Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2001
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Gnutzmann Küster SchrammDie ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit
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2001
Erwin Tschirner
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Erwin Tschirner • Die ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit Abstract. This article presents a short history of the ACTFL Oral Proficiency Guidelines from their early beginnings as the FSI guidelines in the mid fifties of the 20 th century up to their latest revision in 1999. lt also includes the German translation of the latest version of the guidelines (ACTFL 1999). Die Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit (oral proficiency guidelines) des American Council on the Teaching ofForeignLanguages (ACFfL) sind 1999 in einer überarbeiteten Version herausgekommen (ACTFL 1999). Im Anhang zu dieser Einleitung (SS. 119- 126) findet sich die offizielle deutsche Übersetzung dieser Leitlinien. Die 1999-er Version der Leitlinien unterscheidet sich von der vorhergehenden (ACTFL 1986) vor allem dadurch, dass das alte Advanced Niveau in Advanced Low und Advanced Mid getrennt wurde und dass die Niveaus nun in fallender Reihenfolge gelistet werden, also mit dem höchsten Niveau beginnen und nicht wie früher mit dem niedrigsten Niveau. Daneben gibt es eine Reihe von Präzisierungen und Ergänzungen, wobei jedoch darauf geachtet wurde, dass abgesehen von den Niveaus Advanced Low und Advanced Mid die Übereinstimmung mit der 1986-er Version gewahrt bleibt. Die ACTFL Leitlinien basieren auf dem Kriterienkatalog des Foreign Service Instituts (FSI), das 1952 vom damaligen US-amerikanischen Außenminister beauftragt wurden, eine Prüfung zu entwickeln, die die mündliche Handlungsfähigkeit amerikanischer Diplomaten und Beamter, die im Ausland eingesetzt werden sollten, zuverlässig bewerten konnte. Gefordert wurde eine Prüfung, die mündliche Kompetenz auf allen Niveaus evaluieren konnte, vom Nullanfänger bis zur völligen fehlerfreien Beherrschung der Fremdsprache. Die ersten Prüfungen wurden holistisch und rein numerisch bewertet, von 0 = keine Kompetenz zu 5 = muttersprachliche Kompetenz, bis 1958 die ersten Niveaubeschreibungen entwickelt wurden, die 5 Kategorien zugeordnet wurden, Aussprache, Verständnis, Flüssigkeit, Grammatik und Wortschatz. Damit nahm die mündliche Prüfung des FSI eine entscheidende Vorreiterrolle ein. Andere mündliche Prüfungen begannen erst in den späten 70-er und frühen 80-er Jahren Skalen zu entwickeln, die beobachtbares Verhalten auf unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzniveaus beschrieb und diese Beschreibungen zu Evaluationszwecken verwendete (Fulcher 1997). Die Skala und das lnterviewformat des FSI wurden in den sechziger Jahren von immer mehr US-amerikanischen Behörden übernommen, u.a. dem Defense Language Institute * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Erwin TSCHIRNER, Univ.-Prof., Universität Leipzig, Herder-fustitut, Löhrstr. 17, 04105 LEIPZIG. E-mail: tschirner@rz.uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Angewandte Linguistik, Multi- und Telemedien, Testwissenschaft. f'LIIL 30 (2001) Die ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit 117 (DLI), dem Peace Corps und dem CIA, die sich 1968 zusammensetzten und unter dem Namen Interagency Language Roundtable (ILR) eine standardisierte Version für alle staatlichen Stellen und Behörden entwickelten. Die ILR Prüfung breitete sich in den 70er Jahren vor allem aus drei Gründen auch an Schulen und Universitäten aus. Es hatte als direkter Test eine hohe Augenscheinvalidität, die