Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
301
Gnutzmann Küster SchrammAnnette SABBAN (Hrsg.): Phraseologie und Übersetzen
121
2001
Bernd Stefanink
Annette SABBAN (Hrsg.): Phraseologie und Übersetzen. Bielefeld: Aisthesis Verlag 1999 (Phrasemata II), 206 Seiten [DM 68,-]
flul3010261
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 261 Ausgewählte Neuerscheinungen zur Übersetzungswissenschaft und Übersetzungsdidaktik eine Sammelrezension (Teil IV) 3 (Bernd Stefanink, Bielefeld) Während die Übersetzungswissenschaft/ er nach dem 2. Weltkrieg im Gefolge von Weaver aufein Regelwerk für die maschinelle Übersetzung hinarbeiteten, ist man allmählich zu einer bescheideneren Zielsetzung gelangt, die man „intersubjektive Überprüfbarkeit"(Gerzymisch-Arbogast 1994 ), " intersubjektive Nachvollziehbarkeit" (Stefanink 1997) oder „ interindividuelle Nachvollziehbarkeit" (Gerzymisch-Arbogast! Mudersbach 1998) nennen kann. Unter diesem neuen Blickwinkel sollen im Folgenden einerseits Veröffentlichungen zur Erklärung der Kreativität.beim Übersetzen betrachtet we~den, andererseits. die kontrastiven Untersuchungen zur kulturellen Geprägtheit fachsprachlicher Textrhetorik. 4 Annette SABBAN (Hrsg.): Phraseologie und Übersetzen. Bielefeld: Aisthesis Verlag 1999 (Phrasemata II), 206 Seiten [DM 68,-] Der B,md vereint 11 Vorträge, die im Oktober 1998 ah der Hildesheimer Universität anlässlich der gleichnamigen Tagung gehalten wurden, wobei nicht nur auf den direkten Bezug zwischen Phraseologismen und dem eigentlichen übersetzerischen Handeln eingegangen wird, sondern auch auf damit zusammenhängende kontrastive Untersuchungen zur Makrostruktur juristischer Texte, auf die Darstellung von Phraseologismen in Wörterbüchern, auf die kulturelle Einbettung von Phraseologismen und schließlich auf die Gefährlichkeit hinterlistiger 'falscher Freunde'. In ihrem Beitrag „Phraseologisches Minimum als Berufschance. Zur mündlichen Übersetzung (Deutsch-Französisch in der Agregation" (dessen Titel m.E. nicht auf das Wesentliche ihres Beitrags verweist) bedauert Gertrud GRECIAN0 die mangelnde Phrasemkompetenz der französischen Germanisten in der Agregationsprüfung. Sie unterstreicht die Bedeutung der Phraseme für einen modernen Fremdsprachenunterricht, bei dem Sprache und Kultur zusammenhängend gelehrt werden sollten, indem sie aufzeigt, dass derartige phraseologische Lexikalisierungen nicht isoliert dastehen, sondern kulturell verankert sind. So z.B. lässt sich die Gegenüberstellung der beiden Phraseme die Revolution gärt la revolution gronde auf eine breitere allgemeinere Basis zurückführen, bei der im Deutschen die Chemie der Spender der Benennung in ihrer visuellen und taktilen Wahrnehmbarkeit ist und Philosophie, Geschichte und Soziologie die Nehmer sind, während im Französischen das Bild aus den Naturphänomenen, hier Meteorologie, stammt und die Wahrnehmung auf die Akustik verlagert wird. Diese Verankerung von gronder in den Bereichen „Naturphänomene" und „Krieg" ist im Französischen literaturgeschichtlich belegt (z.B. bei LoTI: le grondement des eaux, bei C0URTELINE: le grondement de canonnade lointain) und somit Teil eines breiteren kulturellen Kontextes, der ein grundsätzlicher Bestandteil des Spracherwerbs sein sollte. Sie plädiert folglich für eine verstärkte „Umsetzung des Wissens vom phraseologischen Minimum in die Didaktik" (143), was „nur über eine systematische Phrasemarbeit erworben werden kann" (142). Wie diese „systematische Phrasemarbeit" in der didaktischen Praxis vonstatten gehen soll, wird allerdings nicht ausgeführt.« C'est 1a une autre paire de manches! » GRECIAN0 behauptet (141): "Phraseme entziehen sich der Übersetzung", weil sie sich „nicht wörtlich 3 Teil I ist erschienen in FluL 23 (1994), 268-276; Teil II in FluL 25 (1996), 250-261; Teil III in FLuL 28 (1999), 229-238. 