Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2002
311
Gnutzmann Küster SchrammLehrerausbildung in der Diskussion
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2002
Konrad Schröder
flul3110010
Konrad Schröder * Lehrerausbildung in der Diskussion Abstract. The article gives a brief account of the ideology underlying teacher training in Germany since its beginnings in the 19 th century. The impact of post-Humboldt "Neo-Humanism" on the Philosophische Fakultät (the so-called Faculty of Philosophy replacing the older Faculty of Arts) in its interaction with the Gymnasium (19 th century grammar school) is reviewed in order to explain some of the more traditional weaknesses of the training system. This diachronic approach is followed by an analysis of the scientific nature of the various components of teacher education, including some criticism of current attitudes in this field. Against this background, a content-based outline of a more professional approach in teacher education is developed, followed by a short critical review of some of the more prominent orgauizational schemes. 1. Historische Aspekte 1.1 Zweiphasigkeit Die Reform der Lehrerausbildung ist in der deutschen Bildungsgeschichte der letzten 200 Jahre ein Perpetuum Mobile: Es gibt kaum ein Jahrzehnt, das sie nicht diskutiert, geändert hat sich freilich seit dem frühen 19. Jahrhundert wenig: Die Zweiphasigkeit, ein Produkt der Jahre 1810 (Examen pro facultate docendi) bzw. 1826 (Referendariat) verständlich vor dem Hintergrund neuhumanistischer Bildungsideologie (zweckfreie wissenschaftliche Ausbildung an der Philosophischen Fakultät, gefolgt von der Einübung in eine stabile schulische Praxis)ist zu einem sakrosankten Stück deutscher Bildungstradition geworden. Sie in Frage zu stellen, gilt als bösartig. Nicht umsonst wurde die Einphasigkeit der Lehrerausbildung in der DDR unmittelbar nach der sogenannten Wende eliminiert; Kolleginnen und Kollegen, die als „Methodiker" (in der Terminologie der DDR) das Praxisjahr am Ende des Studiums von den Universitäten aus betreuten, wurden in vielen Fällen nicht in den Schuldienst übernommen und arbeitslos. Zwischen den beiden Ausbildungsphasen verläuft ein tiefer ideologischer Graben, gewissermaßen die Grenze zwischen Theorie und Praxis, man könnte auch sagen: die Grenze zwischen dem in unterschiedlichen Zeitaltern auf unterschiedliche Weise mißverstandenen Freiraum Universität und kultusadministrativer Kontrolle, zwischen akademisch-ungebundener Kritikfreudigkeit und schulisch-hierarchischem, mitunter obrigkeitshörigem Beharrungsvermögen. Da das deutsche Bildungssystem reich ist an Verwerfungslinien und Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Konrad SCHRÖDER, Univ.-Prof., Universität Augsburg, Lehrstuhl für Didaktik des Englischen, Universitätsstraße 10, 86135 AUGSBURG. E-Mail: konrad.schroeder@phil.uni-augsburg.de Arbeitsbereiche: Sprachenpolitik und Bildungsplanung, Geschichte des Fremdsprachenerwerbs, Evaluation fremdsprachlicher Leistung. IFJLwL 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 11 Grabenbrüchen (zwischen Grundschule und Sekundarbereich I, Allgemeinbildung und Berufsbildung, schulischem und außerschulischem bzw. nachschulischem Lernen, zwischen einzelnen Schulformen), fällt der hier bezeichnete Grabenbruch nicht so sehr auf. 1.2 Das Flaggschiff Gymnasium ... Der Studiengang für das Lehramt an Gymnasien bzw. das Lehramt im Bereich der Sekundarstufe II gilt zu allen Zeiten als das Flaggschiff der Lehrerausbildung in Deutschland: Der wissenschaftliche Teil der Ausbildung findet seit dem frühen 19. Jahrhundert an der Universität statt, die Ausbildung dauert 4 Jahre und ist damit „vertieft" (welch eigentümlich sinnleeres Adjektiv! ), und sie führt zu den höheren Weihen, nämlich zum höheren Beamtentum des Vollakademikers (Eingangsbesoldung A 13). Diesen akademischen Status zu erreichen, trachten die übrigen Lehrämter seit Menschengedenken. Doch sie bleiben geringerwertig, eben „nicht vertieft"; teilweise sind sie bis zum heutigen Tage an Pädagogischen Hochschulen angesiedelt und damit (gerade auch in der öffentlichen Meinung) sub-akademisch; im übrigen sind sie in weiten Teilen der Republik mit dem A 12-Makel behaftet (klassischerweise: gehobener Dienst). Da wundert es nicht, daß Politiker, die in jüngster Zeit die Fachhochschule als möglichen Ort der Lehrerausbildung entdeckt haben, sich bei Nachfrage derzeit noch beeilen, einschränkend darzulegen, daß damit natürlich nur die Lehrämter im Bereich der Sekundarstufe I gemeint seien, bzw. das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen. Inzwischen