Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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1999
281
Gnutzmann Küster SchrammEberhard FLEISCHMANN, Wladimir KUTZ, Peter A. SCHMITT (Hrsg.): Translationsdidaktik
121
1999
Bernd Stefanink
Eberhard FLEISCHMANN, Wladimir KUTZ, Peter A. SCHMITT (Hrsg.): Translationsdidaktik. Grundfragen der Übersetzungswissenschaft. Tübingen: Narr 1997, 622 Seiten [DM 198,-]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 229 Ausgewählte Neuerscheinungen zur Übersetzungswissenschaft und Übersetzungsdidaktik eine Sammelrezension (Teil 111) 1 (Bernd Stefanink, Bielefeld) Nachdem sich die Übersetzungswissenschaft in den letzten Jahren gewissermaßen als eigenständige Disziplin konstituiert hat, gewinnen Fragen der Übersetzungsdidaktik zunehmend an Bedeutung. Die folgende Sammelrezension versucht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Eberhard FLEISCHMANN, Wladimir KUTZ, Peter A. SCHMITT (Hrsg.): Translationsdidaktik. Grundfragen der Übersetzungswissenschaft. Tübingen: Narr 1997, 622 Seiten [DM 198,-] Die 78 Beiträge dieses Sammelbandes gehen auf Vorträge zurück, die im Jahre 1996 auf der VI. Leipziger Konferenz zur Übersetzungswissenschaft gehalten wurden und in denen die gesamte Bandbreite übersetzungswissenschaftlicher Fragestellungen angesprochen wird. Die Beiträge gliedern sich in allgemeine Übersetzungstheorie (3-79), Übersetzungsdidaktik (79-243), Dolmetscherausbildung (243-327), Computernutzung (327-399), kulturelle Aspekte (399-457), Fachtextübersetzung (457-497), Terminologie (497-541 ), literarisches Übersetzen (541-573), Evaluation von Übersetzungen (573-605) und psycholinguistische Untersuchungen der Translation (605-616). Einleitend spricht Albrecht _NEUBERT über den Antagonismus zwischen Übersetzungstheorie und Übersetzungspraxis. Er sieht die Chance einer Überbrückung dieser Antinomie in einer adäquaten Übersetzungsdidaktik, die empirisch von Prozeßanalysen ausgehend eine praxisnahe Vermittlung übersetzungswissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleistet. Mary SNELL-HORNBY gibt einen Überblick über die Entwicklung der Übersetzungswissenschaft seit dem 2. Weltkrieg. Sie bedauert die Praxisferne, die Philologisierung sowie die Verwaltungszwänge, in die die Übersetzungswissenschaft nach 1970 durch die Eingliederung der Übersetzer- und Dolmetscherinstitute in die Hochschulen geraten ist. Sie fordert eine Reform der Dolmetscher- und Übersetzerausbildung, bei der Sprachkompetenz bereits vorausgesetzt wird und die sich nach einem Modul-System mit interdisziplinären Kombinationsmöglichkeiten vollziehen sollte: das wären "[ ... ] neben der allgemeinen Translationstheorie, Textlinguistik und relevanten Bereichen der Sprachwissenschaft [ ... ] auch Fragen der Semiotik, der Kultursoziologie, der Psychologie und nicht zuletzt der Kognitionswissenschaft" (33). Paul KußMAUL macht sich die Erkenntnis des interdisziplinären Charakters der Übersetzungswissenschaft zu eigen und stellt die Frage, inwieweit Kreativitätsforschung und Psycholinguistik den Weg zu kreativen Lösungen von Übersetzungsproblemen prozeßanalytisch erklären können: Im Gegensatz zu 'konvergenten', bzw. 'vertikalen' Denkweisen sind bei kreativen· Lösungen 'divergente', bzw. 