eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 23/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1994
231 Gnutzmann Küster Schramm

Vilmos BÁRDOSI / Stefan ETTINGER / Cécilie STÖLTING: Redewendungen Französisch-Deutsch

121
1994
Johannes Thiele
Vilmos BÁRDOSI / Stefan ETTINGER / Cécilie STÖLTING: Redewendungen Französisch-Deutsch. Thematisches Wörter- und Übungsbuch. Tübingen: Francke 1992 (UTB; 1703), XXVIII + 259 Seiten [DM 29,80]
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262 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Vilmos BARDosr/ Stefan ETIINGER/ Cecile STÖLTING: Redewendungen Französisch-Deutsch. Thematisches Wörter- und Übungsbuch. Tübingen: Francke 1992 (UTB; 1703), XXVIII+ 259 Seiten [DM 29,80]. Phraseologismen (PHR) sind im Lexikon einer Sprache fixierte, kodifizierte, zumindest aber die Tendenz zur Usualisierung zeigende Einheiten von Mehrwort-Formativ und Bedeutung. Die wesentlichen Eigenschaften der zum phraseologischen Kernbereich gehörenden PHR sind Polylexikalität, relative Stabilität, vollständige oder teilweise Idiomatizität und Lexikalisierung. Um solche Wendungen geht es in dem zu besprechenden Wörter- und Übungsbuch. Nach langer Forschungsabstinenz rücken Phraseologismen als Forschungsfeld und insbesondere Glossare und Wörterbücher von Redensarten wieder ins Blickfeld der Forschung. Eingeweihte wissen, daß der Neuanstoß hierzu von einer Forschergeneration der ehemaligen Sowjetunion ausging. Es ist hier nicht der Ort, Autoren und Werke im einzelnen aufzuführen. Es sei deshalb nur kurz auf neueste Arbeiten verwiesen: Wotjak/ Richter (1988), Földes/ Kühnert (1990), Hessky (1993) alle drei zum Deutschen - oder für die Schule im Stuttgarter Klett-Verlag innerhalb der Reihe Quiz- und Übungsbücher: Lang-Valchs (1987) zum Spanischen, Gebhardt- Bemot (1992) zum Französischen, Lijmbach/ de Boer (1992) zum Niederländischen und Ettinger/ Nunes (1994).zum Portugiesischen. Besonders erfreulich ist, daß nun auch romanistische Phraseologen auf den Plan gerufen wurden und wir die Zunahme von Arbeiten zur Phraseologie wie auch zur Phraseographie beobachten können. So ist es ein Verdienst von Ettinger, daß er in Zusammenarbeit mit einer frankophonen Kollegin die 1986 in Ungarn erschienene Arbeit De fil en aiguille des Romanisten Vilmos Bardosi für den deutschsprachigen Benutzer aufgearbeitet hat. Fast unverändert blieben der umfangreiche Übungsteil mit Schlüssel, der thematische und französische Index sowie die Anmerkungen zu den Beispielen. Neu bearbeitet wurden das Vorwort, die Benutzerhinweise und die thematisch gegliederte Beispielsammlung. Neu geschaffen wurde der Index deutscher phraseologischer Entsprechungen. Die Neubearbeitung kann sich auch auf eigene Lehrerfahrungen mit dem ungarischen Vorgänger an einer deutschen Hochschule stützen. Das Ergebnis dieser Gemeinschaftsarbeit ist ein gewandeltes zweisprachiges Wörter- und Übungsbuch zur Phraseologie des Französischen für deutsche Benutzer, das seine Nachfolger in anderen Sprachen sucht. Das Büchlein wendet sich in erster Linie an fortgeschrittene Romanistikstudenten, aber auch Teilnehmer an Volkshochschulen wie auch Gymnasiasten der Oberstufe könnten Adressaten sein. Das ursprüngliche Corpus von 1 000 PHR wurde beibehalten. Interessant und von der Norm der Lexikographie abweichend