Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1996
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Gnutzmann Küster SchrammZur Einführung in den Themenschwerpunkt
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1996
Gert Henrici
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...__ ____ 1n_n_o_v_a_t_iv_-_a1_t_er_n_a_t_i_v_e_M_e_t_h_o_d_e_n ____ ~I Gert Henrici Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Anlaß für die Herausgabe dieses Themenheftes war die Überlegung, daß es nach mehr als 30 Jahren der Konzipierung, Rezeption und Diskussion sogenannter „innovativ-alternativer Methoden" 1 nützlich sein könnte, im Jahr 1996 eine weitere aktualisierte Zwischenbilanz vorzulegen 2 und auch generell über diesen Typ von Methoden zu unterrichten sowie damit zu einer differenzierteren Wahrnehmung und Beurteilung dieser Methoden bzw. Ansätze ("approaches") beizutragen. Angesichts des vom Verlag vorgegebenen Umfangs des Bandes kann nur eine beschränkte Auswahl von Methoden vorgestellt werden, die mancher als willkürlich und nicht repräsentativ einschätzen mag unter ihnen auch solche Ansätze, die in Fachkreisen nicht so bekannt sind, von denen jedoch auch wichtige Anregungen für die Begründung und Gestaltung von Lehr-Lernprozessen ausgehen (können). Diese Willkürlichkeit hat eine Reihe von Gründen: Abgesehen von dem Kriterium der Repräsentanz, das aufgrund der Vielzahl von sogenannten „innovativalternativen Methoden" nur schwer zu erfüllen ist, war auch die ursprüngliche Absicht leider nicht zu realisieren, möglichst solche Autorinnen und Autoren zu gewinnen, die entweder selbst den jeweiligen Ansatz konzipiert haben oder an der Ausarbeitung und seiner (weiteren) Entwicklung wesentlich beteiligt waren und am besten in der Lage sind, über die jeweiligen Methoden detailgenau und aktuell zu unterrichten, um damit gängige Clichevorstellungen und Halbwahrheiten zu reduzieren. Manche sind mittlerweile verstorben, andere wollten nicht, einige antworteten gar nicht auf die Einladung der Herausgeber. Andere Auswahlkriterien wie z.B. theoretische und praktische Präsenz in Deutschland (Europa) bereiteten ebenfalls In Deutschland werden sie verstärkt ab den 80er Jahren vorwiegend skeptisch-zurückhaltend rezipiert und diskutiert. Polemisch-agressive Ablehnungen wie z.B. die von Reil (1983) bilden die Ausnahme. Besondere Beachtung findet die Suggestopädie, die auf verschiedene Weise weiterentwickelt und auch partiell in schulischen Kontexten angewendet und erprobt wird (z.B. Baur (1980, 1990, 1993), Schiffler (1980, 1989), Bancroft (1982), Schwerdtfeger (1983, 1986), Hinkelmann (1986), Edelmann (1988), Knig (1989), Dietrich (1990), Holtwisch (1990, 1994), Stahl (1993), Graf (1996). 2 Zwischenbilanzen finden sich u.a. bei Stevick (1980), Roberts (1982), Blair (1982), Bleyhl (1982), Königs (1983), Schwerdtfeger (1983/ 1986), Dietrich (1983, 1989, 1993), Knibbeler/ Bernards (1984), Müller (1989), Baur (1993), Rösler (1993), in den Themenheften von Unterrichtswissenschaften 19.1 (1991), Le Franrais dans le Monde 175 (1983). Vgl. auch die reichhaltigen Bibliographien von Jung (1986) und Henrici (1986). FLuL 25 (1996) 4 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt . Probleme. Eine weitere Absicht, durch Vorgabe eines Kriterienrasters (vgl. S. 9) eine