Interrater-Reiiabilität war sehr hoch, mit einem Reliabilitätskoeffizienten von 0,84 und höher, und es passte gut zur Kommunikativen Methode, die in den siebziger Jahren die didaktische Diskussion zu dominieren begann (Barnwell 1987). Anfang der achtziger Jahre überarbeitete ACTFL zusammen mit dem ILR und dem Educational Testing Service (ETS) die Skala erneut, um sie besser auf die sprachlichen Verhältnisse an Schulen und Universitäten anzupassen. ACTFL erweiterte die unteren Niveaus, legte die oberen Niveaus zusammen und präzisierte sowohl das Interviewformat als auch die Beurteilungskriterien. Darüber hinaus wurden Leitlinien zur Erfassung des Hörverständnisses, des Leseverständnisses, der Schreibfertigkeit und des kulturellen Verständnisses verfasst. Diese ACTFL Leitlinien kamen 1982 in einer vorläufigen und 1986 in einer endgültigen Fassung heraus (ACTFL 1986). In den 90-er Jahren etablierten sich die ACTFL Leitlinien und das darauf basierende Oral ProficiencY, Interview (OPI) als die de facto Standardprüfung mündlicher Kompetenz in Nordamerika, sowohl im schulischen und universitären Bereich, wie auch in der Geschäftswelt. Die Anstrengungen ACTFLs, das OPI und die Leitlinien an Schulen und Universitäten bekannt zu machen und zu verbreiten, war so erfolgreich, dass die 90-er Jahre als die Jahre des proficiency movement in die Geschichte der Fremdsprachendidaktik in Nordamerika eingegangen sind. Der Erfolg der Leitlinien und ihr weitergehender methodisch-didaktischer Einfluss wird auch daran deutlich, dass die Leitlinien mündlicher Handlungskompetenz 1999 in einer überarbeiteten Fassung herauskamen, die in den nächsten Jahren von Neufassungen für die Fertigkeiten des Schreibens, Lesens und Hörens ergänzt werden sollen, und dass sie die Grundlage weiterer weit verbreiteter und innovativer Testverfahren wie das Simulated Oral Proficiency Interview (SOPI) (Stansfield/ Kenyon 1992) und das Computerized Oral Proficiency Interview (COPI) (Kenyon 2000) darstellen. Eine kurze Bemerkung zu unserer „Übersetzung" der Niveaubezeichnungen: Eine direkte Übersetzung in Anfangsstufe, Mittelstufe etc. schien uns irreführend, weil zum einen die Mittelstufe vom Leistungsniveau her eher mit dem NiveauAdvanced vergleichbar ist und zum anderen die deutschen Niveaubezeichnungen mit institutionalisiertem Lernen in Verbindung gebracht werden, während die Leitlinien unabhängig von Schule und Unterricht als Kompetenzniveaus definiert wurden. Dazu ist der Lernfortschritt von Niveau zu Niveau nicht linear sondern exponentiell zu verstehen, d.h. der Lernaufwand, der nötig ist, um z.B. vom Niveau Novice Low zum Niveau Novice Mid zu gelangen ist nur ein Bruchteil dessen, was benötigt wird, um vom Niveau Advanced Low zum Niveau Advanced Mid zu gelangen. 1 Für einen Überblick über empirische Ergebnisse im Zusammenhang mit dem OPI vgl. Tschirner / Heilenman 1998 und Tschirner 2000) FLl.! L 30 (2001) 118 Erwin Tschirner Unsere Wahl der Bezeichnungen ist, so hoffen wir, aussagekräftiger, weil sie widerspiegelt, in welchen Kontexten Sprecher eines bestimmten Niveaus sich kompetent bewegen können. Literatur AMERICAN COUNCIL ON THE TEACHING OF FOREIGN LANGUAGES (1986): Proficiency guidelines. Hastings-on-Hudson, NY: ACTFL. AMERICAN COUNCIL ON THE TEACHING OF FOREIGN LANGUAGES (1999): ACTFL proficiency guidelines -speaking: Revised 1999. Hastings-on-Hudson, NY: ACTFL. BARNWELL, D. (1987): "Oral proficiency testing in the United States". In: British Journal of Language Teaching 25, 35-42. FULCHER, Glenn (1997): "The testing of L2 speaking". In: CLAPHAM, Caroline / CORSON, David (eds.): Encyclopedia of language and education, vol. 7: Language testing and assessment. Dordrecht: Kluwer, 75-85. KENYON, Dorry (2000): "Enhancing oral proficiency assessment through multimedia: A model, applications, and research needs". In: TSCHIRNER, Erwin/ FuNK, Hermann/ KOENIG, Michael (Hrsg.): Schnittstellen: Lehrwerke zwischen alten und neuen Medien. Berlin: Comelsen, 171-201. STANSFIELD, Charles/ KENY0N, Dorry (1992): "Research on the comparability ofthe Oral Proficiency Interview and the Simulated Oral Proficiency Interview". In: System 20, 347-364. TSCHIRNER, Erwin (2000): "Das ACTFL OPI als Forschungsinstrument". In: AGUADO, Karin (Hrsg.): Zur Methodologie in der empirischen Fremdspracheriforschung. Hohengehren: Schneider, 105-118. TSCHIRNER, Erwin/ HEILENMAN, L. Kathy (1998): "Reasonable expectations: Oral proficiency goals for intermediate-level students of German". In: Modern Language Journal 82, 147-158. JFJLlllL 30 (2001) Die ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit ACTFL Leitlinien fremdsprachlicher Kompetenz - Sprechen (revidiert 1999) 2 (aus dem Englischen übertragen von Erwin Tschirner und Annett Zupke) 3 Expertenniveau (Superior) 119 Sprecher dieser Stufe beteiligen sich an formellen und informellen Gesprächen fließend und sprachlich sicher. Sie sind in der Lage, viele unterschiedliche Themen sowohl auf einem konkreten als auch abstrakten Niveau zu erörtern. Sie sprechen fließend, mühelos und sprachlich sicher über eigene Interessens- und Spezialgebiete, gestalten Erzählungen ausführlich und gut strukturiert und erklären komplexe Angelegenheiten im Detail. Sie äußern ihre Meinung zu vielfältigen für sie wichtigen Themen, z.B. gesellschaftlichen und politischen Fragen, die sie gut strukturiert und nachvollziehbar begründen können. Sie sind fähig, Hypothesen zu entwickeln und alternative Möglichkeiten zu erschließen. Wenn nötig, bringen sie ausführliche Diskussionsbeiträge, um ihren Standpunkt zu vertreten, und verfallen selbst auf hohem Abstraktionsniveau nicht in ungewöhnlich lange Pausen. Die Struktur dieser Diskussionsbeiträge ist in sich stimmig und nachvollziehbar, mag aber weiterhin von muttersprachlichen rhetorischen Organisationsmustern geprägt sein. Sprecher des Expertenniveaus verwenden eine Reihe Unterschiedlicher Gesprächs- und Diskursstrategien, wodurch sie beispielsweise in der Lage sind, den Gesprächsverlauf zu steuern sowie Hauptgedanken und Hintergrundinformationen sprachlich voneinander zu trennen. Dazu verwenden sie gekonnt syntaktische, lexikalische und prosodische Mittel wie Lautstärke, Betonung und Intonation. Die grammatischen Grundstrukturen des Deutschen werden meist fehlerfrei bzw. ohne erkennbare Fehlermuster verwendet. Bei selten verwendeten bzw. komplexen Strukturen, die eher auf den formellen und schriftlichen Sprachgebrauch beschränkt sind, können einzelne Fehler auftreten. Diese Fehler werden von muttersprachlichen Gesprächspartnern aber kaum wahrgenommen, noch wirken sie sich störend auf die Kommunikation aus. Hohes professionelles Niveau (Advanced High) Sprecher dieser Stufe erfüllen alle Aufgaben des professionellen Niveaus fließend, mühelos und sprachlich sicher. Sie können etwas im Detail erklären und in allen Zeitfor- 2 American Council on the Teaching of Foreign Languages. (2000). ACJFL Proficiency Guidelines - Speakmg. Revised 1999. In: Foreign Language Annals, 33, 13-18. 