liegen von verschiedener Seite politisch durchsichtige Empfehlungen vor, doch zumindest das Grundschul-Lehramt aus der allgemeinen Lehrerausbildung herauszulösen und an Fachhochschulen anzusiedeln. Begründet wird der Vorschlag je nach politischer Provenienz mit mehr Praxisbezug, Abkehr von entbehrlicher Wissenschaftlichkeit, geringeren Aus- (und Fort-) bildungskosten. Unheilige Allianzen werden sich bilden, um die Entwicklung in diesem Bereich weiter voranzutreiben. - Der Philologenverband seinerseits stellt klar, daß die gymnasiale Lehrerbildung an der Universität bleiben müsse: Der Lernort Universität sei eine unabdingbare qualitätssichernde Maßnahme: Gymnasium braucht Wissenschaft. 1.3 ... und die Philosophische Fakultät Die Frage ist nur, welche. Traditionellerweise sind die affektiven Bande zwischen Universität und Lehrerbildung nicht sehr stark. Die Lehramtskandidaten sind zwar da, und das ist auch gut so, denn schließlich braucht man Studenten, doch interessanter wäre natürlich eine entsprechende Anzahl Magisterkandidaten: Man wäre nicht an staatliche Ausbildungsordnungen gebunden, könnte früher thematisch spezialisieren, dabei auch die eigenen Forschungen stärker in den Vordergrund rücken, man hätte primär am Fach (und nicht am Lehramt als solchem) interessierte Studierende, und man bräuchte nicht die leidige Allround-Prüfung, genannt Staatsexamen, abzunehmen. Dabei ist man mittlerweile meistenorts durchaus bereit, auch den Fachdidaktiker als vollgültigen Partner an dieser neuen, akademisch heilen Welt partizipieren zu lassen: mit Fremdsprachendidaktik als gleichberechtigter, gleichwohl weniger gewählter Disziplin im Magisterhaupt- und ffa! L 31 (2002) 12 Konrad Schröder -nebenfach. Schließlich ist die facettenreiche Erwachsenenbildung, zumal in den sprachlichen Fächern, ein stark expandierendes potentielles Berufsfeld für Magister-Kandidaten. Das Problem ist nur, daß die Planstellen der „großen" Fächer philosophischer Fakultäten ihre Existenz mehrheitlich der Lehrerbildung verdanken. Die Philosophische Fakultät ist wie das Gymnasium eine Entwicklung der neuhumanistischen Epoche. Sie tritt an die Stelle der älteren Artistenfakultät 1• Die Artistenfakultät (als die im alten System den „höheren" Fakultäten Jura, Medizin und Theologie vorgeschaltete Einrichtung) wird als gymnasiale Oberstufe (heute: Sekundarstufe II) Bestandteil des Gymnasiums, das die überkommene Lateinschule fortsetzt, jedoch nun nicht mehr sechsjährig, sondern neunjährig ist. Die erste Universität mit einer philosophischen Fakultät im modernen Sinne ist die 1810 gegründete Humboldt-Universität Berlin. Die Philosophische Fakultät ist geboren aus dem Geist der Zeit: Sie kultiviert die Geistes- (und Natur-) Wissenschaften um ihrer selbst willen, ohne jeden expliziten Berufsbezug. Sie ist idealistisch orientiert, nicht, wie die Universität des 18. Jahrhunderts, utilitaristisch. Ihre Welt ist die Welt der Ideen, Systeme, Modelle. Lebenspraktische Umsetzungen interessieren sie nicht. Daß eine solche Fakultät dann aber von staatlicher Seite auserkoren wird, die Hauptlast der Lehrerausbildung .zu tragen, ist allenfalls für den modernen Betrachter ein Widerspruch: Das Gymnasium selbst bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausnahmslos altphilologisch orientiert (mit bis zu 15 Wochenstunden Latein und bis zu 6 Wochenstunden Altgriechisch in manchen Klassenstufen) ist ja ein neuhumanistisch-idealia stisches und damit anti-utilitaristisches Kind seiner Zeit. Es ist die Ziehschule eines Bürgertums, das es sich leisten kann, die nachwachsende männliche Jugend 9 Jahre lang in eine Schule zu schicken, die fast ausnahmslos formale, nicht auf unmittelbaren Broterwerb bezogene Bildung vermittelt. Die Hauptfunktion des Gymnasiums zwischen 1815 und 1918 - und weit darüber hinaus ist die Vorbereitung auf die Universität: Wissenschaftspropädeutik, Allgemeinbildung im Sinne des neuhumanistischen Bildungsbegriffes, sowie damit verbunden die Vermittlung eines zeitgemäßen Tugendkanons (mit Tugenden wie Tapferkeit, Staatstreue, Demut, Aufopferungsbereitschaft, Streben zum Ganzen) stehen im Mittelpunkt. 