eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 31/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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Narr Verlag Tübingen
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2002
311 Gnutzmann Küster Schramm

Lehrerausbildung in der Diskussion

121
2002
Ekkehard Zöfgen
flul3110003
Lehrerausbildung in der Diskussion Ekkehard Zöfgen Zur Einführung in den Themenschwerpunkt In der deutschen Bildungsgeschichte hat die Lehrerbildung vom frühen 19. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit unzählige Male im Blickpunkt des öffentlichen Interesses gestanden. Kritische Aufmerksamkeit wurde ihr immer dann zuteil, wenn Mängel am Schulwesen konstatiert bzw. Diskrepanzen zwischen gesellschaftlichen Ist-Zuständen einerseits und Zielen sowie Inhalten der schulischen Ausbildung andererseits festgestellt wurden. Daß der Ruf nach einer grundlegenden Reform der Lehrerausbildung dieses Mal besonders laut erschallt, hängt ursächlich mit den vielzitierten, für Deutschland wenig schmeichelhaften Ergebnissen der PISA-Studie zusammen, die folgerichtig nicht nur Bildungspolitiker auf den Plan rief, sondern die auch in den Medien lebhafte Diskussionen über offenkundige Defizite im Bildungswesen auslöste. Für das schlechte Abschneiden deutscher Schüler, das sich auch im internationalen Vergleich (etwa durch die TIMSS-Studie 1995 und 1999) bestätigt, wird dabei in erster Linie die universitäre Lehrerausbildung verantwortlich gemacht. In der Tat deutet vieles darauf hin, daß Lehrer zwar durchaus über eine entsprechende Fachkompetenz verfügen, daß jedoch ihre didaktischen, pädagogischen und diagnostischen Fähigkeiten den an sie gestellten Anforderungen nicht genügen. Auf den Fremdsprachenunterricht, der bekanntlich nicht Gegenstand der Erhebungen war, können die erwähnten Befunde nicht so ohne weiteres übertragen werden. Dennoch lassen die Empfehlungen des Terhart-Gutachtens für die Kultusministerkonferenz 1 keinen Zweifel daran, daß auch dieser Bereich dringend reformbedürftig ist. Besonders nachdenklich sollte in diesem Zusammenhang die Tatsache stimmen, daß nach der in Tenorth 2 abgedruckten Expertise im Oberstufenunterricht.fluency, pragmatic apppropiateness und cultural adequacy eine untergeordnete Rolle spielen und daß hier offensichtlich Fremdsprachenlehrer am Werk sind, die während ihrer Ausbildung nicht bzw. in ungenügendem Maß die erforderlichen kommunikativen Fertigkeiten sowie das notwendige interkulturelle Wissen erworben haben (so Schröder in diesem Band, S. 13 f). Dies sind bei weitem nicht die einzigen Herausforderungen, vor denen wir angesichts tiefgreifender (gesellschafts-)politischer, pädagogischer und inhaltlicher Veränderungen stehen. Richtig ist vielmehr, daß sich der Fremdsprachenunterricht in einer Phase des Ewald TERHART: Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission. Weinheim: Beltz 2000. 2 Heinz-Elmar TENORTH (Hrsg.): Kerncurriculum Oberstufe. Mathematik-Deutsch- Englisch. Expertisen im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister. Weinheim/ Basel: Beltz 2001. ]F]Lw., 31 (2002) 4 Ekkehard Zöfgen Umbruchs befindet, der nicht nur seine Organisationsstruktur, sondern auch seine Ziele und Inhalte sowie die methodischen Verfahren betrifft und der mit Stichworten wie frühes Fremdsprachenlernen, Erziehung zur Mehrsprachigkeit, Englisch als lingua franca, bilingualer Sachfachunterricht, lebenslanges Lernen von Fremdsprachen, interkulturelle