eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 23/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1994
231 Gnutzmann Küster Schramm

Herwig FRIEDL / Albert-Reiner GLAAP / Klaus Peter MÜLLER (Hrsg.): Literaturübersetzen: Englisch. Entwürfe, Erkenntnisse, Erfahrungen

121
1994
Bernd Stefanink
Herwig FRIEDL / Albert-Reiner GLAAP / Klaus Peter MÜLLER (Hrsg.): Literaturübersetzen: Englisch. Entwürfe, Erkenntnisse, Erfahrungen. Tübingen: Narr 1992 (TRANSFER; 4), VIII + 238 Seiten [DM 58,-]
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272 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel "Erwartung der Titelrezipienten an den Ko-Text" bestimmt und sein Textverständnis beeinflußt (108); 2. die 'expressive Funktion', mit der der Autor seine Haltung zum Ko-Text ausdrückt (bewertend, konnotierend, ironisch, usw.); 3. die 'Appellfunktion', mit der der durch die 'phatische Funktion' geknüpfte Kontakt konkretisiert wird und mit der der Empfänger dazu bewegt werden soll, sich so für den Ko-Text zu interessieren, daß er ihn rezipieren will (143). Die von der Vf. durchgeführten quantitativen und qualitativen Untersuchungen zur Struktur und Funktion von Titeln im deutschen, englischen, französischen und spanischen Sprachraum ergeben, daß in der Gebrauchsnorm dieser Sprachräume jeweils andere Prioritäten gesetzt werden. Diesf! gilt es, beim Übersetzen zu berücksichtigen. So wie in ihren bisherigen Publikationen setzt sich Chr. Nord auch hier durch die Einführung des "Loyalitätsprinzips" von anderen funktional orientierten Übersetzungstheoretikern (K. Reiß, H. Vermeer, usw.) ab: „Die Verpflichtung zur 'Loyalität' bedeutet, daß Übersetzer und Übersetzerinnen gegenüber ihren Handlungspartnern, also sowohl gegenüber den Auftraggebern und den Zieltextempfängern als auch gegenüber dem Autor/ der Autorin des Ausgangstexts, in der Verantwortung stehen [...]. Es liegt daher in der Verantwortung der Übersetzer, ihre Handlungspartner nicht bewußt zu täuschen, sondern eventuelle Abweichungen vom konventionellen Übersetzungsverständnis offenzulegen und zu begründen" (18). Bedarf dies überhaupt der Erwähnung? Gehört ein derartiges Verantwortungsbewußtsein nicht zum deontologischen Selbstverständnis eines jeden Professionellen? Hat ein gesundes Verständnis von „Treue" beim Übersetzen zumindest in der übersetzungstheoretischen Diskussion der letzten 20 Jahre nicht stets Treue gegenüber den Intentionen des Autors impliziert? Und was die Legitimationsbemühungen gegenüber den Handlungspartnern angeht, so kennt der Übersetzer zum einen meist nicht seine Zieltextempfänger, zum anderen dürfte er bei einem derart fürsorglichen 'Kundendienst' didaktisch überfordert sein, setzt doch eine Begründung der „Abweichungen vom konventionellen Übersetzungsverständnis" nicht nur ein Bewußtmachen dieses „konventionellen Übersetzungsverständnisses" voraus (soweit überhaupt eindeutig klar ist, was dieser Terminus impliziert), sondern auch ein Verständnis der neueren übersetzungstheoretischen Debatte. Ein Unterfangen, das zu bewältigen ebenso schwer fallen dürfte wie etwa die Begründung des Statikers gegenüber dem Bauherrn bezüglich der durch die statischen Berechnungen bedingten Abweichungen von seinen Bauvorstellungen. Diese kritische Bemerkung soll jedoch das Verdienst dieser insgesamt sehr aufschlußreichen und nützlichen Untersuchung zur Übersetzung von Titeln nicht schmälern. Herwig FRIEDL/ Albert-Reiner GLAAP/ Klaus Peter MÜLLER (Hrsg.): Literaturübersetzen: Englisch. Entwürfe, Erkenntnisse, Erfahrungen. Tübingen: Narr 1992 (TRANSFER; 4), VIII + 238 Seiten [DM 58,-]. Es handelt sich um den 4. Band der „Transfer"-Reihe, die den an der Düsseldorfer Universität 1989 gegründeten Studiengang Literaturübersetzen begleitet und in dem vor allem die an diesem Studiengang beteiligten Studierenden und Lehrenden zu Wort kommen. Von den insgesamt 14 Beiträgen verdienen die folgenden vor allem im Hinblick auf ihren didaktischen Nutzen Erwähnung: Klaus Peter Müller gibt einen Überblick über die verschiedenen Elemente, die eine einführende Veranstaltung zur Literaturübersetzung strukturieren sollten (159-199). Für ihn steht die Literaturübersetzung „im Schnittfeld der wichtigsten Bezugswissenschaften", zu denen er Semiotik, Linguistik, Textwissenschaft und Literaturwissenschaft zählt