4 GERZYMISCH-ARB0GAST, Heidrun: Übersetzungswissenschaftliches Propädeutikum. Tübingen: Francke 1994 (UTB 1782); STEFANINK, Bernd (1997): "'Esprit de finesse' - 'Esprit de geometrie': Das Verhältnis von 'Intuition' und 'übersetzerrelevanter Textanalyse' beim Übersetzen". In: KELLER, Rudi (Hrsg.): Linguistik und Literaturübersetzen. Tübingen: Narr 1997, 161-184; GERZYMISCH-ARB0GAST, Heidrun / MUDERSBACH, Klaus: Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens. Tübingen: Francke 1998 (UTB 1990). lrLlllL 30 (2001) 262 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel von einer Sprache in die andere überführen lassen" und nur eine Auffassung von „Übersetzung nicht als Technik, sondern als Kunst erlaubt, die Lücken im jeweiligen Sprachsystem zu füllen". Hier liegt m.E. noch eine veraltete Vorstellung von Übersetzen zugrunde, bei der es gilt, mit „Kunst"-griffen „Lücken im jeweiligen Sprachsystem zu füllen" ( 141) anstatt von der Verankerung des übersetzerischen Handelns in der parole auszugehen und die Übersetzung von Phraseologismen translatologisch in den Bereich kommunikativen Handelns einzuordnen, welches dem Imperativ der Funktionalität untergeordnet ist. Bezeichnend ist, dass in ihrem Beitrag die Beispiele kontrastiv, aber nicht in den Gesamttext eingebettet erscheinen. Nur eine derartige Einbettung in den Gesamttext könnte dem Leser jedoch eine Beurteilung der von ihr als fehlerhaft dargestellten Abweichungen von der Norm gestatten. Im Widerspruch zu GRECIANOS Behauptung bezüglich der Unübersetzbarkeit von Phraseologismen, zeigt Rosemarie GLÄSER (99-118) an zahlreichen Beispielen aus zwei Texten von Christa Wolf und deren Übersetzungen ins Englische und Französische auf, "dass phraseologische Nulläquivalenz in der Zielsprache durch andere lexikalische oder syntaktische Mittel kompensiert werden kann" (117), insofern als „die stets AS-textbezogene ganzheitliche Sicht der Übersetzer bei der Wiedergabe der Phraseologismen in der Zielkultur [ ... ] die situative Äquivalenz und funktionale Adäquatheit der Phraseologismen im ZS-Text gewährleistet" (117). Auch Grecianos Feststellung: "Phraseologie entfaltet sich als ein idealer Ansatzpunkt für eine kulturbezogene Sprachvermittlung" (143), « laisse le lecteur quelque peu sur sa faim ». Der Fremdsprachendidaktiker wäre da für ein paar wegweisende Konkretisierungen dankbar. Warnt nicht Dimitrij DOBROVOL'SKU (41-58) davor, allzu voreilig „Phraseologie als Spiegel der nationalen Kultur" (41) zu sehen? Beweist nicht gerade das von GRECIANO oben angeführte Beispiel von V. Hugo (la revolution, l' erneute gronde, / es tetes fermentaient. Une tempete qui ne pensait encore que gronder flottait a la surface de cette foule [Grand Robert] (137)), bei dem sie eine „versöhnliche Synästhesie" der verschiedenen Sinneswahrnehmungen feststellt, dass beide Metaphernmodelle (gronder und gären) im französischen Kulturbereich potentiell vorhanden waren und dass es sich bei den oben gegenübergestellten phraseologischen Verfestigungen um das handeln könnte, was DOBROVOL'SKU „sprachliche Zufälle" (49) bzw. "Unterschiede in der Versprachlichung bestimmter Entitäten" (42) nennt? In seinem Beitrag „Kulturelle Spezifik in der Phraseologie: Allgemeine Probleme und kontrastive Aspekte" stellt DOBROVOL 'SKU nämlich strenge Kriterien in Bezug auf die kulturelle Spezifik auf: "Als kulturspezifisch können nur die sprachlichen Erscheinungen eingestuft werden, die kulturell bedingte Ursachen und/ oder kulturell signifikante Konsequenzen haben" (54). Er führt ein Beispiel aus der westmünsterländischen Phraseologie an: Wenn eine Porzellantasse auf den Boden fällt und zerschlagen wird, sagen die Sprecher des Dialekts: Die Seele geht zur Fabrik zurück. Dies ist kulturell insofern signifikant, als es in einen größeren kulturellen Zusammenhang eingebettet