Handlungskompetenz, Lernerautonomie, offene Formen des Unterrichts (Projektarbeit, fächerübergreifendes Arbeiten), Neue Medien, Verankerung internationaler Standards und Evaluationsverfahren um nur einige zu nennen grob charakterisiert ist. 3 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Fremdsprachenlehrerausbildung auf solche und ähnliche Entwicklungen etwa auch die, die sich aus der europäischen Integration ergeben angemessen reagieren kann und inwieweit diese bei Überlegungen zu einem neuen, zugegebenermaßen recht anspruchsvollen Kompetenzprofil für zukünftige Fremdsprachenlehrer Berücksichtigung finden. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, daß es in Zeiten verstärkter Nachfrage nach professionell ausgebildeten Lehramtsanwärtern auch seitens der Kultusverwaltungen verschiedener Bundesländer Initiativen gibt, das Lehrerstudium neu zu ordnen: die Versuche, eine Neugliederung der akademischen Studien nach angelsächsischem Vorbild im Rahmen gestufter und konsequent modular organisierter (Bachelor- und Magister-) Studiengänge durchzusetzen, zielen allerdings primär darauf, internationale Vergleichbarkeit herzustellen und die (relativ teure) universitäre Lehrerbildung ökonomischer zu gestalten. Zwei kaum miteinander vereinbare Positionen stehen sich dabei gegenüber: Nordrhein-Westfalen favorisiert ein „additives Modell", dem tendenziell ein „polyvalentes Konzept" zugrunde liegt, bei dem zunächst (und d.h. bis zum Bachelor-Abschluß) fachwissenschaftliche Inhalte ohne jeden klar konturierten Berufsbezug studiert werden, denen dann im zweiten Ausbildungsabschnitt massive fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Komponenten ohne die unverzichtbare Verflechtung mit der fachlichen Basis aufgepfropft werden. Demgegenüber setzt das rheinland-pfälzische „Reformkonzept für die Lehrerbildung" von Beginn an auf die enge Verzahnung von fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Studienanteilen; eine (häufig als zu spät kritisierte) Differenzierung bzw. Spezialisierung nach Schulformen sowie eine außerschulische Berufsfelder in den Blick nehmende Öffnung der Studien und Schwerpunktsetzung ist vom dritten Studienjahr an vorgesehen. - Das vorliegende Heft von FluL trägt der in dieser Skizze hinreichend deutlich gewordenen Aktualität und Wichtigkeit der Thematik Rechnung. Bei der Auswahl der Beiträge stand das Bemühen im Vordergrund, nicht nur möglichst viele Aspekte des gesamten Problemkreises zu beleuchten, sondern auch 'Betroffene' aus allen Phasen der Lehrerbildung zu Wort kommen zu lassen. Im ersten Themenblock, in dem Fragen einer Reform der Lehrerbildung in ihrer ganzen Breite angesprochen werden und demzufolge auch historische Aspekte nicht ausgespart bleiben, sind dies neben Vertretern der Hochschule (Konrad Schröder, Augsburg und Frank G. Königs, Marburg) Ingeborg Christ (Düsseldorf) als Repräsentantin 3 Viele der hier erwähnten Forschungsentwicklungen sind im Thementeil des Jahrgangs 29 (2000) von FluL koordiniert von Frank G. Königs ausführlich behandelt. lFLIIL 31 (2002) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 der Kultusverwaltung sowie zwei Stimmen, die ihre Sicht der Dinge aus schulischer Perspektive darlegen, nämlich Sigrid Vogel in ihrer Funktion als Leiterin des Studienseminars Göttingen für das Lehramt an Gymnasien und Erdmute Pickeroth-Uthleb, Leiterin des Gymnasiums Philippinum Marburg. Bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte, Akzentsetzungen