eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 24/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1995
241 Gnutzmann Küster Schramm

Lernen im Kontrast - was heißt das eigentlich?

121
1995
Frank G. Königs
flul2410011
Frank G. Königs Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? Abstract. Research in second language acquisition and foreign language learning has concentrated on the role of the mother tongue during the process of acquisition or learning. The socalled contrastive hypothesis has shed some light on the possible role that the first language plays when the learner tries to develop another linguistic system in his rnind. Critical comments on the contrastive hypothesis have led to more careful judgements on the first language and its usefulness for the acquisition or learning process. At the same time the notion of 'contrastivity' was bound exclusivley to the contrast between two languages. In this paper I argue that learning in contrast is much more than contrasting two linguistic systems in the rnind. I refer to the German concept of 'Sprachlehrforschung', in which learning and teaching a foreign language is understood as a sample of different factors determinating the process of foreign language learning. This leads to a different understanding of 'contrastivity', which will be described in more detail in this paper. 1. Einleitung Beim Stichwort 'Lernen im Kontrast' dürfte den meisten Leuten, die sich mit Fremdsprachenunterricht auseinandersetzen, zunächst einmal der Kontrast zwischen zwei Sprachen einfallen. Und tatsächlich: Ein Blick in die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts verrät, daß eine immer wiederkehrende Frage diejenige nach der Rolle der Muttersprache beim Fremdsprachenlernen war und ist. Dies belegt die Interpretation der traditionellen vermittlungsmethodischen Entwicklungen (direkte Methode, audiolinguale und audiovisuelle Methode) als Abkehr von der Grammatik-Übersetzungsmethode, eigentlich präziser: als Abkehr vom übermäßigen Gebrauch der Muttersprache. Durch die Bemühungen insbesondere Butzkamms im deutschsprachigen Raum gewann die Muttersprache auch in den vermittlungsmethodischen Konzepten wieder stärker an Raum. Parallel zu diesen ersten vermittlungsmethodischen Argumentationen verschaffte sich im Rahmen der Zweitsprachenerwerbsforschung die Kontrastive Hypothese Aufmerksamkeit (vgl. z.B. Bausch/ Kasper 1979; Larsen-Freeman/ Long 1991). Ihr zufolge kann man auf der Grundlage des linguistisch beschreibbaren Unterschiedes zwischen L1 und L2 lernerseitige Fehler entweder rückblickend erklären oder aber sogar prognostizieren. Durch das Aufkommen anderer Erwerbshypothesen und mangels guter Argumente geriet die hinter der Kontrastiven Hypothese stehende Annahme rasch in die Kritik. Bis zum heutigen Tage wird die Kontrastive Hypothese nicht als diejenige betrachtet, die bei der Beschreibung des Zweitsprachenerwerbs die größte Reichweite hat. Aber ebenso besteht doch eine kaum zu leugnende Einigkeit darüber, daß die Muttersprache und deren Beherrschung bei der Aneignung einer weiteren Sprache 'irgendwie' FLuL 24 (1995) 12 Frank G. Königs eine Rolle spielen. Darüber, wie dieses 'irgendwie' aufzufassen ist, besteht allerdings nicht unbedingt Einigkeit, und das gilt um so mehr, je mehr man den Blick auf kulturell unterschiedlich determinierte Lernsituationen und -traditionen wirft. Denn gerade dadurch kommen auch primär nichtsprachliche Aspekte stärker in den Blick. Gerade angesichts dieser hier nur summarisch angesprochenen Entwicklung scheint es sinnvoll, noch einmal der Frage nachzugehen, was 'Lernen im Kontrast' denn eigentlich bedeutet --: oder zumindest bedeuten kann. Dabei orientiert sich die Gliederung der folgenden Ausführungen am Konzept von Fremdsprachenunterricht als Faktorenkomplexion und den Faktorenkomplexen 'Sprache', 'Lehrer', 'Lerner' und 'Lernziel' (vgl. dazu in extenso Königs 1983). Dieses von der Sprachlehrforschung propagierte Konzept (vgl. exemplarisch Koordinierungsgremium 1983) hat zum Ziel, Fremdsprachenunterricht nicht als eindimensionale Input-Output- Relation zu interpretieren, sondern als Geflecht zahlreicher Faktoren, deren jeweilige Ausgestaltung ursächlich für den jeweils zustandekommenden Lernvorgang anzusehen ist. Die kontrastive Linguistik hat sich soweit sie sich für das Fremdsprachenlernen interessiert auf die Relation 'Sprache H Sprache' (2.1) aus der vermeintlichen Perspektive des Lernenden konzentriert. Neben diese Betrachtung sollen im folgenden Betrachtungen zu den Relationen: Lehrer H Lehrer (2.2), Lernziel H Lernziel (2.3) und Lerner H Lerner (2.4) gestellt werden, und zwar jeweils aus der Perspektive des Lernenden heraus interpretiert. Gleichzeitig gilt, daß die jeweils anderen Faktorenkomplexe in die jeweiligen Beziehungen hineimagen; deshalb kommen bei der Frage, was 'Lernen im Kontrast' denn heißt, auch die anderen Relationen für eine Betrachtung in Frage, also diejenigen zwischen 'Sprache und Lehrer' (3.1), 'Sprache und Lernziel' (3.2), 'Sprache und Lerner' (3.3), 'Lehrer und Lernziel' (3.4), 'Lehrer und Lerner' (3.5) und 'Lernziel und Lerner' (3.6). Die ersten Kategorien (2.1-2.4) bezeichne ich dabei als interne Relationen, weil es sich dort jeweils darum handelt, eine Kategorie 'intern' zu ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu betrachten, allerdings konsequent aus