studierenden und Lehrenden mit diesem Wörterbuch zu berichten. In studienvorbereitenden Sprachkursen an der Universität Bielefeld (PNdS-Kurse) hatten die Studierenden Aufgaben zur Textreproduktion und Textproduktion zu bearbeiten. Die Arbeit mit dem Wörterbuch wurde in einer Kombination aus Protokoll und retrospektiven Interviews festgehalten. Die Lemergruppen setzen sich aus Studierenden mehrerer Sprachen und Nationalitäten zusammen, die in Deutschland ein Erst- oder Aufbaustudium in unterschiedlichen Fächern anstreben. Unter Verwendung des zum Wörterbuch erhältlichen „Arbeitsblatts" wurde mit den Studierenden zuvor ein kurzes Benutzungstraining durchgeführt.2 Im folgenden wollen wir nicht die gelungenen Benutzungsprozesse dokumentieren, auch nicht Lücken bzw. Inkonsequenzen in der Auswahl der Lemmata (Export, Pils, Kölsch sind aufgenommen, Alt und Weizen nicht) und offensichtliche Fehler in den Definitionen vorführen, die gleichwohl auffielen (etwa zu Kuppelei, zu Bunker, zur „Konjunktion im Nebensatz" aber). Statt dessen sollen uns wichtige Para- Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache: Das neue einsprachige Wörterbuch für Deutschlernende. [Herausgegeben von] Dieter GöTZ, Günther HAENSCH, Hans WELL- MANN. In Zusammenarbeit mit der Langenscheidt-Redaktion. Berlin [usw.]: Langenscheidt 1993, XXVI + 1182 Seiten. 2 Dank gebührt an dieser Stelle den Studierenden im Magisterstudiengang Deutsch als Fremdsprache an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, die durch ihre aktive Mitarbeit im Seminar zum neuen DaF-Wörterbuch im Wintersemester 1993/ 94 zu diesem Artikel beigetragen haben, sowie den Studierenden in den PNdS-Kursen für ihre Bereitschaft, das Wörterbuch zu erproben. FLuL 23 (1994) 222 Lutz Köster, Fritz Neubauer meter des neuen Lernerwörterbuchs, die Homogenität der Binnensystematik sowie die in Details durch Benutzungsprotokolle und Lerneräußerungen empirisch belegten Probleme der Zugriffsstruktur dargestellt werden. Die nur in Monaten zu messende Zeit für Beobachtungen läßt eigentlich nur Zufallsergebnisse erwarten, eine systematische empirisch fundierte - Analyse des Wörterbuchs mit Änderungsvorschlägen muß späteren und repräsentativeren Analysen vorbehalten bleiben. 1. Es ist offensichtlich, daß es sich bei diesem Wörterbuch wie im Untertitel auch klar erkennbar nicht nur um ein neues Wörterbuch handelt, sondern auch um ein Wörterbuch des fürs Deutsche neuen Typs „Lernerwörterbuch", das Lernern der englischen, französischen oder russischen Sprache schon seit vielen Jahren bekannt war, im deutschen Sprachraum aber bisher in diesem Umfang nicht existierte. Das heißt, daß die Interessen derer, die nicht deutsche Muttersprachlerinnen oder Muttersprachler sind, die aber bereits eine bestimmte Kompetenz in der deutschen Sprache erlangt haben, explizit berücksichtigt werden. Das LGDaF unterscheidet sich damit von Wörterbüchern, die zwar die Gruppe der Lernenden im Vorwort gerne erwähnen vermutlich, um sie zum Kauf zu animieren -, sie aber dann im Hauptteil des Wörterbuchs sehr schnell vergessen. Allerdings wird nirgendwo weiter etwas darüber ausgesagt, ob die Zielgruppe für das Wörterbuch wirklich aus al 1 e n DaF-Lernenden besteht (für den Verkauf doch sicher angestrebt). Wenn man die „Lexikographischen Vorbemerkungen", die „Hinweise für den Benutzer" und die Wörterbuchtypographie betrachtet, so läßt sich fast der Eindruck gewinnen, daß von den Benutzern bereits ausgezeichnete Sprach- und Vorkenntnisse im Benutzen von Wörterbüchern erwartet werden. Fürs Deutsche wie auch für andere Sprachen, die in Europa und der Welt als Kommunikationssprachen gelernt werden, trifft aber in immer größerem Maße zu, daß sie nicht nur - und vielleicht auch in immer geringerem Maße von Spezialisten fürs Sprachenlernen, von Philologen gelernt werden. Für Nicht-Philologen ist die zu lernende Sprache ein Mittel der Kommunikation oder ein Mittel, einen Beruf zu erlernen, sich in einem Beruf fortzubilden oder ein nicht-philologisches Studium zu absolvieren. Bei dieser immer größer werdenden Zielgruppe von Wörterbuchbenutzern ist philologisches oder lexikographisches Interesse nicht mehr als vorhanden vorauszusetzen. Um so mehr überrascht die sprachlich komplizierte Formulierung der umfangreichen „Hinweise für den Benutzer", denen unbedingt ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt werden sollte. Die Studierenden sahen zwar explizit die Notwendigkeit, diese „Hinweise" zur Kenntnis nehmen zu müssen, bemängelten aber zu Recht die Dominanz des Passivs, syntaktisch unnötig komplizierte Konstruktionen, wie Passiversatzkonstruktionen "sind zu finden" [S. X], "lassen sich ableiten" [S. XV]), uneingeleitete Konditionalsätze, idiomatische Wendungen "es würde den Rahmen sprengen" [S. IX]), manche Wortwahl "Unterschiede werden verzeichnet" [S. XV], "Vorsicht ist geboten" [S. XVIII]) und die Anführungszeichen, die als metasprach- FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 223 liehe Signale eingesetzt werden: Wörter haben sich „verselbständigt" (S. XI), "Bausteine" (S. XXI) und „Partner" (S. XXVI) werden so eingeführt. Für Nachschlagende ohne germanistische oder philologische Vorbildung wirken die „Lexikographischen Vorbemerkungen", die man noch vor den Benutzerhinweisen findet, eher abschreckend. Es wäre sehr zu empfehlen, "Lexikographische Nachbemerkungen" am Ende des Bandes abzudrucken. 