Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2004
331
Gnutzmann Küster SchrammBilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon -
121
2004
Hans Bickes
flul3310027
Hans BICKES * Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon evolutionsbiologische, soziokulturelle und kognitionswissenschaftliche Perspektiven Abstract. Two approaches to the phenomenon of bilingualism can be considered. The first approach examines sociocultural aspects of second / foreign language acquisition, thus shifting the focus from the mental sphere to the social setting. In addition to the numerous findings arising from the prevailing cognitive paradigm, this sociocultural approach yields insights into socio-cultural processes, which may contribute to the promotion of multilingualism as proposed by European education policies. The second model, proposed by the cognitive and neurological sciences, focuses on aspects of language acquisition as well as on mental representation and multiple languages processing, whereby language acquisition is seen as the acquisition of rules, which is in turn controlled by cognitive mechanisms and influenced by various factors. The mental lexicon is often taken as a starting point for attempts to resolve the question of whether, in bilinguals, the two languages concemed are stored and processed jointly or separately. Tue latest findings conceming this question are presented in this contribution. By taking an evolutionarybased view of monolingual language acquisition as a starting point evidence is provided suggesting that both approaches need to be considered within a European framework of multilingualism. 1. Mehrsprachigkeit im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge hatten im Jahr 2001 21,9 % der in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kinder mindestens ein ausländisches Elternteil. 1 Den größten Anteil stellen türkischsprachige Eltern, gefolgt von solchen mit Serbokroatisch und solchen mit Italienisch als Erstsprache. Insgesamt bereichern die 151 000 Babys mit multikulturellem Hintergrund die binnendeutsche Sprachenlandschaft um 160 Sprachen. Diese Daten zeigen seit 1991 einen stetigen Aufwärtstrend. Längst ist Deutschland zu einem mehrsprachigen Land geworden, auch wenn die Realitäten im Bildungswesen darauf nur im Schneckentempo und angesichts der demoskopischen Prognosen mit völlig unverständlicher Zurückhaltung reagieren. In Niedersachsen wurden erst im Jahr 2002 und nur unter dem erheblichen Druck, den die miserablen PISA-Ergebnisse des Bundes- Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans BICKES, Univ.-Prof., Universität Hannover, Seminar für deutsche Literatur und Sprache, Königsworther Platz 1, 30167 HANNOVER E-mail: bickes@fbls.uni-hannover.de http: / / www.fbls.uni-hannover.de/ sdls/ bickes/ Arbeitsbereiche: Linguistik, Deutsch als Fremdsprache. 1 Noch nicht einberechnet sind hier Spätaussiedler, das heißt Elternhäuser, in denen Russisch und/ oder eine andere osteuropäische Sprache als die eigentlich dominante Sprache gesprochen wird. JFILIIL 33 (2004) 28 Hans Bickes landes mitten im niedersächsischen Wahlkampf erzeugten, Rahmenrichtlinien für den Unterricht des Deutschen als Zweitsprache veröffentlicht, die in ihrer Gesamtaussage enttäuschend hinter den Standards zurückbleiben, die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen längst festgeschrieben sind. Gleichzeitig werden die Mittel, die für zusätzlichen Unterricht in der Erstsprache Mehrsprachiger zur Verfügung stehen (z. B. Türkisch), drastisch eingeschränkt. Nicht ohne Grund wird immer wieder der monolinguale und monokulturelle Habitus unseres Bildungswesens beklagt. Hinter dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen steht der Leitgedanke, dass eine weit verbreitete Mehrsprachigkeit der Schlüssel für eine europäische Integration ist und dass daher das Fremdsprachenlernen in Europa sowohl Bürgerrecht wie Bürgerpflicht sei. Dazu seien Methoden des Sprachunterrichts zu fördern „die die Unabhängigkeit des Denkens, des Urteilens und des Handelns zusammen mit sozialen Fähigkeiten und Verantwortungsbewusstsein stärken"; zentral ist ein Konzept der Mehrsprachigkeit, das sich von Vielsprachigkeit (Kenntnis einer Anzahl von Sprachen oder Koexistenz verschiedener Sprachen in einer Gesellschaft) unterscheidet. Auf diese Differenzierung legt der Referenzrahmen besonderes Gewicht: Vielsprachigkeit kann man erreichen, indem man einfach das Sprachenangebot in einer Schule oder in einem Bildungssystem vielfältig gestaltet, oder indem man Schüler dazu anhält, mehr als eine Sprache zu lernen. [...] Mehrsprachigkeit jedoch betont die Tatsache, dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker (die er entweder in der Schule oder auf der Universität lernt oder durch direkte Erfahrung erwirbt). Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren. In verschiedenen Situationen können Menschen flexibel auf verschiedene Teile dieser Kompetenz zurückgreifen, um eine effektive Kommunikation mit einem bestimmten Gesprächspartner zu erreichen. [...] Aus dieser Perspektive ändert sich das Ziel des Sprachunterrichts ganz grundsätzlich. Man kann es nicht mehr in der Beherrschung einer, zweier oder vielleicht dreier Sprachen sehen, wobei jede isoliert gelernt und dabei der 'ideale Muttersprachler' als höchstes Vorbild betrachtet wird. Vielmehr liegt das Ziel darin, ein sprachliches Repertoire zu entwickeln, in dem alle sprachlichen Fähigkeiten ihren Platz haben. (Aus: Referenzrahmen Abschnitt 1.3; Hervorhebung H.B.) 2 Die Erforschung von Mehrsprachigkeit, meist beschränkt auf den überschaubaren Fall des Bilingualismus3, ist im europäischen Forschungskontext in den letzten Jahren zu 2 Quelle: http: / / www.goethe.de/ z/ 50/ conuneuro/ iO.htm. Es sei angemerkt, dass die Unterscheidung zwischen Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit in der vorliegenden Formulierung keineswegs unproblematisch ist. Offenkundig wird gleichwohl ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Ziele des Sprachenlernens. 3 Eine präzise Definition von Bilingualismus und Mehrsprachigkeit wird hier vennieden, um eine vorschnelle Interpretation insbesondere der weiter unten diskutierten neurowissenschaftlichen Daten zu vermeiden. Je nach Kontext kann daher im Folgenden der gleichzeitige Erwerb zweier Sprachen gemeint sein, aber auch zeitversetzter Erwerb im natürlichen und/ oder im schulischen Kontext. IFLrutlL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 29 einem sehr spannenden - Schwerpunkt in der Sprachpsychologie, der Kognitions- und neuerdings auch der Neurowissenschaft geworden. Dabei steht allerdings meist weniger die Frage im Vordergrund, wie sich der Erwerb von Bilingualität oder gar Mehrsprachigkeit optimieren lässt, oder welche soziokulturellen Rahmenbedingungen in mehrsprachigen Gesellschaften wünschenswert sind. Das Interesse gilt in erster Linie der Erforschung der menschlichen Kognition, und Sprache ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Bestandteil im Konzert der kognitiven Leistungen. Die Untersuchung von Bilingualen im Vergleich zu Monolingualen eignet sich besonders gut, um Hypothesen über die Repräsentation und Verarbeitung von Sprache im kognitivistischen Paradigma zu überprüfen. Auch im vorliegenden Beitrag werde ich betont auf kognitions- und neurowissenschaftliche Arbeiten eingehen. Viele dieser Arbeiten nehmen ihren Ausgangspunkt beim mentalen Lexikon und funktionaler neuronaler Differenzierung. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Fülle der Teilergebnisse nur bedingt in handlungsleitende Empfehlungen umgesetzt werden können, die die Erfordernisse europäischer Sprachenpolitik, wie sie im Referenzrahmen artikuliert sind, im Kern treffen. Ich werde daher zunächst andeuten, wie eine ergänzende soziokulturelle Perspektive eingenommen werden könnte, die den aktuellen Zielsetzungen entgegenkommt. Allerdings bleibt diese Perspektive eher global; das mentale Lexikon und sprachliche Strukturen geraten in den soziokulturellen Ansätzen etwas aus dem Blick. Wenn es um Erkenntnisse geht, die unmittelbar für Einsichten in den Erwerbsprozess und für die konkrete Konzeption von gesteuertem Erwerb genutzt werden können, bleibt die kognitive Perspektive unverzichtbar. Doch zunächst wollen wir einen kurzen Blick auf den Erwerbsprozess in der Erstsprache werfen. 2. Monolinguale Entwicklung und Entwicklung von Mehrsprachigkeit Meinen Ausgangspunkt nehme ich bei evolutionsbiologischen Arbeiten zum Spracherwerb. Hier wird deutlich, dass sowohl die gesellschaftsbezogene als auch die kognitionswissenschaftliche Perspektive aus der Sicht der Spracherwerbsforschung ihre Berechtigung haben. Denn die vorgängige Entwicklung sozialer Kognition schafft im frühen Spracherwerb erst die Voraussetzung für den Aufbau eines mentalen Lexikons, der mit dem Entstehen phonologischer und grammatischer Analysefähigkeiten Hand in Hand geht. 2.1 Vorbedingungen für Spracherwerb - Evolutionsbiologische Annahmen In mehren Arbeiten hat John L. LOCKE (z.B. 2002, 1997, 1996) aus evolutionsbiologischer Sicht versucht zu erklären, wieso Kinder überhaupt zu sprechen beginnen. Psychologen und Linguisten neigen dazu, den Spracherwerb erst ab dem Geburtszeitpunkt (bisweilen auch bereits im Mutterleib) zu untersuchen. Demgegenüber interessiert sich der Biologe Locke für jene in der Evolution entstandenen phylogenetischen Faktoren und Mechanismen, die in ihrem Zusammenspiel in der Ontogenese des Kindes das Entstehen lFLl.llL 33 (2004) 30 HansBickes einer so komplexen Fähigkeit wie Sprache begünstigen. Dabei handelt es sich um Mechanismen, deren Entstehen nicht dadurch erklärt werden kann, dass sie mit bestimmter Absicht (etwa der Absicht, irgendwann dem Menschen Sprache zu ermöglichen) angelegt wurden die Evolution verfolgt keine Ziele. Ebenso warnt Locke davor, beim Beobachten des Kleinkindes vorschnell Absichten hinter bestimmten Verhaltensformen zu unterstellen: Das Kleinkind brabbelt nicht mit dem Ziel vor sich hin, später das Lautsystem seiner Sprache perfekt zu beherrschen, ebenso wenig, wie es strampelt, um sechzehn Jahre später in einer olympischen Laufdisziplin zu starten. Teleologische Erklärungen taugen für Phänomene des Spracherwerbs nur wenig. In der Ontogenese sind bestimmte guidance mechanisms am Werk, die für sich besehen selbstverständlich nicht dem Ziel dienen, verschiedene Verhaltensweisen zur Sprachfähigkeit zusammenzuführen, die aber trotzdem ab einem bestimmten Punkt in ihrem gleichzeitigen Auftreten zwangsläufig Sprachfähigkeit herausbilden. Der teleonomische Erklärungstyp, den Locke anstelle des teleologischen anbietet, erinnert an den von KELLER (1990) vorgeschlagenen Typus der "invisible-hand-explanation" für Phänomene des Sprachwandels. In einer Analogie ausgedrückt: Es gibt Gründe und Motive für bestimmte Verhaltensweisen, die insgesamt zum Entstehen eines Trampelpfades in einem Park führen, aber niemand läuft mit der gezielten Absicht quer über den Rasen, diesen Pfad anzulegen. Folgerichtig ist auch die Auffassung zurückzuweisen, das Kind erwerbe seine Sprache, um zu kommunizieren, etwa im Sinne von „Gedanken mitteilen". Für den frühen Erwerbsprozess kann dies nicht zutreffen, da das Kind erst weit nach dem zweiten Lebensjahr überhaupt ein Konzept der "other minds" entwickelt (LOCKE 2002: 377). Bis dahin zeigt das Kind bereits sprachliches Verhalten, aber eben nicht, um im eigentlichen Sinn des Wortes zu kommunizieren. Im Vergleich zu anderen Primaten ist die Schwangerschaft beim Menschen relativ kurz, und die Gehirndifferenzierung ist daher bei der Geburt nicht sehr weit gediehen. Entsprechend hilflos und sozial abhängig kommt der menschliche Säugling zur Welt. Dies birgt indes die Chance, dass die frühen Lernprozesse immer bereits soziale Lernprozesse sind. Die frühe Hirnentwicklung vollzieht sich so in einer Periode, in der Säuglinge im Normalfall den ständigen Stimulationen durch Gesichter, Mimik, Stimmen ausgesetzt sind. Gleichzeitig sind Säuglinge ihrerseits schon mit der Fähigkeit zu ausgeprägter Mimik (z.B. zum Lächeln) ausgestattet, die sichert, dass die (von den Gesichtsausdrücken begeisterten) Bezugspersonen in ihrer Nähe bleiben und ihnen Aufmerksamkeit schenken. Grundsätzlich ist der Säugling aus naheliegenden Gründen - Sicherung des Wohlwollens von Bezugspersonen mit einem "appetite for social stimulation" (LOCKE 2002: 367) ausgestattet, der interaktive Verhaltensweisen in der Umgebung auslöst, die der beschützten Entwicklung des Kindes dienlich sind. - Eine Reihe solcher Mechanismen werden jeweils phasenweise während der frühkindlichen Entwicklung aktiv. Im Einzelnen dienen sie jeweils anderen Primärzielen als dem Sprechenlernen, doch als sekundärer Effekt tritt schließlich Sprachvermögen auf. Im Anschluss an MA YR (1974) spricht LOCKE (2002: 379) daher von "precursors to language". Bereits von Geburt an zeigt das Kind erhöhte Aufmerksamkeit für Sprachlaute, insbesondere für die der Mutter. Es ist in der Lage, prosodische und emotionale StimmlFlLulL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 31 qualitäten zu differenzieren und zu erinnern (Jusczy [et al.] 1993); auch wird zwischen der Stimme der Mutter und der fremder Personen unterschieden. Interessant ist, dass das Kind Stimmen sogar danach unterscheidet, ob sie an es selbst oder an andere gerichtet sind. Während das Kleinkind in den nächsten Monaten mobiler wird, entwickelt sich parallel eine differenziertere Sprachwahrnehmung. Über die differenzierte Sprachwahrnehmung bleibt es auch auf seinen Exkursionen in der Lage, zwischen Bezugspersonen und anderen zu unterscheiden und den Kontakt zur Mutter nicht zu verlieren; vertraute Stimmen reduzieren ferner Unsicherheit und Angst. Dabei ist eine deutliche Präferierung der mütterlichen Stimme zu beobachten. Schon mit 6 Monaten beginnen Kinder, Äußerungen als Ganze zu speichern und zu erinnern, und sie nutzen die gespeicherten (vornehmlich prosodisch differenzierten) Lautmuster zur Wiedererkennung von Personen und zur Antizipation der Verhaltensweisen von Bezugspersonen. Insbesondere lösen abweichende neue Muster erhöhte Aufmerksamkeit aus. Weder die Sprachwahrnehmung noch die ersten Stufen des Sprechens dienen in dieser frühen Phase der Kommunikation (im Sinne von „Mitteilen von Gedanken"), sondern anderen Bedürfnissen. Neben einer grundsätzlichen Freude am Plappern und Sprechen signalisieren erste Äußerungen, dass man dazu gehört, und sie lenken Aufmerksamkeit auf das Kind. Lautäußerung und frühes Sprechen sind Spezialfälle eines in diesem Alter (vor allem auch im motorischen Bereich) deutlich vorhandenen Bedürfnisses, auf die Umwelt einzuwirken und Effekte zu erzielen. Insgesamt zielen die unterschiedlichen Mechanismen in dieser Phase darauf ab, ein soziales Netzwerk aufzubauen und zu erhalten. Sekundär geht damit einher die Entwicklung der Fähigkeit, Laute und Stimmführungen zu differenzieren, prosodische Einheiten, darunter auch Wörter und formelhafte Sprachausschnitte, zu speichern und erste Vokalisationen vorzunehmen. Auch erste Wortverwendungen mit unmittelbar referentieller Funktion treten auf. Psycholinguistisch gesehen ist dies der Beginn des Aufbaus eines rezeptiven und produktiven mentalen Lexikons. Die Gesamtheit der Mechanismen, die dies bewirken und die eng mit affektiven Bereichen im Gehirn zusammenhängen, nennt Locke social cognition network, im Gegensatz zu einem grammatical network, das zum Aufbau grammatischer Fähigkeiten führt. Das grammatical network operiert auf den Daten und Strukturen, die das social cognition network zur Verfügung stellt, und möglicherweise ist das seine einzige Funktion. Jedenfalls kommt dem grammatical network keine direkte Erwerbsfunktion zu; diese ist in der frühen Erwerbsphase dem social cognition network vorbehalten. Der gesellschaftliche Ort, in dem sich diese soziale Kognition des Kleinkindes entfaltet, ist beim Erstspracherwerb in aller Regel die häusliche Umgebung mit den engeren Familienmitgliedern als Bezugspersonen. 2.2 Entstehung von Lexikon und Grammatik in der frühen Sprachentwicklung Die frühen Sprachwahrnehmungen und auch die ersten Äußerungen des Kindes sind, wie wir gesehen haben, im wesentlichen prosodisch organisiert und werden vorzugsweise im Bereich der rechten Hemisphäre prozessiert. In dieser ganzheitlichen, noch nicht in Phoneme oder andere linguistische Kategorien zerlegten Form wird sehr viel Speicherkapazität benötigt, wodurch das System bei kontinuierlich anwachsender Datenmenge lFLl.lL 33 (2004) 32 HansBickes belastet wird. Im Zusammenhang mit dem Phänomen der Wortschatzexplosion einem bei allen Kindern im Alter von ungefähr eineinhalb bis zwei Jahren auftretenden sprunghaften Anstieg des Wortschatzes (vocabulary spurt)scheint eine Reanalyse der vorliegenden Daten in kleinere Einheiten und eine Kategorisierung zu erfolgen, die eine Entlastung und Beschleunigung der beanspruchten Speicherprozesse ermöglicht. Dafür spricht, wie BATES [et al.] bereits 1988 feststellen, dass eine hohe Korrelation zwischen der Speicherung von gehörten Äußerungen und dem Beginn grammatischer Operationen gilt. ELSEN (1999) weist auf enge Zusammenhänge zwischen Wortschatzexplosion und der Entwicklung des phonologischen Analysesystems hin. Dessen Fortentwicklung wiederum steht offenbar in enger Wechselwirkung mit der Entwicklung der Aussprachekompetenz, also phonetisch-artikulatorischen Fähigkeiten. Wo bereits die erste, durch Mechanismen im social cognition network gesteuerte Phase Beeinträchtigungen aufweist und die Herausbildung des zu diesem Zeitpunkt vorwiegend prosodisch organisierten Lexikons gestört ist, können anschließend ein verlangsamtes oder unvollständiges Operieren der Reanalyseprozesse im grammatischen System und eine entsprechende Sprachentwicklungsstörung resultieren. Aus der (monolingualen) Spracherwerbsforschung ist zudem bekannt (BATESIMACWHINNEY 1989, T0MASELLO/ BR0OKS 1999, TüMASELLO 1998), dass der Aufbau grammatischer Fähigkeiten durch die sukzessive Identifizierung von bestimmten syntaktischen Mustern erfolgt, die als Vorbild zur Konstruktion abstrakterer grammatikalischer Schemata führen. Tomasellos Daten deuten ferner darauf hin, dass der Übergang von längeren prosodischen Sequenzen zu ersten grammatischen Musterbildungen das Stadium der Holophrasen durchläuft, die insbesondere durch Analyse von Intonationskurven reanalysiert und gruppiert werden (in Aussagen, Fragen, Aufforderungen). In diesem Stadium treten zudem erste syntaktische Muster zur Darstellung von für das Kind existentiell grundlegenden Szenarien in der Umwelt auf, Muster, die bereits ein rudimentäres Verständnis des Wortbegriffs erfordern. Das heißt, die Zerlegung von Sprachsequenzen aus der Frühphase in linguistisch relevante Kategorien und der Aufbau eines strukturierten Lexikons geschieht in Abhängigkeit von allgemeineren Konstruktionen, die das Kind zunächst identifizieren muss. Dass diese Konstruktionsmuster in der Frühphase verkürzt als Einwortäußerungen auftreten, mag Anlass dafür sei, dass dem Lexikonerwerb oft eine zeitliche Vorrangstellung eingeräumt wird. Dieser Vorrang trifft aber allenfalls auf die unter prosodischen Gesichtspunkten gespeicherten Sprachsequenzen der sehr frühen Kindheit zu, nicht auf lexikalische Einheiten im eigentlichen Sinn. Die Herausbildung eines mentalen Lexikons entsteht vielmehr im Wechselspiel mit grammatischen Strukturmustern, in denen die lexikalischen Einheiten vorkommen. Insofern ist auch nicht erstaunlich, dass siehe Abschnitt 4 unten auch bei der Sprachwahrnehmung Erwachsener die syntaktische Analyse der semantischen vorauseilt (F'RIEDERICI [et al.] 2000). Insgesamt sei festgehalten, dass der frühkindliche Spracherwerb sowohl in einer sozialen Dimension als auch in einer Dimension kognitiver Analyseprozeduren verläuft. Es liegt auf der Hand, dass dies im Prinzip für den monolingualen ebenso wie für den (simultanen) zwei- oder mehrsprachigen Erwerbsprozess gilt. Bei zeitlich versetztem Zweitspracherwerb im höheren Alter ist jedoch die soziale Situation des Kindes wesentlFJLlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 33 lieh komplexer. Längst hat sich jetzt der enge Rahmen des frühen Erstspracherwerbs, der vor allem durch häusliches Umfeld und die engeren Bezugspersonen abgesteckt ist, erweitert, und das Kind steht einer differenzierten gesellschaftlichen Praxis gegenüber im ungesteuerten Zweitspracherwerb ebenso wie im institutionalisierten, gesteuerten Fremdsprachenlernen. Auch sind die Bedürfnisse des älteren Kindes in der Interaktion längst reichhaltiger und anspruchsvoller geworden. Die im social cognition network wirksamen Mechanismen werden der Situation des späteren L2-Erwerbs nicht mehr gerecht; sie müssen ergänzt oder kompensiert werden durch unterstützende Faktoren und Strukturen in der gesellschaftlichen Umgebung selbst. 