ist und auf der Vorstellung einer physischen Wanderung der Seele nach dem Tode beruht, einer Vorstellung die z.B. im Brauch zum Ausdruck kommt, den Verstorbenen drei Tage lang im offenen Sarg unter eine Dachbodenluke zu legen, damit die Seele den Ausgang leichter findet. Die Erklärung dieses Idioms erfordert somit eine Rekurrierung auf kulturelle Fakten. Bekräftigt wird die Einbettung in das kulturelle Brauchtum durch weitere Redewendungen wie „er sieht zum letzten Mal durch die Dachbodenluke", bzw. "er steckt die Nase zur Dachbodenluke", mit der Bedeutung 'er ist vor kurzem gestorben'. Allerdings erfüllt selbst dieses Idiom nicht das Kriterium der „kulturell relevanten Konsequenzen", insofern als der westrnünsterländische Dialektsprecher das Porzellangeschirr nicht etwa auf eine besondere Weise behandelt. Dagegen hat das Idiom eine Kuh mit Kalb, mit dem eine Frau mit einem unehelichen Kind bezeichnet wird, kulturell signifikanten Charakter, da man sich vorstellen kann, "dass das Vorhandensein derartiger Ausdrücke die entsprechenden Verhaltensmuster und Werthierarchien weitergibt" (56). Eine „Vorstellung", die der Vf. allerdings nicht mit Belegen untermauert. Genevieve BENDER-BERLAND befasst sich mit der Übersetzung von Wortspielen in Titeln von Zeitungsartikeln. Nachdem sie in Anlehnung an Reiss (1971) und Nord (1993) 5 festgestellt hat, dass NORD, Christine (1993): Einführung in das funktionale Übersetzen. Am Beispiel von Titeln und Über- JFlLUlllL 30 (2001) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 263 derartige Titel den drei Bühlerschen Sprachfunktionen genügen müssen, entscheidet sie jedoch, dass sie primordial formbetont übersetzt werden müssen, "car le but de l' operation est de parvenir lt un produit qui etonne" (37). Sie scheint dabei zu vergessen, dass die gewählte Übersetzungsstrategie von der anvisierten Empfängergruppe der Übersetzung abhängt und dass dementsprechend auch eine Funktionsänderung möglich ist (cf. ReissNermeer 1984) 6 • Wenn sie schreibt: "c 'est avant tout la fonction d' appel qui est mise en evidence par la transposition d'une langue lt l'autre, sans que l'information soit pour autant negligee" (34), so stellt sich die Vf. nicht die Frage, wer überhaupt in der Praxis an der Übersetzung derartiger Zeitungsartikel Interesse hat. M.E. muss man bei der Übersetzung dieser Textsorte die dem Übersetzer in der Praxis nur selten begegnet von einer Funktionsänderung ausgehen: Wenn man Ausschnitte aus ausländischer Presse in deutschen oder französischen Zeitungen findet, so scheint nicht die Form wichtig, sondern der Inhalt, der Leser will sich einen raschen Überblick über die ausländische Presse zu einem bestimmten Thema verschaffen. Es sollte dann informationsbetont und nicht formbetont übersetzt werden. Die Vf. bietet zum Teil interessante Problemlösungen, deren Güte jedoch kaum zu beurteilen ist, da die Texte, auf die sich die Titel beziehen, nicht gegeben sind; die Informationsfunktion gehört aberso wie die Appellfunktion-zu den grundlegenden Funktionen von Titeln (Nord 1993); nur eine genaue Kenntnis des zu übersetzenden Textes lässt eine kreative Lösung zu, die diesen beiden Funktionen gerecht werden könnte. Ob außerhalb des universitären Elfenbeinturms allerdings je ein Übersetzer in die Lage kommen wird, Artikel aus dem Journal für die Frau oder Brigitte (aus denen BBs. Beispiele zu einem großen Teil stammen) zu übersetzen, bleibt ohnehin dahingestellt. 