Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
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Gnutzmann Küster SchrammZur Effektivität verschiedener Instruktionstypen für die Vermittlung einer komplexen zielsprachigen Struktur
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Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld
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Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld • Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen für die Vermittlung einer komplexen zielsprachlichen Struktur Abstract. Our exploratory study was guided by the following research question: what are the effects of different degrees of explicitness on the acquisition of a complex target structure (i.e. the German « Partizipialkonstruktion » )? On the basis of a polymethodological approach learners of German as a second Ianguage were instructed under three different conditions (i.e. "Focus on Forms", "Focus on Form", and "Focus on Meaning" [cf. Long 1991]) and a pretest, a posttest, and a follow up-test were administered. In order to adequately understand and interpret the test results, our analysis and discussion focused on the individual learner. We therefore asked the leamers to provide data on their learning biography, their learning strategies and preferences, and their motivation to learn German. On the basis of our analysis we conclude that there are two main factors which influence the process of second language acquisition: the learner's awareness ofhis/ her individual language proficiency and a certain focus on grammar. Both factors seem to be important prerequisites to the conscious perception of grammatical rules which finally leads to self-control and learner autonomy. 1. Einleitung Zwar ist man in der Fremdsprachenerwerbsforschung und in der didaktischen Praxis schon vor geraumer Zeit zu der Erkenntnis gelangt, dass es die eine, für alle Lernenden gleichermaßen angemessene Lehrmethode nicht gibt und aufgrund zahlreicher individueller Unterschiede und den Erwerbsprozess beeinflussender Variablen auch nicht geben kann. Dennoch besteht in der L2-Unterrichtsforschung nach wie vor das Bestreben zu ermitteln, welche Vermittlungsmethode den Erwerbsprozess am günstigsten beeinflusst. In diesem Zusammenhang durchgeführte empirische Untersuchungen verfolgen somit das Ziel, begründete Vorschläge für die didaktische Praxis zu formulieren. Aufgrund der Beobachtung, dass der gesteuerte Fremdsprachenerwerb häufig wenig erfolgreich verläuft und dass es nur eine indirekte Beziehung zwischen dem Lehren auf der einen und dem Lernen auf der anderen Seite gibt, stellen sich u.a. die folgenden Fragen: Hat Instruktion 1 überhaupt einen positiven Effekt auf den Erwerb einer Fremdsprache? Falls ein positiver Effekt auf den Erwerb besteht, wie kann die Instruktion so gestaltet werden, dass sie den Lernenden möglichst effektiv zum langfristigen Erwerb einer fremden Sprache verhilft? Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind: Karin Aguado, Klaus Blex, Heike Brand! , Celia Sokolowsky, Jan Stevener. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass wir mit der Verwendung des Begriffes ,Instruktion' nicht in die zur Zeit in Deutschland geführte Diskussion zum Thema „Instruktion vs. Konstruktion" einzusteigen beabsichtigen, sondern ihn synonym zu „Vermittlung unter formalen institutionellen Bedingungen" verstehen. lFIL\llL 29 (2000) 192 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Wie kann die Wirkung von Instruktion auf den Erwerb empirisch nachgewiesen werden? - Wie können die empirisch gewonnenen Ergebnisse für die didaktische Praxis nutzbar gemacht werden? 1.1 Zur Effektivität von lnstruktionsmaßnahmen Vertreter der so genannten ,non-interventionist'-Position (vgl. z. B. Lightbown 1983, Krashen 1985 oder Pienemann 1989) gehen von einer natürlichen, nicht gezielt von außen beeinflussbaren Entwicklung beim Spracherwerb aus. So postuliert beispielsweise Krashen auf der Basis seiner strikten Trennung zwischen Lernen und Erwerben, dass im Unterricht zwar explizites grammatisches Wissen gelernt werden könne; dieses sei für den spontanen kommunikativen L2-Gebrauch allerdings weitgehend nutzlos, da in solchen Produktionssituationen die notwendigen Bedingungen für die Aktivierung dieses Wissens in der Regel nicht gegeben seien. Die Funktion von Lehrenden kann der genannten Position zufolge nur darin bestehen "to facilitate the unfolding of what Corder recognized as the learner' s powerful internal syllabus" (Lang/ Robinson 1998: 20). . Ferner konnte in einigen Studien nachgewiesen werden, dass gelehrte und erworbene Sequenzen nicht zwangsläufig miteinander übereinstimmen (vgl. z. B. Ellis 1989 oder Lightbown 1983), wobei sich diese Erkenntnis lediglich auf die Reihenfolge, nicht jedoch auf die Geschwindigkeit, die ,Tiefe' oder die ,Qualität' des Erwerbs zu beziehen scheint. Als ein entscheidender Faktor fungiert dabei v.a. der Zeitpunkt der Vermittlung: die Lernenden müssen ,bereit' sein, die jeweilige sprachliche Struktur zu erwerben (vgl. dazu insbesondere die von Pienemann 1984, 1987, 1989 aufgestellte Teachability-Hypothese). Auf der anderen Seite besteht allgemeiner Konsens darüber, dass das bloße ,Sprachbad', ausschließlich positive Evidenz oder rein kommunikativ ausgerichteter Unterricht zwar zu einer flüssigen fremdsprachlichen Produktionsfähigkeit führen können; auf der Ebene der sprachlichen Korrektheit können jedoch auch nach jahrelangem L2-sprachlichen Input noch immer spezifische Defizite festgestellt werden (vgl. dazu v.a. Swain 1991, 1993 oder Swain/ Lapkin 1995). Dies liegt u.a. daran, dass der Input in rein inhaltlich orientiertem Fremdsprachenunterricht oder in ,natürlichen' Interaktionssituationen formalsprachlichen Aspekten keine oder nur wenig Beachtung schenkt; diese sind dann für die Lernenden dementsprechend schwer wahrzunehmen, insbesondere wenn sie über eine nur schwach ausgeprägte Sprach(lern)bewusstheit verfügen. In eher inhaltlich und auf Verständigung ausgerichteten L2-spezifischen Situationen wird ferner häufig auf korrektives Feedback verzichtet, solange die zu vermittelnde Bedeutung verständlich und die Kommunikation nicht gestört ist. Gleichzeitig ist aber auch unterrichtlicher Input häufig defizitär, insofern als er zumeist einer grammatischen Progression folgt und nur den Gebrauch einiger Funktionen einer bestimmten sprachlichen Zielstruktur ermöglicht undim ungünstigsten Fall dazu führen kann, dass Lernende zu einem Übergeneralisierungs- oder Vermeidungsverhalten verleitet werden (vgl. dazu etwa Lightbown 1983, Pica 1983 oder Pienemann 1987). In Bezug auf den langfristigen, erfolgreichen Erwerb sprachlicher Korrektheit scheint Input bzw. sogenannter verständlicher Input (vgl. Krashen 1985) zwar notwendig, aber nicht hinreichend zu sein; somit besteht die Notwendigkeit der Ergänzung kommunikativen lFLIIL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 193 Unterrichts durch eine -wie auch immer gestaltete - Vermittlung formaler Aspekte der zu erwerbenden sprachlichen Zielstrukturen. In seinem Überblicksartikel zur Effektivität von Instruktionsmaßnahmen hat Long (1983: 374) zusammenfassend folgendes festgestellt: "there is considerable evidence to indicate that SL instruction does make a difference", und zwar sowohl in Bezug auf Kinder als auch auf Erwachsene, sowohl für leicht als auch für sehr fortgeschrittene Lerner und unabhängig vom Erwerbskontext und der Methode, mittels derer der Erwerb getestet wird. Long (1991) geht dementsprechend von den folgenden Vorteilen aus, die eine Fokussierung auf die sprachliche Form im Rahmen eines dominant inhaltlich ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts für die Entwicklung der Interlanguage haben kann: Sie beschleunigt die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Lernens. Sie beeinflusst die Erwerbsprozesse in einer Weise, die möglicherweise positiv auf die langfristige Korrektheit der L2-sprachlichen Produktion wirkt. · Sie scheint einen positiven Einfluss auf das Niveau zu haben, das ein Lerner in einer Fremdsprache maximal erreichen kann ("ultimate level of attainment") (Long 1991 : 45). Von besonderer Relevanz erscheint uns hier die von Schmidt (1990, 1995, 1999) formulierte ,noticing'-Hypothese, derzufolge Aufmerksamkeit auf die formalen Aspekte der L2 eine notwendige Voraussetzung für deren Erwerb darstellt: Nur diejenigen Aspekte einer sprachlichen Struktur, die von einem L2-Lerner im Input ,bemerkt' worden sind, können kognitiv weiterverarbeitet und erworben werden. In Bezug auf die unterrichtliche Sprachvermittlung stellen Long/ Robinson (1998: 21) dementsprechend folgendes fest: "additional salience for the problematic features seems tobe required, achieved either through enhancement of positive evidence or through provision of negative evidence of some kind". Es bestehen nun verschiedene Möglichkeiten und Techniken, diese "additional salience" zu erreichen (vgl. z.B. Sharwood Smith 1991 oder 1993). In einer Reihe von Studien könnte der positive Effekt von Techniken gezeigt werden, mittels derer der Input so manipuliert wurde, dass die Aufmerksamkeit der Lernenden auf ihn gelenkt werden konnte (vgl. z.B. Doughty 1991). Zu solchen Techniken zählen visuelle und/ oder akustische Hervorhebungen, wie z.B. farbliche, typographische oder akustische Markierungen. Aus den Ergebnissen der von Doughty (1988) durchgeführten Studien ziehen Long/ Robinson (1998: 33) die Schlussfolgerung, dass "attention to meaning plus attention to formal features facilitated by the input enhancement techniques [...] has advantages over attention to meaning alone". Trotz verschiedener empirischer Nachweise eines generell positiven Effekts expliziter Instruktion mittels verschiedener Techniken (vgl. z.B. Cadierno 1995, Carroll/ Swain 1993, Doughty 1991, DeKeyser 1995, VanPatten/ Cadierno 1993a, b)2, weiß man insgesamt allerdings noch recht wenig über die spezifischen Bedingungen, unter denen explizite Instruktion positive Auswirkungen haben kann; ebensowenig ist darüber hinaus bekannt, für welche grammatischen Phänomene und Strukturen dies Gültigkeit hat. Hulstijn/ De Graaff (1994) haben in diesem Zusammenhang eine Liste mit Variablen aufgestellt, die die Wir- 2 Einschränkend muss hier hinzugefügt werden, dass diese Studien v.a. aufgrund ihres unterschiedlichen Designs, ihrer Probanden, Testverfahren, Lernkontexte etc. nur schwer miteinander vergleichbar sind. lFLllL 29 (2000) 194 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld kung von expliziter Instruktion in Bezug auf den Erwerb einer Zielstruktur beeinflussen können. Dazu zählen u.a. die folgenden: die sprachliche Domäne der Zielstruktur die Komplexität der Zielstruktur die Reliabilität der jeweiligen grammatischen Regel der Skopus der grammatischen Regel die Häufigkeit des Auftretens der Zielstruktur im Input die jeweilige Aufgabenmodalität (rezeptiv/ produktiv; mündlich/ schriftlich) der jeweilige Instruktionstyp die individuellen Lernereigenschaften In der hier vorliegenden Studie zur Wirkung verschiedener Instruktionstypen auf den Erwerb zielsprachlicher Strukturen kommt neben den individuellen Lernereigenschaften dem Komplexitätsgrad der Zielstruktur eine wichtige Rolle zu. Daher werden wir uns im Folgenden mit Kriterien zur näheren Bestimmung dieser Variable befassen. 