3. Eine soziokulturelle Perspektive auf Mehrsprachigkeit Wie bereits erwähnt, scheinen zentrale Zielsetzungen des europäischen Referenzrahmens einige traditionelle Fragestellungen der Bilingualismusforschung etwas an den Rand zu rücken, so zum Beispiel die alte Frage, ob die einzelsprachigen Lexika Mehrsprachiger nach Sprachen getrennt oder verbunden mental repräsentiert und prozessiert werden. Wenn Mehrsprachigkeit im Referenzrahmen als eine Gesamtkompetenz entworfen wird, sind Aussagen darüber, wo die verschiedenen Sprachen mit ihren Subsystemen im kognitiven Speicher- und Prozesssystem Differenz oder Integration zeigen, eher nachrangig so spannend dies auch im Einzelfall ist. In den Vordergrund rückt dagegen das Problem, wie eine Vielfalt der in Kulturen und Sprachen auftretenden nichtsprachlichen und sprachlichen Handlungsmuster zu einer plurikulturell eingebetteten gemeinsamen Praxis und zu einer integrierten Mehrsprachigkeit zusammengeführt werden kann. Es spricht einiges dafür, bei der Erforschung des Bilingualismus und der Mehrsprachigkeit eine zusätzliche Perspektive einzunehmen, die auch die dynamisch sich wandelnden Subjekte im Kontext einer zunehmend polykultnrell geprägten, sich rasch wandelnden soziokulturellen Praxis in den Blick nimmt. 3.1 Mehrere Sprachen eine Identität? Dazu, wie man sich dem Phänomen des Spracherwerbs im mehrsprachigen Kontext ergänzend zu eher an Repräsentationsfragen interessierten kognitions- und neurowissenschaftlichen Ansätzen zuwenden könnte, gibt es verschiedene Anregungen. Vielversprechend erscheint der Vorschlag von NORTON/ fOOHEY (2002: 115 ft), von den betroffenen Personen selbst auszugehen. Die Autorinnen fragen zunächst, was Sprachenlemen für die Lemeridentität bedeuten könnte. "Such research is interested in the multiple identities of learners as, for example, gendered/ raced/ classed persons with diverse histories and identifications. [...] In search of insight, researchers have [...] shifted their attention from the field of social psychology (see McNamara 1997) to those of anthropology, cultural studies, feminist theory and sociology. [...] Further, in shifting from psychological to sociocultural conceptions of identity, researchers have sought to distance themselves from what Kubota calls 'fixed, apolitical, and essentialized cultural representations' (1999: lFILl.llL 33 (2004) 34 Hans Bickes 9). In this spirit, contemporary applied linguistic researchers have been drawn to literature that conceives of identity not as static and one-dimensional but as multiple, changing, and a site of struggle [... ] In recent language leaming research, conceptions of identity are congruent with prevailing theories of language and leaming". 1 Wer eine zweite oder eine neue Sprache erwirbt, erwirbt nicht nur ein neues Sprachsystem in einem eher formalen Sinn; er/ sie erwirbt vielmehr eine Vielfalt an neuen soziokulturellen Praxismustern, oft verbunden mit dem Empfinden, in neue Verhältnisse von Dominanz und Macht einzutreten (vgl. NORT0N/ TOOHEY 2002: 115). Wer daher das mentale Lexikon von bilingualen Kindern oder Fremdsprachenlernern untersucht, kann die soziokulturelle Umgebung nicht ausblenden, in der dies geschieht. In besonderer Weise greift der Erwerb einer L2 in die Identität der Betroffenen ein; aber diese Identität ist gerade im Kontext des Fremdsprachenlernens keine stabile, feststehende kulturelle Repräsentation (KUB0TA 1999; KRESIC 2004). Wo eine neue Sprache und damit ein neues Vokabular erworben wird, stößt der überkommene Begriff des de Saussureschen Zeichensystems an Grenzen. Entsprechende Einwände wurden von poststrukturalistischen Autoren wie Bakhtin, Bourdieu, Kress und anderen vorgebracht. Die arbiträre und in einer Sprachgemeinschaft gleichwohl recht stabil konventionalisierte Verbindung zwischen einem Lautbild (signifiant) und einer Bedeutung (signifie') passt zur (strukturalistischen) Annahme einer weitgehend homogenen und konsensuellen Sprachgemeinschaft, in der einheitlich auf eine Langue zurückgegriffen wird. Dass dies kein wirklich zutreffendes Bild ist, haben Studien zur inneren Mehrsprachigkeit in der Soziolinguistik längst nachgewiesen. In ihrer noch weiter reichenden Kritik bemängeln Poststrukturalisten an der strukturalistischen Auffassung, dass sie nicht in der Lage ist, den Konflikten und Aushandlungsprozessen in einer Sprachgemeinschaft Rechnung zu tragen, den ständigen Versuchen, in einer Gemeinschaft semantische Kämpfe zu führen und neue, rivalisierende Bedeutungsinterpretationen einzubringen. Die Teilhabe an verschiedenen Kulturen, der mehrkulturelle Hintergrund Mehrsprachiger ist ein besonderer Spezialfall dieser Verhältnissse, insofern gerade hier simultan oder zeitversetzt ein neues Vokabular parallel zu einem bereits vorhandenen Vokabular aufzubauen ist. Dass dieser Prozess in der Realität nicht ohne kulturelle Konflikte und Infragestellen der eigenen Identität vonstatten geht, ist nicht zu übersehen. Hinzu treten Komplikationen, die sich aus der Teilhabe an multimodaler Realisierung von Sprache in unterschiedlichen Medien des elektronischen Medienzeitalters ergeben, mit den je eigenen Strategien, die in diesen Medien zur Bedeutungsanschließung, zur Bedeutungsneukonstitution und zur Sernantisierung im Allgemeinen verwendet werden. 3.2 Mehrsprachigkeit und soziale Praxis Wie immer man diese poststrukturalistisch geprägten Ansätze im Einzelnen bewertet, ihnen gemeinsam ist die Verlagerung der Untersuchung von Sprachlernmechanismen aus dem Kopf heraus in die soziale Praxis. Spracherwerb wird nicht als einsamer Entfaltungsprozess oder ein Regelfindungsprozess einzelner Gehirne verstanden, wie dies mehrheitlich in der gängigen Fremdspracherwerbsforschung üblich ist (vgl. DAVIS 1995: 427 ]F]Lu]L 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 35 ff). Vielmehr betrachtet man den Spracherwerb als Resultat sozialer Interaktion in der Praxis kultureller Gemeinschaften, die es dem Lerner ermöglichen, am Insgesamt oder an Teilbereichen der kommunikativen und kulturellen Muster zu partizipieren. "A shift from seeing learners as individual language producers to seeing them as members of social and historical collectives moves observers toward exarnining the conditions for learning, for appropriation of practices, in any particular community. Tue anthropologists Jean Lave and Etienne Wenger argue that 'learning [on the part of all] is an integral and inseparable part of social practice' (1991: 31) as newcomers participate in attenuated ways with old-timers in the performance of community practices. Their notion, legitimate peripheral participation, represents their view that communities are composed of participants who differentially engage with the practices of their communities and that this engagement or participation in practice is 'learning'. Stressing the importance of local analysis of communities, Lave and Wenger (1991) point out that conditions vary with regard to ease of access to expertise, to opportunities for practice, to consequences for error in practice, and so on" (NORTON/ TOOHEY 2002: 120). Im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit entscheidet der Aspekt der Partizipation an der Praxis der jeweiligen Gemeinschaft über die Entwicklung einer mehrsprachigen Gesellschaft. Während die Schweiz bereits auf dem Weg ist, Bildungssysteme als mehrsprachige zu strukturieren, ist in Deutschland noch immer die Auffassung vorherrschend, dass es eine homogene deutsche „Leitkultur" gäbe, deren Handlungsmuster sich Zuwanderer mit anderer Herkunftssprache anzueignen haben. Eine Alternative wäre, aus der Vielfalt der in der bundesrepublikanischen Realität längst herausdifferenzierten soziokulturellen Muster einen reichhaltigen Rahmen zu bestimmen, in dem sich Lernen vollzieht, und wo die unterschiedlichen Gemeinschaften wechselseitig voneinander profitieren können (wie im kulinarischen und kulturellen Bereich längst üblich). Erfreulicherweise wird dies bereits in einigen Schulen praktiziert. Insofern Identität als prinzipiell offen für Wandel und kulturelle Impulse gesehen wird, können in einer solchen Gesellschaft völlig neue Formen der Identität entstehen. Die verschiedenen Sprachen und Kulturen können im Sinne Bourdieus als kulturelles Kapital gedeutet werden. Die Anstrengung, sich eine neue soziale Praxis und zusätzliche fremdsprachige und fremdkulturelle Muster anzueignen, wäre lohnendes Investment, aus dem eine neue, bereicherte und gesellschaftlich gewürdigte Identität hervorgehen kann. Insoweit diese Konstruktionen reicherer Identitäten aktivem sozialem Handeln entspringen, sind sie unmittelbar der konkreten Praxis in Gemeinschaften eingeschrieben, also nicht primär im Kopf aufzuspüren, wie es im mentalistisch-kognitiven Paradigma vorherrschend ist. - Im gegenwärtigen Bildungssystem lohnt sich dieses ohnehin einseitig zu erbringende Investment allerdings wenig, da wie alle Statistiken zu Bildungskarrieren von Kindern mit Migrationshintergrund beschämend ausweisen nur in den wenigsten Fällen die Partizipation am dominanten deutschen soziokulturellen Muster gelingt. Auf solcherlei Sachverhalte und die Frage nach den Gründen gehen die kognitiv orientierten Forschungsansätze selten ein, wie sie überhaupt bisweilen aus dem Auge verlieren, was ROMAINE (1999: 252) festgestellt hat: "Many children have had no choice in becoming bilingual. For them, questions which have motivated most of the scholarly research into childhood bilingualism among relatively privileged populations, for example at what age ]F[.,1UJL 33 (2004) 36 Hans Bickes and in what manner is it best to introduce a second language, are purely academic." - Da die Erziehung zur Mehrsprachigkeit irnrner auch mit (staatlichen) Investitionen im wörtlichen Sinn zusammenhängt, sei noch auf die Ergebnisse von Arbeiten verwiesen, die die ökonomische Seite evaluieren (vgl. BAKER 2002: 240 ff). Mehrere Studien, darunter eine der Weltbank (DUTCHER 1995), kornrnen einhellig zu dem Ergebnis, dass a) frühe bilinguale Erziehung mit Förderung zum Erhalt der Erstsprache bei den Betroffenen zu besserer kognitiver Entfaltung führt, und dass b) die Kosten für bilinguale Programme bei weitem ausgeglichen werden durch die positiven Effekte, die sich aus einer bilingualen Erziehung für die Gesellschaft ergeben (qualifiziertere Arbeitskräfte, geringere Arbeitslosenquote). Das in Deutschland praktizierte Modell der Submersion ist nach diesen Studien durch erhebliche Folgekosten und negative gesellschaftliche Konsequenzen belastet. Die Studien nähren Zweifel, dass sich die jüngst beschlossenen erheblichen Kürzungen bei Fördermaßnahmen im Bereich der Herkunftssprachen Mehrsprachiger mittelfristig rechnen werden. 