Vergleichbarkeit der einzelnen Ansätze zu ermöglichen, wurde nur in Teilen und nur von einzelnen Autoren erfüllt ist wohl auch in einem Themenheft wie diesem nicht erfüllbar. Hinsichtlich der Reihenfolge der Darstellung war es ebenfalls schwierig, eindeutige Kriterien für eine stimmige Gruppierung zu finden. Letztlich fiel die sicherlich auch nicht überzeugende Entscheidung für eine Reihenfolge nach den Möglichkeiten bereits erfolgter bzw. potentieller Adaptationen im schulischen/ universitären Kontext verbunden mit Gesichtspunkten, die verwandte Prinzipien erkennen lassen. Andere mögliche Gliederungsgesichtspunkte wie z.B. geschlossene/ offene Konzepte (Dietrich 1989/ 31995), lehrergesteuerte/ lernerzentrierte (Edmondson/ House 1993), globale/ einzelne Fertigkeitsbereiche betreffende (z.B. rezeptive/ produktive), psychologisch, pädagogisch, philosophisch, lerntheoretisch vs. sprachwissenschaftlich, -didaktisch, -erwerblich begründet wurden als explizite Gliederungs-Parameter fallengelassen. Wie viele andere mögliche Kriterien können sie für die Bewertung der einzelnen Ansätze nützlich sein. Terminologie und Begründungen: Die für dieses Themenheft gewählte Bezeichnung „innovativ-alternative Methoden" liegt darin begründet, daß sie in der Fachliteratur weitaus am häufigsten verwendet wird, meistens in getrennter Form. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Benennungen: unkonventionell (non conventionelle), unorthodox, holistisch, ganzheitlich, neu, parallel (parallele), komplementär, ergänzend, im angelsächsischen Raum finden sich: / ringe, New Age, designer, new, revolutionary, spirited. 3 Mit der Verwendung des „Zauberwortes" alternativ und annexer Begriffe werden Assoziationen zu anderen Bereichen und Disziplinen hergestellt: u.a. alternative/ unkonventionelle Medizin, alternative Bewegung, New Age Epoche, alternative Pädagogik, alternative Schulen. Damit verbunden sind häufig vage, nicht zureichende Abgrenzungen zum Gewohnten, Traditionellen. In der Fremdsprachendidaktik: anders lernen, "den Ablauf von Lernprozessen anders zu gestalten" (Müller 1989: 5)4, Hinwegsetzen über etablierte didaktische Prinzipien wie z.B. Einsprachig- 3 Auf die Vielfältigkeit der Verwendung des Begriffs Methode, z.B. wenn 'Ansätze' ('approaches'), "methodische Einzelteile" oder Prinzipien gemeint sind, wird hier nicht eingegangen (vgl. dazu u.a. Richards/ Rogers 1986; Henrici 1986, 1994; Scarcella/ Oxford 1991, Brown 1994). 4 Müller (1989) weist mit Recht auf die Notwendigkeit der Differenzierung des Konzepts "anders lernen" hin, das global unter dem Sammelbegriff „alternative Methoden" zusammengefaßt wird. Man müsse zwischen methodenbezogenen Veränderungskonzepten "Methodenpaketen") und weniger auf Effizienz abgestellte inhalts-/ lernbezogene pädagogisch orientierte „alternative Verfahren von unten" unterscheiden, wie sie in der Reformpädagogik und etwa bei Freinet entwickelt worden seien (u.a. exemplarisches Lernen in Projekten, kooperatives Handeln von Lehrern und Lernern, Einbeziehung der Lebenswelt in den Unterricht, offene Unterrichtsgestaltung, Eingehen auf persönliche Lernbedürfnisse und -fähigkeiten, Förderung von selbstbestimmtem und gesteuertem Lernen). FLuL 25 (1996) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 keit, Progression, aufbereitete Texte (Dietrich 