1.4 Fast eine Symbiose Die beiden Institutionen passen zueinander, ja sie greifen ineinander, gerade auch in ihrer anti-utilitaristischen Grundhaltung. Da ist der gestandene Gymnasiallehrer, bis ins 20. Jahrhundert hinein in einigen deutschen Ländern als „Schulprofessor" bezeichnet 2 , als „kleiner" Universitätsprofessor ein durchaus wirksames Modell, zumindest solange die auszubildende Jugend disziplinär bei der Stange bleibt. Das aber bleibt sie bei allem jugendlichen Übermut und trotz gewisser Zerfallserscheinungen nach dem 2. Weltkrieg Der Name ist hergeleitet von den SeptemArtes Liberales, dem mittelalterlichen Bildungskanon der Sieben Freien Künste, vgl. englisch: Faculty of Arts. 2 Anrede durch die Schüler teilweise noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts: Herr Professor. lFJLwL 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 13 bis zum Vorabend des Jahres 1968, denn Schule, Elternhaus und Gesellschaft sind in bürgerlicher Ideologie geeint, sie vertreten die gleichen Werte. Zugleich ist das System geeignet, den Aufstiegswillen der nächstniedrigeren Schicht, des Kleinbürgertums nämlich, zu befördern: Mit der Devise Kind, lern, damit aus Dir etwas wird treten im Verlauf des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts hunderttausende Kinder kleinbürgerlicher Herkunft ihren Marsch durchs Gymnasium in die Universität (sowie in die Polytechnica und Lehrerbildungsseminare) an. Nicht wenige dieser Kinder werden Gymnasiallehrer (und -lehreriimen) und tragen damit kleinbürgerliche Sichtweisen und Wertvorstellungen in die ursprünglich großbürgerliche Schule hinein. 1.5 Lehrerausbildung als Mittel staatlicher Kontrolle Doch noch ein anderer Begründungszusammenhang spielt bei der Verankerung der Gymnasiallehrerausbildung in der Philosophischen Fakultät eine Rolle: Philosophische Fakultäten sind traditionellerweise große Fakultäten, und sie sind zumal in den frühen Jahren, als sie auch die naturwissenschaftlichen Fakultäten im Nukleus umfassen teure Fakultäten. Da der Staat seit dem 19. Jahrhundert die Universitäten finanziert, hat er ein Interesse, von den Philosophischen Fakultäten jenseits des (zumal im Bereich der Geistesbildung) nicht unmittelbar kapitalisierbaren wissenschaftlichen Ertrags auch eine praktische Rendite zu erhalten: die Ausbildung der Lehrer. Zugleich eröffnet die Lehrer" ausbildung über staatliche Ausbildungs- und Prüfungsordnungen die unmittelbare Einflußnahme auf die ansonsten akademisch autarke Institution. Der bildungspolitische Stellenwert der Philosophischen Fakultät ist von Anbeginn an hoch: Sie ist nicht irgendeine Fakultät der post-neuhumanistischen Universität, sie ist die Fakultät, das geistige Zentrum der Universitas, tritt sie doch mit ihrer philosophisch" philologisch-historischen Ausrichtung das säkularisierte Erbe der theologischen Fakultät im Ancien Regime an: Sie allein besitzt die Fähigkeit, den Geist des Humanismus zu ergründen, lebendig werden zu lassen und (nicht zuletzt auch in Form eines Tugendkanons) zu vermitteln. 2. Nachwirkungen: Die modernen Fremdsprachen als Latein-Ersatz? Von der Wissenschaftlichkeit der Lehrerausbildung und ihren sonstigen Bezügen Das hier skizzierte System beeinflußt die Entwicklung der Lehrerausbildung in Deutschland zutiefst, es hat Nachwirkungen bis .zum heutigen Tage: 2.1 „Moderner Humanismus" versus fluency, pragmatic appropriateness, cultural adequacy Das Gymnasium vermittelt bis weit ins 20. Jahrhundert hinein moderne Fremdsprachen als Latein-Ersatz, als Mittel zur Erreichung eines „modernen Humanismus". Wenn in Expertisen der Kultusministerkonferenz des Jahres 2000 (vgl. Tenorth (Hrsg.) 2001: passim) ausgeführt wird, daß im Bereich des Oberstufenunterrichts die anspruchsvolle lFL111L 31 (2002) 14 Konrad Schröder Kommunikationspraxis fehle, die Hinrichtung auf kommunikative Mündlichkeit, der Lebensbezug, die kulturelle Handlungsorientierung, ja die Einsichtsvermittlung in sprachenpolitische und sprachökologische Fragestellungen, dann werden großenteils traditionsreiche Problemdomänen benannt. Lebenspraktisch orientierte Kommunikationspraxis auf hohem Niveau, kommunikative Mündlichkeit, fluency, pragmatic appropriateness, cultural adequacy sind nicht denkbar in einem System, das fast ausschließlich schriftlich prüft, in dem der schwere Fehler immer noch der Grammatik- (und nicht der Kultur-)Fehler ist, und das mit Lehrern arbeitet, denen in ihrer Ausbildung die erforderlichen kommunikativen Fertigkeiten und ein entsprechendes sprachen- und kulturentheoretisches Wissen gar nicht oder bestenfalls in sehr ungenügendem Maße vermittelt worden sind (von der quantitativ wie qualitativ in diesem Bereich besonders defizitären Fortbildung einmal ganz zu schweigen). 