Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2000
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Gnutzmann Küster SchrammChristoph EDELHOFF, Ralf WESKAMP (Hrsg.): Autonomes Fremdsprachenlernen
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2000
Silke Demme
Christoph EDELHOFF, Ralf WESKAMP (Hrsg.): Autonomes Fremdsprachenlernen. Ismaning: Hueber 1999 (Forum Sprache), 183 Seiten [DM 32,00]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 245 Lernstrategien und zu Unterschieden zwischen Probanden mit hohen und niedrigen Strategiewerten sowie der damit verbundenen 'Frage, durch welche Variablen dies determiniert wird. Im Kap. 4.5 schließt sich eine zusammenfassende Diskussion der Untersuchungsergebnisse an. Dies beinhaltet sowohl Erklärungsansätze für unerwartete Ergebnisse als auch. methodische Fragestellungen, die das Untersuchungsinstrumentarium, die Untersuchungsdurchführung und die Auswertung der ermittelten Daten betreffen. Daraus ergeben sich für die Vfin. verschiedene Überlegungen und Konsequenzen für weiterführende Fragestellungen. Die abschließenden Bemerkungen im Kapitel 5 thematisieren drei wesentliche Ergebnisse der Untersuchung, die die Vfin. nochmals aufgreift: den Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Lernstrategien einerseits und Veränderungen bei den Persönlichkeitsvariablen und affektiven Variablen andererseits, die zunehmende Häufigkeit des Strategieeinsatzes mit jeder weiteren Fremdsprache und '-die .möglichen Rückschlüsse auf die Art von Fremdsprachenunterricht, die die hier zur Verfügung stehenden: Probanden erlebt haben. Mit der Diskussion dieser Untersuchungsergebnisse gehen bestimmte Überlegungen zu Veränderungen der Unterrichtspraxis einher. Dies betrifft auch die Frage nach den bildungspolitische Rahmenbedingungen sowie Lehr, und Lernzielbeschreibungen für einen Fremdsprachenunterricht, der aufLernerautonomie ziele Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die vorliegende Untersuchung in gelungener Weise verschiedene Problembereiche, die den Zusammenhang von Fremdsprachenlernerfahrungen und• Lernstrategien betreffen, erhellt. Dies gilt sowohl für die Aufarbeitung des Forschungsstandes in diesen beiden Bereichen wie auch für die komplexen Anlage der empirischen Untersuchung. Die Arbeit ist durch ihre klare.Gliederung transparent und gut lesbar. Ein Abkürzungsverzeichnis hätte die Leserfreundlichkeit noch .erhöhen können. Die Untersuchung dürfte für jeden, der an der Erforschung fremdsprachlicher Lernprozesse interessiert ist, eine spannende Lektüre darstellen, die aus verschiedenen Leserperspektiven interessant sein kann: Für Fremdsprachenstudierende als Forschungsüberblick über ein aktuelles Untersuchungsfeld und Beispiel empirischer Forschungsarbeit oder als Anregung zur Reflexion über eigene Fremdsprachenlernerfahrungen und den Einsatz von Lernstrategien. Für Lehrende und Forschende als interessante Studie, die den Kreis vorliegender Untersuchungen bereichert und Anregungen für weiter zu verfolgende Fragen bietet. Nicht zuletzt wird auch gerade für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts deutlich; dass das multilinguale Klassenzimmer eine Realität ist, die bei der Entwicklung von Lernstrategien berücksichtigt werden muss und die auch neue Anforderungen an die Lehrenden stellt. Christoph EDELH0FF, RalfWESKAMP (Hrsg.): Autonomes Fremdsprachenlernen. Ismaning: Hueber 1999 (Forum Sprache),' 183 Seiten [DM 32,00] Die Verfasser legen mit dem vorliegenden Sammelband die Dokumentation einer Tagung zum Thema "Autonomes Fremdsprachenlernen" vor, die im Herbst 1995 vom damaligen Hessischen Institut für Lehrerfortbildung Getzt: Hessisches Landesinstitut für Pädagogik) in der Reinhardswaldschule durchgeführt wurde. Anliegen