Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1998
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Gnutzmann Küster SchrammMit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht beginnen Studierende ihr Lehramtsstudium?
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1998
Jürgen Quetz
flul2710106
Jürgen Quetz Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht beginnen Studierende ihr Lehramtsstudium? * Abstract. 80 students of TEFL at the beginning of their first semester were shown a video of an 'audio-lingual' pattern drill recorded about 25 years ago. During and after the film they were asked to make notes of whatever came to their mind about the lesson. Their spontaneous reactions to the recording were also recorded. An analysis of both the notes and the oral comments showed a strong interest in general pedagogical topics like discipline, motivation and teacher-pupil relations, including the personality and teaching style of the teacher. There were considerably fewer comments on aspects of language teaching methodology, but surprisingly enough, quite a few students criticised the drill method because of its lack of cognitive instruction. They seemed to be in favour of grammar instruction and explicit error correction. Some students also questioned the communicative value of the language taught. lt is suggested that the non-scientific theories first semester students have developed during their school time should be taken into consideration when planning teacher training syllabuses, since they do not in every case conform with the current mainstream of approaches to TEFL. 1. Erkenntnisinteresse Wie weit sind die Auffassungen von gutem Fremdsprachenunterricht, die Studienanfänger1 aus ihrer Schulzeit mitbringen, von den Vorstellungen entfernt, die in der Fachdidaktik aktuell sind? Woran könnte man bei der Konzeption einer fachdidaktischen Ausbildung anknüpfen? Mit welchen Widerständen gegen aktuelle wissenschaftliche und didaktische Theorien muß man rechnen? Antworten auf diese Fragen könnten curriculare Planungen erleichtern. Seit vielen Jahren werden Studienanfänger in der Frankfurter Einführung in die Fachdidaktik Englisch mit einem Unterrichtsmitschnitt 2 aus den frühen siebziger Jahren konfrontiert, zu dem sie sich spontan äußern sollen. Die Aufnahme in Schwarzweiß zeigt eine kurze Strukturmusterübung gemäß der audiolingualen Methode. Der Lehrer stellt (Entscheidungs-)Fragen mit do oder does, die jeweils nach dem gleichen Muster schnell beantwortet werden müssen. Die Antwort des ersten Schülers wird in der Regel zwei- oder dreimal von anderen wiederholt. Nach Bei der Datenerhebung und bei der Transkription der Daten hat Frau Marion Zeise geholfen. ... und -anfängerinnen: Die generische (hier: männliche) Form umfaßt in der deutschen Sprache natürlich auch immer Frauen; im Lehramtstudium sind sie ohnehin in der Mehrzahl. 2 Eine Transkription des Ausschnitts und eine Beschreibung der Unterrichtssituation findet sich im Anhang (S. 119 ff). FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 107 seiner Frage zeigt der Lehrer auf denjenigen Schüler, der sie beantworten soll. Der Unterricht ist einsprachig. Ziel dieser Seminarsitzung ist, den Studierenden den Unterschied zwischen Beobachtungen, Interpretationen .und Beurteilungen vor Augen zu führen 3 , weil vorschnelles Beurteilen, zu dem nicht nur Studierende oft neigen, den Blick verstellt für Analysen auf der Basis sachlicher Deskription. Aus den oben erwähnten Gründen wollte ich untersuchen, welche generellen Vorstellungen von Englischunterricht sich hinter den Äußerungen der Studierenden über den gezeigten Stundenausschnitt verbergen. 2. Forschungslage Der Erwerb von Wissen wird ganz erheblich von Einstellungen beeinflußt. Alltagstheorien über Fremdsprachenunterricht setzen sich m. E. vor allem zusammen aus Wissen, das aus Beobachtungslernen resultiert, und Einstellungen, die aus vorangegangenen Sprachlernerfahrungen und einer nicht-wissenschaftlichen Reflexion dieser Erfahrungen stammen. Dabei erklärt sich die reduzierte Natur dieser Theorien so: "[ ...] die Auslegung einer Situation bzw. Erfahrung wird im allgemeinen dann abgebrochen, wenn das in der Auslegung konstituierte Wissen zur Bewältigung der Situation ausreicht" (Schütz/ Luckmann 1979: 178). Subjektive Theorien von Schülern über den Fremdsprachenunterricht hat Kallenbach (1996) untersucht. Meine Untersuchung dokumentiert einen Schnittpunkt in der Biographie angehender Lehrer, an dem sie gewissermaßen „die Fronten zu wechseln" beginnen und aus dem erworbenen Wissen Konsequenzen ziehen. Daß aus Beobachtungslernen resultierendes fachdidaktisches Wissen wiederum nur durch weiteres Beobachtungslernen modifiziert werden kann, hat Gabel (1997) argumentativ untermauert. Sie fordert, in der Lehrerausbildung methodisch so vorzugehen, daß die Ausbildungsveranstaltungen wichtige Prinzipien des schulischen Fremdsprachenunterrichts, wie Handlungsorientierung und kommunikative Ausrichtung, widerspiegeln. "Deklaratives" Wissen aus Seminaren hingegen bleibe weitgehend folgenlos, wie ihre Untersuchungen zum Schulpraktikum zeigten. Es ist also wichtig, die Meinungen und Einstellungen der Studierenden zu kennen, deren Modifikation man unter Umständen in Angriff nehmen möchte. 