Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1999
281
Gnutzmann Küster SchrammBefindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer:
121
1999
Werner P. Mayer
flul2810099
Werner P. Mayer Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer Eine empirische Medienwirkungsstudie zum Einsatz von Lernsoftware im Englischunterricht Abstract. Starting from the observation that students are highly motivated when using CALL (computer assisted language learning) programs, this empirical study investigates the roots of student motivation. During the experiment the students worked with three different software programs in their ESL (English as a second language) classes. The findings show that outstand1ng motivation does not stem from better Iearning results but from the following five factors: 1. wrong answers are not embarrassing; 2. CALL programs are perceived as providing patient and individual feedback; 3. individual needs are tended; 4. CALL programs resemble popular computer games; 5. students feel actively involved in the learning process. 1. Forschungsproblematik und Untersuchungsansatz Immer mehr werden öffentliche Schulen mit Computern ausgestattet. Der Computer dient dabei häufig nicht mehr nur als Unterrichtsgegenstand, sondern u. a. im Fremdsprachunterricht als hochkomplexes Unterrichtsmedium. Zunehmend können Kinder und Jugendliche privat über Computer verfügen; dieser wird zwar von ihnen vorwiegend zum Spielen genutzt, aber auch immer öfter als Medium zum Fremdsprachenlernen. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich für die Lernforschung vielfältige Fragestellungen. Im Vordergrund dieser Arbeit steht die Frage nach den motivationalen Kräften hinsichtlich mehr Effizienz und angenehmerer Befindlichkeit durch das Lernen unter Zuhilfenahme des Mediums Computer im Vergleich zum traditionellen Lernen im Unterricht. Bei diesem Vergleich soll nur die Aneignung von Teilkompetenzen, wie z.B. Lesen und Schreiben von bestimmten Lerninhalten im Rahmen des Schulunterrichts, untersucht werden. Dieser Forschungsfrage wird exemplarisch für den Bereich des Englischlernens in unterschiedlichen Schularten der gewerblichen Berufsschule nachgegangen. Die erkenntnisleitende Fragestellung dieser Untersuchung lautet somit: Welche erziehungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und hierbei insbesondere welche motivationstheoretischen Implikationen ergeben sich aus dem Einsatz des Computers als komplexes Lernmedium im Fremdsprachenunterricht? lFLlllllL 28 ( 1999) 100 Werner P. Mayer 2. Untersuchungsbeschreibung 2.1 Forschungsansatz Die vorliegende Untersuchung lehnte sich insofern an den "Aptitude Treatment lnteraction"-Ansatz (ATI) (vgl. Weidenmann [et al.] 1993: 502) an, als versucht wurde, die Medienseite durch die Untersuchung verschiedener Lernprogramme so weit wie möglich auszudifferenziei: en. Die Ausdifferenzierung der Lernerseite durch Lerngruppen, die an Hand von bestimmten Lernermerkmalen parallelisierte worden sind, wurde jedoch zugunsten von randomisierten Lerngruppen entschieden. Dieses Vorgehen erwies sich als notwendig, um 1. den Experimentalcharakter der Untersuchung zu wahren und damit die optimal mögliche Wahrscheinlichkeit zu gewähren, potentielle Störvariablen gleichmäßig auf die einzelnen Treatments zu verteilen; 2. den bei zahlreichen Untersuchungen begangenen Fehler zu vermeiden, daß irrelevante Lernermerkmale die Gruppenzusammensetzung beeinflussen könnten (vgl. Weidenmann 1986: 500ff; Cronbach/ Snow 1977: 119) und 3. aus Mangel an nur durch persönlichkeitsprojizierende Tests zu gewinnenden Lernermerkmalen. 2.2 Anthropogene und soziokulturelle Voraussetzungen der Probanden Die Untersuchung wurde in einer Kleinstadt in Süddeutschland an einer gewerblichen Berufsschule in einem Zeitraum von neun Monaten durchgeführt. 80 Probanden, davon 7 Mädchen und 73 Jungen waren bereit, im Rahmen eines Englisch-Stützkurses außerhalb der regulären Unterrichtszeit ihre Englischkenntnisse freiwillig zu erweitern und zu vertiefen. Die Probanden wurden in Gruppen unterteilt, die sich aus 40 Computerlernern (Experimentalgruppen: 20 Einzel- und 20 Partnerlerner) sowie 40 TraditioneIIIernern (Kontrollgruppen: 20 Einzel- und 20 Partnerlerner) zusammensetzen. Ein Mädchen aus der Gruppe der Computerpartnerlerner hat den Stützkurs abgebrochen (14% ). Von den 73 Jungen haben im Laufe der Untersuchung 19 den Stützkurs abgebrochen (27%). Ein Schüler wurde wegen offensichtlich unwahrer Antworten von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Somit standen für die Auswertung noch die Daten von 59 Probanden zur Verfügung, welche sich wie folgt verteilten 1: Erläuterungen zu den verwendeten Abkürzungen: C: Computerlerner (n=29); T: Traditionelllerner (n=30); CE: Computereinzellerner (n= 15); TE: Traditionelleinzellerner (n= 16); CP: Computerpartnerlerner (n=l4); TP: Traditionellpartnerlerner (n=l4); Vo Vokabellernen; Gr: Grammatiklernen; Te: Textlernen. JFLulL 28 (1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... Vo Gr Lernmotivation Vo Gr Te mittelfristig Befindlichkeit Effizienz Abb. 1: Untersuchungsdesign (Erläuterungen Anm. 1, S. 