Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1995
241
Gnutzmann Küster SchrammWortstellung kontrastiv -
121
1995
Inez De Florio-Hansen
flul2410041
Inez De Florio-Hansen Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lembarkeit französischer Satzgliedstellungsvarianten Abstract. Based on the observation that word order variants play next to no role in the written language of advanced students of French, the article pursues two aims: 1. The procedures of marked word order, relevant to foreign language learners, are described in form and function by means of a data file from three French magazines. 2. After an introductory discussion of the question of what learning in contrast is all about, a double contrasting is recommended on the grounds of recent psycholinguistic findings. In order to sensitize the learners of word order phenomena, an interlingual confrontation of word order variants in French and German is indicated. This is supplemented by an intralingual comparison of different procedures of marked word order in the French language. 1. Einleitung Selbst überdurchschnittliche Französischklausuren fortgeschrittener Fremdsprachenlerner weisen häufig eine stilistische Einförmigkeit auf, die ihre Lektüre nicht zum Vergnügen werden läßt. Geht man den Ursachen dieser Rigidität nach, stellt man fest, daß die Lernenden die Abfolge Subjekt, Verb, Objekt strikt einhalten, auch wenn aufgrund von Mitteilungsperspektive und Register Wortstellungsvarianten angebracht wären. Die von Rivarol in seinem Discours sur l'universalite de la langue jran9aise (1784; ed. 1929: 89-90) propagierte Hauptthese scheint sich, auch was die Fremdsprachenvermittlung angeht, bis heute gehalten zu haben: Die im Französischen übliche SVO-Serialisierung sei die der menschlichen Logik entsprechende Wortstellung und begründe dessen herausragende Stellung als Universalsprache. "Le franr; ais, par un privilege unique, est seul reste fidele a l'ordre direct, comme s'il etait toute raison; [...] c'est en vain que les passions [...] nous sollicitent de suivre l'ordre des sensations: la syntaxe franr; aise est incorruptible. C'est de la que resulte cette admirable clarte, base eternelle de notre langue. Ce qui n'est pas clair n'est pas franr; ais." Vieles, was man der Überzeugung, die Klarheit einer Sprache beruhe auf der festen Abfolge SVO, entgegenhalten kann, ist bereits vor Rivarol oder als Kritik an seiner Preisschrift geäußert worden: Das Französiche so schon Batteux 1748 in Lettre sur la phrase fran9aise comparee avec la phrase latine muß das Fehlen eines Deklinationssystems mit Kasusendungen durch eine relativ rigide Wortstellung kompensieren (vgl. Bauer 1992). Bekanntlich stehen die (unbetonten) Objektpronomina vor dem Verb, z.B. je FLuL 24 (1995) 42 Jnez De Florio-Hansen vous salue, und in Relativsätzen ist sogar die OSV-Serialisierung die Regel, z.B. l'ami que je salue. Sprachtypologische Untersuchungen haben gezeigt, daß in 30% der Sprachen Subjekt und Objekt gewöhnlich vor dem Verb stehen (z.B. im Türkischen und Japanischen), während die SVO-Serialisierung nur in 36% der Sprachen das vorherrschende Worstellungsprinzip ist (Hagege 1985: 229; vgl. auch Hawkins 1983, Fenk-Oszlon 1983). Gebärdensprachen, von denen man annimmt, daß sie die natürliche Ordnung der Vorstellungen am ehesten widerspiegeln, sequenzieren die Satzkonstituenten ganz unterschiedlich; die Abfolge SVO findet sich nicht (Hagege 1985: 226; vgl. Diderot 1751 1 ). Obgleich es also keine naturgemäße Abfolge der Wörter gibt und die vermeintliche clarte des Französischen, die Rivarol mit der SVO-Serialisierung begründete, schon damals als Mythos, als Ideologie 2 entlarvt wurde, führen Varianten der Satzgliedstellung in Grammatiken und Übungsbüchern für die Hand von Fremdsprachenlernern ein Schattendasein. Entweder werden sie nur gestreift 3, oder ihre Darstellung erfolgt in einer Form, die es den Lernenden (und ihren Lehrern) von vornherein geraten erscheinen läßt, sich auf die übliche, grammatische Wortstellung zu beschränken4. Dabei hatte schon Domergue in seiner Kritik an Rivarol den ordre Welche Ordnung sich herausbildet, wenn Äußerungen durch Gesten wiedergegeben werden, hat schon Diderot zu erforschen versucht. In Lettre sur les sourds et les muets gelangt er bereits 1751 in Anlehnung an den Sensualisten Condillac zu der Erkenntnis, daß Erfahrungen ganzheitlich sind, ihre Wiedergabe durch jedwede Sprache aber linear erfolgt. 2 Einen Überblick gibt Swiggers (1990). Die Möglichkeit, daß Franzosen um besondere Klarheit im Ausdruck bemüht sind, weil sich der Mythos zum Ethos gewandelt hat, erörtert Weinrich (1985). 3 Lübke (1990) listet die einzelnen Formen der „Hervorhebung" zwar übersichtlich auf, geht jedoch - und das mag in einer Schulgrammatik gerechtfertigt sein auf deren Funktion und vor allem die Unterschiede zwischen einzelnen Varianten der Satzgliedstellung nicht näher ein. - Da Reumuth/ Winkelmann (1994) neben Oberstufenschülern ausdrücklich Studenten der Romanistik als Adressaten nennen, begnügen sich die Autoren nicht mit einer Aufzählung von (durchaus treffenden) Beispielen. Hinweise wie (1994: 526): "Sie [Rechtswie auch Links-versetzung] bewirkt stets eine Thematisierung" sind jedoch eher irreführend, auch wenn sie im nachhinein kurz erläutert werden. - Eine knappe, aber treffende Einführung für die Hand des Schülers findet sich in der älteren Grammatik von Klein/ Strohmeyer (1971). 