2. Die Typographie, die auf weniger erfahrene Wörterbuchbenutzer keine Rücksicht nimmt, beeinträchtigt das erfolgreiche Nachschlagen, wie zahlreiche Beispiele . ~eigen. So hatten mehrere Studierende Schwierigkeiten, unter den angebotenen Lesarten eines Lemmas die für einen Kontext richtige auszuwählen. Besonders deutlich wird das am folgenden Beispiel, in dem das Substantiv Leistungsfähigkeit im Artikel Leistung nachgeschlagen wurde: L~•stung die; -, -en; 1 der Prozeß, bei dem j-d etw. leistet' (1) od. das Ergebnis dieser Arbeit (e-e gute, schwache, hervorragende L., e-e L. bieten, erbringen, erzielen, vollbringen, zeigen; die L. steigern; von j-m e-e L. verlangen; j-n zu e-r L. treiben): Gauß vollbrachte großartige Leistungen im Bereich der Mathematik; Der Titelverteidiger zeigte e-e nur mäßige L. u. schaffte lediglich ein Unentschieden II K-: Leistungs-, -abfall, -anstieg, -bereitschaft, -bilanz, -druck, -niveau, -steigerung, -streben, -test, -vergleich, -vermögen, -wille, -zwang; leistungs-, -bereit, -fördernd, -orientiert, -steigernd, -schwach, -stark II -K: Arbeits- 2 nur Sg; die L. (1 ), die ein Organismus od, ein System normalerweise schafft: die enorme L. e-s Elektronenmikroskops; die L. des menschlichen Gehirns II K-: Leistungs-, -fähigkeit; leistungs-, -fähig 3 mst PI; bes die Summen Geld, die e-e Firma od. e-e Versicherung anj-n zahlt: die Leistungen e-r Krankenkasse; die sozialen Leistungen e-s Betriebs, e-s Unternehmens II -K: Sozial- 4 Phys; die Arbeit, die ein "Interpretiert" wurde diese Anordnung bzw. Lesartenabfolge wie folgt: Leistungs-, -fähigkeit; leistungs-, -fähig 3 mst Pl; bes die Summen Geld, die e-e Firma od. e-e Versicherung an j-n zahlt Übersehen wurde die 3, wobei dem Probanden zuzugestehen ist, daß er der normalen Leserichtung folgte, statt wie von ihm eigentlich verlangt zurückzugehen, um die Lesart 2 zu konsultieren. Es ist offensichtlich, daß die halbfette 3 als Markierung für die nächste Lesart besonders nach den halbfett-kursiven Wortbildungsbeispielen nicht genügt. Ein ähnliches Problem zeigte sich beim Suchen eines Eintrags für Recht auf Der Grund dafür, daß diese Wortverbindung im Artikel Recht nicht aufzufinden war, hat wiederum mit der Typographie zu tun, die dazu führt, daß R.[echt] auf etw. in einer ganzen Serie halbfett gesetzter Wortbildungsbeispiele schlichtweg „verschwindet": FLuL 23 (1994) 224 Lutz Köster, Fritz Neubauer Rll! cht das; -(e)s, -e; 1 nur Sg, Kollekt; die Regeln für das Zusammenleben der Menschen in e-m Staat, die in Gesetzen festgelegt sind ( das bürgerliche, öffentliche R.; das R. anwenden, verletzen, brechen; das R. auf seiner Seite haben, wissen): Nach geltendem R. ist die Beschaffung von Heroin strafbar II K-: Rechts-, -angelegenheit, -auffassung, -auskunft, -beratung, -lage, -ordnung, -philosophie, -schutz, -sprache, -unsicherheit, -verbindlichkeit, -verletzung, -vorschritt, -wissenschaft II -K: Arbeits-, Beamten-, Ehe-, Eigentums-, Eltern-, Familien-, Grund-, Haus-, Jugend-, Kirchen-, Kriegs-, Kündigungs-, Patent-, Privat-, Scheidungs-, Staats-, Straf(prozeß)-, Tarif-, Urheber-, Verfassungs-, Verkehrs-, Vertrags-, Völker-, Zivil- 2 das R. (auf etw.(Akk)) der (moralisch od. gesetzlich verankerte) Anspruch (auf etw.) < ein angestammtes, unveräußerliches, verbrieftes R.; die demokratischen, elterlichen, vertraglichen Rechte; ein R. geltend machen, ausüben, mißbrauchen, wahrnehmen; sein R. fordern, wollen, bekommen; sich (Dat) ein R. nehmen, anmaßen, vorbehalten; auf sein R. pochen ( = sein Recht fordern); j-m ein R. übertragen, verweigern, absprechen, entziehen; j-s Rechte wahren, verletzen): Die Verfassung garantiert das R. des Bürgers auffreie Meinungsäußerung; Der Rechtsanwalt versuchte, ihr durch e-e Klage vor Gericht zu ihrem R. zu verhelfen; Mit welchem R. gibst du mir Befehle? II -K: Aufenthalts-, Se/ bstbestimmungs-, Wahl- 3 nur Sg; das, Ein Lernerwörterbuch, das allen Benutzern den Zugang zum Wörterbuch erleichtern möchte, könnte in Erwägung ziehen, die althergebrachte lexikographische Praxis der Unterscheidung zwischen Homonymen (die traditionell als verschiedene Stichwörter erscheinen) und Polysemen (die traditionell unter einem Stichwort erscheinen) aufzugeben, wodurch sich allerdings die Zahl der separaten (aber durchnumerierten) Stichwörter drastisch vermehrt. Diese separate Auflistung mit den sich daraus ergebenden neu beginnenden Anfangszeilen könnte DaF-Lernende vielleicht dafür sensibilisieren, bei der Auswahl von Bedeutungen sorgfältiger vorzugehen. Hilfsweise müßte auch in Erwägung gezogen werden, die Zahlen, die die