ist die Präsentation des phraseologischen Materials. Gegliedert wird nach onomasiologischem Prinzip. Im ersten Hauptteil des Buches werden zunächst Leitbegriffe («concepts-cles») präsentiert, die in sich dann nochmals in thematische Gruppen aufgefächert sind (1-132). Diese Gliederung nach Leitbegriffen, die zweifellos weder absolut noch erschöpfend sein kann noch will man vergleiche hierzu die immer wieder gescheiterten Versuche einer logisch-begrifflichen Gliederung der Welt-, hilft dem Benutzer dieses Wörterbuchs, z.B. unter verschiedenen phraseologischen Ausdrucksmitteln zu wählen, wenn er Trunkenheit benennen oder geringe geistige Fähigkeiten eines Menschen nicht einfach mit dumm bezeichnen will. Das Wörterbuch enthält 25 Kapitel mit Themengruppen, die eigentlich mit Wortfeldern identisch sind. Der Leitbegriff LA VIE HUMAINE umfaßt z.B. die Wortfelder Ages de la vie, Sante, Maladie und Mort. Dem genannten Leitbegriff gehen voraus L'HOMME DANS SON ASPECT PHYSIQUE - I und . L'HOMME FAISANT SA TOILETTE. Alles in allem betrachtet ist eine durchaus logische Ordnung in der Abfolge wie auch im Innern der «concepts-cles» zu erkennen. Anders gesagt, die Gliederung der Schlüsselwörter läßt ohne weiteres eine Progression erkennen. Als sehr nützlich und wichtig erweist sich auch der fünfgliedrige zweite Hauptteil des Buches, der mit "Exploitation pedagogique" (133-204) überschrieben als Übungsteil gedacht ist und den Benutzer zur richtigen FLuL 23 (1994) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 263 Anwendung der PHR führen soll. Mit diesem Teil kann nach den Prinzipien Erkennen ➔ Verstehen ➔ Anwenden gearbeitet werden. Umfangreiche Übungen verschiedenster Art machen vertraut mit morphosyntaktischen Einschränkungen der PHR und deren stilistischer Markiertheit und erlauben das richtige semantische Verständnis der idiomatischen Ausdrücke. Sie sind so gestaltet, daß die Wendungen systematisch erlernt werden können. Visualisierungen in Form von Karikaturen, Rebussen sowie Rätselübungen sollen das Lernen erleichtern. Der Schlüssel ("Corrige des exercices" [206-214]) bietet die Lösung der Aufgaben und Übungen. Die Numerierungen sind auf die einzelnen Teile des Buches bestens abgestimmt, so daß ein bequemes Auffinden der PHR möglich ist. Das Buch wird somit auch für das Selbststudium verwendbar. Wertvoll sind die Indices am Ende der Arbeit im vierten Kapitel. Römische und arabische Ziffern ermöglichen -~inen mehrfachen Zugriff auf die phraseologische Sammlung. Überhaupt ist die drucktechnische Gestaltung sehr benutzerfreundlich. Normal-, Fett-, Klein- und Kursivdruck, unterschiedliche Klammem, Fußnoten sowie die aus der Erstfassung übernommenen Anmerkungen mit lexikalischen und etymologischen Erläuterungen machen die Konsultation des Buches bequem und interessant. Kommen wir nochmals auf die Mikrostruktur des "Dictionnaire" zurück! Der französische PHR wird mit Hilfe einer französischsprachigen Paraphrase, gegebenenfalls zwei Paraphrasen semantisiert. Beiden wird eine deutsche Umschreibung und gegebenenfalls ein äquivalenter deutscher PHR zur Seite gestellt. Die zahlreichen verbalen Wendungen daneben enthält die Sammlung adverbiale PHR und idiomatisierte Vergleiche, substantivierte Wendungen sind in der Minderzahl werden wie üblich im Infinitiv angegeben. Phraseologische Varianten