eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 29/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2000
291 Gnutzmann Küster Schramm

Was nun ‘Fremdsprachendidaktik’? Basar von Spekulationen oder wissenschaftliche Disziplin? – Ein Zwischenruf

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2000
Gert Henrici
flul2910177
Gert Henrici Was nun 'Fremdsprachendidaktik'? Basar von Spekulationen oder wissenschaftliche Disziplin? - Ein Zwischenruf Abstract. The article amounts to an appeal for more empirically based research in the field. of Second Language Research and ofForeign Language Teaching in Germany. Ich habe in den letzten Jahren wiederholt zuletzt vor einem größeren Forum auf der Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache 1999 in Regensburg angemahnt, dass das Fach Deutsch als Fremdsprache insgesamt und insbesondere in seiner lehr-/ lernwissenschaftlichen Ausrichtung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nur dann ernst genommen werden kann, wenn es seine mannigfachen Thesen und didaktisch-methodischen Vorschläge für die praktische Unterrichtsarbeit empirisch abzusichern und zu begründen versucht. Meine für das Fach Deutsch als Fremdsprache formulierte These „Ohne intensive Forschung, im besonderen empirische Forschung, ist die Existenz des selbständigen akademi~chen Fachs DaF mittel-/ langfristig stark gefährdet" (Henrici 1999: 432 f), trifft in gleicher Weise für die Hochschulexistenz der Fremdsprachendidaktik zu. Kontinuierlicher Stellenabbau, der an einzelnen Hochschulorten schon begonnen hat, ist zu erwarten. Hinweise, die fachdidaktische Ausbildung an den Universitäten an die Fachhochschulen zu transferieren, sollten von der Disziplin ernst genommen werden. Ein vergleichender Blick auf die Forschungsszene z.B. in den USA, aber auch in Kanada, Australien, Skandinavien, England und Frankreich zeigt, dass annexe Fächer dadurch einen beachtlichen Aufschwung und hohes Prestige erlangt haben, dass in ihnen eine zunehmend intensive empirische Fremdsprachenerwerbsforschung (Second Language Acquisition Research)gekoppelt mit einer didaktisch-methodischen Perspektivierung stattfindet (vgl. u.a. Ellis 1994). In Deutschland kreist die Fremdsprachendidaktik in dieser Hinsicht mit wenigen Ausnahmen weiterhin um ihre nicht auf empirische Forschung ausgerichtete Achse. Die Frage „Warum ist das so? " kann eigentlich auch nur empirisch einigermaßen angemessen beantwortet werden. Die Leser haben dazu sicherlich sehr unterschiedliche Annahmen. Zwei meiner Annahmen sind, dass sich erstens die Fremdsprachendidaktik in ihrer langen Geschichte gar nicht bzw. unzureichend um eine forschungsmethodologisch-methodische Aus- und Fortbildung gekümmert hat und es auch heute nur in Einzelfällen tut und sich daraus ein entsprechendes Forscher/ -innen-Defizit ergibt. Zweitens: Es ist leichter, auch weiterhin spekulativ zu agieren als sich der aufwendigen, für viele nicht prestigeträchtigen empirischen "Fron-")Arbeit zu widmen. Entscheidender Erkenntnisgewinn darüber, wie fremde Sprachen am effektivsten gelernt und vermittelt werden, ist aus der deutschen Szene nur vereinzelt gekommen und bei nicht veränderter Einstellung auch nicht zu erwarten. lFLuL 29 (2000) 178 Gert Henrici Bei Durchsicht von fremdsprachendidaktischen Publikationen seien es Beiträge in einschlägigen Zeitschriften/ Sammelbänden oder Monographien ist festzustellen, dass der quantitative Anteil von empirischen Arbeiten nach wie vor gering ist, dies betrifft auch ihre Repräsentanz auf Tagungen, Kongressen und Weiterbildungsveranstaltungen. Dominant sind nach wie vor spekulative Beiträge zu gerade im Trend liegender Modewörter, die Altes als neu suggerieren, die unzureichend definiert sind, deren unterrichtliche Umsetzung ohne angemessene empirische Prüfung vorschnell empfohlen wird (z.B. interkulturelles, bewusstes, autonomes, mehrsprachiges Lernen) und die Unterrichtspraktiker in hohem Maße verunsichern. Noch immer ist das allgemeine Erkenntnisinteresse zu wenig darauf gerichtet, dem gesteuerten Fremdsprachenerwerb bzw. dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen eine theoriegeleitete empirische Fundierung zu geben: einerseits um den zu Teilen berechtigten Spekulationsvorwürfen gegenüber der Fremdsprachendidaktik zunehmend begründeter begegnen zu können, andererseits um die praktizierenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer auf der Grundlage empirisch gewonnener Erkenntnisse für mögliche alternative Vorgehensweisen in ihrem Unterricht zu sensibilisieren, aus denen sie entsprechende Konsequenzen ziehen könnten. Dieses Erkenntnisinteresse und Forschungsziel könnte in besonderer Weise durch die Untersuchung und Problemstellung aus der konkreten Unterrichtspraxis und dem Interesse an ihrer Lösung gefördert werden. Das Postulat „aus der Praxis für die Praxis" sollte jedoch nicht bedeuten, daß Forschungen, die nicht zu konkreten Empfehlungen für die Praxis führen, irrelevant sind. Im Kontext fremdsprachenspezifischer empirischer Forschung sind auch dezidierter als bisher theoretisch-methodologische Probleme zu behandeln, die einen wichtigen Baustein für eine notwendige zu entwickelnde Fremdsprachenerwerbstheorie darstellen, die für das praktische unterrichtsbezogene Handeln eine grundlegende Orientierung böte. Auch hier wie bei meinem Vortrag in Regensburg zum Abschluss dieses Zwischenrufs das Motto: Empirische Forschung tut not. Ohne Forschung bleibt die Praxis blind. Literatur ELLIS, Rod (1994): The Study of Second Language Acquisition. Oxford: University Press. HENRICI, Gert (1999): "Empirische Forschung und Sprachpraxis im Fach Deutsch als Fremdsprache. Zur Notwendigkeit und Nützlichkeit einer engen Partnerschaft". In: Info DaF 26.5, 432-440. JFLuL 29 (2000)