3 Die Übersetzer bedanken sich bei Nadine Jänike (Universität Leipzig), Arthur Mosher (University of Dayton), Brigitte Nikolai (OS Oker) und Karl F. Otto, Jr. (University of Pennsylvania) für viele wertvolle Anmerkungen und Hinweise. JFL11L 30 (2001) 120 Erwin Tschirner men ausführlich und sprachlich sicher erzählen. Zusätzlich bewältigen Sprecher dieses Niveaus einen Großteil der Aufgaben des Expertenniveaus. Allerdings sind sie weder in der Lage, .das Expertenniveau bei allen Aufgaben bzw. Themen durchzuhalten, noch das dazugehörige hohe Maß an sprachlicher Richtigkeit beizubehalten. Vielmehr treten meist erkennbare Fehlermuster auf. Zum Teil können sie Hypothesen aufstellen und Meinungen gut strukturiert begründen. Manche Themen, insbesondere solche, die mit ihren jeweiligen Interessens- und Fachgebieten verbunden sind, können sie auch abstrakt diskutieren. Im Allgemeinen fällt es ihnen allerdings leichter, Themen konkret zu erörtern. Sprecher des hohen professionellen Niveaus verfügen über eine gut entwickelte Fähigkeit, mangelhaften Gebrauch einiger Formen oder limitierten Wortschatz auszugleichen, indem sie kommunikative Strategien, wie z.B. Paraphrasierungen, Umschreibungen und Illustrationen, sicher anwenden. Zum Ausdruck ihrer Absichten verwenden sie genaues Vokabular und genaue Wort- und Satzbetonung. Sie weisen häufig eine hohe Redegewandheit auf und können mühelos mit Sprache umgehen. Werden sie jedoch aufgefordert, komplexe Aufgaben des Expertenniveaus über verschiedene Themen auszuführen, scheitern sie meist sprachlich oder erfüllen sie nicht auf angemessene Weise. Manchmal gehen sie auch der eigentlichen Aufgabe aus dem Wege, indem sie beispielsweise auf Vereinfachungen zurückgreifen und anstelle von Begründung oder Hypothese Beschreibung oder Erzählung anwenden. Mittleres professionelles Niveau (Advanced Mid) Sprecher dieser Stufe erfüllen eine Vielzahl der Aufgaben des professionellen Niveaus fließend, mühelos und sprachlich sicher. Sie beteiligen sich aktiv an den meisten formellen und informellen Gesprächen und können auf konkrete Weise über eine Vielzahl von Themen sprechen, die sich auf Beruf, Schule/ Universität und Heim beziehen sowie Tätigkeiten aus dem Freizeitbereich, Ereignisse von öffentlichem und persönlichem Interesse und Inhalte von aktueller und individueller Relevanz umfassen. Sprecher des mittleren professionellen Niveaus können relativ ausführlich beschreiben und erzählen, passen sich flexibel den Gesprächsanforderungen an und sind in der Lage, unter Verwendung der dazu nötigen Tempusformen über Gegenwärtiges, Vergangenes sowie Zukünftiges zu sprechen. Sie produzieren dazu kürzere, in sich gegliederte Texte, in denen Erzählung und Beschreibung fließend ineinander übergehen. Im Kontext alltäglicher Situationen meistem Sprecher dieser Stufe sprachliche Herausforderungen relativ mühelos und setzen eine Reihe kommunikativer Strategien wie Umschreiben und Paraphrasieren erfolgreich ein, um Komplikationen oder unvorhergesehene Gesprächsverläufe zu lösen. Aufgaben des professionellen Niveaus bewältigen sie fließend und mühelos. Sie verfügen über einen recht umfangreichen Wortschatz, der sich hauptsächlich aus allgemeinem Wortmaterial zusammensetzt, aber auch ein Spezialgebiet oder ein spezielles Interesse bei einzelnen Sprechern einschließen kann. Die Strukturierung der mündlichen Rede mag weiterhin stärker von rhetorischen Organisationsmustern der Muttersprache als von der Zielsprache geprägt sein. JFLl! L 30 (2001) Die ACTFLLeitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit 121 Sprecher dieser Stufe beteiligen sich mit relativ hoher sprachlicher Richtigkeit, Klarheit und Präzision an Gesprächen über relativ viele ihnen vertraute und konkret behandelte Themen. Sie können ihre Gedanken eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck bringen und werden von Muttersprachlern ohne Erfahrung im Umgang mit Ausländern mühelos verstanden. Die Qualität und der Umfang ihrer Rede nimmt unter den Anforderungen des Expertenniveaus ab. Sprecher des mittleren