100) 3. Untersuchungsdurchführung 101 Hinsichtlich des didaktischen Hintergrunds der untersuchten Lernprogramme, welcher sich grundsätzlich an das CBT (Computer-Based-Training) anlehnt, wurden drei Programme für das „Computerunterstützte Sprachenlernen" (CALL: Computer Assisted Language Learning) ausgesucht. Als Grammatikprogramm wurde Red Line 5 (Klett-Heureka), als Vokabelprogramm Vocabulary Games (Hueber) und als Textprogramm London Adventure (British Council/ Cambridge University Press) gewählt. Zu Beginn der Untersuchung erfolgte eine Einführung in den Umgang mit dem PC, und es wurden verschiedene CALL Programme vorgestellt. Es wurden mehrere Unterrichtseinheiten mit den Testprogrammpaketen gearbeitet, jedoch nicht mit den jeweiligen Lerninhalten, die abgetestet werden sollten. Alle Probanden (Untersuchungs- und Kontrollgruppe) wurden immer vom selben Untersuchungsleiter betreut und unterwiesen, um die potentiell intervenierende Variable "Lehrerverhalten" parallel zu gewichten. Die Computerlerngruppe wurde in einem Computerraum mit zwölf Arbeitsplätzen unterwiesen, die Traditionelllerngruppe in einem regulären Klassenzimmer direkt daneben. lFILl! lL 28 (1999) 102 Werner P. Mayer 3.1 Testplanung Die Untersuchung war als feldexperimentelle Longitudinalstudie konzipiert worden, da es sich um eine randomisierte Klumpenstichprobe handelte und die Untersuchung dieselben Probanden über einen mittelfristigen Zeitraum von acht Monaten erfaßte (vgl. Weidenmann [et al.] 1993: 78 f; Hager 1987: 73). Ein Hauptanliegen dieser Untersuchung war es, die interne Validität (Ceteris-Paribus-Bedingungen) zu optimieren. Hierbei wurde als oberstes Ziel angestrebt, daß bis auf die Treatmentfaktoren alle anderen Untersuchungsbedingungen möglichst konstant gehalten werden. Die Grundgesamtheit der Untersuchung ist die Gruppe der Vollzeit-Schüler/ -innen an gewerblichen Berufsschulen mit Englischvorkenntnissen auf dem Niveau der Sekundarstufe I. Bezüglich der externen Validität der Untersuchung ist jedoch eine Generalisierung der Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Grundgesamtheit nicht vorgesehen, da die Stichprobe nicht geeicht und nicht repräsentativ war. Zur Reliabilität dieser Untersuchung läßt sich sagen, daß die Untersuchung nach dem vorgegebenen Kriterienkatalog zumindest wiederholbar ist, und im Rahmen einer nicht zu großen Auflösung des Beurteilungsmaßes sollten weitgehend übereinstimmende Urteile erreichbar sein. Am Ende der gesamten Untersuchung wurde mit jeweils drei Probanden der CE- und CP-Lerngruppe ein flexibles Leitfadeninterview als qualitative Nachuntersuchung durchgeführt, um den Erklärungsbedarf hinsichtlich offensichtlich heterogener Untersuchungsergebnisse und mehrdeutiger Beobachtungen während der Untersuchungsdurchführung für die Ergebnisinterpretation zu stillen (vgl. Achtenhagen 1984). 3.2 Auswertung der Befindlichkeit Als Indikator für Befindlichkeit wurden die Differenzwerte der Befindlichkeit nach dem Lernen abzüglich der Befindlichkeit vor dem Lernen jeweils beim Vokabel-, Grammatik- und Textlernen berechnet. Zudem wurden die ltems der Befragung direkt nach den jeweiligen Lerninhalten (keine Differenzwerte) herangezogen. Als teststatistische Charakterisierung der Befindlichkeitsitems wird das Ordinalskalenniveau unterstellt, da die Abfolge der Selbsteinschätzungswerte auf der Rating-Skala als eine „größer kleiner Relation" zwischen den Merkmalsausprägungen der untersuchten Probanden im Rahmen einer monotonen Beziehung zu interpretieren sind (Bortz 1989: 28). Die Testverfahren müssen sich somit auf nonparametrische Verfahren beschränken. Diese haben jedoch den Vorteil, daß sie relativ robust gegenüber Verletzungen bezüglich der Anforderung an Normalverteilungen sind. Die hypostasierte Richtung der Befindlichkeit zwischen den Nestings (wie fühlen sich die Probanden der jeweiligen Lerngruppen bezüglich der Hypothese? ) wurde zuerst für ordinalskalierte Werte durch den Rangreihenvergleich ermittelt. Mit dem KRUSKAL- W ALLIS-H Test als Möglichkeit des Vergleichs von mehreren unabhängigen Stichproben hinsichtlich ihrer zentralen Tendenz wurden zuerst alle vier Nestings (CE-, TE-, CP- und TP-Lerner) gleichzeitig auf die Alternativhypothese „Es gibt Unterschiede in den Verteilungen" getestet. Die unterschiedliche Richtung der abhängigen Variablen in den verschiedenen Nestings (welche Gruppe weist die hypostasierte Befindlichkeit auf? ) wurde bei ordinalskalierten IFJLllllL 28 (1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... 