1.2 Zur Komplexität von Regeln und ihrem Efofluss auf den L2-Erwerb In der einschlägigen Forschungsliteratur herrscht bisher nur wenig Einigkeit darüber, was die Komplexität einer Struktur ausmacht und welche Konsequenzen sie für deren Erwerb hat. Es gibt dementsprechend kaum gesicherte Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Komplexität von Regeln und dem Erfolg von Instruktionsmaßnahmen. Voraussetzung für die empirische Untersuchung der Frage nach der Wirkung von Instniktionsmaßnahmen ist somit eine Definition von Komplexität auf der Basis möglichst objektiver Kriterien (vgl. dazu auch Robinson 1995: 33). Unterschieden wird zum einen zwischen formaler und funktionaler Komplexität (vgl. Krashen 1982, Ellis 1990). So ist anzunehmen, dass eine geringe formale Komplexität die Lernbarkeit der jeweiligen Stnikturpositiv beeinflusst. Allerdings kann eine formal einfache Struktur funktional komplex und damit wiederum schwierig zu erwerben sein. 3 Picas (1983) Definition zufolge sind einfache Regeln solche, die eine klare Form-Funktion-Beziehung aufweisen (z.B. das Plural -s im Englischen), d. h. hier kommt das Kriterium der Transparenz zum tragen (vgl. auch Ellis 1990). So gehen auch Green/ Hecht (1992) davon aus, dass einfache Regeln von den Lernenden ohne größere Schwierigkeiten selbst identifiziert werden können (vgl. auch Hulstijn/ De Graaff 1994), da sie sich auf leicht erkennbare Kategorien beziehen, mechanisch angewendet werden können und nicht kontextabhängig sind. Schwere Regeln sind nach Green/ Hecht (1992) hingegen solche, die nur schwer identifiziert werden können, die Umstellungen, Hinzufügungen und/ oder Tilgungen erfordern, die über größere stnikturelle Kontexte angewendet werden müssen und die semantisch nicht leicht durchschaubare Prinzipien beinhalten (wie z. B. die grammatische Kategorie ,Aspekt'). Hulstijn/ De Graaff (1994: 103) definieren Komplexität als die ,Anzahl der verschiedenen grammatischen Konzepte', die für die Bildung einer korrekten zielsprachlichen Konstniktion berücksichtigt werden müssen. Als Beispiel sei hier das -s der 3. Person.Singular bei englischen Verben genannt. FLuL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener lnstruktionstypen ... 195 In Bezug auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Komplexität einer Regel bzw. einer sprachlichen Struktur und deren Erwerb lässt sich folgendes sagen: Sowohl Krashen (1982, 1985, 1994) als auch Reber (1989, 1993) vertreten die Auffassung, dass Lernen bewusst und unbewusst verlaufen kann und dass das, was unbewusst (oder implizit) gelernt wird, das, was bewusst (oder explizit) gelernt wird, in der Regel übersteigt. Die explizite Regelsuche und die bewusste Anwendung von Regeln im Anschluss an explizite Instruktion können laut Reber .nur dann effektiver sein als implizites Lernen, wenn der sprachliche Stimulus strukturell einfach ist (vgl. auch Krashen 1982: 98) und/ oder die strukturellen Eigenschaften der jeweiligen sprachlichen Struktur so hervorgehoben sind, dass die Aufmerksamkeit des Lernenden darauf gelenkt wird. Hinsichtlich des Erwerbs komplexer Regeln nimmt Reber (z.B. 1989) hingegen an, dass sie nur unbewusst gelernt werden können. Als Beleg für diese Annahmen wird die Tatsache gewertet, dass Lerner in der Lage sind, implizit erworbene Regeln korrekt anzuwenden, etwa indem sie korrekte Grammatikalitätsurteile abgeben, ohne jedoch die zugrunde liegenden Regeln benennen oder beschreiben zu können. In seiner empirischen Studie konnte Robinson die Annahme, dass komplexe Regeln am effektivsten unter unbewussten Bedingungen gelernt werden, nicht bestätigen: "Simply noticing the structures as examples is unlikely to be facilitative of learning if the structures themselves are too complex and the salient features of the structures that the rule regulates are consequently not obvious. Similarly, the more complex the explanation of a rule is, the less likely it is to lead to understanding, and the more likely it is to be ignored in favor of simpler rules of thumb [...]" (1995: 32). Für De Graaff (1997: 251) stellt sich die Situation ähnlich dar: "When more criteria have to be applied, explicit instruction is hypothesized to be more effective, as spontaneous noticing and processing would then be less likely". Die Schlussfolgerungen, die aus den verschiedenen empirisch gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der Vermittlung sprachlicher Regeln gezogen werden, sind also letztlich ebenso heterogen wie die unternommenen Definitionsversuche. Nach Robinson (1995) lassen sich hier die folgenden drei theoretischen Positionen unterscheiden: die sogenannte ,non-interface-Position', wie sie v.a. von Krashen (1985) vertreten wird und der zufolge das implizite L2-Wissen und das explizite Wissen über/ von Regeln verschiedener Natur und in keiner Weise miteinander verknüpft sind; die aufmerksamkeitsfokussierende Position, wie sie v.a. von Sharwood Smith (1993) vertreten wird und der zufolge Regeln dazu dienen können, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf ausgewählte Aspekte der zu erlernenden Struktur zu lenken, wobei das daraus resultierende Lernen aufgrund induktiver Prozesse nicht (unbedingt) bewusstseinsfähig sein muss und die vermittelnde Position, die in erster Linie von Schmidt (1990) vertreten wird. Ihr zufolge kann das Erlernen und die Anwendung von Regeln zu einem bewussten Verständnis struktureller Regularitäten führen, auf die sich die Regel bezieht; d.h. Schmidt geht also von einer prinzipiellen Bewusstseinsfähigkeit aus. Um hier Klarheit zu schaffen, ist die Durchführung weiterer empirischer Studien zur Vermittlung von komplexen Strukturen mittels Instruktionsmaßnahmen unterschiedlicher Explizitheitsgrade erforderlich. lFLl! L 29 (2000) l 96 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld 2. Eigene Studie 2.1 Vorbemerkung In Bezug auf die empirische Erforschung der Wirkung von Instruktionsmaßnahmen stellt Long (1991) die Forderung nach mehr Experimenten auf, mittels derer die durch diese Maßnahmen bewirkte Lerngeschwindigkeit und das erreichte Niveau nachgewiesen werden können. Solche Experimente operieren mit Experimental- und Kontrollgruppen und mit Pre- und Post-Tests. Die Post-Tests sollten sowohl ,unmittelbar' nach dem Experiment als auch ,verzögert' stattfinden, da sich in früheren Studien häufig ein positiver, kurzzeitiger Effekt für form-fokussierte Instruktion ergeben hatte, während über deren langfristige Wirkung nichts gesagt werden konnte, da sie nicht überprüft worden war. 2.2 Ziel der Studie Ziel der hier dargestellten explorativen, qualitativ und polymethodologisch angelegten Studie ist die Untersuchung der Wirkung, die unterschiedliche Instruktionstypen auf_den Erwerb einer komplexen zielsprachlichen Struktur haben. Diese Wirkung wird anhand des Unterschieds in den Ergebnissen bei durchgeführten Pre-, Post- und ,Follow up'-Tests festgestellt und gemessen. 2.3 Forschungsfrage Ausgehend von der Annahme, dass Unterricht grundsätzlich positive Auswirkungen auf den Erwerb einer Fremdsprache haben kann, stellten wir uns die folgende Forschungsfrage: „Wie wirkt sich ein unterschiedlicher Explizitheitsgrad der Instruktion auf den Erwerb einer komplexen Zielstruktur aus? " 2.4 Zielstruktur Die von uns zum Zweck der Studie ausgewählte Zielstruktur ist die Partizipialkonstruktion. 4 Die folgenden Kriterien bestimmten die Wahl dieser Struktur: Den in Abschnitt 1.2 genannten Kriterien zufolge ist die Partizipialkonstruktion eine formal und funktional komplexe Struktur, deren Regularitäten nicht spontan entdeckt werden können. Ferner ist zu ihrer korrekten Produktion die Berücksichtigung einer Reihe von Teilregeln erforderlich. Dazu gehört u.a. die Bildung des Partizips I und II, das Wissen um zeitliche und syntaktische Abhängigkeiten im Satz und die Beherrschung der 4 Zusätzlich zur Vermittlung der Partizipialkonstruktion war zunächst noch geplant, den impliziten Erwerb von Modalverben zu untersuchen; d.h. die Modalverben sollten nicht explizit vermittelt, sondern lediglich von den Lehrenden bewusst häufig verwendet werden; in Pre-, Post- und ,Follow up'-Test sollten die Lernenden auf ihr semantisches Verständnis von Modalverben überprüft werden. Die im Unterricht geschaffenen sprachlichen Kontexte entsprachen jedoch nicht denen, die in den Tests überprüft wurden. Somit stellte sich heraus, dass der Input nicht geeignet war, einen impliziten Erwerb zu ermöglichen, der mit Hilfe des von uns konzipierten Testverfahrens überprüft werden konnte. lFLuL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener lnstruktionstypen ... 197 Numerus- und Kasuskongruenz. Diese Teilregeln sind verlässlich, es gibt keine Ausnahmen, und es besteht keine Ambiguität (vgl. dazu v.a. Hulstijn/ De Graaff 1994). - Aufgrund ihres verstärkten Vorkommens in wissenschaftlichen Fachtexten ist die Partizipialkonstruktion für die von uns untersuchten Lernenden (vgl. Kap. 2.5.1) eine prüfungsrelevante Struktur, die bis zum Zeitpunkt des Experiments in dem studienvorbereitenden Sprachkurs, den die Lernenden während unserer Studie besuchten, noch nicht behandelt worden ist. Wir konnten somit davon ausgehen, dass das bei den Lernenden vorhandene Vorwissen bezüglich dieser Konstruktion im Wesentlichen gering war. - Es handelt sich um eine Konstruktion, die in erster Linie in der geschriebenen Sprache verwendet wird. Wir konnten somit davon ausgehen, dass die Lernenden im zielsprachlichen Umfeld außerhalb der Studie in der Regel keinen ,relevanten' Input erhielten und wir ihn somit weitgehend kontrollieren konnten. Obschon es sich bei der Partizipialkonstruktion um ein schwieriges und komplexes Phänomen der deutschen Sprache handelt, gehen wir davon aus, dass die Vermittlung expliziten Regelwissens über diese Konstruktionen erfolgreich sein könnte, weil es sich um eine mit Regeln beschreibbare und nach Regeln lernbare Struktur handelt, für die keine Intuition erforderlich ist (vgl. dazu Green/ Hecht 1992). 