Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1997
261
Gnutzmann Küster SchrammWolfgang BÖRNER / Klaus VOGEL (Hrsg.): Texte im Fremdsprachenerwerb
121
1997
Karin Aguado
Wolfgang BÖRNER / Klaus VOGEL (Hrsg.): Texte im Fremdsprachenerwerb. Verstehen und Produzieren. Tübingen: Narr 1996 (Tübinger Beiträge zur Linguistik; Band 418), XIV + 319 Seiten [DM 78,-]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 245 Wolfgang BöRNER/ Klaus VOGEL (Hrsg.): Texte im Fremdsprachenerwerb. Verstehen und Produzieren. Tübingen: Narr 1996 (Tübinger Beiträge zur Linguistik; Band 418), XIV+ 319 Seiten [DM 78,-). Aufbau des Sammelbandes und theoretische Vorannahmen der Herausgeber Der vorliegende Sammelband besteht aus drei Hauptkapiteln (1. Texte und lntertexte, II. Textverstehen und Textverständlichkeit, III. Textproduktion) mit insgesamt zwölf Beiträgen, denen ein einführendes Kapitel der beiden Herausgeber vorangestellt ist. Ferner ist er mit einer Gesamtbibliographie und einem Index versehen. In ihrem Vorwort ordnen W. Börner und K. Vogel die von ihnen herausgegebenen Beiträge der „prozeßorientierten Fremdsprachenforschung" zu; ihre Gesamtheit ergibt ein „vielseitiges und aspektreiches Bild von den komplexen Prozessen und Strategien, die Lerner aktivieren, wenn sie mit fremdsprachlichen Texten umgehen". Die Herausgeber formulieren die ihrer Meinung nach „wichtigsten Aspekte der fremdsprachlichen Rezeptions- und Produktionsprozesse sowie deren Interaktion in Form von sieben Leitfragen" (vgl. 7-11). In ihrer Einleitung dann weisen die Herausgeber auf die linguistisch und insbesondere psycholinguistisch nicht zufriedenstellende Definitionslage des Begriffs 'Text' hin. Ihre eigene wie sie selbst einräumen - "sehr vorläufige und weitgefaßte Textdefinition" charakterisiert 'Text' als „eine in sich inhaltlich und sprachlich kohärente begrenzte Abfolge sprachlicher Zeichen mit kommunikativer Funktion" (1). W. Hörner und K. Vogel beschreiben die Prozesse, die in die Produktion und Rezeption involviert sind, nämlich (a) die "Externalisierung von mental repräsentiertem Wissen durch Sprech- und Schreibprozesse auf der einen Seite" und (b) die „Internalisierung von Wissen mit dem Ziel einer mentalen Ausbildung durch den Verstehensprozeß beim Hören/ Sprechen [sie! gemeint ist Lesen, K.A.] als zwei Seiten eines einheitlichen Kommunikationszusammenhangs" (2). Es handelt sich um eine konstruktivistisch ausgerichtete Definition, da der Text nicht als eine objektive Größe, sondern als von aktiven mentalen Konstruktionsprozessen (die auf Vorwissen, Kontexten, Situierungen und Erwartungen basieren) abhängig beschrieben wird. Insbesondere die Einbeziehung des fremdsprachenerwerblichen Aspekts macht den hier thematisierten Gegenstand - Textrezeption und Textproduktion zu einem komplexen und variablenreichen Phänomen. Daraus resultiert eine Reihe von Einschränkungen bezüglich der in den einzelnen Beiträgen bearbeiteten Aspekte: "(1) Es geht um Texte, nicht um Diskurse. Das heißt: Es geht im Schwerpunkt um monologische Texte, nicht um mündliche face-to-face-Interaktion. Monologische Texte erscheinen im Regelfall in Schriftform und werden prototypisch gelesen oder geschrieben[...]