eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 31/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2002
311 Gnutzmann Küster Schramm

Gisela THOME, Claudia GIEHL, Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST (Hrsg.): Kultur und Übersetzung.

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2002
Bernd Stefanink
Gisela THOME, Claudia GIEHL, Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST (Hrsg.): Kultur und Übersetzung. Methodologische Probleme des Kulturtransfers mit ausgewählten Beiträgen des Saarbrücker Symposiums 1999. Tübingen: Narr 2002 (Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen 2/2001), X + 349 Seiten [49,- €]
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260 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Fazit: Trotz der erwähnten Schwächen ist das Buch als Übungsbuch zu empfehlen. Einerseits gibt es dem Lerner ein Instrumentarium an die Hand, das das einschließt, was Wilss „Fertigkeiten" nennt, und mit dem sich Routineprobleme lösen lassen; auf einer höheren Ebene vermittelt es ihm andererseits Problembewußtsein und versetzt ihn dadurch in die Lage, seine Übersetzungsvorschläge theoretisch zu untermauern und mit Hilfe der dargestellten kontrastiven Analysen auch empirisch zu fundieren. Wer allerdings Asterix übersetzen will und nach Kreativität sucht, der sollte sich mit der halben Seite, die hier der Intuition gewidmet ist, nicht zufriedengeben. Bielefeld Bernd Stefanink Gisela THOME, Claudia GIEHL, Heidrun GERZYMISCH-ARBOGAST (Hrsg.): Kultur und Übersetzung. Methodologische Probleme des Kulturtransfers mit ausgewählten Beiträgen des Saarbrücker Symposiums 1999. Tübingen: Narr 2002 (Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen 2/ 2001), X+ 349 Seiten [49,- €] Das im Titel dieses Bandes angesprochene Thema verspricht Antworten auf hochaktuelle Forschungsfragen. Insofern kommt den Aufsätzen von Klaus Mudersbach [= K. M.] (mit fast 60 S.) und Georgio Floms [= G. F.] (20 S.), in denen ein für den Übersetzer relevantes Konzept von Kultur inklusive theoretischer Begründung und methodologisch fundierter Gebrauchsanwendung (Mudersbach) sowie beispielhafter Praxisanwendung (Floms) dargestellt wird, eine zentrale Bedeutung zu (S. VII). K. M. präsentiert eine elaboriertere Form seines bereits in Ansätzen bekannten Konzepts der die verschiedenen Lebensbereiche einer Kulturgemeinschaft strukturierenden Kultursysteme. Diese Kultursysteme sollen das Hintergrundwissen darstellen, das der Verfasser und der Rezipient des ausgangssprachlichen Textes besitzen und von dem jeweils nur einzelne Elemente im Text aktualisiert sind. G. F. nennt die so auf der Textebene aktivierten kulturellen Elemente die „kulturelle Konstellation" des Textes. Laut K. M. und G.F. beruht das Textverständnis auf diesem Kohärenz stiftenden Hintergrundwissen. G. F. versucht, dies an einem Beispiel deutlich zu machen. Es handelt sich um einen Werbetext für die "Lufthansa Card": Wer mit dieser Card seinen Flug bucht, kann sicher sein, daß ihm keine „Meilen" (etwa aus Unachtsamkeit) verlorengehen. Nach meinem Verständnis ist dies eigentlich das zu übersetzende «Rhema» des Textes. 