dieser Tagung war laut Vorwort der Herausgeber"[ ... ] gemeinsam mit praktizierenden Lehrern und führenden europäischen Vertretern des Autonamen Fremdsprachenlernens Zwischenbilanz zu ziehen." Der Band wendet sich an einen breiten Kreis aller am Fremdsprachenunterricht (FU) interessierten Lehrenden und Lernenden, will ermutigen, neue Lernkonzepte zu erproben urid den· Weg in einen zeitgemäßen, schülerorientierten, offenen FU zu gehen. Der Band enthält insgesamt 10 Beiträge, die nach dem einleitenden Überblicksaufsatz von RalfWeskamp 5 Themenkreisen zugeordnet werden: (1) Autonomie zwischen Theorie und Praxis ; (2) Autonomie und "Lernen, wie man lernt"; (3) Autonomie und Technologie; (4) Autonomie und Klassenzimmer; (5) Autonomie und Qualität. Im einleitenden Aufsatz gibt Ralf Weskamp einen Überblick zu verschiedenen Aspekten eines sich wandelnden FU, der mit seiner subjektwissenschaftlichen Orientierung den Lernenden in den Mittelpunkt des Lernprozesses stellt. Eigenverantwortlichkeit für das Lernen zu entwickeln stellt nicht nur an die Lerner, sondern auch an die Lehrenden neue Anforderungen, erfordert Lernarrangements, in denen die Schüler zum FLuL 29 (2000) 246 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Selbstmanagement des Lernprozesses befähigt werden. Die Grundelemente autonomen Fremdsprachenlernens werden im Rahmen eines gesamtpädagogischen Konzepts diskutiert, das die positiven Traditionen verschiedener reformpädagogischer Ansätze aufgreift und in die Überlegungen zu Wegen des autonomen Lernens einbezieht. Offene Unterrichtsformen, Projektunterricht, handlungsorientiertes Fremdsprachenlernen werden als Wege zur Realisierung autonomer Lernkonzepte benannt, die auf eine ganzheitliche Betrachtung und Aneignung von Sprache zielen. David Little, einer der wichtigsten Vertreter des Autonomiekonzepts, diskutiert unter dem Titel "Autonomy in second language learning: some theoretical perspectives and their practical implications" die Verbindung zwischen theoretischer Forschung zu Lernerautonomie und deren praktischen Implikationen für den FU. Einleitend erörtert er kurz seine hier zu Grunde gelegte Arbeitsdefinition zum Autonomiebegriff. Im zweiten Teil des Aufsatzes wird die Frage erörtert, wie Autonomie zu erreichen ist. Hierzu werden drei Aspekte diskutiert: Mit Bezug auf Vygotsky wird auf den Zusammenhang von entwicklungsspezifischem Lernen und Erstsprachenerwerb eingegangen, Lernen in formellen Bildungskontexten diskutiert und anschließend der gesteuerte Zweitsprachenerwerb ins Blickfeld gerückt. Im dritten Teil wird die Frage nach den praktischen Implikationen der vorangegangenen Überlegungen gestellt. Es wird auf vier Problemfelder, die sich für die Praxis des FU ergeben, näher eingegangen: Die neu zu definierende Rolle des Lehrenden, Struktur und Inhalt von Sprachlernmaterialien, die Einschätzung von Leistungen der Lerner und Konsequenzen für die Lehrerausbildung. Der Aufsatz schließt mit Anregungen für zu lösende Aufgaben, die der Verfasser im Ausbau der theoretischen Basis zur Autonomie auf der Grundlage empirischer Forschung/ Aktionsforschung sieht. Als zweiten und dritten Punkt werden notwendige Veränderungen in der Lehrerausbildung sowie Veränderungen von Form und Inhalt des Staatsexamens angesprochen. Der Aufsatz von Dieter Woif.fthematisiert die Theorie-Praxis-Beziehung in der Entwicklung von Lernerautonomie. Auch er stellt die Frage, was unter Lernerautonomie zu verstehen ist, nimmt auf Aussagen von Little Bezug und listet Merkmale des autonomen Klassenzimmers auf. Es folgen Ausführungen zur kognitiven Verstehensforschung, sowie zu kognitiven und konstruktivistischen Lerntheorien, die vom Vf. als wichtige theoretische und empirische Basis des Autonomiekonzepts