4. Kognitions- und neurowissenschaftliche Perspektive auf Mehrsprachigkeit Die Bilingualismusforschung 4 hat sich irnrner wieder der bereits von WEINREICH (1953) aufgeworfenen Frage zugewendet, inwiefern die Sprachenpaare Bilingualer getrennt oder zusarnrnenhängend im Gehirn repräsentiert sind bzw. verarbeitet werden. Bestirnrnte Phänomene wie Codeswitching, wo sich eine Sprache beim Gebrauch einer anderen plötzlich in den Vordergrund schiebt, deuten auf komplexe Beziehungen zwischen den erworbenen Sprachen hin. Weinreich hatte in seiner Pionierarbeit angenornrnen, dass das mentale Lexikon Bilingualer in dreierlei Form mental gespeichert sein könne; er unterschied coordinate, compound oder subordinate bilingualism. Andere Arbeiten näherten sich der Fragestellung mit Begriffen wie common storage shared storage separate storage (KOLERS/ GONZALEZ 1980) oder der Dichotomie single-code versus dual-code (DURGUNOGLUIROEDIGER 1987). Auch in den seit jüngerer Zeit stark in dieses Forschungsfeld drängenden neurowissenschaftlichen Ansätzen mit ihren speziellen Verfahren, Hirnaktivität sichtbar und lokalisierbar zu machen, wendet man sich bevorzugt diesem Fragentypus zu. Die neurowissenschaftlichen Methoden sind sehr gut geeignet, um zu klären, ob Reaktionen und Prozesse, die beim Verarbeiten zweier Sprachen beobachtet werden, eher als Resultat zweier getrennter einzelsprachlicher Prozesse zu beschreiben sind, oder ob sich aus der Komplexität der Bilingualität eine neue Qualität der Prozessierung ergibt. 4 Die meisten Arbeiten befassen sich mit Bilingualen, nur selten werden mehr als zwei Sprachen in den Blick genommen. Ein Desiderat im kognitions- und neurowissenschaftlichen Paradigma sind Studien zum Spracheneinfluss beim sukzessiven Erwerb von drei oder mehr Sprachen (vgl. aber die Arbeiten zur Mehrsprachigkeit und zum Spracheneinfluss am Sonderforschungsbereich 538 „Mehrsprachigkeit" der Universität Hamburg, die vor dem Hintergrund universalgrarnmatischer Annahmen entstanden sind). JFLIIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 37 Die erwähnten Fragen sind keineswegs einfach zu beantworten. So deutet mittlerweile vieles darauf hin, dass Bilinguale in einigen ihrer Verarbeitungsprozesse eher Monolingualen ähneln, in anderen hingegen gesonderte Strategien herausbilden (vgl. BATES/ MACWHINNEY 1989, TOMASELL0/ BR0OKS 1999, T0MASELLO 1998: 250, ULMANN 2001). Auch die Struktur und Qualität der beteiligten Sprachen kann sich auf die Verarbeitung auswirken: FRAUENFELDERISCHREUDER (1992) problematisieren, ob es einen Unterschied macht, wenn die Sprachenpaare Bilingualer typologisch sehr verschieden sind (z.B. Deutsch als flektierende vs. Türkisch als agglutinierende Sprache). Ferner beschäftigen sich die Arbeiten zum Erwerb einer oder mehrerer Sprachen immer wieder mit der bereits 1967 von LENNEBERG formulierten Hypothese, dass es infolge von Reifungsprozessen im Gehirn eine kritische Periode für einen muttersprachenähnlichen L2-Spracherwerb 5 gibt, wobei zunächst die Pubertät als Scheidepunkt angesetzt wurde. Spätere Untersuchungen legten nahe, diese kritische Schwelle erheblich nach vorne zu verlegen, da es schon bei einem L2-Erwerb nach dem 6. bis 7. Lebensjahr zu unvollkommener Beherrschung sowohl der Grammatik als auch der Lexik kommt (HARLEY/ W ANG 1997, JOHNS0NINEWPORT 1989, 1991). Für viele gilt entsprechend das sechste bis siebte Lebensjahr als der Endpunkt sogenannter.früher Bilingualität (PERANI [et al.] 2003, FABR0 1999). Daraus ist nicht zu folgern, dass die neuronalen Korrelate des L2-Erwerbs in der Phase von der Geburt bis zu diesem Zeitpunkt konstant bleiben; auch in dieser frühen Phase sind interessante neuronale Differenzierungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einsetzens des Spracherwerbs zu beobachten. Etwa scheint aus neurowissenschaftlicher Sicht das dritte Lebensjahr einen weiteren Wendepunkt zu markieren. Bei der Erforschung der mentalen Repräsentation von Sprache im Schnittbereich zwischen Linguistik, Kognitionspsychologie und Psycholinguistik sucht man Aufschluss darüber, welche mentalen Strukturen anzunehmen sind, um im Sprachverhalten beobachtbare Verarbeitungsprozesse zu erklären. Durch die Konzentration auf Mehrsprachige eröffnen sich interessante Fragestellungen hinsichtlich der Feinarchitektur deklarativen und prozeduralen sprachlichen Wissens im Gehirn. Vorherrschend ist die Computermetapher, die es nahe legt, das Gehirn als ein symbolverarbeitendes System zu begreifen. Verarbeitungsprozesse laufen darin regelbasiert ab, und es besteht eine gewisse Tendenz, für einzelne Prozesse klar abgrenzbare, spezifische Module anzunehmen, zu denen Korrelate im Gehirn vermutet werden. Typische Exponenten dieser Phase sind z.B. die in dem von Robert SCHREDDER und Bert WELTENS 1993 herausgegebenen Sammelband The Bilingual Lexicon vereinten Aufsätze. Im Rahmen dieses Forschungsparadigmas untersucht man den Aufbau des bilingualen Lexikons mit verschiedenen Methoden, denen gemeinsam ist, dass das Verhalten von „L2" kann hier und im folgenden sehr allgemein sowohl eine simultan zur Ll erworbene und/ oder eine später erworbene weitere Sprache meinen. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt (primärer vs. sekundärer Bilingualismus) und den Bedingungen des Erwerbs (Sprache in der Umgebung/ ungesteuert vs. gesteuert, etc.) spricht man auch von Zweitspracherwerb oder von Fremdspracherwerb. Ll meint in der Regel die von der Mutter gesprochene Sprache (Erstspracherwerb). JFJLl! IL 33 (2004) 38 Hans Bickes Personen bei bestimmten Aufgabenstellungen beobachtet wird. Üblich ist etwa die empirische Analyse von Codeswitching-Daten, die Messung von Reaktionszeiten bei Benennungsexperimenten, die Auswertung der Effekte, die sich durch so genanntes Priming 6 ergeben, oder die genauere Analyse von Auffälligkeiten bei Übersetzungsaufgaben. Mittlerweile drängen die Neurowissenschaften mit ihren Methoden machtvoll in diese Arbeitsfelder. In ihnen herrscht die Auffassung vor, das Gehirn sei konnektionistisch organisiert; der Auffassung des Gehirns als einem regelbasierten Symbolverarbeitungssystem begegnet man eher skeptisch. Konnektionisten nehmen an, dass Prozesse weder regelgeleitet, noch Schritt für Schritt ablaufen, sondern dass eine parallele Verarbeitung netzwerkförmig über das ganze Gehirn verteilt stattfindet. Bestimmte Aufgaben, so die Grundannahme, gehen mit charakteristischen Aktivitätsmustern einher. Zum Teil lösen die Methoden der Neurowissenschaften die bisherigen Untersuchungsmethoden ab, zum Teil kommt es zu wissenschaftstheoretisch nicht immer unproblematischen hybriden Modellbildungen. In sie gehen die in der Psycholinguistik und Kognitionspsychologie noch vorherrschende Vorstellung des Gehirns als eines symbolverarbeitenden Systems ebenso ein wie das in den Neurowissenschaften dominante Bild vom Gehirn als konnektionistischem System. Aus neurowissenschaftlicher Sicht interessieren vor allem die funktionalen Spezialisierungen und Differenzierungen im Gehirn bei mit Mehrsprachigkeit verbundenen Aufgabenstellungen. Man erwartet sich ein differenziertes Makro-Bild von den Aktivitätsmustern, die das Gehirn bei der Verarbeitung einer oder mehrerer Sprachen erzeugt. Typische Methoden sind hier bildgebende Verfahren (positron emission tomography: PET; functional magnetic resonance imaging: fMRI). Diese Verfahren können aber auch eingesetzt werden, um spezielle Modellannahmen oder Architekturen aus dem Bereich des symbolverarbeitenden Paradigmas zu stützen oder zu widerlegen. So ist es möglich, die bei bestimmten Aufgabenstellungen ausgelösten neuronalen Aktivitäten in verschiedenen Hirnarealen direkt sichtbar zu machen. Damit können die Struktur- und Prozessannahmen, die sich aus den Modellen der Psycholinguistik ergeben, mit Mustern der funktionalen Differenzierung der Hirntätigkeit bei verschiedenen Aufgabenstellungen ins Verhältnis gesetzt werden. So haben FRIEDERICI [et al.] (1999, 2000) auf diesem Weg ausgesprochen komplexe Interaktionen zwischen semantischen, syntaktischen und prosodischen Informationen beim Einfügen lexikalischer Einheiten in phrasale Strukturen bei der auditiven Sprachverarbeitung nachweisen können. Insbesondere zeigen sie, dass semantisch-lexikalische Prozesse mit Aktivitätsmustern einhergehen, die sich deutlich von den Mustern syntaktischer Prozesse abgren- 6 Ein Zeitmessungsverfahren, bei dem festgestellt wird, welche zeitlichen Vorteile die Vorgabe eines Kontextes bei bestimmten Aufgaben mit sich bringt. Beispiel: Gibt man eine Liste mit Wörtern oder wortähnlichen Einheiten mit der Bitte vor, eine Taste zu drücken, wenn es sich um ein deutsches Wort handelt, so wird ein Wort wie Suppe schneller erkannt, wenn vor dem Experiment als prime das Wort Löffel dargeboten wird. Suppe ist hier das Zielwort oder target. Primes können variiert werden; etwa bietet auch Puppe aufgrund der orthographischen Ähnlichkeit zu Suppe einen Zeitvorteil. Häufig wird ermittelt, wie lange die Wirkung eines primes anhält. lFLlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 39 zen. Ferner kann ein zeitliches Muster in den z. T. seriell, z. T. parallel ablaufenden Prozessen erkannt werden. Demzufolge eilen syntaktisches Kategorisieren und andere eher syntaktische Entscheidungen den semantischen und prosodischen Prozessen voraus. Charakteristikum prosodischer Prozesse wiederum ist, dass sie vorzugsweise in der rechten Hemisphäre lokalisiert sind. Der Frage, ob zwei erworbene Sprachen in unterschiedlicher Form repräsentiert sind, nähert sich die neurowissenschaftliche Forschung durch Variation bzw. Kontrolle unterschiedlicher Faktoren bei der Aufgabenstellung. Allerdings ist es nicht ganz einfach herauszufinden, welche Faktoren bei sprachlichen Verarbeitungsprozessen überhaupt eine Rolle spielen. Derzeit gilt das Augenmerk bevorzugt den folgenden Faktoren 7 : age of acquisition (Spracherwerbsalter), proficiency (Grad der Sprachkompetenz),.frequency (Auftretenshäufigkeit einer sprachlichen Einheit), language usage (Umfang der Sprachpraxis) oder exposure (Häufigkeit des Sprachkontakts). Untersucht wird, wie sich diese Faktoren auf die funktionale, neuronale Organisation der Sprache(n) im Gehirn auswirken. Insbesondere will man herausfinden, welche Areale in welcher Reihenfolge und Geschwindigkeit bei der Sprachverarbeitung Bilingualer beteiligt sind, und wie sich dadurch z.B. bestimmte Befunde bei Läsionen mehrsprachiger Personen erklären lassen. So berichten GREENIPRICE (2001) von einem Patienten, der nach Verletzung eines bestimmten Hirnareals völlig unkontrolliertes Codeswitching zwischen seinen Sprachen zeigt. In unterschiedlichen Arbeiten wird ferner berichtet, dass nach Aphasien Mehrsprachiger die Wiederherstellung der zuvor beherrschten Sprachen einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen kann (z.B. ALBERT/ ÜBLER 1978, PARADIS 1989, GREEN/ PRICE 2001). So gibt es Fälle, wo nur eine von zwei Sprachen wiederhergestellt wird. Eine andere Patientin konnte an einem Tag nur Arabisch sprechen, nicht Französisch, am folgenden nur Französisch. Als entscheidender Faktor deutet sich in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Dauer und Intensität ab, mit der eine mehrsprachige Person den jeweiligen Sprachen zuvor ausgesetzt war, und der unterschiedliche Automatisierungsgrad, der sich dadurch sprachenspezifisch herausgebildet hat. Für hochautomatisierte Verarbeitung (implizite Sprachverarbeitung) scheinen andere Hirnbereiche zuständig zu sein, als für eine Verarbeitung, die stärkeren Kontrollmechanismen unterliegt; Sprachenselektion (Ll oder L2) scheint eher zu den kontrollierteren Prozessen zu gehören. Die Ergebnisse müssen beim Stand der Forschung jedoch als vorläufig gelten. 