'laterale' Denkweisen im Spiel. Er beobachtet anhand von LD-Protokollen, wie zwei Testpersonen beim Übersetzen zu einer kreativen Lösung eines Ü-problems gelangen, indem sie von einer ausgangsprachlichen semantischen Kategorie in eine andere zielsprachliche semantische Kategorie hinüberwechseln. Auf den ersten Blick scheinen beide nichts gemeinsam zu haben. Kußmauls Frage: Von welcher Art sind die Verkettungen, die zu derartigen Lösungen führen? Können uns beim Verständnis dieser Denkprozesse die Prototypensemantik (der Kategoriensprung vollzieht sich in den 'Randgebieten' der in Frage kommenden semantischen Kategorien ) bzw. die 'chaining',-Szenarios eines Lakoffs behilflich sein (bei dem zwei verschiedene semantische Kategorien durch metaphorische Vorstellungen im menschlichen Denken verknüpft werden)? Auch hier, wie bei Neubert, ein Plädoyer für LD-Protokolle! Mit Metaphern beschäftigt sich auch Lev ZYBATOW, der feststellt, daß die Übersetzung von Metaphern bis jetzt weitgehend dem Zufall überlassen wurde. Er plädiert deshalb unter Berufung auf die Erkenntnisse der kognitiven Linguistik-für die Erstellung von zweisprachigen Wörterbüchern, bei denen die konventionellen Metaphern einer jeden Sprache nicht isoliert, sondern über das die gemeinsame metaphorische Projektion hervorrufende Lexem vernetzt in Form von ganzen 'Metaphernbereichen' dargestellt werden. Teil I ist erschienen in F/ uL 23 (1994), 268-276; Teil II in FluL 25 (1996), 250-261. IFIL,uL 28 (1999) 230 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Über dieses Lexem wäre dann die Auffindung des zielsprachlichen Metaphernbereichs gewährleistet und dem Übersetzer zur Auswahl angeboten. Ähnlich könnten zweisprachige Wörterbücher im Bereich Phraseologismen angefertigt werden, in denen nicht nur die Ein-zu-Eins-Entsprechungen erfaßt, sondern in denen die synonymen bzw. quasisynonymen Phraseologismen zu einem Bereich 'duster' -mäßig dargestellt werden, welche über Deskriptoren auffindbar sind: ein sinnvolles Hilfsmittel für den Übersetzer. Schließlich regt die kognitive Linguistik auch dazu an, das mit (Wort)-Stereotypen verbundene Weltwissen in den zu übersetzenden Sprachen zu vergleichen. Nur so kann der Übersetzer erkennen, inwieweit er ein in der ausgangssprachlichen Kulturgemeinschaft geltendes Stereotyp für die zielsprachliche Kulturgemeinschaft explizieren muß oder nicht. Auch.mit den „Prinzipien für die Bildung von okkasionnellen Metaphern" (69) soll der Übersetzer vertraut gemacht werden, denn: "Wichtig dafür ist, daß der Übersetzer [ ... ] die prinzipiellen Mechanismen der Metaphorisierung bzw. verschiedene Möglichkeiten der Metaphernkreation beherrscht und dadurch einen souveränen Umgang mit den Metaphern entwickeln kann" (70). Vermissen wird man in diesem Zusammenhang den Hinweis auf die Bedeutung von LD-Protokollen für die Erfassung dieser Prozeduren. Wolfram WILSS plädiert-wie in seinen letzten umfangreicheren Publikationen für die Aneignung von 'Textbausteinen' (i.e. sich wiederholende textuelle Einheiten auf morphologischem, phraseologischem, syntagmatischem, satz- und textsyntaktischem Gebiet), die der Übersetzer sich aus arbeitsökonomischen Gründen aneignen sollte. Wenn W. vermutet, "daß Textbausteine ein wesentlicher Bestandteil der vielbeschworenen Übersetzungskompetenz sind" (44), so klingt die Formulierung sicher etwas übertrieben mechanistisch (selbst in Fachtexten kann die kontextabhängige Interpretation eine Rolle spielen, wie vielfach aufgezeigt wurde) und in dieser verallgemeinernden Form auch ziemlich überspitzt (da sie sich natürlich nur auf das Übersetzen von Fachtexten beziehen kann). Christiane NORD zeigt an einem Beispiel auf, wie der Lehrende, je nach dem Kompetenzgrad der Lerner, den Schwierigkeitsgrad einer Übersetzungsaufgabe steuern kann, indem er dem Studierenden Hilfen zur Verfügung stellt: Die Progression liegt nicht in der Textauswahl, sondern in der Minderung der zur Verfügung gestellten Übersetzungshilfen: eine didaktisch interessante Alternative zu den Bemühungen um