2.5 Durchführung 2.5.1 Die Lernenden Bei den Teilnehmern an der Studie handelte es sich um Deutschlernende, die den Jahreskurs der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld besuchten, der im Oktober 1997 begonnen hatte und im Juni 1998 mit der Prüfung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse (PNdS) abschloss. Allen Teilnehmern dieses Jahreskurses wurde der im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführte Zusatzunterricht angeboten, an dem insgesamt 12 von ihnen teilnahmen. Dieser Unterricht bot ihnen zusätzliche Lernmöglichkeiten, was für sie insbesondere deshalb interessant war, weil die Sprachprüfung (PNdS), deren Bestehen ihnen die Aufnahme ihres Fachstudiums ermöglichte, nur wenige Wochen später stattfinden sollte. Schließlich wurden die Daten von 2 weiblichen Teilnehmerinnen (aus Polen und dem Iran) und 4 männlichen Teilnehmern ausgewertet (aus Pakistan, der Türkei, Tunesien und Taiwan), da nur sie regelmäßig am Unterricht und an allen für die Studie relevanten Tests teilnahmen. Die Lernenden wurden vor und während der experimentellen Phase nicht darüber informiert, dass es sich bei dem Zusatzunterricht und den durchgeführten Tests um Maßnahmen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie handelte. Die folgenden Gründe waren dafür ausschlaggebend: Es sollte vermieden werden, vorab metasprachliche Informationen über die Zielstruktur geben zu müssen, was bei der Begründung für die Einteilung in Gruppen höchstwahrscheinlich unvermeidlich gewesen wäre. Ferner sollte den gemeinhin bekannten Effekten (z.B. Halo- oder Hawthorne-Effekt), die mit der Teilnahme an Experimenten verbunden sind, vorgebeugt werden. Den Lernenden wurde gesagt, dass die Lehrpersonen allesamt Studierende des Faches Deutsch als Fremdsprache im Rahmen ihres Studiums praktische Lehrerfahning sammeln wollten. lFL1111L 29 (2000) 198 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Bis auf den ,Follow up '-Test und ein weiteres Nachgespräch wurden alle im Rahmen der Studie ausgewerteten Daten in der Zeit vom 27.4.98 bis zum 8.5.98 erhoben. Der Unterricht selbst wurde an drei aufeinanderfolgenden Tagen vom 28.4.98 bis zum 30.4.98 durchgeführt. 2.5.2 Beschreibung der Instruktionstypen Es galt zu ermitteln, von welchem lnstruktionstyp die Lernenden in Bezug auf den Erwerb der Partizipialkonstruktion am meisten profitieren: ( 1) von der expliziten Vermittlung von Regeln zur Bildung von Partizipialkonstruktionen, der Illustration an Beispielen und gezielten Übungen, (2) von der Erarbeitung und Diskussion eines Textes, in dem die Zielstruktur überdurchschnittlich häufig enthalten und mittels Fettdruck hervorgehoben ist oder (3) von der Erarbeitung und Diskussion eines Textes, in dem die Zielstruktur zwar überdurchschnittlich häufig enthalten, nicht jedoch hervorgehoben ist. In Bezug auf die Instruktion unterschieden wir daher die folgenden Typen: Typ 1: Focus-on-Forms (FonFs): explizitemetasprachliche Regelerklärung der Zielstruktur plus Übungen anhand von nicht-kontextualisierten Beispielen Typ 2: Focus-on-Form (FonF): visuelle Input-Verstärkung der Zielstruktur in einem in der Gruppe zu bearbeitenden Text; die gehäuft auftretenden Partizipialkonstruktionen wurden auflnitiative der Lehrenden von den Lernenden aufgelöst, allerdings gab es weder gezielte Übungen noch wurden Erklärungen geliefert. Typ 3: Focus-on-Meaning (FonM): impliziter, rein inhaltlich ausgerichteter Unterricht, in dem im Plenum derselbe Text wie in der FanF-Gruppe bearbeitet wurde. Zur näheren Beschreibung und Unterscheidung von Typ 1 (FonFs) und Typ 2 (FonF), vergleiche die folgende Definition von Long (1991: 45 f): "[W]hereas the content of lessons with a focus on forms is the forms themselves, a syllabus with a focus on form teaches something else-biology, mathematics, workshop practice, automobilerepair, the geography of a country where the foreign language is spoken, the culture of its speakers, and so on and overtly draws students' attention to linguistic elements as they arise incidentally in lessons whose overriding focus is on meaning or communication". Da es sich bei der vorliegenden Studie um ein Experiment handelte, in dem der Erwerb einer nach bestimmten Kriterien ausgewählten Zielstruktur untersucht werden sollte, wurde das Auftreten dieser Struktur nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt manipuliert. So wurde der in den FonF- und FanM-Gruppen zu bearbeitende Text so modifiziert, dass möglichst viele Realisierungen der Zielstruktur auftraten. In Bezug auf Typ 2 (FonF) ist ferner zu sagen, dass die Aufmerksamkeit der Lernenden durch optische Hervorhebung (= Fettdruck) des relevanten Inputs geweckt werden sollte. Bezüglich Typ 3 (FonM) lag der Fokus ausschließlich auf dem inhaltlichen Verständnis des in der Gruppe gemeinsam zu bearbeitenden Textes. JFLill][, 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 2.5.3 Beschreibung der Durchführung 2.5.3.I Methodisches Vorgehen 199 Die Lernenden wurden per Losverfahren einem der drei Instruktionstypen (FonFs, FonF, FonM) zugeteilt. Der Unterricht fand an drei aufeinander folgenden Tagen statt und wurde von den Forschenden selbst durchgeführt. Uns ist bewusst, dass ein solches Vorgehen Anlass zur Kritik geben kann; wir halten dies jedoch für ein akzeptables Verfahren, das eine Reihe von Vorteilen aufweist: Auf diese Weise konnte sicher gestellt werden, dass die Lernenden tatsächlich nach den von der Forschergruppe konzipierten Instruktionstypen unterrichtet wurden. Der Unterrichtsablauf des PNdS-Sprachkurses, den die Lernenden seit Oktober 1997 besuchten und der unmittelbar vor der Prüfungsvorbereitungsphase stand, wurde nicht gestört. Es war möglich, mehrere Gruppen parallel und zeitgleich zu unterrichten, was ansonsten aus Mangel an personellen Ressourcen innerhalb des Sprachkurses nicht möglich gewesen wäre. Die Forschenden sind Lehrende, und die Lehrenden sind Forschende. Die strikte Trennung zwischen wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Beschäftigung mit erwerbs- und verrnittlungsspezifischen Fragestellungen wird gezielt aufgehoben ein Versuch, dem Postulat nach Verzahnung von Theorie, Empirie und Praxis Rechnung zu tragen. Um zu gewährleisten, dass sich die Lehrenden nachträglich hinsichtlich der Einhaltung der zuvor festgelegten Instruktionstypen überprüfen konnten und zum Zweck einer verbesserten Inter-Rater-Reliabiliät, wurden die einzelnen Unterrichtseinheiten aufgenommen und anschließend durch gegenseitiges Abhören kontrolliert. 2.5.3.2 Der Unterricht in der Focus-on-Fonns Gruppe (FonFs) Ziel der drei Unterrichtsstunden war es, die Regeln zur Partizipialkonstruktion im Deutschen kontextfrei und isoliert zu lehren. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Betrachtung und Übung syntaktischer Regeln. Die präsentierten Beispiele wiesen keinen inhaltlichen Zusammenhang untereinander auf. In der ersten Unterrichtsstunde wurden vom Lehrenden zunächst einleitend Regeln zur Bildung und zum attributiven Gebrauch der beiden Partizipien sowie zur Stellung des Partizips bzw. der Partizipialkonstruktion im Satz vorgestellt. Die Präsentation der Regeln erfolgte mit Hilfe eines Overhead- Projektors. In dieser und in den folgenden Unterrichtsstunden hatten die Lernenden jederzeit Gelegenheit, Fragen zur Zielstruktur stellen. Im Anschluss an die Regelpräsentation in der ersten Stunde wurde im Plenum anhand von jeweils fünf Beispielsätzen die Umformung eines Relativsatzes in eine Partizipialkonstruktion mit dem Partizip I bzw. Partizip II geübt. In der zweiten Unterrichtsstunde wurden vom Lehrenden zu Beginn die Regeln wiederholt, die bereits am Vortag im Unterricht behandelt worden waren. Anschließend wurden mit einem Overhead- Projektor Regeln zur Partizipialkonstruktion mit transitiven Verben präsentiert. Der letzte Teil der Stunde bestand aus Umformungsübungen, bei denen aus Relativsätzen Partizipialkonstruktionen und umgekehrt gebildet wurden. Diese Umformungen wurden gemeinsam im Plenum erarbeitet. In der dritten Unterrichtsstunde wurden vom Lehrenden mit dem Overhead-Projektor zunächst Regeln zur Partizipialkonstruktion mit intransitiven Verben vorgestellt. Anschließend bearbeiteten die JFLIIL 29 (2000) 200 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Lernenden zwanzig Beispielsätze: Die Aufgabe bestand darin, aus Relativsätzen Partizipialkonstruktionen und umgekehrt zu bilden, danach wurden diese Beispielsätze im Plenum besprochen. Während die ersten beiden Unterrichtsstunden ca. 30 Minuten dauerten, erstreckte sich die dritte Einheit über ca. 60 Minuten. Am ersten Unterrichtstag waren zwei Lernende anwesend, an den beiden folgenden Tagen jeweils alle Lernenden. 2.5.3.3 Der Unterricht in der Focus-on-Form Gruppe (FonF) Das in den drei Tagen eingesetzte Unterrichtsmaterial hatte gemäß unserer Fragestellung folgenden Ansprüchen zu genügen: Es sollte möglichst viele Partizipialkonstruktionen enthalten, die visuell hervorgehoben sein sollten, um die Aufmerksamkeit der Lernenden auf diese Form zu lenken. Inhaltlich sollte es sich um einen kohärenten Text handeln, der die Partizipialkonstruktionen in einen sinnvollen kontextuellen Zusammenhang stellte. Zu diesem Zweck wurde von uns ein Zeitungsartikel "Doppelt so viel Fehler wie vor dreißig Jahren" Frankfurter Al/ gemeine Zeitung, 6.4.98) so umgeschrieben, dass Relativsätze wo dies angebracht schien in Partizipialkonstruktionen umgeformt wurden. Das Thema des Textes, Rechtschreibschwierigkeiten bei deutschen Jugendlichen, schien uns auch inhaltlich für unsere Lernenden interessant. Der Text selbst sollte im Sinne unserer Zielsetzung also der Vermittlung von Partizipialkonstruktionen modifiziert werden; dies geschah durch Fettdruck sämtlicher Partizipialkonstruktionen. Hier lag auf der Textebene der einzige Unterschied zu der FonM-Gruppe, die den gleichen Text ohne optische Hervorhebungen verwendete. Der Text war 584 Wörter lang und enthielt 23 Partizipialkonstruktionen. Er wurde in drei gleich lange Abschnitte unterteilt; in jeder Unterrichtsstunde wurde jeweils ein Abschnitt inhaltlich bearbeitet. Es wurden Partizipialkonstruktionen weder explizit thematisiert noch als solche bezeichnet; auch Regeln zu dieser Struktur wurden nicht gegeben. Im einzelnen verliefen die drei Unterrichtsstunden mit einer Dauer von jeweils ca. 60 Minuten nach dem gleichen Schema: Zuerst wurde der jeweilige Textabschnitt verteilt und still gelesen. Danach wurden unklare Begriffe im Plenum geklärt, um ein inhaltliches Verstehen zu ermöglichen. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde das inhaltliche Verständnis durch Fragen des Lehrenden zum Inhalt gesichert. Nach einem nochmaligen gemeinsamen lauten Lesen mit dem Ziel, die modifizierte Form den Lernenden so oft wie möglich zu präsentieren sollten die Teilnehmer einzelne vom Lehrenden ausgewählte Sätze in eigenen Worten wiedergeben. Bei diesen Sätzen handelte es sich ausschließlich um Sätze mit Partizipialkonstruktionen. Die Umformung sollte den Lernenden Gelegenheit geben, diese Konstruktionen zu bearbeiten, also aufzulösen oder zu umschreiben, ohne dass dabei eine explizite Auseinandersetzung mit der Zielstruktur erforderlich war. Die Umschreibungen führten zu einer inhaltlichen Auflösung dessen, was in den Partizipialkonstruktionen ausgedrückt wurde; spontane, sofort erfolgreiche Umformungen in Relativsätze waren jedoch selten, zumeist wurde der Satz in mehrere Hauptsätze zerlegt oder um Satzfragmente teils auf Nachfrage erweitert. Die zweite und dritte Stunde wurde jeweils mit einer kurzen Wiederholung der vorangehenden Textabschnitte eröffnet, um den inhaltlichen Bezug zur je"".eils vorangegangenen Stunde zu sichern. 2.5.3.4 Der Unterricht in der Focus-on-Meaning Gruppe (FonM) Das Unterrichtsmaterial dieser Gruppe bestand aus demselben semi-authentischen Zeitungsartikel, der auch in der FonF-Gruppe verwendet wurde. Ebenso erfolgte dieselbe Unterteilung in drei relativ gleich lange Abschnitte, die inhaltlich sinnvoll voneinander trennbar waren. Der einzige Unterschied zum Text der FonF-Gruppe bestand darin, dass die in ihm enthaltenen Partizipialkonstruktionen nicht hervorgehoben worden waren. lFL1lllL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 201 Zu Beginn der ersten Unterrichtsstunde wurde den Lernenden als Unterrichtsziel das Verstehen des · Textes und dessen anschließende adäquate Zusammenfassung genannt. Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Erarbeitung des Textes exemplarischen Charakter haben und eine Übung für einen Teilbereich der PNdS-Prüfung darstellen sollte. Alle drei Unterrichtsstunden (von ca. 45-60 Minuten Länge) hatten jeweils einen Abschnitt des Zeitungsartikels zum Inhalt. Grammatikalische Strukturen wurden weder von Seiten der Lehrenden noch von den Lernenden thematisiert. Didaktisch folgten die Unterrichtsstunden dem folgenden Schema: - Vorentlastung des Textes (in der ersten Stunde durch ein Brainstorming in Bezug auf den Titel des Textes mit der ganzen Gruppe, in der zweiten und dritten Stunde durch eine kurze Zusammenfassung des vorhergehenden Zeitungsabschnittes durch einen Lernenden, der von den anderen Teilnehmern ergänzt wurde), leises Lesen-und Markierung unbekannter Wörter, Worterklärungen (wenn möglich durch die Kursteilnehmer, sonst durch die Lehrende), mehrmaliges lautes Lesen des Textes, die Lernenden wechselten sich dabei ab, mündliche Beantwortung der von der Lehrenden vorbereiteten Fragen zum Textinhalt, die Fragen bezogen sich zwar auf den Inhalt des Textes, die Partizipialkonstruktionen mussten zur Beantwortung der Fragen jedoch verstanden worden sein, am Ende jeder Stunde wurde der Inhalt des Textes von einem Kursteilnehmer mündlich zusammengefasst. Insgesamt war der Unterricht kommunikativ und rein inhaltlich orientiert. Die im Text enthaltenen Partizipialkonstruktionen waren nicht markiert, sie wurden _weder vom Lehrenden noch von den Lernenden thematisiert. 2.6 Untersuchungsinstrumente 2.6.1 Pre-Test Zu Beginn der Studie wurde ein Pre-Test durchgeführt, um den Kenntnisstand der Lernenden in Bezug auf die Zielstruktur zu überprüfen; dieser Test dauerte etwa 35 Minuten und bestand aus den folgenden Teilen 5 : a. Abgabe von Grammatikalitätsurteilen zwecks Ermittlung impliziten Wissens über die Zielstruktur: Die Lernenden sollten angeben, ob es sich bei den vorgegebenen Beispielsätzen um grammatisch korrekte oder inkorrekte Sätze handelte; für den Fall, dass sie sie für falsch hielten, sollten sie einen Korrekturvorschlag machen. Vier der zur Bearbeitung angebotenen Beispielsätze enthielten Partizipialkonstruktionen, vier Modalverben, denen die Funktion einer Kontrollstruktur zukommen sollte (siehe dazu oben Anmerkung 4 [S. 196]). b. Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen (Produktion): In Analogie zu einem vorgegebenen Beispiel sollten insgesamt sechs Konstruktionen umgeformt werden. Der umzuformende Relativsatz war durch Fettdruck hervorgehoben. c. Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze (Rezeption): In Analogie zu einem vorgegebenen Beispiel sollten sechs strukturell äquivalente Konstruktionen in Relativsätze umgeformt werden. Die umzuformende Partizipialkonstruktion war durch Fettdruck hervorgehoben. 5 Aus Platzgründen können die verschiedenen von uns eingesetzten Tests und Fragebögen nicht abgedruckt werden. Interessierten Lesern/ Leserinnen lassen wir die Materialien jedoch gern zukommen. lFL1UllL 29 (2000) 202 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld d. Nach Vorgabe einer semantischen Umschreibung einer Modalverbbedeutung sollte das entsprechende Modalverb ausgewählt und ein Satz gebildet werden. Die Umschreibung war durch Fettdruck hervorgehoben (siehe dazu Anmerkung 4 [S. 196]). 2.6.2 Lerne,fragebogen In einem anschließend ausgegebenen Lernerfragebogen wurden Informationen zu den folgenden Bereichen erhoben: Daten zur Lernbiographie, Muttersprache, weitere Fremdsprachen, Reihenfolge und Dauer ihres Erwerbs. Ferner fragten wir danach, in welchem Land, an welcher Institution diese Fremdsprachen gelernt wurden und wie die Lernenden ihr sprachliches Niveau in den einzelnen Fremdsprachen einschätzen. Damit sollten bisherige Sprachlernerfahrungen erfasst werden. Außerdem wurde ermittelt, wie häufig sich die Lernenden in einem deutschsprachigen Land, zu welchem Zweck und seit wann sie sich zum Zeitpunkt der Befragung in Deutschland aufgehalten haben. Da wir davon ausgehen, dass die Motivation, Deutsch zu lernen, auch davon abhängig ist, welches Fach jemand zu studieren beabsichtigt, fragten wir auch nach den angestrebten Studienfächern. Die nächsten vier Fragenkomplexe bezogen sich auf den PNdS-Sprachkurs: Wir fragten danach, welche Inhalte sich die Lernenden von dem Sprachkurs erhofft hatten. Wir gaben eine Liste mit möglichen Inhalten vor und baten die Lerner, auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr stark) anzukreuzen, wie stark dieses Bedürfnis bei ihnen ausgeprägt war und wie stark diesem Bedürfnis bis zum Zeitpunkt der Befragung entsprochen worden ist: Leseverstehen, Hörverstehen, Sprechen, Schreiben, Orientierungshilfen für das tägliche Leben, Uni kennen lernen, deutsche Kultur kennen lernen, wissenschaftliches Arbeiten, Freundschaften schließen, Sonstige. Anschließend wurden die Lernenden explizit danach gefragt, was ihnen im Jahreskurs gefehlt hat. Die nächsten vier Fragenkomplexe bezogen sich auf die von den Lernenden bevorzugten Lernformen. Auf einer Skala von 1 bis 5 sollte angegeben werden, in welchem Maße sie Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Lehrervortrag, Plenumsdiskussion, Medien oder sonstige Lernformen bevorzugen. Anschließend wurde nach der Art und Weise und nach Techniken gefragt, mittels derer sie außerhalb des Sprachkurses lernen. So sollte ermittelt werden, ob die Lernenden wenn sie autonom lernen eher inhalts- oder eher formorientiert vorgehen. Die nächsten beiden Fragen befassten sich mit Übungsformen, von denen jeweils die drei am meisten und die drei am wenigsten bevorzugten genannt werden sollten. Zur Auswahl standen: Lückentext, Grammatikübungen, Rollenspiel, Aufsatz schreiben, Diktat, Bildbeschreibung, Nacherzählung, mündlicher Vortrag/ Referat, ,multiple choice'-Aufgaben, Gedichte oder Lieder auswendig lernen, literarische Texte besprechen, Zeitungstexte besprechen, Texte interpretieren, Sonstige. Die nächsten fünf Fragen dienten der Ermittlung dessen, wie die Lernenden am besten grammatische Strukturen lernen: ob anhand von Regeln oder anhand von Beispielen ob sie es vorziehen, Regeln erklärt bekommen oder selbst zu entdecken ob es ihnen wichtiger ist, grammatisch korrekt oder flüssig zu sprechen und von welchen situativen Bedingungen dies abhängig ist. IFL! IL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener lnstruktionstypen ... 203 Anschließend sollten die Lernenden angeben, ob und, wenn ja, in welchen Bereichen sich ihre Deutschkenntnisse im letzten halben Jahr verbessert hatten und was sie vor allem innerhalb des Sprachkurses und was sie vor allem außerhalb gelernt hatten. Ferner sollten sie angeben, in welchen Bereichen sie Korrekturen als hilfreich empfinden und wie sie ihre eigene Aktivität im Unterricht einschätzten. 2.6.3 Uptake-Fragebogen Laut Schmidt (1995: 4) reguliert die Aufmerksamkeit den Zugang zum Bewusstsein und ermöglicht die subjektive Erfahrung des ,noticing', die er als "the necessary and sufficient condition for the conversion of input to intake" bezeichnet. Als Kriterium dafür, ob ,noticing' stattgefunden hat, betrachtet Schmidt die Fähigkeit, über das im Input Wahrgenommene berichten zu können. Problematisch ist hierbei, dass man zwar etwas wahrnehmen, es aber auch wieder vergessen kann; auch spielt das bereits vorhandene Vorwissen eine wichtige Rolle. Ferner kann Lernenden die Metasprache fehlen, die für die Beschreibung dessen, was sie wahrgenommen haben, erforderlich ist. Dennoch haben wir versucht, unmittelbar im Anschluss an jede Unterrichtseinheit mittels eines sogenannten Uptake-Fragebogens zu erfahren, an was sich die Lernenden noch erinnern, was sie gelernt haben und was ihnen wichtig erschien: Es ging uns also darum, die ,Insider'-Perspektive und die subjektive Einschätzung des Unterrichts und der relevanten Variablen zu ermitteln und nachvollziehbar zu machen. Die Lernenden sollten Angaben zu den folgenden Themenbereichen machen: allgemeine Motivation in Bezug auf den zusätzlichen Unterricht, Aufmerksamkeit, Interesse, affektive Stimmungen, Art und Ausmaß der Beteiligung als ein mögliches Indiz für das Interesse am Unterricht, Entdeckung von neuen Strukturen, Anfertigung von Notizen, Einschätzung des Unterrichtsgegenstands und -ziels. 2.6.4 Post-Test, ,Follow up'-Test und Nachgespräche Nach drei ca. 50-60 Minuten dauernden Unterrichtseinheiten an drei aufeinanderfolgenden Tagen wurde in der darauffolgenden Woche ein dem Pre-Test strukturell äquivalenter Post- Test durchgeführt. Zwei Tage später fand ein abschließendes Gespräch statt, an dem alle Lehrenden und 10 Lernende teilnahmen. Dieses Gespräch diente der Ermittlung dessen, wie die Lernenden den Zusatzunterricht im Hinblick auf seinen Nutzen bewerteten. Ca. 8 Monate nach dem Post-Test und dem ersten Nachgespräch wurde ein identischer Follow up- Test und ein weiteres Nachgespräch durchgeführt, an dem noch fünf Lerner teilnahmen. 