4 Confais (1978) behandelt die Wortstellung nach der Mitteilungsperspektive in seiner Grammaire explicative relativ ausführlich (245-261). Zur Verwirrung von Fremdsprachenlernern trägt zum einen bei, daß Confais dem Raster 'Stellung der Satzglieder im Vorfeld, Zwischenfeld und Nachfeld', das bei der Wortstellung nach dem grammatischen Prinzip sinnvoll sein mag, auch bei derjenigen nach der Mitteilungsperspektive folgt. Zum anderen versteht er unter markierter Wortstellung nicht etwa jede Form der Abweichung von der SVO-Serialisierung in kategorialen FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lernbarkeit .... 43 direct zugunsten eines ordre variable verworfen, der von den Mitteilungsabsichten des Sprechers bestimmt wird (vgl. Hagege 1985: 221). 2. Die Satzgliedstellung nach der Mitteilungsperspektive 2.1 Einführung Was beinhaltet die Mitteilungsperspektive, die auch als Funktionale Satzperspektive, Thema-Rhema-Gliederung bzw. Topic-Comment-Articulation bezeichnet wird? Der von der Prager Schule in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts eingeführte Terminus 'Funktionale Satzperspektive' betrachtet die Gliederung des Satzes unter dem Aspekt seiner Mitteilungsfunktion. Die schon lange propagierte Auffassung, daß die lineare Abfolge der Satzelemente Ausdruck einer bestimmten Richtung in der Bewegung des Denkens sei (u.a. Weil, v.d. Gablentz, Ammann), führt die Prager Linguisten, ihnen voran Mathesius, zu der Überzeugung, daß es unabhängig von der formal-grammatischen Struktur eine Informationsstruktur geben müsse. In der Regel führe sie vom Ausgangspunkt der Aussage, dem Bekannten, in üblicher Terminologie 'Thema', zum Kern der Aussage, der (aus der Sicht des Sprechers für den Hörer) neuen Information, dem 'Rhema'. Ohne auf die verwirrende Vielzahl von Termini und Erklärungsversuchen einzugehen (vgl. Lutz 1981: 191 ff: Thema: 1. bekannt, 2. Ausgangspunkt der Aussage, 3. Element mit dem niedrigsten Anteil an kommunikativer Dynamik, 4. Mitteilungsgegenstand), reicht m.E. zur Einführung von Fremdsprachenlernern folgende Definition von 'Thema' und 'Rhema' zunächst aus: 'Thema' ist aboutness, das, wozu etwas gesagt wird; 'Rhema' bezeichnet den comment, das, was über das Thema etwas aussagt (vgl. Oetzel 1992: passim). Die kontextbezogene Gegenüberstellung 'bekannt vs. neu' ist in dieser Definition in den Hintergrund getreten. Es gibt nämlich immer nur Stufen der Bekanntheit und der Neuheit. Die einzelnen Elemente im Satz tragen in unterschiedlichem Maß zum Fortgang der Kommunikation bei. Firbas (vgl. Stammerjohann 1975: 156) hat dafür den Begriff der 'kommunikativen Dynamik' (communicative dynamism) geprägt. In dem Satz Ils ont visite la cathedrale fallen die SVO-Serialisierung und die Abfolge Thema-Rhema aufs schönste zusammen. Über ils, das durch ein anaphorisches Pronomen aufgenommene Thema, wird ausgesagt: ont visite la cathedrale. Äußerungen, wie das in der Fachliteratur üblich ist (vgl. oben 2.1), sondern nur die Sätze, in denen Konstituenten mit hohem Informationsgehalt solchen mit niedrigem Mitteilungswert vorangehen. - Klein/ Kleineidam (1983) bieten einen wissenschaftlich fundierten Abriß über die Satzgliedstellungsvarianten, der weitgehend der Darstellung von Kleineidam (1990) im LRL entspricht. Die Grammatik des heutigen Französisch ist aber zumindest was das genannte Kapitel angeht keine Lerngrammatik (vgl. die Kriterien bei Zimmermann/ Wißner-Kurzawa 1985), sondern eher ein Nachschlagewerk für die Hand fortgeschrittener Studenten. FLuL 24 (1995) 44 Inez De Florio-Hansen Auch die semantische Abfolge Agens-Aktion-Patiens fällt in diesem Beispielsatz mit den beiden anderen Sequenzierungsebenen zusammen. Man bezeichnet die Wortstellung dieses Satzes für gewöhnlich als unmarkiert (non-marque), während man eine Abweichung von der neutralen Mitteilungsebene 'markiert' (marque') nennt, z.B. la cathedrale, ils l'ont visitee. 5 Die Spannung 'markiert vs. unmarkiert' ist universell, wird in den einzelnen Sprachen jedoch unterschiedlich verwirklicht. Eine der Hauptfragen der Prager Schule war diejenige nach den grammatischen und lexikalischen Mitteln, mit denen Thema und Rhema signalisiert werden. In fast allen Sprachen wird die Information über die Information, d.h. der höhere oder niedrigere Mitteilungswert, den der Sprecher einzelnen Satzkonstituenten beilegt, 1. durch die Reihenfolge der sprachlichen Elemente, also die Wortstellung, 2. durch die Prosodie und 3. durch zusätzliche grammatische und lexikalische Mittel angezeigt. Aufgrund der Vielfalt und der Komplexität sprachlicher Erscheinungen kann man sich für die Definition von 'markiert vs. unmarkiert' zwar mehrere Parameter vorstellen, in der Fachliteratur überwiegt jedoch zu Recht die grammatische Ebene als Kriterium: Für das Französische, für die romanischen Sprachen überhaupt, gilt daher die SVO-Serialisierung als unmarkiert (vgl. u.a. Stammerjohann o.J.: 4). 