Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1999
281
Gnutzmann Küster SchrammGrammatikaufgaben im Fremdsprachenunterricht
121
1999
Torsten Schlak
flul2810201
Torsten Schlak Grammatikaufgaben im Fremdsprachenunterricht Was hat uns die Zweitsprachenerwerbsforschung hierzu zu sagen? Abstract. This article introduces a task-based approach to grammar teaching. Based on empirical research and theoretical work in second language acquisition, it will be argued that task-based language teaching naturally links second language acquisition research with the interests of the classroom teacher. Swain's ( 1998) "dictogloss tasks", Ellis' (1995) "grammar interpretation tasks" and Fotos' (1993, 1994) "grammar consciousness-raising tasks" will be discussed in detail. 1. Einleitung Unterrichtspraktiker beklagen sich häufig, daß die Ergebnisse der Sprachlehr- und der Zweitsprachenerwerbsforschung an der unterrichtlichen Realität vo.rbei gehen und 0°: ,~ wirkliche Relevanz für sie sind. Dieser Vorwurf trifft gewiß auf bestimmte Aspekte der Forschung zu, jedoch sicher nicht auf die Diskussion um die Rolle von Aufgaben im Fremdsprachenunterricht. Hier verbinden sich theoretisches Interesse und praktische Relevanz auf nahezu ideale Art und Weise. Konzepte grammatikbezogener Aufgaben wie sie u.a. Swain (1998), Ellis ( 1995) und Fotos (1993, 1994) propagieren bieten einen reichen Fundus nützlicher unterrichtsmethodischer Alternativen zu traditionellen Strukturübungen. Sie sollen im folgenden vorgestellt werden. 2. Der Aufgabenbegriff Nicht nur in der angloamerikanischen Fachliteratur ist der Begriff "task" (Aufgabe) mittlerweile so wichtig geworden, daß zunehmend von "task-based language teaching/ learning" (vgl. z.B. Prabhu 1987; Batstone 1994, Skehan 1994, Wolff 1994: 423, Klippe! 1998: 330f, Long [im Druck]) gesprochen wird. Das Verhältnis von „Aufgaben" und „Übungen" zueinander ist jedoch kaum geklärt (Neuner/ Piepho 1994: 4). Zudem existieren divergente Auffassungen über die Funktion und Gestaltung von „Aufgaben" für den Fremdsprachenunterricht. Eine plausible Unterscheidung von Aufgaben und Übungen schlägt Neuner vor: Übungen sind danach stark gesteuert, legen den Lernenden auf bestimmte Lösungswege fest, streben eng definierte Lernziele an und dienen meistens der Festigung sprachlicher Systeme. Aufgaben hingegen betonen das Mitdenken und die Selbsttätigkeit der Lernenden, verwenden realitätsnahe Sprache, sind in ihrer Durchführung flexibel, bieten den Lernenden keine vorgefertigten Lösungswege an, sondern fördern ihr aktives Problemlösungsverhalten. Übungen und Aufgaben sind im fremdsprachlichen Lernprozeß keine Gegensätze, sondern sie ergänzen sich gegenseitig. Übungen können z.B. sprachliche Anforderungen, die man zur Bewältigung einer Aufgabenstellung benötigt, vorbereiten und absichern. Sie sind deshalb oft als Teilschritte unabdingbar,[...] (Neuner 1994b: 10). IFLllllL 28 ( 1999) 202 Torsten Schlak Diese Definition ist aber keineswegs universell akzeptiert. In der englischsprachigen Literatur wird eine ganze Reihe unterschiedlicher Definitionen, insbesondere des Begriffs "task" diskutiert (vgl. z.B. Nunan 1989: 5 f oder Kumaravadivelu 1993). Kaum Einigkeit herrscht auch darüber, ob, wie und mit welcher Funktion "tasks" für den Grammatikunterricht zu gestalten sind. Eine deutliche Trennung von "tasks" und "exercises", die oft als "practice" bezeichnet werden, wird manchmal (vgl. z.B. Loschky/ Bley-Vroman 1993: 123t), aber nicht immer vorgenommen. Während traditionelle Grammatikübungsformen - Zuordnungsübungen, Transformationsübungen, Ergänzungsübungen usw. zumeist theoretisch unmotiviert sind oder auf überholten behavioristischen Lernkonzepten beruhen, bemühen sich die Autoren der hier beschriebenen Grammatikaufgabenkonzepte um eine theoretisch-empirische Untermauerung ihrer Ansätze. Dieses positive Bild wird dadurch noch verstärkt, daß zumeist nicht nur auf aus Psychologie oder Pädagogik übernommene „Lerntheorien aus zweiter Hand" zurück-· gegriffen wird, sondern man sich auch auf zweitsprachenerwerbsbezogene Theorie und Forschung bezieht. 