. (2) Es geht im Schwerpunkt um Prozesse der Rezeption und Produktion von Texten, daneben in einigen Beiträgen auch um die entsprechenden Produkte, also um die Texte selber und ihre Qualitäten. (3) Es geht um Fremdsprache, nicht um Muttersprache. (4) Es geht im Schwerpunkt um gesteuerten Spracherwerb, nicht um Sprachverwendung. Andererseits gilt das Diktum "Language leaming is language use" gerade bei Texten in besonderem Maße. Daher bleibt die Sprachverwendung immer mit im Blickfeld" (4). Zu den Beiträgen im einzelnen In dem Beitrag von P. G. Meyer "Textfunktion - Textstruktur - Textanalyse: zur Linguistik des Sachtextes") geht es um eine textlinguistische Betrachtung der konstitutiven Merkmale von Sachtexten. Die verschiedenen textlinguistischen Kategorien werden an Beispielen illustriert. Es geht insgesamt weniger um prozessuale, die Verarbeitung von Texten betreffende Vorgänge als vielmehr um den Text als beschreibbares, strukturelles Objekt. Es handelt sich insgesamt um eine informative Einführung in die Thematik der Textlinguistik, die jedoch außer gelegentlichen Randbemerkungen weder etwas mit Llnoch mit L2-Erwerb zu tun hat. Zwar werden die jeweiligen Merkmale anhand von englischsprachigen Beispielen illustriert; allerdings spielt der Fremdsprachenerwerb bzw. die Rolle von Texten im Fremdsprachenerwerb praktisch keine Rolle. FLuL 26 ( 1997) 246 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Der Beitrag von W.-D. Krause "Literarische, linguistische und didaktische Aspekte von lntertextualität") widmet sich dem Phänomen der Beziehung zwischen Texten und ist als Würdigung des von der allgemeinen Sprachwissenschaft nur wenig rezipierten russischen Geisteswissenschaftlers M. M. Bachtin (1895-1975) intendiert. Für Bachtin zentral ist das „Prinzip der Dialogizität", d.h., daß jeder Text als Antwort auf einen vorangegangenen Text aufgefaßt werden muß, denn: "Jede Äußerung wird nach seiner Überzeugung [i.e. Bachtins, K.A.] unter Berücksichtigung möglicher Antwortreaktionen produziert, ja eigentlich wird sie gerade für diese erzeugt. Der Text als Repräsentant einer bestimmten Textsorte ist auf einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet, berücksichtigt dessen spezielles Wissen, seine kulturellen Prägungen, Überzeugungen und Ansichten" (49). Es werden vier Typen von Intertextualität unterschieden, und zwar eine deiktische, eine transformierende, eine kooperative und eine translatorische (50 f). Der Bezug dieses Beitrags zur übergeordneten Fragestellung des Sammelbandes wird deutlich, indem sich der Autor mit den „Fremdsprachendidaktische[n] Potenzen des Intertextualitätsgedankens" befaßt und die gewonnenen linguistischen Erkenntnisse auf ihre „Applikabilität" überprüft (57). Im Hinblick auf die Kategorie 'Textsorte' im Sprachlehr- und -lernprozeß geht Krause von drei Annahmen aus, und zwar: "1. Sprachliche Kommunikation vollzieht sich in Texten; 2. Texte sind in aller Regel Exemplare einer bestimmten Textsorte und 3. Textsorten als sozial tradierte Größen sind zu einem beträchtlichen Teil kulturspezifisch geprägt" (58). Eine erste didaktische Konsequenz, die Krause aus diesen Annahmen zieht, ist die Forderung nach einem textorientierten Fremdsprachenunterricht. Da das Wissen über die den einzelnen Textsorten inhärenten spezifischen strukturellen und sprachlich-stilistischen Muster eine Komponente der sprachlich-kommunikativen Kompetenz eines Sprechers darstellt, fordert Krause, daß auch L2-Lernem dieses Wissen vermittelt werden muß, wenn sie zu kompetenten Sprechern der L2 werden sollen. Die sich anschließenden sechs Beiträge sind unter der Überschrift „Textverstehen und Textverständlichkeit" zusammengefaßt. N. Groeben und U. Christmann liefern zunächst einen zusammenfassenden historisch-systematischen Forschungsüberblick über Entwicklungen der Sprach- und Denkpsychologie der letzten 50 Jahre. Einer Darstellung verschiedener theoretischer Herangehensweisen an das Textverstehen folgt die Erörterung des Problems der Textverständlichkeit, bei der es weniger um individuelle Verarbeitungsprozesse geht als vielmehr um strukturelle Eigenschaften von Texten. Die beiden Autoren bezeichnen Rezeption als einen aktiven Prozeß, "bei dem der/ die Leser/ in aktiv und konstruktiv auf der Grundlage eines immer schon vorhandenen Sprach- und Weltwissens neue