14 Das Hintergrundwissen, das im einführenden Satz dieses Werbetextes - "Was bringt der Euro? Meilen! " angesprochen wird, ist die Unsicherheit, die die Eurobenutzer verspüren, wozu die Sicherheit, die ihnen dagegen die Lufthansa Card bietet, im Kontrast steht. Dies wird im abschließenden zentralen Satz durch das Englische noch unterstrichen deutlich: Buy now, fly later. Dieser Satz muß selbstverständlich als ein Pastiche des in der Werbesprache bereits als Phraseologismus eingebürgertem Buy now, pay later verstanden werden; er stellt eine werbeträchtige 'connivence' mit Meilen hortenden Vielfliegern her, denen das Englisch dieser Werbesprache und der entsprechende Werbeslogan geläufig sind. Die appellative Wirkung dieser 'connivence' soll zum Kauf animieren. Soweit mein Verständnis dieses Textes und die Aspekte, für die der angehende Übersetzer eines solchen Textes sensibilisiert werden müßte. G. F. erwähnt diese Aspekte mit keinem Wort. Sein einziger Kommentar zu diesem Satz, nachdem er das Buy now aus der phraseologischen Struktur herausgelöst hat: Buy now ist die Aktualisierung des Aspektes „Offizielles Zahlungsmittel", der sich aus dem Kultursystem zum Lebensbereich „Euro" ergibt. In Anwendung der Mudersbachschen Methode hat G. F. nämlich das Wort „Euro" zum Anlaß genommen, eine elaborierte Darstellung des 'Kultursystems' "Europäische Währung" vorzunehmen, in der mit etwa 20 Elementen alle Aspekte angeführt werden, die auch nur im entferntesten mit dem Euro zu tun haben: von der Geschichte der Einführung des Euro (1. Phase, 2. Phase, Vorläufer ECU, usw) bis hin zu den Beziehungen der an diesem Währungssystem beteiligten Staaten zueinander. Der Bezug zum Rhema und zur Funktion des Textes geht dabei unter. Inwieweit ist 14 Vgl. hierzu Bernd Stefanink: « Traduire le rheme ». In: In Memoriam Emilia-Rodica Iordache. Craiova: Analele Universitatii din Craiova 1999 (Seria "Langues et Litteratures Romanes" An III, Nr. 4), 122-136. lFILtU! L 31 (2002) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 261 die Information „offizielles Zahlungsmittel" für die Textkohärenz unerläßlich? Warum soll sich der Übersetzer mit dem Aspekt „offizielles Zahlungsmittel" des Euro befassen, von dem man aufgrund des Kontextes mit Sicherheit annehmen kann, daß er weder beim Textverfasser noch beim ausgangssprachlichen Textrezipienten präsent ist? Wissen wir nicht spätestens seit der Prototypensemantik, daß es in semantischen Kategorien Elemente gibt, die für die Kategorie repräsentativer sind als andere? Sie haben so könnte man sagen eine stärkere semantische Dichte. Darüber hinaus hat uns Ronald Langacker mit seinem Begriff des "Figure/ Ground alignment" auf die einer derartigen Kategorie innewohnende potentielle Dynamik aufmerksam gemacht. Dies berücksichtigt die Mudersbachsche Methode nicht, in der alle Elemente gleichwertig nebeneinandergestellt werden. Die Berufung von K. M. auf den (statischen) "Valeur"-Begriff Saussures zur Kennzeichnung des durch seinen „Zweck" bestimmten (und somit dynamisch ausgerichteten) Holems (174) bestätigt diesen Eindruck einer fundamental strukturalistischen Sicht, die dem Textverständnis nicht gerecht wird. Von diesen theoretischen Bedenken abgesehen ist eine Darstellung sämtlicher Kultursysteme, die für die im Text angesprochenen Lebensbereiche zuständig sind, kaum durchführbar. So ist z.B. das von G. F. zu diesem kurzen Werbetext dargestellte Kultursystem „Europäische Währung" nur eines unter vielen. Darüber hinaus läßt der Text „eine Fülle von weiteren Kultursystemen erkennen (Kommunikation, Kreditkarten, Werbung), die aber hier aus Platzgründen nicht entwickelt werden können" (85), wie der Vf. selbst schreibt.