2.6.5 , Studienfremde' Zusatzdaten Zusätzlich zu den Daten aus dem Pre-, dem Post- und dem Follow up-Test wurden die Ergebnisse des Einstufungstests (September 1997) und der PNdS (Juni 1998) einbezogen, denen von uns allerdings kein allzu großes Gewicht beigemessen wurde. Die Berücksichtigung dieser Zusatzdaten hatte lediglich den Zweck, uns einen allgemeinen Eindruck über die zwischenzeitliche sprachliche Entwicklung der Lernenden zu verschaffen. FL1UIL 29 (2000) 204 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld 3. Analyse und Auswertung 3.1 Gewichtung der Datentypen Die verschiedenen Untersuchungsinstrumente, die wir zur Analyse und Auswertung unserer Studie heranzogen, wurden unterschiedlich gewichtet. Zentrale Daten waren die Ergebnisse des Pre-, des Post~ und des Follow up-Tests, da sie die Grundlage für die Beantwortung unserer Forschungsfrage bildeten. Die Analyse der Testergebnisse konzentrierte sich vorrangig auf die Testteile, mit denen Grammatikalitätsurteile über Partizipialkonstruktionen sowie deren Rezeption und Produktion evaluiert wurden. Ergänzt wurden die Testergebnisse durch die Angaben der Lernenden aus dem Fragebogen zur Lern(er)biographie, aus den Uptake-Fragebögen sowie den Nachgesprächen. Die hier ermittelte Lernerperspektive diente in der Hauptsache zwei Zwecken: der zusätzlichen Validierung der anhand der Testergebnisse zu treffenden Aussagen bezüglich der Wirkung verschiedener Instruktionstypen sowie der Unterstützung von Erklärungsansätzen für das Zustandekommen der Testergebnisse. 3.2 Bewertungskriterien Die Feststellung, Klassifikation und Gewichtung der Fehler ist für die Bewertung der Tests unerlässlich. Diese Bewertung vollzog sich in zwei Schritten. Zuerst wurden die Testergebnisse einer allgemeinen Fehlerfeststellung unterzogen, um dann mittels eines Punktesystems eine allgemeine Bewertung zu ermöglichen. Dieser Schritt diente den Forschenden, zur Fehlerklassifikation und den Lernenden zur gewünschten Rückmeldung über ihre sprachliche Kompetenz in Bezug auf die Zielstruktur. In einem zweiten Schritt gewichteten wir die klassifizierten Fehler im Sinne unserer Untersuchung. Diese Gewichtung der Fehlerklassen erschien uns sinnvoll, um die Aussagekraft der Daten im Hinblick auf die Zielstruktur zu erhöhen und zu gewährleisten, dass bevorzugt die Strukturen überprüft und bewertet werden, die in den verschiedenen Instruktionstypen vermittelt werden sollten. Das Punktesystem sollte die verschiedenen Aufgabentypen gleichwertig berücksichtigen'. Aus diesem Grund legten wir pro Item eine maximal zu erreichende Zahl von fünf Punkten fest. Je nach Aufgabentyp gestalteten sich die Möglichkeiten des Punktabzugs unterschiedlich. Die Items zu den Grammatikalitätsurteilen wurden wie folgt bewertet: Ein richtiges Urteil .brachte die maximale Punktzahl 5, ein Fehlurteil oder.eine Nichtbearbeitung hingegen OPunkte. Wurde ein korrektes Item als falsch eingestuft, bezog sich die Verbesserung jedoch nicht auf die Partizipialkonstruktion, wurde nur 1 Punkt abgezogen. Wurde eine falsche Konstruktion vom Probanden zwar als falsch erkannt, jedoch falsch korrigiert, wurden 4 bzw. bei mehr als einem Fehler am Partizip 3 Punkte vergeben. Grundsätzlich wurde das Partizip selbst bei allen Items mit bis zu 2 Punkten bewertet, um eine Aufwertung dieser Fehlerklasse zu gewährleisten. Die Items, die eine Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen bzw. eine Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze verlangten, ergaben bei richtiger Lösung ebenfalls 5 Punkte. 0 Punkte wurden hier nur im Falle einer Nichtbearbei- FLuL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 205 tung oder einer gravierenden Sinnverdrehung, die keinen Bezug zur richtigen Lösung aufwies, vergeben. Jeweils maximal 2 Punkte konnten auch hier für das Partizip abgezogen werden. Diese Abzüge betrafen die Wahl des falschen Partizips sowie Bildungs- oder Kongruenzfehler am Partizip. Jeweils 1 Punkt wurde pro Item für Fehler in folgenden Bereichen abgezogen: Interpunktion, Relativpronomen, Syntax, Tempus, Diathese, Lexik/ Semantik, Kongruenz, Orthographie und Auslassung von Satzelementen. In einem zweiten Schritt bewerteten wir die Fehlerklassen im Hinblick auf ihre morphologische und syntaktische Verbindung mit der Partizipialkonstruktion. Diese Gewichtung sollte gewährleisten, dass die Testergebnisse spezifischen Aufschluss über die Beherrschung der Partizipialkonstruktion geben. Fehlerklassen, die keinen Bezug zur unterrichteten Zielstruktur aufwiesen, wurden nicht weiter berücksichtigt. Zu dieser Kategorie zählen Interpunktion, Syntax, Lexik/ Semantik, Auslassung und Orthographie. Eine zweite Kategorie besteht aus Fehlerklassen, die ihre Relevanz aus einer mittelbaren Beziehung zur Partizipialkonstruktion erhalten. Diese Fehlerklassen betreffen die Wahl des richtigen Relativpronomens, Tempus und Diathese. Die höchste Gewichtung erfuhren Fehlerklassen, die unmittelbar das Partizip und die Partizipialkonstruktion betrafen. Dies sind Fehler in den Bereichen Kongruenz, Partizip und Sinnverdrehung. 4. Beschreibung und Interpretation der Testergebnisse Zum Zweck der qualitativen Interpretation der von uns erhobenen und quantitativ ausgewerteten Testdaten zogen wir die Angaben aus dem Lemerfragebogen, den Uptake-Fragebögen und den Nachbesprechungen heran. 4.1 Focus-on-Forms (FonFs) 4.1.1 Lemerin A Grammatikalitätsurteile Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 1 1 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 0 0 0 Fehlurteil 2 1 0 Umformung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 3 1 3 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 3 1 4 lFLllL 29 (2000) 206 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Umformung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse I 3 3 6 Fehlerklasse 2 0 0 2 Fehlerklasse 3 2 0 0 Bei dieser Lernerin sind alle schweren Fehler bei den Grammatikalitätsurteilen auf Fehlurteile zurückzuführen. Bei der Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze machte die Lernerin im Pre- Test einen Partizipfehler und führte bei einem Satz keine Umformung durch, im Follow up-Test machte sie zwei mittelschwere Diathesefehler. Bei der Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen handelt es sich bei den schweren Fehlern im Pre-Test durchgängig um Kongruenzfehler, im Post- Test um einen Partizipfehler und im ,Follow up '-Test um einen Partizip- und zwei Kongruenzfehler. Bei dieser Lernerin zeigt sich insofern ein einheitliches Bild, als dass sich die Anzahl der schweren Fehler zwischen Pre- und Post-Test für alle Aufgabentypen reduzierte. Für zwei der drei Aufgabentypen lässt sich auch für den Follow up-Test noch eine Verbesserung (Grammatikalitätsurteile) bzw. ein Verbleiben auf hohem Niveau (keine schweren Fehler bei der Umformung in Relativsätze) feststellen. Hierzu muss allerdings bemerkt werden, dass die im Pre-Test dokumentierten Eingangsvoraussetzungen für diese Lernerin schon sehr gut waren (lediglich zwei schwere Fehler im Pre-Test beim ersten_ bzw. zweiten Aufgabentyp). Einzig bei dem dritten und schwierigsten Aufgabentyp (Produktion von Partizipialkonstruktionen) fällt diese Lernerin im Follow up-Test sogar knapp hinter das Pre-Testniveau zurück. Bei diesem Aufgabentyp mag zunächst die Verdopplung der Fehlerzahl als bemerkenswert erscheinen. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Fehler jedoch "nur" als leichte (Interpunktion, Orthographie) bis mittelschwere (Diathese) Fehler. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass sich diese Lernerin kurzzeitig in allen getesteten Bereichen verbessert hat. Langfristig sind bei ihr, außer bei den Produktionsaufgaben, Fehler, die unmittelbar die Zielstruktur betreffen (Partizipbzw. Kongruenzfehler), nicht wieder aufgetaucht. Die Tatsache, dass für die ersten beiden Aufgabentypen auch langfristig keine wesentliche Verschlechterung eintrat, legt die Vermutung nahe, dass die produktive Beherrschung der Partizipialkonstruktion erst in einem relativ späten Stadium der Interimsprache erfolgt. Die guten Testergebnisse der Lernerin korrespondieren mit ihrem Wunsch nach expliziter Vermittlung von grammatischen Regeln im Unterricht, obwohl sie dem flüssigen Sprechen einen höheren Stellenwert als der grammatischen Korrektheit beimisst. 4.1.2 Lerner B Im Pre-Test sind alle schweren Fehler bei den Grammatikalitätsurteilen auf Fehlurteile zurückzuführen, wohingegen es sich bei dem schweren Fehler im Follow up-Test um einen Partizipfehler handelt. Bei der Umformung von Partizipialkonstrnktionen in Relativsätze handelt es sich bei den schweren Fehlern im Pre-Test ausschließlich um Partizipfehler, im Follow up-Test um einen Kongruenzfehler. Außerdem produzierte der Lerner im Pre-Test einen und im Follow up-Test drei mittelschwere Diathesefehler. Bei der Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen machte der Lerner im Pre-Test jeweils einen Partizipbzw. Kongruenzfehler. Im Post-Test machte der Lerner weder schwere noch mittelschwere Fehler. Grammatikalitätsurteile Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 1 0 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 0 0 1 Fehlurteil 3 0 0 lFLllL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener / nstruktionstypen ... 207 Umfonnung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 1 2 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 2 0 0 Umformung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 3 6 1 Fehlerklasse 2 1 0 3 Fehlerklasse 3 3 0 1 Auch bei diesem Lerner kann man annehmen, dass die explizite Instruktion kurzzeitig eine bessere (rezeptive und produktive) Beherrschung der Zielstruktur zur Folge hatte, da im Post-Test die unmittelbar die Partizipialkonstruktion betreffenden schweren Fehler völlig verschwanden. Beim Föllow up- Test ist dann zwar wieder eine leichte Verschlechterung erkennbar,jedoch wurde die Fehlerzahl des Pre- Tests in allen Aufgabentypen unterschritten. Ebenso auffällig ist, dass für diesen Lerner die absolute Fehlerzahl für alle Aufgabentypen gleichermaßen im Pre-Test am höchsten war, so dass er auch langfristig von der expliziten Instruktion profitiert zu haben scheint. Die deutliche Verbesserung der Testergebnisse in der für die Zielstruktur besonders relevanten Fehlerklasse korrespondiert mit dem hohen Stellenwert, den der Lerner dem Erlernen und der korrekten Anwendung grammatischer Strukturen beimisst. 