verschiedenen Lesarten anzeigen, in inverser Darstellung O, @ , usw. zu setzen, um auf die neue Bedeutung hinzuweisen. Fehlleistungen traten z.B. auch beim Nachschlagen des Wortes verfügen für den Kontext über Informationen verfügen auf, wo erst die dritte angebotene Lesart dem Kontext entspricht. Das gleiche Problem taucht auf bei der Suche nach dem Wort Tat für den Kontext in der Tat, der erst als Lesart 6 angeboten wird. Die nachgeschlagene Lesart „eine einzelne Handlung, mit der man etw. bewirkt" ergibt für den Kontext hier keinen Sinn. Aber selbst unter der Voraussetzung, daß die Lesarten klarer separiert werden, bleibt es eine wichtige Aufgabe der Wörterbuchdidaktik, die Lernenden darauf hinzuweisen, daß in den meisten Fällen beim Nachschlagen im Wörterbuch damit zu rechnen ist, daß mehrere Möglichkeiten angeboten werden und daß es nicht die beste Strategie ist, die erste Bedeutung als die Bedeutung zu akzeptieren. FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 225 3. Der Typus Lernerwörterbuch zeigt sich u.a. daran, daß die Angabe des Genus durch den voll ausgeschriebenen Artikel erfolgt. Das sind dann im Vergleich zu m oder r in anderen Wörterbüchern bei jedem Wort zwei Buchstaben mehr, erspart aber den Lernenden den Übersetzungsschritt von m in der. Eine Eigenart unsensitiver Benutzer soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Im Wörterbuch nachgeschlagen wurde in abnehmender Häufigkeit bei Problemen mit der Bedeutung eines Lexems, der Rechtschreibung und der Artikelwahl. Wurde lediglich der Artikel gesucht, dann wurde von den Studierenden in vielen Fällen die Bedeutung des vermeintlich bekannten Lexems nicht zur Kenntnis genommen: Aus „Mißstände" im Hörtext wurde MifJverständnis das, aus „Schatz" wurde, französisch inspiriert, Tresor der (lt. Protokoll), im Eigentext dann als „das Tresor" realisiert. Auch andere grammatische Informationen, z.B. über die Verbformen und die Verbrektion werden direkt im Wörterbucheintrag angegeben: überreden: überredete, hat überredet ... Vt j-n (zu etw.) überreden, was den Benutzern das erspart, was in anderen Wörterbüchern durch Nachschlagen von Verweisen auf Verbklassen im Anhang erzielt werden soll, sicher aber in vielen Fällen unterbleibt. Die Strukturformeln werden allerdings oft fehlinterpretiert oder ungenügend beachtet. Unter dem Eintrag zu widmen liest der Studierende unter 3 sich j-m/ etw. w. und ist auch bei Nachfrage überzeugt, daß etw. für den Akkusativ steht. Zwar wird in den „Hinweisen für den Benutzer" auf die Parallelität von j-m und etw. hingewiesen (S. XXIV), diese Bedingung ist aber offensichtlich nicht präsent; die eigentlich redundante Kasusangabe sollte in solchen Fällen vielleicht doch eingefügt werden. An diesem Eintrag kann man auch demonstrieren, daß die Strukturformeln mit den Definitionen und besonders den Beispielsätzen besser abgestimmt sein sollten: widmen 1 j-m etw. w. Beethoven widmete Napoleon seine 3. Symphonie. Ersichtlich sind die Eigennamen nicht flektiert: wer wem in welchem Kasus etwas widmet, ist nur aufgrund des Weltwissens zu entscheiden. Die Entscheidung, bei bestimmten Verben im LGDaF die Angaben für Akkusativobjekt und akkusativisch gebrauchtes Reflexivpronomen zusammen und nicht als zwei mögliche Lesarten (mit Vt = transitives Verb und Vr = reflexives Verb) aufzuführen, führte zu einer fehlerhaften, nicht reflexiven Verwendung von gewöhnen Vt 1 j-nlsich an etw. (Akk) g. (ebenfalls bei informieren). In vielen Fällen finden die Strukturformeln bei der Textproduktion nicht genügend Beachtung; es werden Kasusangaben oder Präpositionen nicht übernommen und fehlerhafte Sätze gebildet. Dies ist natürlich nicht dem Wörterbuch anzukreiden, sondern unterstreicht erneut die Notwendigkeit, die DaF-Lernende mit der Benutzung des Wörterbuchs vertraut zu machen. Die „Hinweise für den Benutzer" sindbezogen auf die Strukturformeln beim Verb sehr genau; für den Normalbenutzer aber auch abschreckend genau und umfangreich. Bei Verben, wie etwa kondensieren, und mehreren Substantiven fehlten den Studierenden die präpositionalen Anschlüsse, so daß sie irgendwelche oder gar keine Präpositionen verwendeten: Auseinandersetzung (über, um), Anlaß (für) waren gesucht, "Anlaß über parlamentarische Untersuchungen" wurde geschrieben. Bei FLuL 23 (1994) 226 Lutz Köster, Fritz Neubauer Kontinent, das wegen der Suche nach dem Artikel nachgeschlagen wurde, fehlte die explizite Angabe der Präposition, im Lernertext hieß es dann „kommen aus amerikanischem Kontinent" und „in diesem Kontinent". Des weiteren findet man die Präposition auf sowohl s.v. Insel als auch s.v. Land <auf dem L. leben; vom L. kommen>; beim dort angegebenen Antonym Stadt aber fehlen die Kollokationen „in der S. leben; aus der S. kommen". 