« Vaste programme! », comme disait le General de Gaulle, quand quelqu'un, dans la foule, a crie « Mort aux cons ! ». Man stelle sich die Aufgabe des Übersetzers vor, der einen längeren Text zu übersetzen hat! Dies um so mehr als G. F. hinter dem letzten ltem seiner Aspektaufzählung auch noch drei Pünktchen folgen läßt, die darauf hindeuten, daß er seine Liste nicht für erschöpft hält. Was 'bringt' nun diese aufwendige Analyse falls sie überhaupt durchführbar wäre für den Übersetzer. Konkret auf diesen Text bezogen fällt die Antwort von G. F. bescheiden aus, nämlich daß es „im Fall einer Übersetzung ins Englische für den amerikanischen Sprachraum nicht aus[reicht], wenn der Übersetzer 'Euro' mit 'Dollar' ersetzt" (90). Als ob man diesen Text, der so spezifisch auf die Verunsicherung des Europäers bezüglich der neuen Währung aufbaut, überhaupt 'übersetzen' und diese Werbung nicht dem kulturellen Hintergrund angepaßt neu gestalten würde! G. F. ist allerdings von der Möglichkeit einer derartigen Übersetzung als „Übersetzungsauftrag" überzeugt, so wie er auch meint, daß seine Darstellung für den „nichtmuttersprachlichen Übersetzer hilfreich" sein dürfte (90). Ein weiteres Problem ist die Frage nach dem „Kulturkenner", auf dessen Schultern die gesamte Verantwortung für die so fundamental wichtige Abgrenzung der einzelnen Lebensbereiche liegt. Wie kann er, bei der Beantwortung des langen Fragenkatalogs, mittels dessen die einzelnen Lebensbereiche kulturell strukturiert werden sollen, subjektive Beurteilungen vermeiden? Statt sich mit derartigen erschöpfenden strukturellen Erfassungen ganzer Kultursysteme abzugeben, sollte der Übersetzer für das (protoypisch) für das Textverständnis Relevante sensibilisiert werden! Taucht dabei ein Problem aufgrund kultureller Unterschiede auf, sollte er problemrelevant vorgehen und auf die für die Lösung dieses Problems relevanten kulturellen Hintergründe eingehen. "Problemrelevante" Textanalyse an Stelle von erschöpfender Erfassung von Kultursystemen! 15 Dazu bedarf es keiner terminologischen Überfrachtung (auf französisch würde ich von einemfatras terminologique sprechen), wie sie für K. Ms. Darlegung charakteristisch ist. 16 15 Mehr dazu in Bernd Stefanink: " 'Esprit de finesse' - 'Esprit de geometrie': Das Verhältnis von 'Intuition' und 'übersetzerrelevanter Textanalyse' beim Übersetzen". In: Rudi Keller (Hrsg.): Linguistik und Übersetzen. Tübingen: Narr 1997, 161-183. 16 So z.B. wenn die Termini Kantifizierung und Dekantifizierung in Ableitung von I. Kant gebildet werden und auf Kants „Auffassung, daß wir als erkennende (rezipierende) Subjekte unsere Kategorien und Schemata mitbringen und über das zu Erkennende strukturierend darüber legen" (177) zurückgeführt werden, um den viel allgemeineren Prozeß der Explizierung von Impliziten, für den Rezipienten bzw. das Weglassen von Impliziten seitens des Verfassers zu beschreiben. Die Termini Halon und Holem (dem Mudersbachspezialisten bereits aus früheren Publikationen bekannt) fügen den Erkenntnissen der Skopostheorie nichts wesentlich Neues hinzu. lFILlllL 31 (2002) 262 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Vom didaktischen Standpunkt mag es sinnvoll sein, sich zusammen mit angehenden Lernern mit diesem Modell auseinanderzusetzen. Aus übersetzungspraktischer Perspektive kann jedoch nicht ernsthaft mit G. F. angenommen werden, daß „nichtmuttersprachliche Übersetzer" (90) mit derartig 'fleischlosen' Schemata, die nicht auf die relevanten Textstellen bezogen sind und die nicht zum Textverständnis beitragen, etwas anfangen könnten vorausgesetzt, sie ließen sich aufgrund des Aufwands mehr als exemplarisch realisieren. Diese nicht-muttersprachlichen Übersetzer können mit den Antworten auf die Fragenkataloge vorausgesetzt man findet den „Kulturkenner", der sie professionell beantworten kann genauso wenig Kultur lernen, wie man Sprache mit dem Wörterbuch lernen kann. Für