und Bewertungen im Detail gibt es weitgehende Übereinstimmung vor allem in folgenden Punkten: • "Philologielastigkeit" des Studiums: Daß Inhalte und Methoden in überproportionalem Maße von den philologischen Disziplinen bestimmt werden und daß eine Anpassung an die Bedürfnisse „einer professionalisierten Berufstätigkeit" (Schröder in diesem Band, S. 18) bislang bestenfalls in Ansätzen stattgefunden hat, ist natürlich historisch begründet. Die unausweichlichen Folgen einer solchen unzeitgemäßen Ausrichtung des Studiums sind u.a. fehlender Berufs- und Praxisbezug sowie mangelnde Vorbereitung darauf, wie man als Lehrer mit Konflikten in einer Klasse umgeht bzw. sie schlichtet. 4 '• Ausweitung der fachdidaktischen Anteile: Wenn die Universität ihren Ausbildungsauftrag wirklich ernst nimmt, dann darf sie das Berufsfeld künftiger Lehrer nicht länger in den Studiengängen ausblenden. Die damit verbundene Neupositionierung würde vor allem bedeuten, daß es vorrangig darum ginge, Lehramtsanwärter zu „Experten des Lernens" (Vogel in diesem Band, S. 69) auszubilden, die auch dazu befähigt sind, ihren eigenen Sprachlernprozeß zu beobachten und kritisch zu reflektieren. Möglich wäre dies allerdings nur durch eine spürbare Erhöhung der fachdidaktischen ggf. auch der erziehungswissenschaftlichen - Studienelemente, die in aller Regel weit unterbewertet und im übrigen auch schlecht in die fachwissenschaftlichen Anteile integriert sind. • Aufrechterhaltung eines relativ hohen fachwissenschaftlichen Standards: Der große Zeitraum von immerhin neun Jahren verlangt insbesondere vom Gymnasiallehrer ein breitgefächertes fachliches Wissen. Eine Verringerung der fachlichen Studienanteile steht deshalb auch nicht zur Debatte. Die in allen Gutachten erhobene Forderung nach mehr Fachdidaktik steht dazu keineswegs im Widerspruch. Vielmehr 1 ist die Bildungspolitik aufgerufen, sich über eine Erhöhung des in der Regelstudienzeit zu absolvierenden Stundenvolumens Gedanken zu machen (vgl. dazu Königs in diesem Band, S. 25). • nativnahe Kompetenz in der Zielsprache: Grundvoraussetzung für Lehrende einer Fremdsprache ist die einwandfreie Beherrschung der zu vermittelnden Sprache (near nativeness). Dies impliziert eine fühlbare Aufwertung (und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht) der so genannten Sprachpraxis, die meistens mit dem akademischen Makel des Unwissenschaftlichen behaftet ist. Lehrveranstaltungen 4 Die Argumente sind nicht neu und erinnern fatal an die zu Beginn der 70er Jahre geführte Debatte um eine Professionalisierung der (Fremdsprachen)Lehrerbildung. Früh war man seinerzeit zu der Einsicht gelangt, "daß eine berufsorientierte, den veränderten Anforderungen an Qualität und Differenziertheit genügende Lehrerausbildung nicht in den Strukturen der traditionellen Philologien zu leisten sei [...]" (Ekkehard Zöfgen: "Sprachlehrforschung- Eine neue Wissensdisziplin? " In: Bielefelder Beiträge zur Sprach/ eh,forschung 11.1 (1982), 6. lFLILillL 31 (2002) 6 Ekkehard Zöfgen zur Sprachbeherrschung sollten sich an den Kompetenzstufen des Europäischen Referenzrahmens orientieren, woraus zwangsläufig folgt, daß die Rolle der traditionellen Übersetzungskurse gründlich überdacht werden muß. Unter solchen Vorzeichen gehört ein längerer Auslandsaufenthalt natürlich zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Studiums. • Neugestaltung des Theorie-Praxis-Verhältnisses: Die Forderung nach verstärkter „Praxisberührung schon während