Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1998
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Gnutzmann Küster SchrammDeutsch-polnische Nachwuchskonferenz „Fremdsprachenerwerb – Glottodidaktik“
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1998
Claudia Riemer
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248 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Was die Begrifflichkeit anlangt, so herrscht anfangs Unklarheit bezüglich „Holontra". Da die Autoren die Termini „atomistisch" und „holistisch" zu Beginn antinomisch verwenden, und zwar zur Charakterisierung zweier Methoden, mit denen der Textsinn aus zwei verschiedenen Perspektiven erschöpfend erfaßt werden soll, versteht der Leser darunter zunächst die mikro-strukturelle und die makro-strukturelle Textbetrachtung. Erst im Laufe der Lektüre stellt sich heraus, daß es sich bei Holontra um ein Erfassen „außerhalb des Textes liegender (Wissens)systeme" (340) handelt. Was „Relatra" angeht, so ist die synchron-optische Visualisierung sicher hilfreich, aber wie gesagt aufwendig. Wer sie nicht durchführt, ist deshalb nicht unbedingt „unwissenschaftlich". Im übrigen ist die Idee der synchron-optischen Darstellung in der Übersetzungswissenschaft nicht neu. Wir finden sie z.B. bereits bei Krassimira Kotcheva, deren Buch in der Bibliographie Erwähnung verdient hätte. 5 "Operation gelungen, Patient tot! ", so könnte man sagen. Die Methodik mag das von den Vf. angestrebte „erschöpfende" Erfassen des Textsinnes gewährleisten, aber ebenso erschöpft dürften die Studenten nach der Bearbeitung des Textes mit den verschiedenen Methoden sein. Verlieren sie nicht irgendwann die Motivation? Geht die Erfassung sämtlicher „außerhalb des Textes liegenden (Wissens)systeme" nicht auf Kosten der Empathie mit dem Text selbst, zumal es sich hier um ein Gedicht handelt? Wird damit die angestrebte „Studienzeitverkürzung" (9) erreicht? Die Methodik wurde auf eine einzige Textsorte angewandt, ein kurzes Gedicht; und selbst da ist nur eines von 21 Kultursystemen, die als für diesen Text relevant erachtet wurden, exemplarisch dargestellt. Es wäre interessant, die ExempJifizierung der Methode an einem Fachtext zu sehen. Fazit: Nicht nur der Übersetzungstheoretiker, sondern auch der Übersetzungsdidaktiker sollte sich mit diesem Buch auseinandersetzen, da es trotz aller vorgebrachten Einwände mit zahlreichen, durchaus wertvollen Anregungen aufwarten kann. Studierenden wird man die Lektüre der Werkstattsberichte im 2. Teil mit vielen brillanten Übersetzungsvorschlägen, bei denen praxisrelevant und überzeugend argumentiert wird als. Beispiel für übersetzerische Lösungsfindungen ans Herz legen. Als methodische Anleitung für die Verbesserung der Übersetzungsleistung von Studierenden kann das Buch dagegen nicht empfohlen werden. Bielefeld Bernd Stefanink Deutsch-polnische Nachwuchskonferenz „Fremdsprachenerwerb - Glottodidaktik" Am 15. und 16. Mai 1998 veranstalteten der Görlitzer Kreis und sein polnischer Schwesterverein, der Kolo Zgorzeleckie, in Karpacz (Polen) am Fuße der Schneekoppe ihre zweite deutschpolnische Nachwuchskonferenz unter dem Titel „Fremdsprachenerwerb - Glottodidaktik". Tagungssprache war Deutsch. Teilgenommen haben insgesamt 19 polnische und deutsche Nachwuchswissenschaftler/ -innen, die im Entstehen begriffene, in Arbeit befindliche und abgeschlossene Dissertations- und weitere Projekte unter der Leitung eingeladener Mentoren zur Diskussion stellten. Bereits 1997 hatte eine Nachwuchskonferenz zur „Germanistischen Linguistik" stattgefunden. Görlitzer Kreis und Kolo Zgorzeleckie wurden 1994 bzw. 1996 gegründet; sie verfolgen das Ziel der Förderung deutsch-polnischer Wissenschaftskooperation, d.h. der För- 5 Kotcheva, Krassimira: Probleme des literarischen Übersetzens aus linguistischer Sicht, dargestellt am Beispiel bulgarischer Übersetzungen zu Prosatexten