103 Werten für die unabhängigen Lerngruppen (CE-, TE-, CP- und TP-Lerner) mit dem MANN- WHITNEY-U Test auf Signifikanz hin überprüft. Für die Testung auf Signifikanz von abhängigen Gruppen, wie z.B. der Vergleich des Vokabellernens der Computerlerner mit deren Grammatiklernleistungen, wurde der WILC0XON Test herangezogen. Zur Vereinfachung der Interpretation der Ergebnisse wurden bestimmte ordinalskalierte Werte und nominalskalierte ltems noch als Häufigkeiten prozentual ausgewertet. Als Signifikanztest wurde ein CHI-QUADRAT-Test durchgeführt, um sicherzustellen, ob die mit einer Zufallsstichprobe erhobenen Daten auch mit einer Hypothese über die Grundgesamtheit verträglich sind (Alternativhypothese: Es besteht ein statistischer Zusammenhang in der Grundgesamtheit). Als SIGNIFIKANZTEST zwischen den einzelnen unabhängigen Lerngruppen wurde eine 4-FELDER-KONTINGENZTAFEL (Kreuztabelle) und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Merkmalskombinationen gemäß dem Multiplikationstheorem für unabhängige Ereignisse berechnet und zur Signifikanzbestimmung der Kontingenzbzw. Phikoeffizient herangezogen. Um Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen aufzudecken, wurden zwischen ihnen jeweils Korrelationen berechnet. Hierbei wurde dann bei ordinalskalierten Daten der Spearmansche Korrelationskoeffizient herangezogen (vgl. Bortz 1989: 191, 202, 208, 286; Kähler 1994: 153-169). Sämtliche Tests müssen sich auf dem 5 % Signifikanzniveau bewähren, als hochsignifikant galt das 1% Signifikanzniveau. 3.3 Auswertung der Effizienz Als Indikator für die Lerneffizienz wurde die Fehlerquote der Probanden bei den unterschiedlichen Tests gewählt. Je nach Fehlerzahl wurden Punkte von eins bis fünf linear vergeben. Ein Punkt wurde vergeben, wenn alle einzusetzenden Wörter richtig waren, fünf Punkte, wenn kein einzusetzendes Wort richtig war. Mit diesen Punkten wurden die Differenzen zwischen dem Vortest und den Folgetests ermittelt. Die erhobenen Daten wurden mit dem MANN-WHITNEY-U Test geprüft, wobei dieser Test unter der Annahme, daß die beiden Verteilungskurven die gleiche Gestalt besitzen, gegen die Alternativ-Hypothese (die Rangwerte würden sich unterscheiden) die Variablen prüft. Die Richtung der Lerneffizienz (mit welchem Medium bzw. welcher Sozialform effizienter gelernt wird) wurde über die durchschnittlichen Rangwerte ('Mean Ranks') ermittelt. Der Test der Nullhypothese, daß die Verteilung der jeweils verbundenen Variablen „Kenntnisstand vorher"/ "Kenntnisstand direkt nach dem Lernen"/ "Kenntnisstand vier Wochen nach dem Lernen" (Messwiederholung) hinsichtlich ihrer zentralen Tendenz gleich sei, wurde über den WILC0X0N-Test durchgeführt. 4. Diskussion der Befindlichkeitshypothesen 4.1 Hypothese 1: Emotionale Befindlichkeit Insgesamt erkennt man, daß im Rahmen dieser Untersuchung die emotionale Befindlichkeit während des Computerlernens nicht weniger belastend empfunden wurde als beim Traditionelllernen, womit die Alternativhypothese für alle Sozialformkombinationen und Lerninhalte bzw. Lernprogramme nicht bestätigt werden kann. lFLllllL 28 ( 1999) 104 Werner P. Mayer Der Indikator 'angespannt' signalisierte nahezu durchgängig mehr Belastung für die Computerlerner als für die Traditionellerner, wobei wiederum die CP-Lerner tendenziell 2 weniger angespannt waren als die CE-Lerner. Computerlernen strengt zwar an, aber zusammen mit einem Lernpartner sinkt die Anspannung. Die Bedeutung der Sozialform beim Lernen für die emotionale Befindlichkeit ergab sich auch daraus, daß der Vergleich der Gegenüberstellung der CP- und TP-Lerngruppen mit den C- und T-Lerngruppen im Gegensatz zur Gegenüberstellung der CE-Lerner mit den TE-Lernern nahezu identische Werte vor allem für die hyp.othesenkonformen und mehrfach signifikanten Indikatoren „Lernen ist angenehmer", "Angst, den Anschluß zu verpassen" und „Stress" aufwies. Somit führte zwar einerseits die Sozialform Partnerlernen für die unterschiedlichen Lerninhalte zu einer tendenziell angenehmeren emotionalen Befindlichkeit beim Computerlernen, aber andererseits zeigte sich bei der Gegenüberstellung der CP-Lerner mit den CE-Lernern, daß die Computerpartnerlerner das Computerlernen nicht „emotional weniger belastend" empfanden. Stress, Angespanntheit und Unzufriedenheit beim Computerlernen wird insgesamt nicht als unangenehm empfunden, sondern wirkt eher als Anregungspotential. Der Indikator „Angst, den Anschluß zu verpassen" zeigte bei der Gegenüberstellung der CP-Lerner mit den TP-Lernern und bei der Gegenüberstellung der gesamten Experimentalgruppe mit der gesamten Kontrollgruppe durchgehend hypothesenkonforme (und bei den Partnerlernern zusätzlich signifikante) Werte. Eine Interpretationsmöglichkeit wäre folgende: Die Leistung des Programms, nach jedem Lernschritt dem Lerner durch ein sofortiges Feedback zu signalisieren, ob man noch 'auf dem richtigen Weg' ist oder ob man den Anschluß verloren hat, wird in Kombination mit der Sozialform Partnerlernen, welche einen laufenden Austausch zwischen den Lernpartnern ermöglicht, als besonders angstreduzierend empfunden im Vergleich zum Empfinden der Traditionellerner. Dies deckte sich auch mit den Ergebnissen der qualitativen Nachuntersuchung. Beim Computerlernen sind somit die Computerlerner zwar angespannter als die Traditionellerner, aber wenn sie in einer geeigneten Sozialform organisiert sind, können sie, über alle Lerninhalte hinweg, das Computerlernen als emotional weniger belastend empfinden, haben weniger Angst, den Anschluß zu verpassen und empfinden das Lernen als angenehmer als die Traditionellpartnerlerner. Eine der Ursachen dieses Phänomens kristallisierte sich langfristig heraus: Die Computerlerner müssen sich nicht wie im traditionellen Unterricht gegenüber dem Lehrer