eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 30/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
301 Gnutzmann Küster Schramm

Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten

121
2001
Carsten Röver
flul3010181
Carsten Röver * Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten Abstract. Web-based language testing is an area with tremendous growth potential. This article reviews the background and history of web-based language tests, and discusses their advantages, particularly flexibility in space and time and low costs, as well as their challenges, such as browser incompatibilities, possible server problems, and data storage issues. To illustrate the potential of webbased tests, it shows an example of a sophisticated and complex test, and contrasts it with a simple and easily produc~able test, in the latter case including a discussion of the HTML code. 0. Einleitung Web-basiertes Testen für den Fremd- und Zweitsprachenunterricht ist ein bisher.noch unterentwickelter Bereich des Sprachtestens mit enormem Wachstumspotential. Webbasiertes Testen eignet sich nicht nur für formale Sprachprüfungen genau genommen eignet es für solche Situationen bisher am wenigsten (Röver 2001b). Es ist vielmehr am nützlichsten als ein unterrichtsbegleitendes Element, das Lernern selbstständiges Arbeiten ermöglicht, Übungen enthält, die im Unterricht kostbare Zeit verschwenden würden, und Lernern 'feedback' über ihre Lernfortschritte gibt. Darüber hinaus können web-basierte Tests (WBTs) Fernlernkurse begleiten, unter Aufsicht als Einstufungstests dienen und bieten sich immer dann an, wenn geographisch weit verstreute Lernergruppen dieselben Aufgaben bearbeiten sollen, z.B. in Forschungsvorhaben. Im Folgenden werde ich einen Abriss über den Hintergrund von web-basierten Tests sowie eine Definition geben, Vor- und Nachteile von WBTs diskutieren und Beispiele für komplexe und einfache WBTs geben. 1. Web-basierte Tests: Historischer Hintergrund und Definition Das Testen von fremdsprachlichen Fähigkeiten mit Hilfe von Computern blickt auf eine ca. zwanzigjährige Geschichte zurück (Brown 1997), und in anderen Bereichen sind computer-basierte Tests (CBTs) seit den frühen 70ern im Einsatz (Chalhoub-Deville/ Deville 1999). Der Einsatz von Computern als Testinstrumente ist aus mehreren Gründen Korrespondenzadresse: Carsten RöVER, Ph.D., Department of Second Language Studies, University of Hawai'i at Manoa, 1890 East-West Rd, Honolulu, HI 96822, USA. E-mail: roever@hawaii.edu Arbeitsbereiche: Zweitsprachenerwerbsforschung, Sprachtests, Sprachunterricht. JFlLuL 30 (2001) 182 Carsten Röver attraktiv. Vom psychometrischen Standpunkt her sind computer-basierte Tests weitaus nützlicher als traditionelle „Papier und Bleistift" Tests, denn sie ermöglichen die Benutzung der Item Response Theory (IRT; Hambleton/ Swaminanthan/ Rogers 1991), die nicht nur psychometrisch und statistisch der klassischen Testtheorie in vielerlei Hinsicht überlegen ist, sondern auch zu kürzeren und präziseren Tests führen kann, indem der Computer kontinuierlich seine Einschätzung des Fähigkeitsniveaus eines Testteilnehmers präzisiert und hauptsächlich Aufgaben auswählt, die dem Fähigkeitsniveau des Testteilnehmers angemessen sind. Somit wird einerseits das Fähigkeitsniveau genauer festgelegt und andererseits müssen Testteilnehmer nicht viele Aufgaben bearbeiten, die wenig Aussagekraft haben, da sie entweder viel zu schwierig oder viel zu einfach sind. Neben den o.g. psychometrischen Vorteilen erlauben CBTs auch die Einbeziehung von Medien wie Bildern, Tonaufnahmen und Video. Auf diese Weise wird der gesamte Test über eine integrierte Plattform abgewickelt, und der Einsatz externer Medien mit all seinen technischen und administrativen Schwierigkeiten wird vermieden. Schließlich sind CBTs auch