eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 29/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2000
291 Gnutzmann Küster Schramm

Willis EDMONDSON: Twelve Lectures on Second Language Acquisition. Foreign Language Teaching and Learning Perspectives

121
2000
Torsten Schlak
Willis EDMONDSON: Twelve Lectures on Second Language Acquisition. Foreign Language Teaching and Learning Perspectives. Tübingen: Narr 1999 (Language in Performance: Band 19), VIII + 287 Seiten [DM 96,-]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Willis EDM0NDS0N: Twelve Lectures on Second Language Acquisition. Foreign Language Teaching and Learning Perspectives. Tübingen: Narr 1999 (Language in Performance; Band 19), Vill+ 287 Seiten [DM96,-] Eine neue Veröffentlichung von Willis Edmondson weckt immer Vorfreude auf die Lektüre, so auch hier: Twelve Lectures on Second Language Acquisition! Die Erwartungen an die inhaltliche Qualität, aber auch hinsichtlich der Lesbarkeit und an den Unterhaltungswert des Buches, sind hoch. Um es vorwegzunehmen, Edmondsons neuestes Buch erfüllt die Erwartungen voll: Es ist inhaltlich sehr gelungen, spannend, anregend, anschaulich, verständlich, mit Humor geschrieben und liest sich somit wunderbar leicht. Wie der Autor einleitend bemerkt, beabsichtigt er keine Vollständigkeit, sondern legt Wert auf einen persönlichen sowie kohärenten Zugang zur Thematik. Die Verbindungen zwischen Zweitsprachenerwerbsforschung und Unterrichtspraxis deutlich herauszustellen, ist ihm dabei wichtig. Beide Absichten werden sehr gelungen umgesetzt. Edmondson berücksichtigt nicht jede beliebige Studie, sondern konzentriert sich auf einige einflussreiche Studien und analysiert diese oft sehr detailliert und kritisch-reflektierend. Dabei wird immer wieder der Zusammenhang zwischen Zweitsprachenerwerbsforschung und Fremdsprachenunterricht thematisiert. Das Buch enthält 12 Kapitel bzw. Vorlesungen und ein nützliches Sach- und Personenregister. In Vorlesung 1 werden zentrale Begriffe kritisch-problematisierend definiert und ein Überblick über die Thematik der Zweitsprachenerwerbsforschung und die einzelnen Vorlesungen gegeben. Dabei bezieht sich Edmondson auf seine Modellierung des Zweitsprachenerwerbs als Ausgangs- und Orientierungspunkt der Diskussion. In den Vorlesungen 2 und 3 wird Chomskys Universalgrammatik als Basis des LI-Erwerbs diskutiert und dann hinterfragt, ob und inwieweit L2-Lernende Zugang zur Universalgrammatik haben und wie groß die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprachenerwerb sind. Sehr gelungen ist u.a. die vergleichende Darstellung verschiedener Untersuchungsdesigns aus diesem Bereich. Vorlesung 4 enthält eine kritische Analyse sogenannter "does instruction make a difference"-Studien, deren Wert Edmondson zumindest in der bisherigen Konzeptualisierung weitgehend bestreitet. In diesem Kontext wird auch die "teachability"-Hypothese Pienemanns und deren empirische Basis erörtert. Vorlesung 5 behandelt den Themenbereich Transfer, zuerst in historischer Perspektive, dann im Hinblick auf neuere Entwicklung wie „markedness" und „transferability". Kommunikationsstrategien werden kurz angesprochen. Wie in allen Vorlesungen wird auch in diesem Kapitel sehr vorsichtig und umsichtig mit Terminologie umgegangen, Begriffe genau voneinander abgegrenzt und auf problematische Begriffe und Definitionsschwierigkeiten hingewiesen. Vorlesungen 6 und 7 thematisieren individuelle Unterschiede beim Zweitsprachenerwerb. Es wird ausführlich erörtert, warum bestimme Lernende erfolgreicher sind als andere. Zur