3. Konzepte grammatikbezogener Aufgaben 3.1 Swains "dictogloss" Swains (1998) Grammatikaufgaben, die sie als "dictogloss" bezeichnet, sind auf Grundlage ihrer Output-Hypothese entstanden. Während insbesondere seit den Arbeiten von Krashen die Bedeutung des Inputs für den Zweitsprachenerwerb betont wird, versucht Swain in ihren theoretischen und empirischen Studien (vgl. z.B. Swain/ Lapkin 1995 und Swain 1998) die Wichtigkeit von sogenanntem "pushed output" nachzuweisen, dem sie drei dem Spracherwerb förderliche Funktionen zuschreibt: (i) A noticing function: Learners may notice a gap between what they want to say and what they can say, Ieading them to notice what they do not know at all, or what they only know partially. (ii) A hypothesis-testing function: Output may test a hypothesis which may attract feedback that can lead learners to "reprocess." (iii) A metalinguistic (conscious reflection) function: "As learners reflect upon their own target language use, their output serves a metalinguistic function, enabling them to control and internalize linguistic knowledge." (Doughty/ Williams 1998: 238) In der Gestaltung eines "dictogloss" (vgl. Swain 1998: 69 ff) wird besonders auf die dritte Funktion von Output abgezielt; man versucht die Lernenden dazu zu bringen, daß .sie auf der sprachlichen Metaebene über ihren Output kommunizieren, was jedoch nicht unbedingt bedeutet, daß während dieser Gespräche auf metasprachliche Grammatikterminologie zurückgegriffen werden muß. Wichtig erscheint Swain (1998: 68) vornehmlich, daß die Lernenden über die "accuracy" ihres Outputs reflektieren. 1 In einer durchgeführten Pilotstudie (Swain 1998: 77ff) zeigte sich jedoch, daß die Verwendung von Metasprache durch zwei Lehrende bei der Modellierung eines "dictogloss" im Vorfeld der Durchführung der eigentlichen Aufgabe die Lernenden zu deutlich mehr "language-related episodes" (zur Definition siehe IFLUJl]L 28 (1999) Grammatikaufgaben im Fremdsprachenunterricht ... 203 Ein "dictogloss" (vgl. Swain 1998: 70[) besteht aus einem kurzen Text2, der sowohl authentisch als auch konstruiert sein kann und in normaler Lesegeschwindigkeit vom Lehrenden vorgelesen wird. Die Lernenden erhalten die Aufgabe, während des Vorlesens Notizen über den Inhalt des Textes anzufertigen, aus denen sie im Anschluß daran in kleinen Arbeitsgruppen den Ausgangstext gemeinsam rekonstruieren sollen. Der Rekonstruktionsprozeß soll dazu führen, daß die Lernenden bemerken, was sie produzieren können und wo sie Schwierigkeiten haben, wodurch die "noticing"-Funktion von "pushed output" ausgelöst werden soll. Der konkrete grammatische und thematische Inhalt des Textes soll so gewählt werden, daß mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit bestimmte grammatische Phänomene benutzt und dann beim Erkennen von Produktionsproblemen metakommunikativ thematisiert werden. Der Aushandlungsprozeß soll zum Bilden und Testen von Hypothesen und zur Metakommunikation anregen. Daß dies alles wirklich geschieht, ist bei der offenen Gestaltung eines "dictogloss" nicht zu garantieren. Dies zeigen auch von Swain initiierte Pilotstudien (zusammengefaßt in Swain 