2.2 Wissenschaftlichkeit Bis zum heutigen Tage wird der Professionalisierungsgrad der Lehrerschaft, zumal für das gymnasiale Lehramt, gemessen an der Wissenschaftlichkeit der universitären Ausbildung, wobei das universitäre Ausbildungssystem siehe oben mit den Anforderungen der Schule ursächlich allenfalls indirekt zu tun hat. Die wissenschaftlichen Grunddisziplinen der neuphilologischen Universitätsfächer, die Sprach- und Literaturwissenschaften, stammen aus dem 19. Jahrhundert; sie haben sich ohne jeden Zweifel innerlich gewandelt die Sprachwissenschaft ist insgesamt „angewandter", berufspraktisch verwertbarer geworden, die Literaturwissenschaft hat starke kulturwissenschaftliche Bezüge entwickelt und eine breitere theoretische Basis erhalten-, doch traditionelle Schubladen, gerade auch im Denken der Bildungsadministratoren und außeruniversitären Interessenvertreter, sind geblieben. Einern Schubladen-Denken entspricht auch die Scheidung in "fachwissenschaftliche" und „fachdidaktische" Studienanteile, auch wenn die fachdidaktische Komponente als berufspropädeutischer Kern der Lehrerausbildung inzwischen ihre spezifische Daseinsberechtigung besitzt. Denn fachdidaktische Fragestellungen sind immer auch genuine Fragestellungen der zugehörigen Fachwissenschaften, wie auch umgekehrt fachwissenschaftliche - und gerade auch fachtheoretische - Fragestellungen die Fachdidaktiken zutiefst durchdringen müssen. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, daß das Adjektiv „fachdidaktisch", da es im universitär-institutionellen Sprachgebrauch meist in Abgrenzung zum Adjektiv „fachwissenschaftlich" (im Sinne der klassischen Teilfächer Sprach- und Literaturwissenschaft) gebraucht wird, gerade für Außenstehende eine mindere oder doch zumindest eine gewissermaßen nachgeordnete Wissenschaftlichkeit suggeriert: auch dies ein Hinweis auf nachwirkende traditionelle, postneuhumanistische Denkstrukturen. Insgesamt gesehen sind die fachdidaktischen, wie auch die erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Studienanteile heute allgemein als Bestandteile des wissenschaftlichen Lehramtsstudiums akzeptiert. Das Modell ist dabei additiv, nicht integrativ, und die Fachdidaktiken ohne hinlängliches schulisches Experimentierfeld sind weitgehend gezwungen, nach Art des „Trocken-Schwimmkurses" zu verfahren. IFIL11llL 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 15 2.3 Sprachpraxis Weniger positiv ist die Entwicklung im Bereich der sprachpraktischen Ausbildung: Sie ist nicht nur zu wenig zielgerichtet (so findet beispielsweise keine Ausbildung in classroom discourse statt), sie ist auch quantitativ zu gering bemessen, und ihr haftet der akademische Makel des nur Handwerklichen an. Entsprechend dürftig bezahlt sind die in diesem Bereich zum Einsatz kommenden Lehrkräfte. Dabei sollte eine adäquate sprachpraktische Kompetenz (near nativeness), bezogen auf des zukünftige Lehramt, die Grundvoraussetzung für alle weiteren Studien sein. Dies impliziert eine quantitative wie auch qualitative Aufwertung der Arbeit der Sprachenzentren und verwandter Institutionen. 2.4 Erziehungswissenschaftliche Bezüge Ungemach droht der Lehrerausbildung und zumal den Fachdidaktiken in jüngster Zeit von Seiten der etablierten Erziehungswissenschaften: Sie haben traditionellerweise das Problem des mangelnden fachlichen Bezugs, sie sind „allgemein" (Allgemeine Didaktik als Schulpädagogik) und damit dem konkreten einzelfachlichen Geschehen (und auch der real existierenden Schule) auf eigentümliche Weise entrückt, doch sie sind empirisch (Empirische Pädagogik, Pädagogische Psychologie) und bieten sich daher zur Durchleuchtung beliebiger Problembestände und Fächer an. In einer Zeit der bildungspolitischen Ratlosigkeit werden die Erziehungswissenschaften schnell zu Geschäftspartnern der Ministerien und sonstigen Entscheidungsträger und zu deren Bundesgenossen, wenn es um die Etablierung von Großprojekten geht. Auch die Ausweitung von Stundenkontingenten in der Lehrerausbildung (zu Lasten der Fachdisziplinen und auf dem Rücken der Fachdidaktiken) wie jüngst in Bayern geschehen wird so verständlich. Schließlich haben die Erziehungswissenschaften vom Anspruch her auf alle Probleme von Schule eine Antwort. Die Fachdidaktiken empfinden sich aus gutem Grund als zu den Fächern gehörig, zumal im Bereich der modernen Fremdsprachen, einem Aufgabenfeld, das die Erziehungswissenschaften sieht man einmal von den isolierten Bestrebungen einzelner Gelehrter wie Jan Arnos Komensky (Comenius) ab aus eigener Kraft noch nie systematisch haben durchdringen können, schlicht und ergreifend, weil hier fachliche (und sprachpraktische) Vorkenntnisse vonnöten sind, über die Erziehungswissenschaftler normalerweise nicht verfügen. Eine Fachdidaktik, die in welchem Zukunftsmodell der Lehrerbildung auch immer erziehungswissenschaftlichen Rahmenvorstellungen (etwa dem heute wieder gängigen Konzept „Gymnasialpädagogik") nur nachgeordnet ist, ohne selbst diese