sehr praktisch und arbeitssparend für Tester. Wenn 'multiple-choice' oder 'true/ false' Aufgaben verwendet werden, die nur eine richtige Antwort zulassen, können Antworten automatisch ausgewertet werden, was Testteilnehmern eine sofortige Ansicht ihres Testergebnisses ermöglicht und Testern langwierige Auswertungen per Hand erspart. Trotz ihrer Vorteile sind CBTs auch mit Problemen behaftet. Zum einen sind CBTs sehr viel störungsanfälliger und verlangen hohes technisches Fachwissen für ihre Entwicklung, was den gesamten Entwicklungsprozess sehr teuer macht. Es ist einer der größten Vorteile von WBTs, dass sie mit recht wenig technischem Wissen und geringem Aufwand realisierbar sind (siehe unten). Unter dem Gesichtspunkt der Validität kann sowohl bei CBTs wie auch bei WBTs die unterschiedliche Vertrautheit mit Computern seitens der Testteilnehmer konstruktirrelevante Varianz induzieren (Kirsch/ Jamieson/ Taylor/ Eignor 1998), da Testteilnehmer mit wenig Computererfahrung durch Anpassungsschwierigkeiten an die neuartige Testform Zeit und Energie verlieren. Dieses Problem existiert auch für WBTs, aber durch die allgemeine Verbreitung des Internet und somit seiner bekannten Benutzerumgebung, ist es u. U. weniger gravierend. WBTs können als eine besonderen Form von CBTs betrachtet werden, die ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. 2. Web-basierte Tests Web-basierte Sprachtests sind noch ein relativ neues Phänomen, obwohl das Interesse an ihnen zunimmt (Röver 2001b; Sawaki 2001) und das komplett web-basierende europäische Sprachtestprojekt DIALANG einen Quantensprung in ihrer Nutzung und Erforschung darstellen wird (Alderson 2001 sowie auch von der Handt im vorliegenden Heft). Ein WBT ist ein Testinstrument, das in HTML sowie möglicherweise JavaScript oder einer ähnlichen Skriptsprache geschrieben ist. Der Test selbst befindet sich als eine einzelne lFLUIL 30 (2001) Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten 183 Datei oder eine Gruppe von Dateien auf einem Server und wird von diesem zum Computer des Testteilnehmers, dem 'dient', herunter geladen. Der Test kann komplett oder Aufgabe für Aufgabe herunter geladen werden. Der 'dient computer' benutzt einen Standard 'web browser' (z.B. Netscape Navigator oder MS Internet Explorer), um die herunter geladenen HTML Daten als Webseite darzustellen. Das Web wäre nutzlos als Testmedium, wenn Testteilnehmer nicht ihre Antworten eingeben und an den Tester schicken könnten. Erfreulicherweise ermöglichen Webseiten ein gewisses Maß an Interaktivität, und es existieren vorgefertigte HTML Elemente, mit deren Hilfe 'multiple choice' Aufgaben, Kurzantwortaufgaben und Aufgaben mit längeren Antworten erstellt werden können. Die Antworten der Testteilnehmer werden anschließend als Emails an den Tester geschickt. Diese einfachste Form des WBT ist ohne große Schwierigkeiten für jeden Tester erstellbar, der einen web browser, ein HTML Einführungsbuch und (nicht unbedingt notwendig) ein Editorprogramm hat, das als Teil der kostenlosen web browser Pakete Netscape Communicator und Microsoft Internet Explorer problemlos erhältlich ist. Natürlich sind komplexere und komfortable Testformen denkbar: mit Hilfe der Fast- Programmiersprache JavaScript können z.B. automatische Auswertungsroutinen geschrieben werden, so dass Testteilnehmer am Ende einer Multiple-Choice-Sektion ihr Ergebnis sehen können. Den höchsten Komplexitätsgrad weisen Tests auf, die servergesteuert ablaufen. 