4.1 Einzelbefunde zur allgemeinen mentalen Repräsentation von Bilingualität und Mehrsprachigkeit In einer jüngst erschienen Studie, in der zahlreiche Faktoren ausgesprochen sorgfältig kontrolliert wurden, kommen PERANI [et al.] (2003: 180) zu dem Ergebnis, das bilinguale 7 Die Definition dieser Faktoren ist zum Teil stark abhängig vom jeweiligen experimentellen Kontext und der gewählten Operationalisierung. Ich habe mich daher entschieden, die jeweils in der Literatur gebrauchten Ausdrücke als Termini zu verwenden, auch wenn so eine stilistisch unschöne Mischung aus englischsprachigen und deutschsprachigen Begriffen entsteht. JF]Ll.l]L 33 (2004) 40 HansBickes Gehirn "cannot be viewed as the sum of two monolingual language systems, but rather considered as a unique and complex neural system which may differ in individual cases". Als Faktoren für solche individuellen Differenzen kann der Faktor proficiency entscheidend sein, aber auch die Faktoren age of second language acquisition und language usage/ exposure (vgl. auch GREEN 1986). Etwa sind bei der Wortproduktion in einer später erworbenen zweiten Fremdsprache, der die Sprecher seltener ausgesetzt sind, bei gleichem Grad an proficiency mehr Hirnaktivitäten erforderlich als dies bei Bilingualen der Fall ist, die beiden Sprachen sehr häufig ausgesetzt sind. Wesentlich hierfür scheint erneut die (mit bestimmten Hirnbereichen in Verbindung zu bringende) Automatisierung der Abläufe zu sein, die nur bei hinreichend hohem Grad an Kontakt mit der Sprache zustande kommt. Der Faktor exposure übt somit einen besonders nachhaltigen Einfluss auf den L2-Erwerb aus ungeachtet der Diskussion darum. welches ein günstiger Zeitpunkt für den Beginn von Fremdspracherwerb ist. Auch die Verarbeitungstiefe (CRAIK/ LOCKHART 1972), insbesondere bedingt durch die Involviertheit von Personen beim Erwerb, dürfte den Automatisierungsgrad beeinflussen. Erklärungsbedürftig ist allerdings der zunächst erstaunliche Befund, dass bei Verstehensaufgaben eine gegenläufige Tendenz zu verzeichnen ist: Hier geht die Hirnaktivität bei der seltener gesprochenen Sprache (L2) zurück gegenüber dem Verstehen in der L1 (ABUTALEBI [et al.] 2001: 188). Weitere Resultate der Untersuchung von PERANI [et al.] (2003) und W ARTENBURGER [et al.] (2003) ergeben zusammen mit früheren Befunden von KIM [et al.] (1997), PERANI [et al.] (1996; 1998) und ABUTALEBI [et al.] (2000, 2001) ein ungefähres Bild von den Makrostrukturen und Makroprozessen, die mit dem Erwerb mehrerer Sprachen einhergehen: Werden Kinder sehr früh (im Alter bis zu drei Jahren) mit zwei Sprachen (high exposure) konfrontiert, wird nur ein einziges neuronales Netz formiert, das für die Verarbeitung beider Sprachen zuständig ist. Anders sieht dies bei denjenigen aus, die die zweite Sprache erst zu einem späteren Zeitpunkt erwerben und der zweiten Sprache zudem weniger stark exponiert werden: Hier bilden sich im Hirn zwei komplexe neuronale Netze, die sich zum Teil überlappen, z. T. aber unterschiedliche Areale (vor allem im Bereich des Brocazentrums, aber auch im seitlichen frontalen Kortex) nutzen. Beim Prozessieren der L2 werden höhere Hirnaktivitäten sichtbar als bei der Ll, was aus verschiedenen Gründen als Indiz für unterschiedliche Automatisierungsgrade interpretiert werden kann. Nach Hirnläsionen scheinen jene Sprachen im Hirn schneller restrukturiert zu werden, deren Automatisierungsgrad sehr hoch ist; bei einem Automatisierungsgrad unterhalb einer bestimmten Schwelle kann es zu fortdauerndem Ausfall einer Sprache bei gleichzeitiger Wiederherstellung der anderen kommen. Werden zwei oder mehrere Sprachen sehr früh erworben und entsprechend in einem einzigen Netz verarbeitet, werden auch später hinzutretende Sprachen in dieses Netz integriert. Bei denjenigen Lernern hingegen, die wie in unseren Bildungssystemen die Regel die zweite Sprache nach dem dritten Lebensjahr und unter Herausbildung eines eigenen neuronalen Netzes erworben haben, muss auch für alle weiteren Sprachen ein (teilweise) eigenständiges Netz angelegt werden. f'ILlllL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 41 4.2 Hypothesen zur Feinarchitektur im mehrsprachigen Lexikon Hinsichtlich der Feinarchitektur (Trennung etwa von Syntax und Lexik) liegen neuere Befunde von F'RIEDERICI [et al.] (2000; zu Monolingualen), WEBER-Füx/ NEVILLE (1996; zu Bilingualen) und WARTENBURGER [et al.] (2003, zu Bilingualen) vor. Die Forscherteams weisen grundsätzlich getrennte zeitliche Abläufe beim Prozessieren für Syntax und Semantik mit Vorauseilen der Syntax bei Monolingualen nach. Beim Fremdsprachenerwerb ergeben sich zudem unterschiedliche Einflüsse der Faktoren age of acquisition und level ofproficiency auf die Entwicklung von Syntax einerseits und Lexik andererseits. Je später der L2-Erwerb beginnt, desto höher fallen vorzugsweise im Bereich grammatikalischer Aufgaben die Fehlerraten aus. Dabei sind bereits im Alter von 1-3 Jahren bei bestimmten Aufgabenstellungen Veränderungen der Hirnaktivitäten nachweisbar, die auf eine aufwendigere neuronale Verarbeitung deuten, ohne dass dies im „äußeren" Sprachverhalten des Kindes auffällt. Grundsätzlich werden für den Erwerb grammatischer Prozesse mit zunehmendem Erwerbsalter erhöhte Hirnaktivitäten erforderlich, selbst wenn das beobachtbare Verhalten einen hohen Grad an proficiency aufweist. - Der Faktor proficiency wiederum korreliert vornehmlich mit der Aktivität für semantische Verarbeitung: Je höher der Grad an proficiency, desto niedriger ist hier die entsprechende Verarbeitungsaktivität. Der Faktor Erwerbsalter hingegen zeigt bei der semantischen Verarbeitung nur geringe Effekte. Erwerbsalter und proficiency kristallisieren sich auch in diesen Versuchen als entscheidende, aber unbedingt zu trennende Faktoren im L2- Erwerb heraus. 4.2.1 Cognates Von besonderem Interesse im Kontext von Mehrsprachigkeitskonzepten (HUFEISEN/ NEUNER [erscheint]) mag die Studie von DE BLESER [et al.] (2003) zur Verarbeitung von cognates sein. Cognates sind in beiden Sprachen vorkommende, verwandte lexikalische Einheiten wie z.B. dt. Diskussion und engl. discussion. In der Studie wird gezeigt, dass in Benennungsexperimenten, bei denen Hirnaktivitäten aufgezeichnet wurden, die Verarbeitung von cognates in einer L2 wesentlich besser vonstatten geht, als die Verarbeitung von non-cognates. Zwischen der Verarbeitung von cognates in Ll und in L2 ergab sich kein nennenswerter Unterschied. Cognates können daher durchaus den Zugang zur L2 erleichtern. Die Ergebnisse sind in Einklang zu bringen mit einer Hypothese von DE GROOT (1993), wonach konkrete Wörter und cognates bei Bilingualen in einem gemeinsamen Speicher für beide Sprachen repräsentiert seien, abstrakte Wörter und noncognates hingegen in getrennten, sprachspezifischen (Sub- ? )Speichern. Auch hier spielt jedenfalls der Faktor proficiency eine entscheidende Rolle: Die aus L 1 bereits vertrauten cognates werden in L2 besser beherrscht als die non-cognates. In anderen eher fremdsprachendidaktisch ausgerichteten - Arbeiten (ECKE/ HALL 2000; MEißNER 1999) wird gezeigt, auf welchen Ebenen (phonetisch/ phonologisch, graphematisch, morphologisch, grammatisch, semantisch) Wörter verschiedener Sprachen vernetzt sein können, und wie dies in der Unterrichtspraxis ausgenutzt werden kann. Detaillierte JFILILIIL 33 (2004) 42 Hans Bickes Annahmen zur Vernetzung von Wörtern ergeben sich auch aus dem so genannten Bilingual Interactive Model, das weiter unten dargestellt wird. Zunächst will ich jedoch dessen lange favorisiertes Vorgängermodell vorstellen. 4.2.2 Die Rolle des bilingualen Lexikons beim Verstehen und bei der Sprachproduktion Im so genannten Revidierten Hierarchischen Modell (zunächst entworfen als Hierarchisches Modell, später erweitert zum Revidierten Hierarchischen Modell, vgl. KROLL/ STEWART 1994; KROLL/ DUKSTRA 2002) wird zwischen einer lexikalischen Ebene der Repräsentation und einer konzeptuellen Ebene differenziert. Für die Frage, ob das Lexikon Bilingualer getrennt oder integriert repräsentiert sei, sieht das Modell als salomonische Antwort vor, dass beide Annahmen richtig seien, allerdings müssen die beiden genannten Repräsentationsebenen unterschieden werden. Wortformen sind - GERARD/ SCARBOROUGH (1989) folgend für L1 und L2 in jeweils einem Lexikon getrennt gespeichert, während die lexikalischen Bedeutungen der Wörter in eine gemeinsame konzeptuelle Struktur integriert sind. Eine Reihe von Untersuchungen haben diese Annahme in der Vergangenheit unterstützt (CHEN 1992, DE GROOT 1993, 1995, KROLL/ DE GROOT 1997). Im Verlauf der Herausbildung des bilingualen Lexikons im Spracherwerb so die Annahme stehen die beiden Sprachen Bilingualer zunächst auf der (zweigeteilten) lexikalischen Ebene miteinander in Verbindung, später erfolgt die Integration direkt auf der für beide Sprachen einheitlich geltenden konzeptuellen Ebene. Folgerichtig wird postuliert, dass während der frühen Erwerbsphase (bei zeitversetztem Erwerb von Ll und L2) auf die Wörter der L2 nicht direkt, sondern auf dem Umweg über das LI-Lexikon zugegriffen wird (so genanntes lexikalisches Prozessieren). Daraus resultieren ausgeprägtere Verbindungen zwischen lexikalischen Einheiten der L2 in Richtung der Ll als umgekehrt, und es werden stärkere Verbindungen zwischen Ll und konzeptueller Ebene als zwischen L2 und konzeptueller Ebene aufgebaut. Die Architektur weist entsprechend Asymmetrien auf. Mit zunehmender Flüssigkeit so die Hypothese -wird auf beide Sprachen zwar direkt zugriffen, ohne Umweg über das LI-Lexikon (so genanntes konzeptuelles Prozessieren). - Es werden jedoch Prozesse erwartet, die die grundsätzlichen Asymmetrien der Bahnungen spiegeln. Bei wortbezogenen Übersetzungsaufgaben konnte z. B. durch entsprechendes Versuchsdesign nachgewiesen werden, dass a) die Übersetzung von Ll nach L2 mehr Zeit benötigt als umgekehrt, und dass b) bei Übersetzung von L2 nach L1 keine Vermittlung über die konzeptuelle Ebene sondern nur eine auf der lexikalischen Ebene stattfindet. Eine Reihe von Folgeuntersuchungen mit anders gearteten Aufgaben ließ jedoch erhebliche Zweifel an den Voraussagen des Modells aufkommen. Insbesondere zeichnet sich ab, dass die Annahme einer klar in zwei Speicher aufgeteilten lexikalischen Ebene nur schwer aufrecht erhalten werden kann, wie