1998: 71 ff). In den Studien konnte jedoch auf Grundlage von Transkripten des von den Lernenden ausgeführten Rekonstruktionsprozesses ansatzweise belegt werden, daß man über "dictogloss"-Aufgaben wirklich in der Lage ist, die drei postulierten Funktionen von "pushed output"zu elizitieren. Die Ergebnisse der Pilotstudien machten zudem u.a. deutlich, daß Lernende von "dictogloss"-Aufgaben deutlich mehr profitieren, wenn sie gründlich auf die Bearbeitung der Aufgaben vorbereitet werden, und daß Lehrende während der Bearbeitung eines "dictogloss" durch die Lernenden Feedback geben sollten, um einer Verfestigung fehlerhaft ausgehandelter sprachlicher Phänomene vorzubeugen (Swain 1998: 79 f). 3.2 Ellis' "interpretation tasks" Ellis (1995) basiert sein Grammatikaufgabenkonzept er nennt es "interpretation tasks"auch auf theoretischen Überlegungen und empirischen Forschungsergebnissen aus dem Bereich des Zweitsprachenerwerbs. Er bezieht sich u.a. auf die Arbeiten von F: : erch/ Kasper (1986) und Schmidt (1990, 1993). Im Unterschied zu gewöhnlichen Strukturübungen, die im Regelfall eine mehrfach zu wiederholende Produktion einzelner grammatischer Elemente verlangen, sind seine Aufgaben rezeptionsorientiert. Ellis (1995) geht von einer schwachen Interface-Position aus (zur Diskussion des Interface-Problems vgl. Schlak 1999) und weist explizitem Wissen verschiedene erwerbsunterstützende Funktionen zu: In Ausnahmefällen, d.h. wenn der Lernende im Sinne der "teachability"-Hypothese Pienemanns (1984, 1989, 1998, Schlak 1999) dazu bereit ist, läßt sich explizites Wissen direkt in implizite Wissensbestände, auf die in der freien Sprachproduktion zurückgegriffen wird, umwandeln. Für wichtiger hält Ellis folgende Funktionen expliziten Wissens: First, it helps learners notice linguistic properties of the input they otherwise might not notice. [...] Second, intake is also enhanced when learners carry out a second operation -comparing what ebd.: 70) provozierte, als wenn dabei auf die Verwendung von Metasprache verzichtet wurde. 2 Vgl. den Beispieltext in Anhang A (S. 210), der zur Übung des "passe compose" und des "imparfait" im Französischen genutzt werden kann. lFlLIJllL 28 ( 1999) 204 Torsten Schlak they have noticed in the input with what they currently produce in their own output (Ellis 1995: 89f). Während der reine Verstehensprozeß (ohne Lernabsicht) vor allem über "top-down"- Prozesse verläuft, bedarf der Erwerb neuer Phänomene über Sprachrezeption laut Ellis (1995: 89 f) und in Übereinstimmung mit Frerch/ Kasper (1986) unbedingt der Verwendung von "bottom-up"-Prozessen, die mit der Absicht, noch nicht beherrschte Grammatikphäno• mene im Sinne von Schmidts (1990, 1995) "noticing" zu bemerken, eingesetzt werden sollten. Zudem wird es als vorteilhaft angesehen, wenn die Lernenden Vergleiche zwischen ihrer eigenen Sprachproduktion und den von ihnen rezeptiv wahrgenommenen Grammatikelementen anstellen, um dabei ausfindig zu machen, was sie noch nicht beherrschen und noch zu lernen haben. Schmidt und Frota (1986) nennen dies "noticing the gap", Ellis (1995: 90) spricht von "cognitive comparison". Die Überlegenheit des rezeptiven Vorgehens gegenüber produktionsorientierten Grainmatikübungen findet Ellis empirisch bestätigt (ebd.: 91 ff), die geringe Anzahl der von ihm zitierten Studien läßt aber m.E. noch keine weitreichenden Schlüsse zu. Ellis möchte seinen Ansatz als eine aus mehreren Aufgaben bestehende Lernsequenz realisiert sehen: Interpretation tasks can be devised as sequences of activities that reflect these three operations. That is, in the first instance, Iearners are required to