und deren Nutzen für den Übersetzer er aufzeigt. Eine Darstellung der verschiedenen übersetzungstheoretischen Richtungen FLuL 23 (1994) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 273 (unter besonderer Berücksichtigung der hermeneutischen), bei der auch der historische Aspekt nicht vernachlässigt wird, gehöre ebenfalls in diese Einführungsveranstaltung. Dieter Stein fragt sich, ob es eine „Klasse von Übersetzungsproblemen gibt, die spezifisch ist für das literarische Übersetzen" (71) und behandelt unter dem m.E. etwas zu allgemeinen Titel "Linguistik im Studiengang Übersetzen" (71-84) das Problem der Übersetzung von Sprachvarietäten. Das Evokationspotential von Dialekten hängt von deren Stellung zur Standardsprache ab. Diese ist je nach Sprachraum verschieden: "So ist die sozial abwertende Konnotation von Dialekten im Englischen viel stärker präsent als im wesentlich toleranteren Deutschen" (74). Dem Bayrischen z.B. kommt in Deutschland keinesfalls die gleiche negative Wortkonnotation wie etwa dem Saarländischen zu, und der Übersetzer muß sich fragen, welchen jeweils anderen deutschen Dialekt er wählen muß, um das Evokationspotential der Dialekte in D. H. Lawrences Werk wiederzugeben, das in Sons and Lovers ein anderes ist "sozial minderwertig") als in Lady Chatterley's Lover "na'türlich frisch"). Weiterhin kann dem Übersetzer die Linguistik behilflich sein, wenn es darum geht abzuwägen, welche prominenten Merkmale eines Dialekts schriftlich wiedergegeben werden müssen, um die „Illusion eines Dialekts hervorzurufen" (76). An einigen Stellen hätte strenger zwischen Dialekt und Soziolekt unterschieden werden müssen, so z.B. dort, wo von Varianten gesprochen wird, die „eine Markierungsfunktion für keinerlei speziellen Dialekt" (77) haben. Denn natürlich handelt es sich um soziolektale Varianten einen Ausdruck, den der Vf. nicht einführt. Wesentlich scheint mir die Funktion, die der Vf. in Stolzes und auch in meinem Sinn der Linguistik zuweist: "Der Beitrag der Linguistik definiert sich somit als die Sichtbarmachung oder Rationalisierung der Entscheidungskriterien für übersetzerische Entscheidungen" (71). Albert-Reiner Glaap "Translation is at best an echo - Probleme des Übersetzens englischsprachiger Literatur" [133-147]) zählt die beim Übersetzen zu berücksichtigenden „Äquivalenzkriterien" (138) auf und verweist in Anlehnung an die hermeneutische Übersetzungsrichtung (Paepcke, Stolze) auf die „Übersummativität" (137) des Textganzen, welches sich somit als "Übersetzungseinheit" (138) anbietet. Um so befremdender wirkt dann eine Behauptung wie: „Irgendwo gibt es in jeder Sprache Lücken, das Englische ist davon ebensowenig ausgenommen wie das Deutsche. Wörter wie Schadenfreude, gemütlich und sophisticated sind oft genannte Beispiele" (133). Sie legt den Verdacht nahe, daß das Wort als Übersetzungseinheit noch nicht gänzlich aus dem Unterbewußtsein des Vf. gelöscht ist. Schadenfreude z.B. wird man m.E. unterschiedlich übersetzen müssen, je nachdem, ob es sich um eine bleibende Charaktereigenschaft oder um eine momentane Empfindung handelt. Zudem könnte man von „Lücken" in einzelnen Sprachen nur in bezug auf ein normsetzendes "tertium comparationis" sprechen. Fritz NIES/ Albert-Reiner GLAAP/ Wilhelm GöSSMANN (Hrsg.): Ist Literaturübersetzen lehrbar? Beiträge zur Eröffnung des Studienganges Literaturübersetzen an der Universität Düsseldorf. Tübingen: Narr 1989 (TRANSFER; 1), 93 Seiten [DM 26,80]. Mit dem Haupttitel dieses ersten Bandes der „Transfer"-Reihe sollte man keine theoretischen Erwartungen verknüpfen. Die hier versammelten Vorträge, die anläßlich der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Studienganges Literaturübersetzen an der Heinrich Heine-Universität in Düsseldorf gehalten wurden, sind stark von diesem Ereignis geprägt, wenngleich neben Politikern und Hochschulmitgliedern auch berühmte Übersetzer zu Wort kommen, die anhand markanter Beispiele übersetzungsrelevante Fragen aufwerfen. Es bleibt dem Leser überlassen, diese im übersetzungstheoretischen Raum anzusiedeln und dort nach didaktisierbaren Antworten zu suchen. Aus übersetzungstheoretischer und -didaktischer Sicht reizen allerdings zahlreiche Äußerungen zum Widerspruch oder bleiben unverständlich. So etwa die Behauptung des Dichters und Übersetzers FLuL 23 (1994)