die Erfinder des Modells selbst einräumen (KROLL/ DUKSTRA 2002: 303). Bestärkt wird deren Skepsis gegenüber dem eigenen Modell durch eine sehr sorgfältige neurowissenschaftliche Untersuchung von KOTZ (2001 ). Danach zeigt sich entgegen den Modellannahmen des Revidierten Hierarchischen Modells bei flüssigen Bilingualen JFLIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 43 eine weitgehend symmetrische Verarbeitung für Ll und L2 insgesamt und insbesondere im Hinblick auf Worterkennung; überraschend sind einige Ergebnisse, die sogar ein störungsfreieres Prozessieren in der (in der Umgebung der englisch-spanischen Versuchspersonen dominanten) L2 andeuten. Die Befunde lenken das Augenmerk auf den Faktor usage/ exposure, lassen aber zudem einen ausgeprägten Einfluss des soziokulturellen Faktors Sprachdominanz vermuten. DIJKSTRAIGRAINGERIVAN HEUVEN (1998) haben nach Scheitern des RHMs ein Computermodell entworfen, das auf der Grundlage des interaktiven Aktivierungsmodells von McClelland und Rumelhart aus der Frühzeit des Konnektionismus als sogenanntes Bilingual Interactive Model (BIA) auch bilinguale Verarbeitung simulieren kann. Vorgesehen wird hier nur ein einziger Wortspeicher für alle lexikalischen Einheiten. In diesem Modell, das hierarchisch angeordnete Einheiten unterschiedlicher Art enthält, werden beim Eingehen eines Reizes (z.B. Buchstaben) verschiedene lexikalische Einheiten im integrierten Lexikon, das Einträge beider Sprachen enthält, aktiviert. Das heißt, beim Erstzugriff erfolgt keine festlegende Auswahl einer Sprache. Die am stärksten aktivierten Einträge unterdrücken die Konkurrenten und erreichen die nächste Verarbeitungsebene im Netzwerk. An einer bestimmten Stelle durchlaufen die Prozesse einen Knoten, in dem vermerkt ist, welcher Sprache bestimmte Einheiten (Wörter) angehören. Je nach Situation und Reizkonstellation wird die zutreffende Sprache aktiviert und die nicht angemessene unterdrückt. Da alle Einheiten untereinander vernetzt sind, ist eine sehr flexible Verarbeitung möglich, in der sich die unterschiedlichsten Prozesse beim bilingualen Sprachverstehen und bei der Produktion modellieren lassen. Wichtig ist, dass aufgrund von Ergebnissen von z.B. FROST (1998) im Modell angenommen wird, dass Merkmale phonologischer, orthographischer und semantischer Natur parallel zu berücksichtigen sind. Es kann also während der Verarbeitung zu einem Wettbewerb und zu Wechselwirkungen zwischen formähnlichen und zwischen bedeutungsähnlichen Wörtern kommen, ganz gleich, welcher der beherrschten Sprache sie angehören (nachgewiesen von DIJKSTRA [et al.] 1999, für Verstehensaufgaben). Noch nicht berücksichtigt werden Effekte der syntaktischen Ebene, die jedoch neueren Studien zufolge (F'RIEDERICI [et al.] 1999, 2000) einen nicht unerheblichen Einfluss beim Worterkennen bzw. -kategorisieren haben. Durch Variieren der Versuchsbedingungen mithilfe unterschiedlicher Stimulikompositionen aus Homographen, Homophonen, semantisch oder von der Form her ähnlichen Einheiten wie cognates aus jeweils beiden Sprachen konnte nachgewiesen werden, dass die Präsentation von Wortformen zu einer grundsätzlichen Aktivierung aller Repräsentationen führt, die irgendwie mit dieser Form verbunden sind. 8 Allerdings laufen eine Reihe von schnellen Prozessen auf der Ebene der Merkmale ab, bis schließlich eigentliche Wörter aus beiden Sprachen koaktiviert werden. Der Faktor proficiency, der wiederum eng mit den Faktorenfrequency und exposure zusammenhängt, ist schließlich verantwortlich dafür, ob sich L1 und L2 gegenseitig beeinflussen, bzw. ob in der 8 Dies stützt alle didaktischen Verfahren, in denen die vielfältigen Beziehungen zwischen Lexikoneinträgen auf den unterschiedlichsten Ebenen (lautlich, graphemisch, phonologisch, morphologisch, semantisch etc.) für Übungsaufgaben genutzt werden. Für Deutsch als Fremdsprache· siehe etwa BOHN 1999. FLllL 33 (2004) 44 HansBickes Verarbeitung Asymmetrien auftreten. Grundsätzlich zeichnet sich ab, dass sowohl im Verstehenswie auch im Produktionsprozess Effekte der Ll auf die L2 auftreten, die stärker werden, je geringer die Flüssigkeit in der L2 ist; umgekehrte Effekte treten nicht auf. Das Bilingual Interactive Model ist ein typisch konnektionistisches Modell des Sprachverstehens und der Sprachproduktion. DE BOT (1992) hingegen entwirft ein Modell, das eher der psycholinguistischen Tradition entstammt und in dessen Architektur sehr detaillierte Strukturannahmen eingehen, die vor allem dem Sprachproduktionsmodell von LEVELT (1989) entnommen sind. Ziel ist es, die Sprachenwahl und vor allem die Wortauswahl in Sprachproduktionsprozessen zu erklären. Nachdem die Prozessannahmen dieses Modells bereits für eine einzige Sprache recht komplex ausfallen, ist es ausgesprochen schwierig, die bei Bilingualen beteiligten Teilprozesse zu identifizieren und in ihrem zeitlichen Ablauf zu verfolgen. Das Leveltsche Modell sieht einen conceptualizer vor, in dem Äußerungen hinsichtlich ihrer konzeptuellen Struktur vorsprachlich auf Makroebene und auf Mikroebene für denformulator vorbereitet werden. In diesem werden lexikalische Einheiten, grammatische und phonologische Regeln für die spätere phonetische Struktur (eine Art Sprechplan) ausgewählt, die dem artuculator, der dritten Komponente, als Input dient. Die lexikalischen Einheiten liegen zweigeteilt vor: Im lemma sind Bedeutung (inklusive pragmatischer Information) und syntaktische Information (u.a. syntaktische Kategorie, grammatische Funktion, grammatikalische Kategorien) repräsentiert, im lexeme morphologische und phonologische Eigenschaften der lexikalischen Einheit, also eher die Form. Der vorsprachliche, konzeptuelle Input aus dem conceptualizer aktiviert zunächst passende lexikalische Einheiten als lemma. Die darin enthaltenen Informationen veranlassen die Bildung einer grammatikalischen Grobstruktur, die mithilfe der lexeme-Information zu einer phonetischen Vorstruktur des Satzes enkodiert wird. Die endgültige Äußerung wird vom articulator veranlasst, der allerdings "aus Sicherheitsgründen" zuvor die Rückmeldungen des gleichzeitig aktiven speechcomprehensionlauditory systems abwartet. Um die im Zusammenhang mit Bilingualismus auftretende Frage berücksichtigen zu können, wie verschiedene Sprachen in diesem Modell voneinander getrennt gehalten werden und wie und an welcher Stelle Sprachenselektion stattfindet, werden die beiden folgenden Erweiterungen vorgeschlagen. - Im Anschluss an P ARADIS (1981) nimmt man verschiedene Untermengen im Lexikon, aber auch in den syntaktischen und phonologischen Regeln und Katagorien an (subsethypothesis), die zwar generell den gleichen Architekturprinzipien unterliegen, aber nach verschiedenen Kriterien (verschiedene Stile, Register, Einzelsprachenspezifik, phonetische Ähnlichkeit, möglicherweise cues für die Bezugspersonen, die mit der jeweiligen Sprache assoziiert sind, etc.) im Gebrauch gemeinsam gruppiert werden. Ist erst einmal ein Element einer Gruppe aktiviert, in der nur Elemente aus der L2 versammelt sind, dann werden auch in den weiteren Produktionsprozessen L2-spezifische Schritte ausgelöst. - DE BOT/ SCHREDDER (1993), ebenso wie POULISSE/ BONGARTS (1994), nehmen an, dass die lemma- Informationen auch Sprachenmarker enthalten, und dass zudem bereits lFLlL! L 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 45 auf der Ebene des conceptualizers eine Sprachenpräferenz eingeplant wird. Da die unterschiedlichen Typen von lemma-Informationje nach Aufgabenstellung mit unterschiedlicher Stärke aktiviert werden, kann das Merkmal „Sprache" beim Vorliegen rivalisierender stärker aktivierter Merkmale im Formulierungsprozess auch unterdrückt werden, und es kann zu Sprachenwechsel (zu Codeswitching vgl. auch MYERS- SC0TT0N 1993) kommen. 5. Einige Handlungsempfehlungen Die bisweilen geäußerte Zuversicht, man könne die Fülle der Einzelergebnisse aus den kognitions- und neurowissenschaftlichen Arbeiten in absehbarer Zeit zu detaillierten Trainingsprogrammen für den Fremdsprachunterricht zusammenführen (z.B. KlRSNER [et al.] 1993: 244), erscheint angesichts der hier auszugsweise dargestellten Befunde sehr optimistisch. Gleichwohl sei eingeräumt, dass sich durchaus interessante bildungspolitische und lernpsychologische Empfehlungen ableiten lassen (vgl. etwa die OECD- Studie Understanding the Brain 2002), doch steht deren Allgemeinheit und Vagheit in keinem angemessenen Verhältnis zur beeindruckenden Fülle von Teilhypothesen. 9 Ausgangspunkt unserer Überlegungen waren sprachenpolitische Vorgaben, die für Europa das Modell einer polykulturell verankerten Mehrsprachigkeit favorisieren, in Form einer Sprachkompetenz, die wie es im eingangs zitierten Referenzrahmen heißt nicht in mental getrennten Bereichen gespeichert sein soll. Die Erkenntnisse kognitionspsychologischer und neurowissenschaftlicher Studien zum mentalen Lexikon haben gezeigt, dass die Frage der getrennten oder gemeinsamen Speicherung und Verarbeitung eine außerordentlich differenzierte und komplexe Antwort erfordert und sicherlich kaum durch sprachenpolitische Forderungen zu beeinflussen ist. Verschiedene innere und äußere Faktoren nehmen einen schwer quantifizierbaren Einfluss darauf, wie sich bei verschiedenen Lernern Mehrsprachigkeit mental niederschlägt. Die Formulierungen im Referenzrahmen können daher allenfalls als wenig präzise, metaphorische Umschreibung eines sprachenpolitischen Zielzustandes gelesen werden, von dem wir ohnehin noch weit entfernt sind. In der Realität wird in Deutschland für die Mehrheit der Bevölkerung die späte Zwei- oder Mehrsprachigkeit noch viele Jahre die Regel sein. Die Rolle der im frühen Erwerbsalter wirksamen Mechanismen (insbesondere die des social cognition networks; vgl. oben 2.1) tritt mit zunehmendem Erwerbsalter in den Hintergrund. Späterer Erwerb operiert stärker in der Sphäre des Kognitiven, so dass der Fremdsprachenunterricht das starke kognitive Engagement des lernenden Systems beachten muss. Die im fortgeschrittenen Alter abhanden gekommene Leichtigkeit, mit der linguistische Kategorien gebildet und Reanalyseprozesse durchgeführt werden, kann 9 In der Vergangenheit sind zahlreiche Arbeiten zum mentalen Lexikon entstanden, in denen direkte didaktisch-methodische Empfehlungen zur Arbeit am Wortschatz im Fremdsprachenunterricht ausgearbeitet sind. Einen Überblick gibt BAHNS im vorliegenden Band. In aller Regel stehen die Empfehlungen und Vorschläge im Einklang mit den hier zusannnengefassten Ergebnissen, auch wenn die Vorstellungen zur Feinarchitektur des Lexikons in der laufenden neurowissenschaftlichen Forschung im Fluss sind. JF]Llll, 33 (2004) 46 HansBickes z. T. durch strukturierende methodisch-didaktische Verfahren kompensiert werden. 