professionellen Niveaus sind fähig, ihre Meinung zu äußern, aber nicht ausführlich und gut strukturiert zu begründen. Sie verzögern, beginnen zu beschreiben oder zu erklären, erzählen Geschichten oder Anekdoten, oder verweigern sich einfach den sprachlichen Anforderungen des Expertenniveaus. Unteres professionelles Niveau (Advanced Low) Sprecher dieser Stufe bewältigen, obgleich noch manchmal stockend, eine Vielzahl kommunikativer Aufgaben. Sie beteiligen sich aktiv an den meisten informellen und einigen formellen Gesprächen, wobei sie in der Lage sind, sich über Beruf, Schule/ Universität oder Heim sowie Tätigkeiten aus dem Freizeitbereich zu äußern. Mit Einschränkungen können sie auch über berufliche Erfahrungen, über Themen von öffentlichem und persönlichem Interesse sowie über Inhalte von aktueller und individueller Relevanz reden. Sprecher des unteren professionellen Niveaus sind fähig, zusammenhängende Texte in Absatzlänge zu produzieren, in denen sie unter Verwendung angemessener Tempusformen über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges berichten oder es beschreiben. Sie können sprachlichen Herausforderungen mit einer Reihe unterschiedlicher sprachlicher Mittel wie Paraphrasieren und Umschreiben begegnen, wenngleich ihre Rede bei unvorhergesehenen Gesprächsverläufen oder Komplikationen gelegentlich sehr kurz bleibt und nur mühsam produziert wird. Sprecher dieser Stufe verfügen in erster Linie über einen allgemeinen Wortschatz. Sie können beim Erzählen und Beschreiben Sätze zu kurzen Texten verknüpfen. Wenn man sie aber um eine ausführlichere Darstellung bittet, beginnen sie nach Wörtern zu suchen und belassen es bei eher minimalen Aussägen, weshalb ihre Äußerungen selten länger als ein Absatz sind. Ausführliche Beschreibungen gelingen ihnen so gut wie nicht. Die Strukturen der Zielsprache werden besonders in der Gesprächsgliederung meist von denen der Muttersprache überlagert, wie es sich z.B. in der falschen Verwendung formgleicher Wörter und auch in wörtlichen Übersetzungen zeigt. Auch wenn Sprecher des unteren professionellen Niveaus meist relativ fließend und flüssig reden, ist ihre Sprache mit Anstrengung verbunden und zurückhaltend, gespickt mit auffälligen Selbstkorrekturen und einer gewissenen grammatischen Unebenheit. Sie beteiligen sich an Gesprächen mit ausreichender Genauigkeit, Klarheit und Präzision, um ihre Gedanken relativ unmißverständlich zu äußern. Sie werden von Muttersprachlern ohne Erfahrung im Umgang mit Ausländern verstanden, was aber unter Umständen erst durch Wiederholungen und Umformulierungen erreicht wird. Wenn Sprecher dieser lFLllllL 30 (2001) 122 Erwin Tschirner Stufe versuchen, Sprechhandlungen oder Themen, die mit dem Expertenniveau assoziiert sind, zu bewältigen, nehmen Qualität und Quantität ihrer Sprache gravierend ab. Hohes Alltagsniveau (Intermediate High) Sprecher dieser Stufe begegnen den meisten Routineaufgaben und gesellschaftlichen Situationen des Alltagsniveaus mit Leichtigkeit und Sicherheit. Sie bewältigen erfolgreich eine Vielzahl unkomplizierter sprachlicher Aufgaben und gesellschaftlicher Situationen, die einen Austausch grundlegender Informationen erfordern und die sich auf Arbeit, Schule/ Universität, Freizeit sowie spezielle Interessen und Kenntnisbereiche beziehen. Allerdings meistem sie solche Aufgaben manchmal nur zögernd und fehlerhaft. Sprecher des hohen Alltagsniveaus bewältigen Aufgaben des professionellen Niveaus, obgleich sie nicht in der Lage sind, dieses Niveau über unterschiedliche Themenbereiche durchzuhalten. Sie produzieren zwar teilweise zusammenhängende mündliche Texte in Absatzlänge, in denen sie über Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges berichten oder es beschreiben, aber ihre Sprache weist bei der Bewältigung von Aufgaben auf diesem Niveau deutliche Einbrüche auf. Es gelingt ihnen nicht, Erzählungen und Beschreibungen semantisch oder syntaktisch vollständig in den angemessenen Zeitformen durchzuführen. Sie verlieren die Fähigkeit, zusammenhängende mündliche Texte zu produzieren, Konnektoren richtig zu gebrauchen und erfolgreich zu umschreiben. Schließlich verringert sich sowohl der Umfang als auch die passende Verwendung von Vokabular, und es entstehen lange Gesprächspausen. Sprecher des hohen Alltagsniveaus werden im allgemeinen auch von Gesprächspartnern verstanden, die keine Erfahrung im Umgang mit Ausländern haben, wenngleich rhetorische Organisationsprinzipien der Muttersprache u.a. durch Codeswitching, falsche Freunde, wörtliche Übersetzungen noch sehr stark erkennbar bleiben und Brüche in der Kommunikation auftreten. Mittleres Alltagsniveau (Intermediate Mid) Sprecher dieser Stufe sind fähig, eine Reihe unkomplizierter Kommunikationsaufgaben in einfachen Alltagssituationen zu bewältigen. Ihre Kommunikationsfähigkeit beschränkt sich im allgemeinen auf solche vorhersagbaren und konkreten Gespräche, die notwendig sind, um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dazu gehören persönliche Angaben zur eigenen Person, Familie, Zuhause, Tagesablauf, Interessen und Vorlieben sowie körperliche und soziale Bedürfnisse wie essen, einkaufen, reisen oder übernachten. Sprecher des mittleren Alltagsniveaus neigen dazu, die Gesprächsführung dem Gesprächspartner zu überlassen, und bevorzugen es beispielsweise, auf direkte Fragen zu antworten oder gewünschte Auskünfte zu geben. Sie sind aber in der Lage, selbst eine Vielzahl einfacher Fragen zu stellen, um einfache Auskünfte wie Wegbeschreibungen und Preise einzuholen und um einfache Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie lFLi.llL 30 (2001) Die ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit 123 können auch bereits einige Aufgaben des professionellen Niveaus bewältigen, haben allerdings häufig Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu strukturieren und zusammenhängend darzustellen, Zeitformen und Aspektunterschiede einzuhalten bzw. kommunikative Strategien anzuwenden, wie zum Beispiel das Ausgleichen fehlenden Wortschatzes durch Umschreibungen. Sprecher dieser Stufe sind fähig, persönliche Anliegen durch eigenständige Formulierungen auszudrücken, und können dabei bekannte oder gerade gehörte sprachliche Wendungen benutzen bzw. neu miteinander verbinden, um satzwertige Äußerungen zu produzieren bzw. aneinander zu reihen. Ihre sprachlichen Äußerungen können durch Pausen, Umformulierungen und Selbstkorrekturen geprägt sein, da sie oft nach angemessenen Wörtern und angemessener Sprache suchen, um sich auszudrücken. Aufgrund von Ungenauigkeiten in Wortwahl, Aussprache, Grammatik und Syntax können Mißverständnisse auftreten. Trotzdem werden Sprecher des mittleren Alltagsniveaus generell von geduldigen Gesprächspartnern, insbesondere von jenen, die oft mit Ausländern interagieren, verstanden. Unteres Alltagsniveau (Intennediate Low) Sprecher dieser Stufe sind fähig, eine begrenzte Anzahl einfacher kommunikativer Aufgaben durch eigenständiges Formulieren erfolgreich zu bewältigen. Gespräche beschränken sich auf konkrete Alltagssituationen und vorhersagbare Themen, die notwendig sind, um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Diese Themen beziehen sich auf grundlegende persönliche Angaben, die z.B. die eigene Person, die Familie, einige alltägliche Tätigkeiten und persönliche Vorlieben betreffen und auf grundlegende sprachliche Kontaktsituationen wie