1983). Häufig gehen damit Verheißungen einher wie: erfolgreicher, mit mehr Spaß, mit höherer Motivation, angenehmer, leichter, "im Schlaf' lernen (vgl. u.a. Baur 1993, Dietrich 1993). Für das Entstehen und als Begründung alternativ-innovativer Methoden werden durchgängig genannt: mangelnde Effektivität des traditionellen, vor allem schulischen Fremdsprachenunterrichts, AusschaltungNernachlässigung der affektiven Komponente gegenüber der Dominanz von kognitiven und kommunikativ-interaktiven Faktoren, Reduzierung der weitverbreiteten z.T. auch richtigen Auffassung - Fremdsprachenerwerb sei ein mühevolles, schweres, anstrengendes und langwieriges Geschäft und diene als Selektionsinstrument in der Schule. Kennzeichnungen: Angesichts der Vielzahl der einzelnen Ansätze und ihrer Varianten fällt es schwer, eine angemessene allgemeine Charakterisierung alternativ-innovativer Ansätze zu geben. In der einschlägigen Literatur finden wir durchgehend als übergreifende Kennzeichnungen: - Ganzheitlichkeit ("whole person"): Integration und Koordination von kognitiven kommunikativ-interaktiven, emotionalen, körperlich-praktischen Lernaspekten und -bedürfnissen (u.a. Müller 1989: 6), humanere Gestaltung des Fremdsprachenerwerbsprozesses durch „Erweiterung der Subjekt-Objekt-Beziehungen um die Dimensionen Subjekt-Subjekt, Subjekt- Umgebung und Subjekt-Lehrer" (Robbins 1982) ein Anspruch, der hergeleitet wird aus humanistischer Philosophie und Psychologie (Rogers 1969, Maslow 1968, Fromm 1990, K. Bühler 1960) sowie aus der integrativen, gestaltpsychologisch orientierten Pädagogik (Perls 1969, Petzold 1977) und vor allem durch Galeyans 'Confluent Education' -Ansatz auf den Fremdsprachenunterricht in konkreter Form (Lehrkonzepte und Materialien) übertragen wird (Galeyan 1976, 1977), sich auch in der suggestopädischen Methode (u.a. Lozanow 1978), im 'Silent Way' (u.a. Gattegno 1976) und im 'Community Language Learning' (CCL)-Ansatz (u.a. Curran 1976) wiederfindet (vgl. u.a. die vergleichende Charakterisierung bei Stevick 1980, Schwerdtfeger 1983/ 1986), mit einer Ausnahme (Natural Approach [NA]: Krashen! ferrell 1983) und mit Einschränkungen (dem Total Physical Response [TPR]-Ansatz: u.a. Asher 1969) werden sprachwissenschaftlich-spracherwerbliche Begründungen nicht berücksichtigt, vernachlässigt (bzw. in naiver Form gegeben) zugunsten weltanschaulicher (Silent Way), esoterischer (Psychodrama), neuro-physiologischer (Suggestopädie), tiefen- und gruppenpsychologisch-dynamischer (Suggestopädie, Psychodrama, CCL) sich jedoch von Psychoanalyse und Behaviorismus abgrenzender - Begründungen. Betont werden u.a.: Die Autonomie der menschlichen Persönlichkeit, seine Entfaltung und Erfüllung; didaktisch: Ein schülerzentrierter Unterricht, nicht festgelegte sprachlich-interaktive Progressionen und Inhalte. Schaffung eines vertrauensvollen Lernklimas, einer positiven, die Kreativität der Lernenden fördernde, entspannte Lernatmosphäre (vgl. Stichworte wie „Lehrer als Helfer", als "facilitator", "counsellor": CCL, Silent Way, Suggestopädie), die FLuL 25 (1996) 6 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Beseitigung von Lernhemmungen, verursacht durch negativ wirkende Affekte (z.B. Angst) oder durch Zwang zum frühen fremdsprachlichen Sprechen (vgl. dazu u.a. die Verstehensmethode, TPR und auch