kennzeichnen die Autoren durch Schrägstrich, fakultative Elemente erscheinen in Klammem. Winkelklammern benutzen die Verfasser, um Angaben zur Mikrostruktur der Wendung zu machen, so z.B. grammatisch bedingte Restriktionen wie <gewöhnlich negativ gebraucht> oder <nur im Passiv> oder semantische Spezifikationen wie <en parlant d'une femme> im Falle der Wendung avoir du chien. Zur Verbesserung der Erstfassung haben die Bearbeiter viel Augenmerk auf die Angabe von Sprachregistern gerichtet. Als Referenzwörterbücher dienen ihnen vor allem der Petit Robert und das Deutsche Universalwörterbuch. Stilistisch neutrale PHR bleiben unmarkiert. Es ist bekannt, daß die Bedeutungspräzision in der bisherigen Phraseographie wenig zufriedenstellend ist. Ohne Frage ist sie weitaus schwieriger als beim Lexem zu bewerkstelligen. Geht es doch darum, neben der Bedeutungsbeschreibung auch die besonderen Gebrauchsbedingungen festzuhalten, d.h. z.B. konnotative und pragmatische Merkmale herauszuarbeiten. In der Regel ist der PHR in stärkerem Maße Bedingungen und Restriktionen unterworfen als das Wort. Auf eine Kurzformel gebracht, geht es darum zu sondieren, wer gebraucht gegenüber wem wann, wo und wozu diese oder jene Wendung. Erst die Beantwortung dieser Fragen fördert den „semantischen Mehrwert" gegenüber einer synonymischen Alternative in Form einer Paraphrase oder eines Wortes zutage. Es ist bekannt, daß gerade hier die zahlreichen phraseologischen Glossare und Wörterbücher die größten Defizite aufweisen. Das besprochene Wörterbuch befindet sich hier in einer Vorreiterposition, indem es nicht nur einen umfangreichen und sinnvollen Übungsapparat mit z.T. begleitender Visualisierung anbietet, auf onomasiologische Weise in Begriffsfeldern die assoziativen (zumeist synonymischen und antonymischen) Bezeichnungen zwischen benachbarten Wendungen differenzierend aufzeigt und sorgfältig geprüfte Paraphrasierungen darbietet, sondern vor allem auch mehr als andere Vorgänger die mikrostrukturelle Beschreibung verbessert, so z.B. durch Angabe der Sprachregister und/ oder Hinweis auf eine übliche Geste (V/ 21 avoir un poil dans la main), durch grammatische Gebrauchsbeschränkung auf z.B. Vergangenheit oder Futur (III/ 25 ne pas faire de vieux os), durch semantische Selektionen wie z.B. <von alten Menschen> (III/ 8 avoir bon pied bon ceil), <... se dit surtout des choses> (III/ 5 etre vieux comme Herode), <surtout en parlant d'un vetement> (II/ 13 cela lui va vomme un gant), <souvent pour cacher ! es traces de l'äge> (II/ 23 se refairelse ravaler lafai; ade), <von Mädchen oder Kleinkin- FLuL 23 (1994) 264 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel dern> (I/ 2 etre joli/ mignon ii croquer oder durch Angabe des Sprachniveaus und der Stilfärbung, z.B. (ugs. scherzh.) (II/ 4 „barfuß bis zum Hals"). So trägt das Wörterbuch auch der Tatsache Rechnung, daß boire du (petit) lait (XVIII/ 2) so viel heißt wie „sehr gern hören; sichtlich genießen", dies aber sich nur auf Sachverhalte bezieht, die Lob, Kompliment oder Schmeichelei beinhalten. Manches wäre noch verbesserungsbedürftig. So könnten sicherlich noch passende deutsche Äquivalente gefunden werden, wo sie lediglich durch Umschreibungen ersetzt sind, beispielsweise XVI/ 31 "vom Hundertsten ins Tausendste kommen"), XVII/ 34 "wie ein Ölgötze dastehen"), XII/ 