der ersten Ausbildungsphase" (Schröder in diesem Band, S. 16) ist nicht neu. Quantitativ gesehen sind schulpraktische Studien im bisherigen Umfang nur der berühmte 'Tropfen aus den heißen Stein'; in qualitativer Hinsicht ist wie empirische Analysen belegen der Spielraum für Verbesserungen bei weitem nicht ausgeschöpft. Unabhängig davon müssen Theorie und Praxis allerdings auch hinsichtlich der Ausbildungsinhalte besser aufeinander abgestimmt werden. Das häufig beklagte Fehlen von „integrativen Ausbildungselementen" (Königs in diesem Band, S. 30) ist dafür ein sicheres Indiz. • Kerncurricula: Die Lehrpläne der meisten philologischen Fächer zeichnen sich durch große 'Offenheit' aus. Nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes kann davon ausgegangen werden, daß vergleichbare oder gar für die spätere Unterrichtstätigkeit wesentliche Inhalte Gegenstand der Ausbildung sind. So problematisch deshalb eine Funktionalisierung der Ausbildungsinhalte und d.h. ihre konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen des späteren Berufsfeldes in dem einen oder anderen Fall auch sein mag, so unumstritten ist die Notwendigkeit von l<.erncurricula,. die verbindliche (Mindest-) Standards festschreiben und die einen Grundstock an Ausbildungselementen enthalten, auf dem z.B. auch die zweite Ausbildungsphase aufbauen kann. • Verzahnung von erster und zweiter Ausbildungsphase: In der seit Ende der 60er Jahre geführten kontroversen Diskussion um eine Reform der Lehrerausbildung fehlt selten der Hinweis darauf, daß Universität und Studienseminar (bzw. Schule) besser zusammenarbeiten müßten. Dies sei u.a. dadurch zu verwirklichen, daß die Ausbildungsinhalte vor allem fachdidaktischen Zuschnitts aufeinander abgestimmt würden. Bislang ist dies nicht in dem gewünschten Maße geschehen. Mit der angestrebten institutionellen Verzahnung sowie der Einführung von schulpraktischen Studien von Beginn des Studiums an läßt sich diese Kluft vielleicht überwinden. Ergebnis einer solchen intensiven und systematischen Kooperation könnten sein: gemeinsame Lehrveranstaltungen zur Vorbereitung und Auswertung der Praktika, Gedankenaustausch zwischen Fachdidaktikern und Ausbildern in der zweiten Phase (vgl. dazu Pickeroth- Uthleb in diesem Band, S. 82 f). Vorstellungen dieser Art lassen sich natürlich nicht in gestuften Studiengängen realisieren, in denen das enge Miteinander von Fachdidaktik und Fachwissenschaft aufgelöst ist zugunsten einer Desintegration dieser beiden zusammengehörigen Komponenten. Eine entsprechend klare Absage wird deshalb auch allen Versuchen erteilt, die Lehrerbildung in Form von Bachelor- und Masterstudiengängen neu zu organisieren und damit die Ausbildung noch stärker vom schulischen Zusammenhang abzukoppeln. Insofern ist der nordrhein-westfälische Sonderweg als „grobe (und traurige) Fehlentwicklung" (Schröder lFLlllL 31 (2002) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 in diesem Band, S. 20) zu bezeichnen, an dessen Ende so die Kritik des Essener Bildungsforschers Klaus Klemm - "Schmalspurpädagogen" stehen. 