3. Untersuchungsdesign Ich wollte ein Untersuchungsdesign erproben, das mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit Informationen liefern kann, die vor allem für Seminarplanungen zu 3 Vgl. Quetz/ Solmecke (1981): Unterrichtsbeobaclitung und Mitarbeiterberatung. Studieneinheit 4 im Kurs 3421 „Lernbereichsdidaktik Fremdsprachen". Hagen: Fernuniversität. FLuL 27 (1998) 108 Jürgen Quetz nutzen sind. Dabei ging es mir nicht darum, "subjektive Theorien" im Sinne von Groeben [et al.] (1988) zu ermitteln, sondern darum, Meinungen und Einstellungen einer genau definierten Gruppe zu ermitteln. Es handelt sich also um eine Querschnittstudie zu den „Alltagstheorien" über Englischunterricht von Studienanfängern, die auf der Basis von „subjektiven Daten" rekonstruiert werden sollen. Die Studienanfänger für die Lehrämter an Grundschulen und an Sonderschulen mit Wahlfach Englisch sowie an Realschulen mit Hauptfach Englisch des Wintersemesters 1996/ 97 (N = 80) sahen den oben umrissenen Unterrichtsmitschnitt von 4: 36 Minuten Dauer. Im ersten Schritt sollten die VPn während des Films in Stichworten festhalten, was ihnen spontan dazu einfiel. Diese ersten Eindrücke sollten durch einen Strich von den folgenden getrennt werden. Im zweiten Schritt sollten die VPn in ca. zehn Minuten ihre Eindrücke in Ruhe ergänzen. Im dritten Schritt konnten die VPn ca. fünf Minuten lang ihre Beobachtungen und Meinungen mit ihren Nachbarn diskutieren. Was ihnen dabei (oder in den ein bis zwei Minuten danach) einfiel, konnte ebenfalls noch notiert werden. Im vierten Schritt sollten die VPn sich mündlich zu dem Gesehenen äußern. Es gab keine Frage des Veranstaltungsleiters, sondern nur eine allgemeine Aufforderung zu sagen, was einem während des Films durch den Kopf gegangen war. Diese Phase wurde auf Video aufgezeichnet und später transkribiert. 4 Der Einfluß des Studiums auf die Äußerungen zum gleichen Film könnte in einer Folgestudie ermittelt werden, wenn die Studierenden, die am ersten Schritt teilgenommen haben, ins Examen gehen. Dies möchte ich in den kommenden Semestern versuchen. 4. Ergebnisse 4.1 Inhalt und Tenor der schriftlichen und mündlichen Äußerungen 48 VPn äußerten sich auf den Antwortzetteln (sehr) negativ zum Unterrichtsgeschehen, 13 VPn eher positiv, 19 VPn brachten keine Wertung zum Ausdruck. Es wurden 730 Äußerungen zum Unterricht gemacht, wobei sich die Zahl der Äußerungen pro VP zwischen 4 und 20 bewegte. Diese Äußerungen bezogen sich in 400 Fällen auf allgemein pädagogische, in 330 Fällen auf fachdidaktische Aspekte. Es ist zwar eine Interpretationsfrage, ob man eine Formulierung wie „stures Wiederholen gleicher Sätze" der einen oder der anderen Gruppe zuschlägt, es ändert aber nichts am Gesamteindruck, daß die allgemein pädagogisch orientierten Äußerungen im schriftlichen Teil leicht dominieren. Solche Fälle habe ich übrigens doppelt gezählt, 4 Die im Rahmen des Seminars übliche Analyse der Äußerungen unter dem oben erwähnten Aspekt, Beschreibungen von Interpretationen und Bewertungen zu unterscheiden, erfolgte in verkürzter Form im Anschluß an die Datenerhebung. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 109 "stur" bei 'pädagogisch' (weil es quasi synonym zu Wörtern wie „langweilig" benutzt wurde und somit eher auf den Komplex Motivation zielt), und „Wiederholen gleicher Sätze" bei 'fachdidaktisch' (weil es den Drill-Charakter der Übung zu fassen versucht), um beiden Aspekten gerecht zu werden. 4.2 Allgemein pädagogische Kommentare zum Unterrichtsmitschnitt 4.2.1 Disziplin Nur eine der 80 VPn schätzte die Disziplin der gefilmten Schüler als „gut" ein (VP78), eine bemerkte eine „relativ lockere Atmosphäre" (VP36), eine dritte fand, die „Schüler sitzen relativ ruhig" (VP77). 29 VPn hingegen kommentierten das Verhalten der Schüler als „zappelig" und das Unterrichtsgeschehen als „laut" oder "chaotisch" oder notierten „Geräuschkulisse stark", "Hektik" oder ähnliches. Mangelnde Konzentration wurde von weiteren 10 VPn registriert, zwei davon schrieben dies der Anwesenheit einer Videokamera zu. Als Grund für die Unruhe wurde zweimal die rege Beteiligung genannt (VP30, VP54). Nur eine VP beobachtete, daß die Schüler „nicht in die Klasse hinein schreien" (VP39); eine andere allerdings merkte an, daß das „Durcheinanderrufen" störe (VP55). Auch das „Schnipsen" oder „Schnalzen" wurde von 5 VPn als Störung empfunden. 5 Interessant ist, wie stark Fragen der Disziplin die Studierenden beschäftigen. Immerhin hat sich fast die Hälfte von ihnen zu diesem Komplex geäußert. 50 von 80 der VPn haben zwar den eigenen Anfangsunterricht an Förderstufen oder Gesamtschulen absolviert 6, das Abitur aber haben fast alle an regulären Gymnasien gemacht, so daß für sie wohl von allergrößtem Interesse ist, wie sie selbst später einmal mit Schülern in ganz anderen Schulformen zurechtkommen werden. Sieht man diese Äußerungen im Zusammenhang mit den Kommentaren zur Motivation der Schüler (vgl. 4.2.4), so fällt auf, daß es Studierenden offenbar noch schwerfällt, den Zusammenhang zwischen Unterricht und (unruhigem) Verhalten zu thematisieren. 