comprehend input that has been specially contrived to induce learners to attend to the meaning of a specific grammatical structure, followed by a task that induces learners to pay careful attention to the important properties of the target feature, and finally by a task that encourages the kind of cognitive comparisons Iearners will have to perform ultimately on their own output. (Ellis 1995: 94) Über "interpretation tasks" sollen vornehmlich solche Phänomene vermittelt werden, die psycholinguistisch als lernbar zu charakterisieren sind (Pienemann 1989), sich zugleich aber als ein Lernproblem für die jeweilige Lernergruppe erwiesen haben. Letzteres sollte sich über eine Art Fehleranalyse.feststellen lassen (Ellis 1995: 95). Die Analyse soll Aufschluß geben über Phänomene, die in der Sprachproduktion der Lernenden bisher noch überhaupt nicht auftauchen und solche, die von der Form her korrekt, jedoch mit einer falschen Bedeutung verwendet werden. "Interpretation tasks" eignen sich insbesondere für die Arbeit an noch unzureichend beherrschten Form-/ Funktionszusammenhängen. Ellis (1995: 98 f) nennt eine Reihe von Kriterien, die bei der Gestaltung von "interpretation tasks" zu beachten sind: 1. Learners should be required to process the target structure, not to produce it. 2. An interpretation activity consists of a stimulus to which learners must make some kind of response. 3. The stimulus can take the form of spoken or written input. 4. The response can take various forms (e.g., indicate true-false, check a box, select the correct picture, draw a diagram, perform an action) but in each case the response will be either completely nonverbal or minimally verbal. 5. The activities in the task can be sequenced to require first attention to meaning, then noticing the form and function of the grammatical structure and finally error identifcation. 6. As a result of completing the task, the learners should have arrived at an understanding of how the target form is used to perform a particular function or functions in communication (i.e., they must have undertaken a form-function mapping). flI.,llllL 28 ( 1999) Grammatikau/ gaben im Fremdsprachenunterricht ... 205 7. Learners can benefit from the opportunity to negotiate the input they hear or.read. 8. Interpretation tasks should require learners to make a personal response (i.e., relate the input to their own lives) as weil as a referential response. 9. As a result of completing the task, learners should have been made aware of common learner errors involving the target structure as weil as correct usage. 10. Interpretation grammar teaching requires the provision of immediate and explicit feedback on the correctness of the students responses. Im Rahmen dieses Artikels ist es nicht möglich, eine vollständige "interpretation task"- Sequenz darzustellen (vgl. die Beispiele in Ellis 1995). Eine Teilaufgabe einer längeren Aufgabensequenz befindet sich exemplarisch im Anhang B (S. 210). Hier werden die Lernenden aufgefordert, einen kurzen Dialog zwischen einem Muttersprachensprecher und einem Nicht-Muttersprachensprecher zu lesen und die fehlerhaften Äußerungen des Nicht- Muttersprachensprechers zu identifizieren und zu korrigieren. Diese Aufgabe stellt den Abschluß einer längeren rezeptiv orientierten Aufgabensequenz dar. Wichtig ist für Ellis, daß Grammatikinstruktion· nicht mit "interpretation tasks" und Fremdsprachenunterricht nicht mit Grammatikinstruktion gleichgesetzt wird (Ellis 1995: ~- Dementsprechend schließt Ellis nicht aus, daß z.B. "consciousness-raising" 3 und ggf. sogar produktionsorientierte Grammatikübungen sich