Diskussion stehen vor allem die Variablen Alter, Begabung und Motivation. Weitere Faktoren wie z.B. Lernstil und soziale und psychologische Distanz werden am Rande erwähnt. Dabei hebt Edmondson besonders hervor, dass die einzelnen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen, miteinander interagieren, Überschneidungen und Übereinstimmungen aufweisen, kurz, in einem komplexen Verhältnis zueinander stehen. Sehr interessant und wie so vieles in dem vorliegenden Buch nicht unprovokant ist hier u.a. Edmondsons Neuinterpretation der umstrittenen Studien von Neufeld zur Überprüfung der kritischen Periode. Während gewöhnlich kritisiert wird, Neufeld habe seinen Probanden durch unangemessene Vorbereitung zu einer (kurzzeitigen) muttersprachlichen Produktion verholfen, sieht Edmondson in diesem Vorgehen einen Beleg für die potentielle Effektivität von Fremdsprachenunterricht. Überhaupt merkt man dem Autor oft eine Zuneigung zum angeblichen Problemkind Fremdsprachenunterricht an: Während viele Zweitsprachenerwerbsforscher (immer noch) kritische Perioden postulieren, den Wert des Unterrichts im Allgemeinen in Zweifel ziehen, Unterricht in ihren Arbeiten weitgehend unbeachtet und unbeobachtet als „instruction" (ab)klassifizieren, die Überlegenheit natürlicher Erwerbskontexte betonen usw., steht Edmondson den meisten dieser Positionen kritisch gegen- FLulL 29 (2000) 240 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel über und verteidigt zumeist mit sehr guten theoretischen wie auch empirischen Argumenten fremdsprachenunterrichtliches Lernen. In Vorlesung 8 setzt sich der Autor mit Arbeiten zur Rolle des Inputs beim Zweitsprachenerwerb auseinander. Studien und Ergebnisse aus der LI und L2 Forschung werden vorgestellt, Begriffe wie „modified input" kritisch hinterfragt, grundlegende Beschreibungen des „motherese" und des „foreigner talks" gegeben und dabei zudem das Thema „teacher talk" und die Funktion von Feedback beim Erstsprachenerwerb gestreift. Auch hier vertritt Edmondson eine eher unorthodoxe Position, indem er auf Basis eigener Daten gegen die postulierte Irrelevanz von Feedback für den LI-Erwerb argumentiert. Mittlerweile wird seine Position durch verschiedene LI-und L2"recast"-Studien gestützt. Krashens Input-Hypothese und die weniger bekannte aber nicht weniger interessante „spectator hypothesis" von Slimani werden weiterhin vorgestellt und insbesondere natürlich im Fall Krashens einer kritischen Analyse unterzogen. Die Themen „input", "modified input" und „teacher talk" werden in Vorlesung 9 um ihre interaktive Dimension erweitert. Aus Input wird Interaktion, aus „modified input" Bedeutungsaushandlung. Hinsichtlich des „teacher talk" werden metalinguistische Informationen, formfokussierte Aufgaben/ Interaktion, "scaffolded input" und Feedback kurz angesprochen; und zwar um u.a. zu verdeutlichen, dass der Begriff „input" als Charakterisierung der unterrichtlichen Interaktion zu kurz greift. Der Autor postuliert in Ansätzen eine eigene Version der Interaktionshypothese, die sich von Longs einflussreichen Vorarbeiten u.a. darin unterscheidet, dass der Interaktionsprozess an sich - und nicht (nur) die Funktion von Interaktion, Input verständlich zu machen als spracherwerbsförderlich angesehen wird. Variation und Variabilität in der Lernersprache(nproduktion) sind Thema der 10. Vorlesung. Einschlägige Studien werden vorgestellt, theoretische Modellierungen von Tarone und Ellis kurz diskutiert. Edmondson ist der Auffassung, dass Variabilität grundsätzlich systematisch ist. Er unterscheidet verschiedene