7 27 VPn fanden, daß die Beteiligung der Schüler sehr rege war; 5 Weitere Beobachtungen betrafen das Drankommen: "Beteiligung nur 60 %, oft dieselben Schüler" (VP73, auch VP25); "nicht alle sind drangekommen" (VP08); "oft melden sich die gleichen Schüler" (VP38, VP58); ; ,der Lehrer beobachtet im allgemeinen nur sein vorderes Blickfeld und läßt nur diese Schüler antworten" (VP53). Dagegen: "alle Schüler wurden mit einbezogen" (VP71); "Die Beteiligung wird fast zum Wettkampf jeder will besser sein, sich öfters melden" (VP76). Und: "Wer sich nicht meldet, kommt auch nicht dran" (VP28, VP58, VP59). 6 Auf dem Antwortzettel sollten die VPn auch notieren, in welcher Schulform sie den Englischunterricht begonnen und beendet hatten und wie alt ihre Lehrer jeweils waren. 7 Langeweile produziert bekanntlich Unruhe ebenso wie Unterforderung. Auf letztere weisen 6 VPn hin. FLuL 27 (] 998) 110 Jürgen Quetz manchmal sind es aber die gleichen VPn, die gerade diese Beteiligung mit dem Parameter Unruhe in Verbindung bringen. 4.2.2 Lehrerzentriertheit 7 VPn fiel auf, daß der Unterricht lehrerzentriert bzw. Frontalunterricht ist. Insgesamt wird 12mal notiert, daß die Schüler nicht miteinander sprechen, sondern nur dem Lehrer antworten. Andere merkten an, daß keine Gruppenarbeit stattfindet und keine freieren Arbeitsformen gewählt werden (VP46), "die Schüler können sich nicht einbringen" (VP59), "die Schüler werden nicht in den Unterricht eingebaut" [sie! ] (VP33). Das Unterrichtsgeschehen wurde 55mal als „Frage-Antwort-Spiel" charakterisiert, 13 mal davon mit explizit negativer Qualifizierung "immer nach dem gleichen Schema, stereotyp, [...]"). Nur eine VP fand dieses Interaktionsmuster, den "Aufbau der Stunde als Lehrer-Schüler-Frage-Antwort-Spiel, interessant" (VP52). Viele VPn bewerteten die Strukturmusterübung, die sie gesehen hatten, als „veraltet" (VP20, VP33, VP48, VP52), "reformbedürftig" (VP22), "konservativ" (VP0I), "typisch für die 70er Jahre" (VP61), aber doch „besser als ein Lehrervortrag" (VP23). Eine andere VP kritisierte die „schlechte Organisation bzw. Gestaltung des Unterrichts seitens des Lehrers" (VP33), eine andere bemerkte: "Dieser Unterrichtsausschnitt erinnert an einen 'Maschinenablauf"' (VP08). Es zeigt sich, daß eine Reihe von Studierenden doch schon mit moderneren Unterrichtskonzeptionen vertraut sind. 4.2.3 Lehrerpersönlichkeit, Lehrer-Schüler-Verhältnis Von den 80 VPn äußerten sich 38 zur Persönlichkeit des Lehrers. 8 Zum Alter fanden sich 8 Kommentare, die neben dem neutralen „älter" (2) auch „alt" (3) "sehr bzw. ziemlich alt" (2) und „alter Lehrer" (1) umfaßten. 8 VPn charakterisierten den Lehrer sehr rigide als „phantasielos, peplos, inflexibel [sie! ]; dominant (2mal), Dompteur, Witzfigur, Komiker." 2 VPn bemerkten, er übe Autorität aus, sei autoritär, zwei andere aber befanden: "Lehrer greift nicht in störende Schüler ein" [sie! ] (VP40) und: "Unruhe, Lehrer schreitet nicht ein" (VP52). 9 Daß bei einem so charakterisierten Lehrer das Verhältnis zu den Schülern ebenfalls als problematisch wahrgenommen wird, ist zu erwarten. 20 VPn bezeichneten das „Lehrer-Schüler-Verhältnis" bzw. die Atmosphäre im Unterricht als „unpersönlich" oder „anonym", wozu vor allem beiträgt, daß der Lehrer die Schüler nicht mit Namen aufruft, sondern nur auf sie zeigt. 9 VPn fanden, der Lehrer „geht nicht auf die Schüler ein". Weiterhin fiel 5 Studierenden auf, daß der Lehrer nicht lobt und 8 9 Doppelnennungen waren möglich, so daß die Zahl der Äußerungen 38 übersteigt. Eine VPn bemerkte den Anzug. 2 VPn stuften das Englisch des Lehrers als schlecht ein. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 111 keine Rückmeldung gibt (vgl. unter 4.3.3), was sie ebenfalls als Indiz für ein gestörtes Verhältnis zu den Schülern werteten. Diese Beobachtung resultiert allerdings aus der Kameraführung in dieser Phase; der Lehrer benutzt recht lebhafte Mimik und Gestik als Lob (vgl. auch unter 4.3.3). Auch in diesem Punkt entwerfen die Studierenden wohl schon ein Bild von sich selbst in der Rolle des Lehrers: So wie dieser Kollege wollen die meisten wohl sicher nicht werden. Interessant ist dabei, daß negative Urteile über die Unterrichtsgestaltung immer wieder mit Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht werden. 4.2.4 Motivation Die weitgehend negativen Beobachtungen in den drei Dimensionen „Disziplin", "Lehrerzentriertheit" und „Lehrerpersönlichkeit" werden ergänzt durch die Einschätzung der motivationalen Qualität des beobachteten Unterrichts. Eine erstaunlich hohe Zahl von 70 VPn äußerte sich wertend dazu, davon die allermeisten negativ. Nur 10 VPn haben keine Bemerkungen zu diesem Komplex gemacht. Als „langweilig, monoton, ohne Abwechslung, eintönig, stupide, trocken, nicht interessant, stereotyp, stumpfsinnig, einseitig, primitiv, stur" bezeichneten 56 VPn den Unterrichtsausschnitt. 10 Positiv oder neutral äußerten sich nur wenige VPn, z.B. VP02: "den Schülern scheint der Unterricht zu gefallen", oder VP08: "interessierte und begeisterte Schüler (wiederholte Meldungen); wißbegierig". Als Grund dafür nennt VP29: "keine Kritik, keine Korrektur", aber auch, wie VP30: "hohe Beteiligung wegen Kamera". 