2.2 Formen markierter Wortstellung im Französischen Die wichtigsten Formen markierter Wortstellung, mit denen auch Fremdsprachenlehrer konfrontiert werden, sind Herausstellung, Topikalisierung, Sperrung und Spaltung. " 'Herausstellung' ist der Sammelbegriff für 'Rechtsversetzung', 'Linksversetzung' in der Grammatik des Französischen seit Bally als 'Segmentierungen' bekannt, bei Tesniere 'Projektionen' - und das, was H. Altmann (1981) als 'Freies Thema' bezeichnet hat[ ...] als nominativus pendens altbekannt" (Stammerjohann o.J.: 1). Während bei der Rechtsversetzung die versetzte Satzkonstituente durch ein Pronomen antizipiert wird, z.B.: Ils l'ont visitee, la cathedrale (Sie haben sie besichtigt, die Kathedrale), ist das Merkmal der Linksversetzung die pronominale Reprise des versetzten Komplements: La cathedrale, ils l'ont visitee. (Die Kathedrale, die haben sie besichtigt.) Bei der mit 'Freies Thema' bezeichneten Konstruktion ist die Bezugnahme auf ein Thema syntaktisch nicht mehr konnex, z.B.: A propos de la cathedrale entre-temps ils ont visite le musee Flaubert. (Apropos die Kathedrale inzwischen haben wir das Flaubert-Museum besichtigt.) 5 Selbst wenn man der Auffassung zuneigt, bei Wortstellungsvarianten handele es sich um eine Reihe von Optionen, die natürliche Sprachen bereithalten, ist die Opposition 'markiert vs. unmarkiert' gerade für die kontrastive Sprachvermittlung von Nutzen (vg. oben 3.1). FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lernbarkeit .... 45 Die Topikalisierung ähnelt der Linksversetzung; das in Spitzenstellung gerückte Komplement wird jedoch nicht durch ein Pronomen wiederaufgenommen, z.B.: La cathedrale ils ont visite(e ). (Die Kathedrale haben sie besichtigt.) Mit 'Sperrung' bezeichnet man Konstruktionen des Typs: Ce qu'ils ont visite, c'est la cathedrale. (Was sie besichtigt haben, ist die Kathedrale.) 'Spaltung' nennt man den Typ: C'est la cathedrale qu'ils ont visitee. (Es ist die Kathedrale, die sie besichtigt haben.) Es bietet sich an, Lernenden die verschiedenen Konstruktionen in dieser Reihenfolge, nämlich derjenigen abnehmender thematischer Erschließbarkeit, vorzustellen oder sie eigene Beispiele auf einer entsprechenden Skala einordnen zu lassen. Giv6n (1983) kalkuliert topic accessibility mit dem durchschnittlichen Abstand zwischen der letzten und der aktuellen Nennung des Themas. Die gewählte Reihenfolge, Rechtsversetzung, Linksversetzung, Freies Thema, Topikalisierung, Sperrung und Spaltung ist ein Ausschnitt aus einer Skala, die nach oben zur Nullanapher, dem Maximum thematischer Erschließbarkeit, und nach unten bis zum absoluten Textanfang als dem Minimum thematischer Erschließbarkeit fortgesetzt werden könnte (vgl. Stammerjohann o.J.: 3). 2.3 Funktionen markierter Wortstellung im Französischen Je größer das Interesse an der hinter den sprachlichen Äußerungen stehenden Intention des Sprechers wurde, umso mehr wurden Verfahren markierter Wortstellung in die linguistische Analyse einbezogen. Was das Französische angeht, sind sie in jüngerer Zeit hauptsächlich an Korpora gesprochener Sprache untersucht worden, z.B. von Barnes (1985, 1986), Gülich (1982), Rainer (1983), Seelbach (1982) und Stempel (1981) (vgl. auch Koch 1986 und Koch/ Oesterreicher 1990). Den Autoren gelingt der Nachweis, daß markierte Wortstellung in gesprochenem Französisch als geläufig bezeichnet werden kann. Wie steht es heute mit ihrer Verbreitung in geschriebener Sprache? Die folgenden Beispiele stammen aus einem Datenkorpus, das ich mit Blick auf die für fortgeschrittene Französischlernende relevanten Register aus drei französischen Zeitschriften vom März 1994 zusammengestellt habe 6• Obgleich es sich um aus dem Kontext herausgelöste Einzelsätze handelt, kann man anhand derartiger Belege in die Funktionen der oben genannten Satzgliedstellungsvarianten einführen. 6 In den Zeitschriften L'Express Nr. 2227 (vom 7.3.1994), Le Nouvel Observateur Nr. 1530 (vom 3.-9.3.1994) und Paris Match Nr. 2338 (vom 3.3.1994) habe ich jede zweite Seite mit fortlaufendem Text, pro Zeitschrift 24 Seiten, insgesamt also 72 Seiten, auf die wichtigsten Verfahren der markierten Wortstellung hin untersucht. Dabei habe ich mich auf Aussagesätze beschränkt. Im Hinblick auf die SVO-Serialisierung sind zudem kategoriale Äußerungen von besonderem Interesse, d.h. solche, die die Thema-Rhema-Gliederung aufweisen. FLuL 24 (1995) 46 Inez De Florio-Hansen Zunächst zur Rechtsversetzung (detachement/ dislocation/ segmentation a droite1). Das rechtsversetzte Komplement ist meist das Subjekt, z.B.: (1) Mais eile est sifragile, l'apparence, quand on est a la rue (L'Ex.: 39). (2) Il est fini, le temps ou des fahles ou des contes les emerveilaient (L'Ex.: 44). Die grammatische Kongruenz kann (wie auch bei der Linksversetzung) neutralisiert sein, z.B.: (3) Elle est petite, c'est beau, une femme petite (PM.: 93). Es gibt jedoch auch Belege für rechtsversetztes object direct: (4) On l'avait un peu oublie, Javier Mariscal, depuis les Jeux olympiques de Barcelone, [...] (L'Ex.: 66). Betrachtet man den Textzusammenhang, in den diese Beispiele eingebettet sind, stellt man fest, daß der Bezug zum Thema bei der Rechtsversetzung sehr eng ist. Beispiel (4) ist der erste