Formen von Variation "transitional variation", "overload variation", "sociolinguistic variation", "language intemal variation") und macht deutlich, dass Variation kein reines Lemersprachenphänomen, sondern kennzeichnend für jede Form menschlichen Sprachverhaltens ist. Vorlesung 11 behandelt kognitive Ansätze in der Zweitsprachenerwerbsforschung. Zentrale Begriffe wie „consciousness", Restrukturierung, "U-shaped behavior" und deklaratives/ prozedurales Wissen werden thematisiert, problematisiert und verortet. Besonders ausführlich und interessant ist in dieser Vorlesung die Diskussion der Bedeutung von Routinen für den Spracherwerb. Anhand selbst erhobener L ! -Daten verdeutlicht der Autor die Plausibilität der „Routines-to-Grammar-Hypothesis". Sehr gelungen ist auch die Verbindung kognitiver Theoriebildung und didaktischer Unterrichtsprinzipien zu einem kohärenten Modell. Einige deutsche Fachdidaktiker werden in dieser Vorlesung wohl eine Diskussion konstruktivistischer Ansätze a Ja Wolff, Wendt und Bleyhl vermissen, ob berechtigterweise sei einmal dahin gestellt. In Vorlesung 12 wird der Inhalt aller Vorlesungen knapp und sehr präzise und unter besonderer Beachtung forschungsmethodologischer Aspekte und unterrichtspraktischer Implikationen zusammengefasst. Glücklicherweise hat der Herausgeber der Reihe „LiP", Edmondson nicht von seiner Absicht abbringen können, den Vortragsstil der Originalvorlesungen beizubehalten. So verfügt die Arbeit über einen sehr eigenen Charme und hebt sich von den sonstigen auf dem Markt befindlichen Einführungen ab. Hier liegt auch die Schwierigkeit des Unterfangens, eine weitere Einführung in die Zweitsprachenerwerbsforschung zu schreiben: Es gibt bereits zahlreiche Einführungen, sehr umfassende wie insbesondere Bilis (1994) und knappe, einfache Skizzen wie z.B. die von Lightbown und Spada. Wo findet Edmondsons Arbeit ihren Platz? Sicher in ihrer sprachlichen Leichtigkeit und ihrem Vortragsstil. Aber auch in dem sehr persönlichen und kritisch-analytischen Zugang zur Thematik, in der engen Verknüpfung von Forschung und Praxis und ebenso in der Berücksichtigung von Forschung aus dem deutschsprachigen Raum, obwohl hier vielleicht noch einige weitere Arbeiten hätten Beachtung finden können. Dennoch: Nur wenige Autoren sind wie Edmondson in der Lage, die Entwicklungen sowohl in der englischen als auch in der deutschen Fachliteratur im Auge zu behalten. Zwei Lücken schließt die vorliegende Einführung jedoch nicht: Zum einen fehlt es weiterhin an deutschsprachigen Einführungen, zum anderen gibt es selbst auf Englisch meines Wissens keine wirklich aktuelle Einführung, auch wenn das von Long und Doughty herausgegebene Handbook of SLA diese Lücke vielleicht bald und natürlich nur für eine kurze Zeit schließen wird. Edmondson schreibt dieses Mal (leider? ) auf Englisch und da die Vorlesungen aus dem Sommersemester 1996 stammen und nur wenig aktualisiert wurden, ist die Einführung trotz des Erscheinungsjahres 1999 nicht mehr auf dem neuesten Stand. IFLm. 29 (2000) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 241 So fehlen unvermeidlicherweise z.B. die Erweiterung der UG-Zugangsdiskussion u.a. hinsichtlich "impaired representation" (Meise! , Eubank u.a.) und „construction-by-construction acquisition" (Bley- Vroman), Pienemanns „processability theory", die zahlreichen Arbeiten zur Funktion von „recasts", verschiedene neuere Motivationsstudien (bestimmte werden jedoch schon erwähnt) oder auch Erwerbs- und Instruktionsstudien im Bereich der Lernersprachenpragmatik. Dies ist zugegeben eine sehr