Rahmenvorstellungen modifizierend mit beeinflussen zu können, läuft gerade wenn sie empirische Forschung in den Mittelpunkt stellt- Gefahr, ideologisch zu erblinden und ihres wissenschaftlichen Kerns (der Frage nach dem Was, Warum und Wie der Vermittlung des jeweiligen Faches) entkleidet zu werden. Hier liegt die Gefahr der vielerorts angedachten Erziehungswissenschaftlichen Fakultäten neuen Stils (einschließlich fachdidaktischer Studien), institutionell organisiert als Zentren für Lehr- und LernlFILlllL 31 (2002) 16 Konrad Schröder forschung. Fachdidaktik braucht Ideologie-Geschichte und politische Sensibilität, Fremdsprachendidaktik den ideologiekritischen Blick auf 500 Jahre Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachenunterricht in Europa, auf die Mechanismen europäischer und weltweiter Sprachenpolitik, aber auch aus fachlicher Perspektive auf allgemeinpädagogische Konzepte wie etwa das Konzept „Gymnasium" oder das Konzept „Gesamtschule". Unterricht ab einer bestimmten Stufe des Wissens und der gedanklichen Durchdringung ist im übrigen Fachunterricht, und auch die affektiven Bezüge sind ab einem gewissen Lernniveau und Lernalter an das Fach geknüpft, nicht an blumenreiche übergreifende Konstrukte wie etwa die Lebenswelt Schule, Konstrukte, die sich in der rauen Wirklichkeit des Lebens nur all zu leicht für jede Generation von neuem als Mogelpackungen erweisen und erwiesen haben. Ein Lernen zwischen den Fächern, wie es heute gerne gefordert wird, setzt Fachkenntnisse voraus, und Gleiches gilt für eine Projektorientierung, die diesen Namen verdient: Jenseits der Grundschule lebt eine pädagogisch sinnvolle, die Lernenden optimal fördernde Projektarbeit von den fachlichen Kenntnissen der Schülerinnen und Schüler in jenen Bereichen, die sachlich im Mittelpunkt stehen. 2.5 Praxisberührung Die Forderung nach Praxisberührung schon während der ersten Ausbildungsphase wird seit etwa 30 Jahren erhoben. Praxisberührung erfolgt über die Schulpraktika und auch über die Abordnung von Lehrern. Das Verfahren stellt eine „kleine Lösung" dar, denn das auf diese Weise erreichte Maß an berufspraktischer Orientierung ist quantitativ gering und qualitativ problematisch: In den Schulpraktika, an „normalen" Schulen abgeleistet, stellen die Studierenden fest, daß sich seit ihrer eigenen Schulzeit nichts verändert hat. Sie fühlen sich damit in ihrer eigenen, wie auch immer problematischen schulischen Sozialisation bestätigt, einer Sozialisation, aus der sie eigentlich im Interesse schulischen Fortschritts herausgehoben werden sollten. Das Referendariat wenige Jahre später übt sie dann vielfach immer noch im Sinne einer Meisterlehre, weil eine professionelle Ausbildung der Ausbilder und entsprechende Sabbaticals für deren Fortbildung fehlen erneut in dieses bestehende System ein. Für die meisten Studierenden dienen angesichts dieser Konstellation die Praktika (einschließlich der Begleitseminare) zunächst einmal dazu, im bekannten System auf neue Weise, nämlich auf der Lehrerseite, heimisch zu werden. Ihre Experimentierfreude hält sich normalerweise in engen Grenzen, auch wenn Betreuungslehrer und -lehrerinnen dazu auffordern, doch mal „was Neues auszuprobieren". Eine konsequente Einführung in innovatives Unterrichten setzt spezielle Schulen "Laborschulen" - oder vergleichbare Strukturen) voraus, die aber nur an ganz wenigen Standorten zur Verfügung stehen. So ist in gewisser Weise auch die selbsttätige, nicht nur beobachtende - Praxisberührung in der Lehrerausbildung als professionalisierendes Element derzeit noch eine Mogelpakkung. Was aber die Praxisberührung durch die Abordnung von Lehrern angeht, die dann in der Hochschule in erster Linie für fachdidaktische Fragestellungen eingesetzt werden, so ist hier die Gefahr eines Inzucht-Modells groß: Die Ausbildung erfolgt „aus der Praxis für die Praxis". Der an die Universität abgeordnete Lehrer kann diesen circulus vitiosus IFL11.llL 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 17 nur durchbrechen, wenn er zusätzlich zu seinem 16-Wochenstunden-Deputat intensive fachdidaktische Fortbildung und Weiterqualifikation betreibt, ein schwieriges Unterfangen, zumal wenn da niemand ist, der ihn stützt. 