Satz eines Artikels über Mariscal, dessen Name unmittelbar vorher in der Unterschrift unter einem Foto genannt wird. J; <: r ist das Thema, über das ausgesagt wird, daß er in Vergessenheit zu geraten droht. Die Rechtsversetzung dient also in erster Linie der Rhematisierung des Prädikats, die durch die Pronominalisierung erreicht wird, weil sie den Weg zum Prädikat abkürzt und den Ton auf das Prädikat steigert. Eine weitere Funktion der Rechtsversetzung besteht in der Themasicherung. Diese Disambiguierung wird durch die nachträgliche Verdeutlichung der Proform erreicht. Die Funktion der inzwischen auch in geschriebenem Französisch sehr häufigen Linksversetzung (detachementldislocationlsegmentation a gauche) ist eine ganz andere. Sie wird verwendet, wenn man ein altes Thema wiederaufnehmen will. Sie ist folglich ein Verfahren der Rethematisierung, ganz unabhängig davon, ob das linksversetzte Komplement das Subjekt ist (wie in den folgenden Belegen) oder eine andere Satzkonstituente: (5) Lui qui fut vicaire et eure, qui s'est occupe de patronage, d'Action catholique et de tout ce qui etait a la mode dans la pastorale de l'Eglise de France en ce temps-la, il sait parler aux fideles (PM.: 56). (6) Nous, Palestiniens, nous faisons la difference entre Israeliens et colons juifs (Le NO.: 34). (7) Cette peur de manquer, eile tenaillait au ventre les hommes de xr siecle (L'Ex.: 33). (8) Le mariage, c'est merveilleux pour certains (PM.: 30). (9) Cela, fa fait partie de la legende (Le NO.: 56). Das linksversetzte Komplement kann durch eine tournure de thematisation besonders herausgestellt werden: 7 Zur französischen Terminologie vgl. Kleineidam (1990: 125-144) und Dubois et al. (1994: 337). FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lembarkeit .... 47 (10) Quant au confessionnal, ce meuble aujourd'hui vide, il remonte pour l'essentiel au XVI' siecle, contemporain du concile de Trente (L'Ex.: 62). Bei der Linksversetzung bleibt im Gegensatz zur Rechtsversetzung die Abfolge Thema-Rhema gewahrt. Warum greift man dann überhaupt zu dieser markierten Wortstellung? Die Linksversetzung dient, so Stammerjohann (o.J.: 8f.), der Überwindung der Abfolge SVO, um etwas zum Thema zu machen, was es sonst nicht wäre. Das zeigen Beispiele deutlich, in denen das linksversetzte Komplement das object direct ist: (11) Cette peur de manquer de nourriture, on l'a vecue pendant la demiere guerre (L'Ex.: 33). (12) L'apocalypse de demain, nous l'aurons forgee nous-memes, avec notre bombe ii neutrons [...] (L'Ex.: 28). (13) Preuve que l'affaire est d'importance, Chirac et Giscard l'ont negociee, le 8 fevrier, en tete-ii-tete (L'Ex.: 12). Für linksversetztes objet indirect habe ich nur zwei Belege gefunden; einer davon lautet: (14) Ce Robert, qu'on entend depuis plus de deux ans sur les bandes magnetiques, on va peutetre enfin lui coller un nom (Le NO.: 50). Nicht ungewöhnlich ist hingegen, daß andere Satzergänzungen ins Vorfeld des Satzes treten und durch ein entsprechendes Pronomen wiederaufgenommen werden, z.B.: (15) Quant ii l'amitie de Franfois Mitterand, parlons-en (PM.: 76). (16) Forme au cinematographie chez Roger Corman, ily apprit deux choses: [...] (Le NO.: 52). Neben Rechts- und Linksversetzungen werden Satzkonstituenten in meinem Datenkorpus auch durch die als 'Freies Thema' bezeichnete Konstruktion herausgestellt, und zwar nicht nur in Überschriften, wie beispielsweise: (17) Privatisation: prets ii decoller (Le NO.: 18), sondern auch im fortlaufenden Text, z.B.: (18) La vieille ecole: on n'ouvre pas le Jeu pour un oui, pour un non, on ne touche pas ii la came (L'Ex.: 19). Nach dem Poppelpunkt wird erläutert, worin der Kodex der alten Mafia bestand, nämlich darin, nicht ohne Grund jemanden umzubringen und sich aus Drogengeschäften herauszuhalten. Die Topikalisierung (topicalisation) ähnelt der Linksversetzung; es fehlt jedoch die pronominale Reprise, z.B.: (19) L'anticipation, ils ne connaissent pas (PM.: 76). (20) Ce langage-lii, ils comprennent (PM.: 56). FLuL 24 (1995) 48 Inez De Florio-Hansen Man kann inversive Spitzenstellungen dieser Art als elliptische Linksversetzungen bezeichnen. Einige transitive Verben wie aimer, avoir, connaitre und comprendre können auch in neutraler Wortstellung ohne Objektaktanten vorkommen. Das Pronomen könnte durchaus vor dem Verb erscheinen. Daher unterscheidet sich die 'elliptische Linksversetzung' in ihrer Funktion nicht von derjenigen der Linksversetzung im allgemeinen; sie dient der Wiederaufnahme eines nicht unmittelbar vorher genannten Themas. Bei der echten Topikalisierung, für die ich in den drei Zeitschriften keinen Beleg gefunden habe, ist die Wiederaufnahme des linksversetzten Komplements durch das Pronomen ohne Veränderung der Mitteilungsperspektive nicht möglich. Das zeigt Rainer (1983: passim) u.a. an dem Beispiel: "L'autobus eile a pris". Das linksversetzte Element ist hier das Rhema. Die Topikalisierung, ein Komplex syntaktisch identischer Stellungen mit verschiedenen kommunikativen Funktionen, ist nach wie vor demjranrais familier vorbehalten. Das verwundert nicht: da das Französische nicht über Kasusendungen verfügt, geht in Aussagesätzen die Voranstellung des objet