11 Bei solch negativem Gesamteindruck sollte man nun erwarten, daß sich die Schüler weitgehend aus dem Unterricht ausklinken. 27 VPn sahen allerdings das genaue Gegenteil, nämlich eine „rege" bzw. "starke Beteiligung"; 3 VPn merkten sogar explizit an, die Schüler seien sehr motiviert gewesen. Diesen Widerspruch thematisierte aber nur VP33: "langweilige und monotone Abfolge von Fragen und Antworten, die Schüler leiern ihre Antworten herunter; langweilige Gestaltung des Unterrichts; warum sind Schüler trotzdem motiviert? " Ein Gegenmodell zeichnet sich für manche VPn auch schon ab. VP42 plädiert für einen „Spiel-Englisch-Unterricht", VP61 für „einen spielerischen Aspekt"; VP80 meint, Sprache sei lebendig und müsse auch so gelehrt werden und nicht „wie Mathe-Formeln". Die Schüler sollten „sich einbringen können", was in dieser Stunde fehlte (VP59, VP79). 10 VP50 schreibt sogar: "wie mache ich Schülern eine Sprache schlecht [sie! ], bzw. wie verderbe ich Schülern die Freude am Lernen". Und VP48 erklärt: "Das Ansehen des Films langweilte schon nach einigen Minuten." 11 Ungewöhnlich sind folgende Wahrnehmungen: "ziemlich eintönig für den Lehrer" und "Lehrer legt in jede, für ihn einfache Frage unheimlich viel Motivation" (VP76) im Vergleich zu: "Lehrer zeigt nur halbes Interesse" (VP05). FLuL 27 (1998) 112 Jürgen Quetz Insgesamt widmen die VPn dem Aspekt der Motivation große Aufmerksamkeit. In ihrer Ausbildung werden sie vermutlich immer wieder nach Anregungen und Möglichkeiten suchen, einen motivierenden Unterricht zu gestalten. Der Komplex der affektiven Faktoren steht vermutlich generell im Mittelpunkt des didaktischen Interesses der Studierenden. 4.3 Fachdidaktische Konzeptionen 4.3.1 Zur Übungsform (pattem drill) 55 von 80 VPn erfaßten auf einer alltagssprachlich deskriptiven Ebene den Drillcharakter der Übung korrekt. 11 von diesen 55 VPn erkannten darüber hinaus, daß Sätze in Analogie zu vorgegebenen Sätzen gebildet werden sollen "ähnliche Sätze", "Schüler wiederholen die Antworten anderer Schüler", "Sätze nach dem gleichen Schema", "nachplappem", "nachkauen"). Immerhin 11 von 55 VPn äußerten sich zum Zweck solcher Übungen und formulierten „lemtheoretisch": VP0I „Schüler wiederholen ständig gleiche o. ähnliche Sätze ... Unterricht besteht hauptsächlich aus Wiederholung (wahrscheinlich, um sich z.B. den Satzbau einzuprägen)" (VP 02 ähnlich) VP04 Schüler sollen „ein Gefühl für die Sprache bekommen" VP29 „Unterricht nach dem Motto: je öfter ein Satz, desto eher prägt er sich ein" [sie! ] VP34 Frage-Antwort-Spiel: "Lernen durch ständiges Wiederholen von Standartsätzen [sie! ]" [ ... ] "Schüler sollen wahrscheinlich auch ein Gefühl für die Sprachmelodie bekommen" VP37 „Regelrechtes 'Einpauken' von Sätzen durch ständiges Wiederholen" VP48 „Über die ständige Wiederholung soll sich das 'Erlernte' bei den Kindern [ ... ] einprägen" VP54 „Durch häufiges Wiederholen und Üben soll sich eine Satzkonstruktion einprägen; [ .. .]" VP60 „Einprägen von Phrasen" VP68 „Es wird die englische Satzstellung geübt bzw. eher stur eingepaukt" VP76 „Einprägung der Frage u. Antwort mit 'do'" Fünf VPn bewerteten die Übung explizit negativ: VPSI „Lernen durch ewiges Wiederholen SINNVOLL ? ? " VP33 „sinnlose Fragen" [...] "fraglich, wie da ein Lernerfolg erzielt werden soll" VP20 „Scheint Praxis und Aktivität vorzutäuschen: Schüler beteiligen sich, aber dadurch, daß sie nachplappern [...] lernen sie nichts dazu. [ ... ] Es ist absolut blödsinnig, eine ganze Stunde lang Sätze von sich zu geben wie 'he goes to school every day', 'he goes to the baker every day"' VP0S „sinnlose ständige Wiederholungen" VPIS (fragt generell: ) "sinnvolle Unterrichtsgestaltung? " Es zeigt sich, daß die Studierenden durchaus eine kritische fachdidaktische Einstellung mitbringen, denn die Anlage der Übung wird insgesamt auch von denen nicht positiv eingeschätzt, die sie lediglich als „Wiederholung" bezeichnen. Deutlicher artikulieren kann sich aber nur eine Minderheit, die die lemtheoretische Basis solcher Übungen anspricht oder sich sogar kritisch dazu äußert. Ein explizites Fachwissen wird allerdings in diesen Äußerungen nicht benutzt. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 113 4.3.2 „ Sprachtheoretische" Kommentare zur Übung Interessant ist, daß immerhin 13 VPn eine negative Einschätzung der Übung unter dem Aspekt vorbringen, daß der kommunikative Nutzen der gelehrten Sprache fragwürdig sei und daß keine Kommunikation unter den Schülern entsteht. Beides sind wichtige Aspekte in den hessischen Rahmenplänen für den Englischunterricht der Sekundarstufe I, und es ist durchaus möglich, daß einige der VPn in ihrem eigenen Unterricht mit solchen Gedanken konfrontiert wurden. Einige der Studierenden erläuterten, warum sie den Drill unter sprachtheoretischen Aspekten kritisieren: VP3 l „Stures Abfragen der Grammatik durch sinnlose Sätze; sinnlos, da kein wirklicher Bezug der Schüler zu den: Sätzen, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen sind, es sind nur lose aufeinander folgende Sätze, nur Bruchstücke der Sprache. Eine Sprache ist dazu da, mit anderen zu kommunizieren, sich mitzuteilen, und nicht, um irgendeine Regel auf sie anzuwenden" VP43 „Sätze nicht gescheit anwendbar" VP46 „kein Bezug zur Lebenssituation, den man durch ein Spiel, Nachstellung von Lebenssituationen (z.B. Einkauf beim Metzger) erreichen könnte"; VP50 „der Inhalt der Sätze ist falsch [ ... ]" VP74 „kein einheitliches Thema (Gespräch, Text, ...) einzelne von einander unabhängige Sätze werden nachgesprochen (kein Zusammenhang)" VP80 „Sätze werden nur aufgesagt; wahrscheinlich denken die Schüler, daß es nur die Zeit gibt bzw. zu starke Benutzung im späteren Leben" Ein ebenfalls sprachtheoretisches Argument ist, daß diese Übungsform kreativen und spontanen (freien) Sprachgebrauch unterbindet. Darauf weisen 15 VPn hin. Exemplarisch seien hier einige der Kritikpunkte aufgeführt: VP14 Antworten kamen nicht spontan, waren „antrainiert", kein „Dialog" VP22 „wenige Schüler brechen aus dem Schema aus und ergänzen kleine Satzzusätze" VP35 „Schüler werden nicht dazu angeregt, kreativ mit der englischen Sprache umzugehen" VP45 „Kinder lernen vorgefertigte Sätze dann lernen sie diese zwar auswendig lernen aber nicht die Vielfältigkeit einer Sprache und nicht Freiheit, um sie zu gebrauchen" VP50 „ein Schüler ist über das Papageienstadium hinweg er wiederholt nicht nur, (sondern) verneint oder begründet Sätze" VP63 (Schüler) "haben keine Möglichkeit, kreativ eigene Antworten zu kreieren, sondern bewegen sich im vorgegebenen Rahmen" Erstaunlich ist, daß immerhin 10 VPn im Sprachhandeln von Lehrer und Schülern auch positive Aspekte entdeckten. Daß „alltägliche Themen" angesprochen werden, "mit denen sich die Schüler identifizieren können (church, breakfast, father-work, [...])" (VP77), beobachteten auch andere Studierende: "Die Fragen richten sich direkt an das Leben der Kinder, z.B. Was ißt Du jeden morgen? " (VP39, ähnlich VPl 1 und VP15), "Themen sind direkt an den Alltag geknüpft" (VP36, ähnlich VP72). Einige VPn registrierten auch durchaus korrekt, daß die Schüler „Nicht nur Nachsprechen, sondern [...] auf die Frage des Lehrers (antworten)" (VP12) und eigene Sätze bilden (VP04, VP25). FLuL 27 (1998) 114 Jürgen Quetz 4.3.3 Fehler, Fehlerkorrektur, grammatische Erklärungen Eine erstaunlich große Zahl, nämlich fast die Hälfte der Studierenden äußerte sich zu Fehlern und zur Fehlerkorrektur (N = 37). Dabei treten wegen der Tendenz der audiolingualen Methode zur Fehlerprophylaxe durch eng geführte Übungen keineswegs so viele Fehler auf, wie die VPn meinen. 12 Den Studierenden fallen offenbar eher Verstöße gegen die accuracy einer Äußerung auf als die kommunikative Angemessenheit einer Schülerantwort. Von den 37 Studierenden, die Fehler der Schüler erwähnten, meinten 12 VPn, eine Korrektur habe gar nicht oder kaum stattgefunden. 23 VPn kommentieren die Art der Fehlerkorrektur. 13 Dabei meinten 2 VPn, die Schüler hätten ihre Fehler selbst korrigiert. 2 weitere VPn bemerkten, daß der Lehrer korrigiert. Außerdem wurde Korrektur durch „stures Wiederholen" (VP61) bzw. Nachsprechen (VP60, VP72) oder durch Beenden einer Schüleräußerung (VP63), oft „während Schüler reden" (VP41), beobachtet. Die wichtigste Feststellung ist, daß der Lehrer keine expliziten Erklärungen benutzt. Dies bemängelten 15 VPn. Einige von ihnen sollen stellvertretend für die anderen zu Wort kommen: VPI 7 „Die Schüler wissen, wenn sie Fehler machen, gar nicht warum, sondern sprechen die richtigen Sätze, die ihnen der Lehrer vorsagt, nur nach." VP22 „Lehrer erklärt von den Schülern gemachte Fehler nicht, sondern macht sie zumeist nur mittels Handbewegung bzw. anderer Gestik darauf aufmerksam oder verbessert sie nur ohne Erklärung." VP42 „Fehler werden zwar verbessert, jedoch nicht erklärt, warum die so, z.B. Satzstellung, falsch bzw. richtig ist." VP52 „Kein genauer Beitrag zur Klärung der grammatischen Abfolge in der Fragestellung. Geht nicht auf Fehler ein." VP54 "[ ... ], ohne daß Fehler der Schüler besprochen werden. Der Lehrer ist alleine Instanz, der Fehler korrigiert [sie! ], die Schüler bilden wahrscheinlich kein 'eigenes Gehör' für Fehler aus." Verbirgt sich hinter dieser Kritik vielleicht ein Wunsch nach stärkerer kognitiver Ausrichtung des Unterrichts bei fast der Hälfte der Studierenden? Ein Blick auf die Äußerungen zu grammatischen Erklärungen könnte dies bestätigen. 14 Deren Fehlen registrierten immerhin 9 VPn; es finden sich Äußerungen wie diese: "kein Erklären/ Verstehen, kein Lernprozeß" (VP14), "Dritte Person Singular wird überhaupt nicht erklärt, sondern die Schüler werden nur mit Handbewegungen des Lehrers darauf aufmerksam gemacht, daß ein 's' z.B. an ihr gesprochenes Wort gehört" (VP 17), "die Veränderung des Verbs bei der dritten Person wird nicht bewußt gelernt darum wird es andauernd von den Schülern vergessen" (VP19), 12 Die Kameraführung läßt zudem nicht erkennen, daß der Lehrer die Schüler durch Heben der Hand darauf aufmerksam macht, daß sie einen Fehler gemacht haben. Er malt auch mit dem Finger ein 's' in die Luft, wenn es sich um einen Fehler bei der 3. Person Singular handelte. 13 2 VPn stellten nur fest, daß Fehler gemacht wurden. 