aus der deutschen Gegenwartsliteratur. Frankfurt/ M.: Lang 1992 (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache; 37). FLuL 27 (1998) Buchbesprechungen • Tagungsberichte 249 derung dt: r „interkulturelle[n] Verständigung zwischen Polen und Deutschen durch wissenschaftliche Projekte, Konferenzen und Publikationen, durch den Kontakt zwischen einschlägigen Institutionen sowie durch die Begegnung von Lehrenden und Studierenden" (Satzung). Die hier besprochene Tagung verstand sich außerdem als Instrument der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Beiträge der diesjährigen Nachwuchskonferenz betreffen unterschiedliche thematische Bereiche,. es handelt sich (a) um Arbeiten zu spezifischen linguistischen Teilbereichen, viele davon mit .Fokus .auf Äquivalenz und Kontrast zwischen Polnisch und Deutsch (mit fremdsprachendidaktischen/ glottodidaktischen Implikationen), (b) um Arbeiten zu allgemeineren Bereichen der Fremdsprachendidaktik und Lehrerfortbildung sowie (c) um Arbeiten aus dem Bereich Fremdsprachenerwerbsforschung. Die meisten Beiträge lassen sich Block (a) zuordnen. Hier waren zunächst einige angewandtkontrastive Beiträge versammelt, die sich auf das spezifische Sprachpaar Deutsch/ Polnisch beziehen. Beata Grzeszczakowska (Lodi) trug „Zum Stand von Leistungen in der Ausspracheschulung bei polnischen Deutschlernenden und zur Stellung der Phonetik im Deutschunterricht" vor und wies dabei insbesondere auf phonetische Interferenzen des Polnischen und die Notwendigkeit deren expliziter Behandlung z.B. in Form von Bewußtmachungsverfahren im Fremdsprachenunterricht hin. Agnieszka Vogelgesang (Krakow) analysierte ein Korpus lernersprachlicher Produktionen hinsichtlich „Interferenzerscheinungen im Bereich der Wortstellung bei deutschlernenden Polen", wobei z.B. der nichtfixierten Wortstellung des finiten Verbs im Polnischen ein Störpotential bescheinigt wurde. Jacek Baranski (Cz~stochowa) beschäftigte sich mit dem „Problem der Äquivalenz des polnischen Aspekts im Deutschen in glottodidaktischer Sicht" und wies auf mögliche Interferenzen durch die falsche Übertragung des polnischen Aspekts in das deutsche Präteritum und Perfekt hin. Magdalena Szulc-Brzozowska (Lublin) beschrieb „Modalpartikeln im Deutschen und im Polnischen", wobei diese ebenfalls hinsichtlich möglicher Äquivalenzen untersucht wurden. Marek Gladysz (Sosnowiec) berichtete über „Didakti- · sehe Implikationen der Kollokationsforschung", wobei ausgehend von kontrastiv-linguistischen Untersuchungen unterschiedliche Typen von Lernübungen zu den deutschen Kollokationen vorgestellt wurden. ·Des weiteren wurden innerhalb des sprachwissenschaftlich orientierten Themenschwerpunkts die folgenden Beiträge geboten. Anna Lewandowska (Rzeszow) lieferte Argumente für den dosierten"Einsatz der.deutschen Sprichwörter im Deutschunterricht" und wies auf verschiedene Übungsmöglichkeiten hin. Elibieta Pawlikowska (Cz~stochowa) analysierte gängige Valenzwörterbücher hinsichtlich der „Glottodidaktische[n] Relevanz der Verbvalenz" und legte dabei einen Schwerpunkt auf die Behandlung der sogenannten freien Angaben. Linguistische Analysen des deutschen Tempussystems standen im Mittelpunkt der beiden folgenden Beiträge: Barbara Marchwica (Krakow) beschäftigte sich unter dem Titel „Tempussystem im Deutschunterricht" mit der Behandlung der deutschen Tempora in ausgewählten DaF-Lehrwerken, während Mathilde Hennig (Leipzig) in ihrem Beitrag „Temporalität und Textsorten mit Blick auf Deutsch als Fremdsprache" umfangreiche und detaillierte Analysen eines textsortenreichen Korpus vorstellte und daran anschließend einen Vorschlag für die Gestaltung eines Lehrwerkkapitels entwickelte. Fachsprachenlinguistische bzw. -didaktische Fragestellungen am Beispiel der „Anwendung des Geschäftsbriefes im Unterricht Wirtschaftsdeutsch" behandelte lwona Szwed (Rzeszow), wobei konstituierende