und der ganzen Klasse bei falschen Antworten blamieren, wobei die Computerpartnerlerner dies tendenziell noch stärker empfanden als die Computereinzellerner. Als langfristige gefühlsmäßige Einstellungsveränderung hat sich die generelle Einstellung zur Schule nicht positiv verändert. Die Einstellung zu dem Fach Englisch hat sich jedoch signifikant positiv verändert, was sich mit der Studie von H. Schenk (1993) deckt. Auch sein Befund auf Grund einer Literatur-Synopse deckt sich diesbezüglich mit der vorliegenden Untersuchung: "[ ...] der motivationale Bereich sowohl zum Stoff als auch zum Computer selbstwird positiv beeinflußt" (Schenk 1993: 122). Die Literatur-Synopse und Meta-Studie von W. Sacher kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: "Computerlehre ver- Tendenziell bedeutet in diesem Zusammenhang hypothesenkonform, aber nicht statistisch signifikant. lFILlllliL 28 (1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... 105 bessert ganz allgemein [...] die Lernhaltung und die Einstellung zu den Lerninhalten" (Sacher 1990: 80). 4.2 Hypothese 2: Mentale Belastung Die Differenzierung zwischen CP- und CE-Lernern war bezüglich der kognitiven und mentalen Belastung nicht fruchtbar. Sie brachte für das mentale Befinden hypothesenkonträr keine Verbesserung. Der Vergleich aller Computerlerner mit allen Traditionellernern über alle Lerninhalte bzw. Lernprogramme hinweg bestätigte tendenziell die Alternativhypothese, daß das Computerlernen mental und kognitiv weniger belastet als das Traditionellernen. Dem Untersuchungsergebnis entsprechend fühlten sich die Computerlerner nach dem Bearbeiten der Lernprogramme aktiver, aufmerksamer, konzentrierter, geistig frischer, weniger ausgebrannt und im Unterricht danach konzentrierter als die Traditionellerner. Unter diesem Aspekt könnte man das Medium Computer für die Lernbereitschaft tendenziell als ein 'Aufputschmittel' bezeichnen. Als langfristiges Ergebnis hat sich gezeigt, daß das Computerlernen die Lerner dazu anregt, über ihr eigenes Lernverhalten nachzudenken, d.h. das Wissen über ihr Wissen und über ihre Lernstrategien zu hinterfragen und in Beziehung zum Lernmedium Computer und zum Lerninhalt zu setzen. Es werden somit ansatzweise Metakognitionstheorien entwickelt. 4.3 Hypothese 3: Interessante Freizeitbeschäftigung Die Hypothese, daß Lernen als eine interessante Freizeitbeschäftigung empfunden wird, ist eine Schlüsselhypothese, wenn es darum geht, die Motive für die Begeisterung beim Computerlernen zu ergründen. Der Indikator „Ich könnte mir vorstellen, mit dem[ ...] zusätzlich in meiner Freizeit freiwillig[ ...] zu lernen" war für alle Lerninhalte und Sozialformkombinationen bei der Gegenüberstellung der Computer- und Traditionellerner hypothesenkonform und signifikant. Hier zeigte sich mit einer großen Wahrscheinlichkeit, daß das Computerlernen eher als Spaß und angenehme Beschäftigung, evtl. vergleichbar mit dem Computerspielen,. angesehen wird. Der hypothesenkonforme und signifikante Indikator „Während des[ ...]-Lernens mit dem[ ...] habe ich das Gefühl, daß die Zeit besonders schnell vergeht" machte deutlich, daß Computerlernen nicht als Last und Arbeit empfunden wird, sondern als eine Tätigkeit, die den Lerner so stark von der Wahrnehmung der Außenwelt abkoppelt, daß er die Zeit vergißt. Der hypothesenkonforme und signifikante Indikator „Das Arbeiten mit dem[...] macht mich neugierig auf weitere Lerninhalte" deutet das Anregungspotential dieses Lernmediums an. Der Computer ermöglicht entdeckendes Lernen und die Lerner sind neugierig auf weitere Programmteile und Lerninhalte. Die Bereitschaft, selbständig unbekannte Lerninhalte aufzuarbeiten, wurde bereits in früheren Studien empirisch belegt. So kommt W. Sacher in seiner Literatur-Synopse und Meta-Analyse über das Computerlernen zum Ergebnis, daß "[...] im einzelnen [...] vor allem die Selbständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Selbstkontrolle beim Lernen gefördert [wird]" (Sacher 1990: 80). Durch den Einsatz dieses häufig positiv besetzten Mediums ist es denkbar, daß eine Umfinalisierung IFLruilL 28 (] 999) 106 Werner P. Mayer von der extrinsischen zur intrinsischen Motivation bewirkt wird. Hierzu läßt sich eine zusätzliche Motivationsquelle in der psycho-sozialen Lernsituation vermuten, wie der Reiz der Handlung an sich, der Vollzugsgenuß aus der Manipulation eines technischen Geräts, das Gefühl der Überlegenheit und Angstkontrolle als Ergebnis eines schnell erfahrenen Lernfortschritts und das Abschalten von der Außenwelt, als Zustand des selbstvergessenen Aufgehens in einer Tätigkeit (vgl. Euler/ Jankowski/ Lenz 1987: 175). Diese Erfahrungen sind denen ähnlich, welche Jugendliche gerne in der Freizeit beim Umgang mit Spielen und Spielgeräten aller Art machen (vgl. Mayer 1992: 89 ff). 