14 Doppelnennungen waren hier möglich, traten aber nicht oft auf. FLuL 27 ( 1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 115 "kein anständiges erklären [sie! ]" (VP32), "der Lehrer spricht mit den Kindern nicht über die Regeln" (VP45). Auch eine Äußerung wie "kein eigenes Nachdenken" (VP22) geht in diese Richtung. Eine grammatikbetonte Sicht des Unterrichtsgeschehens zeigen auch Äußerungen, in denen der Lernstoff beschrieben wird "ja/ nein, every [...]" (VPl 1), "Satzstellung" (VP44), "Zeiten abgefragt" (VP52), "Satzstruktur 'Verneinung"' (VP78), „Sätze mit 'do' gebildet" (VP79)). Die Rolle der Kognition wird von all diesen Studierenden offenbar hoch veranschlagt. 4.3.4 Diverses 10 VPn erwähnten lobend, daß der Unterricht einsprachig verlaufen sei. 15 VPn erwähnen, daß der Unterricht sprechaktiv gewesen sei, was sie positiv bewerten, wie VP23: "Das ständige Sprechen in einer anderen Sprache fördert die Sprachfertigkeit und macht den.Kindern anscheinend Spaß." 5 VPn bemängeln aber auch, daß das Schreiben vernachlässigt werde. Einige Studierende geben grundsätzliche Empfehlungen zur Methodik 15 : "Unterricht fördert nicht gerade die Kreativität, [...]; es wäre gerade in der Anfangszeit des Fremdsprachenunterrichts angebrachter, auch mal den Unterricht etwas aufzulockern." (VPOl) "[...] nicht kindgerecht genug (auflockern durch Lieder, Spiele, [...])" (VP02) "Unterricht sollte durch bildliche Darstellungen oder Textarbeit oder Spiele verbessert werden" (VP06) 5. Die mündlichen Äußerungen zur Videoaufnahme Im Gespräch thematisierten die VPn eher fachdidaktische Aspekte. So· entspann sich eine längere Auseinandersetzung über dass in der 3. Person Singular und daß man es den Schülern erklären müsse, wenn man die Fehler, die man häufig gesehen zu haben meinte, vermeiden wolle. Die Beiträge der Studierenden bestanden allerdings meist aus Paraphrasen der schriftlichen Notizen. Es gab nur wenig Widerspruch, der sich auf abweichende Meinungen bezog. Da ich das Gespräch nicht strukturierte und durch Nachfragen konsistentere Formulierungen der subjektiven theoretischen Annahmen provozierte, kamen keine neuen Aspekte zur Sprache. 15 Eine stärkere visuelle Unterstützung der Übungen fordern 4 VPn. Ein zu schnelles Tempo registrieren 2 VPn. Zur (schlechten) Aussprache der Schüler äußert sich 1 VP, daß Ausspracheschulung ein Lehrziel sei, vermuten 2 VPn. FLuL 27 (1998) 116 Jürgen Quetz 6. Kritische Anmerkungen zum Design der Studie Es fällt auf, daß es viele Beobachtungen gibt, die einander ausschließen. Schon bei der Beschreibung der Sitzordnung zeigt sich, wie unzuverlässig die impressionistische und nicht fokussierte Wahrnehmung ist: VPIO: "in Reihen"; VP26: "Mädchen und Jungen getrennt"; VP28: "Halbkreis"; VP34: "jeder sieht jeden"; VP53: "die Schüler sind mehr mit ihrem Nachbarn beschäftigt als.mit dem Unterricht, was man ihnen nicht verübeln kann"; VP56 und VP75: "U-Form"; VP69: "unpraktisch, Sitzkreis wäre besser"; VP76: "Sitzordnung durcheinander, nicht steif hintereinander"; VP80 „nicht kommunikativ". Auch die Klassengröße wird einmal als „groß" (VP16), einmal als "klein" (VP30) bezeichnet, was bei relationalen Adjektiven allerdings nicht verwundern darf. 16 Weiterhin hat die Kameraführung offenbar bewirkt, daß der Eindruck eines unruhigen oder gar hektischen Unterrichts entstand. Die Transkription zeigt, daß der Unterricht zwar zügig, aber keineswegs unruhig verlaufen ist. Ganz im Gegenteil setzen die Äußerungen der Schüler immer erst dann ein, wenn sie drangenommen werden. Dabei entstehen zwar keine Pausen, aber objektiv gesehen ist der Unterricht sehr geordnet und keineswegs „chaotisch". 17 Weiterhin kann man aus der Numerierung der Beobachtungsbögen ersehen, daß nahe beieinander sitzende Studierende auch zu ähnlichen Beobachtungen und teilweise zu identischen Formulierungen kamen. Das zeigt, daß viele Studierende unsicher waren, wie sie sich äußern sollten, oder daß ihnen unter Umständen gar nichts einfiel. Da ich aber keine statistische Auswertung anstrebe, sondern einen Querschnitt einer Gruppe rekonstruieren möchte, fällt dieser Mangel nicht so sehr ins Gewicht. Die Notizen der dritten Phase der Auseinandersetzung mit dem Mitschnitt wurden allerdings nur im Ausnahmefall zitiert, da es sich zeigte, daß in der Regel nur Beobachtungen der Sitznachbarn übernommen wurden. 7. Was kann man aus den Äußerungen der Studierenden lernen? Die Studienanfänger dieses Jahrgangs bringen als Gruppe recht heterogene Alltagstheorien mit, die zudem unterschiedlich „deklarativ" sind. Auffällig ist die starke Aufmerksamkeit für allgemein pädagogische Fragen (vgl. 4.1 und 4.2). Fachdidaktische Überlegungen stehen ihnen gegenüber etwas zurück. Diese Tendenz bleibt 16 Aber auch andere Beobachtungen sind ja höchst widersprüchlich gewesen, etwa wann und wie Fehler korrigiert werden oder was genau Gegenstand der Übung war oder ob eine Lehrerfrage nachgesprochen oder beantwortet wurde und wie offen dabei die Antworten waren. 17 Daß sie hier offenbar einer Täuschung durch das vermittelnde Medium zum Opfer gefallen sind, haben die Studierenden im zweiten Teil der Seminarsitzung erörtert. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 117 meiner Beobachtung nach im ganzen weiteren Studium erhalten. Ein Teil der oft gehörten Kritik am mangelnden Praxisbezug des Lehramtsstudiums resultiert wohl daraus, daß man in der Fachdidaktik solchen Aspekten mittlerweile eher distanziert gegenübersteht, weil man sie bei anderen Bezugswissenschaften besser aufgehoben glaubt. Dabei gibt es gerade in bezug auf die angeschnittenen Aspekte (Disziplin, Motivation) durchaus eine fachdidaktische Perspektive. Unter den fachdidaktischen Aspekten, die die Studierenden ansprechen, fällt auf, daß 14 VPn explizit eine kommunikative oder kreative Ausrichtung des Englischunterrichts als Leitbild vor Augen haben (und im Unterrichtsmitschnitt vermissen), 17 VPn aber vor allem das Fehlen einer kognitiven Komponente monieren (und sich noch häufiger über Grammatikfehler auslassen! ), und nur 8 VPn Defizite in beiden Dimensionen registrieren. Das zeigt, daß die Studierenden ihr Lehramtsstudium mit recht gegensätzlichen subjektiven Theorien beginnen. 18 Die weitere Ausbildung wird also nicht stillschweigend voraussetzen können, daß sie alle Studierenden für ein zeitgemäßes fachdidaktisches Paradigma wird gewinnen können. Das starke Interesse vieler Studierender an Seminaren zum Grammatikunterricht zeigt, daß sie eher traditionellere Konzeptionen weiter verfolgen. Bestätigt wird dies indirekt auch dadurch, daß immerhin 13 Studierende den audiolingualen Unterricht positiv bewerteten und 19 ihn zumindest als nicht weiter kritikwürdig betrachteten. Daß fast die Hälfte der VPn den Unterricht unter dem Aspekt der Disziplin und der Konzentration als negativ einstuften, obgleich er, zieht man die Verfälschungen durch die Kameraführung ab, eigentlich ein zwar temporeicher, aber doch sehr disziplinierter Unterricht ist, zeigt, daß viele Studienanfänger eine eher traditionelle Vorstellung vom Fremdsprachenunterricht haben, obgleich sie einem lehrerzentrierten Unterricht eher kritisch gegenüberstehen. Sie sehen offenbar noch nicht, daß offenere, kommunikative Unterrichtsformen eine höhere Toleranz gegenüber acceptable working noise erfordern. Was kann man aus diesen Beobachtungen für die Planung von fachdidaktischen Lehrveranstaltungen in der ersten Ausbildungsphase lernen? Als Sprachlehr- und -lernforscher neigt man oft dazu, ein Seminar thematisch so einzugrenzen wie seine eigene wissenschaftliche Tätigkeit. Da die Studierenden aber ihre Seminare eigenverantwortlich zusammenstellen, werden sie wohl eher solche wählen, die ihren subjektiven Theorien von Fremdsprachenunterricht zu entsprechen scheinen. Deshalb wird es wohl oft passieren, daß sie bestimmten Fragestellungen im Studium gezielt aus dem Weg gehen und so ihre „einseitigen" Vorannahmen über Unterricht bestätigt finden. Seminare im Grundstudium sollten deshalb zu enge thematische 18 Da ich keine personalen Daten erhoben habe, kann ich nicht ausschließen, daß unter den 80 VPn ein kleiner Prozentsatz von Studienfach- oder Hochschulwechslern war, die bereits mit wissenschaftlichen Theorien in Kontakt gekommen waren. Da dieser Personenkreis aber in der Regel nicht an der Einführung für Erstsemester teilnimmt, ist diese Wahrscheinlichkeit gering. FLuL 27 (1998) 118 Jürgen Quetz Festlegungen vermeiden ·und sowohl Themen des Spracherwerbs und damit der Kognition, als auch Fragen einer kommunikativen Orientierung ansprechen, um die Koordination dieses Wissens zu einer aktuell akzeptablen Unterrichtsphilosophie nicht allein den Studierenden zu überlassen. Deren Alltagstheorien oder auch "subjektive Theorien" möchten wir ja weiterentwickeln zu einem Stand, der aktuellen „wissenschaftlichen Theorien" zumindest nicht diametral entgegengesetzt ist. Bibliographische Angaben EHLICH, Konrad/ REHBEIN, Jochen (1976): "Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT 1)". In: Linguistische Berichte 45, 21--41. GABEL, Petra (1997): Lehren und Lernen im Fachpraktikum Englisch. Wunsch und Wirklichkeit. Tübingen: Narr (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). GROEBEN, Norbert [et al.] (1988): Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke. KALLENBACH, Christiane (1996): Subjektive Theorien: Was Schüler und Schülerinnen über Fremdsprachenlernen denken. Tübingen: Narr (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). QUETZ, Jürgen/ SOLMECKE, Gert (1981): Unterrichtsbeobachtung und Mitarbeiterberatung. Studieneinheit 4 im Kurs 3421 „Lernbereichsdidaktik Fremdsprachen". Hagen: Fernuniversität. SCHÜTZ, Alfred/ LUCKMANN, Thomas (1979): Strukturen in der Lebenswelt. Bd. I. Frankfurt/ M.: Suhrkamp. FLuL 27 (1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 119 Anhang: Transkription des Unterrichtsausschnitts Klasse: 8. Klasse Hauptschule in Hagen, 14 Jungen (rechts, in der Transkription 1-14) und 10 Mädchen (Mitte bis links, 15-24). Die Sitzordnung (Zweiertische in Hufeisenform mit einem kürzeren Schenkel in 2-3 Reihen hintereinander) ist wegen der Aufnahme so geändert, daß alle Schüler im Bild sind. Der Lehrer steht in der Mitte des Hufeisens vor Pult und Tafel. Lehrer: ca. 45, dunkle Hornbrille, Anzug mit Krawatte und gestreiftem Hemd. Der Lehrer, der auch als Fachleiter/ Ausbildungsleiter tätig war, unterrichtete nach der audiolingualen Methode. Stoff: In Anlehnung an das Lehrbuch Peter Pim and Billy Ball, Comelsen Verlag 1964 (11. Aufl.), Band 1, Chapter 18, p. 55; Übung offensichtlich vom Lehrer erstellt. 