Informationen in die eigene Kognitionsstruktur einfügt" (72). Sie beschreiben vier Verständlichkeitsdimensionen, die als Handlungsanweisungen zwecks Erreichung optimaler Verständlichkeit bei der Textproduktion fungieren können. Sie dienen als „Entscheidungshilfen für die Auswahl von fremdsprachlichen Texten im Fremdsprachenunterricht unter dem generellen Prinzip der Passung" und sollen „Anregungen vermitteln, an welchen Stellen mit welchen Strategien eine vielleicht nicht ganz optimale Passung durch ergänzende lehrerseitige Textaufarbeitung verbessert werden kann" (79). Da eine individuelle Anpassung aller Texte an die individuellen Lernerbedürfnisse nicht praktikabel ist, plädieren sie für die Vermittlung von lernerseitig einzusetzenden Verarbeitungsstrategien, deren Anwendung sie als „durchaus möglich und sinnvoll" erachten, "weil damit neben der tieferen Durchdringung des jeweiligen Textes auch die sprachliche Flexibilität und Kompetenz in der betreffenden Fremdsprache geübt werden" (82). In dem Beitrag von C. Finkbeiner geht es um das Verstehen fremdsprachlicher Texte. Es handelt sich hier um die zusammenfassende Darstellung einer empirischen Studie, in der mittels Fragebögen und Interviews der kausale Zusammenhang zwischen textsortenspezifischem Vorwissen, Strategien, Interessen und fremdsprachlichem Textverstehen erforscht wird. Die Autorin stellt fest, daß die Forschung zum Thema 'Interesse und Textverstehen' in bezug auf das Fremdsprachenlernen unterentwickelt ist. Ihr zentrales Anliegen ist die Erforschung der „Komplexität zweit- FLuL 26 (1997) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 247 sprachlicher Verstehensprozesse bei der Verarbeitung unterschiedlicher Textsorten" (102). Im einzelnen geht sie dabei den folgenden Fragen nach: 1. "Welche Rolle spielt der Einsatz von Strategien bei der Konstituierung von Bedeutung bei unterschiedlichen Textsorten? " und 2. "Wie wirkt sich Interesse am Inhalt, an der Textsorte und an der Fremdsprache auf den Verstehensprozeß aus? " (103). Die Ergebnisse deuten auf die Wirksamkeit verschiedener kognitiver und metakognitiver Verstehensstrategien hin; ferner scheint es schulart- und geschlechtsspezifisch unterschiedliche Strategienmerkmale zu geben. W. Edmondson interessiert sich für den Zusammenhang zwischen Leseverstehen und Fremdsprachenerwerb. Ihn beschäftigen der unterrichtliche Diskurs und die in diesem Kontext beobachtbaren Manifestationen von Verstehen, Nicht-Verstehen und Mißverstehen. Aufgrund seines Interesses für spracherwerbliche Prozesse ist für ihn der kognitive Verarbeitungsaspekt von besonderer Relevanz. Sein Beitrag gliedert sich in drei Teile: in Aspekte des Textverstehens, des Fremdsprachenerwerbs und den Vergleich beider Prozesse. Seine zentrale Frage lautet: "Wenn nach einer entsprechenden didaktischen Behandlung ein Text 'verstanden' wird (wenn wir denn wissen, was dies bedeutet), wo liegt aus der Spracherwerbsperspektive der Gewinn für die Studierenden" (120). Hinsichtlich des Lernens plädiert Edmondson für die unterrichtliche Vermittlung von Lesestrategien zum Zwecke der Ermöglichung extensivens Lesen außerhalb des Unterrichts. Einen ganz anderen Aspekt fokussiert L. Bredella in seinem Beitrag „Warum literarische Texte im Fremdsprachenunterricht? Die anthropologische und pädagogische Bedeutung des ästhetischen Lesens". Bredella versucht die Beschreibung einer für literarische Texte angemessenen Rezeptionsweise. Für ein erfolgreiches ästhetisches Lesen das Bredella als „Herausforderung für die Didaktik" (135) bezeichnet ist seiner Ansicht nach ein bestimmtes fremdsprachenunterrichtliches Lernkonzept erforderlich. Insgesamt geht es ihm eher um interkulturelles Lernen und weniger um den reinen Spracherwerb; unter psycholinguistischem