10 Wie bereits oben referiert, hängen die sprunghafte Zunahme der verfügbaren lexikalischen Einheiten und die Herausbildung grammatischer Strukturmuster eng miteinander zusammen. Die im primären Spracherwerb stattfindende Wortschatzexplosion muss im späten Fremdsprachenerwerb in intensiver Wortschatzarbeit ihr Analogon finden, wobei der Auswahl des Anfangswortschatzes eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. So scheint Verben im Prozess der (grammatischen) Strukturbildung eine herausgehobene Rolle zuzukommen, wie T0MASELL0 (1992) gezeigt hat. Obwohl bekannt ist, dass andere Wortarten zunächst leichter zu lernen sind (Substantive und Adjektive), legt das im Hinblick auf den Wortschatzerwerb nahe, Verben im Unterricht eine besondere Gewichtung zukommen zu lassen und sie in typischen Satzmustern bzw. Konstruktionen zu präsentieren. Das der methodisch-didaktischen Darbietung zugrunde liegende grammatiktheoretische Modell sollte die strukturbildende Rolle des Verbs im Satz sichtbar machen (wie dies etwa bei der Verbvalenzgrammatik und auf ihr aufbauenden Lehrwerken bereits der Fall ist). Ferner zeigen die Daten Tomasellos, dass die Identifikation sprachlicher Strukturmuster im kommunikativen Vollzug von Äußerungen mit ihren dem Sprechhandlungstyp entsprechenden Intonationsverläufen erfolgt. Dies unterstützt eine betont kommunikative, gesprächs- und textbasierte Einbettung der Wortschatz- und Grammatikarbeit im fremdsprachlichen Unterricht, die eine besondere Involviertheit der Lernenden ermöglicht. Immer wieder wird in jüngeren Untersuchungen die besondere Rolle von Prosodie und Intonation, aber auch des Artikulationsvermögens beim sprunghaften Anstieg des Wortschatzes im Erstspracherwerb betont. Es kann vermutet werden, dass auch im späteren Erwerb von einer intensiven phonetisch-phonologischen Arbeit zu profitieren ist, insofern dem Lerner dadurch u. a. strukturrelevante Segmentierungen leichter zugänglich werden können. Einerseits spricht vieles dafür, dass cognates den Zugang zur neuen Sprache erheblich erleichtern (siehe oben 4.2.1). Andererseits muss jedoch folgt man den unter 4.2.2 dargestellten Modellen des bilingualen Lexikons bei rezeptiven und produktiven Prozessen gewährleistet bleiben, dass auch hinreichend wirkungsvolle Strategien der Sprachentrennung angelegt werden, insbesondere, wenn mehrere Sprachen nacheinander vermittelt werden, um code-switching und negativen Transfer in Grenzen zu halten. Da der späte Lerner in der Mehrheit der Fälle die zweite Sprache in einem zusätzlichen neuronalen Netz anlegen wird (vgl. oben 4.1), erscheint es sinnvoll, Wortschatzarbeit nicht unbedingt ausschließlich, aber doch über weite Bereiche eher einsprachig anzulegen. Zusätzliche kontrastive Übungsformen können Unterschiede in Teilbereichen der in Frage stehenden Lexika hervorheben und unerwünschtem Sprachenwechsel vorbeugen. Ferner werden durch die hier referierten Einzeluntersuchungen alle Formen der Wortschatzarbeit unterstützt, die die vielfältigen Beziehungen lexikalischer Einheiten auf 10 Es ist nicht auszuschließen, dass durch alternative Verfahren (etwa Suggestopädie) eine Situation geschaffen werden kann, in der auch im späten Erwerb Strategien und Verarbeitungsprozesse der frühen Erwerbsphase, die durch eine besondere Gewichtung prosodischer Merkmale und eher ganzheitlicher Verarbeitung geprägt ist, teilweise aktiviert werden können. IFLIIL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 47 allen Ebenen linguistischer Analyse (vgl. WOLFF 2000: 103) untereinander methodisch fruchtbar machen (z.B. BOHN 1999, KÜHN 2000). Die Prozesse und Einflussgrößen, die im Zweit- und Fremdsprachenerwerb wirksam werden, sind außerordentlich komplex und nach wie vor erst unzureichend geklärt. Der Wortschatzerwerb kann nicht isoliert vom Erwerb struktureller (grammatischer) Muster erklärt werden. Gleichzeitig werden unterschiedliche Lernerinnen oder Lerner sehr verschiedene Strategien entwickeln, um die Aufgabe sich diese Muster anzueignen, zu lösen. Eine zu starke Steuerung der Wortschatzarbeit durch Lehrende ist daher nicht zu empfehlen. Demgegenüber kann eine kognitivistisch-konstruktivistische Lerntheorie mit ihrer starken Betonung der Lernerautonomie (z.B. WOLFF 2000) der Vielschichtigkeit der Erwerbsvorgänge eher gerecht werden, als eine betont instruktivistisch geprägte. Gleichwohl kommt Lehrenden die Aufgabe zu, die Reichhaltigkeit und z. T. chaotisch anmutende Vielfalt sprachlicher Einheiten und Strukturen durch eine durchdachte Auswahl auf ein für konstruktive Prozesse auf Lernerseite förderliches Maß zu reduzieren. In diesem Zusammenhang kommt auch die soziale Dimension das Erwerbsumfeld zum Tragen. Lernumgebung und gesellschaftliches Umfeld müssen dahingehend verändert werden, dass späterer Spracherwerb als sinnvolle Investition erlebt werden. Die von Locke vorgeschlagene Zweiteilung der für ontogenetische Entwicklungsprozesse wegweisenden Mechanismen in ein social cognition network und in ein grammatical network liefert Argumente dafür, künftig der soziokulturellen Perspektive einen stärkeren Stellenwert in der Forschung einzuräumen. Beide Typen von Mechanismen verblassen im späteren Erwerbsalter und müssen entsprechend durch strukturierende Verfahren, die sowohl soziale als auch kognitive Erwerbsfaktoren umgreifen, kompensiert werden. Vorrangiges bildungspolitisches Ziel muss allerdings sein, den Erwerb von Mehrsprachigkeit sehr früh in der kindlichen Entwicklung zu ermöglichen. In allen Studien kommt dem Faktor age of acquisition eine herausragende Rolle zu. In der unwiederbringlichen Phase, in der vor allem das social cognition network das Kind quasi automatisch zu sozialen Verhaltensweisen und kognitiven Leistungen lenkt, die als Vorstufe der Sprachentwicklung dienen, sind es vornehmlich das Verhalten der Bezugspersonen in einem überschaubaren gesellschaftlichen Umfeld, die den relevanten Erfahrungsstrom entweder überschaubar und strukturiert oder aber chaotisch und für das Kind beunruhigend gestalten. In vielen Fällen kann es hilfreich sein, mehrsprachige Familien in dieser Phase beratend zu unterstützen. Die bislang nicht widerlegte Empfehlung, pro Sprache eine Bezugsperson zu wählen, wird durch die hier vorgelegten Einsichten in den Spracherwerb bekräftigt. Das social cognition network ist eng mit affektiven Faktoren verschränkt. Es liegt daher nahe, dass das Kind im Spracherwerbsprozess auch durch das Prestige, das die Umgebung den Erwerbssprachen subtil zuweist, beeinflusst wird. Das Lockesche Erklärungsmodell erlaubt zudem eine Deutung der Befunde, dass das Alter des Spracherwerbs darüber entscheidet, ob Ll und L2 gemeinsam in einem neuronalen Netz oder aber in verschiedenen Netzen angelegt werden. Denn auf die Mechanismen, die als social cognition network in der Frühphase der Kindheit den Erwerb vorantreiben, kann im späteren Erwerbsalter, wenn überhaupt, nur noch sehr eingeschränkt zurückgegriffen werden. JFJL! ! L 33 (2004) 48 Hans Bickes Will man Kinder in einer Gesellschaft wirklich auf eine plurikulturelle und mehrsprachige Zukunft im Sinne des Europäischen Referenzrahmens vorbereiten, kann man nach allem, was wir heute wissen, nicht früh genug mit dem Erwerb einer zweiten Sprache beginnen. Dies wird den Erwerb weiterer Sprachen im späteren Lebensverlauf nachhaltig erleichtern. Eine Gesellschaft, die ihre Säuglinge bereits in den ersten Lebensmonaten zum Frühschwimmen schickt, handelt unverantwortlich, wenn sie in der gegenwärtigen europäischen Aufbruchsphase Kinder erst im achten oder neunten Lebensjahr in eine zweite Sprache eintauchen lässt." Literatur ABUTALEBI, Jubin / CAPPA, Stefano F. / PERANI, Daniela (2001): "The bilingual brain as revealed by functional neuroimaging". In: Bilingualism: Language and Cognition 4.2, 179-190. ABDTALEBI, Jubin / MIOZZO, A. / CAPPA, Stefano F. (2000): "Do subcortical structures control language selection in bilinguals? Evidence from pathological language mixing". In: Neurocase 6, 101-106. ALBERT, Martin L. / ÜBLER, Loraine K. (1978): The Bilingual Brain. New York: Academic Press. BAKER, Colin (2002): "Bilingual Education". In: KAPLAN, Robert B. (ed.): The Oxford Handbook of Applied Linguistics. New York: Oxford University Press, 229-242. BAKHTIN, Mikhail (1981): The dialogic imagination: Four essays by M. M. Bakhtin. Austin: University of Texas Press. BATES Elisabeth/ MACWHINNEY, Brian (1989): "Functionalism and the competition model". In: MACWHINNEY, Brian/ BATES, Elisabeth (eds.): The crosslinguistic study of sentence processing. Cambridge: Cambridge University Press, 3-73. BATES, Elisabeth/ BRETHERTON, Inge / SNYDER, Larry (1988): Fromfirst words to grammar: Individual dif.ferences and dissociable mechanisms. Cambridge, UK: Cambridge University Press. BORN, Rainer (1999): Probleme der Wortschatzarbeit. Berlin [usw.]: Langenscheidt. BOURDIED, Pierre (1977): "The economics of linguistic exchanges". In: Social Science Information 16, 645-668. CHEN, Hou-Ching (1992): "Lexical processing in bilingual or multilingual speakers". In: HARRIS, R. J. (ed.): Cognitive processing in bilinguals. Amsterdam: Elsevier, 253-264. CRAIK, Fergus I. M. / LOCKHART, Robert S. (1972): 'Levels of Processing: A Framework for Memory Research". In: Journal of Verbal Learning an Verbal Behavior 11, 671-684. DAVIS, Kathryn (1995): "Qualitative theory and methods in applied linguistics research". In: TESOL Quarterly 29, 427--453. DE BLESER, Ria/ DUPONT, P./ POSTLER, J./ BORMANS, G./ SPEELMAN, D./ MORTELMANS, L./ DE- BROCK, M. (2003): "The organisation of the bilingual lexicon: a PET study". In: Journal of Neurolinguistics 16, 439--456. DE BOT, Kees (1992): "A bilingual production model: Levelt's Speaking model adapted". In: Applied Linguistics 13, 1-24. DE BOT, Kees/ SCHREDDER, Robert (1993): "Word production and the bilingual lexikon". In: SCHRED- DER, Robert/ WELTENS, Bert (eds.): The bilingual lexicon. Amsterdam: John Benjamins, 191-214. DE BOT, Kees (2002): "Cognitive Processing in Bilinguals: Language Choice and Code-Switching". In: 11 Klaus Bayer, Christine Bickes, Marijana Kresic und Klaus Rehkämper danke ich für zahlreiche wertvolle Amegungen. lFJLulL 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 49 KAPLAN, Robert B. (ed.): The Oxford Handbook of Applied Linguistics. New York: Oxford University Press, 287-300. DE GROOT, Annette M. B. (1995): "Deterrninants of bilingual lexicosemantic organization". In: Computer Assisted Language Learning 8, 151-180. DE GROOT, Annette M. B. (1993 ): "Word-type effects in bilingual processing tasks: Support for a mixed representational system". In: SCHREDDER, Robert/ WELTENS, Bert (eds.): The bilingual lexicon. Amsterdam: John Benjamins, 27-52. DDKSTRA, A. / VAN HEUVEN, A.H. / GRAINGER, J. (1998): "Simulating cross-language competition with the Bilinual Interactive Activation model". In: Psychologica Belgica 38, 177-197. DDKSTRA, A./ GRAINGER, J./ VAN HEUVEN, A. H. (1999): "Recognizing cognates and interlingual homographs: The neglected role of phonology". In: Journal of Memory and Language 41, 469-518. DURGUNOGLU, Aydin Y. / ROEDIGER, Henry L. (1987): "Test Differences in Accessing Bilingual Memory". In: Journal of Memory and Language 26, 377-391. DUTCHER, N. (1995): The use of first and second languages in education: A review of international experience. Washington, D.C.: World Bank. ECKE, Peter/ HALL, Christopher J. (2000): "Lexikalische Fehler in Deutsch als Drittsprache. Translexikalischer Einfluss auf drei Ebenen der Mentalen Repräsentation". In: Deutsch als Fremdsprache 1, 31-37. ELSEN, Hilke (1999): Ansätze zu .einer funktionalistisch-kognitiven Grammatik: Konsequenzen aus Regularitäten des Erstspracherwerbs. Tübingen: Niemeyer. FABBRO, Franco (1999): The neurolinguistics of bilingualism: an introduction. Hove, East Sussex: Psychology. FRAUENFELDER, Uli H. / SCHREDDER, Robert (1992): "Constraining Psycholinguistic Models of Morphological Processing and representation: the role of productivity". In: Boou, G. / VAN MARLE, J. (eds.): Yearbook of Morphology. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers, 165-183. FRIEDERICI Angela/ MEYER, Martin/ VON CRAMON, D. Yves (2000): "Auditory language comprehension: an event-related fMRI study on the processing of syntactic and lexical information". In: Brain and Language 75, 289-300. FRIEDERICI, Angela/ STEINHAUER, Karsten/ FRISCH, Stefan (1999): "Lexical integration: Sequential effects of syntactic and semantic information". In: Memory & Cognition 27.3, 438-453. FROST, Ram (1998): "Towards a strong phonological theory ofvisual word recognition: True issues and false trails". In: Psychological Review 123, 71-99. GEMEINSAMEREUROPÄISCHERREFERENZRAHMENFÜRSPRACHEN: LERNEN,LEHREN,BEURTEILEN(2001). Berlin [usw.]: Langenscheidt. GERARD, L. / SCARBOROUGH, D. (1989): "Language-specific lexical access of homographs by bilinguals". In: Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory and Cognition 15, 305-315. GREEN, David W. (1993): "Towards a model of L2 comprehension and production". In: SCHREDDER, Robert/ WELTENS Bert (eds.) (1993): The Bilingual Lexicon. Amsterdam: Benjamins, 249-278. GREEN, David W. (1986): "Control, activation and resource". In: Brain and Language 27, 210-223. GREEN, David W. / PRICE, Cathy J. (2001): "Functional imaging in the study of recovery pattems". In: Bilingualism: language and cognition 4.2, 191-201. HARLEY, B. / WANG, W. (1997): "The critical period hypothesis: where are we now? " In: DE GROOT, A. M. B. / KROLL, J. F. K. (eds.): Tutorials in bilingualism. Psycholinguistic perspectives. Mahwah, NJ: LEA Publishers, 19-58. HUFEISEN, Britta/ NEUNER, Gerhard (eds.) [erscheint]: Synergy in the learning of subsequent languages. Strasbourg: Council of Europe Publishing. JOHNSON , J. S. / NEWPORT, E.L. (1989): "Critical period effects in second language learning: the influence of maturational state on the acquisition of English as a second language". In: Cognitive Psychology 21, 60--99. JFJLJJ]L 33 (2004) 50 HansBickes JOHNSON, J. S. / NEWPORT, E.L. (1991): "Critical period effects on universal properties oflanguage: the status of subjacency in the acquisition of a second language". In: Cognition 39, 215-258. JUSCZYK, P. W./ FRIEDERICI, A. D./ WESSELS, J. M. I./ SVENKERUD, V. Y./ JuSCZYK, A. M. (1993): "'Infants' sensitivity to the sound patterns of native language words". In: Journal of Memory and Language 32, 402--420. JUSCZYK, P. W. / HOHNE, E.A. / JUSCZYK, A. M. / REDANZ, N. J. (1993): "Do infants remember voices? " In: Journal of the Acoustical Sciences of America 93, 23-73. KELLER, Rudi (1994): Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. Tübingen: Francke (UTB). KIM, K. H. S. / RELKIN, N. R. / LEE, K. M. / HIRSCH, J. (1997): 'Distinct cortical areas associated with native and second languages'. In: Nature 388, 171-174. KIRSNER, Kim/ LALOR, Erin/ HIRD, Kathryn (1993): 'The Bilingual Lexicon: Exercise, Meaning and Morphology'. In: SCHREDDER, Robert/ WELTENS, Bert (eds.): The bilingual lexicon. Amsterdam: John Benjamins, 215-248. KOLERS , P. A." GONZALEZ, E. (1980): "Memory for Words, Synonymsand Translations". In: Journal of Experimental Psychology: Human Learning and Memory 6, 53-65. KOTZ, Sonja A. (2001): "Neurolinguistic evidence for bilingual language representation: a comparison of reaction times and event-related brain potentials". In: Bilingualism: Language and Cognition 4, 143-154. KREsrc, M. (2004 [erscheint]): "Mehrsprachigkeit und multiple Identität". In: HERWIG, Rolf (Hrsg.): Akten des 37. Linguistischen Kolloquiums in Jena. Frankfurt/ M.: Lang. KREss, G. (1989): Linguistic processes in sociocultural practice. Oxford: Oxford University Press. KROLL, J. F. / STEWART, E. (1994): "Category interference in translation and picture naming. Evidence for asymmetric connections between bilingual memory representations". In: Journal of Memory and Language 33, 149-174. KROLL, Judith F. / DE GROOT, A. M. B. (1997): "Lexical and conceptual memory in the bilingual: Mapping form to meaning in two languages". In: DE GROOT, A. M. B. / KROLL, Judith. F. (eds.): Tutorials in bilingualism: Psychlinguistic perspectives. Mahwah, N.J.: Lawrence Erlbaum, 169-199. KROLL, Judith F. / DIJKSTRA, Ton (2002): "The Bilingual Lexicon". In: KAPLAN, Robert B. (ed.): The O: iford Handbook of Applied Linguistics. New York: Oxford University Press, 301-321. KUBOTA, R. (1999): "Japanese culture constructed by discourses: Implications for applied linguistics research and ELT". In: TESOL Quarterly 33, 9-35. KÜHN, Peter (ed.) (2000): Wortschatzarbeit in der Diskussion. Studien zu Deutsch als Fremdsprache V. Hildesheim [usw.]: Olms(= Germanistische Linguistik 155/ 156) LAVE, Jean/ WENGER, Etienne (1991): Situated learning: Legitimate peripheral participation. Cambridge: Cambridge University Press. LENNEBERG, Erich H. (1967): Biological Foundations of Language. New York: John Wiley and Sons. LEVELT, Willem J. M. (1989): Speaking: From intention to articulation. Cambridge, Mass.: MIT Press. LOCKE, John L. (1996): "Why do infants begin to talk? Language as an unintended consequence". In: Journal of Child Language 23, 608-616. LOCKE, John L. (1997): "A theory of neurolinguistic development". In: Brain and Language 58, 265- 326. LOCKE, John L. (1999): "Towards a biological science oflanguage development". In: BARRETT, Martyn (ed.): The Development of Language. Bast Sussex: Psychology, 373-396. MAYR , Ernst (1974): "Teleological and teleonomic: a new analysis". In: Boston Studies in the Philosophy of Science 14, 91-117. McNAMARA, Tim F. (1997): "What do we mean by social identity? Competing frameworks, competing discourses". In: TESOL Quarterly 31, 561-566. lF][,i.n][, 33 (2004) Bilingualismus, Mehrsprachigkeit und mentales Lexikon ... 51 MEißNER, Franz-Joseph/ REINFRIED, Marcus (1999): Mehrsprachigkeitsdidaktik. Konzepte, Analysen, Lehre,fahrungen mit romanischen Fremdsprachen. Tübingen: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik. MYERS-SCOTTON, Carol (1993): "Language processing and the mental lexicon in bilinguals". In: DIRVEN, Rene/ VANPARYS, Johan (eds.): Current Approaches to the Lexicon. Frankfurt am Main [usw.]: Lang, 73-100. NORTON, Bonny / TOOHEY Kelleen (2002): "Identity and Language Learning". In: KAPLAN, Robert B. (ed.): The O: eford Handbook of Applied Linguistics. New York: Oxford University Press, 115-123. OECD-STUDIE (2002): Understanding the Brain. PARADIS, Michel (1981): "Neurolinguistic organization of a bilingual's two languages". In: COPELAND, J. E./ DAVIS, P. W. (eds.): The seventh LACUSforum. Columbia, SC: Hombeam Press, 486-494. PARADIS, MICHEL (1989): "Bilingual and polyglot aphasia". In: BOLLER, F. / GRAFMANN, J. (eds.): Handbook of Neuropsychology. Amsterdam: Elsevier, 117-140. PERANI, Daniela / CAPPA, Stefano F. (1998) "Neuroimaging methods in neuropsychology". In: DENES, G./ PIZZAMIGLIO, L. (eds.): Handbook of clinical and experimental neuropsychology. London: Psychology, 69-94. PERANI, Daniela/ ABUTALEBI, Jubin/ PAULESU, Eraldo/ BRAMATI, Simona/ SCIFO, Paola/ CAPPA, Stefano F. / FAZIO, Ferruccio (2003): "The Role of Age of Acquisition and Language Usage in Early, High-Proficient Bilinguals: An fMRI Study During Verba! Fluency". In: Human Brain Mapping 19, 170-182. PERANI, Daniela/ DEHAENE, S./ GRASSI, F./ COHEN, L./ CAPPA, Stefano F./ DUPOUX, E./ FAZIO, Ferruccio / MEHLER, J. (1996): "Brain processing of native and foreign languages". In: Neuroreport 7, 2439-2444. POULISSE, Nanda/ BONGARTS, Theo (1994): "First language use in second language production". In: Applied Linguistics 15, 36-57. RAUPACH, Manfred (1994): "Das mehrsprachige mentale Lexikon". In: BöRNER, Wolfgang/ VOGEL, Klaus (eds.): Kognitive Linguistik und Fremdsprachenerwerb. Tübingen: Narr, 19-38. ROMAINE, Suzanne (1999): "Bilingual Language Development". In: BARRETT, Martyn (ed.): The Development of Language. Bast Sussex: Psychology, 251-276. SCHREDDER, Robert/ WELTENS Bert (eds.) (1993): The Bilingual Lexicon. Amsterdam: Benjamins. TOMASELLO, Michael (1992): First Verbs. A case study of early grammatical development. Cambridge: Cambridge University Press. TOMASELLO, Michael (ed.) (1998): The new psychology of language: cognitive and functional approaches to language structure. Mahwah, N. J.: Lawrence Erlbaum. TOMASELLO, Michael/ BROOKS, Patricia J. (1999): "Early syntactic development: A Construction Grammar approach". In: BARRETT, Martyn (ed.): The Development of Language. East Sussex: Psychology, 161-190. ULLMANN, Michael T. (2001): "The neural basis of lexicon and grammar in first and second language: the declarative/ procedural model". In: Bilingualism: Language and Cognition 4.1, 105-123. w ARTENBURGER, Isabell / HEEKEREN, Hauke R. / ABULALEBI, Jubin / CAPPA, Stefano F. / VILLRINGER, Arno/ PERANI, Daniela (2003): "Early Setting of Grammatical Processing in the Bilingual Brain". In: Neuron 37, 159-170. WEBER-Fox, C. M. / NEVILLE, H. J. (1996): "Maturational constraints on functional specialization for language processing: ERP and behavioral evidence in bilingual speakers". In: Journal of Cognitive Neuroscience 8, 231-256. WEINREICH, Uriel (1953): Languages in Contact. Findings and Problems. New York: Humanities Press. WOLFF, Dieter (2000): "Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht. Eine kognitivistisch-konstruktivistische Perspektive". In: Germanistische Linguistik 155/ 156, 99-124. f]Lm, 33 (2004)