4.1.3 Lernerin C Zwei der schweren Fehler bei den Grammatikalitätsurteilen im Pre-Test sind bei dieser Lemerin auf ein Fehlurt1,il zurückzuführen, einer auf eine Sinnverdrehung. Im Follow up-Test macht die Lemerin einen Partizipfehler. Bei der Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze produziert diese Lemerin nur einen schweren Kongruenzfehler im Post-Test. Die mittelschweren Fehler dieser Lemerin sind auf einen Diathesefehler im Post-Test sowie einen Diathesebzw. Tempusfehler im Pre-Test zurückzuführen. Bei der Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen traten im Pre-Test zwei Kongruenz- und ein Partizipfehler, im Post-Test zwei Partizipfehler und im Follow up-Test vier Partizip- und ein Kongruenzfehler auf. Grammatikalitätsurteile Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 1 1 1 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 1 0 1 Fehlurteil 2 0 0 Umfonnung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 1 2 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 3 2 5 Umfonnung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Pre-Test- Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 3 1 2 Fehlerklasse 2 2 1 0 Fehlerklasse 3 0 1 0 IFL111L 29 (2000) 208 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Für die Grammatikalitätsurteile und die Umformung in Relativsätze kann man zwischen Pre- und Post-Test eine Verbesserung bei den schweren Fehlern feststellen, für die Umformung in Partizipialkonstruktionen trifft dies jedoch nicht zu. Bei diesem Aufgabentyp machte die Lernerin nur im Post-Test einen schweren Fehler. Da sie sich jedoch bereits auf einem sehr hohen Niveau befand, kann man hier nicht von einer Verschlechterung sprechen, insbesondere weil auch der Follow up-Test frei von schweren Fehlern ist. Dies ist möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Lernerin das für die Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze nötige Regelwissen bereits zum Zeitpunkt des Pre-Tests besaß und ihr im Post-Test eventuell nur ein Flüchtigkeitsfehler unterlief. Trifft diese Einschätzung zu, dann könnte man auch für diese Lernerin eine positive kurzzeitige Wirkung der expliziten Instruktion konstatieren. Uneinheitlich stellt sich das Bild im Hinblick auf die langzeitige Wirkung der Instruktion dar. Gravierend verschlechtert hat sich die Lernerin im Follow up-Test hinsichtlich der schweren Fehler bei der Produktion von Partizipialkonstruktionen, wo sie aufeinem hohen Fehlerniveau sogar hinter dem Pre-Test-Ergebnis zurückblieb. Die rezeptive Beherrschung der Zielstruktur, dokumentiert durch die ersten beiden Aufgabentypen, ist hingegen auch langzeitig feststellbar. Obwohl dem Wunsch der Lernerin nach expliziter Vermittlung komplizierter Regeln im Unterricht entsprochen wurde, scheint der Unterricht sie eher verunsichert zu haben. 4.1.4 Zusammenfassung Lernerübergreifend lässt sich feststellen, dass sich die schweren Fehler bei den Grammatikalitätsurteilen nach dem Instruktionsblock verringerten, bei einem Lerner ist eine kontinuierliche Verbesserung über alle Tests hinweg erkennbar. Bei den anderen beiden Lernerinnen ist das Ergebnis des Follow up-Tests geringfügig schlechter als das des Post-Tests. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei der Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze verzeichnen. Fasst man den einen schweren Fehler bei Lernerin C als Flüchtigkeitsfehler auf, so ist auch bei diesem Aufgabentyp bei allen Lernern nach dem Pre-Test eine Verbesserung festzustellen: die schweren Fehler, die allerdings auch schon im Pre-Test gering waren, verschwanden in den folgenden Tests fast vollständig. Eine etwas abweichende Entwicklung zeigt sich für die Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen. Bei diesem anspruchsvollsten Aufgabentyp verbesserten sich zwar alle Lerner zwischen Pre- und Post-Test, zwei von ihnen machten allerdings im Follow up-Test mehr Fehler als im Pre-Test. Ausgenommen davon war der Lerner B, der am deutlichsten zum Ausdruck brachte, dass Grammatikvermittlung für ihn einem außerordentlich hohen Stellenwert hat und der dementsprechend eine explizite Regelvermittlung bevorzugt. Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass die explizite Instruktion kurzzeitig für alle drei Aufgabentypen eine positive Wirkung hervorbrachte. 4.2 Focus-on-Form (FonF) 4.2.1 Lerner D Bei diesem Lerner liegen nur Pre- und Post-Test vor. Bei den Grammatikalitätsurteilen ist eine deutliche Verschlechterung festzustellen. Die Anzahl der Fehler hat sich bei unwesentlich veränderter Qualität verdoppelt: Während im Pre-Test ein Kongruenzfehler und eine fehlende Umformung feststellbar waren, gab dieser Lerner im Post-Test zwei Fehlurteile ab und machte je einen Partizip- und einen Kongruenzfehler. Dem Lerner war die Konstruktion jedoch offensichtlich nicht ganz unbekannt, da er sie insgesamt dreimal richtig löste: im Pre-Test jeweils einmal produktiv und rezeptiv und im Post-Test einmal rezeptiv. lFLlJIL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 209 Grammatikalitätsurteile Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse I 0 I 0 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 1 2 0 Fehlurteil 1 2 0 Umformung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 2 0 0 Fehlerklasse 2 0 0 0 Fehlerklasse 3 8 8 0 Umformung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 3 3 0 Fehlerklasse 2 4 3 0 Fehlerklasse. 3 1 1. 0 .. Bei der Auflösung von Partizipialkonstruktionen in Reliltivsätze verbesserte sich der Lerner quantitativ im Post-Test leicht. Auffällig ist hier, dass es eine Fehlerkonzentration bei der Diathese gibt, die quantitativ unverändert blieb..Bei den schweren Fehlern macht er im Post-Test einen ~ongruenzfehler mehr und eine Sinnverdrehung weniger. Dies reicht jedoch nicht aus, um von einer qualitativen Verbesserung zu sprechen. Bei der Umformung von Relativsätzen in Partizipialkonstruktionen ergibt sich durch Vermeidung leichter Interpunktionsfehler quantitativ eine leichte Verbesserung im Post-Test. Auffällig sind die Probleme des Lerners mit der Kongruenz: Im Pre-Test weist jede Aufgabe einen Kongruenzfehler auf. Im Post-'J'est konnte er die Kongruenzfehler auf die Hälfte reduzieren, verdoppelte jedoch die schweren Partizipfehler und verdrehte den Sinn eines Satzes; quantitativ bleiben die schweren Fehler dadurch gleich. Zentrale Probleme dieses Lerners sind die Beherrschung der Kongruenz und der Diathese; nur bei der Kongruenz jedoch hat sich eine leichte Verbesserung ergeben. Insgesamt kann man weder von einer eindeutigenVerbesserung noch von einer Verschlechterung sprechen, vom zusätzlichen Input hat der Lerner in den getesteten Bereichen offensichtlich nicht profitiert. 4.2.2 Zusammenfassung Der Lerner gab an, Regeln besser zu behalten, wenn sie vom Lehrenden erklärt werden; offensichtlich hat er deshalb nicht nach ihnen gesucht. Auch war seine Aufmerksamkeit den Uptake-Bögen zufolge ganz auf die inhaltiichen und nicht auf die grammatischen Aspekte des Unterrichts gerichtet. Der Lerner ist deshalb als ein inhaltlich orientierter Lernertyp zu beschreiben, der auf Instruktion durch den Lehrenden wartet. Eine einfache formale Hervorhebung der Zielstruktur reicht für diesen Lerner nicht aus, um seine Aufmerksamkeit auf grammatische Aspekte der Zielsprache zu lenken. Des weiteren ergibt sich aus den Zusatzdaten, dass dieser Lerner seine Sprachkenntnisse größtenteils ungesteuert erworben hatte und in Bezug aufFremdsprachenunterricht dementsprechend unerfahren war. Offensichtlich hat er den Stellenwert der Grammatik erst beim Sprachenlernen in der Universität entdeckt. Obwohl der Unterricht ihm inhaltlich entgegen kam und von ihm positiv bewertet wurde, scheint dies keinen merklichen Einfluss auf den Erwerb der Zielstruktur gehabt zu haben; der Lerner befand sich möglicherweise in einer Phase, in der er erst die grammatischen Voraussetzungen (Kongruenz und Diathese) erwarb, die für die korrekte Bildung der Partizipialkonstruktion erforderlich sind. FLuL 29 (2000) 210 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld 4.3 Focus-on-Meaning (FonM) 4.3.1 Lerner E Grammatikalitätsurteile Fehlerklasse 1 Fehlerklasse 2 Fehlerklasse 3 Fehlurteil Umformung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Fehlerklasse 1 Fehlerklasse 2 Fehlerklasse 3 Umformung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Fehlerklasse 1 Fehlerklasse 2 Fehlerklasse 3 Pre-Test 1 0 0 2 Pre-Test 5 0 4 Pre-Test 1 2 0 Post-Test Follow up-Test 0 0 0 0 0 0 2 1 Post-Test Follow up-Test 4 4 0 1 7 8 Post-Test Follow up-Test 1 3 1 0 1 2 Dieser Lerner gab bei den Grammatikalitätsurteilen im Pre- und Post-Test je zwei, im Follow up-Test ein Fehlurteil ab. Bei der Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze löste er in beiden Tests jeweils 3 der 6 Aufgaben fehlerfrei. In den verbleibenden Sätzen kam es im Pre-Test zu zwei mittelschweren Diathese-Fehlern, im Post-Test zu einem Diathese- und einem schweren Kongruenzfehler. Im Follow up-Test machte der Lernende zwei schwere Partizipfehler. Auch in diesem Test wurden drei der sechs Sätze richtig umgeformt. Bei der Produktion von Partizipialkonstruktionen kam es im Pre-Test zu vier schweren Kongruenzfehlern. Im Post-Test verschlechterte sich der Lerner im Hinblick auf die Anzahl und die Qualität der Fehler. Der Lerner produzierte sieben schwere und einen mittelschweren Fehler, drei Partizip-, vier Kongruenz- und einen Diathesefehler. Im Post-Test konnte der Lernende nur einen der sechs Relativsätze in eine vollständig korrekte Partizipialkonstruktion umformen. Im Follow up-Test wurde ein Satz gar nicht bearbeitet. Die Anzahl der mittelschweren und schweren Fehler blieb im Vergleich zum Pre-Test konstant, die Qualität der Fehler änderte sich nicht entscheidend: Der Lernende produzierte einen Partizipfehler mehr und einen Kongruenzfehler weniger. 4.3.2 Lerner F Grammatikalitätsurteile Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 0 0 Fehlerklasse 2 0 0 1 Fehlerklasse 3 0 1 0 Fehlurteil 2 2 2 Umformung Relativsatz - Partizipialkonstruktion Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 1 0 0 Fehlerklasse 2 0 1 2 Fehlerklasse 3 4 3 2 lFwL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener / nstruktionstypen ... 211 Umformung Partizipialkonstruktion - Relativsatz Pre-Test Post-Test Follow up-Test Fehlerklasse 1 0 1 1 Fehlerklasse 2 3 3 1 Fehlerklasse 3 2 0 0 Dieser Lernende gab bei den Grammatikalitätsurteilen in allen drei Tests je zwei Fehlurteile ab. Bei der Umformung von Partizipialkonstruktionen in Relativsätze produzierte er im Pre-Test zwei schwere Partizip-Fehler, zwei mittelschwere Diathese- und einen Tempusfehler. Im Post-Test wurden zwei Diathese- und ein Tempusfehler gemacht. Im Follow up-Test trat nur noch ein Diathesefehler auf. Bei der Produktion von Partizipialkonstruktionen machte der Lerner im Pre-Test vier schwere Partizipfehler. Im Post-Test trat nur noch ein Partizipfehler auf, zwei weitere betrafen die Kongruenz, einer die Diathese. Im Follow up-Test gab es wiederum zwei Fehler am Partizip, einen Diathese- und einen Tempusfehler. 