Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1999
281
Gnutzmann Küster SchrammDouglas ROBINSON: Becoming a Translator
121
1999
Bernd Stefanink
Douglas ROBINSON: Becoming a Translator. An Accelerated Course. London: Routledge 1997, 330 Seiten [£ 14,99]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 233 den anwenden, zeugt von der gesamten Spannbreite der übersetzungswissenschaftlichen Diskussion.4 Während Gerzymisch-Arbogast/ Mudersbach [G.-NM.J (1998) ganz in der Tradition von Wolfram Wilss ein Vorgehen favorisieren, das Gentzler (1993) leicht ironisch als "The 'science' of Translation" bezeichnet hat, stellt Robinson das andere Extrem dar und würde laut dem von G.A./ M (1998: 15, 30) aufgestellten Kriterienkatalog wohl nicht die Schwelle der Wissenschaftlichkeit überschreiten. Und dennoch, auch Robinson erhebt den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Die Wissenschaftlichkeit bezieht sich jedoch nicht etwa aufdie übersetzungstheoretischen Aspekte der Ausbildung von Übersetzern, wie die etwas irreführende Behauptung auf dem Deckblatt, wonach "Becoming a Translator draws on a broad range of contemporary translation theories", vermuten ließe. R. berücksichtigt Übersetzungstheorien nur insoweit, als sie Übersetzung in ihrer sozialen Einbettung behandeln. Und dies ist sicher nicht der beste Teil seines Werkes. Unterßiesem Gesichtspunkt unterscheidet er zwei Gruppen: 1. Die "German School" (206), die er etwas reduktionistisch auf die 'Skopostheorie' beschränkt, welche er vereinfachend mit "functional translatiori theory, action/ Handlung-oriented translation theory, translationoriented text analysis" (206) gleichsetzt und als das Ergebnis der Arbeit einer "group" (206) darstellt, zu der die Namen Reiss, Vermeer, Nord und Holz Mänttäri gehören (205). Insgesamt widmet er dieser Gruppe 14 Seiten (205-219), plus drei Seiten im 'Appendix for Teachers', in dem er insbesondere auf die didaktischen Schritte eingeht, die man aus den verschiedenen Kapiteln ableiten kann. M.E. wird mit den Theorien dieser sogenannten "German School" etwas leichtfertig umgegangen. Lediglich aus den Schriften von Ch. Nord, als Vertreterin der Skopostheorie, zu zitieren (210), führt zu Distorsionen der ursprünglichen Skopostheorie, wie sie in Reiss/ Vermeer ( 1984) dargestellt wird. Dort heißt es nämlich: "Der Skopos eines Translats kann, wie mehrfach hervorgehoben, vom Skopos des Ausgangstextes abweichen" [Hervorhebung nicht im Original] (Reiss/ Vermeer 1984: 103) und nicht wie bei Robinson: "Functional change is the normal skopos" (210). Dementsprechend führen Reiss/ Vermeer ( 1984: 217) aus: "Bei vielen Translationen wird man Skoposkonstanz (Funktionskonstanz) zwischen Ausgangs- und Zieltext als Normalfall ansetzen dürfen". Desgleichen zieht Robinson auch falsche Schlüsse, wenn er schreibt: "The main stability lost in a text-based to action-based theories is the notion of textual equivalence, which becomes a nonissue in skopos/ Handlung theories" (311 ). Dies gilt lediglich für den Fall der Skoposänderung, der bei Reiss/ Vermeer eben nicht der Normalfall ist, sondern nur methodologisch als solcher angenommen wird. Es genügt, sich an das 'Kometenbeispiel' (Reiss/ Vermeer 1984: 115-116) zu erinnern, um die Bedeutung von 'Wirkungsgleicheit' - und somit Textäquivalenz bei 'Funktionskonstanz' in der Skopostheorie zu ermessen. Anderenfalls hätte die Textsortentheorie einen großen Teil ihres Sinnes verloren. In Reiss/ Vermeer ( 1984: 124-170) werden immerhin 36 Seiten ausschließlich dem Begriff der Äquivalenz auf Textebene gewidmet, und die darauffolgende Texttypendiskussion (170-216) steht ebenfalls in unmittelbarem Bezug dazu. Die Äquivalenzkriterien werden ausführlich erörtert und zum Schluß wird „Äquivalenz als dynamischer Begriff für eine Relation zwischen einem Ausgangs- und einem Zieltext" definiert ( 1984: 170). Die Verzerrungen in R.s Darstellung rühren sicher daher, daß die Skopostheorie mit Nord und auch mit Holz-Mänttäri identifiziert wird-und dies obwohl bekannt ist, daß sich selbst Nord (1991) von der extremen Position Holz-Mänttäris zum Teil distanziert hat. Baker ( 1998: 236) teilt meine Sicht: "the skopos of the target text and of the source text may be different" [Hervorhebung nicht im Orignal], der Normalfall ist dies jedoch nicht. 