Fremdsprachen Lehren und Lernen
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
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Gnutzmann Küster SchrammHeidrun GERZYMISCH-ARBOGAST, Daniel GILE, Juliane HOUSE, Annely ROTHKEGEL (Hrsg.): Wege der Übersetzungs- und Dolmetscherforschung
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2001
Bernd Stefanink
Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST, Daniel GILE, Juliane HOUSE, Annely ROTHKEGEL (Hrsg.): Wege der Übersetzungs- und Dolmetscherforschung. Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen. Bd. 1. Tübingen: Narr 1999, 344 Seiten [DM 98,-]
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 267 Bereich der Interkulturalität angeht (142-144 und 210-211) - und entsprechende Forschungsdesiderate formuliert. So plädiert S. z.B. für eine systematische Analyse des sprachlichen Niederschlags kultureller Stereotype in bestimmten Metaphern (233), denn es gibt eine kulturspezifische bildhafte Rede, die in jeder Kultur durch eine andere Tradition geprägt ist und die der Übersetzer kennen muss. Entgegen mancher Vorurteile, die den Fachsprachen den metaphorischen Charakter auf Grund des Präzisionsgebotes absprechen wollen, sind Metaphern nicht nur ein Stilphänomen, sondern bilden sogar einen konstitutiven Bestandteil des fachwissenschaftlichen Verständnisses. Fazit: Die gelungene Kombination von trefflich verarbeiteten theoretischen Ansätzen und einer Vielzahl veranschaulichender Beispiele macht diese Studie sowohl zur Einführung als auch als Überblick über den Forschungsstand zu einer empfehlenswerten Lektüre. Heidrun GERZYMISCH-ARB0GAST, Daniel GILE, Juliane H0USE, Annely R0THKEGEL (Hrsg.): Wege der Übersetzungs- und Dolmetschforschung. Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen. Bd. 1. Tübingen: Narr 1999, 344 Seiten [DM 98,-] Es handelt sich um die erste Publikation der neu gegründeten Deutschen Gesellschaft für Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft, die hiermit die Reihe der Jahrbücher eröffnet, in der Aufsätze zum Stand der Dolmetsch- und Übersetzungsforschung themenbezogen veröffentlicht werden sollen. Hauptanliegen ist dabei die Stärkung des Forschungsprofils und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Band besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil (1-165) ist der Übersetzung von Fachtexten gewidmet, der zweite beschäftigt sich mit Fragen der Dolmetschforschung. Die verschiedenen Beiträge spiegeln den Stand der Forschung und zeigen zukunftsorientiert Forschungsdesiderata auf. Da eine angemessene Behandlung sämtlicher Artikel den Rahmen dieser Besprechung sprengen würde, werde ich mich auf einige wenige Artikel aus dem Bereich Übersetzungswissenschaft beschränken, die schwerpunktmäßig vom Umgang mit makrostrukturellen Konventionen bei der Übersetzung von Fachtexten handeln und die im Rahmen dieses Werkes eine Einheit von Theorie und praktischer Anwendung bilden. Die verschiedenen Beiträge gehen auf die nach Sprachen jeweils anders geprägte Fachtextrhetorik ein, der der Übersetzer Rechnung tragen muss. So macht Juliane H0USE auf die Missverständnisse aufmerksam, die bei der Missachtung derartiger unterschiedlicher Konventionen entstehen. Unter Berufung auf Clyne, Hall und ihre eigenen Forschungen, führt sie die üblicherweiser hervorgehobenen Charakteristika auf, die die englische Textrhetorik von der deutschen unterscheiden "Direktheit" vs. "Indirektheit", "Ich- Orientiertheit" vs. "Adressaten-Orientiertheit", usw. [49]) und stellt eine intensivere Forschung auf diesem Gebiet als Desideratum dar. Silke BUHL liefert anhand von vergleichenden Statistiken zu ausgewählten Textparametern in Russels und Einsteins Texten zur Relativitätstheorie den zahlenmäßigen Nachweis zu einigen dieser Charakteristika. Von Einsteins