der Perspektive des Lernenden. Demgegenüber handelt es sich bei den Kategorien der zweiten Art (3.1-3.6) um externe Relationen, bei denen unterschiedliche Kategorien ebenfalls aus der Sicht des Lernenden miteinander in Beziehung gesetzt werden. Aus dem gewählten Ansatz heraus resultiert, daß Fremdsprachenlernen keineswegs immer nur ein Vorgang ist, der durch den Lernstoff selbst bestimmt ist, sondern daß er vielfältigen, häufig auch nichtsprachlichen Einflüssen und Variablen unterliegt. Ferner wird damit auch deutlich, daß 'Lernen im Kontrast' weit mehr umfaßt als den Kontrast zwischen zwei Sprachen. Die im folgenden zu den einzelnen Relationen gemachten Ausführungen verstehen sich jeweils als exemplarisch und sollen die Qualität dieser Relationen illustrieren, nicht jedoch ihre quantitative Dimension widerspiegeln. FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? 13 2.1 Sprache tt Sprache Die Relation Sprache H Sprache (oder L1 H L2) ist in der Forschung die wohl am besten dokumentierte und findet ihren Niederschlag in der Kontrastiven Hypothese (vgl. deren Darstellung z.B. in Bausch/ Kasper 1979; Larsen-Freeman/ Long 1991). Diese Kontrastive Hypothese interpretiert Lernen als die durchaus analytische Gegenüberstellung der Beschreibung zweier Sprachsysteme, zumindest aber als die Gegenüberstellung zweier sprachlicher Strukturen selbst. Danach umfaßt Lernen folgerichtig eine Sprachproduktion und -rezeption in der Fremdsprache, die jeweils durch den 'Filter' der Muttersprache erfolgt. Der weitverbreitete Vorwurf an die Kontrastive Linguistik, sie· verfüge nicht über ein Tertium Comparationis, gilt für die Kontrastive Hypothese nicht im gleichen Umfang: im Gegensatz zum Linguisten, der aus streng wissenschaftlicher Sicht vergleichend ein Tertium Comparationis benötigt, schafft sich der Lerner sein Tertium Comparationis selbst, indem er die Sprachstrukturen aus der L2 aus seiner Sicht mit der L1 in Beziehung setzt. Es geht also nicht um einen objektiven Vergleich zwischen zwei unabhängigen Systemen, sondern es handelt sich um eine subjektive Betrachtung eines fremden Sprachsystems auf der Grundlage eines anderen Sprachsystems, über das der Lernende voll verfügt und an das er übrigens auch emotional stärker gebunden ist als an die L2 1• Die Kontrastive Hypothese führt Fehler auf Strukturunterschiede zwischen L1 und L2 zurück; abgesehen davon, daß sich diese rigide Haltung empirisch nicht hat bestätigen lassen, steht hinter dieser Annahme die Vorstellung, daß der Lernende sich bei der Aneignung der L2 ausschließlich auf Sprache konzentriert, also seinen vorhandenen Wissensbestand, nämlich den in der Muttersprache, mit heranzieht, wenn er auf die L2 'blickt'. Vereinfacht ausgedrückt ist der Lernende nach dieser Vorstellung ein kontrastiv arbeitender Linguist mit subjektiven Analysekriterien. Die Kritik an der Kontrastiven Hypothese bezieht sich vor allem auf die Tatsache, daß Kontraste zwischen Sprachsystemen nicht eo ipso lernschwierig sein müssen und daß es bisweilen gerade die Ähnlichkeiten sind, die sich für den Lernenden als schwierig erweisen. 2 Insgesamt verharrt die Kontrastive Hypothese ausschließlich auf der Produktebene, indem sie die unterschiedliche Be- Hiervon gibt es freilich Ausnahmen, bei denen die Lernenden stärker an die L2 als an die L1 gebunden sind; erinnert sei an die Fälle, in denen Lernende ihre Sprachgemeinschaft z.B. deshalb verlassen, weil sie sich dort nicht mehr sicher und geborgen fühlen und ihre emotionale Abwehr des politischen oder gesellschaftlichen Systems auch auf die Sprache übertragen. Dazu zählen auch diejenigen Fälle, in denen die Lernenden wegen der Beziehung zu einer Person, mit der sie nur die L2 sprechen können, die LI-Gemeinschaft verlassen. In der Zweitsprachenerwerbs- und in der Bilingualismusforschung werden hierbei oft solche Fälle erwähnt, in denen Lerner die L2 letztlich so gut beherrschen wie ein native speaker, während sie Elemente ihrer L1 relativ rasch aufgeben und vergessen. 2 Zu einem Versuch, den Begriff der Lernschwierigkeit auch empirisch klarer zu erfassen, vgl. jetzt das bei Bausch (im Druck) geschilderte Vorhaben. FLuL 24 (1995) 14 Frank G. Königs schaffenheit von Sprachsystemen zum alleinigen Ausgangspunkt für die Aneignung dieser Systeme selbst macht, den eigentlichen Prozeß des Sprachenlernens aber gar nicht in den Blick nimmt. 3 Der Sprachbegriff der Kontrastiven Hypothese verkürzt sich damit auf das, was die Linguistik als Sprachsystem bezeichnet, also auf die z.T. kodifizierte, in jedem Fall aber festen Regeln folgende Beziehung zwischen sprachlichen Elementen. Aspekte der Sprachanwendung oder gar der Sprachaneignung spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Empirische Untersuchungen zum gesteuerten und ungesteuerten - Zweitsprachenerwerb dokumentieren, daß der vergleichende Blick des Lernenden auf die beiden Sprachsysteme eigentlich ständig stattfindet (vgl. dazu den Überblick bei Königs 1994a), daß allerdings seine Ausprägungen ebenso verschieden sind wie seine Äußerungsformen: dieser vergleichende Blick kann sich darin äußern, daß die fremdsprachliche Sprachproduktion von zahlreichen muttersprachlichen Strukturelementen durchsetzt ist; sie kann aber ebenso darin zum Ausdruck kommen, daß der Lernende in seinen Produktionen entgegengesetzt verfährt wie in seiner Muttersprache, eben weil seine Erfahrung