Aspekt spielen Lernen und Verstehen für Bredella keine Rolle. Der Beitrag von K. D. Baumann thematisiert „Die Verständlichkeit von Fachtexten eine Herausforderung für den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht". Ob Fachtexte verständlich sind oder nicht, hängt seiner Auffassung nach von der zwischen Text und Leser bestehenden Relation ab. Baumann entwickelt ein interdisziplinär konzipiertes, aus acht Verständlichkeitsdimensionen bestehendes Modell. Diese Dimensionen bestehen aus einer interkulturellen, sozialen, kognitiven, inhaltlich-gegenständlichen, funktionalen, textuellen, stilistischen und semantischen Ebene. Daraus leitet Baumann acht entsprechende Teilkompetenzen ab, die zusammengenommen eine umfassende fachkommunikative Globalkompetenz ergeben. Für Baumann stellen „Textproduktion und Textrezeption [...] einen Prozeß der Instrumentalisierung und Operationalisierung unterschiedlicher Kenntnissysteme dar" (154). Dazu gehören sprachliches und enzyklopädisches Wissen, sprachliches Handlungswissen und Wissen über globale Textstrukturen. Er verfolgt einen interdisziplinären Ansatz der Verständlichkeitsanalyse. Seine empirisch gewonnenen Ergebnisse basieren auf der vergleichenden Analyse von drei englischsprachigen und vier deutschsprachigen linguistischen und medizinischen Fachtexten aus verschiedenen Publikationsorganen. Zwar werden den Fremdsprachenunterricht betreffende Fragestellungen angesprochen so wird beispielsweise abschließend folgendes festgestellt: "Die Entwicklung der fachkommunikativen Kompetenz ist ein komplexer Prozeß, der qualitativ neuartige, mehrstufige Ausbildungskonzepte für den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht erforderlich macht [...]" (175) die tatsächlich an der Entwicklung fachsprachlicher Kompetenz beteiligten Rezeptions- und Produktionsprozesse werden jedoch nicht näher betrachtet. Zu Beginn ihres Artikels "'Born 2 be wild': Kontextuelles Schreiben und Textverständlichkeit" würdigt A. Koll 0 Stobbe die Leistung der Textlinguistik und beschreibt sie als „Wende von der Beschäftigung mit Sprache als einem abstrakten System zu der Analyse von Sprache als aktualisierten und individuell realisierten Daten: Sprachliche Daten werden in tatsächlichen FLuL 26 (1997) 248 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Kommunikationsprozessen als Kommunikationseinheiten oder Texte verarbeitet" (178). Unter kontextuellem Schreiben und Lesen versteht sie die „Fähigkeit (oder das Produkt) des flexiblen, strategisch gesteuerten Umgangs mit Sprache und Kontext im Sinne eines Öffnens von kognitiven Fenstern während des Kommunikationsprozesses" ( 197). Ihr geht es dabei insbesondere um „das Aufzeigen von Textverständlichkeits- und Textverständnisprozessen bei einem Kommunikationsstil, der Bereiche der Unterhaltungs- und Informationskultur bestimmt" (179). Die angeführten Beispiele sind zwar dem Englischen entnommen, und es werden zum Schluß auch Anmerkungen im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht gemacht, indem Vorschläge für die Vermittlung von Strategien zum Erlernen des kritischen Lesens und des elaborativen Kodierens gemacht werden; zusammenfassend aber läßt sich sagen, daß es der Autorin nicht in erster Linie um fremdsprachenerwerbliche Rezeptions- und Produktionsprozesse geht. Der letzte große Abschnitt widmet sich der „Textproduktion" und umfaßt vier Beiträge. Alle befassen sich mit spezifischen Textsorten und ermöglichen durch die Beschreibung und die Analyse der mit der Produktion verbundenen Prozesse den Nachvollzug von Textmustern und -modellen. V. Smith erläutert in ihrem Beitrag „50 No-ways - Oder wie man auf Englisch 'nein' sagt" ihre Arbeit an einem Korpus aus englischsprachigen Briefen aus wirtschafts- und