4.3.3 Zusammenfassung Lerner E war nach den drei zusätzlichen Unterrichtssi: unden bei den Grammatikalitätsurteilen noch unsicher, wie die konstant bleibende Fehlurteilsquote im Post-Test belegt. Die Umformung in Partizipialkonstruktionen beherrschte der Lernende bereits im Pre-Test relativ gut, die Fehlerqualität bei der Bearbeitung dieses Aufgabentyps blieb im Post-Test etwa gleich. Die quantitative und qualitative Fehlerdifferenz zwischen dem Pre- und Post-Test im Bereich der Produktionsaufgaben zeigt eine Verschlechterung der produktiven Fähigkeiten dieses Lerners in Bezug auf die Zielstruktur. Die implizite Vermittlung der Zielstruktur in der FonM-Gruppe scheint für diesen Lerner iri Bezug auf ihren Erwerb keine positiven Auswirkungen gehabt zu haben. Die Veränderung der Fehlerqualität in allen drei Tests deutet insgesamt daraufhin, dass der Erwerb der Partizipialkonstruktion bei diesem Lernenden im untersuchten Zeitraum nicht voranschritt. Während er sich bei den Grammatikalitätsurteilen leicht verbesserte, fiel er bei der Auflösung und Produktion von Partizipialkonstruktionen hinter sein Eingangsniveau zurück; dies könnte als ein erhöhtes implizites oder intuitives Wissen über die Zielstruktur gewertet werden. Die Fähigkeit von Lerner F hinsichtlich der Beurteilung von Partizipialkonstruktionen hat sich vom Prezum Post-Test nicht verbessert. Bemerkenswert ist, dass der Lerner die Zielstruktur bereits im Pre-Test korrekt markierte, indem er sie in Klammern setzte, obwohl dieses nicht verlangt worden war. Er identifizierte und markierte damit die Zielstruktur, war allerdings nicht in der Lage, vorhandene Fehler zu erkennen und zu verbessern. Dieser Lerner hat sich in den beiden anderen Aufgabentypen vom Prezum Post-Test in Bezug auf die Quantität der Fehler bei gleichzeitiger Veränderung ihrer Qualität leicht verbessert. Während im Eingangstest die korrekte Wahl und Bildung des Partizips das größte Problem darstellte, waren im Post-Test eher die das Partizip mittelbar betreffenden Phänomene problematisch. Dieser Lerner hat bei der Umformung und der Produktion von Partizipialkonstruktionen sichtbare Fortschritte gemacht. Ebenso legt das Ergebnis des Follow up-Tests nahe, dass sich der Lerner im korrekten Gebrauch der Partizipialkonstruktion auch langfristig verbessert hat. 5. Interpretation und Diskussion Für zwei unserer Gruppen (FonFs und FonM) konnten anhand des Follow up-Testes langzeitige Auswirkungen der Instruktion getestet werden. Die Ergebnisse sind gruppenübergreifend als sehr heterogen einzuschätzen. Nur jeweils ein Lerner aus beiden Gruppen (Lerner B und Lerner F) erzielte langzeitig bei allen drei Aufgabentypen bessere Ergebnisse als im Pre-Test. lFLlllL 29 (2000) 212 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Um diese Heterogenität erklären zu können, haben wir bei der Interpretation der Testergebnisse die einzelnen Lernenden, ihre individuellen Voraussetzungen und subjektiven Wahrnehmungen bezüglich des Unterrichts einbezogen. Insgesamt scheint der Einfluss der Unterrichtsmethode langzeitig gegenüber der Relevanz anderer Faktoren zu verblassen. Insbesondere die individuelle Variable ,Sprach(lern)bewusstheit' (vgl. Knapp-Potthoff 1997) gilt es, in die Analyse mit einzubeziehen. Die von den Lernenden zu diesem Faktor gemachten Angaben waren von besonderer Bedeutung für die Interpretation der Ergebnisse der Gruppen FonM und FonF, da sie uns Aufschluss darüber gaben, worauf die Lernenden im Unterricht geachtet hatten, und da in diesen Gruppen die selbstinitiierte Aufmerksamkeit der Lernenden in Bezug auf die Partizipialkonstruktion eine wesentliche Voraussetzung für ihren Erwerb darstellte. Während in der FonFs-Gruppe die Aufmerksamkeit von Seiten des Lehrenden gezielt auf die Zielstruktur und deren Bildung gelenkt wurde, sollte dies in der FonF-Gruppe durch Markierung der Partizipialkonstruktionen und in der FonM-Gruppe allein durch gehäuften Input erfolgen. 5.1 Individuelle Faktoren als Erklärungsansatz. 5.1.1 Lerner D Die vergleichsweise schlechten Ergebnisse von Lerner D können nicht allein mit der unzureichenden Markierung der Zielstruktur (siehe Abschnitt 6.2) erklärt werden. Zunächst fällt auf, dass Lerner D insgesamt sehr wenig Fremdsprachenunterricht genossen und seine Sprachkenntnisse vorrangig ungesteuert erworben hat. Er ist der einzige Proband, der erstmals im Sprachkurs gesteuert Deutsch lernte, die sprachlichen Grundlagen hierfür erwarb er ungesteuert in den vorausgegangenen knapp zwei Jahren Aufenthalt in Deutschland. Hinzu kommt, dass er auch den Jahreskurs eher unregelmäßig besuchte, so dass man davon ausgehen kann, dass Lerner D über wenig explizite Regelkenntnis verfügte und auch deutlich hervorgehobene grammatische Strukturen nicht als solche identifizieren konnte. Im Fragebogen gab er zudem an, dass er Regelerklärungen durch den Lehrenden braucht und nicht glaubt, Regeln selbst entdecken zu können. Des weiteren lassen seine Verbesserungen im Bereich der Kongruenz im Laufe des Zusatzunterrichts daraufhin schließen, dass er die nötigen Teilregeln als Grundlage des Erwerbs der Partizipialkonstruktion noch nicht beherrschte und in diesem Sinne noch nicht 'bereit' für den Erwerb dieser komplexen Struktur war (vgl. dazu die Publikationen von Pienemann, z.B. 1989). 5.1.2 Lerner E Auch bei Lerner E kann man aus den Testergebnissen schließen, dass das zui: n Erwerb der Partizipialkonstruktion nötige grammatische Vorwissen bei ihm keinesfalls gefestigt war. Hinzu kommt, dass er beim Spracherwerb stark auf die Steuerung des Lehrenden angewiesen ist. Seine Lernstrategien beschränken sich auf die Wiederholung des Unterrichtsstoffes und die Bearbeitung der Hausaufgaben. Alles, was er außerhalb des Unterrichts lernt, ist seiner eigenen Einschätzung nach „nicht so wichtig". Für einen instrumentell motivierten und prüfungsorientierten Lerner wie E, der einen lehrerzentrierten Unterricht bevorzugt und sich zum Zeitpunkt des Pre-Tests auf einem vergleichbar schwachen Niveau befand, war der implizite Instruktionstyp offensichtlich nur wenig hilfreich. Aus einem späteren informellen Gespräch mit diesem Lerner wissen wir außerdem, dass er sich in dem Zeitraum zwischen Post-und Follow up-Test praktisch gar nicht mit seinem Deutscherwerb befasste, sondern sich vorrangig darauf konzentrierte, den Einstieg in das angestrebte Sportstudium zu erreichen. Seine gesamten Daten und Angaben legen den Schluss nahe, dass seine Aufmerksamkeit im von ihm als positiv bewerteten Unterricht ausschließlich auf den Inhalt des Textes gerichtet war. Auch wenn ihm der Unterricht selbst lFILll! L 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 213 gefallen hat, hat er ihn doch bezüglich der Tests verunsichert, so dass Lerner E hinter seine Ergebnisse im Pre-Test zurückfiel. Die schwachen langzeitigen Ergebnisse könnten von einer tiefgreifenden Unsicherheit dieses Lerners im Ui: ngang mit der komplexen Zielstruktur zeugen. 5.1.3 Lernerinnen A und C Lernerin A und Lernerin C weisen insofern Gemeinsamkeiten auf, als dass sie beide am Unterricht der FonFs-Gruppe teilgenommen haben und also ihre Aufmerksamkeit von außen auf die grammatische Struktur und Bildung der Partizipialkonstruktion gelenkt war. Bei beiden Lernerinnen lässt sich anhand des Pre-Tests feststellen, dass sie über ein ausreichendes Vorwissen verfügten. Beide Lernerinnen haben sich im Post-Test zunächst verbessert, sind aber im Follow up-Test bei den Produktionsaufgaben zurückgefallen, wobei Lernerin C bei diesem Aufgabentyp sogar unter ihr Niveau im Pre-Test zurückfiel. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Übergeneralisierungs- und Vermeidungsstrategien bei isoliert gelehrten grammatischen Strukturen langfristig stärker ins Gewicht fallen, da während der Instruktion keine typischen Verwendungkontexte präsentiert bzw. geschaffen worden waren und somit das Erfordernis des produktiven und angemessenen Gebrauchs der Zielstruktur fehlte. Lernerin C ist nach eigenen Angaben wenig grammatikorientiert und hat die Zielstruktur im Anschluss an die Instruktion daher auch möglicherweise nicht mehr geübt. Da sie ihrer Selbsteinschätzung zufolge die Bildung der Partizipien zum Instruktionszeitpunkt noch nicht vollständig beherrschte, könnte dies eine Erklärung für ihr relativ schlechtes Abschneiden bei diesem Aufgabentyp im Follow up-Test sein. Bei Lernerin A sind die im Vergleich zu den vorangegangenen Tests schwachen Follow up-Testergebnisse bei der Umformung bzw. Produktion von Partizipialkonstruktionen auffällig. Diese Lernerin ist zwar nicht ausschließlich regelorientiert, misst aber einer expliziten Grammatikvermittlung durchaus großes Gewicht bei. Die rezeptive Beherrschung der Zielstruktur bleibt jedoch bei Lernerin A und Lernerin C auch langfristig erhalten. Wir führen den Rückfall in den Produktionsaufgaben auf die fehlend! , Anwendung und Kontextualisierung der Partizipialkonstruktion in der FonFs-Gruppe zurück. Offensichtlich waren diese Lernerinnen nicht in der Lage, geeignete Anwendungskontexte zu finden, obwohl Lernerin A angibt, dass eine ihrer Lernstrategien in der Verwendung des Gelernten außerhalb des Unterrichts besteht. Lemerin C schreibt im letzten Uptake-Fragebogen, dass sie zwar nun „ weniger Probleme mit der Partizipialkonstruktion" habe, aber „noch ein bisschen Zeit [braucht], sie zu benutzen". Die explizite Instruktion h_atte bei den Lernerinnen A und C also nur kurzfristig einen positiven Effekt, da sie ihnen keine angemessene produktive Kompetenz vermittelte und sie nicht in der Lage waren, diese selbstgesteuert zu erwerben. 5.1.4 Lerner B Wir gehen davon aus, dass Lerner B solch ein hervorragendes Ergebnis erzielen konnte, weil der Unterricht für ihn „der richtige zum richtigen Zeitpunkt" war. Das heißt einerseits, dass Lerner B bezüglich seines Sprachstandes „bereit" war für den Erwerb dieser komplexen Struktur, er konnte seine Aufmerksamkeit unei_ngeschränkt auf die Partizipialkonstruktionen lenken, da er keine Unsicherheiten im Bereich der grammatischen Strukturen hatte, die als Voraussetzung für ihren Erwerb angesehen werden können (Kongruenz etc.). Hinzu kommt, dass Lerner Bein grammatikorientierter Lerner ist, der Instruktionstyp entsprach also seinen Präferenzen und Erwartungen. Lerner B verschlechterte sich im Follow up-Test im Vergleich zum Post-Test nur unwesentlich. Die grammatischen Strukturen wurden ihm anhand von Regeln erklärt, ein „Entdecken" der Regeln, welches er auf sich bezogen für unwahrscheinlich hält, war nicht erforderlich. Offensichtlich sucht sich dieser Lerner die Kontexte zur Anwendung außerhalb des Unterrichts; dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass auch im Follow up-Test eine weitere Steigerung in der Beherrschung der Partizipialkonstruktionen festzustellen ist. IF[,m: , 29 (2000) 214 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld 5.1.5 Lerner F Die guten Ergebnisse von Lerner F in Post- und Follow up-Test sind darauf zurückzuführen, dass er einerseits über das nötige Grundlagenwissen verfügte, das durch den Unterricht gefestigt und erweitert werden konnte. Andererseits ist er ein sprachbewusster, selbstgesteuerter Lerner, der seinen Sprachstand und seine Schwächen einzuschätzen weiß und gezielt daran arbeitet, eigene „Modelle" zum Verständnis und zur Übung grammatischer Strukturen entwickelt und Kontakte in der Fremdsprache sucht. Auch wenn der Fokus des Unterrichts eine rein inhaltliche Textarbeit war, gibt Lerner F an, dort (neben der Erweiterung des Wortschatzes) gelernt zu haben, wie man „Sätze ganz logisch bildet". Seine Fähigkeit, dem Unterricht mehr zu entnehmen als vom Lehrenden explizit angeboten wird, ist die Basis für seinen Erfolg in den beiden nachfolgenden Tests. 