Bedingungen für die Illukutionstypen 'Vorschlag' und 'Bitte' entwickelt wurden. Block (b) beschäftigte sich mit verschiedenen fremdsprachendidaktischen Fragestellungen. Didaktische Implikationen der sich in den letzten Jahren deutlich abzeichnenden Tendenz, daß parallel zum hohen Status des Deutschen dennoch „Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch in Polen" gelernt wird, wurden im Beitrag von Adam Sitarek (Lodi) diskutiert, der z.B. die stärkere Beachtung der spezifischen Voraussetzungen der polnischen DaF-Lernenden (z,B. FLuL 27 (1998) 250 Buchbesprechungen • Tagungsberichte Motivation, Sprachlernerfahrungen) vorschlug. In ihrem literaturdidaktischen Beitrag, der sich insbesondere auf die Theorie der Rezeptionsästhetik bezog, erwog Marta Pudlo (Lublin) die „Sprachliche und literarische Kompetenzerweiterung polnischer Germanistikstudenten durch die Arbeit mit literarischen Kurztexten". Curriculare Entscheidungen behandelten die folgenden Beiträge. Katarzyna Malesa (Warszawa) untersuchte die „Lehrstoffprogression in den DaF- Lehrwerken" mit Schwerpunkt auf der grammatischen Progression, während Ewa Zwierzchon (Warszawa) unter dem Titel „Programmierter Deutschunterricht" Curricula für den DaF-Unterricht auf Effektivität hinterfragte und insbesondere die explizite Behandlung von Lernstrategien einforderte. Vorschläge zur Gestaltung und Evaluierung von „Curricula in der Weiterbildung von polnischen Deutschlehrer/ innen" wurden von Lucyna Krzysiak (Lublin) vorgestellt. Einige Beiträge lassen sich schließlich der Fremdsprachenerwerbsforschung/ Sprachlehrforschung (Block c) zuordnen, sie behandelten unterschiedliche Lern-/ Erwerbskontexte. Lars Schmelter (Bochum) beschäftigte sich bezüglich des Fremdsprachenlernens im Tandem (mit Schwerpunkt auf dem immer beliebteren Internet-Tandem) mit der „Forschungsmethodologie in der Fremdsprachenerwerbsforschung am Beispiel von Lernertagebüchern". Eine Studie über die Wechselwirksamkeit ausgewählter außersprachlicher Einflußfaktoren im durch Unterricht geförderten Fremdsprachenerwerb im Zielsprachenland stellte Claudia Riemer (Hamburg) vor "Individuelle Unterschiede: die Einzelgänger-Hypothese"), während Stefan Schwan (Wroclaw) für den umgekehrten Fall des „Ungesteuerten Fremdsprachenerwerbs von Erwachsenen in zielsprachenfernen Gebieten" am Beispiel kenianischer "beach boys" eine Untersuchung in Aussicht stellte. KrzysztofNerlicki (Szczecin) schließlich untersuchte kognitionswissenschaftliche Theorien hinsichtlich ihrer Implikationen für fremdsprachenerwerbliche Theoriebildungen "Die schemaorganisierte Wissenskonstellation im Gedächtnis und ihre Auswirkungen auf die Verarbeitungsprozesse einer Fremdsprache"). Die Diskussion der verschiedenen Beiträge erbrachte u.a. Einsichten in unterschiedliche Terminologien und Wissenschaftstraditionen (polnische „Glottodidaktik" vs. deutsche „Fremdsprachendidaktik" bzw. "Sprachlehrforschung", "Deutsch als Fremdsprache" und „Auslandsgermanistik") und zwang angesichts des heterogenen Teilnehmerkreises zu deren Hinterfragung bzw. Rechtfertigung, was als äußerst nützlich empfunden wurde. Die Beiträge werden in einem Sammelband publiziert, der von Elzbieta Kucharska (Wroclaw) zusammengestellt wird, die auch an der Organisation der Konferenz maßgeblich beteiligt war. Die Durchführung weiterer Nachwuchskonferenzen in regelmäßigen Abständen ist beabsichtigt. 1 Die dadurch entstehenden Chancen zur Wissenschaftskooperation in Europa bereits auf der Ebene des wissenschaftlichen Nachwuchses sind sehr zu begrüßen und sollten unbedingt genutzt werden. Hamburg Claudia Riemer Interessierte wenden sich bitte an den: Görlitzer Kreis, Prof. Dr. Margot Heinemann, Bautzner Straße 16, D-02763 Zittau bzw. Koto Zgorzeleckie, Prof. Dr. Eugeniusz Tomiczek, Instytut Filologii Germariskiej, Uniwersytetu Wroclawskiego, pi. Nankiera 15, PL-50-140 Wroclaw. FLuL 27 (1998)