7 Auch Sabine FIEDLERS Artikel „Zum Übersetzen von Phraseologismen in die Plansprache dargestellt an literarischen Übersetzungen im Esperanto" gehört zu den in der Praxis wenig vertretenen Übersetzungsarten, was nicht heißen soll, dass derartige spezifische Untersuchungen nicht wichtige Denkanstöße vermitteln können. So ist z.B., laut Vf. das anvisierte Leserpublikum in diesem Fall für sprachliche Zusammenhänge und Erkenntnisse kultureller Art besonders aufgeschlossen; es wird somit also leichter, den in der Belletristik umstrittenen Einsatz kommentierender Übersetzungsverfahren zu akzeptieren. Dies gilt auch für die veranschaulichende Erklärung von Phraseologismen. Im Falle von eins-zu-null Entsprechungen können derartige erklärte Phraseologismen ein mögliches Problemlösungsverfahren darstellen und zu einer Bereicherung der Plansprache führen. Die Alternative ist eine Entmetaphorisierung, die weniger malerisch ist, aber die angemessene Universalität erreicht, wie z.B. die Übersetzung von 'Das hat weder Kopf noch Schwanz' mit 'Das ist eine Sinnlosigkeit'. Von Elisabeth GüLICHS (1997: 147) 8 Verständnis von formelhaften Texten ausgehend, die durch „konstante inhaltliche Komponenten" und eine „festen Gesamtstruktur" charakterisiert sein müssen, tritt Laurent GAUTIER den Beweis an, dass es sich bei juristischen Texten des Verfassungsrechts um übereinzelsprachlich makrostrukturell vorgeformte „Phraseotexte" handelt, die auch auf der Mikroebene phraseologisch äußerst produktiv sind. Bereits Funk (1996: l )9 war der Ansicht, dass die Kenntnis dieser „Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten[...] den Zugang zu diesem Rechtsgebiet erleichtert. Dies gilt in besonderem Maße für den Übersetzer". GAUTIER stellt die Frage, ob es sich bei Übereinzelsprachlichkeit der Makrostruktur um „parallele phraseologische Systeme, um Lehnübersetzungen, oder schriften. Tübingen: Francke; REISS, Katharina (1971): Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik. Kategorien und Kriterien für eine sachgerechte Beurteilung von Übersetzungen. München: Hueber. 6 REISS, Katharina/ VERMEER, Hans J. (1984): Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie. Tübingen: Niemeyer. 7 Hönig/ Kußmaul (HöNIG, Hans/ KußMAUL, Paul: Strategie der Übersetzung, Tübingen: Narr 1982) kritisieren die universitäre übersetzerische Unterrichtspraxis, die eine Vorliebe für die Übersetzung von Zeitungsartikeln hat, die in der Praxis jedoch nie als übersetzerisches Handeln gefordert sind. 8 GÜLICH, Elisabeth: "Routineformeln und Formulierungsroutinen. Ein Beitrag zur Beschreibung 'formelhafter Texte'". In: WIMMER, Rainer / BEHRENS, Franz-Josef (Hrsg.): Wortbildung und Phraseologie. Tübingen: Narr 1997 (Studien zur deutschen Sprache; 9), 131-175. 9 FUNK, B.-Ch.: Einführung in das österreichische Ve,fassungsrecht. Graz: Leykam 1996. IFL\IL 30 (2001) 264 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel um durch sprachliche Einflüsse bedingte kulturelle Übertragungen" handelt (96). Da diese Frage jedoch auch das Problem der Rechtsquellen berührt, empfiehlt er ein Weiterforschen in Zusammenarbeit mit Juristen, um neben den inhaltlichen Aspekten des Transfers auch die sprachlichen hervorheben zu können und somit auch einen Beitrag zur interkulturellen (Fach-) Kommunikation leisten zu können. Wie Gautier im oben erwähnten Artikel hervorhebt, ist im juristischen Bereich die Verknüpfung des Faches mit der dazugehörigen Fachsprache besonders eng. Er greift die Formulierung des Rechtswissenschaftlers Ernst Forsthoff auf, nach dem eine „nicht nur zufällige, sondern ins Wesen treffende Verbindung des Rechts zur Sprache" besteht, was in der juristischen Auslegungsmethodik vor allem in der grammatischen Auslegung seinen Niederschlag findet. Hinzu kommt wie Thierry GRASS in seinem Artikel über „Phraseme des Zivilrechts in einem zweisprachigen elektronischen Wörterbuch Französisch- Deutsch" feststellt-, dass „ein Rechtssystem [...] ein wichtiges Stück nationaler Identität [ist]" (119). Diese „tiefe nationale Prägung der Rechtssprachen" (119) hat bereits zu enormen Missverständnissen im juristischen Bereich geführt, wie GRASS weiter feststellt, da die Gefahr „de[s] Zugriff[s] auf eigene inländische Referenzsysteme [droht], um ausländische Begriffe zu verstehen" (119). Das von GRASS vorgestellte Projekt eines elektronischen Wörterbuchs von Rechtsphraseologismen könnte der Unzulänglichkeit der traditionellen Hilfsmittel des Übersetzers nämlich der „linearen" Wörterbücher insofern Abhilfe schaffen, als es die Beziehungen zwischen den verwandten Stichwörtern herstellt. Der Dictionnaire explicatif et combinatoire von Igor Mel' guk, in dem die Beziehungen zwischen den Wörtern z.B. als Hyperonymie, Hyponymie, Antonymie u.a.m. 