2.1 Aufgabentypen für web-basierte Tests Ein schwerer Nachteil des Internet zum jetzigen Zeitpunkt (Frühjahr 2001) ist die Schriftlastigkeit des Mediums: es können zwar Audiodateien erstellt und über das Internet verteilt werden, aber Spracherkennung und damit die Möglichkeiten für tatsächlich kommunikative Testaufgaben stecken noch in den Kinderschuhen. Trotzdem sind eine Reihe nützlicher Aufgabentypen möglich: 'radio buttons' helfen bei der Erstellung von Multiple-Choice-Aufgaben für Grammatik und Vokabelübungen, einzeilige Textlauffelder sind benutzbar für Lückentexte und C-Tests, mehrzeilige Textlauffelder eignen sich für Langantworten, Aufsätze und 'discourse completion tests', und schließlich stehen 'frames' zur Verfügung für Leseverstehenstexte, wo ein 'frame' den Text und der andere 'frame' die Fragen darstellt. Aufgaben können zudem durch Bilder und Videos kontextualisiert werden, wobei zu bedenken ist, das v.a. Videodateien sehr groß sein und zu unerträglich langen 'download'-Zeiten führen können. 2.2 Räumliche Ungebundenheit vs. Testsicherheit Sicherlich der größte Vorteil des Internet als Testmedium ist die räumliche und zeitliche Ungebundenheit des Mediums. Testteilnehmer können den Test zu jedem Zeitpunkt, Tag oder Nacht, und an jedem Ort absolvieren, wo ein Computer mit Internetverbindung zur Verfügung steht. Dies flexibilisiert die Testdurchführung und vermeidet ein Problem lFLuL 30 (2001) 184 Carsten Röver traditioneller CBTs, die sehr teuer in der Einführung sind, da spezielle Testzentren eingerichtet werden müssen. Für die Durchführung von WBTs eignet sich jeder Heimcomputer und jedes Computerlabor. Ein potentiell schwerwiegendes Problem von WBTs betrifft die Testsicherheit. Wenn der web-basierte Test so angelegt ist, dass die Testteilnehmer ihn zu Hause bearbeiten können, besteht natürlich keinerlei Testsicherheit. Der Testteilnehmer kann von Freunden und Verwandten umgeben sein, die jede Antwort intensiv diskutieren. Zudem besteht in solchen Fällen auch keine Sicherheit für den 'item pool': nichts hindert Testteilnehmer daran, Items aufzuschreiben oder sie in ein Dokument zu kopieren. Das Problem der mangelnden Testsicherheit ist prinzipiell auf zwei Wegen lösbar. Zum einen kann man web-basiertes Testen auf Tests beschränken, die wenige oder keine Konsequenzen für den Testteilnehmer haben ("low-stakes tests"). Beispiele für solche Tests sind 'self-assessment' Instrumente, oder Tests, die Teilnehmern in einem Kurs oder in der Prüfungsvorbereitung zeigen, wie weit sie noch vom Lernziel entfernt sind. Die andere Möglichkeit besteht darin, den Test unter Aufsicht durchzuführen. Dafür müssten Testzentren geschaffen und beaufsichtigt werden, aber jegliche Einrichtung mit Computern und Internetverbindung wäre prinzipiell benutzbar. 2.3 Ein Test für arme Leute Traditionelle computer-basierte Tests verlangen ein hohes Maß an technischer Expertise, was Kosten und Entwicklungszeit in die Höhe treibt. Tatsächlich ist. das notwendige Programmierwissen so umfangreich, dass es nahezu unmöglich ist, solche Tests zu erstellen, ohne umfangreiches Wissen über eine Programmiersprache wie C oder C++ zu haben. Ganz anders web-basierte Tests: HTML ist keine Programmiersprache, sondern nur ein Reservoir von Formatierungsanweisungen, und HTML Regeln sind recht einfach zu lernen. Tests können mit Hilfe von Javascript oder komplexen 'server-side' Programmen wie Java oder Pearl komfortabler gemacht werden; aber HTML alleine ist völlig ausreichend, um einen funktionalen und professionell aussehenden Test zu erstellen. Wenn der Test einmal geschrieben ist, ist seine Unterhaltung und Benutzung sehr billig oder kostenlos für Tester und Teilnehmer. Tester können den Test auf servern ihrer Heimatinstitution oder auf kostenlosen Websites ansiedeln (www.geocities.com ist ein Beispiel), und wenn der Test automatisches feedback für Testteilnehmer hat, bedürfen Testteilnehmerantworten keiner weiteren Auswertung. Testteilnehmer benutzen ihren kostenlosen Webbrowser, um den Test zu absolvieren, und die einzigen Kosten, die entstehen könnten, sind Telefongebühren, wenn der Test komplett online vervollständigt werden muss. Wenn