2. Zur zweiten Gruppe der von R. zur Problemlösung herangezogenen Theoretiker (232-234) gehören, wiederum etwas vereinfachend, die "polysystems, translation studies, descriptive translation studies, or manipulation school" (234), die für die "Intercultural awareness" (231) Sorge tragen sollen. Aber auch diese vier zusätzlichen Seiten stellen keine Rechtfertigung der Darstellung auf dem Deckblatt dar. R. will uns nämlich keine von Theorien abgeleitete Übersetzungsdidaktik vorführen. Wir haben es hier keineswegs mit einer Untersuchung zum Didaktisierungspotential von Übersetzungstheorien zu tun. Wenn auch der Nutzen von Übersetzungstheorien für die Praxis nicht geleugnet wird, so ist dies nicht ihre prioritäre 4 Bei dem anderen Lehrwerk handelt es sich um Gerzymisch-Arbogast, H. / Mudersbach, K.: Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens (Tübingen: Francke 1998), das auf die Systernatisierbarkeit und Wiederholbarkeit übersetzerischer Schritte ausgerichtet ist (vgl.. meine Besprechung in FluL 27 (1998)). lFJLIIJllL 28 (1999) 234 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Leistung. Vielmehr bilden sie "a necessary part of the translator's defensive armor against attacks from the uncomprehending" (204). Die übersetzerische Praxis selbst ist stark intuitiv bestimmt und die Ausbildung von Übersetzern stützt sich auf ganz andere Theorien, mit deren Hilfe das Ziel - "enhance the translator's speed without simply mechanizing it" (19) erreicht werden soll. Das einleitende Zitat aus Lozanov's Suggestology and Outlines of Suggestopedy gibt die Marschroute an. R. untersucht den Kontext, in dem sich Übersetzen abspielt. Er macht eine Reihe von Faktoren bewußt, die bei der Ausbildung von Übersetzern eine Rolle spielen. Er plädiert für eine Jernerzentrierte Ausbildung, bei der die Lehrmethoden dem Lernerprofil angepaßt werden sollen. Dies impliziert z.B., daß man einem "Fielddependent Learner", keine kopflastigen Theoriekurse anbieten sollte, ohne seiner "learning-by-doing"- Neigung Rechnung zu tragen und ihm ein "on-the-job-training" anzubieten (62). Desgleichen sollte man den Erkenntnissen Rechnung tragen, aufgrund derer ein Wissen, das durch verschiedene Kanäle ('visual', 'auditory' und 'kinesthetic', ('multiple encoding')) Eingang gefunden hat, besser memorisiert wird (54). Dabei spielt auch der Kontext, in dem man es gelernt hat, eine Rolle: in emotionalen Kontexten Gelerntes vergißt der Lerner weniger leicht. R. stützt sich bei seinen didaktischen Vorschlägen auf Forschungsergebnisse aus anderen Forschungsbereichen, wie Lozanov's Suggestopädie oder demNeuro-Linguistic-Programming. Eine Reihe von Übungen am Ende des jeweiligen Kapitels soll das Bewußtsein für das eigene übersetzerische Handeln fördern. Der Übersetzer ist ein lebenslanger Lerner, der ständig nach dem Peirceschen drei-Phasen-Modell - Abduction, Induction, Deduction (Intuition, Praxis, Regelableitung) - Wissen interiorisiert. Auf diese Weise erwirbt er die für ein effizientes Vorgehen notwendige Automatisierung von Problemlösungsverfahren. Was R. sympathisch macht, ist vor allem dies: er weiß, daß seine Vorschläge oft hypothetischen Charakter haben, da es noch nicht genügend fundierte Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet gibt. Dies gilt z.B. für die von ihm aufgestellte Lernertypologie (62-94). Bei seiner knappen Erwähnung der "newer feminist and postcolonial approaches" sagt er uns sogar ''I'm not convinced myself' (314), macht uns aber gleichzeitig eindeutig seine Zielsetzung klar: "The main idea in discussing it, again, should not be to convince students of it [ ... ] but to get them to take it seriously enough, for long enough, to consider its implications" (314). Ein Buch voller wertvoller Arbeitshypothesen und Anregungen für künftige Forschungsaktivitäten. Ein Buch, das sensibilisiert für jene Faktoren, die den Übersetzungsprozeß bestimmen. Basil HATIM, Ian MASON: The Translator as Communicator. London: Routledge 1997, XII+ 244 Seiten, [E 14,99]. Die Vf. gehen davon aus, daß jede Art von Translation ein Kommunikationsakt ist. Sie wollen die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Translationsarten von der Bibelübersetzung bis hin zum Simultandolmetschen herausstellen und untersuchen, inwiefern die Betrachtung der einen Translationsart Erkenntnisse über andere Translationsarten liefern kann, insbesondere im Hinblick auf die Übersetzer- und Dolmetscherausbildung. Sie untersuchen Textstrukturen auf die Textkohäsion und Textkohärenz herstellenden rhetorischen Mittel hin und stellen fest, daß unter diesem Gesichtspunkt die übliche fundamentale Unterscheidung zwischen Fachtexten und literarischen Texten hinfällig wird. Desweiteren wird aufgezeigt, wie sich der Simultandolmetscher auf diese textstrukturierende Merkmale stützt, um die notwendigen Sinnantizipierungen vorzunehmen, was die Aufnahme dieser Arbeitsformen mit Texten in die Dolmetscherausbildung empfehlenswert erscheinen läßt. Unterschieden wird zwischen „statischem" und „dynamischem" Sprachgebrauch in Texten. Dynamisch ist der Text, wenn die durch sprachliche Konventionen induzierte Erwartungshaltung des Rezipienten unerfüllt bleibt. Textanalysen sollen das Bewußtsein des Übersetzers für derartige Textdynamik schärfen. Diese Feststellungen stützen sich auf zahlreiche Beispiele aus den verschieden Textsorten, wobei die Spannbreite von literarischen Texten, wie Shaws Pygmalion bis hin zu Gerichtsverhandlungen reicht. Die Autoren zeigen wie eine mechanische Wiedergabe der stilistischen Merkmale zu Verrat am Text führt; eben deshalb sollen diese Merkmale im Hinblick auf die Funktion übersetzt werden, die sie im Rahmen des Gesamttextes erfüllen: Eliza Dolittles idiolektaler Gebrauch des 'Taggings' drückt Unsicherheit und soziale lf'ILll! lL 28 (1999)