ihm dies nahelegt. Mit Ausnahme der Identitätshypothese (vgl. auch dazu die Darstellung in Bausch/ Kasper 1979; Larsen-Freeman/ Long 1991), die in ihrer rigiden Form zu Recht stark kritisiert worden ist (vgl. dazu etwa die diversen kritischen Positionen gegenüber den Arbeiten von Krashen; vgl. diesbezüglich den Kurzüberblick bei Königs 1995), nehmen andere Spracherwerbshypothesen einen solchermaßen bestehenden Einfluß der Muttersprache bei der Aneignung als gegeben an. Dies gilt insbesondere für die Interlanguage-Hypothese und die im Zusammenhang damit stehende Transfer-Diskussion (z.B. bei Gass/ Selinker 1983 oder Odlin 1989). Und erinnert sei ferner daran, daß das Votum für das schulische Erlernen verwandter Sprachen (z.B. Italienisch bei vorangehenden Latein-, Französisch- oder Spanischkenntnissen) seine Berechtigung ja gerade aus dem Umstand bezieht, daß der Lernende seinen Erwerbsprozeß durch seine Erfahrung mit und sein Wissen um ähnliche Sprachen gestalten wird. 4 Daß dies darüber hinaus auch ganz offensichtlich ein natürlicher Prozeß ist, belegen Fallstudien über Kinder, die zweisprachig erzogen werden, durch vielfache Beispiele (verwiesen sei exemplarisch auf die Studien von Saunders 1982; 1988 und auf Kielhöfer/ Jonekeit 1983). Aus der Perspektive des Lernenden ergibt sich insgesamt also, daß der vergleichende Blick auf die zu lernende Sprache und die bereits verfügbaren Sprachen 3 Daß solchermaßen angelegte Arbeiten auch heute noch nicht ausgeschlossen sind, zeigt die Arbeit von Putzer (1994), in der Fehleranalyse fast ausschließlich auf der Grundlage einer kontrastiven Analyse der beiden Sprachsysteme Deutsch und Italienisch betrieben wird. Vgl. zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Forschungsansatz und mit der Arbeit von Putzer Königs (1994b). 4 Vgl. neben fremdsprachenpolitischen Arbeiten ferner die Studien von Hufeisen (1991) oder Sigott (1993) sowie einige Beiträge in Bausch/ Heid (1990); in diesen Arbeiten wird gezeigt, daß sich Fremdsprachenlernende sehr wohl an der angenommenen Ähnlichkeit bereits beherrschter (oder z.T. beherrschter) Fremdsprachen orientieren. FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? 15 ganz selbstverständlich ist, daß die Parameter für diesen Vergleich allerdings bisweilen eher subjektiv sind. 2.2 Lehrer tt Lehrer Nun legt das Konzept der Faktorenkomplexion die Annahme nahe, daß nicht nur auf die Sprachen seitens der Lernenden ein vergleichender Blick geworfen wird, sondern auch auf die anderen Faktorenkomplexe, so etwa auch auf den Faktorenkomplex 'Lehrer'. Dem reduzierten Sprachbegriff der Kontrastiven Hypothese steht in gewisser Weise ein reduzierter 'Lehrerbegriff in weiten Teilen der Fremdsprachendidaktik gegenüber: der 'Lehrer' wird dort nämlich allzu häufig als die Instanz gesehen, die nach bestimmten Regeln oder Ritualen zu handeln habe; und genau dieses Handeln wird als gegeben angesehen. Demgegenüber mangelt es an Beschreibungen, in denen die Person des Lehrenden aus dieser eher statischen Rolle herausgelöst und in ihrem tatsächlichen Handeln und Wirken unter Einbezug von Persönlichkeitsvariablen beschrieben und damit auch in ihrer Bedeutung für das Stattfinden von 'Lernen' beurteilt wird. 5 Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang auch, daß sich ein Teil der einschlägigen Forschung zwar damit auseinandergesetzt hat, was denn ein „guter Fremdsprachenlerner" (Rubin 1975; Stern 1975) sei. Bei der Frage nach dem guten Fremdsprachenlehrer verweist die fremdsprachendidaktische Forschung eher summarisch auf die pädagogische Fachliteratur und die dort auffindbaren Lehrertypologien. Ebenso wie der Lernende zwei (oder mehr) Sprachsysteme miteinander vergleicht, um seinen Sprachrezeptions-, -produktions- und -aneignungsprozeß zu gestalten, geht er auch hinsichtlich der Lehrenden vor, die ihm dabei helfen sollen, seine jeweiligen Sprachverwendungsprozesse in der Fremdsprache aufzubauen und zu festigen. Da Lernende es im Verlauf ihres Unterrichts in einer Fremdsprache nur im Ausnahmefall mit lediglich einer Lehrperson zu tun haben, vergleichen sie Lehrende in der Regel. Dabei vergleichen sie nicht nur ihre Fremdsprachenlehrer miteinander, sondern ihre Lehrer überhaupt. Daß sie dies tun, ist ablesbar an Lernerbefragungen und -reaktionen der unterschiedlichen Form (vgl. z.B. Kleppin/ Königs 1991) sowie an der Altersdiskussion, die vielfach besonders darauf abhebt, daß der Faktor 'Alter' deshalb beim Fremdsprachenlernen eine besondere Rolle spiele, weil mit fortschreitendem Alter sich die Ansichten über Fremdsprachenlernen immer mehr gefestigt haben (vgl. dazu Hinweise bei Singleton 1989, Kap.6 sowie in einigen Beiträgen bei Duda/ Riley 1990). Dabei geht es nicht notwendiger- 5 So finden sich auch in der dritten Auflage des Handbuchs Fremdsprachenunterricht (Bausch/ Christ/ Krumm 1995) zwar Einträge, in denen Rolle und Funktion des Lehrers bereits im Titel angesprochen werden, aber auch in diesen Beiträgen handelt es sich zumeist um Ausführungen, die allenfalls diskursanalytische Aufschlüsse über das Funktionieren von Unterricht geben; der Bereich 'Persönlichkeitsvariablen' und sein Einfluß auf die Ausgestaltung von Unterricht bleibt weitgehend ausgespart. FLuL 24 (1995) 16 Frank G. Königs weise um bewußte und explizit gemachte oder um wertende Ansichten, wie man annehmen könnte, sondern durchaus auch um subjektive