'erklärt' werden und in dem die syntaktische Dimension, so wie das Netz lexikalischer Kookkurrenzen als 'kombinatorische' Elemente in die Beschreibung grundsätzlich mit aufgenommen werden, liefert die theoretische Grundlage für dieses Projekt. Michaela HEINZ macht auf die Problematik aufmerksam, vor die sich der Verfasser zweisprachiger Wörterbücher bei der Darstellung von äquivalenten Phrasemen im Falle von Viele-zu-viele-Entsprechungen gestellt sieht. Sie stellt eine Prioritätenliste der zu respektierenden Teiläquivalenzen auf, in der (1) die „semantische Äquivalenz" (dies „versteht sich von selbst" meint die Vf.), als „unerlässliche Grundbedingung" an erster Stelle rangiert (154), gefolgt von (2) Äquivalenz der Markiertheit, (3) Äquivalenz auf der diachronischen Ebene, (4) Äquivalenz im Bildspendebereich. Danach folgt „eine gewisse Willkür". Sollte da die Frequenz, an die HEINZ sicher auch gedacht hat, nicht explizit in die Liste mit aufgenommen werden, womit die Willkür sicher in engere Grenzen verwiesen werden könnte? Der erfahrene Übersetzer wird wohl an dem Nutzen derartiger phraseologischer Wörterbücher allgemein zweifeln. Bei der Auswahl einer zielsprachlichen Entsprechung richtet er sich nach der Funktion, die das Phrasem im Gesamttext, bzw. in der Situation zu erfüllen hat. Das phraseologische Wörterbuch ist dabei in erster Linie eine Gedächtnisstütze. Der erfahrene Übersetzer wird sich hüten, ein Phrasem zu benutzen, das er nicht bereits kennt, d.h. in verschiedenen Kontexten benutzt gesehen hat. Und unter diesem Blickwinkel wären mit Hilfe von Deskriptoren erstellte phraseologische Thesauri, im Sinne von D0BR0- V0L' SKIJ (1995)10 bzw. daran anknüpfend von Zybatow (1998) 11 , hilfreicher, insofern als die dabei gewählte Darstellung die auf der Basis zweisprachiger Cluster von Phraselogismen eher protoypisch als strukturell abgrenzend verfährt-auch im Sinne von der von Kußmaul (1995) 12 vertretenen Förderung der Kreativität des Übersetzers ist eine Kompetenz, die bei der Übersetzung von Phraseologismen besonders hilfreich ist. Dieselbe Problematik behandelt Tamas KISPAL in Bezug auf die Darstellung von Sprichwörtern im passiven zweisprachigen Wörterbuch und stellt eine Prioritätenliste der dabei zu berücksichtigenden Äquivalenzen (in Anlehnung an Scholze Stubenrecht) auf. Er plädiert nachdrücklich für die „Aufführung 10 D0BR0V0L'SKIJ, Dimitrij: Kognitive Aspekte der ldiomsemantik. Studien zum Thesaurus deutscher Idiome. Tübingen: Narr 1995. 11 ZYBAT0W, Lew: "Übersetzen von Phraseologismen oder was bringt die kognitive Linguistik dem Übersetzer? " In: WIRRER, Jan (Hrsg.): Phraseologismen in Text und Kontext. Bielefeld: Aisthesis Verlag 1998 (Phrasemata I), 149-168. 12 KUßMAUL, Paul: Training the Translator. Amsterdam: Benjamins 1995. lFLllllL 30 (2001) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 265 von mehreren Äquivalenten" (168), eine klare Markierung der 'Poyfunktionalität' und 'Polysituativität' (170), sowie der 'partiellen Äquivalenz' (170) und bedauert den Mangel an „Vorarbeiten zur stilistischen Markierung der Sprichwörter" ( 171), der keine zuverlässigen Angaben zum diastratischen Wert der fremdsprachigen Sprichwörter zulässt. Diese Vorschläge kann man nur befürworten. Anastasia P ARIANOU behandelt die Übersetzung