Darstellung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift über seine vulgarisierende Version für ein breiteres Publikum bis hin zu Russels populärwissenschaftlicher Version nimmt der Grad der Leserbezogenheit in Bezug auf die Informationsgliederung und Informationsverpackung kontinuierlich zu. Dagegen wirkt eine deutsche, "dem Original stark nachempfundene Übersetzung [i.e. von Russels Text] durch den ausgeprägten Leserbezug eher fremd" (138). Auch Klaus MUDERSBACH beschäftigt sich mit der kulturell bedingten unterschiedlichen Strukturierung wissenschaftlicher Texte, die dazu führen kann, dass der zielsprachliche Leser die Informationen nicht da vorfindet, wo er sie seiner Erwartungshaltung gemäß finden sollte. M. ruft daher zu einer "effizienten" ökonomischen Gestaltung fachsprachlicher Texte auf, die einem „Holistischen Denkprinzip" entsprechend „universal strukturiert" (15) werden müssten, denn so M. - "wir [haben] im Denken alle dieselben prinzipiellen Denkstrukturen" (15). Das von ihm vorgestellte Strukturierungsmuster bleibt allerdings sehr allgemein und bringt außer der Terminologie nichts, was wir nicht bereits von der Skopostheorie her kennen: Der Text bildet ein 'Holon', d.h. einen Gedankenkomplex, der einem 'Zweck' untergeordnet ist; er ist aus 'Holemen' aufgebaut, d.h. aus funktionalen Teilen, die mit ihrer jeweiligen Teilfunktion die Gesamtfunktion des Textes unterstützen. Den universalen Denkstrukturen gemäß ist FLll! L 30 (2001) 268 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel "jedem Textholem [...]ein gewisser Textabschnitt zugeordnet, der nur für diese Funktion zuständig ist" (17). Das Holon ist eine abstrakte „Denkstruktur", die je nach Fachsprache und je nach den der jeweiligen Fachsprachenkultur gemäßen Vertextungskonventionen aufgefüllt werden muss. Der für eine Fachtextsorte repräsentative Fachtext-Typ wird aus einer Menge von existierenden Fachtexten herauskristallisiert, die dem Fachmann bei der Redaktion (bewusst oder unbewusst) als Grundlage dienten. Der Fachtext-Typ hat präskriptiven Wert. Texte, die nicht nach diesem Muster aufgebaut sind, sind nach der „Methode der holistischen Rekonstruktion" (37) "umzuarbeiten" (34). Der Übersetzer ist der Form verpflichtet, in der die Konventionen der zielsprachlichen Textrhetorik dieser „inneren Logik des Text- Holons" Rechnung tragen. Diese Verpflichtung kann sich in einer Umstrukturierung der Holemreihenfolge bis hin zur Weglassung von in der zielsprachlichen Kultur überflüssigen Holemen (Informationseinheiten, "Informeme" [21]) niederschlagen. Fraglich ist, ob Ms. unnötig in Formeln verklausulierte Darlegung leichter zu lesen ist als die „stilistisch verklausulierte Darlegung" (40) der kritisierten Geisteswissenschaftler. Für deutsche technische und naturwissenschaftliche Texte mögen Ms. Anordnungen Gültigkeit haben. Letztendlich muss der Übersetzer jedoch der kulturell eventuell anders geprägten Erwartungshaltung des zielsprachlichen Lesers Rechnung tragen (auch in Ms. Konzeption). Dass diese Normen für Geisteswissenschaftler Vorschrift werden sollen ist bedenklich ('neu' ist z.B. in philosophischen Überlegungen oft nur die Form in der eine alte Erkenntnis dargelegt wird). Hat Kleist nicht auf die „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" hingewiesen und meinte Pascal nicht schon in seinen Pensees: "Le style, c'est l'homme! " 16 Indem sie das in einem Text behandelte Thema synchron-optisch darstellt und zu dem dahinter steckenden Wissenssystem in Bezug setzt, schafft GERZYMISCH-ARBOGASTein Evaluationskriterium für Textkohärenz: Da, wo sich diese Darstellung mit der Darstellung des Wissensystems nicht deckt und neben dem Hauptnetz Teilnetze in Form von semantischen Inseln auftreten, haben wir es mit einem Kohärenzbruch zu tun, den der Textrezipient normalerweise durch Hypothesenbildung