Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1994
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Gnutzmann Küster SchrammFritz NIES / Albert-Reiner GLAAP / Wilhelm GÖSSMANN (Hrsg.): Ist Literaturübersetzen lehrbar?
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1994
Bernd Stefanink
Fritz NIES / Albert-Reiner GLAAP / Wilhelm GÖSSMANN (Hrsg.): Ist Literaturübersetzen lehrbar? Beiträge zur Eröffnung des Studienganges Literaturübersetzen an der Universität Düsseldorf. Tübingen: Narr 1989 (TRANSFER; 1), 93 Seiten [DM 26,80]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 273 (unter besonderer Berücksichtigung der hermeneutischen), bei der auch der historische Aspekt nicht vernachlässigt wird, gehöre ebenfalls in diese Einführungsveranstaltung. Dieter Stein fragt sich, ob es eine „Klasse von Übersetzungsproblemen gibt, die spezifisch ist für das literarische Übersetzen" (71) und behandelt unter dem m.E. etwas zu allgemeinen Titel "Linguistik im Studiengang Übersetzen" (71-84) das Problem der Übersetzung von Sprachvarietäten. Das Evokationspotential von Dialekten hängt von deren Stellung zur Standardsprache ab. Diese ist je nach Sprachraum verschieden: "So ist die sozial abwertende Konnotation von Dialekten im Englischen viel stärker präsent als im wesentlich toleranteren Deutschen" (74). Dem Bayrischen z.B. kommt in Deutschland keinesfalls die gleiche negative Wortkonnotation wie etwa dem Saarländischen zu, und der Übersetzer muß sich fragen, welchen jeweils anderen deutschen Dialekt er wählen muß, um das Evokationspotential der Dialekte in D. H. Lawrences Werk wiederzugeben, das in Sons and Lovers ein anderes ist "sozial minderwertig") als in Lady Chatterley's Lover "na'türlich frisch"). Weiterhin kann dem Übersetzer die Linguistik behilflich sein, wenn es darum geht abzuwägen, welche prominenten Merkmale eines Dialekts schriftlich wiedergegeben werden müssen, um die „Illusion eines Dialekts hervorzurufen" (76). An einigen Stellen hätte strenger zwischen Dialekt und Soziolekt unterschieden werden müssen, so z.B. dort, wo von Varianten gesprochen wird, die „eine Markierungsfunktion für keinerlei speziellen Dialekt" (77) haben. Denn natürlich handelt es sich um soziolektale Varianten einen Ausdruck, den der Vf. nicht einführt. Wesentlich scheint mir die Funktion, die der Vf. in Stolzes und auch in meinem Sinn der Linguistik zuweist: "Der Beitrag der Linguistik definiert sich somit als die Sichtbarmachung oder Rationalisierung der Entscheidungskriterien für übersetzerische Entscheidungen" (71). Albert-Reiner Glaap "Translation is at best an echo - Probleme des Übersetzens englischsprachiger Literatur" [133-147]) zählt die beim Übersetzen zu berücksichtigenden „Äquivalenzkriterien" (138) auf und verweist in Anlehnung an die hermeneutische Übersetzungsrichtung (Paepcke, Stolze) auf die „Übersummativität" (137) des Textganzen, welches sich somit als "Übersetzungseinheit" (138) anbietet. Um so befremdender wirkt dann eine Behauptung wie: „Irgendwo gibt es in jeder Sprache Lücken, das Englische ist davon ebensowenig ausgenommen wie das Deutsche. Wörter wie Schadenfreude, gemütlich und sophisticated sind oft genannte Beispiele" (133). Sie legt den Verdacht nahe, daß das Wort als Übersetzungseinheit noch nicht gänzlich aus dem Unterbewußtsein des Vf. gelöscht ist. Schadenfreude z.B. wird man m.E. unterschiedlich übersetzen müssen, je nachdem, ob es sich um eine bleibende Charaktereigenschaft oder um eine momentane Empfindung handelt. Zudem könnte man von „Lücken" in einzelnen Sprachen nur in bezug auf ein normsetzendes "tertium comparationis" sprechen. Fritz NIES/ Albert-Reiner GLAAP/ Wilhelm GöSSMANN (Hrsg.): Ist Literaturübersetzen lehrbar? Beiträge zur Eröffnung des Studienganges Literaturübersetzen an der Universität Düsseldorf. Tübingen: Narr 1989 (TRANSFER; 1), 93 Seiten [DM 26,80]. Mit dem Haupttitel dieses ersten Bandes der „Transfer"-Reihe sollte man keine theoretischen Erwartungen verknüpfen. Die hier versammelten Vorträge, die anläßlich der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Studienganges Literaturübersetzen an der Heinrich Heine-Universität in Düsseldorf gehalten wurden, sind stark von diesem Ereignis geprägt, wenngleich neben Politikern und Hochschulmitgliedern auch berühmte Übersetzer zu Wort kommen, die anhand markanter Beispiele übersetzungsrelevante Fragen aufwerfen. Es bleibt dem Leser