Komplettversionen vorhanden sind, die es erlauben, den gesamten Test herunter zu laden und offline zu vervollständigen, dürften selbst Telefongebühren gering bleiben. JFJLlUlL 30 (2001) Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten 185 2.4 Browser Probleme: Inkompatibilität, andere Alphabete Ein zuweilen unerfreuliches Problem sind die kleinen Unterschiede zwischen den beiden meist verbreiteten Browser, Netscape Navigator und Microsoft Internet Explorer. Es ist nicht von. vornherein gewiss, dass beide Browser sich gleich verhalten und einen gegebenen.Test gleich darstellen. Zusätzlich können sich auch unterschiedliche Versionen der Browser unterschiedlich verhalten. Daher muss ein Test grundsätzlich in beiden Browsern ausprobiert werden, und es kann notwendig sein, die Benutzer auf einen bestimmten Browser und/ oder eine bestimmte Browser Version festzulegen. ·Dieses Kompatibilitätsproblem ist verschärft spürbar in Fällen, wo Sprachen mit nichtlateinischen Alphabeten dargestellt werden müssen, z.B. Chinesisch, Russisch oder Arabisch. Netscape und Internet Explorer lösen dieses Problem auf sehr verschiedene Weise, und es existieren zusätzlich eine Reihe von Hilfsprogrammen (z.B. NJStar für Chinesisch und Japanisch), die im Hintergrund laufen und bei der.Darstellung helfen. Hier ist eine Festlegung des zu benutzenden Browsers und ggf. Hilfsprogramms·unvermeidbar. 2.5 Validitätsprobleme in web-basierten Tests: Computererfahrung Wie schon erwähnt ist ein potentiell schwerwiegendes Problem für alle Artencomputerbasierter Tests die unterschiedliche Computererfahrung seitens der Testteilnehmer. Wie Kirsch [et al.] (1998) für den computer-basierten TOEFL zeigten, kann Unterschiedliche Computererfahrung als konstrukt-irrelevante Varianz das Testergebnis beeinflussen. Allerdings zeigten Taylor [et al.] (1998), dass eine kurze Einführung in die Grundlagen der Computerbenutzung fehlende Computererfahrung ersetzt und Unterschiede verwischen kann. Es ist allerdings bemerkenswert in diesem Zusammenhang, dass beide Untersuchungen ausschließlich 'multiple-choice' Aufgaben betrafen. Der Effekt von Computererfahrung und Tippfähigkeit kann sich auf andere Aufgabentypen anders auswirken. 2.6 Serverprobleme Wenn der Test nicht als ganzes auf den Computer der Testteilnehmerinnen herunter geladen wird, sondern Aufgabe für Aufgabe, kann sich das Problem ergeben, dass durch Überlastung des Internet oder Probleme des Servers, auf dem die. Testitems abgelegt sind, das Laden neuer Items unverhältnismäßig lange dauert. Im Extremfall kann es völlig fehlschlagen und eine Fehlermeldung erscheinen. Diese Problem stellt sich verschärft für ltems, die Audio- oder Videodateien enthalten, da die pure Datenmasse einer solchen Datei viele Internetverbindungen überfordert. Solche Probleme sind ein Albtraum jedes Testadministrators. Sie können vermieden werden, indem die ltems lokal von einer Diskette, CD-Rom oder einem lokalen Netzwerk geladen werden. Eine technisch weit komplexere Methode ist es, mehrere items zur gleichen Zeit vom Internet zu laden und vorübergehend lokal zu speichern, so dass man bei Verlangsamung der Ladegeschwindigkeit auf diesen Vorrat zurückgreifen kann. lFLIIL 30 (2001) 186 Carsten Röver 2.7 Datenspeicherung Computer sind insgesamt Papier darin weit unterlegen, dass sie sehr viel störanfälliger sind: ein kurzer Stromausfall oder ein "System Error" und alle Daten können verloren sein. Solche Totalverluste sind vermeidbar, indem die Antwort für jedes Item über das Internet an den Tester geschickt wird. Aber das löst nur das halbe Problem, denn Testteilnehmer können anschließend nicht einfach dort fortfahren, wo der Test unterbrochen war. Das ist nur möglich, wenn Antworten und bearbeitete Items auch lokal gespeichert werden und zwar mit Hilfe von Cookies. Cookies