ausgleicht. Je mehr dieser Inseln auftreten, desto mehr Interpretationsmöglichkeiten ergeben sich. Weist das zielsprachliche Wissensystem eine ähnliche Struktur auf, so kann „u.U. von der inhaltlichen Information her invariant übersetzt werden. Ergeben sich jedoch Unterschiede, die eine Anbindung der konkretisierten Textstellen an das implizierte System inkompatibel erscheinen lassen, wird eine invariante Übersetzung in Bezug auf diese Textstellen zu einer Inkohärenz im gesamten Text führen" (93) . Der Übersetzer hat dies zu berücksichtigen und der Gefahr des Kohärenzeinbruchs durch die notwendigen Verbalisierungen der Hypothesen an den Bruchstellen entgegenzuwirken. Kommentar: Für die Alltagspraxis ist ein solches Vorgehen als „vor der Übersetzung zu leisten[der Systemvergleich]" (102) viel zu aufwendig; denkbar ist es eventuell als „problemrelevante Teiltextanalyse" (cf. Stefanink 1997 [vgl. oben Anm. 4]) im dialektischen Verstehens- und Produktionsprozess, bei dem die Trennung in Textanalysephase und darauffolgender Produktionsphase aufgehoben wird; sicher geeignet ist ein solches Vorgehen zur Bewusstrnachung der beim übersetzerischen Handeln zu berücksichtigenden Faktoren, selbst wenn die Grundlagen zur Erstellung eines Wissensystems noch näherer Erläuterung bedürften. Paul KUßMAUL: Kreatives Übersetzen, Tübingen: Stauffenburg 2000 (Studien zur Translation; Bd 10), 215 Seiten [DM 48,-] Kußmauls Fragestellung wurde von der Übersetzungswissenschaft bisher weitgehend ausgeklammert. Obwohl K. seit 1991 (verstärkt seit 1995, u.a. in Vorträgen und Aufsätzen), auf dieses Forschungsdesiderat hingewiesen hatte, setzten namhafte Theoretiker, die mit dem Ziel einer Optimierung der Übersetzungsdidaktik das Übersetzen „wissenschaftlich fundieren" wollten (Gerzymisch-Arbogast 1994, Gerzymisch-Arbogast/ Mudersbach 1998 [vgl. oben Anm. 4]), ausschließlich auf eine immer erschöpfen- 16 Vgl. auch Stolze (1999: 222): "Die Mentalität eines Autors im Wissenschaftsstil in den Sozialwissenschaften ist Teil des Textsinns und sollte nicht ausgemerzt werden". FLl! JllL 30 (2001) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 269 dere Textanalyse, mit der man sich zunehmend von der Praxis entfernte. 17 Dies um so mehr, als diese Textanalyse (als Verstehensphase) trotz entschiedener Kritik an diesem praxisfernen Verfahren 18 vom „eigentlichen Übersetzen" abgetrennt und diesem vorangestellt war. Sicherheitshalber wurden bei dieser „wissenschaftlichen Fundierung" übersetzerischen Handelns, Intuition und Kreativität als „nicht rational erfassbar" (Gerzymisch-Arbogast 1994: 16) bewusst ausgeschaltet. Dies ist der Rahmen, in dem K.s Beitrag gewürdigt werden muss! K. sieht Kreativität als das vorrangige Merkmal übersetzerischen Handelns an. Um sie zu erfassen, stützt er sich auf Forschungsergebnisse aus den Nachbardisziplinen Kreativitätsforschung und Kognitive Linguistik. Bekanntlich kann uns die Kreativitätsforschung keine Definition von Kreativität liefern, sondern stellt nur „Aspekte" kreativen Handelns vor. Zu denen gehören vorrangig die „Neuigkeit" und die „Angemessenheit" sowie die zeitlich und räumlich bedingte „Akzeptanz" des Produkts. Wie Guilford (1977) sieht auch K. Kreativität als ein Problemlösungsverfahren an, wie Mednick (1962) sieht er sie als einen assoziativen Prozess, dessen Kreativitätsgrad mit der Distanz zwischen den assoziierten Elementen zunimmt. "Aufregend" 19 findet K. nicht die sprachsystembedingten Veränderungen gegenüber dem Original, die stricto sensu bereits als „kreativ" aufgefasst werden könnten, sondern Problemlösungen, die in einem Satz wie „to juggle two careers and a potty chair" zur Übersetzung „zwei Karrieren und Winde/ wechseln unter einen Hut bringen" (126) führen können: Wie kommt man von potty chair auf Winde/ wechseln ? Grundlegend für das Verständnis