verwaltungsbezogenen Bereichen (Rundschreiben, Werbebriefe; Antwortbriefe auf Bewerbungsschreiben). Im Fokus stehen die für diese Textsorte typischen Ausdrucksformeln und -muster und der Vergleich mit Musterbriefsammlungen der Ratgeberliteratur. Obschon Smith das interkulturelle Potential der festgestellten Probleme als Anlaß für die Didaktisierung einer fremdsprachlichen Unterrichtseinheit nimmt, bleibt auch hier der Erwerbsaspekt eher unberücksichtigt. So wäre aus fremdsprachenerwerblicher Perspektive beispielsweise die Untersuchung der Frage interessant, welche Auswirkungen die beobachteten Muster und Formeln auf die Entwicklung der jeweiligen L2 haben (können). Die Textsorte 'Brief' ist auch Gegenstand des Beitrags von R. Zimmennann mit dem Titel "Asking for belated admission: Produktion und (Selbst-)Evaluation beim Schreiben in der Fremdsprache Englisch". Es handelt sich um die zusammenfassende Darstellung einer empirischen Studie, in der elizitierte L2-sprachliche Briefe an einen fiktiven Adressaten einer differenzierten Evaluation unterzogen werden. Zimmermann versteht seine Studie als einen „Beitrag zur Förderung von Sprachbewußtsein für die fremdsprachliche Textproduktion" ( 211). Es geht ihm um die Ermittlung von spezifischen Problembereichen anhand von Selbst- und Fremdevaluationen der L2-Produktionen, die im Rahmen eines 'LI/ L2 Writing' -Seminars erhoben wurden. Dabei wurden zehn Probanden während ihres Schreibprozesses von zehn Mitlernenden beobachtet. Letztere erhielten den Auftrag, alles zu protokollieren, was ihnen am Schreibverhalten der Probanden von Relevanz zu sein schien. Die Analyse der temporalen Variablen der Textproduktion (i.e. insbesondere Pausenverhalten) war nach den Angaben Zimmermanns nicht sehr aufschlußreich, d.h., es konnte keine Korrelation zwischen der Textqualität und der temporalen Organisation des Schreibprozesses ausgemacht werden. Hinsichtlich der Beurteilung der Textproduktionen zeigten sich Unterschiede bei den jeweils angelegten Kriterien der Studierenden einerseits und der Lehrenden andererseits. So hat der Inhalt für die Studierenden oberste Priorität vor der Sprache an zweiter und der Form an letzter Stelle. Bei den Lehrenden hingegen rangiert die Form an erster Stelle. Insgesamt läßt sich hier zwar ein Fokus auf fremdsprachliche Produktion ausmachen; allerdings geht es insgesamt stärker um das Produkt und dessen Analyse als um den Prozeß der Textproduktion. In dem Beitrag von / . Plag zum Thema „Individuelle Schreibstrategien beim Verfassen mutter- und fremdsprachlicher Texte (Deutsch/ Englisch)" werden Ergebnisse einer empirischen Studie präsentiert, in der 15 Versuchspersonen (Studierende der Anglistik im Hauptstudium) je zwei Schreibaufgaben zu bewältigen hatten, die verschiedene Textsorten (nämlich Filmnach- FLuL 26 (1997) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 249 erzählung und Essay) involvierten. Diese Aufgaben galt es je einmal in der L1 (Deutsch) und in der L2 (Englisch) zu bearbeiten. Es ging darum, möglichst unterschiedliche Textsorten mit unterschiedlich gearteten Anforderungen produzieren zu lassen. Plag nimmt eine eher lemerorientierte Perspektive ein, was schon an seiner Definition von 'guten Texten' deutlich wird: "So sind gute Texte leserorientiert geschrieben, kohärent, gut gegliedert und weisen wenig sprachliche Fehler auf' (237). Der Autor interessiert sich dafür, welche Strategien fortgeschrittene L2-Lemer entwickeln und anwenden, um Schreibaufgaben zu bewältigen. Von zentralem Interesse sind hier die temporale Organisation des Schreibprozesses, die Unterschiede hinsichtlich muttersprachlicher vs. fremdsprachlicher Schreibstrategien und das Vorhandensein individueller Schreibstrategien. Neben der Feststellung und Beschreibung