überlassen, diese im übersetzungstheoretischen Raum anzusiedeln und dort nach didaktisierbaren Antworten zu suchen. Aus übersetzungstheoretischer und -didaktischer Sicht reizen allerdings zahlreiche Äußerungen zum Widerspruch oder bleiben unverständlich. So etwa die Behauptung des Dichters und Übersetzers FLuL 23 (1994) 274 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Erich Fried, dem für den einen oder anderen Übersetzungsvorschlag zwar Anerkennung gebührt, dem man aber kaum beipflichten kann, wenn er schreibt, daß es darauf ankomme, "ob man möglichst schöne Dichtungen haben will oder -möglichst genau wissen will, was der Dichter wirklich geschrieben hat. Wenn er sehr gut war, dann sind genaue Übersetzungen oft auch die schönsten Dichtungen" (30). Offensichtlich erliegt auch er wenn er über seine übersetzerische Tätigkeit sprechen sollder Versuchung, eine möglichst wörtliche Übersetzung als treu anzusehen. Ebenso bedenklich scheint mir sein Bedauern darüber, daß in dem von ihm zitierten Beispiel „diese Übersetzung, so gut sie auch sei, die Vokalmusik des Lateinischen nicht wiedergebe" (30). Der mit der neueren übersetzungstheoretischen Diskussion vertraute Leser weiß, daß kommunikatives Übersetzen, das möglichst Wirkungsgleichheit anstrebt, der durch den soziokulturellen Hintergrund andersgearteten Erwartungshaltung des zielsprachlichen Lesers Rechnung zu tragen hat. In dem von ihm genannten Fall gilt es, die anders gearteten sprachlichen Mittel der deutschen Sprache zu nutzen, um einen möglichst gleichen Effekt beim deutschen Leser zu erzielen. Aufgrund des sprachlich-kulturell anders gearteten Systems würde selbst wenn sie materiell gelänge eine getreue Nachahmung der lateinischen Vokalmusik nicht die gleiche Wirkung auf den zielsprachlichen Leser ausüben können. Die "valeur" einer Systemeinheit (im Saussureschen Sinne) wird bekanntlich von den anderen im System koexistierenden Einheiten bestimmt (ich spreche hier von kulturellen Einheiten und nicht von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens, die in der Dichtung nicht in dem üblichen Maße zum Tragen kommt). Schwer systematisierbar und didaktisierbar ist auch Fran9ois Bondys (sicher wohlgemeinter) Ratschlag, sein Sprachgefühl durch „viel Lesen gutgeschriebener Texte aller Art" (73) zu schulen. Nicht entgehen lassen sollte man sich dagegen die im Anhang abgedruckte ironisch-geistreiche Kritik von Fritz Nies an Enzensbergers moderner Übersetzung von Molieres Menschenfeind: implizit wird hier vor einer zu starken „Skopos"-Orientiertheit gewarnt, wie sie z.B. von Reiß/ Vermeer in ihrer Grundlegung einer Translationstheorie (1984) vertreten wird. Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich. Herausgegeben von Giovanni ROVERE und Gerd WOTJAK. Tübingen: Niemeyer 1993 (Linguistische Arbeiten; 297), VII + 348 Seiten [DM 156,-]. Der Sammelband vereinigt 27 (ausgewählte) Vorträge, die zum einen in der Sektion „Sprachvergleich" im Rahmen des XXII. Romanistentages in Bamberg im September 1991 sowie zum anderen auf der II. Internationalen Tagung zum Romanisch-deutschen Sprachvergleich in Leipzig im Oktober 1991 gehalten worden sind. Gegenüber herkömmlichen sprachvergleichenden Untersuchungen zeichnen sich viele dieser Beiträge durch die Berücksichtigung verschiedener Sprachvarietäten (wie z.B. die Sprache der Jugendlichen) und die Einbeziehung kultureller sowie diachronischer Aspekte aus. Mit dem Auge des Übersetzungsdidaktikers betrachtet erweisen sich einige von unmittelbarer Relevanz für den L2-Lerner. So stellt z.B. Christian Schmitt "Deutsch-französische und deutschspanische Translatanalyse als Beitrag zur Übersetzungstheorie" [41-53]) fest, daß noch immer nicht geklärt ist, "ob, wie und in welchem Maße die Entscheidungsfähigkeit des Übersetzers trainierbar ist" (41). In Anlehnung an die auf Parole-Akten basierenden Lernergrammatiken schlägt er vor, "eine auf Parole-Akten für ein Sprachenpaar basierende Übersetzergrammatik zu schreiben" (42) ein Vorschlag, der sehr stark an den oben besprochenen Ansatz von Wils: ; erinnert und dessen Ziel „die sprachenpaarbezogene Erfassung von minimalen Bedeutungseinheiten im Text bzw. im Paralleltext zwecks Ermittlung brauchbarer und damit }ehrbarer Äquivalenzen" (50) ist. Damit soll „dem von mancher Seite gemachten Vorwurf, der akademische Übersetzerunterricht sei vielfach wirkungslos" (51), begegnet werden. FLuL 23 (1994)