4.4 Hypothese 4: Ausdauernder und lernwilliger Die Hypothese, daß Computerlerner beim Lernen ausdauernder und lernwilliger sind, wird durch den hypothesenkonformen und hochsignifikanten Indikator „Bereitschaft, nach dem Pausenzeichen weiterzuarbeiten" verdeutlicht. Er erhellt ein Phänomen, welches die Lehrer entsprechend zahlreicher Untersuchungsergebnisse beim Einsatz dieses Mediums immer wieder verblüfft. Das Pausenzeichen wird oftmals gar nicht wahrgenommen, und es wird darauf nicht, wie im traditionellen Unterricht, mit Unruhe reagiert. Diesen Sachverhalt macht der hypothesenkonforme und hochsignifikante Indikator „Eine plötzliche überraschende Pause von 20 Minuten würde mich ärgern" besonders deutlich. Computerlerner sind verärgert, wenn sie in ihrem Lern- und Aktionsfluß gestört werden. Eine Erklärung hierfür wäre der Animations- und Wettbewerbscharakter des Mediums Computer, der, verglichen mit dem traditionellen Lernen, stimulierende Reserven mobilisiert. Zudem sind die Lerner unabhängig vom jeweiligen Programm (nach Aussagen während des Leitfadeninterviews) bestrebt, die jeweiligen Programme und die dahinterstehende Maschine Computer zu beherrschen und zu kontrollieren, was sich auch mit dem Ergebnis der Untersuchung von K. Konrad ( 1993: 175 ff) zum Lernen unterschiedlicher Lerninhalte mit dem Computer deckt. Die besondere Motivation der Computerlerner wird durch Erfolgserlebnisse gesteigert. Da in den untersuchten Lernprogrammen der Lernprozeß in kleinste Teilschritte gegliedert war und deren Bearbeitung sofort bewertet wurde, erfolgte eine unmittelbare Motivation für den Lerner durch eine sofortige Rückmeldung. Das individuelle Lernergebnis wurde bei allen drei Programmen am Schluß der Bearbeitung als Grafik oder Kommentar angezeigt und forderte, je nach Leistung, zu einem weiteren Bearbeitungsdurchgang heraus. Das Feedback während des Lerndurchgangs war jeweils sachlich am Lerninhalt ausgerichtet. Besonders die Möglichkeit, selbst Lerninhalte zu entdecken und diese auf einem Bildschirm zu bearbeiten, kombiniert mit der Attestierung des individuellen Leistungsfortschritts durch das Programm sowie der Ehrgeiz zur Verbesserung der 'Highscores' und letztendlich zu einer noch perfekteren Kontrolle der Maschine, motivierte die Experimentalgruppe für zukünftige Lernaktivitäten. Dieses Resultat deckt sich auch mit einem Forschungsergebnis von G.J.R. Baume aus den Anfängen des Computerlernens, der bei einem ähnlichen wie dem vorliegenden Untersuchungsdesign beim Fremdsprachenlernen (Französisch für Engländer) im Bereich Grammatik zu dem Schluß kam, daß"[...] these results all supported, that students are highly motivated to learn a foreign language using a computer as an aid, [...] the motivating power of CALL could be exploited to enable skills of reading and writing in the FlLIJIL 28 (1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... 107 foreign language to be improved, particularly in students who would otherwise lack interest in developing these skills" (Baume 1985: 54---55). 4.5 Hypothese 5: Lernen wird als weniger einsam empfunden Die Überprüfung der Alternativhypothese, wonach beim Computerlernen der Lernprozeß als weniger einsam empfunden wird gegenüber dem traditionellen Lernen, ergab beim Vergleich der CP-Lerner mit den CE-Lernern, daß sich die Computerpartnerlerner beim Computerlernen nicht grundsätzlich weniger einsam fühlten als die Computereinzellerner. Beim Vergleich aller Computerlerner mit allen Traditionellernern zeigte sich, daß nicht nur die Sozialform- oder Methodendifferenzierung, sondern auch spezielle Eigenschaften der jeweiligen Lernprogramme für das Gefühl der Einsamkeit ausschlaggebend waren. Als Erklärung für diesen Sachverhalt bietet sich die programminterne Gestaltung des spielerischen Vokabellernprogramms an, welche die Möglichkeit bietet, auf den eigenen Kenntnisstand mit Punkten zu wetten und entsprechend Punkte zu gewinnen oder zu verlieren, je nach dem, wie korrekt die Wörter zugeordnet wurden. Dieses Lernprogramm ist genauso wie das Text-Adventure sowohl allein als auch zu zweit als Spiel mit dem Computer spannend und läßt vermutlich deshalb während der Bearbeitung keine Einsamkeitsgefühle aufkommen. Die Ernsthaftigkeit des Grammatikprogramms jedoch und der damit verbundene Anforderungscharakter erwecken beim Computerlerner (auch beim Computerpartnerlerner) eher das Gefühl des Alleingelassenseins mit der Maschine Computer. Das Gefühl der Einsamkeit beim Lernen ist somit nicht nur von der Anzahl der umgebenden Personen und deshalb nicht nur von der Sozialform bestimmt, sondern vielmehr auch von dem Gefühl des Ausgefülltseins, der Kompliziertheit und dem Anforderungscharakter des Programms und dem damit verbundenen Angstgefühl, ob man sich zutraut, die gestellten Anforderungen zu bewältigen. Gerade beim doch sehr ernsthaft anmutenden Grammatiklernprogramm fühlten sich die Computereinzel- und Computerpartnerlerner weit einsamer als beim Vokabellernen. Das Grammatiklernen wird wiederum als mental und kognitiv weniger belastend in der Variante des Computerpartnerlernens empfunden, da diese Sozialform eine gegenseitige Hilfestellung durch 'peer-teaching' als angstfreie und geduldige Unterweisung durch Klassenkameraden (vgl. Schenk 1993: 122) ermöglicht und hierbei Probleme, seien sie softwarebedingt oder lerninhaltlicher Art, verbalisiert und damit dem einzelnen Lerner eher bewußt gemacht werden können. Um dieses Phänomen noch besser zu erhellen, wurde eine