von Verschiebungs- und Vermeidungsstrategien erbrachte diese Studie das Ergebnis, daß Schreibstrategien offensichtlich textsortenabhängig sind, insofern als die jeweiligen Handlungspläne der angenommenen Komplexität der Aufgabe angepaßt werden. So ist ein Mangel an Globalplanung nicht notwendigerweise ein Zeichen für eine wenig entwickelte Schreibfähigkeit, sondern deutet eher darauf hin, daß der jeweilige Produzent den Einsatz der Mittel der Aufgabe entsprechend gestaltet und variiert. Ferner stellt Plag fest, daß die Aufstellung einer generellen Schreibertypologie nicht möglich ist, daß es offenbar keine spezifischen L2-Schreibstrategien gibt und daß das Verhältnis zwischen Textqualität und Strategienverwendung nicht eindeutig geklärt werden kann. Eine mögliche didaktische Konsequenz aus dieser Studie könnte lauten, daß Lernende über ein möglichst großes Repertoire an verschiedenen Strategien verfügen sollten, nicht zuletzt auch damit zur Entwicklung eines eigenen Schreibstils gelangen. Der letzte Beitrag dieses Sammelbandes stammt von U. Dausendschön-Gay und U. Krafft und trägt den Titel „Prozesse interaktiven Formulierens: Konversationelles Schreiben in der Fremdsprache". Die aufgrund des semi-experimentellen Designs 'erzwungene' Interaktion stellt ein "methodisches Instrument zur Elizitierung von Aushandlungs-, Abwägungs- und Entscheidungsdaten" (254) dar. Die Entscheidung für diese Form der Datenerhebung dient den beiden Forschem zur Vertiefung von Fragestellungen, die sich aus vorherigen konversationsanalytischen Arbeiten ergeben haben. Die paarweise zusammengesetzten Versuchspersonen hatten 15 Minuten Zeit für die interaktive Formulierung und Verschriftlichung eines Kochrezepts in der L2 (Deutsch). Diese Schreibinteraktion wurde mittels zweier Videokameras und eines externen Mikrophons aufgezeichnet, anschließend transkribiert, nach Interaktionssequenzen segmentiert und im Detail analysiert. Auf diese Weise konnte der Prozeßhaftigkeit des Textherstellungsprozesses maximal Rechnung getragen werden. Diese Analyse ermöglicht die Aufstellung von Hypothesen über die subjektiven internen Textmodelle, die den beobachteten interaktiven Formulierungsprozessen zugrunde liegen. Diese Textmodelle weisen die folgenden Komponenten auf: Rahmung, Format, sachliche Richtigkeit, Detaillierungsgrad, Fachsprachlichkeit und lexikalische/ grammatische Richtigkeit (vgl. 272). Zwar handelt es sich bei den erhobenen und analysierten Produktionen um Formulierungsaktivitäten in der Fremdsprache; der Erwerbsaspekt ist für die beiden Autoren jedoch nicht von Interesse und bleibt dementsprechend unberücksichtigt. Resümee. Der vorliegende Sammelband liefert einen interessanten, informativen und perspektivreichen Überblick darüber, was in den verschiedenen hier berücksichtigten Ansätzen mit dem Gegenstand 'Text' und den damit verbundenen Konzepten wie z.B. Textverstehen oder Textverständlichkeit gemeint ist. Es wird deutlich, daß die hier präsentierte Auswahl an Beiträgen in gewisser Weise illustrativ für die derzeitige Definitions- und Forschungslage in den jeweils relevanten Disziplinen i.e. Textlinguistik und Psycholinguistik ist. Der zweite Begriff im Titel des Sammelbandes (Fremdsprachenerwerb) spielt insgesamt betrachtet eine eher marginale Rolle in den verschiedenen Beiträgen. Zwar ist in den meisten Darstellungen in irgendeiner Weise eine L2 involviert; um den eigentlichen Prozeß des L2-Erwerbs also der dynamischen Entwicklung FLuL 26 (1997) 250 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel fremdsprachlicher Rezeptions- und Produktionsfähigkeiten - und dessen Erforschung, Beschreibung und Erklärung geht es jedoch insgesamt eher weniger. Bielefeld Karin Aguado Karl-Richard BAUSCH, Herbert CHRIST, Frank G. KÖNIGS, Hans-Jürgen KRUMM (Hrsg.): Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen. Zwischenbilanz und Perspektiven. Arbeitspapiere der 16. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 1996 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 160 Seiten [DM 36,-]. In den letzten zwanzig Jahren hat die wissenschaftliche Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen erheblich an Bedeutung gewonnen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Fest steht, daß unser Wissen über Sprachlehr- und -lernvorgänge deutlich zugenommen hat. Dazu hat auch die deutsche Sprachlehr- und -lernforschung beigetragen. Ein Beleg dafür sind die seit sechzehn Jahren vorgelegten Ergebnisse der jährlich stattfindenden Frühjahrskonferenz. Die Papiere der 16. Frühjahrskonferenz, die vom 15. bis 17. 2. 1996 stattfand, stellen eine Art Zwischenbilanz dar, die auf erreichte Untersuchungsergebnisse zurückschaut und auf mögliche Zukunftsperspektiven hinweist. Die einerseits nach 'innen' (d.h. auf die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung selbst) und andererseits nach 'außen' (interdisziplinär) ausgerichteten Sichtweisen vermitteln einen guten Überblick über die Vielfalt der Untersuchungsgegenstände. Es ist nicht verwunderlich, daß viele der auf der Konferenz zur Sprache gebrachten Probleme auf einer geschichtlich untermauerten Grundlage basieren und somit auch die Entwicklungsperioden des jungen wissenschaftlichen Faches referieren. Dies gilt besonders für den Aufsatz von Karl-Richard Bausch, der in einer chronologischen Darlegung die Ergebnisse der Sprachlehrforschung innerhalb der letzten 22 Jahre verfolgt. Werner Bleyhl greift eine seit langem die Fremdsprachenforschung beschäftigende Problematik auf, nämlich das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis, das er als 'Kraftfeld' der Fachdidaktik versteht (19). Sowohl die bisherige Unterrichtspraxis und ihre Erkenntnisse als auch deren theoretische Basis werden von ihm eher skeptisch betrachtet. Den Grund für nicht selten vorkommende Fehlentwicklungen sieht er in der viel zu wenig stattfindenden simultanen Betrachtung der in der Sprachlehr- und -lernforschung mit zu berücksichtigenden relevanten Bezugswissenschaften. Auch im Beitrag von Wolfgang Börner wird diese Problematik angesprochen. Der Autor gibt zu bedenken, ob die bisherige Einteilung der Forschung in einen deskriptiv-erklärenden und einen präskriptiven Teil zur Kennzeichnung der Disziplin ausreicht. Die dreigliedrige Ebenendifferenzierung - 1. als Ebene des Unterrichts im Klassenzimmer, 2. als Ebene der Lehrkonzepte, 3. als Ebene der Erforschung der Ebene 1 und z.T. 2 scheint ihm zur Charakterisierung der Verhältnisse zwischen Theoretikern und Forschern einerseits und den Praktikern andererseits aufschlußreicher und ergebnisversprechender zu sein. Lothar Bredella zweifelt an einer direkten Übertragung der Forschungsergebnisse in die Praxis, weil"[...] das Verhältnis komplexer als das eines bloßen Umsetzens von Forschungsergebnissen" ist (36). Am Beispiel einer hermeneutischen Landeskunde- und Literaturdidaktik verdeutlicht er das Verhältnis von Verstehen, Verständigung und Einverständnis im Dienste einer interkulturellen Kompetenz, wobei er auch auf bestehende Gefahren, z.B. den Zusammenhang von Macht und Verstehen, hinweist. Herbert Christ fokussiert seine Konzeptdarstellungen auf eine weniger scharfe Trennung zwischen Fremdsprachenunterricht und anderen Formen des Erwerbs von Fremdsprachen. Den von ihm genannten Faktoren, z.B. Lerner, Lehrer, Lehrmaterialien, Rahmenbedingungen usw., werden die fremdsprachenunterrichtlichen Dimensionen wie Zeit und Kulturraum gegenübergestellt (48), die durch ineinandergreifende Beziehungen den Forschungskomplex FLuL 26 (1997)