3. Elemente einer zeitgemäßen Lehrerausbildung 3.1 Das Gymnasiale Lehramt und die übrigen Lehrämter Bis jetzt war vorwiegend vom Gymnasium die Rede, und dies hat seine historische Berechtigung. Denn so, wie das Gymnasium im Laufe der 200jährigen Geschichte des staatlichen Schulwesens als bildungspolitisches Aushängeschild auf die übrigen Schulformen „abfärbt", so färbt die gymnasiale Lehrerausbildung auf die der übrigen Schulformen ab. Dies ist in besonderem Maße dort der Fall, wo die gesamte Lehrerausbildung in die Universität integriert ist und eine Stufenlehrerausbildung stattfindet. Dennoch kann mit aller Vorsichtdie These vertreten werden, daß bundesweit die Haupt- und Realschullehrerausbildung näher an den späteren beruflichen Bedürfnissen des Haupt- und Realschullehrers angesiedelt ist als die gymnasiale Ausbildung an den späteren beruflichen Erfordernissen des Gymnasiallehrers. Die fachdidaktischen Studienanteile sind höher und besser integriert, und mitunter ist auch die Praxisberührung besser organisiert. Im gymnasialen Bereich bleibt die fachdidaktische Komponente, auch ein viertel Jahrhundert nach ihrer Einführung, vielerorts ein quantitativ zu knapp bemessenes, im Studiengang unterbewertetes Studienelement, ganz und gar nicht geeignet, Hauptträger der fachlichen Professionalisierung des späteren Lehrers zu sein. Um so infamer ist die von einigen Erziehungswissenschaftlern, wie etwa Achtenhagen, in jüngster Zeit in deutlicher Absicht geäußerte Kritik, die Fachdidaktiken hätten die in sie gesetzten Hoffnungen nicht zu erfüllen vermocht: Die Fachdidaktiken haben wissenschaftlich sehr wohl reussiert das ebenso breite wie gehaltvolle Oeuvre der in den letzten 25 Jahren tätig gewesenen Fachdidaktiker, zumal in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, zeigt dies sehr deutlich. Wenn die Fachdidaktiken ihrer wünschbaren Funktion im Sinne eines Neubeginns in Lehre und Ausbildung nicht in gleichem Maße haben nachkommen können, so hängt dies just mit der Tatsache zusammen, daß ihnen permanent die Flügel beschnitten wurden, indem man ihnen die ansonsten üblichen Entwicklungschancen in Forschung, Lehre und Nachwuchspflege nicht gab und ihre Zukunft als akademische Disziplin zerredete. 3.2 Professionalisierung durch Fachdidaktik Bezugspunkt der Professionalisierung des zukünftigen Lehrers (bzw. der Lehrerin) ist nicht die jeweilige Gestalt der jeweiligen Fachwissenschaft, sondern das jeweilige Schulfach in all seinen Facetten und all seiner Problematik. Damit enthält die Lehrerausbildung (als Ausbildung von Fachlehrern) ihre eigene komplexe wissenschaftliche Basis, und diese ist notwendigerweise fachdidaktischer Natur: Sie umfaßt gleichermaßen fachliche wie erziehungswissenschaftliche Komponenten, die es ihr ermöglichen, die lflL1llL31 (2002) 18 Konrad Schröder fachlichen Ziele, Inhalte und Vermittlungsweisen sowie die Formen der Evaluation fachlicher Leistung vor dem Hintergrund der Institution Schule wie auch einer zeitgemäßen Theorie von Bildung darzustellen und fortzuentwickeln. Die eigene komplexe wissenschaftliche Basis der Lehrerausbildung stellt die Voraussetzungen dafür bereit, daß die Studierenden aufgrund eines spezifischen prozeduralen Wissens (das natürlich deklaratives Wissen voraussetzt) Handlungs- und auch Reflexionsmuster für die zukünftige berufliche Tätigkeit entwickeln. 3.3 Ein zeitgemäßes Ausbildungsmodell für zukünftige Fremdsprachenlehrer Damit ist das Modell einer zeitgemäßen Lehrerausbildung im fremdsprachlichen Bereich zumindest angedeutet: Das Konzept geht aus von einer Theorie der neusprachlichen Fächer in unseren Schulen. Die Fächer haben Zielsetzungen auf unterschiedlichen Ebenen, einer fachlegitimierenden (im Fremdsprachenunterricht müssen Fremdsprachen gelernt werden), einer fächerübergreifenden (Bereiche wie Kultur, Literatur, Sprache als zwischenmenschliche und politisches Phänomene haben kein eigenes Schulfach, müssen aber thematisiert werden; instrumentelle Fertigkeiten im Umgang mit Sprachen und Kulturen müssen erworben werden) und einer allgemein schulischen (nicht der multiple Fachidiot ist Ziel der Schule, sondern der mündige Staatsbürger). Eingebunden sind die fremdsprachlichen Fächer der Schule in ein europäisches Sprachenkonzept, das festmacht an einem politischen Konzept, die sprachliche und kulturelle Zukunft und die innere Stabilität der Europäischen Union sowie deren wirtschaftliche Belange betreffend (lmport-/ Export- Orientierung, Joint Ventures und dergleichen). Ziel der Ausbildung ist es, den zukünftigen Fremdsprachenlehrer mit Blick auf die aus dem hier dargestellten Konzept ausfließenden Ziele, Inhalte, methodischen Verfahren und Formen der Evaluation handlungsfähig zu machen. Dabei ist wie oben schon angedeutet besonderes Augenmerk zu legen auf die Tatsache, daß Fremdsprachenerwerb in der Schule stets gekoppelt ist an den Erwerb interkultureller Kompetenz und daß beide stattfinden im Rahmen eines Erziehungsprozesses. 