Korrelation zwischen den ltems „Fühle mich manchmal einsam und isoliert" und „Angst den Anschluß zu verpassen" jeweils für die einzelnen Programme und Sozialformdifferenzierungen berechnet. Es zeigte sich, daß das Gefühl der Einsamkeit beim Lernen in Form des 'Alleingelassen-Fühlens' ein Phänomen ist, das unter anderem dann im Unterricht (unabhängig von der Methodenbzw. Medienkonzeption) an Bedeutung gewinnt, wenn unübersehbare Schwierigkeiten in einer ernsthaften Situation auftreten und eine sofortige Hilfemöglichkeit nicht erkennbar ist. Dieses Phänomen tritt daher sowohl beim Computerals auch beim Traditionellernen auf und ist generell davon abhängig, wie die Antizipation der möglichen Problembewältigung beim Lerner erfolgt. Beim Computerlernen wird dieses Phänomen zusätzlich davon beeinflußt, in welcher Qualität bezüglich Übersicht und Aussehen das Medium auf den Lerner wirkt. IFLUJL 28 ( 1999) 108 Werner P. Mayer Um dem unerwünschten Gefühl der Einsamkeit zu begegnen, gilt es daher, spielerisch anmutende Lernprogramme mit einem ausreichenden Programmüberblick und offensichtlich erkennbaren Hilfestellungen bereitzustellen. Eine partnerorientierte Sozialform bietet sich vor allem unter dem Aspekt der Vermeidung von unerwünschten Einsamkeitsgefühlen dann an, wenn die vorher genannten Programmanforderungen nicht vollständig gegeben sind. 4.6 Hypothese 6; Individuelleres Lernen Die Überprüfung der Hypothese, daß der Lernprozeß beim Computerlernen vom Lerner als individueller empfunden wird, zeigte für bestimmte Sozialformkonstellationen und Lernprogramme deutlich, daß das Computerlernen das persönliche Lerntempo individueller berücksichtigt als das traditionelle Lernen. Dieses Ergebnis gilt besonders für das Textlernen, obwohl das Textprogramm den Lerner bezüglich der zu verrichtenden Aufgabe unter Zeitdruck setzt, wobei der Lerner sich jedoch die zur Verfügung stehende Zeit selbst einteilen kann. Gerade das Lerntempo ist ein Gradmesser für individuelles Lernen, kann doch der Lerner sein eigenes Tempo wählen und individuell Zeit für besondere Schwierigkeiten investieren, andererseits aber, wenn keine Unklarheiten bestehen, die durch Unterforderung entstehende Langeweile durch schnelleres Fortschreiten vermeiden. Über drei viertel aller Computerlerner könnten sich vorstellen mit dem Computer selbstständig neue Wissensgebiete zu erarbeiten und individuell neue Lösungswege zu erschließen. Der Computer wird hier nicht nur als Medium, sondern auch als geduldiger Experimentierpartnerempfunden. Unter dem Gesichtspunkt des Behaviorismus bewirkt die Individualisierung eine starke Motivation, da auf jeden Impuls des Schülers sofort und sachlich eine (scheinbar) individuelle Antwort erfolgt, so daß die Konditionierung schneller und wirksamer greifen kann, als wenn eine solche Antwort nur indirekt durch den Lehrer an die ganze Klasse und nicht direkt an den einzelnen Schüler erfolgt (vgl. Correll 1976: 89). Beim Computerlernen wird dem Schüler Gelegenheit zum "Trial and Error"-Verhalten gegeben und kein Mitschüler kann durch eine vorschnelle Antwort das schöpferische Probierverhalten des Lerners vorzeitig unterbrechen. Ein weiterer Aspekt, der hierbei in den Vordergrund rückt, ist der Grad der Selbstbestimmung beim Lernen. Durch das Computerlernen wird das Ausmaß der subjektiv erlebten Autonomie zusätzlich unterstützt, was dem eingangs belegten Bedürfnis nach Eigenaktivität und Eigenverantwortlichkeit entgegenkommt. Dies deckt sich mit den Untersuchungsergebnissen von Krapp (1993a: 201): "Empirische Befunde zeigen, daß auf Selbstbestimmung beruhende Formen der Lernmotivation zu qualitativ besseren Leistungen führen und das Gelernte dauerhafter gespeichert wird." Die Möglichkeit der Binnendifferenzierung durch das Computerlernen wurde bei dieser Untersuchung so weit realisiert, wie die eingesetzten Programme dies erlaubten. Die gravierendsten Binnendifferenzierungen konnten in der individuell investierten Zeit, in den speziell eingeschlagenen Lernwegen und bei dem damit individuell ermöglichten Fortschreiten im Programm realisiert werden. Das Gefühl, daß das Computerlernen im Vergleich zum Traditionellernen persönlicher auf den Lerner zugeschnitten wirkt, wird u.a. dadurch verstärkt, daß die Rückkopplung nicht subjektiv durch eine Person, sondern anonym und scheinbar objektiv durch das Programm selbst erfolgt. Somit bleibt die persönliche Blamage vor der Lerngruppe als potentieller sozialpsychologischer Störeffekt aus. Auf diese Weise lFlLIJllL 28 ( 1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... 109 wird das Computerlernen als ein Lernen in einer sozusagen vertraulichen Atmosphäre empfunden. 