und intuitive Beobachtungen, die sich dann zu einer persönlichen Theorie des Lernenden über einen guten Fremdsprachenlehrer verdichten bzw. ergänzen. Wenn Versuche, bei Lernern alternative Vermittlungsmethoden einzusetzen, sich gerade in der Anfangsphase als schwierig gestalten, dann hängt das so darf interpretiert werden möglicherweise nicht zwangsläufig mit der Güte der jeweiligen Verfahren zusammen, sondern auch mit der Schwierigkeit, die mit der Abkehr von internalisierten Lehr(er)eigenschaften verbunden ist. Dies gilt um so mehr, wenn mit dem Wechsel von Lehrenden auch ein Wechsel des kulturellen Kontextes verbunden ist; erinnert sei in diesem Zusammenhang an die terminologische Differenzierung zwischen Fremdsprache und Zweitsprache (z.B. Deutsch als Fremdsprache vs. Deutsch als Zweitsprache). 'Lernen im Kontrast' heißt von daher auch: Lernen im Kontrast der Lehrenden, wie er sich für die Lernenden darstellt. 2.3 Lernziel H Lernziel Die Kategorie 'Lernziel' gehört sicherlich zu denjenigen, die für die Mehrzahl der Lernenden am wenigsten transparent und beobachtbar sind. Das hängt damit zusammen, daß sich lemzielgeleitete Maßnahmen zwar unmittelbar im Unterricht oder auch in den Lehrmaterialien niederschlagen, daß diese Veränderungen jedoch selten seitens der Lernenden explizit auf für sie erkennbare oder gar veränderte Lernziele zurückgeführt werden (können). Gleichwohl ist für Lernende die unterschiedliche Zielsetzung z.B. eines fremdsprachlichen Lesekurses von einem allgemeinsprachlichen Fremdsprachenunterricht leicht erkennbar; dies gilt um so mehr, wenn die eigenen Zielsetzungen, die mit dem Besuch des Fremdsprachenunterrichts verbunden sind, im Bewußtsein verankert sind oder wenn dem Besuch der jeweiligen fremdsprachlichen Lehrveranstaltung eine explizite lernzielumfassende Beschreibung seitens der veranstaltenden Institution vorausgeht (z.B. bei Volkshochschulkursen oder universitären Sprachlehrveranstaltungen). Für Lernende im Fremdsprachenunterricht mit vorangehender schulischer Sprachlernerfahrung ergibt sich auf dieser Grundlage folglich gleichfalls eine Kontrastierung unterschiedlicher Erfahrungen auf Lernzielniveau. 2.4 Lerner ~ Lerner Es ist ein Kennzeichen sozialer Prozesse insgesamt, daß Individuen sich in Abgrenzung bzw. im Vergleich zu anderen Personen sehen. Dieses allgemeine Kennzeichen durchzieht z.B. seit einiger Zeit auch wieder die Fremdsprachendidaktik unter dem Stichwort „Das Eigene und das Fremde", wird dort aber eher kulturkontrastiv gefaßt. Diese Form der Bewußtwerdung des Eigenen durch intensive Auseinandersetzung mit dem Anderen spielt sich jedoch auf allen unterschiedlichen Ebenen des menschlichen Miteinander ab. So gehört es zum wesentlichen Bestandteil von FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? 17 Unterricht allgemein und auch von Fremdsprachenunterricht, daß der einzelne Lerner sich durch Abgrenzung zu anderen Lernern selbst 'definiert'. Wie Introspektionen, insbesondere in Lernertagebüchern (vgl. z.B. Bailey 1983), aber auch darüber hinaus immer wieder zeigen, ist dieser Vorgang der Selbstbestimmung durch Abgrenzung gegen andere ein essentieller Teil des unterrichtlichen Lernprozesses. Gerade durch diese Abgrenzungsprozesse erkennt der Lernende häufig seine eigenen Lern-, Sprachverarbeitungs- und -verwendungsprozesse. 6 Wenn also ein Lerner im Rahmen einer Introspektion bei fremdsprachlichen Schreibaufgaben äußert (das Beispiel stammt aus Königs 1990): "Ich geh da nicht so vor wie andere, die den Text einfach runterschreiben können, weil Ihnen sofort etwas einfällt, eh, ich muß da erst mal überlegen, wie ich das Ganze so aufbaue, 'ne Gliederung und so. Erst dann eh kann ich mit dem Schreiben beginnen" dann indiziert eine solche Äußerung sehr stark den permanenten und nicht aufgabeninduzierten Vergleich mit anderen Lernenden. Wie stark die Kontrastierung der eigenen Person mit anderen Lernern sein muß, mag man ferner an der Tatsache ablesen, daß die alternativen Fremdsprachenvermittlungsmethoden durch gezielten Einsatz unterschiedlicher Sozialformen versuchen, das Lernklima angenehm zu gestalten und den Druck des 'traditionellen' Unterrichts auch und gerade gegenüber den Mitlernern abzumildern. In unserer Untersuchung zur mündlichen Fehlerkorrektur (vgl. Kleppin/ Königs 1991) konnten wir darüber hinaus zeigen, daß Lernende gerade gegenüber Mitlernerkorrekturen sehr empfindlich reagieren, ein Umstand, der sich gleichfalls auf die gruppeninterne Konkurrenzsituation zurückführen läßt und der zeigt, daß sich Lernende in jedem Teilaspekt von Unterricht im Kontrast zu anderen sehen. Die bisherigen Überlegungen zu den internen Relationen der Faktorenkomplexion haben gezeigt, daß Lernende grundsätzlich auf allen Ebenen 'im Kontrast' lernen. Aus der Sicht einer Theorie der Informationsverarbeitung ist dies auch nur allzu natürlich, denn dort wird davon ausgegangen, daß jede Informationsverarbeitung darauf basiert, daß die ankommende Information mit den bereits vorhandenen Informationen verglichen und dann gegebenenfalls verknüpft wird. Zu den bereits vorhandenen Informationen im Lernenden gehören aber gerade auch die nichtsprachlichen, gleichwohl unterrichtskonstituierenden Informationen der hier angesprochenen Art. Anders ausgedrückt: das Individuum kann gar nicht anders, als vor der Folie der bereits verfügbaren Informationen zu lernen. Für die sog. internen Relationen ist dies im Vorangehenden gezeigt worden; für die externen soll dies im Folgenden geschehen. Dabei soll zunächst auf die Qualität der externen Relationen eingegangen werden. 