ist hier Fillmores „Scenes-and-Frames"-Semantik. Hinzu kommt die Erkenntnis der Protoypensemantik, der zufolge es in einer semantischen Kategorie Elemente gibt, die „prototypisch" sind. Dies gilt auch für die „Scenes", wie Langackers „figure/ ground alignment" zeigt: In einer Szene wird immer ein „figure" proeminent auf einem Hintergrund gesehen. Dieser prototypische Charakter ist „erfahrungs- und kulturbedingt" (132-133). Die Lexikalisierung von potty chair zeugt von der prototypischen Vorstellung dieses Elementes in der Szene „Körperausscheidungen", die im englischsprachigen Kulturbereich zum Gesamtszenario „Kindererziehung" 20 „ gehört. Man muss also davon ausgehen, dass die Assoziation bei den deutschen Übersetzern durch deren anders gearteten kulturbedingten Erfahrungshintergrund hervorgerufen wurde eine Hypothese, die K. zur Aufforderung veranlasst, kontrastiv vergleichende empirische Studien zu solchen kulturell bedingten prototypischen Vorstellungen anzustellen (133). Allerdings so könnte man einwenden verliert dann auch diese Kreativität ihren „aufregenden" Charakter. Wenn K. die sprachsystembedingte Kreativität der Transpositionen der „Stylistique comparee" "nicht sehr aufregend" (22) findet, so müsste er auch hier eine dieses Mal 17 Vgl. dazu meine kritische Besprechung von Gerzymisch-Arbogast/ Mudersbach 1998 (inFLuL 27 (1998), 225,--248). 18 Vgl. dazu Stefanink (1997) [siehe Anm. 4]; vgl. auch Kußmaul im vorliegenden Werk, S. 79). 19 K. benutzt diesen Terminus (wohl unbewusst) mehrfach quasi zur Graduierung seines subjektiven Kreativitätsempfindens. 20 Diese Unterscheidung von „Szene" (Fillmore) und „Szenario" (Lakoff) fehlt bei K. Kußmaul selbst setzt den Fillmorschen und den Lakoffschen Begriff gleich (123). Szenario evoziert jedoch eine Dynamik. Und so will es Lakoff auch verstanden sehen, wenn er schreibt: "[ ...] the scenario is structured by a source-path-goal schema in the time domain [ ... ] (George Lakoff: Women, Fire and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind. Chicago: University of Chicago Press 1987: 285) und: "Scenarios also have a purpose structure, which specifies the purposes of people in the scenario" (ibid.: 286), und er gibt als Beispiel: "The concept second baseman is characterized relative to a baseball game scenario" (ibid.). Diese Unterscheidung passt sehr gut zum Schema in Ks Abb. 15 (S. 132), wo „Kindererziehung" das in Lakoffschem Sinne dynamische zielgerichtete Szenario wäre, während die von K. als MOPs bezeichneten Szenarioelemente auch als Szenen bezeichnet werden könnten. Letztere ließen sich im Sinne von Schank in die Szenenelemente zerlegen, die wie Schank erklärt im Gedächtnis unabhängig von der ursprünglichen Szene gespeichert werden und für eine andere Szene abrufbereit stehen, so dass dann beide Szenen bzw. MOPs aufgrund dieser gemeinsamen Szenenelemente assoziiert werden. JFL1JJL 30 (2001) 270 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel kultursystembedingte eingeschränkte Kreativität sehen, die zwar vom Grad der Bi-Kulturalität des Übersetzers abhängt, die aber dennoch voraussehbar ist und damit im Grunde genommen ein Kompetenzproblem ist. Kreativität ist allerdings „ein graduierbarer Begriff' (28) und sicher müssen wir im vorliegenden Fall von einem höheren Maß an Kreativität ausgehen. Wenn wir potty chair und Winde/ wechseln assoziieren können, so deshalb, weil sie beide als Elemente der Szene „Körperausscheidungen" auftreten. Wir haben es hier noch mit relativ nah verwandten szenischen Elementen zu tun. Statt „Windelwechseln" hätten die Übersetzer aber auch auf „Fläschchengeben" kommen können ein Vorschlag der den Rahmen der Szene „Körperausscheidungen" sprengt. Wenn er dennoch zu den von potty chair ausgehenden Assoziationsvirtualitäten gehört, so ist dies damit zu erklären, dass „Fläschchengeben" ein