Progression im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad der zu übersetzenden Texte. Neben diesen Beispielen für interessante und innovative Ansätze gibt es allerdings auch weniger aussagekräftige und lesenswerte Beiträge. Dazu gehören beispielsweise die Überlegungen von Sabine Bastian und Nicole Filleau über „Textstilistische und interkulturelle Aspekte des Übersetzens". Als interkultureller Aspekt wird das herkömmliche Beispiel des unterschiedlichen Frühstücksbrots in Frankreich und Deutschland angeführt, allerdings in einem interessanten literarischen Kontext, der dann wiederum bei der Behandlung der übersetzerischen Lösungsvorschläge nicht mehr herangezogen wird. Richtig ist, daß die Übersetzung von eclats de croute mit Brotkrümel oder Krustensplitternicht befriedigen kann. Warum wurde aber kein Übersetzungsvorschlag im größeren Satzbzw. Textrahmen gemacht? Dies hätte sich vor allem dort angeboten, wo in der unmittelbaren Umgebung Bezugswörter in Sätzen wie La maitresse casse le pain en petits morceaux dans le hol oder Le pain est dore et crisse saus ses doigts auftreten, die die Übersetzung dieser Einheit kompensierend vorbereiten könnten. Ähnlich 'isolierend' wird bei den textstilistischen Beispielen vorgegangen. In den einführenden Zeilen lassen die Vf.-innen auf eine „notwendige zielgerichtete Fehlerprognose" hoffen, die dann jedoch ausbleibt. Statt dessen wird der Leser mit einer „Schlußfolgerung" konfrontiert, die man inhaltlich zwar unterschreiben wird, die sich jedoch nicht notwendig aus dem Argumentationsgang der Darlegungen ergibt: Es gibt keinen Grund, für das Übersetzen als Lehr- und Prüfungsfach in der Lehrer- und Magisterausbildung andere Maßstäbe anzulegen als in' der Übersetzerausbildung! 2 Enttäuschend sind auch jene Beiträge, die aufgrund des vielversprechenden Titels gerade beim Übersetzungsdidaktiker große Erwartungen wecken, scheinen sie sich doch mit Problemen zu befassen, die in der Übersetzungsdidaktik seit langem einer Lösung harren. Hierzu gehört u.a. das Problem der „übersetzerischen Kompetenz und Textauswahl", dem sich Dagmar Seiler de Duque zuwendet, ohne allerdings subst; mtielle Überlegungen anzustellen ganz davon abgesehen, daß die sehr allgemein gehaltenen, manchmal geradezu Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik findet sich bei Klaus Kaindl in dem weiter unten besprochenen, von Stegu/ De Cillia herausgegebenen Sammelband: Fremdsprachendidaktik und Übersetzungswissenschaft. 1FlL1! llL 28 (1999) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 231 naiven Ratschläge teilweise zum Widerspruch reizen. So sind z.B. Zeitungsberichte keine gängigerweise „zur Veröffentlichung bestimmte[n]" (113) Übersetzungstexte, zumal sie nicht auf empirischen Untersuchungen basieren, sondern auf zwei spärlichen Zitaten von Königs und Nord. 3 Martin STEGU, Rudolf DE C! LLIA (Hrsg.): Fremdsprachendidaktik und Übersetzungswissenschaft. Beiträge zum 1. Verbal-Workshop, Dezember 1994. Frankfurt/ M.: Peter Lang 1997 (Sprache im Kontext), 358 Seiten [DM 89,-] Es handelt sich um Beiträge zum 1. Workshop des österreichischen Verbands für Angewandte Linguistik (VERBAL). Der Titel ist etwas irreführend. Der Leser erwartet Beiträge, die zwischen den beiden im Titel aufgeführten Wissenschaftsbereichen eine enge Verbindung herstellen und zu didaktischen Schlußfolgerungen gelangen, wie sie sich aus den jüngeren übersetzungstheoretischen Erkenntnissen ergeben. Dieser Vorstellung entsprechen allerdings nur 4 Beiträge, die unter dem Obertitel „Übersetzungsunterricht" (91- 150) zusammengefaßt sind. Daneben gibt es drei weitere Bereiche, die sich diesem Thema zumindest