eine ausführlichere Besprechung der weiteren, zum Teil sehr interessanten Beiträge fehlt der Platz. Werner Koller untersucht die wachsende Rolle, die die Kultur seit den siebziger Jahren in der Übersetzungswissenschaft gespielt hat, wobei er an Kritik gegenüber seiner früheren Auffassung nicht spart. Albrecht Neubert macht auf eine Reihe anderer Kontexte aufmerksam, die neben dem kulturellen Kontext ebenfalls für das Übersetzen relevant sind. David Horton zeigt auf, welche kulturelle Dimensionen bei der Übersetzung von Alice in Wanderland zu berücksichtigen sind und zu welchen mehr oder minder kreativen Lösungen die verschiedenen Übersetzer gekommen sind. Gisela Thome präsentiert eine Reihe von „Methoden des Kompensierens in der literarischen Übersetzung". W eitere Artikel setzen sich mit Einzelproblemen auseinander, von der vergleichenden Metaphernkonstitution im Text bis hin zu den Dolmetschproblemen in der Videokonferenz. Ein Buch, mit dem eine Auseinandersetzung aufgrund der Vielfalt der sowohl auf praktischer als auch auf theoretischer Ebene angesprochenen Probleme sicher lohnt, auch wenn die übersetzungswissenschaftliche Argumentation nicht immer zu überzeugen vermag. Bielefeld Bernd Stefanink Stephan GRAMLEY: The Vocabulary ofWorld English. London: Arnold & New York: Oxford University Press 2001 (The English Language Series), xiv + 323 Seiten [17.99 J: : ] Ten years ago, Stephan Gramley co-authored an excellent introductory contribution to English studies, namely, Survey of Modern English (London: Routledge 1992). With the present publication he has come back alone (though his Bielefeld colleague Kurt-Michael Pätzold cooperated in its early phase) with another admirable survey, this time, however, focussing on a specific linguistic field, lexicology. In line with the design of The English Language Series, he has, moreover, taken into account the global role of English in its many shapes and forms; furthermore, the book is first and foremost a contribution to language leaming and teaching. And finally, in spite ofhis didactic approach, the author has managed to strike a balance between a compilation of empirical material and an explanation of linguistic concepts, some of them basic and traditional, others admirably innovative. Grarnley reveals a wide understanding oflexicology. The first chapter, it is true, deals with traditional (structuralist) issues of lexicology, such as "the mental lexicon", and dictionary entries (with a very useful description of English dictionaries and a brief look at, and critical assessment of, thesauri). But Gramley then also emphasises the importance of encyclopedic knowledge and "cultural literacy" (p. 17) and generally sees vocabulary as conditioned by various factors, including those non-systemic ones of history and usage. These factors, which the author keeps returning to in the rest of the book, are: Meaning, Word Formation, Pronunciation, Use (by which Gramley covers style, field, function, medium, domain, and speech acts), Spelling, User (e.g. age, ethnicity), Grammar, and History. In line with this extremely wide concept of lexicology, the book covers a surprising amount of fascinating material which at first sight occasionally, however, seems far-fetched, for example, in the case of animal sounds in different (even non-English) languages, or the proper terms for British and non- British systems of education, or favourite types of word formation in selected New Englishes, or the different connotations of the colour-term "blue" in different English-speaking cultures. lFlLIIL 31 (2002)