4. Zum Eingehen auf die Bedürfnisse der Lernenden gehört auch, daß „die Bedeutungen der Stichwörter [...], so weit es geht, durch einen einfachen und verständlichen Wortschatz beschrieben" werden "Hinweise für den Benutzer" [XIX]). Auch das unterscheidet dieses Wörterbuch von anderen Wörterbüchern, in denen häufig ein schwieriges Wort durch andere, in vielen Fällen noch weniger verständliche Wörter erklärt wird, so daß ein ausdauernder Benutzer in einer Art 'kombinatorischer Explosion' das ganze Wörterbuch konsultieren müßte. Die im großen und ganzen gelungene Beschreibung der Bedeutungen „durch einen einfachen und verständlichen Wortschatz" ging allerdings nicht so weit wie in einigen Lernerwörterbüchern des Englischen (z.B. im Longman Dictionary of Contemporary English [= LDOCE], 1987), in denen der in den Worterklärungen verwendete Wortschatz auf eine bestimmte Zahl von Wörtern beschränkt wurde ("defining vocabulary"). Da eine solche explizite Kontrolle hier nicht stattfand, schleichen sich an einigen Stellen in den Worterklärungen doch wieder Wörter ein, die nicht nur Lernende vor Verständnisprobleme stellen können, wie z.B. Straf- oder Zivilprozeß (in der Bedeutungserklärung von Bundesgerichtshof). Unabhängig davon, ob ein Definitionswortschatz angestrebt wird oder nicht, müßte bei künftigen Überarbeitungen zumindest der Versuch gemacht werden, die in den Bedeutungserklärungen und Beispielen auftretenden Wörter zu kontrollieren, so daß eine bewußte Entschei- · dung für oder gegen die Verwendung von bestimmten Wörtern an die Stelle der intuitiven (und vielleicht sogar kreativen) Verwendung von Wörtern tritt. Natürlich zeugt es von Bewandertheit, den Koalabären im Beispielsatz für beheimatet anzuführen. Ob allerdings alle Benutzer außerhalb Australiens mit diesem Wort vertraut sind, ist eine ganz andere Frage; hier wird der Beispielsatz lexikalisch nur kompliziert, ein weniger exotisches Tier hätte auch genügt. Weitere in den Bedeutungserklärungen oder Beispielsätzen auftretende Lexeme, die man auch im Wörterbuch nicht finden kann, sind Eisprung (in Ovulation), erigiert (in Phallus), Lymphe (inführen), GUS (in exportieren). Die Studierenden stolperten über Lexeme, die weiter hätten nachgeschlagen werden müssen, wie Pokal (in Trophäe) oder überhaupt nicht (in keineswegs), das anschließend im zweisprachigen Wörterbuch nachgesehen wurde; aus dem Eintrag zu anhand, das mit unter Berücksichtigung von, mit Hilfe von erklärt ist, wurde nur die letztgenannte, vertraute Paraphrase ins Protokoll übernommen. 5. Für enkodierende Aufgaben sollten sich Lernerwörterbücher von strikt alphabetisch angelegten Wörterbüchern durch onomasiologische Anreicherung und Clu- FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 227 sterbildung abheben, damit sie auch für die Produktion von L2-Texten angemessen eingesetzt werden können. Auch zur systematischen Kompetenzerweiterung ist es unverzichtbar, die vielfältige Strukturiertheit des Wortschatzes sichtbar zu machen. Zu den idealen Parametern gehören deutlich getrennt von der Definition eine entsprechende Zahl von Synonymen und Antonymen, integrierte Verweise auf Wortfamilien und Wortfelder, Visualisierungen von Sach- und Wortfeldern, explizite semantische oder pragmatische Kommentare. Unerläßlich scheint gerade in diesem Zusammenhang ein "Workbook", das die Konzeption darstellt und eine Wörterbuchdidaktik unterstützt, die von wenig geübten Benutzern auszugehen hat. Die Wörterbuchdidaktik hat eben deutlich zu machen, daß Wörterbuchbenutzung nicht nur aus der momentanen Notlage heraushelfen soll, sondern auch beim L2- Lernen helfen kann,. gerade wenn Lernende den Umfang der Einträge "sehr lang und umfangreich") und den Zeitaufwand "man braucht mehr Zeit, um zu verstehen") im Vergleich mit ihren zweisprachigen Wörterbüchern negativ einschätzen. Neben der bereits erwähnten Zusammenstellung von Wort- und Sachfeldern in Illustrationen bietet das LGDaF nun innerhalb der Einträge zu den Lemmata Synonyme, Antonyme, Derivate, Wortfamilien und Hinweise auf Besonderheiten unter dem Signum 'NB' (siehe unten) sowie an geeigneten Stellen außerhalb der Einträge geballte Informationen in Form kompakter, tabellarischer Übersichten. Unter einem expliziten Synonymieverweis (: : : : ) finden sich nach den Definitionen Synonyme, die in den meisten Fällen wiederum als eigene Lemmata nachgeschlagen werden können. Querkontrollen ergeben allerdings, daß einige Synonyme nur hier erwähnt sind und der Benutzer diese ergänzende Information nicht adäquat einschätzen kann: Sardelle "' Anchovis; Lamm: 5 das L. Gottes : : : : Agnus Dei; Massiv : : : : Gebirgsstock; bahnbrechend"' epochemachend. In einem Fall wurde verblaßt gesucht, aber nicht gefunden; zufällig entdeckten wir es als Synonym unter verbleichen. Synonyme in semasiologischer Position kommen in nur wenigen Fällen vor, eine unerwünschte Zirkelsynonymik wird vermieden, indem das Synonym an entsprechender Stelle definiert wird, wobei in diesen Fällen auffällig oft auf Rückverweise verzichtet wird, da offensichtlich einige, aber eben nicht alle Lexeme der nicht produktiv zu beherrschenden saloppen Umgangssprache angehören: intim"' 7 gemütlich; bärbeißig "' unfreundlich, mürrisch; verschusseln "' 1 verlieren 2 vergessen; Pack "' Gesindel; Chose : : : : Angelegenheit, Sache; Kroppzeug "' 1 Gesindel 2 Kram, Plunder. Synonyme werden. von den Studierenden häufig genutzt. Das aus der Wörterbuchbenutzungsforschung bekannte Vorgehen, die Definitionen zu überspringen und auf die ihnen bekannten Synonyme bei der Textreproduktion zurückzugreifen, zeigt sich auch in unseren Benutzungsprotokollen. Für Emotion wird Gefühl gewählt, für Schicht wird das in dem betreffenden Kontext (archäologische Ausgrabungen) allerdings nicht synonyme Lexem Lage genommen. Sinnvoll ist die Kombination von Synonymen und Antonymen ( H ), die die Bezüge innerhalb des Wortschatzes verdeutlichen und Anregungen für die Produk- FLuL 23 (1994) 228 Lutz Köster, Fritz Neubauer tion von Texten geben: leichtsinnig "" unvorsichtig, leichtfertig, fahrlässig H vorsichtig, bedacht. Auch hier sind nicht immer die nötigen Querverweise vorhanden. Antonyme werden als Mittel der sprachlichen Kompetenzerweiterung eingesetzt, es wird dabei ein weiter Begriff von Antonymie zugrunde gelegt: Neben mickrig H riesig; kurzärmelig H langärmelig; unfreundlich H liebenswürdig, entgegenkommend finden sich nützliche Hinweise auf Sachfelder Kurzwelle H Langwelle, Mittelwelle, UKW; Mittelschicht H Unterschicht, Oberschicht; Lyrik H Epik, Dramatik; Fußgänger H Radfahrer, Autofahrer. Transparente Derivate zu den Lemmata werden ohne eigene Definition aufgeführt und machen so gleichzeitig typische Wortbildungsprozesse deutlich: schänden hierzu Schänder der; -s, -; Schändung die; zertrümmern hierzu Zertrümmerung die; nur Sg; zu Katze 1 katzenartig Adj; katzengleich Adj; katzenhaft Adj. Auf Lexeme innerhalb von Wortfamilien( ►), die ihre Verwandtschaft, oft aufgrund von Vokalwechsel, nicht auf den ersten Blick verraten, wird ebenfalls verwiesen: wollen ► Wille; beschießen ► Beschuß; Saat ► säen; sagen ► unsäglich; mies ► vermiesen. Diese Lexeme werden dann an entsprechender alphabetischer Stelle noch definiert, versehentliche Unterlassungen von diesem Grundsatz finden sich allerdings auch, der Teufel steckt im Detail: menschlich ► vermenschlichen. · Eine innovative Ergänzung zum semasiologischen und onomasiologischen Teil sowie zum Demonstrationsteil stellt die Kategorie 'NB' (notabene) dar, auf deren Potenzen bedauerlicherweise nicht in den „Hinweisen für den Benutzer" aufmerksam gemacht wird. 3 Hierunter fallen Informationen zur Flexion (Student: den, dem, des Studenten), Orthographie, zu Verwendungsbedingungen und landeskundlichpragmatischen Besonderheiten (Essen: Das Frühstück wird nicht als Essen bezeichnet). Zur Wortschatzvernetzung tragen einfache Verweise auf semantisch nahe und fehlerträchtige Lexeme (Meer NB: i Ozean, See; Riß NB: i Spalt, Sprung; anscheinend NB: i scheinbar), semantische Kommentare und kleinere Exkurse zur Bedeutungsdifferenz etwa von Stiel, Griff und Henkel; Kind, Baby, Kleinkind und Jugendliche(r) oder farbig und bunt bei. Auch hier gilt wieder, daß die Verweise nicht in allen Fällen wechselseitig erfolgen. Beim Halbwaisen finden wir NB i: Waise, Vollwaise, bei diesen hingegen keinen Verweis auf Halbwaise. Ein letztes Angebot machen umfangreichere, teils tabellarische Zusammenstellungen etwa zumß, zu Possessivpronomen, zu den Deklinationstypen des Adjektivs, zu Präpositionen, die durch Illustrationen visualisiert werden, aber auch zu mathematischen Zeichen, zu den 'Verben des Denkens und Vermutens' (bei annehmen) und zur Anrede im Deutschen, von denen einige zum Lesen 'verführen' können. Doch: können wirklich alle Deutschlernenden dieses bereits im Bereich der Wortschatzvernetzung reichhaltige Angebot, das das LGDaF bereithält, auch nutzen? Das beim Verlag erhältliche „Wörterbuch-Arbeitsblatt", das lediglich zwei Probeseiten und zwölf Übungen enthält, kann nur ein Schnellkurs für vorgebildete Nutzer 3 Auch als Lemma ist notabene übrigens nicht aufgenommen. FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 229 sein, wie unsere Erfahrungen in den universitären Sprachkursen für ausländische Studierende aller Fächer zeigen. Ein derart fein durchdachtes Arbeitsinstrument verlangt nach einem Übungsheft, das das vorliegende Lernerwörterbuch nun auch tatsächlich in ein Wörterbuch zum Lernen transformiert. 