direct ohne pronominale Reprise auf Kosten der Klarheit. Sperrung und Spaltung sind verwandte Konstruktionen im Französischen (in Anlehnung an das Englische) als phrase pseudo-clivee und phrase clivee bezeichnet. Sie arbeiten mit Paraphrasierungen in spezifizierender und kontrastiver Verwendung. Bei Sperrung verweisen die Pronomina ce qui bzw. ce que als pronominale Kopie innerhalb oder am Anfang des sogenannten Sperrsatzes auf eine Konstituente, die im folgenden Kopulativsatz als Prädikatsnomen expliziert wird, z.B.: (21) Ce qui differencie le plus nettement notre civilisation europeenne des autres, c'est qu'elle est foncierement historisante, elle se conroit comme etant en marche (L'Ex.: 30). (22) Enfait, ce que refusent les colons, ce n'est pas tel ou tel aspect de processus de paix, c'est son principe meme (Le NO.: 32). Die Sperrung rhematisiert stärker als die bisher besprochenen Formen markierter Wortstellung, und sie spezifiziert: Es erfolgt die Festlegung des Referenzbereichs, d.h. aus der Gesamtmenge X wird ein Teilbereich Y operationalisiert (vgl. Raible 1971). Noch stärker als durch Sperrung wird durch Spaltung rhematisiert. Außerdem kontrastiert Spaltung. Das kann man durch den üblichen Fragetest (Kritik daran u.a. bei Lutz 1981: 73) feststellen. Die Sperrung Ce qu'ils ont visite, c'est la cathedrale antwortet auf die Frage Ont-ils visite la cathedrale ou le musee Flaubert? , während die Spaltung C'est la cathedrale qu'ils ont visitee eine Antwort auf die Frage darstelle Ont-ils visite le musee Flaubert? Die Spaltung ist im Französischen auch deshalb ubiquitär, weil das Matrixverb in allen Formen c'est... sein kann. Wie häufig sie auch in früherer Zeit war, sieht man an zwei Sätzen aus Rivarols Discours, die ich noch einmal zitiere: FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lembarkeit .... "[...] c'est en vain que les passions [...] nous sollicitent de suivre l'ordre des sensations: la syntaxe fran~aise est incorruptible. C'est de 1a que resulte cette admirable clarte, base etemelle de notre langue." 49 Da es sich bei der Spaltung um eine überaus geläufige Konstruktion handelt 8, beschränke ich mich auf drei Beispiele aus meinem Datenkorpus, die zur Verdeutlichung der Funktionen genügen: (23) Mais c'etait un homme qui m'intriguait, que je suivais de pres (PM.: 93). (24) C'est a ce frere et confrere que nous devrions, toute affaire cessante, redire merci (Le NO.: 62). (25) C'est a ce moment-la, a la fin du XIr siecle, qu'apparait Franr; ois d'Assise, qui annonce une transformation radicale du christianisme (L'Ex.: 33). Der letzte Beleg ist auch deshalb interessant, weil sich im Relativsatz die bei Existenzprädikaten mögliche Inversion von Subjekt und Verb findet. Diese VS- Abfolge kommt in sogenannten thetischen Konstruktionen, in denen ein Faktum als Ganzes gesetzt wird, auch im Datenkorpus sehr häufig vor, z.B. Arrive un type avec une paire de gants de boxe sur l'epaule (PM.: 94). Seit U. Wandruszka (1981) gilt die Inversion in diesen daseinssetzenden Äußerungen, die in informatorischer Hinsicht eingliedrig sind, also keine Thema-Rhema-Struktur aufweisen, als unmarkiert. 3. Lernen im Kontrast 3.1 Einführung Was heißt 'kontrastives Lernen'? Welche Bedeutung kommt dem Vergleich von Ausschnitten der Zielsprache mit dem sprachlichen Vorwissen der Lernenden beim Zweitsprachenerwerb zu? 8 Die große Verbreitung in der französischen Presse stützt die Forderung, die wichtigsten Verfahren markierter Wortstellung in die Fremdsprachenvermittlung einzubeziehen: Insgesamt habe ich in meinem Datenkorpus 281 Belege erfaßt (Rechtsversetzung: 32, Linksversetzung: 114, Freies Thema: 8, Topikalisierung: 2, Sperrung: 27 und Spaltung: 98). Die absoluten Zahlen sind jedoch nur bedingt aussagekräftig. Daher habe ich eine Seite aus dem Datenkorpus (Le NO.: 32) darauf untersucht, wieviele Sätze im fortlaufenden Text übrigbleiben, läßt man die Passagen unberücksichtigt, die aufgrund meiner Vorentscheidungen nicht in Frage kommen, und zwar Fragesätze, Aufzählungen ohne finites Verb, Inzisen und thetische Äußerungen. Von den verbleibenden 19 Sätzen weisen 7 markierte Wortstellung auf. Das bedeutet aber nicht einfach 12: 7. Bei den 12 Sätzen muß man sich fragen, ob hier markierte Wortstellung nach den Regeln der französischen Grammatik überhaupt möglich und vor allem ob sie im Hinblick auf die Mitteilungsperspektive sinnvoll wäre. FLuL 24 (1995) 50 Inez De Florio-Hansen Die Forderung nach Lernen im Kontrast knüpft allenfalls indirekt an Überlegungen der Kontrastiven Analyse älterer Prägung an. 9 Die sogenannte Kontrastivhypothese, nach der Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache stets zu Lernschwierigkeiten führen, während Ähnlichkeiten Lernerleichterung bewirken, kann als überwunden gelten. Die Annahme, jeglicher Zweitsprachenerwerb beruhe auf Kontrastierung zur Muttersprache, läßt sich durch Plausibilitätsannahmen, aber auch durch empirische Befunde widerlegen. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß Fremdsprachenlerner mit unterschiedlicher LI die gleichen bzw. ähnliche lernersprachliche Formen produzieren, die nicht durch Kontrastierung mit der Ausgangssprache erklärt werden können (vgl. De Florio-Hansen 1994: 189-192). Mit anderen Worten: Der Kontrast Ll-L2 deckt die Lernersprache sie ist ein Sprachteilsystem sui generis nur zum Teil ab (vgl. BörnerNogel 1994: 78). „Dem Grundgedanken" ich schließe mich Scherfer (1990: 12) an-, "daß beim L2-Erwerb Transfer, also ein sozusagen intuitiver Sprachvergleich, als spezifische L2-Lernstrategie vorkommt, ist jedoch zuzustimmen". Ergebnisse der Interlanguage-Forschung belegen, daß der L2-Lerner dabei so vorgeht: "Er versucht, auf der Basis seines allgemein- und einzelsprachlichen Wissens in der zielsprachigen Eingabeäußerung bestimmte Objekte wie beispielsweise Phoneme, Wörter, syntaktische Strukturen, Bedeutungen etc. zu erkennen. Gelingt ihm dies, so setzt er diese wenn möglich mit entsprechenden Objekten der Ausgangssprache gleich. Anders ausgedrückt heißt das: Der Lerner nimmt sprachstrukturelle Ähnlichkeiten, bzw. Unterschiede zwischen LI und L2 wahr [...]". Jeder, der in der Fremdsprachenvermittlung tätig ist, weiß aus Erfahrung, daß dieser Vergleich, den Scherfer (a.a.O.) für die Sprachaufnahme postuliert, oft gerade dann unterbleibt, wenn er besonders hilfreich wäre. Neuere psycholinguistische Befunde, besonders die Erkenntnisse der Kognitiven Linguistik, legen es nahe, Prozesse der Kontrastierung von sprachlichen Wissensbeständen durch geeignete Lehr- und Lernstrategien zu unterstützen. Bei der Sprachverarbeitung, also auch beim Zweitsprachenerwerb, werden eingehende Sprachdaten in der Regel unbewußt mit Teilen des im Gedächtnis repräsentierten Wissens verglichen. Im günstigsten Fall kommt es zu einem stufenweisen Übertragungsprozeß, der vom Anknüpfen an das Vorwissen über die Umstrukturierung vorhandener Wissensbestände bis hin zur Anpassung an eine mögliche konkrete Anwendung reicht (vgl. Wolff 1990). Dieser Weg vom Verstehen zum Behalten und Automatisieren kann durch gezielte Kontrastierung von Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen der L2 und zuvor gelernten Sprachen gefördert werden. So genügt oft der Hinweis darauf, daß auch im Deutschen das 9 Während sich die Kontrastive Linguistik auf eine Gegenüberstellung der betreffenden Sprachsysteme bzw. auf Teilbereiche beschränkte, bezieht die Fehlerlinguistik den Lernenden in ihre Untersuchungen ein. Rückschlüsse auf zweitspracherwerbliche Prozesse und Strategien sind jedoch nur durch eine Analyse der gesamten Lernerperforrnanz möglich, die auch die subjektiven Theorien der am Lernprozeß Beteiligten einschließt. FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lembarkeit .... 51 Demonstrativpronomen dieser im Plural nur eine Form kennt, um die lernersprachliche Form *cettes zum Verschwinden zu bringen. Kontrastive Bewußtrnachung darf aber nicht bei der Gegenüberstellung von deklarativen Wissensbeständen stehenbleiben. Über das im Fremdsprachenunterricht stark favorisierte deklarative Wissen hinaus kommt dem prozeduralen Wissen, d.h. den psychologischen Strategien und Prozessen, fundamentale Bedeutung zu. Die prozedurale Wissenskomponente ist nämlich nicht nur für Sprachverstehen und Sprachproduktion konstitutiv; sie spielt beim Spracherwerb selbst eine herausragende Rolle: Das Wissen um Zugriffsmechanismen und Verarbeitungsstrategien trägt zur Umstrukturierung und Automatisierung des deklarativen Sprachwissens bei (vgl. De Florio-Hansen 1995). Wolff (1990: passim) fordert daher zu Recht ein Explizitrnachen dieser implizit vorhandenen (weil in der Muttersprache eingesetzen) Strategien. Wie kann diese kontrastive Gegenüberstellung im Fremdsprachenunterricht erfolgen? Die forschende und entdeckende Eigentätigkeit der Lernenden bietet sich dabei ebenso an wie intro-/ retrospektive Verfahren, mit deren Hilfe Fremdsprachenlerner Verarbeitungsverhalten, Lern- und Kommunikationsstrategien thematisieren. Gerade bei der Betrachtung kommunikativer Regularitäten wie Wortstellungsphänomenen können auch Übersetzungsvergleiche und gezielte Übersetzungsübungen von Nutzen sein. Denn wenn man statt getrennter Speicherung eine weitgehend integrierte Repräsentation von Wissen aus verschiedenen Sprachen annimmt, wie es die Subset-Hypothese nahelegt, muß man auch von einer integrierten Verarbeitung ausgehen (vgl. Raupach 1994: 30ft). Diese vorbereitenden Schritte dürfen den hypothesentestenden Sprachgebrauch im Unterricht nicht ersetzen, da die Aneignung von Vollzugsmechanismen erst durch den Vollzug von Prozessen erreicht wird (vgl. Möhle 1994: 47-49). 