6 Vgl. z.B. die Diskussion um den 'guten' Lerner, z.B. Rubin (1975), Stern (1975); ferner die Strategiediskussion z.B. bei O'Malley/ Chamot (1990) oder Oxford (1990) oder die skillbezogene Erforschung von Lernertypen z.B. bei Anderson (1990) oder Narcy (1990). FLuL 24 (1995) 18 Frank G. Königs 3. Die 'externen' Relationen Auf den ersten Blick scheinen die externen Relationen zwischen Faktorengruppen dem Grundsatz zu widersprechen, daß man nur Gleiches miteinander vergleichen soll, also eher 'Sprache' mit 'Sprache' oder 'Lehrer' mit 'Lehrer', aber nicht z.B. 'Sprache' mit 'Lehrer'. Wenn ich dies hier dennoch tue, dann entspricht dies der Einsicht, daß Lernende solche vergleichenden Betrachtungen - 'natürlich' anstellen. Dabei handelt es sich nicht um einen Vergleich im eigentlichen Sinne, also nicht darum, z.B. 'Sprache' mit dem 'Lehrer' so zu vergleichen, wie man aus der Lernperspektive etwa die Muttersprache mit der Fremdsprache vergleicht. Vielmehr handelt es sich um eine subjektiv-analytische Beobachtung einzelner Faktorenkomplexe in ihrem Verhältnis zueinander, wobei aus dieser Relationierung durch den Lernenden Rückschlüsse der unterschiedlichen Art auf den Fremdsprachenunterricht bzw. auf fremdsprachliches Lernen gezogen werden. Das Konzept subjektiver Theorien (vgl. z.B. Groeben et al. 1988) auf den Lernenden hin zentriert basiert letztlich auf der Annahme, daß der Lernende diese Relationierungen für sich vornimmt und zur Grundlage seines Handelns macht. Wie vielschichtig diese Relationierungen sind oder sein können, kann im folgenden naturgemäß nur sehr kursorisch angedeutet werden; ein Anspruch auf Vollständigkeit der existierenden und/ oder nachgewiesenen Relationierungen kann und soll damit in keiner Weise erhoben werden. Völlig außer acht bleiben muß aus Platzgründen ferner die Tatsache, daß solche Relationierungen seitens der Lernenden keineswegs immer nur zwei Faktoren(komplexe) umfassen, sondern erheblich vielschichtiger sind, zumindest sein können. 3.1 Sprache und Lehrer Die jeweilige Fremdsprache wird vom Lernenden ebenso 'taxiert' wie der Lehrer. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang etwa auf die Diskussion um das Prestige von Fremdsprachen. Dabei handelt es sich um komplexe Einstellungen gegenüber der fremden Sprache. So schreibt Herbert Christ (1991: 126) dazu: "Natürlich kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß Sprachen vom Publikum unterschiedlich bewertet werden. Eine jede hat ein bestimmtes (im allgemeinen sehr komplex beschriebenes) Prestige. Zum Prestige gehört z.B. der Verkehrswert einer Sprache: [...]" Und einige Seiten später fährt er fort (1991: 130): "Zum Prestige einer Sprache gehören aber nicht nur ihr Verkehrswert, ihr Wohllaut, ihre Ökonomie, ihre Klarheit usw., sondern vor allen Dingen auch ihr vermuteter Bildungswert: Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Spanisch und Deutsch und andere Sprachen werden in der Welt oft vor allem deshalb als Fremdsprachen gelernt, weil sie Zugang zu großen literarischen Erzeugnissen, zu philosophischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Werken verschaffen, an denen der Lernende sich bilden kann, weil sie in eine Bildungstradition hineingehören. Daß sich auch in diesem Kontext im Bewußtsein der FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? Lerner hierarchische Abstufungen herausbilden, ist ebenso historisch verständlich wie es sachlich zumeist ungerechtfertigt ist: Die französische und die anglo-amerikanische Literatur, die z.B. in Westeuropa ein besonders hohes Prestige genießen, sind weder in einem objektiven Sinn qualitativ besser oder reicher als die russische oder die italienische oder die spanische, noch sind sie gegen diese einfach austauschbar. [...] Ohne Zweifel spielen beim Prestige von Sprachen auch politische Sympathien und Antipathien eine Rolle." 19 Sprachen werden also eingeschätzt als leicht oder schwer, als nützlich oder weniger nützlich, als wohlklingend oder abstoßend, als der Schulkarriere förderlich oder hinderlich. Der Lehrer wird in diesem Zusammenhang häufig als Repräsentant dieser Sprache angesehen; genießt sie beim einzelnen Lerner ein hohes Prestige, so ist die Erwartungshaltung und die Grundeinstellung gegenüber dem Lehrer, der sie unterrichtet, anders, als wenn sie ein niedriges Prestige genießt. Selbstverständlich kann überhaupt nicht bezweifelt werden, daß Lerner aus dem vermeintlichen Sprachprestige abgeleitete Einschätzungen von der Einschätzung des jeweiligen Lehrers trennen können; ebensowenig kann in Zweifel gezogen werden, daß eine solche Projektion stattfindet7. Projektionen dieses Typs finden freilich auch in umgekehrter Richtung statt: Einschätzungen des Lehrers (seiner Persönlichkeit, seines Unterrichtsstils etc.), die z.B. aus vorangehendem Unterricht in einem anderen Fach resultieren können, können ihrerseits zum schulischen Prestige von Sprachen beitragen. Beide Phänomene der Einfluß des Sprachprestiges auf die Einschätzung des Lehrers und die Einschätzung des Lehrers durch die Schüler auf die Sprache belegen aber, daß der Lernende auf diese Weise 'Sprache' und 'Lehrer' miteinander in Beziehung setzt. 