1. L Do you go to school every morning? .. Do you go to school Move 1 2. every morning? .. or every day? mehrere S melden sich, S 10 mit Su Yes, I go every day to school. beiden Armen; 1[ nach Antwort s, [Oh/ Äh] 1 von S 13 Aufstöhnen der S, J 3. L go to school L und mehrere S helfen ein s, go Sn Yes, I got . Yes, I go every day ... to school every day. 4 s, [(... )mach deinen Mund zu (? )] 2 2[ s. ruft dazwischen, unvq- Sb Yes, I go to school every day. ständlich]; mehrere S melden s, Y es, I go to school every day. sich; schnelle Wiederholung der Schülerantwort durch andere Schüler 5. Sd ' Yes, I go to school every day. 6. L Do you go to church every day? Move 2 7. s,. No, I do not go to church every day. s, Y es, I go to church every S, variiert Antwort von S 24 8. L Do you go to town every day? s, day. s, Y es, I go to church every day. S 1 wiederholt variierte Antwort 9. S11 No, I didn't wen! to town... s, Hier! L Do you gQ to town every day? 10. S11 [Yes, I go to town every day.J 3 3{ schnell J Sh Y es, I go to town every day. s, Yes, I 11. go to town every day. 12. L Does ~ go to town every day? ... Move 3 L zeigt vermutlich auf S22 Yes, he ein Haftelement an der Tafel 13. go to town ... Yes, he went .. [he goesJ 4 to town 4[ Selbstkorrektur nach fal- Si he went schem Einsagen J Sk he goes 14. S22 every day. s" Yes, he goes to town every day. s,. Yes, he goes to town 15. every day. S1 Yes, he goes to town every day. Sm Yes, he goes to town 16. every day. FLuL 27 (1998) 120 Jürgen Quetz 17. L ..... Does ... [Mr PimJ 5 go to High Street every day? Move 4 5[ zeigt auf Haftelement an der Tafel ] 18. s, No, Mr Pim goes .. No, Mr Pim doesn't goes to .. L does doesn't go 19. s, doesn't go to the Street to High Street . he goes L to High Street 20. s, to the school. L [ 1 6 6[ zeigt auf S 24 J s" I think Mr . Mr Pim fill§ to High Street 21. every day. s„ Mr Pim go . goes to his office every day. S1, I think 22. L [ to High Street J 7 7[ Antwort S 15 ist korrekt J S1, Mr Bim . Bim . Pim goes to the High Street every day .. to 23. High Street every day. 24. L [Where does your father go to every day? J 8 Move 5 8[ ohne Pause, betont J 25. S10 My father every day go .. My father goes every day .. My 26. father go .. to office .. goes . to his office every day. L goes to his office [ 1 9 9 [ zeigt auf S 22 J 27. s„ My father goes to his office every day. s, My father goes to his 28. office every day. L Your brother. My s, Yes, my brother go to his 29. L brother goes .. s, My brother goes to his office every day. 30. S10 My 31. brother goes to school every day. s,1 My brother goes to school 32. every day. 33. L [ J 10 Do . ! hn'. ... go .. to London Street every day? Move 6 10[ hängt zweiten Mann als Haftelement an die Tafel, zeigt bei they darauf, zeigt dann auf S, 1 34. so Yes, they go. to London Street every day. [ 1 JJ u [ zeigt auf SP J s, Yes, they go to 35. London Street every day. 36. L [ J 12 Do . they . go to the butcher's every day? Move 7 12 [ L zeigt auf [ 113 Wandbild, das eine Einkaufsstraße zeigt ] 13 [ schriller Schrei vom Schulhof J 37. s. I think the . they goes . go to the butcher's every day. [ j 14 " [ L nickt bestätigend J 38. L Do they go [ ] 15 to .. the grocer's every day? Move 8 15 [ L zeigt auf Wandbild, mit Einkaufsstraße, zeigt dann auf S, J 39. s, Yes, they go .. 40. to the grocer's every day. L [ j 16 16 [ L zeigt auf S, J s, Yes, they go to the grocer's every day. FLuL 27 ( 1998) Mit welchen Meinungen und Einstellungen zum Englischunterricht ... 121 41. L Do YQ! ! . go . to the baker's every day? 42. [S6] Yes, I. go to the 43. baker's every day because I will „ I want to L I want to buy „ 44. buy ... a bread. s, [ a bread / 18 45. L the baker's S1 Yes, I go to the baker every day. 46. S1, Yes, I go to the baker's every day. 47. L All right. .. Do you give your 48. teacher your exercise book every day? S" Yes, I give my teacher 49. my exercise book every day. s„ Yes, I give my teacher my 50. s. exercise book every day. [ j 19 s, Yes, I give my teachers „ my teacher 51. my exercise book every day. S1, Yes, I give (the) teacher my 52. exercise book every day. 53. L Do you give your teacher your 54. English book every day? s, Yes, I give my English book my 55. teacher every day. L „ give my teacher my English book every 56. day s. Yes, I give my teacher my English book every day. 57. Sw No, I don't give my teacher the English book every day. I 58 give him a workbook. Dauer des Mitschnitts: 4: 36 min Transkription: (vereinfachte) HIAT (Ehlich/ Rehbein 1985) S1 - 14 S15 - 24 Sn s._, L Ylli! Schüler Schülerin mehrere Schüler bzw. Schülerinnen nicht identifizierbare Schüler bzw. Schülerinnen Lehrer betontes Wort kurze Pause, Zögern längere Pause Stelle, auf die sich der Kommentar bezieht Move 9 17[ zu schließen aus Blickrichtung der anderen S J 18{ anderer S hilft ein J Move 10 19[ L schreibt I give my teacher ... an die Tafel J Move 11 vor Move 12 Ende des vorgespielten Filmausschnitts. [ 1 3 Move entspricht einem Übungsschritt mit Stimulus - Drannehmen durch Handzeichen - Schülerantwort (und eventuell Lehrereinhilfe/ Korrektur) - 2 - 3 Wiederholungen der ersten Antwort (eventuell mit Variation) FLuL 27 (1998)