eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 23/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1994
231 Gnutzmann Küster Schramm

Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich. Herausgegeben von Giovanni ROVERE und Gerd WOTJAK

121
1994
Bernd Stefanink
Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich. Herausgegeben von Giovanni ROVERE und Gerd WOTJAK. Tübingen: Niemeyer 1993 (Linguistische Arbeiten; 297), VII + 348 Seiten [DM 156,-]
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274 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Erich Fried, dem für den einen oder anderen Übersetzungsvorschlag zwar Anerkennung gebührt, dem man aber kaum beipflichten kann, wenn er schreibt, daß es darauf ankomme, "ob man möglichst schöne Dichtungen haben will oder -möglichst genau wissen will, was der Dichter wirklich geschrieben hat. Wenn er sehr gut war, dann sind genaue Übersetzungen oft auch die schönsten Dichtungen" (30). Offensichtlich erliegt auch er wenn er über seine übersetzerische Tätigkeit sprechen sollder Versuchung, eine möglichst wörtliche Übersetzung als treu anzusehen. Ebenso bedenklich scheint mir sein Bedauern darüber, daß in dem von ihm zitierten Beispiel „diese Übersetzung, so gut sie auch sei, die Vokalmusik des Lateinischen nicht wiedergebe" (30). Der mit der neueren übersetzungstheoretischen Diskussion vertraute Leser weiß, daß kommunikatives Übersetzen, das möglichst Wirkungsgleichheit anstrebt, der durch den soziokulturellen Hintergrund andersgearteten Erwartungshaltung des zielsprachlichen Lesers Rechnung zu tragen hat. In dem von ihm genannten Fall gilt es, die anders gearteten sprachlichen Mittel der deutschen Sprache zu nutzen, um einen möglichst gleichen Effekt beim deutschen Leser zu erzielen. Aufgrund des sprachlich-kulturell anders gearteten Systems würde selbst wenn sie materiell gelänge eine getreue Nachahmung der lateinischen Vokalmusik nicht die gleiche Wirkung auf den zielsprachlichen Leser ausüben können. Die "valeur" einer Systemeinheit (im Saussureschen Sinne) wird bekanntlich von den anderen im System koexistierenden Einheiten bestimmt (ich spreche hier von kulturellen Einheiten und nicht von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens, die in der Dichtung nicht in dem üblichen Maße zum Tragen kommt). Schwer systematisierbar und didaktisierbar ist auch Fran9ois Bondys (sicher wohlgemeinter) Ratschlag, sein Sprachgefühl durch „viel Lesen gutgeschriebener Texte aller Art" (73) zu schulen. Nicht entgehen lassen sollte man sich dagegen die im Anhang abgedruckte ironisch-geistreiche Kritik von Fritz Nies an Enzensbergers moderner Übersetzung von Molieres Menschenfeind: implizit wird hier vor einer zu starken „Skopos"-Orientiertheit gewarnt, wie sie z.B. von Reiß/ Vermeer in ihrer Grundlegung einer Translationstheorie (1984) vertreten wird. Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich. Herausgegeben von Giovanni ROVERE und Gerd WOTJAK. Tübingen: Niemeyer 1993 (Linguistische Arbeiten; 297), VII + 348 Seiten [DM 156,-]. Der Sammelband vereinigt 27 (ausgewählte) Vorträge, die zum einen in der Sektion „Sprachvergleich" im Rahmen des XXII. Romanistentages in Bamberg im September 1991 sowie zum anderen auf der II. Internationalen Tagung zum Romanisch-deutschen Sprachvergleich in Leipzig im Oktober 1991 gehalten worden sind. Gegenüber herkömmlichen sprachvergleichenden Untersuchungen zeichnen sich viele dieser Beiträge durch die Berücksichtigung verschiedener Sprachvarietäten (wie z.B. die Sprache der Jugendlichen) und die Einbeziehung kultureller sowie diachronischer Aspekte aus. Mit dem Auge des Übersetzungsdidaktikers betrachtet erweisen sich einige von unmittelbarer Relevanz für den L2-Lerner. So stellt z.B. Christian Schmitt "Deutsch-französische und deutschspanische Translatanalyse als Beitrag zur Übersetzungstheorie" [41-53]) fest, daß noch immer nicht geklärt ist, "ob, wie und in welchem Maße die Entscheidungsfähigkeit des Übersetzers trainierbar ist" (41). In Anlehnung an die auf Parole-Akten basierenden Lernergrammatiken schlägt er vor, "eine auf Parole-Akten für ein Sprachenpaar basierende Übersetzergrammatik zu schreiben" (42) ein Vorschlag, der sehr stark an den oben besprochenen Ansatz von Wils: ; erinnert und dessen Ziel „die sprachenpaarbezogene Erfassung von minimalen Bedeutungseinheiten im Text bzw. im Paralleltext zwecks Ermittlung