Element der Szene (in Ks. Abb. 17 „MOP") "Ernährung" ist und dass beide Szenen über das Szenario „Kindererziehung" miteinander verbunden sind. Ermöglicht wird diese Verbindung durch die Form, in der unsere Erfahrungen in unserem Denken abgespeichert werden. K. beruft sich hier auf die Hypothesen des Gedächtnisforschers Roger Schank, wonach wir Erlebtes nicht als Gesamtszene, sondern in Form von „Memory Organisation Packets" (MOPs) zerlegt speichern. So können Szenen über gemeinsame Szenenelemente verbunden werden. Diese Hypothesen werden auch durch Lakoffs „chaining" bestätigt, bei dem semantische Kategorien durch gemeinsame Elemente metaphorischer Vorstellungen assoziativ verkettet werden. Für Assoziationen von weiter auseinander liegenden Szenen hält Schank die „Thematic Organisation Points" (TOPs)-These bereit. Sie besagt, dass Ereignisse aufgrund gleicher Strukturmuster miteinander verknüpft werden können: Romeo and Juliet werden so mit der West Side Story assoziiert; in beiden Fällen ist das Ziel die Vereinigung der Liebenden, die sich gegen den Widerstand der Umwelt durchsetzen müssen. Schanks Hypothesen lassen keinen Zweifel daran, dass unser assoziatives Denken in bestimmten strukturierten Bahnen verläuft. Auf diese Weise lassen sich z.B. verschiedene Sprichwörter assoziieren, die zu einer gewissen Situation passen: eine Legitimierung für die übersetzerische Wiedergabe eines Sprichwortes durch ein anderes! Dadurch, dass Kußmaul Schanks MOP-Theorie sehr geschickt mit der Prototypensemantik in Verbindung bringt, schafft er ein Evaluationskriterium zur Beurteilung der Angemessenheit von kreativen Übersetzungsvorschlägen. Je nach seinen individuellen Erfahrungen kann ein Übersetzer zwei Szenen kreativ über ein ihnen gemeinsames MOP assoziieren und somit eine ausgangssprachliche Szene durch eine andere zielsprachliche Szene wiedergeben. Wie weit darf jedoch dabei die übersetzerische Freiheit gehen? Die Grenzen setzt die Prototypensemantik. Entscheidend für die „Angemessenheit" der Übersetzung ist der prototypische Charakter des assoziierten szenischen Elements in der jeweiligen Kultur. Eine Übersetzung ist in dem Maße „angemessen", wie die von ihr zielsprachlich verbalisierten Elemente aus dem „Kernbereich" (und nicht aus dem Randbereich) einer Szene stammen. "Die Auswahl aus dem Kernbereich garantiert die Angemessenheit der Übersetzung" (163). Sie bürgt für die von ReissNermeer geforderte „Wirkungsgleichheit" bei gleichbleibender Funktion. Fazit: Die Relevanz derartiger Forschung für die Übersetzungswissenschaft ist erheblich. Sie legitimiert kreative Assoziationen des bi-kulturellen Übersetzers, der so seine Kreativität gegen den möglichen Vorwurf des „Verrats" "Traduttore - Traditore") 'verteidigen' kann. Durch die Aufforderung zur Schulung des „lateralen Denkens" weist Kussmaul auch in der Übersetzungsdidaktik neue Wege. Es ist sein Verdienst, die verschiedenen, sich gegenseitig bestätigenden Forschungsstränge zusammengeführt zu haben und so die Kreativität des Übersetzers zu legitimieren. Er gibt der für diese Wissenschaft so vielfach geforderten Interdisziplinarität eine neue Dimension, die völlig in den Dienst der neuen Forderung nach „intersubjektiver Nachvollziehbarkeit" des übersetzerischen Handelns gestellt werden kann. Klaus MÜLLER: Lernen im Dialog. Gestaltlinguistische Aspekte des Zweitspracherwerbs. Tübingen: Narr 2000 (Tübinger Beiträge zur Linguistik; 445), VIII+ 286 Seiten [DM 78,-] „Tja" so könnte man meine Reaktion auf dieses Buch in verschriftlichter gesprochener Sprache zusammenfassen. Auf der einen Seite werden viele Themen angesprochen und in einer Weise behandelt, die für die Diskussion des Zweitspracherwerbs von Bedeutung sind; auf der anderen Seite wird man das lFlLllL 30 (2001)
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