positiv auf den Spracherwerb auswirken können. Er betont insbesondere, daß Fremdsprachenunterricht weder auf formfokussierte noch auf bedeutungsfokussierte Aufgaben verzichten kann. 3.3 Fotos' "grammar consciousness-raising tasks" Einen etwas anderen Weg geht Fotos (Fotos und Ellis 1991, Fotos 1993, 1994) mit ihren "grammar consciousness-raising tasks". Bei diesem Aufgabentypus werden die Lernenden dazu aufgefordert, in der Zielsprache über grammatikalische Phänomene zu kommunizieren. Der Inhalt der Aufgabe ist die Grammatik selber; sie wird nicht wie in den meisten anderen Aufgabenansätzen hinter oft recht irrelevanten und langweiligen Inhalten versteckt, sondern ist das eigentliche Thema der Aufgaben. Die Lernenden sprechen miteinander über Grammatik, über die Korrektheit bestimmter Sätze, über die Richtigkeit einer Regel. Sie versuchen gemeinsam, induktiv Regeln zu ermitteln und tauschen Informationen über Grammatik aus. Mit Hilfe dieser Aufgaben soll explizites Wissen über grammatische Phänomene aufgebaut, die Wahrscheinlichkeit, daß es zu "noticing" kommt, vergrößert und gleichzeitig eine bedeutungsfokussierte Verwendung der Zielsprache ermöglicht werden (Fotos 1993, 1994 ). Anhang C (S. 210 f) enthält ein Beispiel für solche Aufgaben: Die Studierenden sollen die Satzstellung des Adverbs im Englischen bestimmen. Dazu stellen die Studierenden sich Das Konzept des "consciousness-raising" wird in der angloamerikanischen Fachliteratur zur Grammatikverrnittlung seit einigen Jahren diskutiert (vgl. z.B. Rutherford 1987, Beiträge in Rutherford/ Sharwood Smith 1988, Nunan 1991: 143 ff, Lang/ Robinson 1998: 17 fund die Weiterentwicklung zu "input enhancement" bei Sharwood Smith 1993). M.E. wird der Begriff recht unterschiedlich ausgelegt. So sind die von Nunan (1991) beschriebenen Aktivitäten nur bedingt deckungsgleich mit den in Rutherford (1987: 160ff) dargestellten Aufgaben. Das von Rutherford ( 1987: 161) als Aktivität vorgeschlagene Identifizieren und Korrigieren von Fehlern in isolierten, zusammenhangslosen Sätzen entspricht beispielsweise kaum den von Nunan aufgestellten Kriterien für "grammatical consciousness-raising activities". IFlLIJllL 28 ( 1999) 206 Torsten Schlak in Gruppen gegenseitig Fragen, bei deren Beantwortung Adverbien richtig positioniert werden müssen. Sie diskutieren die Stellung des Adverbs und erarbeiten gemeinsam Regeln für dieses grammatische Phänomen. Fotos versucht in ihrem Ansatz, zwei zentrale Ergebnisse der Zweitsprachenerwerbsforschung integrativ umzusetzen. Dies sind die Einsichten, 1. daß Interaktion in der Fremdsprache für den Spracherwerb von zentraler Bedeutung ist und 2. daß Formfokussierung sich positiv auf den Spracherwerb auswirkt. Bei Punkt 1 beziehen sich Fotos und Ellis (1991: 609) in erster Linie auf Longs Interaktionshypothese, die besagt, daß "the comprehensible input which results from attempts to negotiate communication difficulties helps to make salient grammatical features which are problematic to learners and thus facilitates acquisition" (ebd.: 609). Fotos und Ellis (1991: 610) nehmen zudem mit Rückgriff auf Longs Forschung (vgl. Long 1989) zur Effektivität von bestimmten Aufgabencharakteristika an, daß • "one-way tasks" zu weniger Bedeutungsaushandlung ("negotiation ofmeaning") führen als "two-way tasks" • Aufgaben mit höherer Planungszeit mehr Interaktion produzieren als solche mit geringer Planungszeit • bei geschlossenen Aufgaben mit eindeutigen Lösungen mehr Interaktion notwendig wird als bei offenen Aufgaben • konvergierende Aufgaben, die eine Einigung der Lernenden auf eine Lösung verlangen, mehr Interaktion