den NA mit starken Bezügen zum Ll-Spracherwerb ). - Einbeziehung non-verbaler und para-verbaler Elemente im Fremdsprachenunterricht: Gestik, Mimik, Suprasegmentalia, Musik, Entspannungsübungen, Räumlichkeit, spezifische Visualisierungen, z.B. in der Suggestopädie, im TPR, NA, Silent Way. Kritische Bewertungen: Die weiterhin anhaltende kritische Rezeption und Diskussion „alternativ-innovativer Methoden" ist nach wie vor geprägt von globalen und an einzelne Ansätze gerichteten Einwänden. Das Spektrum reicht (a) von Nichtzurkenntnisnahme (u.a. in neueren Methodendarstellungen wie z.B. bei Neuner/ Hunfeld 1993) und pauschaler Ablehnung (Maos 1981), die häufig emotional geprägt ist (z.B. Reil 1983) und auf unzureichenden Kenntnissen beruht (Krumm 1983), über (b) verniedlichende oberflächliche Darstellungen (z.B. Bausch 1991/ 1993) bis hin zu (c) kritischer Wahrnehmung (vgl. u.a. Dietrich 1989, 3 1995; Rösler 1994) und teilweiser Akzeptanz von Einzelaspekten und Prinzipien, die bereits im schulischen Kontext realisiert werden bzw. die partiell Anwendung finden, oder auch (d) zu totaler Übernahme bestimmter Methoden. Daß bei entsprechender Berücksichtigung bzw. Akzeptanz auch Konsequenzen in der Aus- und Fortbildung gezogen werden müssen, wird allerdings wenig thematisiert (vgl. etwa Batz/ Bufe 1991, Baur 1993). Folgende kritische Punkte werden immer wieder genannt, die z.T. auch auf bekannte, im schulischen und außerschulischen Kontext etablierte fremdsprachendidaktische Ansätze/ Methoden zutreffen: - Die Begriffe 'alternativ', 'innovativ' sind unscharf und irreführend, weil sie als Abgrenzung zu den bekannten traditionellen Methoden untauglich sind. - Der Begriff 'Methode' ist ungeeignet zur Kennzeichnung von Vorschlägen zur Verbesserung und Effektivierung des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs, die nur Einzelelemente und Prinzipien von Unterricht betreffen (vgl. Anm. 3), mangelnde theoretische Begründungen gekoppelt mit unpräziser, teilweise kaum/ nicht nachvollziehbarer „nebulöser" Begrifflichkeit innerhalb von vage formulierten Konzepten, mangelnde empirische Überprüfungen und Evidenzen eine Bewertung, die für einzelne Ansätze im Jahr 1996 nicht mehr gültig ist (z.B. für die Suggestopädie: u.a. Schiffler 1989, Holtwisch 1990; für den Confluent Approach: u.a. Galeyan 1979; für den NA: Koch/ ferrell 1991; für Tandem: u.a. Apfelbaum 1993, Herfurth 1993, Rost-Roth 1995). - Proklamation von Neuheiten, die bereits vor/ um/ nach der Jahrhundertwende intensiv diskutiert wurden, fremdsprachendidaktische Binsenwahrheiten sind und z.T. anders verpackt als brandneue Erkenntnisse angepriesen werden. Stichwort: "Alter Wein in neuen Schläuchen" (vgl. u.a. Schilder 1985: 65) Beispiele: Moti- FLuL 25 (1996) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 vationsförderung, Klassenklimaverbesserung, ausgewogene Relativierung von Können und Wissen, Progressionsprobleme, unterschiedliche-Relevanzsetzungen der Referenzwissenschaften, u.a. linguistische, psychologiscbe, pädagogische, mediale. Viele Vorschläge zu konkreten Vorgehensweisen im Unterricht sind weder innovativ noch alternativ. Sie sind aus der institutionalisierten Fremdsprachendidaktik und -methodik bekannt: rigides Lehrerverhalten (TPR, Suggestopädie, verdeckt im Silent Way), Lehrer als Helfer (CLL, proklamiert