z.B. etwas im Restaurant bestellen oder kleinere Einkäufe tätigen beruhen. Auf dieser Stufe operieren Sprecher vorwiegend reaktiv und haben manchmal Mühe, direkte Fragen zu beantworten und Auskünfte zu geben. Dennoch sind sie fähig, situationsangemessene Fragen zu stellen. Sprecher des unteren Alltagsniveaus machen persönliche Angaben, indem sie sich bekannter oder gerade gehörter sprachlicher Wendungen bedienen bzw. diese zu neuen kurzen Aussagen zusammenstellen. Ihre Äußerungen sind häufig zögerlich und fehlerhaft, da sie nach angemessenen sprachlichen Formen und Wörtern suchen, um sich mitzuteilen; zudem sind sie durch viele Pausen, umständliche Formulierungen und Selbstkorrekturen gekennzeichnet. Aussprache, Wortschatz und Syntax sind noch sehr stark von ihrer Muttersprache beeinflusst. Obwohl häufig noch Mißverständnisse auftreten, die Wiederholungen und Umformulierungen erfordern, werden Sprecher dieser Stufe generell von geduldigen Gesprächspartnern, insbesondere von jenen, die oft mit Ausländern interagieren, verstanden. lFLllL 30 (2001) 124 Erwin Tschirner Hohes Einstiegsniveau (Novice High) Sprecher dieser Stufe sind in der Lage, viele Aufgaben des Alltagsniveaus zu bewältigen, können dieses Niveau allerdings nicht durchgängig aufrecht erhalten. Sie sind fähig, eine Reihe einfacher Kommunikationsaufgaben in unkomplizierten gesellschaftlichen Situationen vorwiegend mit Hilfe von auswendig gelerntem Material zu erfüllen. Gespräche sind auf ganz wenige vorhersagbare Themen beschränkt, die notwendig sind, um in der Zielkultur auf einfachste Weise zu leben. Dazu gehören beispielsweise einfache persönliche Angaben, elementare Gegenstände, und in beschränktem Umfang, elementare Tätigkeiten, Vorlieben und grundlegende Bedürfnisse. Sprecher dieser Stufe antworten auf direkte einfache Fragen und geben auf Anfragen auf einfache Weise Auskunft. Wenn sie darum gebeten werden, sind sie in der Lage, einige wenige formelhafte Fragen zu stellen. Sprecher des hohen Einstiegsniveaus sind in der Lage, persönliche Anliegen zu äußern, wobei sie aber darauf angewiesen sind, in hohem Maße auswendig gelernte Wendungen zu benutzen oder diese Wendungen mit unmittelbar vom Gesprächspartner verwendeten sprachlichen Elementen zu verknüpfen. Ihre Äußerungen bestehen meist aus kurzen und manchmal unvollständigen Sätzen im Präsens. Sie sind oft fehlerhaft und stockend, obgleich Äußerungen manchmal auch erstaunlich fließend und korrekt klingen können, wenn sie sich aus auswendig gelerntem Material und im Ganzen gespeicherten Satzteilen und Teilsätzen zusammen setzen. Bei dem Versuch, ihre Äußerungen zu personalisieren, werden Aussprache, Wortwahl und Satzbau jedoch deutlich von der Muttersprache der Sprecher beeinflusst. Obwohl häufig Missverständnisse auftreten können, machen sich Sprecher dieser Stufe durch Wiederholungen und Umformulierungen im allgemeinen für geduldige Gesprächspartner mit Erfahrung im Umgang mit Ausländern verständlich. Wenn sie aufgefordert werden, Sprechhandlungen und Themenbereiche des Alltagsniveaus zu bewältigen, sind sie nur teilweise fähig, ihren Mitteilungswünschen Ausdruck zu geben. Mittleres Einstiegsniveau (Novice Mid) Sprecher dieser Stufe kommunizieren minimal und mühevoll mittels einiger einzelner Wörter und auswendig gelerntem Material und sind durch den jeweiligen Kontext, in dem die Sprache gelernt wurde, eingeschränkt. Antworten auf direkte Fragen bestehen selten aus mehr als zwei oder drei Wörtern oder gelegentlich aus kurzen auswendig gelernten Sätzen. Sprecher des mittleren Einstiegsniveaus machen häufig lange Pausen, in denen sie nach einfachen Wörtern suchen oder versuchen, Wörter, die von ihnen selbst oder vom