angesehen Werden. Daran schließen sich pädagogische Implikationen an, die auf die praktische Realisierung des autonomen Klassenzimmers orientieren. Zusammenfassend werden in der Charakterisierung des autonomen Klassenzimmers theoretische Konzepte und praktische Ansätze miteinander in Beziehung gesetzt. Zum Themenkreis zwei gehören die Beiträge von Marianne Häuptle-Barcelo und Christoph Edelhojf. Im Beitrag von M. Häuptle-Barcelo wird die Bedeutung von Lernstrategien für autonomes Lernen erörtert. Die Vfin. greift aktuelle Untersuchungen der Spracherwerbsforschung und Sprachlehrforschung zu Lernstrategien, Lehr- und Lernstilen auf und unterbreitet interessante Vorschläge zum Aufbau von lemstrategischem Wissen. Der Beitrag von Ch. Edelhoffuntersucht die Rolle von Lehrwerken im autonomen FU. Nach einer kritischen Situationsanalyse werden Prinzipien und Kriterien für Lehrmaterialien dargestellt, die den aktuellen Ansprüchen der Autonomieförderung besser Rechnung tragen können. Abschließend wird ein kleiner Kriterienkatalog zur Beurteilung von Materialien vorgestellt. Der dritte Themenkreis „Autonomie und Technologie" enthält leider nur einen Beitrag, was verwundert, denn die Bedeutung multimedialen Fremdsprachenlernens wird gerade im Konzept der Lernerautonomie besonders betont. Michael Müller-Verweyen beschreibt in seinem Beitrag „Selbstlernsysteme ein Konzept", wie eine zukunftsweisende Form von Fremdsprachenlernen ohne den Lehrenden als zentralen Lernorganisator möglich sein kann. Strukturbildende Begriffe sind dabei: selbstorganisiertes Lernen, selbstbestimmtes Lernen, Sprachbewusstheit und Fernstudium. Der Vf. beschreibt das Projekt Selbstlernsysteme, in welchem es „um die, konzeptuelle Entwicklung eines modularen Selbststudiensprachkurses auf dem Niveau der Mittelstufe durch die Produktion und Evaluation einzelner Elemente (Module) dieses Systems ging." .(82) Nach Auffassung von Müller-Verweyen kommt den Themen und Inhalten von Selbstlernmaterialien eine stark motivierende Rolle zu. Er erläutert die den Inhalten zu Grunde gelegte Konzeption und veranschaulicht diese mit einem Beispiel. Der nachfolgende Abschnitt erörtert die Rolle der modernen Medien und Informationstechnologien im Rahmen eines solchen Konzepts. Auch dies wird mit Beispielen dokumentiert, Vor- und Nachteile werden realistisch eingeschätzt, wobei der Vf. die Lernbedürfnisse der potentiellen Adressaten hervorhebt. FLuL 29 {2000) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 247 Zum vierten Themenkreis „Autonomie und Klassenzimmer" findet man drei Beiträge. Michael Legutke thematisiert den Lernort „Klassenzimmer" und zeigt an vier Fallgeschichten, wie Lehrende zur Frage der Neubestimmung des Klassenzimmers als Ort autonomen Fremdsprachenlernens stehen. Zwei Beispiele betreffen den Deutschunterricht amerikanischer Schüler im 3. Lernjahr, ein Beispiel kommt aus dem Englischunterricht eines 4. Lernjahres in Deutschland und das vierte Beispiel führt uns in den Deutschunterricht eines 1. Lernjahres in Alaska. Nach der Präsentation der äußerst interessanten Beispiele werden einige signifikante, gemeinsame Konstruktionsmerkmale und Charakteristika diskutiert. Diese sind: Zielaufgaben und Szenarien, partizipatorische Evaluation, Lernumwelt und Quellen, Lernertexte und Lerner als Lehrer. Die Beispiele machen eindrucksvoll deutlich, dass das Klassenzimmer als Ort autonomen Fremdsprachenlernens enorm viel Handlungsraum in ganz unterschiedliche Richtungen bietet. Dies stellt hohe Anforderungen an die Lehrenden, die bereit sein müssen, mit der Komplexität eines solchen erweiterten Handlungsraums umzugehen, stellt aber auch neue Anforderungen an Lernmaterialien sowie Fremdsprachenpolitik und unterrichtsorganisatorische Rahmenbedingungen. Der