im Silent Way), strenge Phasierungen (Suggestopädie, TPR, Humanistic Approach, Silent Way, NA), bekannte traditionelle Übungsformen und Materialien (Suggestopädie, Humanistic Approach, NA), Selbsttätigkeit und Autonomie der Lerner (Tandem, vorgeblich: CLL, Silent Way). - Strenggenommen können allenfalls als innovativ bezeichnet werden: Unterstützung des Lernprozesses durch Musik, Entspannungsübungen und Raumgestaltung (Suggestopädie), helfende Übersetzer (CLL, Psychodrama), spezifische Lernmaterialien (Silent Way), non-verbale Verständnissicherung (TPR), kooperatives/ selbstinitiiertes Lernen (Tandem, Freinet). - Die Reichweiten der Ansätze sind teilweise begrenzt: Beschränkung auf Intensivunterricht, Anfangsunterricht, außerschulische Anwendungen, Kleingruppen, sprach-/ kulturhomogene Lerngruppen. - Hervorhebung und Verabsolutierung von unterrichtsrelevanten Teilaspekten, die die institutionalisierte Fremdsprachendidaktik phasenweise vernachlässigt hat. Mit Verweisen auf Paulo Freire/ Freinet wird Kritik an der Beliebigkeit und Gehaltlosigkeit der Inhalte des Fremdsprachenlernens und der damit häufig einhergehenden Ausblendung gesellschaftlicher Probleme und naiven Vorstellungen von institutioneller Macht geübt. Infantilisierung der Lernenden verstanden als Auslieferung an die Autorität des Lehrers verbunden mit „exotisch-abenteuerlichen Rezeptologien" (Müller 1983: 6) und manipulativ suggestiven Beeinflussungen des Unterbewußtseins der Lernenden (besonders ausgeprägt in der Suggestopädie: "positiv autoritärer Lehrer", TPR, Silent Way), naiv-beliebiger Umgang mit Normen auf den verschiedenen spracherwerbsrelevanten Ebenen. Damit verbunden: Verniedlichungen des Lernens von Fremdsprachen als einem komplexen, langfristigen Arbeitsprozeß durch Schlagworte wie „Lernen im Schlaf', "Lernen leicht gemacht" u.ä., unter Vernachlässigung von Effizienzkriterien. Stichwort: "Schmusepädagogik" [G.H.] Erweckung des falschen Eindrucks, es gäbe die Methode anstelle von seriösen Hinweisen und Begründungep. für die Beachtung von geprüften Prinzipien (vgl. dazu u.a. Brown 1994). Propagierung von Methoden als Wundermittel, die sich gut verkaufen lassen und eine üppige Rendite erbringen (Superleaming als Selbstlernprogramm), Methoden, die z.T. eher Rückfälle hinter didaktisch-methodische Errungenschaften bedeuten. Dieser Propagierung liegt eine „Sündenbock"-Darstellung des herkömmlichen Fremdsprachenunterrichts zugrunde. FLuL 25 (1996) 8 Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Widersprüche und Ambivalenzen zwischen der Konzeptionsdarstellung und der Realisierung in der Praxis. Gefahr der Generalisierung von Einzelbeobachtungen anstelle von systematischen, empirisch geprüften Ergebnissen. Gefahr der Überschätzung von Lerneraktivität und -selbsttätigkeit. Vernachlässigung von gründlichen kommunikativ-sprachlichen Analysen z.B. zu Lernproblemen. Bilanzierung: Versucht man vor dem Hintergrund der vielen Einzeldarstellungen und entsprechender kritischer Einwände eine vorsichtige Bilanz zu ziehen, scheint es mittlerweile allgemein akzeptiert zu sein, bestimmte Elemente und Prinzipien, die von den sogenannten „alternativ-innovativen methodischen Ansätzen" propagiert werden, in die gängigen didaktisch-methodischen Konzepte des Fremdsprachenlernens und -lehrens zu integrieren