5 In diesen wenigen Anmerkungen kommt bereits die Überzeugung zum Ausdruck, daß sich vieles in der traditionellen Lehrerausbildung durchaus bewährt hat; anderes bedarf dagegen der Überprüfung und punktuell auch der radikalen Veränderung. Insgesamt gesehen geht es also weniger um eine Neuordnung von Grund auf als vielmehr um die „Weiterentwicklung des Bestehenden" (Christ in diesem Band, S. 60). Wie weit die Ansichten über Art und Ausmaß einer Erneuerung des Fremdsprachenunterrichts dabei im Einzelfall dennoch auseinandergehen, zeigen die Beiträge des zweiten Themenblocks. Für Frauke Stübig (Kassel) steht die Stärkung der erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Professionalität von Lehrern im Vordergrund. Zweifelhaft sei, daß der Erwerb von kommunikativer Kompetenz bereits einen Beitrag zur allgemeinen Bildung darstelle. Im Fremdsprachenunterricht gehe es in erster Linie um die Konfrontation mit der fremden Kultur, um Fremd- und Selbstverstehen. In diesem Sinne müsse die Inhaltsfrage in den Fremdsprachen neu durchdacht werden. Ganz anders dagegen Reinhold Freudenstein (Marburg), der entschieden bestreitet, daß die Ausbildungspraxis durch Anpassungen historisch gewachsener Strukturen an veränderte gesellschaftliche Bedingungen wirklich verbessert werden könne. Eine grundlegende Erneuerung so die bekannte These des Autors sei nur dadurch zu erreichen, daß wir uns vom Leitbild des Philologen als Sprachlehrer freimachen und das Lehren und Lernen denen überlassen, die am besten dafür geeignet sind, Sprachen als Mittel der Kommunikation zu vermitteln. An diversen Beispielen wird verdeutlicht, warum ein entsprechend ausgebildeter Muttersprachler ein geradezu idealer Helfer in diesem Prozeß ist und welche Postulate für ein neues Ausbildungskonzept sich daraus ableiten. Ganz gleich, wie radikal die Vorschläge zur Reform der Lehrerausbildung auch ausfallen mögen eines steht fest: Wir müssen endlich dazu kommen, länderübergreifende Standards zu definieren. Wie berechtigt Forderungen nach einem gemeinsamen Sockel (insbesondere für die fremdsprachlichen Studiengänge) sind, zeigt die sorgfältig zusammengestellte Übersicht zu den bundesweiten Studienangeboten in den Fächern DaF/ DaZ durch Rupprecht S. Baur und Marta Kis (Essen). Die Analyse der Studieninhalte, die jeweils abgedeckt werden, unterstreicht, wie disparat die Anforderungen an künftige Fremdsprachenlehrer im Hinblick auf obligatorische Studienanteile und Stundenvolumina sind und wie weit wir trotz einer beeindruckenden inhaltlichen und thematischen Vielfaltvon entsprechenden Standards in der universitären Lehrerbildung entfernt sind. Es ist bereits mehrfach angeklungen, daß das Lernen (von Sprachen) u.a. aufgrund neuer referenzwissenschaftlicher Erkenntnisse und des damit verbundenen Wechsels in der Perspektive einem beständigen Wandel unterworfen ist, der nicht zuletzt in der Erarbeitung neuer Lehrwerke seinen sichtbaren Ausdruck findet. 6 Zeitgemäße Aus- Zitiert in: UniSPIEGEL Nr. 5/ 2001 vom 25. Oktober 2001. 6 Ein Vergleich von Französisch-Lehrwerken aus fünf Jahrzehnten, wie ihn erst kürzlich Laurent Jouvet vorgenommen hat "Noch Mutter lernte wie ein mittelalterlicher Mönch. Französisch-Lehrwerke im Wandel der Zeiten". In: Klett ThemenDienst Nr. 13/ 14 (8/ 2002), 23-26), führt uns dies eindrucksvoll vor Augen. IFlLlllL 31 (2002) 8 Ekkehard Zöfgen bildungskonzepte zu entwickeln, heißt deshalb auch, künftige Fremdsprachenlehrer vorzubereiten auf die komplexen Anforderungen, denen sie im heutigen kommunikativen und interkulturellen Klassenzimmer gewachsen sein müssen. Notwendige Voraussetzung dafür ist eine genaue Analyse des berufsfeldbezogenen Wissens, das wie angedeutet spezifische Kompetenzen erfordert. Hier setzen die Überlegungen von Marita Schockerv. Ditfurth (Pädagogische Hochschule Freiburg) an, die das forschende und reflektierte Erfahrungslernen als eines