zweite Beitrag des Themenkreises ist von Leni Dam und beschäftigt sich mit der wichtigen Frage, wie Autonomie im schulischen Kontext entwickelt werden kann, wie man Lehrende dafür gewinnen kann, die bekannten Pfade zu verlassen und sich den Anforderungen neuer Lernkonzepte zu stellen. Dabei geht die Vfin. von ihren Erfahrungen aus einem workshop mit Fremdsprachenlehrern am Hessischen Landesinstitut für Pädagogik aus. Sie schildert sehr anschaulich, wie durch die Verbindung von theoretischen Diskussionen und Beispielen praktischer Realisierung bei den, Teilnehmern Interesse an neuen Lern- und Lehrwegen geweckt wurde. Der dritte Aufsatz dieses Themenkreises behandelt ein Beispiel für die Entwicklung von Lernerautonomie im bilingualen Sachfachunterricht. "Geschichte in Zeitlupe" stellt ein Unterrichtsprojekt vor, das im Rahmen der deutschsprachigen Abteilung (DAS) der Sections Internationales de Sevres (Frankreich) durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt steht die Zeitung „Zeit-Lupe", eine jahrgangsübergreifende Zeitung für den deutschsprachigen Geschichtsunterricht, die mit Schülern gestaltet wird, für die Deutsch eine Zweitsprache darstellt. Es wird gezeigt, wie durch die Arbeit am Zeitungsprojekt aus dem Geschichtsunterricht eine Geschichtswerkstatt wird, in der Schüler eigenverantwortlich Themen auswählen, Textbaupläne entwerfen, Gruppenarbeit organisieren und ihre Arbeitsergebnisse in Form von Stundenprotokollen dokumentieren. Kernpunkte des didaktischen Konzepts sind die „Forschungsberichte" in der Zeitung, die sich entwickelnde Eigengeschichte einer Gruppe und auf dieser Basis das Entstehen eines historischen Bewusstseins. Das vorgestellte Unterrichtsprojekt wird mit eine Vielzahl von Beispielen ergänzt und regt zur Nachahmung an. Im 5. Themenkreis „Autonomie und Qualität" vergleicht Lienhard Legenhausen autonome und traditionelle Lerner des Englischen, indem er den Einfluss von 'classroom culture' auf Einstellungen und Kommunikationsverhalten dieser beiden Lernergruppen untersucht. Die herangezogenen Daten stammen aus dem LAALE-Projekt (Language Acquisition in an Autonomous Learning Environment), in dem die Sprachentwicklungder beiden Lernergruppen über einen Zeitraum von 4 Jahren beobachtet wurde. Das experimentelle Design der Studie wird in einer tabellarischen Übersicht ( 168) näher erläutert. Nach Ausführungen zum Forschungshintergrund und Aspekten von 'classroom culture' wird ausführlich auf die 4. Phase der Datenerhebung (peer-to-peer talk/ strukturiertes Interview) eingegangen. Die zu lösende Kommunikationsaufgabe bestand darin, ein kurzes Gespräch über sich selbst, Hobbies, Wünsche, Pläne u.ä. zu führen. Die Auswertung der aufgezeichneten Daten erlaubt den Schluss, dass die Lösung dieser kommunikative Aufgabe bei den traditionelien Lernern, die vor dem Hintergrund eines kommunikativen Ansatzes stark textbuchorientiert gelernt hatten, in einer Art Pseudo-Kommunikation erfolgte, während die Kurzgespräche der autonomen Lerner alle Merkmale einer authentischen Kommunikation zeigten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die autonomen Lerner vor dem Hintergrund ihrer 'classroom culture' im Gegensatz zu den traditionellen keine Kontraste zwischen authentischen und didaktischen Aufgaben zu überwinden hatten. Die sogenannten „tun-als-ob-Aufgaben" des traditionellen Lernens werden für authentische Kommunikation als hinderlich eingeschätzt. Zusammenfassend kann zu dem Band von Edelhoff/ Weskamp gesagt werden, dass es sich hier um eine sehr lesenswerte Sammlung von Aufsätzen handelt, die Fragen des autonomen Fremdsprachenlernens aus unterschiedlichen Perspektiven erörtert und eine gute Verbindung zwischen Theorie und Praxis herstellt. FLIIL 29 (2000)