persönliche Auswahl an aktuellen Entwicklungen in der Zweitsprachenerwerbsforschung und auch Edmondson beansprucht natürlich mit gleichem Recht für sich, eine ihm sinnvoll erscheinende Auswahl zu treffen. Eine Auswahl übrigens, die sehr gelungen und gut begründet ist und die in die Kernbereiche der Zweitsprachenerwerbsforschung beeindruckend kompetent und sehr unterhaltend einführt. Eine weitere große Stärke ist sicherlich die detaillierte Darstellung einzelner Studien, die den Forschungsprozess nachvollziehbar und anschaulich macht. Man kann Edmondsons Buch also ohne Einschränkung nurjedem/ jeder Zweitsprachenerwerbsforschungsinteressierten und unbedingt auch jedem Fremdsprachenlehrenden zur Lektüre empfehlen. Nur selten macht es so viel Spaß, eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu lesen. Osaka/ Bielefeld Torsten Schlak Ausgewählte Neuerscheinungen zum Thema Lemerautonomie und Lernstrategien eine Sammelrezension (Silke Demme, Jena) Lernerautonomie und Lernstrategien sind seit geraumer Zeit ganz zentrale Themen unterrichtswissenschaftlicher Forschung. Dies gilt auch für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen und die Erforschung fremdsprachlicher Lehr-/ Lernprozesse. In den vergangenen Jahren sind eine Vielzahl theoretischer, empirischer und unterrichtspraktisch orientierter Arbeiten zu diesem Gegenstandsbereich vorgelegt worden. Nachfolgend werden drei wichtige Neuerscheinungen aus den Jahren 1999 und 2000 besprochen. BettinaMißLER: Fremdsprachenlerne,fahrungen und Lernstrategien. Eine empirische Untersuchung. Tübingen: Stauffenburg Verlag 1999 (Tertiärsprachen; Bd. 3), 374 Seiten [DM 98,00] Mit der vorliegenden Untersuchung hat Bettina MißLER eine umfangreiche empirische Studie vorgelegt, in der sehr detailliert untersucht wird, welchen Einfluss bereits gelernte Fremdsprachen auf den Erwerb einer weiteren Fremdsprache haben. Die Verfasserin (Vfin.) untersuchte an 125 Probanden in universitären Fremdsprachenkursen, auf welche Weise sich deren Vorerfahrungen beim Fremdsprachenlernen auf den Erwerb einer weiteren Sprache in diesem Fall Französisch, Italienisch, Spanisch oder Türkisch aus: wirkten. Alle Probanden hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits mehrere Fremdsprachen gelernt, so dass durch Fragebögen und Interviews interessante Erkenntnisse bezüglich des Untersuchungsgegenstandes zu erwarten waren. Welche Rolle bereits erworbenes fremdsprachliches und fremdsprachenlernspezifisches Wissen und Können beim Erwerb einer weiteren Sprache spielt, ist ein äußerst aktuelles Forschungsfeld, das erst in Ansätzen untersucht ist, aber im Kontext von Mehrsprachigkeit zunehmend Bedeutung gewinnt. Somit wendet sich die Verfasserin einem Desiderat fremdsprachenwissenschaftlicher Forschung zu, dass von größtem Interesse ist. Die Studie ist in folgende 5 Hauptteile gegliedert: Einleitung (Teil 1), Der Einfluss von Vorwissen und Vorerfahrungen auf das Lernen einer weiteren Sprache: Ein Forschungsüberblick (Teil 2), Lernstrategien: Theoretische Grundlagen und empirische Befunde (Teil 3), Empirische Untersuchung von Lernstrategien in Abhängigkeit von dem Vorwissen und den Vorerfahrungen der Lerner (Teil 4), Abschließende Bemerkungen (Teil 5). Es folgt im Teil 6 ein umfangreiches Literaturverzeichnis, der abschließende Anhang (A - C) enthält Fragebögen, Übersichten und Tabellen, die sowohl Aussagen aus den theoretischen Teilen als auch aus der eigenen empirischen Untersuchung untermauern. Nachfolgend werden die einzelnen Kapitel in ihrer chronologischen Abfolge besprochen. lFLuL 29 (2000)