3.2 Sprache und Lernziel Wenn man über das Prestige von Sprachen nachdenkt, gelangt man rasch zu der Auffassung, daß 'Prestige' sowohl etwas mit subjektiven als auch mit scheinbar objektiven, in einer Gemeinschaft verwurzelten Auffassungen zu tun hat. Diese spiegeln sich u.a. in Lernzielen wider: vermeintlich schwere Sprachen mit einem geringen Verkehrswert und einem niedrigeren Prestige werden im schulischen Curriculum später angesiedelt und anders hinsichtlich der erreichbaren Lernziele behandelt als Sprachen mit einem hohen Prestige und einem großen Verkehrswert. Erinnert sei exemplarisch an die lingua franca-Diskussion; Sprachen, die diese Funktion übernehmen weltweit vor allem das Englische -, werden aufgrund ihres Prestiges früher und intensiver in der Sprachenfolge berücksichtigt als Sprachen, 7 In unserer Untersuchung zum Korrekturverhalten von Fremdsprachenlehrern (vgl. Kleppin/ Königs 1991) haben wir in einem vorab geführten Interview mit den beteiligten Spanisch- und Italienisch-Lehrern u.a. auch Fragen zum Prestige der vertretenen Fremdsprache an der Schule gestellt. Die Antworten lassen eindeutig erkennen, daß aus Lehrersicht zwischen dem Prestige einer Sprache und der Einstellung der Schüler gegenüber dem Unterricht und den Lehrern, die diese Sprache unterrichten, Zusammenhänge bestehen. FLuL 24 (1995) 20 Frank G. Königs denen diese Funktion nicht zugesprochen wird. Die Folge ist für die erstgenannten Sprachen in der Regel ein differenzierter Katalog an sprachlichen Lernzielen, während andere Sprachen demgegenüber mit weniger weitreichenden Lernzielen unterrichtet werden. Sprachen mit geringerem Prestige werden andererseits aber häufiger funktionalisiert unterrichtet, d.h. daß sie entsprechend ihrer wahrscheinlichen späteren Verwendung in fach- oder skillspezifischen Kursen angeboten werden. Im letztgenannten Fall ist der Kontrast in den Lernzielen deutlich für den Lernenden wahrnehmbar: ein Lerner, der z.B. in einem 'Lesekurs Spanisch für Geographen' sitzt, weiß von Anbeginn an, daß die Lernziele hinsichtlich der sprachlichen Fertigkeiten und der sprachlichen Anwendung gegenüber schulischem Fremdsprachenunterricht stark eingeschränkt sind. Umgekehrt war die weitreichende Funktion der linguafranca Englisch lange Jahre das Hauptargument dafür, sie in Langzeitlehrgängen mit differenzierten und insgesamt umfangreichen Lernzielen zu unterrichten; erst in den letzten Jahren (vgl. z.B. Christ 1991: 143; Finkenstaedt/ Schröder 1992: 48) mehren sich die Stimmen derjenigen, die für eine Reduzierung der Langzeitlehrgänge eintreten und stattdessen dem Unterricht in einer weiteren Fremdsprache das Wort reden. 8 Insgesamt gilt, daß auch aus Lernersicht die zu lernenden Sprachen in enger Verbindung zu den Lernzielen gesehen werden. Als weiterer Beleg für diese Tatsache mag die Existenz der bilingualen Zweige und Schulen in Deutschland dienen, die in ihrer überwiegenden Mehrheit auf die Sprachen Englisch und Französisch hin ausgerichtet sind, Sprachen also mit einem hohen Prestige im Sinne der Argumentation Christs (s.o.). 3.3 Sprache und Lerner Auch unter diesem Aspekt läßt sich die Diskussion um das Prestige von Sprachen wieder aufnehmen. Zu ihrem Prestige gehört wenn auch schwer zu operationalisieren ihre Lernbarkeit. Bestimmte Sprachen gelten als leicht zu lernen, bestimmte andere Sprachen dagegen als schwer. Dabei wird die Frage, was denn eine schwer (bzw. leicht) zu lernende Sprache letztlich ist, nur z.T. durch die Linguistik und die durch sie entwickelte Beschreibung der jeweiligen sprachlichen Systeme entschieden. In die Be- oder auch Verurteilung einer Sprache als leicht bzw. schwer fließen tradierte Auffassungen ebenso mit hinein wie eigene Sprachlernerfahrungen, sei es mit der eigenen Muttersprache, sei es mit anderen Fremdsprachen. Hinzu tritt das Gewicht einer Sprache im Rahmen des Ausbildungsgangs, das sich sowohl in der wöchentlichen Stundenzahl niederschlägt als auch in der Lehrgangsdauer. Strukturell gilt z.B. Englisch für Lerner mit Deutsch als Muttersprache als einfacher gegenüber romanischen Sprachen (vgl. zu dieser Auffassung auch jetzt Sigott 8 Nicht ganz klar ist hierbei übrigens, ob es sich um rein sprachenpolitische Argumente handelt mit dem Ziel, bestimmte Fremdsprachen in der Sprachenfolge zu stärken, oder ob es sich um die Konsequenzen aus einer allzu pauschalen und raschen Kritik an der Leistungsfähigkeit von (lang andauerndem) Fremdsprachenunterricht handelt. FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? 21 1993). Ob sich diese Auffassung auch bei Schülern im Sekundarbereich so ohne weiteres finden läßt, wäre eine Überprüfung wert, denn vielfach sieht die Stundentafel für Englisch erheblich mehr Stunden gerechnet auf die gesamte Schulzeit vor als für Französisch. Eine der Konsequenzen daraus ist, daß der Englischunterricht stärker in die Tiefe gehen kann, als z.B. ein auf fünf Jahre angelegter Französischunterricht, dessen Lernziele dann wiederum gegenüber dem Englischunterricht weniger weitreichend sein müßten. Wäre dies nicht der Fall und wiesen die Lernziele für beide Sprachen die gleiche Reichweite auf, dann ließe sich daraus schließen, daß Französisch offenbar schneller zu lernen sei als Englisch. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Diese Behauptung soll an dieser Stelle nicht vertreten werden; vielmehr soll angeregt werden, .einmal aus Lernersicht zu ermitteln, was denn jenseits von tradierten Annahmen und Vorurteilen eine schwere Sprache ist, worin. sie sich manifestiert und welchen Platz sie im Rahmen der Sprachenfolge einnehmen sollte. 3.4 Lehrer und Lernziel Geht man der Frage nach, wie Fremdsprachenlehrer durch die Lernenden wahrgenommen werden, so zieht sich durch die Untersuchungen, in denen Einschätzungen über Lehrer ermittelt worden sind, wie ein roter Faden das Kriterium der 'Glaubwürdigkeit'. Damit ist das Maß an Überzeugung gemeint, mit dem der Lehrer sein unterrichtliches Vorgehen gestaltet: Wie sehr ist er z.B. von seinem methodischen Handeln überzeugt? Oder folgt er nur blind einem Lehrerhandbuch oder einer Methodik, ohne von den damit verbundenen Maßnahmen wirklich überzeugt zu sein? Hält er das anvisierte Lernziel für erreichbar oder gibt er seiner Resignation Ausdruck? Daß Lernende die Beziehung zwischen Lehrer und Lernziel sehr differenziert betrachten und bewerten, ist z.B. an den Untersuchungen Zimmermanns (1984, 1990, 1991, 1992) zum Grammatikunterricht und zur Verständlichkeit grammatischer Beschreibungen abzulesen. In ihnen wird z.B. deutlich, daß die Schwierigkeiten, die Lernenden bisweilen mit didaktisch-grammatischen Beschreibungen oder ihrer Verwendung im Unterricht haben, nicht einseitig auf mangelnde vermittlungsmethodische Fähigkeiten der Lehrenden geschoben werden, sondern auch auf die Komplexität des Vermittlungsgegenstands. Das bedeutet aber gleichzeitig, daß Lehrer häufig nicht pauschal bewertet werden, sondern je nach unterrichtlicher Situation durchaus differenziert. In Fragebogenaktionen, die ich zur Rolle der Grammatik mit Studenten eines Hauptseminars im schulischen Fremdsprachenunterricht habe durchführen lassen, spiegelt sich dieses Ergebnis dahingehend wider, daß Schüler die Kompetenz ihrer Lehrer durchaus in Zusammenhang mit den jeweiligen Lernzielen bringen: "Ich finde meinen Lehrer gut, nur bei der Erklärung von Grammatik könnte er manchmal klarer sein" ist eine Lerneräußerung, die in ähnlicher Form nicht selten in den Fragebögen artikuliert wurde. Insbesondere lernerfahrene Schüler sind durchaus in der Lage, Zusammenhänge zwischen Lehrer und Lernziel zu beachten und in ihrer Bedeutung für den eigenen Lernprozeß zu bewerten. FLuL 24 (1995) 22 Frank G. Königs 3.5 Lehrer und Lerner Unter diesem Aspekt läßt sich die oben thematisierte Selbstbestimmung des Lernenden durch Abgrenzung gegenüber dem Anderen nochmals anführen. Die Beziehung zwischen dem Lehrer auf der einen Seite und (den) Mitlernern auf der anderen ist selbstverständlicher Bestandteil der Beobachtung jedes einzelnen Lernenden. Sie bildet eine Grundlage für die individuelle 'Analyse' des Unterrichts durch Lernende und damit für die Entstehung bzw. Veränderung des Bildes von Unterricht. Aus der Beobachtung des Verhaltens seitens des Lehrers gegenüber einem Mitlerner in einer bestimmten Situation leitet der Lerner natürlich ab, wie sich der Lehrer in einer vergleichbaren Situation ihm gegenüber verhalten wird. Weicht das tatsächliche Verhalten des Lehrers dann davon ab (z.B. bei der Reaktion auf sprachliche Fehler), wird die zuvor beobachtete Verhaltensweise wieder herangezogen und auf 'die eigene Situation' hin interpretiert. Der Lerner sieht damit das Verhalten des Lehrers ihm gegenüber kontrastiv zum Lehrerverhalten gegenüber einem Mitlerner. M.W. liegen empirische Forschungsergebnisse darüber, inwieweit Fremdsprachenlehrer in ihrem Verhalten allen Lernenden einer Gruppe gegenüber durch diese Gruppe selbst als konsequent und konsistent eingestuft werden, nicht vor. 3.6 Lernziel und Lerner Auch in dieser Relation kann wiederum das Verhältnis von Eigenem und Fremdem angeführt werden. Der Lernende beobachtet, wie Mitlerner mit bestimmten Lernzielen zurechtkommen und leitet kontrastierend dazu Einschätzungen und Annahmen darüber ab, wie er selbst zu diesen Lernzielen steht. Dabei kann es im übrigen ferner zu Konflikten kommen, wenn selbstgesteckte und durch die Institution vorgegebene Lernziele weit auseinanderliegen. In den Fällen, in denen Lernende sich dessen bewußt sind, geht dem eine Kontrastierung der unterschiedlichen Lernziele und Lernereinstellungen voraus. 4. Schlußbemerkung Es ging mir im vorliegenden Beitrag darum, darauf aufmerksam zu machen, daß sich Lernen im Kontrast nicht in der Kontrastierung von Sprachsystemen durch die Lernenden erschöpft, sondern daß Kontrastierung in einem viel weiter gefaßten Sinn zum täglichen Erscheinungsbild unterrichtlicher Wahrnehmungen zählt. Dies ändert nichts an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit kontrastivlinguistisch angelegter Studien; wie weit diese reichen, um den komplexen Vorgang des Lernens von Fremdsprachen hinreichend zu beschreiben, steht freilich auf einem anderen Blatt. FLuL 24 (1995) Lernen im Kontrast was heißt das eigentlich? 23 Bibliographische Angaben ANDERS0N, Laurie (1990): "Learning to Write in L2 in Institutional Contexts". In: Duda/ Riley (eds.), 135-154. BAILEY, Kathleen M. (1983): "Competitiveness and Anxiety in Adult Second Language Learning: Looking at and through the Diary Studies". In: SELIGER, Herbert W./ LONG, Michael H. (eds.): Classroom Oriented Research in Second Language Acquisition. Rowley: Newbury House, 67-103. BAUSCH, K.