sind Textsequenzen, die in der sog. "cookie file" gespeichert werden, und die einzige Möglichkeit für den Browser darstellen, auf die Festplatte des Computers zu schreiben (Schreiboperationen sind ansonsten aus Sicherheitsgründen blockiert). Im Cookie können mit Hilfe eines handgeschriebenen Skripts Identifikationsnummern bearbeiteter Items und andere Informationen gespeichert werden, auf die der Browser dann nach Neustart des Tests zurückgreifen kann. Dies funktioniert allerdings nur im MS Internet Explorer, da nur dieser Browser 'cookies' sofort bei ihrer Erstellung physisch auf die Festplatte schreibt. Netscape Navigator hält den 'cookie' in RAM, wo er bei einem Strom- oder Systemausfall gelöscht würde. 3. Ein komplexer web-basierter Test: Röver's Test of interlanguage pragmalinguistic knowledge Als Beispiel für die Möglichkeiten von WBTs mag Rövers "Test of interlanguage pragmalinguistic knowledge" dienen (Röver 2001a). Es handelt sich um einen web-basierten proficiency test für pragmalinguistisches Wissen über amerikanisches Englisch. Röver definiert das Konstrukt „pragmalinguistisches Wissen" als offline Wissen über die linguistische Realisierung von situativen Routinen (Coulmas 1979; 1981; Röver 1996), Implikatur (Bouton 1988, 1994, 1999) und den Sprechakten „Entschuldigung", "Aufforderung" und „Ablehnung" (Hudson/ Detmer/ Brown 1995; Yamashita 1996). Der Test benutzt eine 'frame' Struktur, in der der untere Rahmen statisch blieb und sämtliche Skriptfunktionen enthielt, während der mittlere Rahmen Aufgaben und andere Testteile darstellte und der obere Rahmen eine Uhr und einen Aufgabenzähler enthielt. Rövers Test besteht aus je 12 Multiple-Choice-Aufgaben zum Testen von Routinen und Implikaturen. Ein Beispiel findet sich in Abbildung 1. lF'L11lllL 30 (2001) Weh-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten Jack was just introduced to Jamal by a ftiend They're shaking hands. What would Jack probably say? r, l. "Nice to meet you." r 2. "Good to run into you." r- 3. ''Happy to find you." C" 4. "Glad to see you." Abb. 1: Multiple-Choke Routinenaufgabe 187 Für Sprechakte verwendet Röver 12 Situationsbeschreibungen und 'rejoinder', wie sie Johnston/ Kasper/ Ross (1998) vorschlagen. Ein Beispiel ist in Abbildung 2 wiedergegeben. Abb. 2: Multiple-Choke Sprechaktaufgabe IFLlJIL 30 (2001) 188 Carsten Röver Zusätzlich enthält der Test eine Eröffnungsseite, einen Hintergrundfragebogen und Instruktionen zu den drei Untertests. Obwohl die Aufgaben selbst auch mit einfachem HTML erstellt werden könnten, enthält Rövers Test eine Reihe von speziellen Funktionen, die nur mit Hilfe von Java- Script realisierbar waren, aber wichtig für Testqualität und Testvalidierung sind. 3.1 Zeitbegrenzung des Tests und von Testteilen Obwohl proficiency Tests nicht zeitbegrenzt sein sollten, ist es in der Praxis notwendig, die Testzeit zu begrenzen. Mit Hilfe von Skriptfunktionen kann die Zeit für einen Testteil oder den gesamten Test gemessen werden und wenn ein vorher eingestelltes Maximum erreicht ist, kann das Skript den Test automatisch abbrechen. In Rövers Test waren die Testteile zeitbegrenzt, aber nicht der Test insgesamt. Testteilnehmer konnten mit Hilfe der Uhr im oberen Rahmen jederzeit sehen wie viel Zeit ihnen noch verblieb. 3.2 Aufzeichnung von Antwortprozessen Eine Javascript Funktion misst die Zeit vom Laden eines ltems bis zur Anforderung des nächsten Items. Dies erlaubt einen Vergleich der durchschnittlichen Antwortzeiten pro ltem und pro Testteil, aber ist nicht zwangsläufig ein Indikator von Itemschwierigkeit, denn ltems mit mehr Text erfordern längere Lesezeit und produktive ltems bedürfen sehr viel längerer Antwortzeiten. Röver (2001a) fand keine signifikante Korrelation zwischen Antwortzeit und Testergebnis. Eine fortgeschrittene Variante der Aufzeichnung von Antwortprozessen ist Aufzeichnung jeglichen Mausklicks und Tastendrucks, was es ermöglicht, auch ursprüngliche, später geänderte Antworten zu speichern. Dieses Vorgehen erzeugt allerdings immense Datenmengen, und ein besserer Einblick in Antwortprozesse kann in vielen Fällen durch verbale Protokolle (Ericsson/ Simon 1993) erreicht werden. 