Gesprächspartner bereits benutzt wurden, wiederzuverwerten. Aufgrund der vielen Pausen, des sehr begrenzten Wortschatzes, des inkorrekten Sprachgebrauchs oder der Unfähigkeit, angemessen zu antworten, werden sie selbst von geduldigen Gesprächspartnern mit Erfahrung im Umgang mit Ausländern manchmal nur schwer verstanden. Wenn sie aufgefordert werden, Sprechhandlungen und Themenbereiche des Alltagsni- JFLulL 30 (2001) Die ACTFL Leitlinien mündlicher Handlungsfähigkeit 125 veaus zu bewältigen, verfallen sie häufig in ihre Muttersprache, in Schweigen oder in wortwörtliches Wiederholen. Unteres Einstiegsniveau (Novice Low) Sprecher dieser Stufe besitzen im Grunde keine Kommunikationsfähigkeit und sind wegen ihrer mangelhaften Aussprache häufig nicht zu verstehen. Gibt man ihnen ausreichend Zeit und benutzt sprachliche Wendungen, die sie kennen, dann sind sie eventuell in der Lage, zu grüßen, sich vorzustellen und einige wenige Gegenstände ihrer unmittelbaren Umgebung zu benennen. Sie sind aber nicht in der Lage, Sprechhandlungen und Themenbereiche des Alltagsniveaus zu bewältigen. lFLIIL 30 (2001) 126 Erwin Tschirner ACTFL Leitlinien fremdsprachlicher Kompetenz - Sprechen (Überblick) Expertenniveau Professionelles Niveau Alltagsniveau Einstiegsniveau (Superior) (Advanced) (Intermediate) (Novice) Sprecher dieser Stufe Sprecher dieser Stufe Sprecher dieser Stufe Sprecher dieser Stufe sind in der Lage, sind in der Lage, sind in der Lage, sind in der Lage, • sich gründlich und • sich aktiv an einigen • sich an einfachen Ge- • einfache Fragen zu effizient an formelformellen und den sprächen von Angesehr einfachen alltäglen und informellen meisten informellen sieht zu Angesicht zu liehen Dingen zu be- Gesprächen über Gesprächen über Theallgemein vorherantworten praktische und bemen von persönlichem sagbaren Themen mit • sich Gesprächspartrufsbezogene und/ und öffentlichem In- Bezug auf Alltagsgenern mit Erfahrung oder wissenschaftliteresse zu beteiligen schehen und persönim Umgang mit Ausehe Themen zu be- • Gegenwärtiges, Verliehe Umgebung zu ! ändern verständlich teiligen gangenes und Zukünfbeteiligen zu machen, mittels • mit Hilfe ausführlitiges zu beschreiben, • eigenständig zu foreinzelner Wörter, eher, gut strukturierdarüber zu berichten mulieren und ihre Wortlisten, auswenter Diskussionsbei- und zu erzählen, unter Anliegen geduldigen dig gelernter Wenträge überzeugende angemessener Markie- Gesprächspartnern dungen, und einiger Hypothesen zu entrung aspektueller Vermitzuteilen, indem sie selbst formulierter wickeln und Standhältnisse satzwertige Äußerun- Neuzusammensetpunkte zu erklären • unvorhergesehene gen produzieren bzw. zungen gelernter und zu begründen Probleme im Geaneinander reihen sprachlicher Elemen- • Themen auf konkrete sprächsverlauf mit un- • durch Fragen und te und abstrakte Weise terschiedlichen sprach- Antworten Auskünfte • eine sehr begrenzte zu erörtern liehen Mitteln zu lösen einzuholen oder zu Anzahl unmittelbarer • sprachlich unge- • zusammenhängende geben Bedürfnisse zu bewohnte Situationen Texte (Beschreibun- • einfache sprachliche friedigen zu bewältigen gen, Erzählungen u.a.) Interaktionen und • ein hohes Maß an mit angemessener Transaktionen durchsprachlicher Korrekt- Richtigkeit und Sizuführen und zu beheit einzuhalten cherheit zu produzieenden, wenn auch • professionelle ren primär reaktiv sprachliche Anfor- • die sprachlichen An- • Grundbedürfnisse derungen des Berufsforderungen von Schu- und soziale Anfordelebens bzw. der akale, Universität oder rungen der Zielkultur demischen Welt zu Beruf zu erfüllen. zu befriedigen, um erfüllen auf einfache Weise in der Zielkultur zurecht zukommen lFLIIL 30 (2001)