-Richard (im Druck): "Schwierigkeiten mit dem fremdsprachlichen Wortschatz? Wenn ja - Wo? Wie? Wann? Und vor allem: Warum? Exemplarische Einblicke in ein empirisches Forschungsvorhaben mit italienischen Deutschlernern". In: BAUSCH, K.-Richard [et al.] (Hrsg.): Arbeitspapiere der 15. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. BAUSCH, K.-Richard/ CHRIST, Herbert/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.) (1995): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke (3. Auflage). BAUSCH, K.-Richard/ HEID, Manfred (Hrsg.) (1990): Das Lehren und Lernen von Deutsch als zweiter oder weiterer Fremdsprache: Spezifika, Probleme, Perspektiven. Bochum: Brockmeyer. BAUSCH, K.-Richard/ KASPER, Gabriele (1979): "Der Zweitsprachenerwerb: Möglichkeiten und Grenzen der 'großen' Hypothesen". In: Linguistische Berichte 64, 3-35. CHRIST, Herbert (1991): Fremdsprachenunterricht für das Jahr 2000. Sprachenpolitische Betrachtungen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen. Tübingen: Narr. DUDA, Richard/ RILEY, Philip (eds.) (1990): Learning Styles. Nancy: Presses Universitaires. FlNKENSTAEDT, Thomas/ SCHRÖDER, Konrad (1992): Sprachen im Europa von morgen. Berlin [usw.]: Langenscheidt. GASS, Susan/ SELINKER, Larry (eds.) (1983): Language Transfer in Language Leaming. Rowley, Mass.: Newbury House. GR0EBEN, Norbert [et al.] (1988): Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke. HUFEISEN, Britta (1991): Englisch als erste und Deutsch als zweite Fremdsprache. Empirische Untersuchung zur fremdsprachlichen Interaktion. Frankfurt/ M. [usw.]: Lang. KrELHÖFER, Bernd/ J0NEKEIT, Sylvie (1983): Zweisprachige Kindererziehung. Tübingen: Stauffenberg. KLEPPIN, Karin/ KÖNIGS, Frank G. (1991): Der Korrektur auf der Spur. Untersuchungen zum mündlichen Korrekturverhalten von Fremdsprachenlehrern. Bochum: Brockmeyer. KÖNIGS, Frank G. (1983): Normenaspekte im Fremdsprachenunterricht. Ein konzeptorientierter Beitrag zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. KÖNIGS, Frank G. (1990): Beim Übersetzen schreibt man - Übersetzt man auch beim Schreiben? Ein psycholinguistisch orientierter Vergleich zweier fremdsprachlicher Produktionsprozesse bei fortgeschrittenen deutschen Spanischlemem. Bochum: Ruhr-Universität (Habilitationsschrift). KÖNIGS, Frank G. (1994a): "'Chacun a son goßt'. Zur Rolle der Muttersprache im Fremdsprachenunterricht aus der Sicht der Sprachlehrforschung". In: LANDESSPRACHENINSTITUT NRW (Hrsg.): Arabischunterricht in Deutschland. Bewährte Ziele, neue Perspektiven. Bochum: Arabicum, 31-61. KÖNIGS, Frank G. (1994b): "[Rez. zu] Putzer, Oskar: Fehleranalyse und Sprachvergleich. Lingui- FLuL 24 (1995) 24 Frank G. Königs stische Methoden im Fremdsprachenunterricht am Beispiel Italienisch-Deutsch. Ismaning: Hueber 1994". In: Fremdsprachen und Hochschule 42, 135-139. KÖNIGS, Frank G. (1995): "Die Dichotomie Lernen/ Erwerben". In: BAUSCH, K.-Richard/ CHRIST, Herbert/ KRUMM, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke (3. Auflage), 428-431. K00RDINIERUNGSGREMIUM im DFG-Schwerpunkt 'Sprachlehrforschung' (Hrsg.) (1983): Sprach- / ehr- und Sprachlernforschung: Begründung einer Disziplin. Tübingen: Narr. LARSEN-F'REEMAN, Diane/ L0NG, Michael H. (1991): An lntroduction to Second Language Acquisition Research. London/ New York: Longman. NARCY, Jean-Paul (1990): "Dans quelle mesure peut-on tenir compte des styles d'apprentissage? " In: Duda/ Riley (eds.), 89-105. ODLIN, Terence (1989): Language Transfer. Cross-linguistic lnfluence in Language Learning. Cambridge [etc.]: Cambridge University Press. O'MALLEY, J. Michael/ CHAM0T, Anna Uhl (1990): Learning Strategies in Second Language Acquisition. Cambridge [etc.]: Cambridge University Press. OXFORD, Rebecca L. (1990): Language Learning Strategies. What Every Teacher Should Know. New York: Newbury House. PuTZER, Oskar (1994): Fehleranalyse und Sprachvergleich. Linguistische Methoden im Fremdsprachenunterricht am Beispiel Italienisch-Deutsch. Ismaning: Hueber. RUBIN, Joan (1975): "What the 'Good Language Leamer' Can Teach Us". In: Tesol Quarterly 9, 41-51. SAUNDERS, George (1982): Bilingual Children: Guidance for the Family. Clevedon: Multilingual Matters. SAUNDERS, George (1988): Bilingual Children: From Birth to Teens. Clevedon: Mulitlingual Matters. SIG0TT, Günther (1993): Zur Lernbarkeit von Englisch und Französisch für deutsche Muttersprachler. Eine exploratorische Pilotstudie. Tübingen: Narr. SINGLETON, David (1989): Language Acquisition: The Age Factor. Clevedon: Multilingual Matters. STERN, H. H. (1975): "What Can We Leam from the Good Language Learner? " In: Canadian Modem Language Review 31, 304-318. ZIMMERMANN, Günther (1984): Erkundungen zur Praxis des Grammatikunterrichts. Frankfurt: Diesterweg. ZIMMERMANN, Günther (1990): Grammatik im Fremdsprachenunterricht der Erwachsenenbildung. Ergebnisse empirischer Untersuchungen. Ismaning: Hueber. ZIMMERMANN, Günther (1991): "Warum ist Grammatik 'trocken'? Untersuchungen zu Lemerkognitionen im Fremdsprachenunterricht". In: GREBING, Renate (Hrsg.): Grenzenloses Sprachenlernen. Festschrift für Reinhold Freudenstein. Berlin: Comelsen, 150-163. ZIMMERMANN, Günther (1992): "Grammatik 'sinnvoll' machen: Didaktische Folgerungen aus Lemerkognitionen". In: BUTTJES, Dieter/ BUTZKAMM, Wolfgang/ KLIPPEL, Friederike (Hrsg.): Neue Brennpunkte des Englischunterrichts. Festschrift für Helmut Heuer zum sechzigsten Geburtstag. Frankfurt/ M. [usw.]: Lang, 166-179. FLuL 24 (1995)