3.3 'Randomisierung' von Items und Testteilen Es kann aus verschiedenen Gründen wünschenswert sein, dass ltems und Testteile in zufälliger, nicht vorher festgelegter Reihenfolge dargestellt werden. Zum einen wird dadurch ein Reihenfolge-Effekt vermieden, da so gut wie nie dieselben Items aufeinander folgen. Außerdem erschwert 'Randomisierung' auch unerwünschte Kooperation seitens der Testteilnehmer, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass zwei Testteilnehmer dasselbe ltem zur selben Zeit bearbeiten. 'Randomisierung' wird erreicht mit Hilfe einer vorgefertigten JavaScript Funktion, die eine Zufallszahl innerhalb einer vorgegebenen Spanne erzeugt. Leider hat diese Funktion kein „Gedächtnis", d.h., sie erzeugt diesselbe Zahl auch mehrfach, weshalb eine (mühsam per Hand geschriebene) Funktion feststellen muss, ob diese Zahl schon benutzt wurde, damit nicht dasselbe Item mehrfach angefordert wird. IFL\IIL 30 (2001) Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten 189 3.4 Hilfe Funktion Die Schaltfläche "Show instructions" im unteren Rahmen erlaubt es, die Instruktionen für den aktuellen Untertest anzufordern. Eine Skriptfunktion prüft, welcher Testteil gerade bearbeitet wird und ruft die entsprechende Instruktionsseite auf. 3.5 Rückmeldung Als letzte Seite in Rövers Test wurde den Testteilnehmern ihr Ergebnis für die Multiple- Choice-Testteile angezeigt. Das Ergebnis für den Testteil Sprechakte konnte nicht angezeigt werden, denn die produktiven Antworten in diesem Testteil mussten zuerst ausgewertet werden. 3.6 Andere Funktionen Rövers Test enthielt noch eine Reihe andere Funktionen, deren Diskussion hier zu weit führen würde, z.B. 'cookies' zur Datenspeicherung, Blockieren des Programcodes, automatische Reaktivierung eines abgebrochenen Testlaufs und automatische Generierung von 'score reports'. Aber ein nützlicher web-basierter Test kann auch mit weniger als Rövers 660 Zeilen JavaScript Code realisiert werden. 4. Ein einfacher Test: Langantwort Rövers oben diskutierter Test ist ein Beispiel für einen programmierintensiven und komplexen Test mit vielen verschiedenen Funktionen. Ein solcher Test verlangt umfangreiche HTML- und JavaScript-Kenntnisse und einen hohen Zeitaufwand zum Programmieren und Überarbeiten. Im Folgenden möchte ich einen viel einfacheren Test diskutieren, der auch ohne große Programmierkenntnisse realisierbar ist: die beliebte Langantwortaufgabe (Essay). Abbildung 3 (auf der folgenden Seite) zeigt eine Langantwortaufgabe in Netscape Navigator 4.7. Der Test besteht aus den folgenden Elementen: Aufgabentext, einem Textfeld, in das Testteilnehmer ihre Antwort tippen einem Inputfeld, in das Teilnehmer ihren Namen tippen, einer Schaltfläche zum Absenden der Antworten. lFLw. 30 (2001) 190 Carsten Röver Please answBr the jo/ lowüig questton. The political landscape in the US has been strongl.y influenced by political action committees. Discuss 1 Yourname: J Abb. 3: Langantwortaufgabe Der HTML Code für diesen Test ist sehr einfach und auch problemlos ohne große HTML Kenntnisse erstellbar. Alle sog. tag Elemente, die in< ... > eingeschlossen sind (hier fett), sind Teil des Codes und auf dem Bildschirm nicht sichtbar: sie dienen nur als Formatierungsanweisungen, die die Darstellung der Seite steuern. 1. <html> 2. <head> 3. <title>Essay<ltitle> 4. <lhead> 5. <body> 6. <P><i>Please answer the following question.