3.3.1 Erste Phase Vor dem Hintergrund des hier skizzierten Ansatzes werden die fachlichen Inhalte der Lehrerausbildung (Sprachpraxis, interkulturelle Praxis, kulturwissenschaftliche Anteile, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Fachdidaktik und Methodologie) im Rahmen eines fachdidaktisch inspirierten Selektionsprozesses ausgewählt. Hinzu treten erziehungswissenschaftliche Bezüge und Formen der vorweggenommenen, fachdidaktisch begleiteten Praxisberührung. Im Mittelpunkt der ersten Ausbildungsphase steht dabei das Bestreben, Unterricht in einem umfassenden Sinne durchschaubar zu machen, um auf der Basis des dadurch erworbenen, kritischen Verständnisses professionelle Handlungskompetenz aufzubauen. Die Ausrichtung der „philologischen" Inhalte an den Bedürfnissen einer professionalisierten Berufstätigkeit bedeutet für die Universität keinen lFLllllL 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 19 Verlust an Wissenschaftlichkeit: einzelne Fragestellungen werden sich verschieben, in neuem Licht erscheinen, Hintergrundwissen wird neu auszurichten sein, doch die Themen und Verfahren werden wissenschaftlicher Natur bleiben freilich im Sinne einer Wissenschaftstheorie von heute, nicht aber einer solchen des frühen 19. Jahrhunderts. Gerade in den Bereichen Sprach- und Literaturwissenschaft ist mit einer Stärkung von Themenbereichen zu rechnen, die bisher vielerorts eher marginaler Natur waren: Literaturtheorien, Kulturtheorien, Theorien von Sprache, Theorien von Mehr- und Vielsprachigkeit, Sprachökologie usw.). Auch der fachdidaktische Bereich selbst wird sich entsprechend verändern, und die bisherigen Grenzziehungen zwischen der sogenannten Fachwissenschaft und der Fachdidaktik werden neu festzulegen sein und dabei auch sehr viel durchlässiger werden. 3.3.2 Zweite Phase Die zweite Ausbildungsphase hat im neuen System eine Funktion, die sie mit den vorhandenen geringen Bordmitteln sehr wohl erfüllen kann: Sie führt den Universitätsabsolventen, der Fremdsprachenunterricht zu durchschauen vermag, in das bestehende System ein, allerdings nun nicht mehr im Sinne einer Meisterlehre mit festgelegten Methoden und Ritualen, sondern im Sinne eines Versuches, sich in einer wie auch immer ungenügenden und fortzuentwickelnden Praxis zurechtzufinden und entsprechende Leistung zu zeigen. Freilich bleibt die (im neuen Sinne fachliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche) Fortbildung der Ausbilder in der Zweiten Phase ein vordringliches Problem, das nicht kostenneutral gelöst werden kann. Gleichzeitig aber sind Erste und Zweite Ausbildungsphase innerhalb des hier dargestellten Ansatzes besser verzahnt als bisher; der immer wieder zitierte Praxisschock des gewesenen Studenten entfällt. 3.3.3 Fortbildung Im derzeitigen System sind Ausbildung und Fortbildung zwei völlig voneinander getrennte Bereiche. Das hier skizzierte Ausbildungsmodell impliziert Fortbildung für alle Lehrer als selbstverständlichen Bestandteil des Erhaltes professioneller Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ein erstes Fortbildungsmodul muß nach etwa 2 Jahren eigenständiger beruflicher Tätigkeit eingeplant werden, damit die in dieser Zeit gewonnenen Einstellungen und Verhaltensweisen reflektiert und gegebenenfalls auch wieder aufgebrochen werden können. Das neue System der Lehrerausbildung ist dynamisch, nicht statisch, wie bisher. lFlLllllL 31 (2002) 20 Konrad Schröder 4. Institutionelle Konsequenzen 4.1 Lehrerausbildung im Baukasten-Modell Der oben entwickelte Ansatz stellt zugleich eine Absage dar an die Versuche der jürigsten Zeit, die Lehrerausbildungs-Komponente im Rahmen eines Baukastensystems neu zu ordnen: Der Lehramtsstudent macht ein Bachelor-Studium; danach, als post graduate student, entscheidet er sich offiziell für ein Lehramt und studiert die entsprechenden Module über 2 Jahre alles (einmal mehr) nach angelsächsischem Vorbild. Das Modell ist, oberflächlich betrachtet, möglicherweise ökonomisch. Doch es reduziert den auf das Lehramt fokussierten Teil des Fachstudiums in einem kaum zu verantwortenden Maße. Das idealiter eng verwobene Miteinander fachlicher und fachdidaktischer Komponenten wird aufgelöst zugunsten eines Systems, in dem zunächst altem deutschem Usus entsprechend ohne jeden expliziten Berufsbezug studiert wird (Wer wählt eigentlich nach welchen Kriterien die Ziele und Irihalte dieses Basisstudiums aus? ), dann aber tritt, über einem unsicheren Fundament, eine massive erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Ausrichtung ein, die aufgesetzt ist und ohne hinlänglichen Kontakt zur fachlichen Basis. Die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Komponenten werden nicht