vom Titel her verpflichtet fühlen, nämlich: "Theorie des Fremdsprachenlernens und Spracherwerb" (29-91), "Fachsprache und Fremdsprachenunterricht" ( 151-207) und „Aus der Praxis des Fremdsprachenunterrichts" (207-345). Die nachfolgenden Anmerkungen beziehen sich ausschließlich auf die übersetzungsdidaktischen Artikel im engeren Sinn. Der Aufsatz von Klaus KAINDL: "Translatorische Kompetenz mit beschränkter Haftung? Zur Konzeptionslosigkeit des universitären Übersetzungsunterrichts" (91-105) endet mit dernicht mehr ganz neuen -Feststellung: "Der Übersetzungsunterricht muß umkehren! " Völlig zu recht verurteilt Kaindl die aktuelle Situation des universitären Übersetzungsunterrichts. Angesichts der Fortschritte in der Übersetzungstheorie hat die Übersetzungsdidaktik kaum Fortschritte zu verzeichnen. Die Ursachen sieht Kaindl einerseits in der „Theoriescheue" ( I00) der Lehrenden an den Übersetzer- und Dolmetscherinstituten, andererseits in der mangelnden Abgrenzung der Inhalte, Zielsetzungen und didaktischen Methoden dieser Institute gegenüber den Fremdsprachencurricula an den Universitäten (99). Vehement wendet sich Kaindl gegen den Anspruch einiger Übersetzungsdidaktiker (er nennt: Königs, Klein-Braley/ Smith, Grelle! , House, Stefanink, Beier/ Möhn), im Rahmen der Fremdsprachenausbildung auch translatorische Kompetenz zu vermitteln. Eine solche, den Kontext der Zitate ins Gegenteil verfälschende Kritik kann nicht unwidersprochen bleiben. So wirft mir Kaindl eine „laienhafte Auffassung [vom Übersetzen vor], die davon ausgeht, daß Übersetzen im Austauschen von Wörtern besteht" (93). Bei sorgfältiger Lektüre des zitierten Artikels aus dem Jahre 1993 wäre Kaindl aufgefallen, daß ich genau das Gegenteil zu zeigen versucht habe, nämlich, daß es bei der übersetzerischen Kompetenz nicht auf die Kenntnis des einen oder des anderen Wortes ankommt, sondern auf die idiomatische, situationsadäquate Wiedergabe der Mitteilung in der Zielsprache, wie eindeutig aus dem Beispiel, auf das Bezug genommen wird, hervorgeht. Kaindl verspricht sich einiges von Krings' introspektivem Ansa'lz und bedauert seine mangelnde Weiterentwicklung. Hier sei auf Stefanink (1991, 1995 und 1999a) verwiesen, wo dieser Ansatz für übersetzungsdidaktische Zwecke weiterentwickelt wird. Auch was die wissenschaftliche Fundierung des Übersetzungsunterrichts an der Hochschule angeht, hat sich einiges getan; da Kaindl die Literatur bis einschließlich 1994 rezipiert hat, ist es um so bedauerlicher, daß die Saarbrücker Bemühungen um eine wissenschaftlich fundierte Übersetzungsdidaktik unerwähnt bleiben, die in Gerzymisch-Arbogast ( 1994) dokumentiert sind. Konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Übersetzungsdidaktik an der Hochschule sind in diesem Artikel nicht zu finden. So wie Kaindl kritisiert auch Gerhard PISEK (106 ff) die Universitätsdozenten, die versuchen, in den im Rahmen der Fremdsprachenausbildung an den Universitäten angebotenen Veranstaltungen zum Übersetzen, neuere Erkenntnisse der Übersetzungsdidaktik zu vermitteln. "Trotz der tristen Ergebnisse der Übersetzungskurse" (118) scheinen ihm die Übersetzungskurse im „universitären Sprachunterricht" durchaus „sinnhaft", „da Übersetzungen als Ausgangspunkt für Diskussionen jeglicher Art dienen können, seien diese nun Der Band ist im großen und ganzen ordentlich redigiert. Hingewiesen sei auf die fehlende bibliographische Angabe zu Larson (] 984) [S. 608] (= Mildred Larson: Meaning-based Translation: A guide to Cross / anguage Equivalence. New York: Lanham & London: Univers Equity Press of America), die man in der Bibliographie vergeblich sucht. IFLll! L 28 (1999)