<li><lp> 7. <form action="mailto: bigteacher@niceschool.de" method="POST" name="test"> 8. <p> The political landscape in the US has been strongly influenced by political action committees. Discuss.<lp> 9. <p><textarea name="PAC item" rows="l0" cols="74" wrap="virtual"> <ltextarea><ip> 10. <p> Your name: <input typi"="text" size="20" name="testtaker"><ip> 11. <br> 12. <input type="button" name="submit_button" value="Submit"> 13. </ form> 14. <lbody> 15. <lhtml> Zeilen 1-5 sind Standard Eröffnungs-tags, die dem browser mitteilen, dass es sich um eine HTML Seite handelt, dass der Titel "Essay" im Kopfteil der Seite erscheinen soll, und dass nunmehr der Hauptteil der Seite (<body>) beginnt. lFLllL 30 (2001) Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten 191 Zeile 6 ist sichtbarer Text, formatiert als kursiv durch die <i> und </ i> tags. Der <i> tag legt fest, wo die kursive Formatierung beginnt, der </ i> tag, wo sie endet. Fehlte letzterer, wäre die gesamte Seite kursiv. Der Paragraphentag <p> eröffnet diese Zeile als einen neuen Paragraphen. Zeile 7 ist essentiell, denn der <form> tag definiert den folgenden Abschnitt (bis zum </ form> tag in Zeile 13) als Formular, was es ermöglicht, dass Lerner Antworten eingeben und abschicken können. Der <form> tag ist unbedingt notwendig, um die beiden Texteingabefelder und die Schaltfläche darzustellen. Fehlt <form>, sind diese Felder nicht sichtbar. Der method Teil der Formulardefinition ist fast immer als POST definiert, der Name des Formulars ist optional aber empfohlen, und der action-Teil steuert die Versendung der Antworten. In diesem Fall werden selbige als email an den Lehrer geschickt. Eine andere Möglichkeit ist die Nutzung von Serverskripts, aber dann muss der genaue Inhalt für method beim Webmaster erfragt werden. Zeile 8 ist die Aufgabenstellung für das Essay, und Zeile 9 definiert das Textfeld, in das die Testteilnehmer ihre Antwort tippen. Das Feld wird als 10 Zeilen hoch und 74 Zeichen breit dargestellt, aber selbstverständlich können Testteilnehmer mehr als 10 Zeilen tippen. Der optionale tag "wrap=virtual" führt dazu, dass am rechten Rand des Eingabefeldes ein Zeilenumbruch erzwungen wird. Anderenfalls würde der Text endlos über den Rand hinauslaufen, was bei der Eingabe unangenehm ist. Zeile 10 ist ein kleineres Textfeld, das sich für Kurzantworten eignet und hier der Eingabe des Namens dient. Zeile 11 ist ein einfacher Zeilenumbruch und Zeile 12 definiert die Schaltfläche, mit deren Hilfe das Formular an den Tester (hier: bigteacher@niceschool.de) abgeschickt wird. Zeilen 13 bis 15 beenden das Formular, den Hauptteil der Seite und den Code an sich. Dieser kurze Test ist vollkommen funktional und erzeugt eine email, die ungefähr folgendermaßen aussieht: PAC item: Political action committees are a relatively recent development in American politics. [ ... ] testtaker: John Q. Doe Selbstverständlich bleibt es weiterhin dem Tester/ Lehrer überlassen, die Antwort zu bewerten. 5. Schlusswort Web-basiertes Testen fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten steckt noch in den Kinderschuhen, aber hat großes Potential als eine einfache Methode zur Erstellung "hausgemachter" Tests für kurze, unterrichtsbezogene Aufgaben bis hin zu komplexen, wissenschaftlich orientierten Testbatterien für Einstufung und Leistungsmessung. In der Zukunft werden v.a. die Einbindung von Audio- und Videodateien erweiterte Möglichkeiten für kommunikative Übungen bieten, obwohl gesprochene Kommunikation sicherlich noch ein Fernziel ist. Insgesamt ist die Praktikabilität web-basierter Tests ein gewichtiges Argument für ihren Einsatz, darf aber nicht über die Notwendigkeit hinweg täuschen, dass auch diese Tests einer empirischen Absicherung bedürfen. lFLIIL 30 (2001) 192 Carsten Röver Literatur ALDERSON, Charles (Organisator) (März 2001). 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