4.7 Hypothese 7: Lernen ist sozial weniger belastend Die Alternativhypothese, der Lernprozeß würde durch den Einsatz von Computerlernprogrammen, verglichen mit dem traditionellen Unterricht, als sozial weniger belastend empfunden, hat sich für die Gegenüberstellung der CEmit den CP-Lernern, der CEmit den TE-Lernern, der CPmit den TP-Lernern und auch für die Gegenüberstellung aller C- Lerner mit allen T-Lernern beim kurz- und langfristigen Lernen mangels signifikanter Werte nicht bestätigen lassen. Die Ergebnisse im Überblick zeigen, daß (nicht signifikant) die Computerlerner, insbesondere die Computerpartnerlerner, eine leicht positivere Einstellung zu ihren Mitschülern und besonders zum Lernpartner gewonnen haben als die Traditionelllerner, was sich mit dem Ergebnis der Literatur-Synopse von H. Schenk deckt: "[ ... ] bei entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen (2-3 Schüler an einem Arbeitsplatz, Gruppenunterricht) wird die Tendenz zu Kooperation durch Computerlernen verstärkt; das Vorurteil von Vereinsamung ist nicht aufrechtzuerhalten" (Schenk 1993: 122). 4.8 Hypothese 8: Mediale Präsentation ist angenehmer Die Alternativhypothese, die mediale Präsentation beim Computerlernen würde als angenehmer empfunden als beim Traditionellernen, hat sich für die kurzfristige Gegenüberstellung der CPmit den CE-Lernern nicht bewährt. Somit erwies sich die Sozialformdifferenzierung für die mediale Wahrnehmung als irrelevant. Für die Gegenüberstellung der CEmit den TE-Lernern, für die Gegenüberstellung der CPmit den TP-Lernern und für die Gegenüberstellung der gesamten Experimentalgruppe mit der gesamten Kontrollgruppe kann auf Grund durchgehend hypothesenkonformer, aber nicht durchgehend signifikanter Ergebnisse die Alternativhypothese nicht bestätigt werden. Dagegen ließ sich eine tendenzielle Bevorzugung der medialen Präsentation durch den Computer im Vergleich mit den Printmedien nachweisen. Im Hinblick auf die durchgehend hypothesenkonformen Ergebnisse ist diese Hypothese auch ein Schlüsselaspekt um die Beliebtheit und den Motivationseffekt des Mediums Computer zu erhellen. Die qualitative Nachuntersuchung ergab, daß das Lernen am Bildschirm stark an das beliebte Fernsehbzw. Videoschauen erinnerte nur mit dem Unterschied, daß man sogar selbst auf dem Bildschirm präsent und aktiv sein kann. Dies erinnerte wiederum an das Computerspielen mit den motivationalen Kriterien 'challenge', 'fantasy', 'sensoryand cognitive curiosity' (vgl. Malone 1981: 333-336). Das Medium Computer wird, verglichen mit dem Printmedium, über alle Lernprogramme hinweg kurz- und langfristig als angenehmer empfunden. 4.9 Hypothese 9: Computerakzeptanz steigt Die Ergebnisse der Überprüfung der Alternativhypothese, die Akzeptanz des Computers steigt, wenn Computerlernprogramme eingesetzt werden, zeigten, daß sich bezüglich der lFLlllllL 28 ( 1999) 110 Werner P. Mayer durchschnittlichen Computernutzungszeit während des gesamten Untersuchungszeitraums eine geringe Nutzungszeitverlängerung bei der Experimentalgruppe eingestellt hatte, wobei die CE-Lerner die Nutzungszeit mehr verlängerten als die CP-Lerner. Bis auf die Bereitschaft mit dem Computer zu lernen, waren die CE-Lerner eher geneigt zum Computerspielen, Programmieren, Erweitern von Computerkenntnissen und zur Freizeitgestaltung allgemein mit dem Computer als die CP-Lerner. Die Differenzierung der Sozialform war daher nicht maßgebend für eine Akzeptanzsteigerung des Computers. Bei der Gegenüberstellung aller Computerlerner mit allen Traditionellernern zeigte sich am Ende der Untersuchung, daß die Computerlerner den Computer eher schon 'entmythologisiert' haben, da sie zwar noch immer Computerkenntnisse für den späteren Beruf als wichtig erachteten, aber dies mit abnehmender Tendenz. Diese Interpretation deckt sich mit der Meta-Analyse von D. Sinhart-Pallin (1991: 115) bzgl. der Bedeutungszumessung des Computers bei Computernutzern. Die vielzitierte Erweiterung der persönlichen Kompetenz durch das Nutzen von Computerlernprogrammen und damit das gleichzeitige Erlernen einer „vierten Kulturtechnik" als Schlüsselqualifikation und Eintrittskarte in den Diskurs einer Informationsgesellschaft wird von den 'Usern' nach kurzer Zeit bereits als obsolet beurteilt, sobald sie die rasante Entwicklung der Software in Richtung Benutzerfreundlichkeit internalisiert haben. 5. Interpretation und Diskussion der Effizienzhypothesen Die Alternativhypothese, welche besagt, daß das Computerlernen in der Sozialform Partnerlernen effizienter ist als in der Sozialform Einzellernen, kann für die Lerninhalte Vokabeln, Grammatik und Text-Sprechfunktionen sowohl für das kurzals auch für das mittel- und für das langfristige Computerlernen wegen zahlreichen hypothesenkonträren Ergebnissen nicht bestätigt werden. Die Alternativhypothese, die Computerlerner lernen effizienter als die Traditionelllerner, kann für das Vokabellernen nicht bestätigt werden, da die kurzfristigen Ergebnisse hypothesenkonträr und die mittel- und langfristigen Werte zwar hypothesenkonform aber nicht statistisch signifikant waren. Die Alternativhypothese kann ebenfalls für das Grammatiklernen nicht bestätigt werden, da alle Ergebnisse zwar hypothesenkonform, aber nicht durchgehend signifikant waren. Es ist jedoch ein einheitlicher Trend ersichtlich. Auch die Alternativhypothese für das kurz- und mittelfristige Textlernen (Sprechfunktionen) und Textkenntnislernen kann nicht bestätigt werden, da alle Ergebnisse zwar hypothesenkonform, aber nicht durchgehend signifikant waren. Das langfristige Ergebnis bei der Gegenüberstellung zwischen den beiden Lerngruppen C- und T-Lerner zeigte bei der Zeugnisnote Englisch und beim Gesamtzeugnisdurchschnitt hypothesenkonforme jedoch nicht signifikante Werte, womit sich die entsprechende langfristige Alternativhypothese nicht bewährte. Die Experimentalgruppe Computerlerner lernte somit mit dem Grammatik- und Textprogramm tendenziell, wenn auch nicht durchgehend signifikant, effizienter als die Kontrollgruppe der Traditionellerner. Zu einem ähnlichen Befund kommt H. Schenk: "Lernen mit dem Computer ist mindestens ebenso effektiv, meist aber zeitsparender als traditioneller lFILllllL 28 (1999) Befindlichkeit und Effizienz beim Fremdsprachenlernen mit dem Computer ... 