von Routineformeln. Sie zeigt an einem Beispiel auf, wie ein griechischer Autor zwecks „Erhaltung des kulturspezifischen Hintergrundes" kulturelle Eigentümlichkeiten durch bewusst verfremdendes Übersetzen derartiger Formeln in die Zielsprache hinüberrettet. Elisabeth PIIRAINEN schließlich macht auf Defizite bei der Behandlung von Phraseologismen in der niederländischen Lexikographie aufmerksam, die zum Teil für die phraseologischen 'falschen Freunde' in den zweisprachigen Wörterbüchern der nah verwandten Sprachen Deutsch und Niederländisch verantwortlich ist. Sie forscht nach den Ursachen für das Phänomen der falschen Freunde und entdeckt Regelmäßigkeiten bei deren Zustandekommen. Nicht belegt hat Piirainen ihre Behauptung, "dass dem Erlernen eines korrekten ldiomgebrauchs der jeweils anderen Sprache Grenzen gesetzt sind" (190), ein Gemeinplatz, den sie nicht begriindet « et qui arrive comme un cheveu sur 1a soupe! » Fazit: Trotz der manchmal etwas kritischen Bemerkungen möchte ich diesen Band zur Lektüre empfehlen, da er die Bandbreite der beim Übersetzen von Phraseologismen auftretenden Probleme anspricht und neue Forschungsperspektiven eröffnet. Mary SNELL-HORNBY, Hans G. HöNIG, Paul KUßMAUL, Peter A. SCHMITT (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg 1999 (Handbücher), XII+ 434 Seiten [karton. DM 64,-] Es handelt sich um die zweite, verbesserte Auflage des erstmals 1998 erschienen Handbuchs, in dem namhafte Übersetzungswissenschaftler/ innen in 114 Beiträgen die gesamte Bandbreite translatorischer Fragestellungen, sowohl aus dem Bereich der Theorie als auch aus dem Bereich der Praxis, behandeln. Im Bereich der Theorie ist hervorzuheben, dass hier nicht nur die grundlegenden Thesen dieses Wissenschaftsbereichs zumeist von ihren Vertretern selbst in konziser und klarer Form dargelegt werden, sondern dass auch eine Darstellung des aktuellen Forschungsstandes (zwischen Redaktion und Veröffentlichung liegen lediglich fünf Monate) sowie ein Aufriss der sich daraus ergebenden Forschungsdesiderata vielfach zu neuen Forschungsinitiativen anregt. So wird z.B. an verschiedenen Stellen auf die mangelhafte Berücksichtigung der Kreativität in der Translationsforschung aufmerksam gemacht. Den Querverweisen im Register entnimmt der Leser, dass Kreativität bereits bei den Vertretern der hermeneutischen Übersetzungswissenschaft, wie z.B. PAEPCKE, eine Rolle gespielt hat, wenn auch nicht in Form einer systematischen Erforschung (118-119). 13 In KußMAULS Artikel zur Kreativität (178-180) wird er nicht nur mit dem aktuellen Forschungsstand vertraut gemacht, sondern erhält auch Hinweise zu Forschungsansätzen (wie z.B. den introspektiven prozessanalytischen Verfahren) als einem der Wege zur Behebung dieses Mankos. Über das entsprechende Stichwort 'Introspektion' im Register kommt der Leser nämlich zum Artikel 47 „Einblicke in mentale Prozesse beim Übersetzen", in dem nicht nur in einem Kapitel „Die Methode des Lauten Denkens" (170) dargestellt wird, sondern auch, in einem weiteren Kapitel, die „bisherigen Ergebnisse" (171 ), wonach wiederum ein Kapitel den „Forschungsdesideraten" (171) gewidmet ist. Auf diese Weise kann sich der Nachwuchswissenschaftler, je nach seinem Wissensstand, über das ausführliche Register die nötigen Zusatzinformationen besorgen, die sich durch die Querverweise zu einem kohärenten Bild zusammenfügen. Studierende, die sich in diesen Wissenschaftsbereich einarbeiten wollen, werden wahrscheinlich den Einstieg über die verschiedenen Rubriken "Translations-wissenschaftliche Grundlagen", "Translatorische Aspekte", "Spezifische Aspekte des Übersetzens", "Spezifische Aspekte des Dolmetschens", "Didaktische Aspekte", "Evaluierung von Translationsleistungen") 13 Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten des besprochenen Werkes. lFLU! L 30 (2001)