3 "frei wie ein Vogel sein"), XVI/ 36 "Parteichinesisch reden"). Schwieriger gestaltet sich ohne Zweifel die Suche nach angemessenen deutschen Redewendungen bei landestypischem soziokulturellen Hintergrund, man vgl. IV/ 30 faire le trou normand, IV/ 4 manger en suisse. Hier wird die Suche zumeist erfolglos sein, und man ist besser beraten, es bei der Paraphrase zu belassen oder einen Kommentar hinzuzufügen. Das Buch geht besonnen tückischen Interferenzen zwischen beiden Sprachen aus dem Wege, wie das Beispiel V/ 9 (suer sang et eau = dt. "sich abmühen") zeigt, das zwar dem deutschen PHR „Blut (und Wasser) schwitzen" formal entspricht, aber eine andere Bedeutung hat, denn die deutsche Wendung meint „große Angst vor einem unangenehmen Ausgang haben". Ein beredtes, oft in der Literatur zitiertes Beispiel ist auch die französische Wendung mettre la puce ii l'oreille (XIII/ 7), dt. ,jmdn. mißtrauisch machen", während die formale deutsche Entsprechung „jmdm. einen Floh ins Ohr setzen" heute üblicherweise die Bedeutung „in jmdm. einen unerfüllbaren Wunsch wecken" verkörpert, wenngleich die Bedeutung ,jmdn. mißtrauisch machen" noch bei K. F. W. Wander (Deutsches Sprichwörter-Lexicon, 1867) wie auch regional noch heute anzutreffen ist. Hier sieht man, wie komplex die Sachlage ist, wenn man zusätzlich historische und regiolektale Aspekte in Betracht zieht. Auch ideolektale Intuitionen sind nicht auszuschließen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß dieses Wörter- und Übungsbuch ohne Frage als ein Fortschritt in der zweisprachigen Phraseologie angesehen werden muß. Es ist als Nachschlagewerk sehr empfehlenswert, da es auf sorgfältigen Recherchen beruht. Als Romanist wünscht man sich Nachfolger in anderen romanischen Sprachen. Ob es als aktives Lernwörterbuch verwendet werden kann, d.h. inwiefern Lernende zum produktiven Gebrauch der PHR der Fremdsprache geführt werden, wie die Autoren es wünschen, muß die Lehrpraxis noch erweisen. Greifswald Johannes Thiele Ingelore GOLDMANN (Hrsg.): Beiträge zur Fachdidaktik Arabisch. Didaktische und methodische Probleme des modernen Arabischunterrichts. Frankfurt/ M.: Lang, 1993, 206 Seiten [DM 59,-]. Unsere Gesellschaft ist in einem sich beschleunigenden Entwicklungsprozeß begriffen, in dem unser kollektives Wissen ständig und rapide wächst. Unser Wissen über das Lehren und Lernen fremder Sprachen hat sich in den letzten 20 Jahren rasch und grundlegend gewandelt. Begriffe wie „Handhabung", "sozial-affektives", "kognitives", "ganzheitliches", "autonomes Lernen" und interkultureller Fremdsprachenerwerb als "negotiation of meaning" machen deutlich, welche Veränderungen sich seit den Tagen einer behavioristisch dominierten Fachdidaktik in unserer Vorstellung vom Fremdsprachenunterricht vollzogen haben. Von dieser Entwicklung profitieren viele Sprachen an den Hochschulen sowohl in der Forschung als auch in der Lehre und vor allem im Bereich der Didaktik und Methodik. Jedoch ist die arabische Sprache davon ausgenommen. Im großen und ganzen blieb sie solcher Entwicklung fern, da u.a. der überwiegende Teil der Arabisten sich seit mehr als 50 Jahren mit den gleichen philologischen Fragen beschäftigt. Um so dringlicher ist eine Bestandsaufnahme aktueller Entwicklungen in der Fremdsprachendidaktik bezüglich des Arabischunterrichts. FLuL 23 (1994)