ermöglichen als divergierende Aufgaben, wo jeder Lernende zu einer unterschiedlichen Lösungen kommen darf. Weiterhin spricht sich Fotos für Gruppen- und Partnerarbeit aus, da diese Sozialformen eine Reihe empirisch ermittelter Vorteile gegenüber dem Frontalunterricht aufweisen (vgl.hierzu Fotos/ Ellis 1991: 610). Ihre Argumentation zu Punkt 2 ist teilweise mit der von Ellis (1995) vergleichbar. Auch Fotos (1993: 387) nimmt eine schwache Interface-Position ein und sieht Schmidts (1990, 1995) "noticing" als eine Art Bindeglied zwischen explizitem und implizitem Wissen an. Explizites Wissen über grammatische Phänomeneso vermuten Fotos und Ellis ( 1991: 607) erleichtert den späteren Erwerb dieser Elemente. Auf dieser theoretischen Grundlage ruhen Fotos Grammatikaufgaben, deren Effektivität sie in mehreren Studien überprüft hat und zwar mit der Absicht zu zeigen, daß über "grammar consciousness-raising tasks" explizites Wissen aufgebaut und Interaktion gefördert werden kann. Die von Fotos durchgeführten Studien erbrachten einige aufschlußreiche Ergebnisse. In einer frühen Pilotstudie mit japanischen Collegestudenten aus dem Jahre 1991 stellten Fotos und Ellis fest, daß mit "grammar consciousness-raising tasks" kurzfristig ein ähnlicher Lernzuwachs für das unterrichtete Grammatikphänomen ("dative altemation" in der englischen Sprache) zu erreichen war wie mit traditioneller Grammatikvermittlung, dieser positive Effekt sich aber bei einem zwei Wochen später stattfindenden verzögerten Posttest unter der Bedingung "grammar consciousness-raising tasks" erheblich verringert hatte, während die Zugewinne über den traditionellen Grammatikunterricht weitgehend bestehen blieben. lFlLd 28 ( 1999) Grammatikaufgaben im Fremdsprachenunterricht ... 207 In einem forschungsmethodologisch wesentlich gründlicheren und komplexeren Experiment mit ähnlicher Population (Fotos 1994) stellte sich für beide Bedingungen ein dauerhafter Zugewinn, und zwar bei allen drei unterrichteten Phänomenen, ein. In der Studie von 1994 konnte Fotos zudem zeigen, daß "performance of grammar consciousness-raising tasks produced quantities of L2 negotiations comparable to the number of L2 negotiations produced by communicative tasks matched for task features but lacking grammatical content" (Fotos 1994: 343). Als besonders kommunikativ stellten sich Aufgaben ohne Planungszeit heraus, bei denen alle Teilnehmer Informationen auszutauschen hatten und zu einer gemeinsam ermittelten Lösung gelangen mußten (ebd.: 342). In einer weiteren Studie (Fotos 1993) wurde der Frage nachgegangen, ob es bei der Bearbeitung von "grammar consciousness-raising tasks" genauso oft zu "noticing" kommt wie in einem traditionellen Grammatikunterricht und zugleich häufiger als in einer Kontrollgruppe, die rein kommunikativ unterrichtet wird. Diese Annahmen konnten weitgehend bestätigt werden und liefern damitunter der Voraussetzung, daß "noticing" wirklich die u.a. von Fotos und Schmidt angenommene, zentrale Bedeutung für den Spracherwerb aufweist (zur Diskussion vgl. z.B. Schlak 1999) ein weiteres Argument für die Verwendung von "grammar consciousness-raising tasks" im Fremdsprachenunterricht. 