der wichtigsten Prinzipien begreift, die es in der fremdsprachlichen Lehre an der Universität zu verankern und umzusetzen gilt. Daneben muß sich der Hochschulunterricht endlich den Herausforderungen stellen, die sich aus veränderten Sichtweisen im Hinblick auf Lern- und Spracherwerbsprozesse ergeben. Gemeint sind in erster Linie jene Formen des Unterrichts, die uns in der fachdidaktischen Literatur unter Begriffen wie Projektarbeit und autonomes Lernen begegnen. Jens Bahns (Kiel) berichtet über ein sprachwissenschaftliches Hauptseminar zum Thema „Wörterbücher" im Fach Englisch, in dem Studierende der Studiengänge Lehramt an Grund- und Hauptschulen sowie Lehramt an Realschulen über das so genannte 'Stationenlernen' zu offeneren Formen des Lernens hingeführt wurden und in einer Art Selbsterfahrung autonome Lernprozesse erlebten. Ohne die Relevanz und Bedeutung der bislang unterbreiteten Vorschläge im geringsten verkennen zu wollen, muß klargestellt werden, daß der Erfolg einer Reform der Lehrerbildung in letzter Konsequenz auch davon abhängt, inwieweit Ausbildung und Fortbildung als zwei zu einem organischen Ganzen gehörige und eng miteinander verwobene Bereiche aufgefaßt werden. Es reicht nicht, wenn hier lediglich Instrumente der Kooperation genutzt werden. Aus diesem Grund ist der letzte Themenblock dem bei Kultusverwaltungen, bei Schulleitungen und (häufig auch) bei Lehrern „ungeliebten Thema" (berufsbegleitende) Lehrerfortbildung 7 gewidmet. Christoph Edelhaff (Grebenstein) skizziert Profil, Aufgaben, Inhalte und Arrangements für die dritte Phase, wobei er sich leiten läßt von einer Vision, in der zum einen alle Phasen bis hin zur (vierten) Phase des lebenslangen Lernens in ein „Kontinuum der Lehrerbildung" eingebunden sind und in der zum anderen auf Innovation in der ersten Phase gesetzt wird, um damit einer Isolierung des universitären Teils der Ausbildung entgegenzuwirken. Innovative Schübe für die erste Phase sind vor allem vom rechtzeitigen Aufbau von Handlungskompetenz sowie einer verstärkten Ausgestaltung universitärer Lehrveranstaltungen als 'offene Lernwerkstatt' zu erwarten. Wenn man nun gestützt auf lerntheoretische Prämissen des Konstruktivismus postuliert, daß die weitgehende Selbstbestimmung der Lern- und Arbeitsprozesse eine notwendige Bedingung für erfolgreiches Lernen ist, dann darf die Lehrerfortbildung keiner anderen Logik folgen als derjenigen, an der sich der Wissenserwerb bei Schülern und Studierenden orientieren soll. 'Offenes Lernen' wie es uns Jens Bahns beispielhaft an einem fachwissenschaftlichen Studienelement vorgeführt hat ist in der Lehrerfortbildung allerdings eher die Ausnahme. Manfred Overmann (Ludwigsburg) stellt zum Thema „Inter- 7 Vgl. dazu Herbert Christ: "Lehrerfortbildung als dritte Phase der Lehrerbildung". In: französisch heute 25.3. (1994), 276. lFLllL 31 (2002) Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 netarbeit im Französischunterricht" ein heterarchisches Konzept für die Lehrerfortbildung vor, das unter dem Primat der Individualisierung des Lernens in autonomen Lernsituationen steht und das die Grundgedanken des Stationenlernens an konkreten Arbeitsmaterialien veranschaulicht. Bleibt zu hoffen, daß der fruchtbare Dialog zwischen den für alle drei Bereiche der Lehrerbildung Verantwortlichen nicht abreißt. Wenn dieses Heft dazu einen bescheidenen Beitrag leistet und zugleich zum erneuten Nachdenken anregt, hätte es seinen Zweck mehr als erfüllt. JFJLMIL 31 (2002)