integriert, vielmehr werden neue Brüche (zwischen dem Fach und seiner Didaktik, zwischen fachlichem studium generale wenn es denn diesen Namen verdient - und Berufsbezug) produziert; Das Modell führt nicht zu einer professionalisierten Lehrerausbildung; es ist, wenn auch mancherorts bejubelt, als grobe (und traurige) Fehlentwicklung zu bezeichnen. · 4.2 Eine PH neuen Stils? Die DDR schuf eine Hochschule für Lehrerbildung, die heutige Universität Potsdam. Die Republik Österreich ging in Klagenfurt einen ähnlichen Weg. Der Freistaat Bayern gründete die beiden Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg mit dem expliziten Schwerpunkt Lehrerbildung. Dies zeigt, daß es auf unterschiedlichen politischen Fundamenten durchaus Versuche gegeben hat, die Möglichkeiten der Institution Universität im Sinne einer teilreformierten, im obigen Sinne stärker integrativen Lehrerausbildung zu nutzen. Inzwischen wird die Herausnahme det Lehrerbildung aus der Universität (einmal wieder) diskutiert, zumal im deutschen Süden: Hier waren Baden- Württemberg und Bayern in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts trotz ideologischer Nähe getrennte Wege gegangen: Während Bayern die Lehrerbildung in die Universität integrierte und Ordinariate für die Fachdidaktiken schuf, blieben die Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg zur Ausbildung der Grund-, Haupt- und Realschullehrer erhalten. Derzeit wird nun auch für Bayern die Gründung zweier Pädagogischer Hochschulen (gegebenenfalls unter anderem Namen) vorgeschlagen, eine im Norden, eine im Süden des Landes, die dann, zumal zu Zeiten geburtsschwacher Jahrgänge, die Gesamtversorgung mit Lehrern bewerkstelligen sollen. Natürlich ist die Lehrerausbildung nicht auf die Universität als Institution festgelegt. Historisch gesehen ist sie dort ein Akzidens. Die Frage ist nur, was aus den PhilosophilFLm. 31 (2002) Lehrerausbildung in der Diskussion 21 sehen Fakultäten (quantitativ, aber durch; ms auch qualitativ) wird, wenn man die Lehrerausbildung herauslöst. Gehen die angewandten Disziplinen dann mit an die neue, integrative Institution über an eine Institution, die sich vielleicht (über einen Fakultätsstatus und verbunden mit einem Zentralinstitut) zu einer Universität in der Universität entwickelt? Organisieren läßt sich vieles, die Frage ist nur, wie funktional die Struktur im Endeffekt ist. 4.3 Lehrerausbildung an der Fachhochschule? Ein (ungenannter) Grund, warum Politiker mit einem Lehrerbildungsmodell auf Fachhochschul-Basis liebäugeln, ist die Tatsache, daß die Lehrerbesoldung in Deutschland über der anderer EU-Länder liegt. Wie oben schon angedeutet, ist ein universitäres Vollstudium die klassische Voraussetzung für die Aufnahme in den Höheren Dienst mit Eingangsbesoldung A 13. Wenn man die Lehrerausbildung nun auf Fachhochschul- Niveau absenkt, werden die zukünftigen Lehrer billiger und die Länderhaushalte damit deutlich entlastet. Angesichts des allgemeinen Besoldungsniveaus in Europa läßt sich der Schritt als „Gang nach Europa" verkaufen, und da die breite Öffentlichkeit ohnehin der Meinung ist, daß Lehrer grundsätzlich überbezahlt sind (an die von Kanzler Schröder losgetretene „faule Säcke"-Diskussion sei erinnert), wird der Widerstand gegen einen solchen Schritt auf die Standesorganisationen beschränkt bleiben. 4.4 Mindestforderungen Wie auch immer die Lehrerausbildung organisiert werden mag: Unabdingbar erscheint ihre Unteilbarkeit. Es geht nicht an, die Grundschul-Lehrerinnen nach anderen Grundsätzen auszubilden als die Lehrer der Sekundarstufen, weil sie einen angeblich „einfacheren" oder „anderen" Unterricht erteilen. Verzahnung der Lehrämter ist angesagt, nicht deren Trennung. Schulisches Lernen ist ein Kontinuum, keine Abfolge von autonomen Stadien. Unabdingbar ist auch die Herstellung bzw. Wahrung des oben skizzierten integrativen Ansatzes in der Lehrerausbildung, verbunden mit einem konsequenten Ansatz von der Schule her, freilich einer Schule, die in den kommenden Jahren tiefgreifenden (auch fachlichen) Veränderungen unterworfen sein wird. Diese Veränderungen zu begleiten, ist gleichermaßen eine Aufgabe der Erziehungswissenschaften wie auch der Fachdidaktiken. Literatur HUNFELD, Hans/ SCHRÖDER, Konrad (Hrsg.) (1997): Was ist und was tut eigentlich Fremdsprachendidaktik? 25 Jahre Fachdidaktik in Bayern. Eine Bilanz. Augsburg: Universität (=Augsburger I&I- Schriften, 75). TENORTH, Heinz-Elmar (Hrsg.) (2001): Kerncurriculum Oberstufe. Mathematik - Deutsch - Englisch. Expertisen im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister. Weinheim, Basel: Beltz. ]F[,l.l]L 31 (2002)