5.1.6 Zusammenfassung Aus den erhobenen Daten und den Angaben der Lerner ergibt sich, dass die Aufmerksamkeit und die Fähigkeit zur Selbststeuerung und zum autonomen Lernen beim Erwerbsprozess eine wichtige Rolle spielt. Gerade die Lerner, die in der Lage waren, von dem unmittelbar angebotenen sprachlichen Material zu abstrahieren und das daraus gewonnene Wissen „trotz" der Instruktion in andere Kontexte zu transferieren (vgl. Lerner B und Lerner F), profitierten langfristig vom Unterricht und erwarben die Zielstruktur. Diese Selbststeuerung setzt allerdings ein bestimmtes Maß an Sprach(lern)bewusstheit voraus, d.h. die Lernenden müssen sich über die „Lücken" in ihrem sprachlichen Wissen bewusst sein und über Techniken verfügen, diese zu beseitigen. Wir gehen davon aus, dass dem bewussten Wahrnehmen der Regelhaftigkeit (auch komplexer) grammatischer Strukturen eine tragende Rolle im Erwerbsprozess zukommt. Es scheint, dass unabhängig vom jeweiligen Instruktionstyp eine ausgeprägte Sprach(lern)bewusstheit eine günstige Voraussetzung für den erfolgreichen Erwerb einer komplexen Zielstruktur darstellt. Diese Bewusstheit beinhaltet eine gewisse Grammatikorientiertheit, die auf der Basis von vorhandenem Vorwissen für das autonome Lernen außerhalb des Unterrichts nützlich sein kann. 6. Zusammenfassung und Ausblick 6.1 Schlussfolgerungen Die Ergebnisse unsere Studie unterstützen nicht die von Long/ Robinson (1998) getroffene Aussage, dass eine FonF-Instruktion generell Vorteile gegenüber einer FonM-Instruktion hat. Wie die Testergebnisse derjenigen Lernenden zeigen, die mittels gehäuftem Input (input flood) in der FonM-Gruppe bzw. gehäuftem und verstärktem Input (enhanced input) in der FonF-Gruppe unterrichtet worden sind, scheint ausschließlich positive Evidenz ohne die Berücksichtigung weiterer Faktoren nicht hinreichend für den erfolgreichen Erwerb einer komplexen Struktur wie der Partizipialkonstruktion zu sein. In der bisherigen Literatur (Doughty 1991 oder Sharwood-Smith 1991, 1993) bleibt allerdings ungeklärt, wie derlnput verstärkt werden soll und mit welchen Markierungen der größte Lernerfolg erzielt werden kann. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine einfache Markierung (wie z.B. Fettdruck) nicht ausreicht, um die Aufmerksamkeit der Lerner auf die formalen Aspekte der Sprache lFLuL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 215 zu lenken. Die optische Hervorhebung der gesamten Zielstruktur durch Fettdruck hatte keine erkennbare Aufmerksamkeitsfokussierung auf Seiten der Lernenden zur Folge. Sie bietet offensichtlich zu wenig "additional salience" (Long/ Robinson 1998, siehe auch Abschnitt 1.1 oben), um auf morphologische und syntaktische Besonderheiten aufmerksam zu machen. Für den Erwerb einer komplexen syntaktischen Struktur scheint ein möglichst hoher Grad an Explizitheit-wie er den Lernenden in der FonFs-Gruppe angeboten wurde vorteilhaft zu sein, da er die Aufmerksamkeit der Lerner auf die sprachliche Form lenkt; visuelle Markierungen auf der „Textoberfläche" lenken die Aufmerksamkeit demgegenüber nicht zwangsläufig auf die der Struktur zugrunde liegenden Regeln. Diese Feststellung führt zu der Frage, wie Markierungen zu gestalten sind, um genügend "additional salience" zu vermitteln. Bemerkenswert ist, dass in den gesamten drei Unterrichtsstunden in der FonF- Gruppe seitens der Lernenden nie die Frage erhoben wurde, warum bestimmte Satzteile optisch hervorgehoben waren. Eine Lernerin gab später an, sie habe geglaubt, dass dies die Sätze übersichtlicher machen sollte. Zwei weitere Lerner gaben an, dass sie dem keine besondere Bedeutung beigemessen hätten. Eine zusätzliche Verstärkung könnte ein analytischer bzw. vorstrukturierter Input bieten; d.h. in Abhängigkeit von der Komplexität der Zielstruktur sollten verschiedene Arten von Markierungen Aufschluss über bestimmte, ihr zugrunde liegende Teilregeln bieten, um die Aufmerksamkeit auf syntaktische Informationen zu lenken. So könnte bei der von uns gewählten Partizipialkonstruktion neben Fettdruck der gesamten Konstruktion eine zusätzliche Markierung das Partizip und dessen Endungen hervorheben. Man könnte diese Informationen durch weitere Markierungen am Partizip dergestalt ergänzen, dass beispielsweise bestehende Kongruenzen optisch gleich gekennzeichnet werden und so die Wahrnehmung der Lernenden auf morphologische Aspekte gelenkt wird. Eine solche differenzierte Markierung könnte ein verbessertes Verständnis der Zielstruktur zur Folge haben und somit Informationen zur korrekten Bildung des Partizips liefern. 6 Für den Instruktionstyp FonF ist also die Forderung nach einer möglichst eindeutigen und vielschichtigen Markierung berechtigt. Die Markierungen müssen sicherstellen, dass die Aufmerksamkeit der Lerner tatsächlich auf die Zielstruktur gelenkt wird. Hier sollten weitere Studien die Wirkung verschiedener Markierungstypen untersuchen und überprüfen, ob unterschiedliche Grade an Markierung unterschiedliche Effekte auf die Wahrnehmung und den Erwerb einer Zielstruktur haben. Zusätzlich sollte der Input um negative Evidenz bereichert werden, um das Entdecken der einer komplexen Struktur zugrunde liegenden Regeln zu erleichtern. Für den Erwerb einer komplexen Struktur scheint auch der Instruktionstyp FonM nicht ungeeignet, sofern es sich bei der Zielgruppe um eher grammatikorientierte Lerner handelt. Hier sollte in qualitativen Studien der Einfluss der Variable „Lernertyp" näher untersucht werden; so deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass "enhancement" zum einen für kommunikativ orientierte Lernertypen zu schwach sein kann, während eher grammatisch orientierte Lernertypen möglicherweise gar keine Markierung benötigen, um auf formalsprachliche Aspekte zu achten. 6 Ein solches Verfahren könnte insbesondere für solche Lernenden positiv sein, die mit der Verwendung grammatischer Terminologie nur unzureichend vertraut sind. IFLuL 29 (2000) 216 Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld Für die Vermittlung einer komplexen sprachlichen Struktur erwies sich kurzfristig insbesondere bei selbstgesteuerten, sprachlernbewussten und grammatisch orientierten Lernern der Instruktionstyp FonFs als erfolgreichste Vermittlungsmethode. Allerdings scheint dieser Instruktionstyp nur in geringem Umfang den Transfer auf andere sprachliche Kontexte zu ermöglichen. Auch ergab sich aus den Teilnehmerreaktionen, dass dieser Instruktionstyp über eine längere Zeit als die von uns unterrichteten drei Tage hinaus als langweilig empfunden worden wäre und damit den Vorteil einer maximalen Aufmerksamkeitsfokussierung verloren hätte. Da die unterschiedlichen Ergebnisse auch mittels der Learnability-Hypothese zu erklären sind, erscheint die Berücksichtigung von Erwerbssequenzen in der Unterrichtspraxis sinnvoll. Bevor Lernende bestimmte Regularitäten der Zielsprache noch nicht beherrschen, können andere Teilregeln nicht erworben werden, die zur korrekten Bildung einer bestimmten Zielstruktur erforderlich sind. Der Erfolg eines Instruktionstyps kann so durch das jeweilige Stadium, in dem sich der individuelle Lerner befindet, beeinflusst werden. Zusammenfassend lässt sich aus unserer Studie die Forderung nach einer stärkeren unterrichtspraktischen Berücksichtigung der individuellen Unterschiede der Lernenden ableiten. · Basierend auf den Ergebnissen der von uns untersuchten Lerner gehen wir davon aus, dass zwei Faktoren eine tragende Rolle im Erwerb zukommt: 1. einem differenzierten Wissen über den eigenen Sprachstand, d.h. vorhandene Fähigkeiten bzw. Defizite zu kennen und 2. einer gewissen Grammatikorientiertheit. Beide Faktoren sind Voraussetzung für das bewusste Wahrnehmen der Regelhaftigkeit grammatischer Strukturen, welches dann zu Selbststeuerung und autonomem Lernen führen kann. 6.2 Empfehlungen für die Unterrichtspraxis Abschließend möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass sich unsere Empfehlungen ausschließlich auf die Vermittlung einer komplexen syntaktischen Struktur beziehen. Eine Übertragung auf andere zielsprachliche Strukturen lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vornehmen. Unter dieser Einschränkung plädieren wir zusammenfassend für den variablen Einsatz verschiedener Instruktionstypen in der Unterrichtspraxis. Eine solche Instruktionstypenvielfalt sollte sich vorrangig an den Voraussetzungen und Bedürfnissen der Lerner in Bezug auf ihren Spracherwerb orientieren. Sie hat zum Ziel, Sprachlernbewusstheit und Sprachlernstrategien zu entwickeln und zu fördern. Besonders selbstgesteuerten und autonomen Lernern bieten sich durch die bewusste Anwendung grammatischer Strukturen außerhalb des Unterrichts enorme zusätzliche Lernchancen. Der Instruktionstyp FonFs erwies sich kurzfristig für einen autonomen Lernertyp als sehr erfolgreich. Andererseits erzielte ein ebensolcher Lernertyp auch bei impliziter Instruktion gute Ergebnisse. Daher plädieren wir dafür, dass die gezielte Auswahl und Anwendung von Instruktionstypen im Fremdsprachenunterricht nicht zum Selbstzweck gerät, sondern dass verschiedene lnstruktionstypen zur Entwicklung und Förderung der Lernerautonomie eingesetzt und diesem Ziel untergeordnet werden. JFJLwL 29 (2000) Zur Effektivität verschiedener Instruktionstypen ... 217 Literatur CADIERN0, Teresa (1995): "Formal instruction from a processing perspective: An investigation into the Spanish past tense". In: Modern Language Journal 79(2), 179-193. CARROLL, Susan / SWAIN, Merrill (1993): "Explicit and implicit negative feedback: An empirical study ofthe learning oflinguistic generalizations". In: Studies in Second Language Acquisition 15(3), 357- 386. DEGRAAFF, Rick ( 1997): "The Experanto experiment: Effects of explicit instruction on second language acquisition". In: Studies in Second Language Acquisition 19(2), 249-297. DEKEYSER, Robert M. 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