6. Idealiter sollte ein solches Arbeitsinstrument den Lerner in die Lage versetzen, auch nie zuvor gehörte und in keinem Wörterbuch verzeichnete Lexeme wie kultuifreudig, lachlustig und bindungsfähig (Zitate aus Kontaktanzeigen) verstehen zu können. Oder genereller formuliert: dem Lerner sollte es ermöglicht werden, auch mit Hilfe eines Wörterbuchs Selbständigkeit in seiner wortanalytischen Kompetenz (potentiellen Wortkompetenz) zu erlangen. Das LGDaF nimmt dementsprechend sehr viele Wortbildungsmorpheme bzw. Grundmorpheme, die wortbildungspotent sind, als eigene Stichwörter auf. Hierzu gehören reihenbildende Substantive (z.B. -anlage, -muffe[, Ober-, Affen-), Adjektive (z.B. -artig, -fähig, alt-, voll-) und Affixe (z.B. ur-, Ge-, er-, -keit, -mals, -in). Ein beträchtlicher platzzehrender Aufwand wird mit den movierten Formen getrieben. So werden über den Eintrag des Lemmas -in hinaus sehr häufig die weiblichen Entsprechungen wie Romanistin, Gammlerin, Republikanerin aufgeführt; aber warum findet man bei den Demokraten, unter Hausbesetzern oder unter Germanisten keine Frauen? Fremdaffixe sind in sehr großer Zahl aufgenommen, -ator, -iker, -ist, -oid, de-, des- und inseien stellvertretend genannt. Im letztgenannten Fall wird auch in einem NB-Kommentar auf die Bildungsregularitäten il-, im-, irhingewiesen. Es fehlen -nom, -Loge, -graph und etwa auch -or, so daß die am Ende der Artikel jeweils genannten, aber nicht weiter definierten Derivate in diesen Fällen möglicherweise unverständlich bleiben: bei Invasion finden wir Invasor, bei Inquisition Inquisitor. Nicht ganz plausibel scheint uns die erstmalig in einem Wörterbuch erfolgte Angabe der Produktivität zu sein, Reihenbildende Lemmata werden nach vier Kategorien differenziert: 'nicht (mehr) produktiv', 'wenig produktiv', 'begrenzt produktiv', 'sehr produktiv'. Die Unterscheidung zwischen 'wenig produktiv' und 'begrenzt produktiv' ist in vielen Fällen nicht nachvollziehbar, etwa wenn Mono-, das als Konfix mit h~imischen wie mit Fremdwörtern und Fremdkonfixen Verbindungen eingeht, als 'wenig produktiv', und Polyals 'begrenzt produktiv', mithin im Frequenzkontinuum höher angesiedelt, eingestuft werden. Auf was hin 'begrenzt die Produktivität' zu interpretieren ist, wird in den „Hinweisen für den Benutzer" nicht erwähnt. Beim Suffix -los ist die spezifizierende Angabe, vermutlich 'sehr produktiv', vergessen worden; der berechtigte Verweis auf -frei (bei -frei fehlt dieser Querverweis) sollte vielleicht um einen semantischen Kommentar ergänzt werden, der die Kombinationsbeschränkungen erwähnt. Derivate werden, ohne daß sie als eigene Lemmata behandelt werden, am Ende der Artikel genannt. Hier werden die regelmäßig gebildeten (Adjektive auf -ig, Substantive auf -ität, -ung usw.; -ung hat keinen Eintrag bekommen! ) wie auch die unregelmäßig gebildeten Derivate aufgeführt: anmelden - Anmeldung; irregulär - FL~L 23 (1994) 230 Lutz Köster, Fritz Neubauer Irregularität; Wollust wollüstig; absorbieren - Absorption; Inzest inzestuös; irrelevant - Irrelevanz. Innerhalb der Artikel sind transparente Komposita mit der Kennzeichnung -K, Ksamt ihren Interfixen aufgeführt: An•t~n•ne die; -, -n; e-e Vorrichtung aus Metall (oft auf dem Dach e-s Hauses), mit der man Radiood. Fernsehsendungen empfangen od. senden kann II K-: Antennen-, -mast, -verstärket II -K: Fernseh-, Haus-, Radio-, Zimmer- Das neben Komposition und Derivation dritte Wortbildungsmodell, die Kurzwortbildung, ist ebenfalls in das LGDaF aufgenommen. In phonetischer Umschrift wird auf Buchstabier- oder Lesekürzungen bei problematischen Kurzformen wie etwa ADAC, MEZ, RAF und HIV hingewiesen. Aussprachehilfen werden im übrigen nur in den Fällen gegeben, wo Schwierigkeiten bei Lernenden vermutet werden, z.B. in früh, Larve oder bei Fremdwörtern. 7. Der nur regional gebräuchliche Wortschatz, besonders was den süddeutschen Gebrauch betrifft, ist reichlich vertreten, wie z.B. Semmel oder Maß, aber auch Besonderheiten des Sprachgebrauchs in Österreich und der Schweiz wie Marille, Spital, Grüß Gott oder Grüezi (mit Lautschrift! ). Broiler bekommt das Etikett „ostd.", und der norddeutsche Gebrauch von Sonnabend wird auch als solcher bezeichnet. Speziellere Wörter wie Schrippe oder Tabak-Trafik blieben unberücksichtigt. Noch reichlicher vertreten sind die Lemmata zu den verschiedenen Stilebenen der deutschen Sprache, die von der „gehobenen Stilebene" bis zu Wörtern reichen, die nur in der gesprochenen Jugendsprache oder in vulgärer Sprache verwendet werden. Ob ein kleiner Scheißer oder Scheißdreck wirklich schon das Etikett "vulgär" verdient, der Scheißkerl aber noch mit „gesprochener Sprache" davonkommt, scheint ebensowenig eindeutig zu sein wie einige andere der Zuordnungen zu den verschiedenen Stilebenen. Schwierig zu klassifizieren sind die idiomatischen Wendungen, Redensarten und Sprichwörter, die innerhalb des Wörterbuchartikels ohne weitere Differenzierung als ID gekennzeichnet werden. So stoßen wir im Artikel Mücke auf den Idiomatismus aus einer Mücke einen Elefanten machen und s.v. Huhn auf die Redewendung Ein blindes Huhn findet auch einmal ein Korn, während man im Eintrag für Grube die sprichwörtliche Verwendung wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein vergeblich sucht. Zwar wird uns oft ein reichhaltiges Inventar solcher „ID" angeboten; bei umfangreichen Artikeln, wie z.B. bei Haar mit mehr als 30 Zeilen für idiomatische Ausdrücke, vermißt man jedoch das klare Ordnungsprinzip. Erschwerend kommt hinzu, daß das „ID" zu Beginn einer solchen 'Serie' typographisch nicht ausreichend hervorgehoben ist und dem Benutzer leicht entgeht. Die fachsprachlichen Begriffe sollen entsprechend den „Hinweisen für den Benutzer" dann