brauchbarer und damit }ehrbarer Äquivalenzen" (50) ist. Damit soll „dem von mancher Seite gemachten Vorwurf, der akademische Übersetzerunterricht sei vielfach wirkungslos" (51), begegnet werden. FLuL 23 (1994) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 275 Das lexikalische Pendant zu dieser Übersetzergrammatik stellt Käthe Henschelmann mit dem Projekt eines „Kleinen Übersetzungswörterbuches Französisch-Deutsch" vor, das man aufgrund seiner quantitativ stark eingeschränkten Makrostruktur (vorläufig 40 in Arbeit befindliche Stichwörter) und seiner reich ausgearbeiteten Mikrostruktur wohl eher als ein exemplarisch vorgehendes Lernerwörterbuch für Übersetzer bezeichnen sollte. Die Grundlage für derartige didaktische Vorhaben bilden minutiöse kontrastive Untersuchungen zu Einzelaspekten, wie „Kommen und Gehen im Deutschen und Französischen" (Jutta Rösner [215-228]), "Zur Benennung von Schallereignissen im Deutschen und Französischen" (Hiltraud Dupuy-Engelhardt [149-154]), u.a. Neben diesen Detailuntersuchungen finden wir auch kontrastive Studien interkultureller Art sowie den Beitrag von Chr. Nord zum funktionalen Textsortenvergleich (141-148), in dem der aufmerksame Leser manche Passagen entdecken wird, die aus ihrem oben besprochenen Werk ohne Angabe der Quelle wörtlich übernommen wurden (so entsprechen etwa die Seiten 141-142 den Seiten 26-27 özw. 86 des UTB-Bandes). Alles in allem liefern die genannten Beiträge dem Übersetzungsdidaktiker manche Anregung, wobei jedoch ein zentraler Aspekt nicht außer Acht gelassen werden darf: Translatorische Kompetenz läßt sich auf diesem Wege in nur sehr begrenztem Maße entwickeln. Dazu bedarf es der Vermittlung von Strategiebewußtsein, wie ich es an anderer Stelle eingehend beschrieben habe. Solange ein entsprechendes „Bewußtseins" fehlt, tragen derartige Untersuchungen zu Äquivalenzen auf Wort- oder Syntagmaebene eher dazu bei, daß nicht-professionnelle Übersetzer auch weiterhin diese Mikrostrukturen fälschlicherweise mit den Übersetzungseinheiten gleichsetzen. Melanie HIGI-WYDLER: Zur Übersetzung von Idiomen. Eine Beschreibung und Klassifizierung deutscher Idiome und ihrer französischen Übersetzungen. Bern [usw.]: Lang 1989 (Europäische Hochschulschriften. Reihe XIII: Französische Sprache und Literatur; 146), 335 Seiten [DM 90,-]. Es handelt sich um eine Dissertation, die im Jahre 1988 an der Universität Zürich angenommen wurde. Dies impliziert einige Pflichtübungen, die mit dieser Textsorte verbunden sind und die ihren Sinn haben, wenn sie zu einem homogenen Ganzen verwoben sind. So sollte der traditionelle „Forschungsüberblick [zur Phraseologiediskussion]" nicht nur zeigen, daß man mit der einschlägigen Literatur vertraut ist, sondern darüber hinaus eine genaue Standortbestimmung des eigenen Ansatzes liefern. Die von der Vf. vorgenommene (nicht-systematische) Klassifizierung der Forschungsliteratur, die sich mit der Aufzählung von 31 Namen auf 42 Seiten begnügt und bei der die sprachräumliche an keiner Stelle begründete - Zuordnung als einziges Gliederungskriterium fungiert, leistet dies natürlich nicht und trägt deshalb auch nicht dazu bei, die genaue Position von M. Higi-Wydler zu verdeutlichen. In einem 2. Abschnitt (51-132) charakterisiert die Vf. den Begriff 'Idiom' unter Berufung auf die einschlägige Fachliteratur und gelangt zu einer Definition, die der Erstellung ihres Korpus (3 700 Belege aus zehn modernen Erzählungen und Romanen mit ihren Übersetzungen) zugrunde liegt. Die anschließende „Klärung der wichtigsten übersetzungswissenschaftlichen Begriffe" (135), die die Voraussetzung für den nachfolgenden Übersetzungsvergleich bildet, geht von Jörn Albrechts Darstellung des Übersetzungsprozesses aus und konzentriert sich auf eine Erörterung des Äquivalenzbegriffes, vornehmlich in Anlehnung an Werner Koller (135-160). In einem letzten Teil (161-317) werden schließlich die Korpusbelege in drei Hauptklassen (Totale, Partielle und Null-Äquivalenz) eingeteilt und auf Unterschiede auf den verschiedenen Äquivalenzebenen hin untersucht. In einer „Restklasse" werden falsche oder nicht übersetzte Idiome analysiert. Bezeichnend für den „theoretischen" Ansatz dieser Untersuchung ist die folgende Aussage: "Ein beträchtlicher Teil aller Belege meines Korpus zeichnet sich durch eine vollständige Äquivalenz zwischen deutschem Idiom und französischer Übersetzung aus, d.h. durch eine FLuL 23 (1994)