3.2 Kontrastierung zur Muttersprache Auf die Frage, wie sie in ihrer Muttersprache Deutsch bestimmte Wörter bzw. Satzglieder besonders hervorheben, weisen Schüler und Studenten ohne Zögern auf intonatorische Möglichkeiten und die relativ freie Wortstellung des Deutschen hin. Daß Prosodie und Wortstellung in gesprochenem Deutsch häufig miteinander verbunden werden, die deutsche Sprache (ebenso wie das Englische) also über eine doppelte Hervorhebungsstrategie verfügt, wie z.B.: Schlecht hat die Mannschaft nicht gespielt (Confais 1978: 239) oder: Deinen Freund, den kenne ich (Klein/ Kleineidam 1983: 187), ist vielen nicht bewußt. Unterschiede im Gebrauch der markierten Wortstellung in der deutschen und der französischen Sprache können sie nur höchst vage angeben, und bei der Aufforderung, die beiden Beispielsätze ins Französische zu übertragen, sind die meisten (zunächst) hilflos. Anhand geeigneter Textbeispiele, die die Lernenden selbst zusammentragen FLuL 24 (1995) 52 lnez De Florio-Hansen können, machen sie sich bewußt, daß die im Französischen seltene Topikalisierung (vgl. oben 2.2) im Deutschen ubiquitär ist. Und sie konstatieren, daß Elemente mit hohem Mitteilungswert in der deutschen (und englischen) Sprache häufig an den Satzanfang treten. Zwar ähneln sich die genannten Sprachen hinsichtlich ihrer Satzbaupläne bei neutraler Wortstellung. So zeigen beispielsweise von Blumenthal (1987: 25) referierte Frequenzvergleiche, daß im Französischen etwa ein Drittel aller Satzbaupläne die SVO-Abfolge aufweist, während es im Deutschen zwischen 4% und 8% weniger sind. Im allgemeinen gilt also die Rhematizität der Endstellung. Deutliche Unterschiede zwischen beiden Sprachen lassen sich jedoch hinsichtlich des pragmatischen Gebrauchs feststellen, besonders was kommunikativ bedingte Wahlmöglichkeiten bei der Satzgliedstellung angeht. Während Sperrung und Spaltung im Deutschen keine nennenswerte Rolle spielen, sind sie im Französischen häufig die einzige Möglichkeit, Satzglieder hervorzuheben, die im Deutschen topikalisiert sind, z.B.: Gestern küßte Alice ihren Bruder (Blumenthal 1987: 43) - C'est hier qu'Alice a embrasse son frere. Genau diesen Text suche ich - C'etait precisement ce texte que je cherche. Das Französische unterliegt aber auch hier Restriktionen. Da u.a. Adverbien der Art und Weise und des Grades nicht ins Vorfeld treten können, ist im ersten Beispiel dieses Abschnitts (vgl. S. 51) nur die neutrale Satzgliedstellung möglich: L'equipe n'a pas mal joue 10 • Recht- und Linksversetzungen kommen (wie alle unter 2.2 angeführten Wortstellungsvarianten) auch im Deutschen vor; ein bekanntes Beispiel ist die Übertragung von: lls sont fous, ces Romains - Die spinnen, die Römer. Sie sind aber vergleichsweise selten, so daß man auch in den Fällen, wo das Französische auf Segmentierungen rekurriert, im Deutschen Topikalisierungen antrifft, z.B.: Je n'en ai pas mange, des cerises (Reumuth/ Winkelmann 1994: 528) - Kirschen habe ich keine gegessen. Moi, ra m'a etonne un peu (Reumuth/ Winkelmann 1994: 528) - Mich hat das ein wenig erstaunt. Des lettres de menaces, tous les gens de ma position en reroivent (Boileau-Narcejac nach Reumuth/ Winkelmann 1994: 527) - Drohbriefe bekommen alle Leute in meiner Position. 10 Bluhmental ( 1987: 48-52) erläutert anhand ausgewählter Textbeispiele, daß die Voranstellung des Objekts, die im Deutschen keinen stilistischen Einschränkungen unterliegt, bei der Übersetzung literarischer Werke ins Französische oft durch Nachstellung des objet direct wiedergegeben wird. FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lernbarkeit .... 53 Da es sich beim Lernen im Kontrast um ein schrittweises Vorgehen handelt, bei dem vorhandene Wissensbestände nach und nach explizit gemacht, umstrukturiert und mit neuem Wissen verbunden werden, sollen die Lernenden beim Vergleich mit der Muttersprache (und gegebenenfalls zuvor gelernten Fremdsprachen) .zunächst für Phänomene der Satzgliedstellung im Sinne folgender Zusammenfassung sensibilisiert werden: Beide Sprachen, Deutsch und Französisch, verfügen über ähnliche Verfahren zur Hervorhebung von Satzgliedern, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Häufigkeit und der Funktion der wichtigsten Verfahren markierter Wortstellung. Zur Vertiefung können u.a. Vergleiche literarischer Übersetzungen (Beispiele und Literaturhinweise bei Blumenthal 1987) und Übersetzungsübungen herangezogen werden. 3.3 Kontrastierung innerhalb der Zielsprache Haben sich die Lernenden mit den Grundlagen der Mitteilungsperspektive vertraut gemacht (vgl. 2.1), ergibt sich als eine der ersten Kontrastierungen die von ce und il, deren korrekte Verwendung auch fortgeschrittenen (deutschen) Französischlernern noch Probleme bereitet. Blumenthal (1987: 53-54) diskutiert einige Beispiele aus einer anhand von Staatsexamensklausuren zusammengestellten Fehlersammlung: · 1. Cest prouve que la plupart des accidents sont causes par des jeunes. 2. N'est-ce pas inquietant que la qualite de la vie ne nous dise plus rien? 3. L'on doit renoncer a la voiture quand il est necessaire pour la sauvegarde de notre environnement. 4. Bientöt, il sera un gaspillage d'utiliser la voiture pour une courte distance. 5. Cetait le pere de plusieurs enfants. 6. II etait un homme dans la force de l'age. Bei der Korrektur dieser Sätze können die Lernenden die entscheidende Rolle des Kontextes bei der Thema-Rhema-Gliederung erkennen: In Konstruktionen nach der Art der Beipiele 1-4 tritt als Subjektpronomen il ein, wenn der Ergänzungssatz rhematisch ist; bei thematischem Ergänzungssatz steht ce. Während man in den Beipielen 1 und 2 je nach Textzusammenhang sowohl ce als auch il verwenden könnte, muß folglich in Beispiel 3 ce verwendet werden. Bei substantivischen Prädikaten mit Artikel ist nur ce möglich (Beispiel 4 ). Ist die Identität einer zuvor erwähnten Person oder Sache bekannt, so tritt das Personalpronomen ein, wenn weitere Informationen gegeben werden. Andernfalls verwendet man ce: Ce petit monsieur, c'etait son mari (siehe Beispiel 5 und 6). Hagege (1985: 300-301) unternimmt einen interessanten Versuch, den man fortgeschrittene Fremdsprachenlerner an diesem oder anderen Texten wiederholen lassen kann: An einer Textpassage von Voltaire weist Hagege nach, daß die strikte Befolgung der SVO-Serialisierung den Text schwerfällig macht und an einigen Stellen sogar das Verständnis behindert. FLuL 24 (1995) 54 Inez De Florio-Hansen "Les niveaux d'information apparaitraient mieux si l'on brisait les contraintes sequentielles. 