111 Unterricht, [...] am effektivsten scheint Computerlernen in den[...] Fremdsprachen zu sein" (Schenk 1993: 122). 6. Zusammenfassung und Fazit Das erkenntnisleitende Interesse dieser Untersuchung, nämlich die Frage nach den motivationalen Kräften durch mehr Effizienz und (oder) eine bessere Befindlichkeit beim Lernen mit dem Computer, im Vergleich zum traditionellen Lernen im Unterricht und in Kombination mit verschiedenen Sozialformen, kann wie folgt beantwortet werden: Die im Vorfeld der Untersuchung beobachtete und bis zum Schluß der Untersuchung nachweislich andauernde starke Motivation beim Computerlernen kann auf Grund der nur tendenziell besseren Lernergebnisse der Computerlerner nicht allein auf eine höhere Effizienz zurückgeführt werden. Vielmehr hat sich eindeutig gezeigt, daß das Computerlernen, vergleichbar mit den Merkmalen einer interessanten Freizeitbeschäftigung, nicht als lästige Arbeit empfunden wird, sondern als unterhaltsamer Spaß, was dazu führt, daß der Schüler beim Lernen lernwilliger und ausdauernder ist. Die Tätigkeit des Lernens ist beim Computerlernen weitgehend losgelöst vom gewohnten Unterrichtsverhalten. Computerlerner empfinden Pausen als störend und sind beim Lernen eher angespannt und unzufrieden. Das Computerpartnerlernen ist unter Effizienzgesichtspunkten und dem Aspekt der kognitiven Leistungsfähigkeit dem Computereinzellernen in den meisten untersuchten Teilbereichen unterlegen. Dagegen kann man unter den Gesichtspunkten der Befindlichkeit hinsichtlich emotionaler Belastung, Vertrauenkönnen auf Hilfen unabhängig von Programmhilfen und Angst davor, den Anschluß an die Klasse zu verlieren, davon ausgehen, daß das Computerpartnerlernen unerwünschte Belastungen von affektiven Lernerkomponenten beim Computerlernen abfedert. Wesentliche Aspekte für die nachgewiesenermaßen starke Motivation beim Computerlernen waren: 1. daß man sich bei Falschantworten nicht blamieren muß, 2. die Geduld und Fehlerfreundlichkeit des Computers in Form eines unmittelbaren und sachlichen Feedbacks, 3. die interaktive Softwarekomponente, welche dem Lerner suggeriert, der Computer kümmere sich persönlich um ihn, was die individuelle Erfolgskontrolle, den individuellen Lernweg und das individuelle Lerntempo betrifft sowie 4. die angenehme mediale Präsentation, welche durch die Möglichkeit, laufend selbst und nicht nur nach Anweisung und Aufforderung des Lehrers handeln zu können, dem Lerner das Gefühl vermittelt, daß er nicht mehr wie im traditionellen Unterricht ein Objekt des Lernprozesses ist, sondern sich zum aktiven Subjekt der Lernhandlung gewandelt hat. Der Lerner hat daher den Eindruck, daß er den Zeitgeist bezüglich der Verwirklichung von emanzipatorischen „Selbstwerten", kombiniert mit einem modernen Mediennutzungsstil, nun im Unterricht ausleben kann. Der Unterricht wird als angenehmes 'edutainment', d.h. die Bildung wird als Unterhaltung empfunden (vgl. Mayer 1995: 58 ff). Die Grenzen der Möglichkeiten des computerunterstützten Lernens zeigten sich nicht, wie in vielen anderen Untersuchungen angeführt, in der mangelnden sozialen Komponente bei der Interaktion mit dem Computer (Computerlernen war nur eine von mehreren Methoden im Unterricht der Schüler), sondern eher darin, daß sich die Programme am Durch- JFJLIIJIL 28 (1999) 112 Werner P. Mayer schnittsschüler orientierten, also 'von der Stange' waren, anstatt für den einzelnen Schüler mit Hilfe eines Lernermoduls maßgeschneidert zu sein. Ebenso führten die begrenzten Antwortanalysefähigkeiten aller eingesetzten Programme oftmals dann zu Irritationen, wenn richtige Antwortalternativen vom Programm nicht akzeptiert wurden. Der softwaretechnischen Verbesserung dieser Nachteile müßte eine besondere Bedeutung beigemessen werden, da doch die Individualisierung und Selbststeuerung des Lernens in den Vordergrund des computerunterstützten Lernens gestellt und als dessen hauptsächlicher Vorteil allgemein angepriesen wird. Literatur ACHTENHAGEN, Frank (1984): "Qualitative Unterrichtsforschung". In: Unterrichtswissenschaft - Zeitschrift für Lernforschung 3, 278- 310. BAUME, Georges J. R. ( 1985): "Computer-assisted language learning: A pilot experiment". In: Modern Languages 66, 50-57. BORTZ, Jürgen (1989): Statistik für Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer. CORRELL, Werner (Hrsg.) ( 1976): Programmiertes Lernen und Lehrmaschinen. Braunschweig: Westermann. CRONBACH, Lee J. / SNOW, Richard S. (eds.) 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