und damit „Zwei-Welten-Theorien" aufzugeben. Dazu bedarf es großer Überzeugungskraft, die allerdings nur auf der Grundlage gründlicher empirischer Fundierungen und Recherchen langfristige Wirkungen haben kann. Nach Pleines/ Scherfer (1983: 63) sollten wir in der didaktischen Arbeit drei wesentlichen Prinzipien folgen: 1. Von einer Analyse auszugehen, die politische, gesellschaftliche und institutionelle Gesichtspunkte des didaktischen Prozesses berücksichtigt, 2. eine gründliche Reflexion über die Bedingungen der sprachlichen Kommunikation und die Natur der unterrichteten Sprache nicht zu vergessen, 3. den Lernenden als menschliches Wesen zu achten, das mit Bewußtheit lernt und in der Lage ist, zu denken und frei zu handeln [Übersetzung aus dem Französischen G.H.] Die für dieses Themenheft ausgewählten neun innovativ-alternativen Methoden/ Ansätze sind: Comprehension Approach (CA): Winitz Total Physical Response (TPR): Lovik Natural Approach (NA): Tschirner Lernen durch Lehren (LdL): Martin Freinet-Pädagogik: Schlemminger Suggestopädie: Baur Neurolinguistic Programrning (NLP): Hager Sprachpsychodramaturgie / Psychodramaturgie linguistique (PDL): Dufeu Tandem: Herfurth Da die Autoren im folgenden ihre jeweiligen Ansätze zusammenfassend und im Detail beschreiben, kann hier auf eine nochmalige Skizzierung der Beiträge verzichtet werden. Für die Abfassung der Beiträge waren folgende Darstellungsparameter vorgegeben worden: FLuL 25 (1996) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 1. Sprach- und lerntheoretische/ lernpsychologische Grundlagen/ Begründungen/ Ursprünge (a) sprachtheoretisch: u.a. Sprachbeschreibungs-/ Spracherwerbsmodell, Grammatikkonzept (funktional, kognitiv, kommunikativ/ interaktiv ...) (b) lerntheoretisch/ lernpsychologisch: u.a. behavioristisch, kognitiv, interaktionistisch (c) pädagogisch: u.a. lehrer-/ lernerzentriert, offen/ geschlossen 2. Didaktisch-methodisches Konzept (a) Lernziele (u.a. mündlich/ schriftlich, kognitiv ...), Fertigkeiten (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben) - Wozu? (b) Lerninhalte: u.a. phonetische, grammatische, lexikalische, pragmatische, landeskundliche, literarische (Auswahl und Gliederung) - Was? (c) Medien: u.a. Lehrmaterialien, Tonband, Sprachlabor, Video ... - Womit? (d) Lehr-/ Lernverfahren/ Lehr-/ Lerntechniken: u.a. audiolingual, audiovisuell, Phasierungen (offen/ streng-geordnet) - Wie? 3. Unterrichtspraktische Vorgehensweisen (a) Einführungs- und Einübungsformen von Inhalten/ Lernaufgaben auf der Basis bestimmter Materialien (b) Lernerfolgskontrollen (Tests) (c) Interaktions- und Organisationsformen: Lehrer-/ Lerneraktivitäten/ Rollen/ Beziehungen, Individual-, Gruppen-, Frontalunterricht 4. Kritische Beurteilung (u.a. auch hinsichtlich der empirischen Überprüfung, der Wirksamkeit der Methode). Bibliographische Angaben APFELBAUM, Birgit (1993): Erzählen im Tandem. Sprachlehraktivitäten und die Konstruktion eines Diskursmusters in der Fremdsprache (Zielsprachen: Französisch und Deutsch). Tübingen: Narr. ASHER, James J. (1969): "The Total Physical Response Approach to Second Language Learning". In: The Modem Language Journal 53.1, 3-17. BANCROFf, Jane W. (1982): "Suggestopedia, Sophrology and the traditional foreign language class". 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