4. Abschließende Bemerkung Die drei beschriebenen Ansätze verfügen über eine überzeugende theoretische Grundlage und heben sich damit deutlich von traditionellen Übungsformen ab. Ob ein bestimmtes Vorgehen insgesamt zu bevorzugen ist, läßt sich mangels empirischer Vergleichsstudien der Aufgabenansätze untereinander und ohne Berücksichtigung konkreter Zielgruppen nicht eµtscheiden. Die Möglichkeiten für einen vielseitigen, motivierenden und effektiven Unterricht würden durch eine solche Festlegung auch erheblich eingeschränkt. Ich hoffe, es ist deutlich geworden, daß Forschung und Praxis nicht unbedingt getrennte Wege gehen müssen, sondern eng miteinander vernetzt werden können. Literatur BATSTONE, Rob (1994): Grammar. Oxford: Oxford University Press. DOUGHTY, Catherine/ WILLIAMS, Jessica (1998): "Pedagogical Choices in Focus on Form". In: DOUGHTY, Catherine/ WILLIAMS, Jessica (eds.): Focus on Form in Classroom Second Language Acquisition. Cambridge: Cambridge University Press, 197-261. ELLIS, Rod (1995): "Interpretation Tasks for Grammar Teaching". In: TESOL Quarterly 29, 87-105. FJERCH, Cl aus/ KASPER, Gabriele ( 1986): "The Role of Comprehension in Second Language Acquisition". In: Studies in Second Language Acquisition 7, 257-274. FOTOS, Sandra S. (1993): "Consciousness Raising and Noticing through Focus on Form: Grammar Task Performance versus Formal Instruction". In: Applied Linguistics 14, 385--407. FOTOS, Sandra S. 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Listening text: Randy: Koji: Randy: Koji: Randy: Koji: Randy: Koji: Randy: Koji: Randy: Koji: Randy: Koji: You know something. I don't really like tall women. I get a bit scared by them. Yeah, I am the same. I frighten tall women. Sorry? I frighten tall women. Oh, you mean you get frightened by tall women. Yeah. And clever women too. I overwhelm clever women. I know what you mean. They overwhelm me too. But the worst are argumentive women. I confuse them. They confuse you? Uh? I mean I get confused by them. They don't worry me. I like a good argument. And the next worst is talkative women. I bore them. You bore them. Or they bore you. I think you mean they bore you. Yeah, they bore me. Anhang C (aus Fotos 1994: 350) Adverb Placement Task Directions: Working in your groups, study the following sentences. These sentences contain adverbs, words which describe the verb. Adverbs can occur in several places: Yesterday he studied English. We quickly ate lunch. He studied for the test carefully. lFJLuruL 28 ( 1999) Grammatikaufgaben im Fremdsprachenunterricht ... 211 But adverbs cannot occur in one location in the English sentence. In groups you must find the location. To help you solve this problem, you will ask and answer questions which contain these five adverbs: yesterday quickly carefully easily often 1. First, decide who will start. 2. Then, that person asks the person to his/ her right Question 1, and the person answers it. 3. Then, the person who answers Question 1 asks Question 2 to the person on his/ her right. 4. Continue until everyone has asked and answered questions. 5. When people are answering questions, you should think about the location ofthe adverb. Do you think that the person is using the adverb in the correct location? Ifnot, teil the person where you think the correct location is. 6. When everyone has finished, discuss 4 general rules for adverb placement. 7. When you agree on the rules, write the rules at the bottom ofthis page. Question 1: What did you do yesterday? Question 2: Many people can solve mathematical problems quickly. How quickly can you calculate? Question 3: Are you the type ofperson who prepares for examinations carefully? Question 4: Some people remember what they read easily. Other people easily learn sports. What activities can you easily do? Question 5: What type of activity do you often like to do? How often do you do this activity? General Rules for Adverb Placement in English: 1. Adverbs may occur 2. Adverbs may also occur 3. And adverbs may also occur 4. However, adverbs may not be used JFILl! lllL 28 ( 1999)