erscheinen, wenn die entsprechenden Bezeichnungen „in die FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 231 Allgemeinsprache eingedrungen sind". Zum Teil sind sie allerdings in die „Hinweise für den Benutzer" eingedrungen, nicht aber in das Wörterverzeichnis, was den wenig erfahrenen Wörterbuchbenutzer erneut benachteiligt. Über Morphologie und Funktionsverben wird in den „Hinweisen" gesprochen, von Funktionsverb ist auch bei ergreifen die Rede, ohne daß es lemmatisiert wäre. Es gibt zwar ein Etikett 'Ling.' für „Linguistik, Sprachwissenschaft", in der Makrostruktur fehlt das Lemma Linguistik jedoch. Demgegenüber wurden Phonem, Phonologie und Phonetik aufgenommen (letztere ohne die Kennzeichnung 'Ling.'), obwohl auch von diesen Wörtern bezweifelt werden kann, daß sie in die Allgemeinsprache eingedrungen sind; attributiv wird gegenüber prädikativ und adverbial nur unzureichend erklärt. Lücken dieser Art scheinen darauf hinzudeuten, daß an manchen Stellen eine etwas systematischere Wortauswahl von Vorteil gewesen wäre oder eine Streichung von Wörterbucheinträgen ohne Berücksichtigung der Gesamtabstimmung stattfand. 8. Die Auswahl der Lemmata und der entsprechenden typischen Beispielsätze ist für Lexikographen eine der schwierigsten Aufgaben, die nur über eine große Datenbasis annähernd zu bewältigen ist. Die beeindruckend große Zahl der Beispielsätze, durch die die Anwendung der Stichwörter (etwa in Form von Kollokationen) illustriert wird, stellt allerdings nicht immer eine repräsentative Auswahl dar. Unter dem Stichwort Entscheidung werden als Verbkollokatoren aufgeführt: treffen; zu e-r E. kommen; e-r E. ausweichen, aus dem Weg gehen. Warum nicht auch eine Entscheidung fällen? An keiner Stelle wird etwas über die eigentliche Datenbasis für das Wörterbuch gesagt. In den „Lexikographischen Vorgemerkungen" wird zwar darüber berichtet, daß erfundene Beispiele sinnvoll~r sein können als authentische aus einem Korpus; ob aber überhaupt ein Korpus und gegebenenfalls welches benutzt wurde, verschweigt uns das LGDaF. 9. Illustrationen unterstützen die lexikalischen Erklärungen, sollten aber auch durch die Art der Darstellung selbsterklärend sein. In L2-Lernerwörterbüchern können sie leicht verwechselbare Wörter kontrastieren, metaphorisch verwendete Lexeme visualisieren, Sach- und Wortfelder zeigen, nur schwer •zu erklärende Lemmata bildlich verdeutlichen und enzyklopädische Informationen bereitstellen. Kriterien für Illustrationen gibt es also genügend; in den „Hinweisen für den Benutzer" werden allerdings keine genannt. Lediglich in den „Lexikographischen Vorbemerkungen" heißt es, daß die Illustrationen „Bedeutungsunterschiede und semantische Zusammenhänge" verdeutlichen sollen. Die Analyse ergibt, daß sicherlich Kriterien der genannten Art zugrunde gelegt worden sind geometrische Figuren und ein Rad schlagen beziehen sich auf Umrisse und komplexe Handlungen, die eine Illustrierung nahelegen. Man findet unikale Illustrationen (Tube, Sieb), die auch um die Bezeichnung dazugehöriger Teile erweitert sein können (Schlitten + Kufe; Pinsel + Borste; Pilz FLuL 23 (1994) 232 Lutz Köster, Fritz Neubauer + Hut + Stiel + Lamelle). Oft werden aber Chancen vergeben, mehr als nur ein Lemma zu bezeichnen: Das Bild des Fahrrads weist zwar Dynamo und Reflektoren auf, sie erscheinen aber nicht als Legende in der Illustration, obwohl sie als Lemma bzw. Verweis im Wörterbuch vorhanden sind. Das Auge ist detailliert bezeichnet, der (riesengroße) 'Zahn dagegen nicht. Auf der im leeren Raum angesiedelten Terrasse stehen nicht bezeichnet ein Sonnenschirm mit Gartenstuhl und Gartentisch. Das aus dem LDOCE übernommene Auto weist zwar Radkappen, Türgriff und Antenne auf, sie sind aber im Gegensatz zur Originalzeichnung im LDOCE nicht markiert, obwohl Radkappe und Antenne sogar eigene Lemmata im LGDaF sind. An dieser Stelle eine kurze Bemerkung zur Übernahme von Illustrationen aus dem LDOCE: Kürzende Eindeutschungen werden etwa beim Gemüse und Obst vorgenommen, Kartoffel (! ), Porree, Feigen u.a. fehlen nun in den Übersichten. Von den im LDOCE unter dem Hyperonym berries visuell versammelten Beerensorten treffen wir im LGDaF die Erdbeere zusammen mit der Himbeere beim Lemma Erdbeere wieder. Funktionale Illustrationen (Stecker + Schukostecker + Steckdose; Computer mit Rechner und Peripheriegeräten) verdeutlichen Zusammenhänge. Nomenklatorische Illustrationen (Theater, Fußball) führen, wenn auch unvollständig, in den Fachwortschatz bestimmter Bereiche ein. Eine szenische Illustration zeigt einen „typisch deutschen" Frühstückstisch und belegt eine wichtige Funktion von Illustrationen in einem Wörterbuch, nämlich landeskundliche Informationen zu transportieren (mit Blume, aber ohne Wurst, ohne Bezeichnung von Käseglocke (Lemma! ), Deckeln, Eierlöffel oder Messer). Zu Recht ist dagegen der baseball glove bei der Übernahme des Lemmas Handschuhe aus dem LDOCE entfallen. Vorgänge werden außerdem sequentiell illustriert (aufblasen, schaukeln, platzen, Purzelbaum, jemandem eine Spritze geben), Wort- und Sachfelder unter dem entsprechenden Oberbegriff visualisiert: Schuhe, Raubkatzen, Waffen, Kinderwagen, Eigenschaften, wobei Verweise auf die Abbildungen bei den einzelnen Lemmata die nötigen Bezüge gewährleisten sollen. Daß etwa der Querverweis von Kleidung auf Bekleidung fehlt, ist besonders ärgerlich; der Synonymieverweis steht nur bei Bekleidung, dort findet man auch die Illustrationen, auf die bei Kleidung nicht hingewiesen wird. Neben zeichnerisch gut gelungenen Zusammenstellungen (Stühle, Werkzeug) gibt es aber einige Inkonsistenzen zu kritisieren: Blasinstrumente, Schlaginstrumente und Streichinstrumente werden gemeinsam unter dem Hyperonym vorgeführt, warum sind aber die Zupfinstrumente Gitarre, Mandoline und Zither jeweils bei ihren Lemmata illustriert, und warum fehlen bei den Lemmata Blasinstrumente, Streichinstrumente die Verweise aufeinander? Bei den Gartengeräten ist die Gartenschere gleich groß mit der Heckenschere, bei den Lampen die Laterne genauso groß wie die Stehlampe; bei der Darstellung der Homonyme eine wichtige Aufgabe der Illustrierung ist die Abbildung einer Astgabel (Lemma Gabel) nicht zu identifizieren, beim Lemma Falten sind die Illustrationen nicht selbsterklärend, bei den Eigenschaften muß das Alltagsbzw. Fachwissen bei waagerecht eine nicht FLuL 23 (1994) Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache und seine Benutzer 233 genau erkennbare Wasserwaage(? beim Lemma fehlt wieder der Verweis) identifizieren helfen. Die ca. 195 Illustrationen entstammen sechs Bildquellen, was sich auf das Gesamterscheinungsbild eher negativ auswirkt: so sind die aus dem LDOCE übernommenen Illustrationen „eingedeutscht" und um wichtige Aspekte gekürzt, oder die von dem Ko-Zeichner erstellten Illustrationen arbeiten mit flächigen Schwarz- und einigen Grauwerten, die oft uneindeutig bleiben: Dübel, Ähre, Mappe, Manschette, Flügel weisen diese negativen Charakteristika auf. Was ist das Typische des abgebildeten CD-Players? Warum weist die Urkunde einen gerade noch lesbaren, "absurden" Text auf? Eine einheitliche Darstellung durch nur die eine verantwortliche Zeichnerin würde dem Gesamteindruck und den Einzelillustrationen gut tun. Bei einer Überarbeitung müßten außerdem willkürlich und unüberlegt erscheinende Plazierungen nach welchen Kriterien wurden eigentlich die Zeichnungen aufgenommen? - und Dimensionierungen 4 geändert werden. Fazit: Nach diesen Beobachtungen und Kommentaren ist zu fragen, ob das LGDaF fortgeschrittenen Deutschlernern und z.B. auch den künftigen Teilnehmern unserer Kurse empfohlen werden kann. Trotz der durchaus kritischen Anmerkungen sind wir doch der Meinung, daß der vorliegende Titel den meisten einsprachigen Wörterbüchern in vieler Hinsicht überlegen ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Aufbereitung der grammatischen Information, die Präsentation der Wortbildungsmöglichkeiten, die Ansätze zu begrifflich geordneten Wortschatzzusammenstellungen und die Formulierung der Worterklärungen. Diese Einschätzung wird auch von den befragten Studierenden geteilt, die bislang mit anderen einschlägigen einsprachigen Wörterbüchern gearbeitet haben. Auch für Lehrkräfte in multinationalen Gruppen, in denen Deutsch ausschließliche Unterrichts- und Erklärungssprache sein muß, kann das Wörterbuch ein Hilfsmittel sein, wenn man einmal nicht mehr weiß, wie ein Begriff am besten zu erklären ist, oder wenn man sich nicht nur auf die eigene Intuition verlassen will. Vor allem ist dieses Wörterbuch auch deshalb zu begrüßen, weil damit endlich der Anfang zu einer echten Lernerwörterbuchtradition im deutschsprachigen Raum gemacht ist. Wenn man sich die ersten Auflagen der entsprechenden englischen Lernerwörterbücher ansieht und sie mit den heute im Buchhandel erhältlichen vergleicht, so sieht man gewaltige Unterschiede. Unsere Erfahrungen als Lehrkräfte mit diesem neuen Wörterbuch und was noch wichtiger ist die Erfahrungen bei der Benutzung des Wörterbuchs durch Sprachlernende und die begleitende Benut- 4 So bekommen Sternzeichen eine halbe Seite, Schachfiguren werden über zwei Spalten dargestellt. Bei der Litfaßsäule und auch aus der gegebenen Definition kann man nicht erkennen, wie groß sie in der Realität sein könnte. FLuL 23 (1994) 234 Lutz Köster, Fritz Neubauer zerforschung können dazu beitragen, daß in einigen Jahren an den Stellen, an denen jetzt noch kleinere Schwierigkeiten auftreten, Veränderungen erfolgen können. In der Zwischenzeit läßt sich das gerade noch transportierbare und erschwingliche Wörterbuch sowohl für die Arbeit zu Hause, als auch im Deutschunterricht gut einsetzen und kann zu einer gewissen Entwöhnung vom zweisprachigen Wörterbuch bei denen beitragen, für deren Sprachen es gute zweisprachige Wörterbücher gibt. Vor allem-ist es für die Lernenden eine große Bereicherung, für deren Sprachen es nur relativ veraltete oder gar keine zweisprachigen Wörterbücher gibt. FLuL 23 (1994)