11 suffirait d'anteposer en tant que theme l'element representant, dans chaque phrase, une information ancienne (parce que deductible de la phrase presedente) [...]". Diese transitions par theme erreicht Hagege dadurch, daß er die SVO-Abfolge in mehreren Sätzen durch Linksversetzungen austauscht. Zwar weist er darauf hin, daß die entstandene Version in der französischen Literatursprache weniger akzeptiert sein mag, kritisiert die grammatische Satzgliedstellung in diesen Texten jedoch: "L'ordre des idees se trouve donc sacrifie, en fran~ais litteraire, a la succession purement grammaticale". Und er weist darauf hin, daß die wichtigsten Formen der markierten Wortstellung in der französischen Schriftsprache auch heute noch zu wenig verwendet werden. Eine weitere Notwendigkeit zur kontrastiven Bewußtmachung ergibt sich daraus, daß bestimmte französische Konstruktionen hinsichtlich ihres Mitteilungswerts gleich sein können, z.B.: Ce stade a ete construit par un architecte frar,irais (Confais 1978: 225-256). C'est un architecte franrais qui a construit ce stade. Nous allons demain ii Paris (Blumenthal 1987: 44). C'est ii Paris que nous allons demain oder: Nous allons ii Paris demain. C'est demain que nous allons ii Paris. Daß diese Konstruktionen jedoch nicht einfach ausgetauscht werden können, kann man den Lernenden anhand folgender kommunikativer Übung klarmachen. Mißverständnisse bzw. Irrtümer sollen richtiggestellt werden, z.B. in einem Restaurant, wo man anstelle der bestellten heißen Schokolade ein anderes Getränk erhält. Französischlerner bieten meist folgende Möglichkeiten an: J'ai commande un chocolat chaud. Moi, j'ai commande un chocolat chaud. J'ai commande un chocolat chaud, moi. C'est un chocolat chaud que j'ai commande ... Obgleich alle vier Varianten in der genannten Situation vorkommen könnten, setzen sie Unterschiede hinsichtlich des situativen Kontextes ist man allein oder in Gesellschaft anderer Gäste? - und vor allem der subjektiven Mitteilungsabsichten in welchem Verhältnis steht man zur Bedienung? voraus. Durch die Kontrastierung innerhalb der Zielsprache wird Fremdsprachenlernen selbstverständlich in einem Lernprozeß in Etappen bewußt, daß im Bereich der kommunikativen Regularitäten eine bestimmte Satzgliedstellung erst durch Intonation, Kontext und Situation ihre Funktion erhält. Anhand geeigneter Textbeispiele sollen die Lernenden bei der Gegenüberstellung von unmarkierter und markierter Wortstellung erkennen, wie bedeutsam die Thema-Rhema-Struktur bei der Verknüpfung von Sätzen zu Texten ist (und wie sie selbst einzelne Wortstellungsvarianten zur Satzverflechtung und Struktuierung eigener Texte nutzen können). FLuL 24 (1995) Wortstellung kontrastiv - Zur Lehr- und Lembarkeit .... 55 Und es soll bei ihnen ein Verständnis dafür angebahnt werden, daß Wortstellungsvarianten nicht nur von sprachimmanenten Kriterien abhängen, sondern auch kulturelle Aspekte im Sinne des Gegensatzes 'gesellschaftlich vorgeschriebene, erwartete vs. abweichende, unerwartete Form' von großer Bedeutung sind. 4. Schlußbemerkung Diese Ziele wären leichter zu erreichen, wenn es mehr Vergleiche gäbe, die den pragmatischen Gebrauch .der in Frage stehenden Sprachen Französisch-Deutsch (und gegebenenfalls Englisch) thematisieren. Grammatiken und Übungsbücher für die Hand von Französischlernern müßten die kommunikativen Regularitäten angemessen und frei von puristischen Tendenzen behandeln - und das alles unter Berücksichtigung der für den Zweitsprachenerwerb relevanten Ergebnisse der Kognitiven Wissenschaften. Und bei der Fremdsprachenvermittlung gilt es, Sprech- und Schreibanlässe so zu wählen, daß die Lernenden hinreichend Gelegenheit erhalten, kontrastiv erworbene Wissensbestände in konkreten Verwendungszusammenhängen in Sprachkönnen zu überführen. Bibliographische Angaben ALTMANN, Hans (1981): Formen der „Herausstellung" im Deutschen. Rechtsversetzung, Linksversetzung, freies Thema und verwandte Konstruktionen. Tübingen: Niemeyer. BARNES, Betsy Kerr (1985): The pragmatics of left detachment in spoken standard French. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. BARNES, Betsy Kerr (1986): "An empirical study of the syntax and pragmatics of left dislocation in spoken French". In: JAEGGLI, Osvaldo/ SILVA-C0RVALAN, Carmen (Hrsg.): Studies in Romance linguistics. Dordrecht/ Riverton: Foris, 207-223. BAUER, Brigitte L.M. ( 1992): Du latin au franfais: le passage d'une langue SOV a une langue SVO. Nijmegen: Diss. BLUMENTHAL, Peter (1987): Sprachvergleich Deutsch-Französisch. 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